Socken, Diebe und Rekruten

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von Korporal Kanndra (GRUND)
Online seit 30. 04. 2004
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 Außerdem kommen vor: Raoul KlopferValdimier van Varwald

Kanndra tritt ihren Tschob als Ausbilderin an. Und nebenbei will sie mit Valdimier van Varwald noch eine Überraschungsparty schmeissen...

Dafür vergebene Note: 13


Vorwort:
Diese Single hat etwas länger gebraucht. Sie spielt aber zu Beginn meiner Abordnung zu GRUND, diverse Beförderungen (inkl. meiner eigenen) und Austritte sind deshalb nicht beachtet worden. Einige Dinge sind vielleicht etwas übertrieben dargestellt, um des Humors willen.



***Noch acht Stunden, ca. 9.00 Uhr***

Ankh-Morpork, 3. Offel 2004

Liebe Ma!

In den letzten drei Wochen ist einiges passiert, so dass ich erst heute dazu komme, Dir zu schreiben. Als erstes bin ich zu GRUND abgeordnet worden und habe nun die Aufgabe, Rekruten zu richtigen Wächtern zu machen. Dabei habe ich mich noch nicht mal daran gewöhnt, dass ich als Lance-Korporal jetzt auch Befehle geben darf. Als ich die schwarzen Wände in der Kröselstraße wiedergesehen habe, hatte ich zudem den Eindruck selbst gerade erst aus GRUND entlassen worden zu sein, obwohl ich bei den FROGs doch schon soviel erlebt habe.
Das führt mich auch zu dem zweiten aufregenden Ereignis. FROG ist in einer internen Leistungsüberprüfung, die im Übrigen regelmäßig durchgeführt werden soll, als beste Abteilung des letzten Jahres von Kommandeur Rince ausgezeichnet worden! Das hat uns alle natürlich sehr stolz gemacht. Zusammen mit Valdimier, der ebenfalls gerade als Ausbilder tätig ist, hatte ich die Idee, für unsere FROG-Kollegen eine Überraschungsparty im Eimer zu geben. Die Genehmigung dafür hat uns Rince gern erteilt und Hauptmann McDwarf (der ja im Grunde selbst immer ein "Grüner" geblieben ist) hat uns auch gestattet, ein paar Rekruten dafür einzuspannen, solange wir den Ausbildungsplan nicht vernachlässigen.
Aber jetzt kommt das Schönste! Val hat herausgefunden, dass die Untoten Socken (die Band, die wir bei ihrem Konzert hier vor HIRN beschützen mussten, erinnerst du dich? [1]) in Sto Lat sind und hat ihnen gleich eine Semaphor-Nachricht geschickt. Und sie kommen tatsächlich! Ich weiß, du hältst nicht soviel von Musik-mit-Steinen-drin, aber ich freue mich schon sehr. Heute ist der große Tag! Ich schreibe dir dann, wie es war.
Viele Grüße sendet Dir Deine
Kanndra

P.S.: Ich habe mich von Ramon getrennt. Wir waren sowieso nur ein paar Mal miteinander aus. Er hat dauernd irgendwas von Sünden geredet und wollte mich überreden, Voodoo aufzugeben und statt dessen an irgend so eine Tugendgöttin zu glauben [2]. Irgendwie ging er mir damit auf die Nerven.


Zufrieden legte Kanndra den Stift hin, las sich noch einmal durch, was sie geschrieben hatte und faltete den Brief anschließend zusammen, um ihm auf dem Weg zur Arbeit noch schnell im Postamt abzugeben.


*** Noch fünf Stunden, ca. 12.15 Uhr***


"Nun, ich freue mich über deinen äh... Eifer, Ktrask. Aber jeden anzuhalten, wäre auf die Dauer vielleicht etwas zu ermüdend. Ganz abgesehen davon, dass die Bürger Ankh-Morporks sich das bestimmt nicht gefallen lassen würden."
Lance-Korporal Kanndra Mambosamba musterte die erste Gruppe Rekruten, die ihr zugeteilt worden war. Zwei junge Männer, zwei junge Frauen, zwei Zwerge und ein Troll sahen sie mit unterschiedlichen Graden an Aufmerksamkeit an. Sie war gerade dabei, ihnen die Grundzüge der Streife zu vermitteln, was sich als schwieriger herausstellte, als sie gedacht hatte. Auf ihre Frage nach den Vorstellungen über die Pflichten eines Wächters während der Streife hatte sie jedenfalls einige überraschende Antworten bekommen.
"Ihr solltet vielmehr die Augen offen halten und nur Dingen nachgehen, die euch ungewöhnlich vorkommen und mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen könnten."
"Und was ist mit Betrunkenen? Ich habe mal gehört, die muss man als Wächter nach Hause bringen?" Die roten Augen Skillas blitzten, während ihre Flederratten leise quietschend an ihren Ohren knabberten.
Unwillkürlich griff sich Kanndra an ihre Schläfen, die schon schmerzhafte Bekanntschaft mit Skillas Haustieren geschlossen hatten [s. SM "Verfolgungsjagd von Skilla*], während sie sich fragte, wie viele Kneipen es in Ankh-Morpork gab. Laut fragte sie: "Jemand eine Idee?"
"Ähmm... nur wenn sie ein öffentliches Ärgernis darstellen?", versuchte sich Knut Kniebeisser und erntete ein zufriedenes Nicken. Kurz schien sich so etwas wie Freude auf seinem Gesicht zu zeigen, doch schnell setzte er wieder die misstrauische Miene auf, die er mit Thorak Eisenfaust, dem anderen Zwerg gemeinsam hatte. Ansonsten unterschieden sich die beiden so, wie sich zwei Zwerge nur voneinander unterscheiden können. Der drahtige Knut hatte sich noch nicht von seiner roten Zipfelmütze trennen können, während etwas jüngere Thorak muskulös war und einen kleinen Bauchansatz hatte, den er aber unter seinem Bart zu verstecken versuchte.
"Genau. Ansonsten lasst ihr sie einfach wieder nüchtern werden."
"Und Diebe? Wenn wir zum Beispiel einen Dieb treffen, sollen wir ihn dann nicht verhaften?", fragte Raoul Klopfer. Auch er war eher schmächtig, aber drahtig und bildete zu dem breitschultrigen Ktrask einen Gegensatz.
Die Ausbilderin strich sich eine Strähne ihrer unbändigen Locken aus der gerunzelten Stirn. Musste sie jetzt auch noch das Gildensystem der Stadt erklären?
"Natürlich nur wenn er keine Lizenz vorweisen kann. Ansonsten soll er ruhig zeigen, was er kann und sich aus eurer Gegenwart stehlen."
Ein paar halbherzige Lacher ertönten. Na gut, der Scherz war nicht gerade ein Brüller gewesen, aber Kanndra hatte gedacht, er könnte die Situation ein wenig auflockern. An die Rolle als Ausbilderin musste sie sich erst noch gewöhnen und deshalb war sie etwas nervös. Schließlich war sie erst vor drei Wochen zu GRUND gewechselt. Nun blickte sie in Mienen, die ungefähr aussagten: "Jetzt versucht sie auch noch witzig zu sein." Sie räusperte sich kurz und stellte lieber die nächste Frage.
"Wie verhält sich ein Wächter auf seiner Streife?"
"Muss man nicht immer rufen: Es ist alles in Ordnung! oder so?", warf Baumblüte verschlafen ein.
"Nein, nein. Ich finde, man sollte als Wächter nicht so viel Lärm auf der Strasse machen", widersprach Raoul seiner Mitrekrutin.
Kanndra nickte. "Im Grunde habt ihr beide recht. Der Ruf "Es ist zwölf und alles ist gut" ist eine traditionelle Aufgabe der Nachtwache. Heutzutage wird sie allerdings nicht mehr wahrgenommen und es empfiehlt sich tatsächlich auf der Streife möglichst leise zu sein."
Ga'targ richtete einen fragenden Blick auf den Lance-Korporal. Dann machte er das erste Mal an diesem Morgen den Mund auf. "Was mit schlafen sein?"
"Wie bitte?"
"Ich sein leise bei Schlaf."
Kanndra versuchte an der steinernen Miene des Trolls abzulesen, ob nun er einen Scherz machen wollte oder ob der Vorschlag ernst gemeint war.
"Nein, im Dienst zu schlafen, widerspricht eigentlich dem Zweck unserer Arbeit", fing sie an zu erklären, setzte nach einem Blick auf den Troll aber neu an. "Wir sind die WACHE. Das heißt, wir müssen WACH bleiben."
Langsam nickte Ga'targ. Diese einfachen Worte konnte er verstehen [3].
Die junge Voodoo-Priesterin atmete auf. "Gut, dann kannst du das gleich mal in die Tat umsetzen. Du übernimmst die Schlachtviertel-Streife heute zusammen mit - Thorak!", befahl sie dann.
Der Zwerg zuckte zusammen. "Aber... das ist ein Troll ", protestierte er. "Und er trägt zwei Hüte!"
In der Tat hatte Ga'targ bei der Ausgabe der Uniformen freudig nach einem Helm gegriffen, ihn ein wenig "ausgebeult" und aufgesetzt. Anschließend stülpte er einen breitkrempigen Strohhut einfach darüber.
"Die Arbeit der Stadtwache ist zum größten Teil Thiemwörk", erklärte Kanndra dem aufgebrachten Rekruten, "und was wir hier gar nicht gebrauchen können ist Speziesmus. Ich bin sicher , dass ihr gut zusammenarbeiten werdet", fügte sie mit eindringlichem Blick hinzu. "Raoul, du hast heute Tresendienst. Baumblüte, du kommst mit mir. Und alle anderen melden sich bei Lance-Korporal van Varwald. Er hat eine Aufgabe für euch. Dafür habt ihr den Nachmittag frei." Innerlich seufzte sie, als die Rekruten heftig Vermutungen austauschend, was diese Aufgabe betraf, aus dem Raum strömten. Doch für Erleichterung blieb keine Zeit. Sie hatte noch etwas zu erledigen.
"Und was tun wir, Ma'am?", fragte sie Baumblüte mit großen Augen und nervös an der Kirschblüte in ihrem hellbraunen Haar nestelnd.
"Wir gehen einkaufen."

"Wo wir gehen hin?", erkundigte sich Ga'targ bei dem Zwerg, als sie das Wachegebäude verließen.
"Auf Streife. Die Schlachtviertel-Route. Hast du nicht aufgepasst vorhin? Ach, folg mir einfach", brummte dieser.
In dumpfem Schweigen zogen sie los. Nach ein paar Metern reduzierte Thorak das Tempo, bis man schließlich nur noch von schlendern sprechen konnte. Dann blieb er plötzlich stehen, so dass der Troll, von seinem Schwung getragen, ihn beinahe umgerannt hätte.
"Was soll das? Warum bleibst du immer hinter mir? Komm gefälligst an meine Seite, damit ich dich im Auge behalten kann."
"Du gesagt, ich folgen. Also ich folgen."
Ein Seufzer entrang sich Thoraks Brust. Was auch immer dieses geheimnisvolle "Thiemwörk" sein mochte, von dem seine Ausbilderin geredet hatte, Trollen konnte man nun mal nicht trauen.

Kanndra hatte beschlossen, Eins mit dem Anderen zu verbinden und der Rekrutin eine Stunde in Eselskarrenlenken angedeihen zu lassen.
"Das ist Johanna", zeigte die Ausbilderin auf einen etwas zerzaust wirkenden Esel mit hellem Fell, der an einem einsamen Strohstengel kaute. "Sie ist nicht so wild, daher für Anfänger besonders geeignet. Allerdings ist sie auch etwas empfindlich, vor allem ihr Magen."
Geduldig zeigte sie Baumblüte, wie der Esel vor den Karren gespannt wird und erklärte die wichtigsten Zügelhaltungen und Kommandos. Dann war es soweit. Beide hatten es sich auf dem Kutschbock bequem gemacht und waren bereit zur Abfahrt. Baumblüte schnalzte mit der Zunge und zog leicht an den Zügeln, so wie es Kanndra ihr kurz zuvor gezeigt hatte. Nichts geschah. Johanna mümmelte immer noch genüsslich an dem Strohhalm herum und zeigte keinerlei Absicht, ihre Beine zu bewegen.
"Etwas stärker musst du schon ziehen, sonst spürt sie das gar nicht", kommentierte der Lance-Korporal die Bemühungen der jungen Kaufmannstochter. Baumblüte runzelte konzentriert die Stirn und zog so fest sie konnte. Mit einem empörten Aufschrei lief Johanna los.
"Ich sagte etwas... ahh, pass auf... links..."
Das Hoftor stand zum Glück offen, so dass der Karren nur mit einer Seite an dem Tor entlang schrappte. Baumblütes Hände krampften sich um die Zügel und sie saß wie erstarrt auf dem Bock. Kanndra blieb nichts anderes übrig, als sich an der Sitzbank festzukrallen. Erinnerungen an Schusi und sein Wahnsinnstempo bei Einsatzfahrten und vor allem an die erste Fahrt mit ihm stiegen in der Späherin auf. Im Galopp überquerten sie Klebengeblieben und dann ratterten die Räder über das Pflaster des Steinbruchweges. Glücklicherweise schien Johanna noch in der Lage, Hindernisse zu erkennen und ihnen auszuweichen. Erst an Fünf Wege wurde die Eselin langsamer. Vielleicht war ihr die Puste ausgegangen oder sie konnte sich nicht entscheiden, wo sie abbiegen sollte. Kanndra beugte sich vor und griff in die Zügel. Das schien die Rekrutin aus ihrem Schockzustand aufzuwecken und mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Johanna an den Strassenrand zu lenken. Dort gab sie ihr Frühstück von sich.
"Jetzt haben wir den Salat. Ich hatte dir gesagt, sie hat einen empfindlichen Magen. Naja, wenigstens ist nicht mehr passiert. Ich würde vorschlagen, du entsorgst das und dann vergessen wir die Sache." Kanndra drückte der entmutigt dreinschauenden Baumblüte eine Schaufel in die Hand, die zum festen Bestandteil der Eselskarren gehörte [4] und klopfte dann dem Tier beruhigend auf den Hals. "Den Rest des Weges übernehme ich besser. Und am Hier-gibt's-alles-Platz kenne ich einen netten Mietstallbesitzer, der gut auf Johanna aufpasssen wird, solange wir einkaufen", fügte sie dann an.

***Noch vier Stunden, ca. 13.00 Uhr***

Fünfundzwanzig Minuten später marschierten Baumblüte und Kanndra mit zwei großen Körben bewaffnet über den besagten Platz und arbeiteten eine lange Liste ab, die der Lance-Korporal sorgfältig abstrich.
"Die Untoten Socken kommen wirklich? Ich habe das Konzert im Hide Park gesehen im letzten Sommer", zwitscherte Baumblüte begeistert. Ihr sonniges Gemüt hatte die Eselskarrenfahrt und den anschließenden Räumungsdienst schon längst verdrängt.
"Und dem Einsatz von FROG hast du es zu verdanken, dass du das Konzert auch genießen konntest", antwortete Kanndra rätselhaft, "Deshalb sind die Jungs auch bereit, uns ein kleines Privatkonzert zu geben."
"Was kann ich für die Damen tun? Vielleicht ein paar Avocados? Ganz frisch...", sprach einer der Händler die Wächterinnen an.
"Bloß nicht!"
Kanndras Antwort war wohl schärfer ausgefallen, als sie beabsichtigt hatte. Die erstaunten Mienen der Rekrutin und des Gemüsehändlers ließen sie ein lahm klingendes "ähh... Vielen Dank" herausbringen.
Bei dem Gedanken an Gold Moons absurden Tod lief es der Späherin immer noch kalt den Rücken herunter. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal den Hauch einer Chance , dachte sie [5]. Ganz sicher würde Kanndra nie mehr dieses Gemüse anrühren und vielen ihrer Kollegen ging es bestimmt genauso.
"Außerdem fehlt eigentlich auch nur noch eines. Da müssen wir jetzt durch, tut mir leid", fügte sie zu Baumblüte gewandt hinzu und schüttelte bedauernd den Kopf.
Baumblüte wunderte sich kurz, was sie damit gemeint haben konnte. Doch als sie den Lance-Korporal auf einen bekannten Würstchenhändler zusteuern sah, ging ihr die Bedeutung der Worte schnell auf.

"Bin ich so breit oder verstehst du auch nich, was der Typ da labert?", flüsterte Kalti Vampino zu. Seit sie in Sto Lat die Postkutsche verpasst hatten und stattdessen per Anhalter die Mitfahrgelegenheit auf dem Eselskarren des Teppichhändlers ergattert hatten, redete dieser fast ununterbrochen auf sie ein. Sie hatten gerade mal Zeit gehabt, sich vorzustellen. Das allerdings hatte einen wahren Begeisterungssturm ausgelöst. Er wäre ja so ein Anhänger von ihrer "Karavelle", hatte er ihnen versichert und erwürde ihnen gerne "die Renitenz erweisen", sie in die große Stadt mitzunehmen, die sowieso seine "Detonation" sei. [6]
"Ne, bist du nich, Alter. Das Zeug von vorgestern Abend kann unmöglich noch wirken." Der Vampir blinzelte durch seine Sonnenbrille in die Mittagssonne. Gut, dass er noch einen Vorrat von dieser Schutzcreme hatte, die er bei seinem letzten Besuch in der Stadt besorgt hatte.
Der Teppichhändler, der sich ihnen als Marco Flinkenhaspel vorgestellt hatte, hatte sich halb zu ihnen herumgedreht. Der Esel schien den Weg von selbst zu finden. Wahrscheinlich war er ihn schon so oft entlanggetrottet, dass er jeden Kohlkopf persönlich kannte.
Fromm, Zombie und Schlagzeuger, Knuddel und Berti, Werwölfe und Gitarristen, Kalti, Mumie und Bassist, sowie Vampino, der Sänger der Untoten Socken hatten es sich auf den Teppichen, die der dickliche Händler in Sto Lat nicht verkauft hatte, bequem gemacht. Ein Verdeck aus gewachstem Leinen schützte die Ware und jetzt auch die Band vor der Sonne, bzw. vor Regen. Die Instrumente der Band lagen gut verschnürt unter dem Kutschbock, damit sie keinen Schaden nahmen. Besonders das Schlagzeug war nicht gerade leicht zu verstauen gewesen. Sie waren schon recht erfolgreich mit ihrer Musik, in der es meistens um das "Leben" als Untoter ging. Allerdings war in letzter Zeit wenig los gewesen, so dass sie auf dem Weg nach Lancre in der großen Stadt vorbeischauen und eine Party besuchen konnten, auf die sie so nett eingeladen worden waren. Leider würde der Großteil der Gäste aus Wächtern bestehen, aber man konnte nicht alles haben.
"... hat er mir doch tatsächlich vorgeworfen, ich würde zuviel reden!", empörte sich Flinkenhaspel gerade. "Manni, sagte ich ihm, Manni, die Leute schätzen etwas Konservation. Es sind ja nicht alle solche Croutons wie du und haben so eine unbeherrschte Temperatur..."
Und noch zwanzig Minuten bis Ankh-Morpork.

Aus dem Eimer in der Schimmerstraße drangen ungewöhnliche Geräusche von Möbelrücken und Stimmengewirr. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Kneipe verkündete ein Schild an der Tür: "Heute geschlossenige Gesellschahft."
"Höher... mehr nach links. Nein! Zu weit!", dirigierte Lance-Korporal Valdimier van Varwald Skilla, die auf einem Tisch und auf Zehenspitzen stehend, versuchte, eine grün-schwarze Papiergirlande an einem Balken zu befestigen. Diese Aufgabe wurde ihr durch ihre Haustiere, die in dem Ganzen ein Spiel zu sehen schienen, nicht gerade erleichtert. Immer wieder flogen Sumse und Stoffel Attacken gegen die herrlich flatternden, aufgereihten Papiere.
Ärgerlich stampfte die Rekrutin mit dem Bein auf, was die Girlande veranlasste, ihr aus der Hand zu rutschen. "Jetzt reicht es mir langsam. Sumse, Stoffel, kommt sofort hierher", rief sie auf ihre Schulter deutend. Als die Felderratten nicht reagierten, pfiff sie eine schrille Tonfolge.
"Jetzt konzentriere dich mal auf deine Aufgabe. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, es ist schließlich noch eine Menge zu erledigen.", wies Valdimier sie zurecht, während Skillas Haustiere sich endlich auf ihrer Schulter niederließen und leise Töne von sich gaben.
"Und mir wird auch langsam der Arm lahm hier drüben", meldete sich Ktrask von der anderen Seite des Raumes, der bemüht war das andere Ende der Girlande anzubringen.
"Entschuldigung, Sör." Schnell bückte sich die Halbvampirin nach der Girlande und streckte sich wieder dem Balken entgegen.
Währenddessen waren Tibor und Knut damit beschäftigt, Tische und Stühle so zu verteilen, dass eine freie Fläche entstand und Johann und Malochax nagelten leere Holzkisten zusammen. Die Tür öffnete sich und Henning Schwarz kam mit Boger auf der Schulter hinein. Sie salutierten vor Valdimier, der den Gruß zurückgab.
"Sie waren nicht in der Postkutsche, Sör", berichtete der Gnom.
Die Miene des Lance-Korporals verzog sich. "Verdammt."
Malochax straffte sich kurz, kratzte sich am Bart und schickte einen nachdenklichen Blick in Richtung seines Ausbilders.
"Nein, Malochax. Ich denke nicht, dass die Balkonsängerknaben ein passender Ersatz wären."

"So, da wären wir." Flinkenhaspel zog an den Zügeln und der Esel blieb auf halber Höhe der Talggasse stehen. Hier hatte Valdimier der Band ein Zimmer in einer billigen Pension besorgt, soviel hatten sie dem geschwätzigen Mann gerade noch erzählen können, als sein Redefluss kurz ins Stocken geraten war.
"Ist gut, Alter. Danke fürs Mitnehmen."
Etwas schwerfällig nach dem langen Sitzen in ungewohnter Position rappelten die Mitglieder der Untoten Socken sich auf und stiegen von der Ladefläche des Karrens. Nur Fromm begann an den Verschnürungen der Instrumente zu zerren.
"Keine Ursache. Es war mir wirklich ein ganz besonderes Vergnügen. Wenn ihr mal wieder jemanden braucht, der euch echauffiert oder einen echt klatschianischen Teppich fragt einfach nach Flinkenhaspel in der Weichmacher-Strasse." Er reichte der Mumie eine Visitenkarte. "Was Teppiche anbelangt, bin ich, in aller Bescheidenheit, eine echte Konifere. Ihr bekommt auch kandiert..."
Kalti stöhnte leise. "Ich schau mir schon mal die Bude an. Kommt jemand mit?"
Er öffnete die Tür und Pension und verschwand im Inneren. Knuddel, Vampino und Berti folgten ihm hastig, ungeachtet Fromms Protest. Die vier sahen sich in der schäbigen Eingangshalle um, in der es penetrant nach verkochtem Kohl roch. Die Vorhänge vor den Fenstern waren von einem staubig-verwaschenem Blau und der Teppich ließ gerade noch ein ehemaliges Grün erahnen. Eine wacklige Kommode mit einem Trockenblumenstrauß, der bereits ein bis zwei Spinnen eine Heimat bot, und einem Blechtablett darauf, sowie ein durchgesessenes Sofa bildeten die einzige Einrichtung neben dem wuchtigen Schreibtisch, hinter dem eine abgelebt aussehende Frau mit fettigen Haaren gelangweilt ein Kreuzworträtsel löste. Ein Schild verkündete ihren Namen: Frau Staubfänger.
"Wir kommen wegen den Zimmern. Hat ein van Varwald für uns gebucht", wandte sich Vampino an die Frau. Diese langte, ohne von dem Rätsel aufzusehen, in eine Schublade, fischte zwei Schlüssel heraus und hielt sie dem Vampir hin.
"ZimmernummerstehtdraufkeinelauteMusikkeineHaustierekeineDamenbesucheFrühstückumneun", leierte sie herunter.
"Wir sind zu fünft, könnten wir vielleicht jeder einen Schlüssel..."
"Mehr ham wir nich. BeiVerlustfünfDollar", teilte die Empfangsdame dem Kreuzworträtsel mit.
"Und kann ich Ihre Küche benutzen?", mischte sich Berti ein. Er trauerte immer noch seiner Kochbuchsammlung hinterher, die inzwischen allerdings wieder ein wenig angewachsen war. Gerade erst hatte er in diesem Kaff, wiehießesdochgleich, ein interessantes Exemplar erstanden, und brannte darauf, ein paar der Rezepte daraus auszuprobieren.
Endlich sah Frau Staubfänger auf. Sie musterte den Werwolf misstrauisch.
"Was wolln Se denn da drin?"
"Pscht, seid mal still", Vampino wedelte mit einer Hand und machte einen angestrengten Gesichtsausdruck. Der Bandkoch, der schon den Mund zu einer Antwort geöffnet hatte, klappte ihn wieder zu. Sie lauschten angestrengt.
"Ich hör nichts."
"Dann nimm mal deine Bandagen aus den Ohren", grinste Berti.
"Haha, sehr witzig."
"Nein, das ist es ja gerade. Ich höre auch nichts . Es ist verdächtig still da draußen."
Wie auf Kommando stürzten alle zu der Tür, die von Kalti mit Schwung aufgerissen wurde, so dass die Klinke einen schwarzen Fleck an der grauweissen Wand hinterließ und liefen auf die Strasse. Dort sahen sie nur einen einsamen Haufen von Beuteln, in denen ihre Sachen steckten, die große Trommel des Schlagzeugs und Bertis Kiste mit seiner Kochbuchsammlung.
"Wo ist Flinkenhaspel?", wunderte sich Kalti.
"Und wo sind unsere Instrumente? Und wo zum Offler treibt sich Fromm rum?", entgegnete Berti.
"Nun, teilweise befindet er sich anscheinend dort unten." Vampino bückte sich und hob Fromms Kopf aus dem Rinnstein auf. "Bäh, du hast da was an der Backe kleben."
Der Zombiekopf rollte mit den Augen.
"Und der Rest?" Knuddel sah sich um, als könnte man einen kopflosen Körper leicht übersehen.
In diesem Augenblick hörten sie Gerumpel aus einer Seitengasse dringen. Schnell liefen sie hin, um nachzusehen, welche Ursache das Geräusch hatte und sahen den Fromms andere Hälfte in einer Sackgasse, die sich gerade aus diversen Mülltonnen zu befreien suchte. Vampino fasste sich als erster. Er zog den Körper auf die Beine, pflückte eine Bananenschale von seiner Schulter und rief "Also gut, dann flicken wir ihn mal wieder zusammen und hoffen, dass er uns das hier erklären kann."
Mit Hilfe von Knuddel und Kalti hatte Fromm seinen Kopf bald so gut wie möglich wieder befestigt und schimpfte sofort los, kaum das er dazu in der Lage war: "Ihr seid ja schöne Freunde, lasst mich die ganze Arbeit alleine machen, dazu noch mit diesem..."
Der Vampir winkte ungeduldig ab. "Vielleicht erzählst du erst mal, was überhaupt passiert ist."
"Nun, ich habe unsere Sachen ausgeladen, alleine . Naja, dieser Teppichtyp hat mir geholfen. Dann ist er gefahren und ich wollte gerade zu euch rein, als mir jemand von hinten den Kopf abgeschlagen und ihn in diesen Rinnstein geworfen hat."
"... und die meisten unserer Instrumente mitgenommen, wie es aussieht."
"Wer macht denn so was? Doch nicht schon wieder diese HIRNies, oder?"
"Woher soll ich das wissen? Ich hatte in den letzten Minuten ein etwas eingeschränktes Blickfeld", raunzte Fromm zurück. Irgendwie schlug es ihm aufs Gemüt, ohne Körper in der Gosse zu liegen und das Panorama von Schlick und Müll bewundern zu müssen.
"Und was jetzt?" Ratlos zupfte die Mumie eine ihrer Bandagen zurecht. Wieder übernahm der Sänger das Kommando.
"Knuddel und ich nehmen die Verfolgung auf. Und ihr geht in die Kröselstraße zu diesen Wächtern."
"Ähh... wie Verfolgung?"
Der Vampir verdrehte die Augen. "Natürlich in deiner Werwolfsgestalt. Und ich werde mich auch verwandeln."
"Du bist doch schon lange nicht mehr geflogen", merkte Berti an.
"Na und? Jetzt beeilt euch mal. Sonst sind die Diebe über alle Berge!" -Plopp-. Eine kleine Fledermaus flatterte hektisch mit den Flügeln und sah dabei aus wie ein Nichtschwimmer, der unversehens in tiefes Wasser gerät. Knuddel stieß ein Knurren aus und verschwand wieder in die Pension hinter das Sofa. Die Frau hinter dem Schreibtisch murmelte: "Untote Spezies, sieben Buchstaben...", als ein großer, struppiger Wolf aus der offenen Tür trottete.
Draussen schnüffelte er kurz an einem Fleck und setzte sich dann schnell in Bewegung. Die Fledermaus folgte ihm leicht schwankend.
Kurze Zeit später verließen auch ein Zombie, eine Mumie und ein auf den ersten Blick wie ein Mensch wirkendes Wesen die Pension.

"Uff, das wäre geschafft. Jetzt brauchen wir nur noch das Essen anzurichten, dann kann die Party steigen." Kanndra setzte den schweren Korb ab und sah sich befriedigt in der hergerichteten Kneipe um.
"Ich fürchte nur, es gibt ein Problem mit den Socken", dämpfte Valdimier ihre Freude. "Sie waren nicht in der Postkutsche. Vielleicht haben sie es sich doch noch überlegt."
"Schade. Ohne sie wird es bestimmt nicht so gut." Die Späherin mochte die Musik, die einem sofort in die Beine ging. Tanzen war ihre heimliche Leidenschaft. Sie war sogar seit kurzem in einer Tanzschule eingeschrieben, wovon selbst ihre Freunde nichts wussten.
Der Vampir zuckte die Schultern. Auch er hatte sich auf die Band gefreut und beneidete Araghast schon lange um sein "Ewig-währt-am-längsten-T-Shirt".
"Dann will ich mal den Damen das Feld überlassen", sagte er mit Blick auf die Einkäufe und duckte sich grinsend, als Kanndra ihn ein lachendes "Sexist!" an den Kopf warf.
Er verließ den Eimer mit den übrigen Rekruten und ließ seine dunkelhäutige Kollegin mit Skilla und Baumblüte zurück, die sich seufzend ans Auspacken machten.

Farben. Knuddel mochte seine Werwolfsgestalt und die damit verbundene Wahrnehmung. Das war besser als die Wirkung, die das Zeug erzielte, dass Vampino und Kalti manchmal einwarfen. Einfach irre, diese Farben. Der Geruch des Esels stach deutlich daraus hervor, ein schrilles Gelb-grün. Doch da waren noch frischere Gerüche, die eher ins Blaue tendierten, zwei übereinander. Sie brachen kurze Zeit später ab, und eine andere Spur begann. Diese leuchtete rosa-orange. Ein Pferd , dachte Knuddel, Bestimmt sind sie auf eine Kutsche umgestiegen. Trotzdem, diese Typen würden sie schon zu fassen kriegen, das wäre doch gelacht. Auch der Steinbruchweg, auf dem sich noch andere Gerüche kreuzten, ließ ihn nicht zögern. Jetzt um die Ecke... und Knuddel sah nur noch schwarz.

Thorak warf aus den Augenwinkeln einen Blick auf den riesigen Troll. Vielleicht war er doch nicht so übel. Zumindest hatte er bis jetzt nicht versucht, ihn anzugreifen.
Sie waren gerade im Begriff, von der Tonstrasse auf den Steinbruchweg einzubiegen, um den letzten Teil der Streife hinter sich zu bringen, als etwas gegen Ga'targs Beine stieß. Verwundert sahen die beiden Rekruten auf, was sie für einen struppigen Hund hielten, hinunter, der von dem Stoß bewusstlos geworden war.
"Was war das denn?", wunderte sich Thorak.
"Das sein Angriff auf Wächter und das sein Straftat." Entschlossen griff der Troll nach dem Werwolf.
"Bist du sicher? Äh, ich meine er ist doch nur zu schnell um eine Ecke gelaufen..."
"Zu schnell auch seien Straftat. Wir fragen Kanndra-Frau."
"Na gut, vielleicht hast du Recht. Wir können ihn ja auch schlecht hier liegen lassen."
Sie trotteten weiter [7] und wieder breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, das jedoch bereits ein wenig versöhnlicher wirkte.
"Äh, Ga'targ?"
"Ja?"
"Du solltest ihn besser tragen und nicht hinter dir herschleifen."

Obwohl Fliegen in seiner Natur lag, fiel es Vampino nicht leicht. Er war zu lange aus der Übung und die Drogen, die er gelegentlich konsumierte, taten ihr Übriges dazu. Er sollte wirklich aufhören mit dem Zeug. Und dann diese Sonne...
Der Vampir umkurvte einen hohen Schornstein und geriet dabei in bedenkliche Schieflage. Eine Windböe, die an dem Hindernis entlang strich, brachte ihn zusätzlich ins Trudeln. Der Sänger der Untoten Socken schlug einen unfreiwilligen Salto. Nachdem er durch heftiges Flügelschlagen seine optimale Flugposition wiedergefunden hatte, musste er sich eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, in welche Richtung er eigentlich weiterfliegen sollte. Nicht nur, dass er die Orientierung verloren hatte, es gab auch keine Spur mehr von Knuddel, ganz zu schweigen von irgendwelchen möglichen Dieben. Es hatte keinen Zweck mehr. Er musste aufgeben und zurückfliegen, vorher musste er aber wissen, wohin zurück eigentlich war. Diese Stadt war einfach zu groß, viel größer als Duseldorf, ihre Heimatstadt in Überwald. Also erst mal einen Überblick verschaffen und sich kurz auszuruhen konnte auch nicht schaden. Diese Dachrinne dort drüben sah wirklich einladend aus...

Raoul Klopfer gähnte. Das war wirklich der langweiligste Tresendienst in seiner kurzen Wachekarriere. Selbst sein Tschob als Schafhüter kam ihm im Rückblick aufregender vor. Die Times hatte er bereits zweimal durchgeblättert und war über die neuesten Entscheidungen des Patriziers und die heißesten Gerüchte aus der Welt des Adels jetzt bestens informiert. Er leerte den letzten Kaffee in einem Schluck. Beim Abstellen der Tasse fiel sein Blick auf seinen Bumerang, den er von der Hüfte genommen und auf den Tresen gelegt hatte, als er seinen Dienst antrat. Ob er ein paar Würfe riskieren konnte? Die Halle war jedenfalls gähnend leer. Prüfend wog er sein Wurfgerät in der Hand. Er hatte ihn schon jahrelang und mit keiner Waffe konnte er so gut umgehen wie mit dieser. "Was soll's, ein wenig Nervenkitzel könnte nicht schaden", dachte der Icksianer und machte eine schnelle Bewegung aus dem Handgelenk.
Der Bumerang flog durch die Eingangshalle, beschrieb rechtzeitig vor dem Fenster einen eleganten Bogen und schnellte wieder auf den Rekruten zu. Dieser streckte seine sehnige Hand aus und fing ihn gekonnt auf. Ein zufälliger Beobachter hätte nicht einmal wahrgenommen, dass Raoul wieder ausgeholt hatte, da war der Bumerang ein zweites Mal auf dem Weg. Doch diesmal kam er nicht zurück. Die Tür öffnete sich und ließ drei Gestalten in den Raum. Eine davon, eine Mumie, hielt sich Bruchteile von Sekunden später den schmerzenden Kopf.
"Ey, das tat weh!", beschwerte sie sich und hob den Bumerang auf. Verwundert starrte sie ihn an. "Wo kam das denn her?"
Eine leichte Röte überzog das Gesicht des jungen Wächters. "Tut mir wirklich leid, das wollte ich nicht."
Kalti befummelte immer noch seinen Hinterkopf. "Da ist voll die Delle drin! Wir Mumien sind empfindlich, weißt du?"
Raoul nahm sich vor, von jetzt ab lieber genauer zu prüfen , wo er seine Wurfübungen abhielt, als er seine Waffe von der Mumie zurücknahm.
"Wa.. was kann ich denn für euch tun?", versuchte er von seinem Fehler abzulenken. Zu seiner Erleichterung sprang der Zombie darauf an.
"Wir suchen diesen Wächter."
"Ähmm, da haben wir eine ziemliche Auswahl. Welcher soll es denn sein?"
"So'n Vampir. Van irgendwas."
"Ach, ihr meint sicherlich Lance-Korporal van Varwald. Er ist noch im Eimer, aber er müsste eigentlich bald zurücksein", gab Klopfer bereitwillig Auskunft.
"Er ist was?" kicherte der einzige nicht untot aussehende der drei.
Raoul lächelte verlegen. "Unsere Stammkneipe. Da soll heute Abend eine Party steigen und der Lance-Korporal bereitet den Raum mit einigen meiner Kollegen vor", erklärte er etwas steif.
"Tja, sieht so aus, als müsste die Party ohne Musik auskommen, wenn ihr unsere Instrumente nicht wiederfindet."
Krachend flog erneut die Tür auf und gab den Blick auf ein seltsames Paar frei: ein Troll und ein Zwerg versuchten, gleichzeitig durch den Eingang zu treten, was der große Wolf, der der Troll sich unter den Arm geklemmt hatte, auch nicht gerade erleichterte. Schließlich gelang es ihnen, hereinzukommen, ohne dass jemand zerquetscht wurde.
"Wir hier haben zu schnellen Wächter-Angreifer." Stolz schmiss Ga'targ den immer noch ohnmächtigen Werwolf auf den Tresen.
"Das ist Knuddel!", rief Berti aus. "Was hast du mit Knuddel gemacht?"

***Noch drei Stunden, ca. 14.00 Uhr***

Kurz darauf saßen ein mürrischer Werwolf, der mit einer von Raoul eilig besorgten Uniform bekleidet war, weil natürlich niemand daran gedacht hatte, seine Kleidung mitzubringen, die restlichen drei Musiker, sowie Valdimier van Varwald und die aus dem Eimer herbeigeeilte Kanndra im Aufenthaltsraum von GRUND und hielten Kriegsrat.
"Und ihr habt wirklich keine Quittung bekommen?", fragte die dunkelhäutige Ausbilderin den Zombie gerade.
"Quittung, wat denn für 'ne Quittung?"
"Eine Quittung der Diebesgilde natürlich."
Kalti schüttelte den Kopf. "Merkwürdige Sitten habt ihr Großstädter."
"Also?"
"Nö, keine Quittung."
Valdmier holte einen Notizblock hervor und prüfte kritisch einen Bleistift. "Fromm, kannst du uns sagen, was du wahrgenommen hast, als es passiert ist? Hast du etwas gesehen oder gehört?"
Der Zombie schüttelte den frischangenähten Kopf. "Nee, ging alles ziemlich schnell. Kann nich' sagen, wie viele es waren."
"Zwei", mischte sich Knuddel ein, "mehr nicht."
"Und sie müssen von hinten gekommen sein. Also etwa aus Richtung der Gasse, wo wir meinen Körper wiedergefunden haben, oder so."
"Hmm. Und hinterher? Ich meine, als du schon ähh... getrennt warst?" Verlegen kratzte sich Kanndra am Ohr.
Fromm zuckte die Schultern. "Also gesehen habe ich da nich' mehr viel. Aber... warte mal.
Sie haben sich unterhalten."
"Unterhalten?"
"Ja, einer sagte 'Er ist doch in Ordnung, oder?' und ein anderer antwortete 'Klar, ist doch ein Zombie. Schnapp dir die Instrumente', so ungefähr. Und dann gab es schnelle Schritte, dann Hufgetrappel und ein Wagen ist weggefahren... ja eindeutig. Aber etwas weiter weg."
Valdimier machte sich eifrig Notizen und blickte die Gruppe anschließend fragend an. "Ist sonst noch jemandem irgendetwas aufgefallen? Auch Kleinigkeiten könnten wichtig sein."
Die Anwesenden schüttelten geschlossen den Kopf.
"Gut. Dann schlage ich vor, dass wir uns mal den Tatort ansehen und uns in der Nachbarschaft umhören. Außerdem sollte jemand den Teppichhändler befragen. Vielleicht hat er etwas gesehen oder gehört, was uns weiterbringt.", schlug Valdimier vor, unterstützt von Kanndras Nicken.
"Und was ist mit Vampino? Möglicherweise hat er die Diebe schon aufgestöbert", kam es hoffnungsvoll von Knuddel.
"Ihr geht am besten in die Pension zurück. Falls Vampino bei euch auftaucht und neue Informationen hat, oder euch noch etwas einfällt, schickt ihr uns einfach eine Taube. Wir geben euch eine mit", beschloss Kanndra.
"Also gut, ich werde mal diesen Flinkenhaspel aufsuchen.", sagte Valdimier und warf einen Blick auf die Uhr. "Mist. Ich habe erst eine Stunde Armbrusttraining, das hätte ich beinahe vergessen. Aber danach schaue ich dort mal vorbei."
Der Vampir sprang auf, zögerte dann aber einen kurzen Moment. "Ach ja, und danke übrigens, dass ihr überhaupt gekommen seid", wandte er sich an die Untoten Socken.
"Kein Problem. Bei uns war sowieso grad tote Hose."

Die Ausbilderin blickte sich in der Talgstrasse um und versuchte, sich zu erinnern, was sie über Spurensicherung in ihrer GRUND-Ausbildung gelernt hatte. Viel war es nicht gewesen. Die Bemühungen der SUSIs zielten eher darauf ab, andere Wächter, vor allem Rekruten, von den Tatorten so weit wie möglich entfernt zu halten, damit sie keine wichtigen Spuren zerstörten. Es war ein trockener und überraschend warmer Offeltag. So weit vom Zentrum und so nah an den Schatten war dieser Teil der Stadt nicht sehr belebt. An der Ecke zum Steinbruchweg hatte Ktrask, den Kanndra sich zur Unterstützung mitgebracht hatte, gerade damit begonnen, die Anwohner zu befragen. Der unangenehme Geruch aus dem Gerberweg mischte sich mit dem des Flusses und überlagerte ihn teilweise noch. Aus der Pension drangen die Stimmen der Bandmitglieder, die sich in der Eingangshalle aufhielten, weil Vampino noch immer ihre Zimmerschlüssel hatte.
Also erst mal den Boden genau absuchen , dachte der Lance-Korporal und schritt gebückt langsam vorwärts. Dabei hob sie mit behandschuhten Händen alles auf, was ihr wichtig erschien und tat es in eine Papiertüte. Zigarettenstummel, ein leeres Streichholzbriefchen, ein abgebranntes Streichholz, Bonbonpapier und andere Hinterlassenschaften der Zivilisation wanderten nach und nach in die Tasche der Wächterin. Andere Spuren waren auf dem Pflaster allerdings nicht erkennbar, obwohl sie gerade den Bereich, wo die Sachen abgeladen worden waren, besonders gründlich untersuchte.
Nach einer Weile kam Ktrask und salutierte vor ihr. "Keiner hat etwas gesehen oder gehört, Ma'am."
Kanndra seufzte. "Das war auch zu erwarten. Schließlich ist das hier Ankh-Morpork. Ich habe auch nichts Aufschlussreiches gefunden. Nur ein wenig Arbeit für SUSI." Sie strich sich eine Haarlocke aus der Stirn, die schon wieder ihrer Frisur entflohen war und deutete dann auf den Rest der Strasse. "Gut, bringen wir es hinter uns. Ich nehme die linke Seite, du die rechte. Vielleicht finden wir doch noch einen Zeugen."

Eineinhalb Stunden später stand Lance-Korporal van Varwald in dem Lager des Teppichhändlers und versuchte, einen Sinn in das Geschwafel des Mannes zu bekommen, der dabei unablässig seine Ware hin- und herdrehte, um sie auf Webfehler und Verarbeitung zu überprüfen. Hüfthohe Stapel von bunten und einfarbigen Läufern aus den unterschiedlichsten Materialien waren an der zwei Wänden aufgeschichtet. Weiter hinten standen große Rollen, an denen sich ein Mitarbeiter Flinkenhaspels zu schaffen machte.
"Sie haben also nichts Ungewöhnliches bemerkt?" Valdimier benutzte eine der seltenen Atempausen des Teppichhändlers um seine Frage zu stellen und zu überprüfen, ob er das nun richtig verstanden hatte.
"Das ist eine hervorragende Konvulsion, mein lieber Herr Wächter. Wissen Sie, ich finde ihre Progression ja außerordentlich spannend. Fast hätte ich sie auch ergriffen, damals als ich noch etwas fragiler war als heute..."
Unwillkürlich griff sich der Wächter an den Kopf, als er merkte, dass sich langsam eine mittelschwere Murä... Migräne entwickelte. Hastig unterbrach er Flinkenhaspel einfach mitten im Satz.
"Ich muss zurück zur Wache. Termine, Sie verstehen. Vielen Dank für ihre Kooperation."
Lachend stieß ihn der dicke Mann an und wischte sich eine Träne aus dem Auge. "Sie sind - haha - wirklich lustig! Kooperation! Haha. Wenn man nicht mit Fremdwörtern konfekt ist, sollte man damit nicht renovieren, mein Freund!"

In der Kröselstrasse versuchte Kanndra zum gleichen Zeitpunkt einer Gruppe Rekruten den richtigen Umgang mit den Nachrichtentauben zu vermitteln. Magane, eine junge Frau an der Kanndra irgendetwas kribbelig machte, starrte die Vögel nur mit einer Art herablassender Verachtung an, während Steven Träumer zum wiederholten Male fast eine Taube erwürgt hätte.
"Nicht zu hektische Bewegungen machen, damit schreckst du sie nur auf", versuchte die Ausbilderin dem schmächtigen Rekruten zu erklären. "Versucht, das vertrauen der Tiere zu gewinnen. Macht euch erst mal mit ihnen bekannt, bevor ihr nach ihnen greift", wandte sie sich dann mit erhobener Stimme an den Rest der Gruppe.
Amüsiert beobachtete sie einen Igor, ihren neuesten Rekruten, wie er auf die ihm zugeteilte Taube einflüsterte.
"Ich heife Igornitzschef. Du brauchft wirklich keine Angft vor mir fu haben." Vorsichtig streckte er eine Hand aus [7a] und bot seiner Taube ein paar Körner dar, die diese misstrauisch beäugte. Schließlich entschloss sich Dora, so der Name der Taube, es mit diesem merkwürdigen Wesen zu versuchen. Etwas an ihm erinnerte sie an ein anderes Wesen, dem sie schon vertraute und das sie immer gut behandelte. Sie neigte den Kopf und pickte schnell eines der begehrten Körnchen aus der Hand. Kanndra sah, wie der Igor sich zusammenriss, um nicht seinen Reflexen nachzugeben, und die Hand wieder zurückzuziehen und nickte ihm anerkennend zu. Kurz dachte sie besorgt an die Untoten Socken und das geplante Konzert. Würden sie die Instrumente noch rechtzeitig finden? Im Moment sah es ja wirklich nicht danach aus. SUSI arbeitete zwar mit Hochdruck an den gefundenen "Spuren", aber sehr viel Hoffung steckte der Lance-Korporal nicht da rein. Wenn Valdmier oder Vampino nicht mit besseren Nachrichten kamen, war ihr einziger Anhaltspunkt die Aussage von Fromm. Wie die Jungs wohl mit der Taube zurecht kamen?

"Langsam bekomm ich Hunger."
"Kein Wunder, wenn du dauernd in einem Kochbuch liest, Berti", grinste der Zombie.
"Vampino könnte auch mal wieder aufkreuzen oder diese Wächter. Es ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung alten Schachteln beim Kreuzworträtseln zuzuschauen", maulte Knuddel.
"Gemüsesorte des Wiewunderlands, hmm... W-A-H-O-O-N-I-E würde ich sagen. Du solltest es selbst mal ausprobieren, macht echt Spaß", entgegnete Kalti, der rittlings auf dem Empfangstisch hockte und den Hals verdrehte, um mit in das Heft schauen zu können.
Die Tür wurde aufgestoßen, vergrößerte den Fleck an der Wand und fiel wieder ins Schloss. Ein ziemlich dreckiger Gassenjunge spazierte zum Tisch und hielt Frau Staubfänger einen Zettel unter die Nase.
"Ich habe einen Brief für die Unschönen Hemden."
"Für wen? Was laberst du da für einen Quatsch?"
Der Junge zuckte die Schultern. "Hat mir ein Mann gegeben und gesagt, ich soll hierher kommen und ihm den..." das kleine Gesicht verzog sich zu großer Konzentration, soweit man das unter den Schichten aus Dreck erkennen konnte, "...Unmöglichen Schuhen geben."
Die Augen der Frau wurden zu schmalen Schlitzen und sie holte bereits tief Luft, um dem unverschämten Bengel die Meinung zu sagen, als Kalti ihr zuvorkam.
"Er meint die Untoten Socken. Das sind wir."
Die Empfangsdame lies die Luft aus ihren Lungen wieder entweichen. "Warum sagense das nich gleich?", brummelte sie vor sich hin. Wütend funkelte sie den Jungen an. "Haste nich gehört? Nu gib ihm schon den Wisch."
Ein schlauer Ausdruck trat auf das Gesicht des kleinen Rotzlöffels. "Aber erst krieg ich noch nen Dollar."
"Ähmm, hat jemand Geld dabei?"
"Wie wär es mit nem Autogramm?", versuchte Fromm zu verhandeln.
"Was soll ich denn damit? Ich will kein... kein... Ottograf. Ich will Kohle."
"Na gut, hier hast du fünfzig Cent. Mehr gibt’s nicht. Und jetzt mach nen Abflug."
Blitzschnell hatte der Kleine die Münze an sich gerafft und war aus der Pension verschwunden.
Berti las den Brief und pfiff durch die Zähne. "Ich glaube, das sollten wir den Wächtern zeigen."
"Zeig her."
Der Werwolf reichte den reichlich angeschmutzten Brief an Fromm weiter, der vorlas: "Wenn ihr eure Instrumente wiedersehen wollt und euch etwas an euren Fans liegt, kommt um 16.00 Uhr ins Harter Fels Cave, Billigseite 5. Allein!"
Knuddel sah seinem Bandkollegen über die Schulter. "Ziemlich merkwürdiger Erpresserbrief, wenn ihr mich fragt. Noch nicht mal mit Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt. Einfach nur hingeschrieben."
"Blödes Federvieh! Kommst du wohl da runter!", schimpfte Berti mit der Wachetaube, die sich vor seinem Zugriff auf die Vorhangstange geflüchtet hatte. Die lies sich davon jedoch nicht beeindrucken, sondern gurrte nur leise, drehte den Musikern ihr Hinterteil zu und entleerte ihren Darm.
"Das kostet extra! Ich habe gleich gesacht, Haustiere sind hier nich erlaubt!", keifte die Empfangsdame.
"Jaja, regen Sie sich ab, gute Frau. Sollten wir die Wache überhaupt verständigen? In dem Brief stand, wir sollen allein kommen..." Kalti kratzte sich den Kopf.
"Na warte, ich kriege dich schon!" rief der Bandkoch, stieg auf die Fensterbank und tastete mit einer Hand nach dem widerspenstigen Vogel, der prompt noch etwas fallen lies und ein paar Schritte zur Seite trippelte.
Knuddel, der immer noch die GRUND-Uniform trug, stieß eine Art Knurren aus. "Also, ich bin auch dafür, dass wir das alleine durchziehen. Bis jetzt hat uns die Wache ja nicht wirklich geholfen. Statt dessen hat uns diese Wächtertussi auch noch verboten, auf eigene Faust nach den Dieben oder Vampino zu suchen."
"Apropos Vampino. Wir haben da noch ein Problem. Wenn er nicht bald kommt..."
Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür erneut und ein reichlich zerfleddert aussehender Vampir betrat die Pension.
Gleichzeitig stieß Berti einen Schrei aus, verlor das Gleichgewicht und fiel auf das Sofa, Knuddel und Fromm herab. Die Taube flatterte erschreckt auf und machte sich aus der offenen Tür aus dem Staub.
"Ey, da biste ja endlich wieder. Wo hast du dich denn herumgetrieben?"
"Danke. Ich bin auch froh, euch wiederzusehen", entgegnete Vampino in leicht sarkastischem Ton der Mumie. "Ihr könnt euch nicht vorstellen, was mir passiert ist, echt."
"Was denn? Hast du die Diebe gefunden? Nimm bitte deinen Schuh aus meinem Gesicht, Berti."
"Ähmm, nein." Der Sänger wirkte kurz etwas verlegen, fing sich dann aber wieder. "Verdammte Wasserspeier", schimpfte er vor sich hin. "Diese Vie... Ding... Sie haben mich für eine Taube gehalten und wollten mich fressen!", platzte er trotzig heraus. "Ich bin nur mit knapper Not entkommen. Und dann habe ich mich auch noch verlaufen." Traurig strich er sich über den zerrissenen Umhang.
"Verlaufen? Das gibt es doch nicht! Wir machen uns hier Sorgen und du machst Säidsiing!", brüllte Berti, der sich von seinen Kollegen befreit hatte und jetzt an dem Taubendreck auf seinem Untot-aber-sexy-T-Shirt reibend an der Kommode lehnte.
"Von wegen Säidsiing! Ich habe meine Sonnenbrille auf diesem vermaledeiten Dach verloren. Seid froh, dass ich überhaupt noch existiere", dramatisierte Vampino die Lage ein wenig.
"Ruhe jetzt! Wir haben andere Probleme." Kalti trat zwischen die Streithähne. "Sollen wir jetzt zu dieser Kneipe gehen oder nicht? Und was sagen wir der Wache?"

"Ma'am, da ist gerade eine Taube eingeflogen." Steven salutierte vorschriftsmäßig.
"Sehr gut, Rekrut Träumer. Dann bring sie mir doch bitte."
Stolz, diese Aufgabe mit nur einem Fleck auf der Uniform gemeistert zu haben, reichte der junge Mann die Taube an die Ausbilderin weiter.
"Oh, die ist von den Socken. Mist, keine Nachricht." Nachdenklich setzte Kanndra die Taube in ihren Schlag zurück. Da werden wir wohl mal nachschauen müssen, was passiert ist.
"Also gut. Das klappt ja jetzt schon viel besser. Schluss für heute", entließ sie die Rekruten in den versprochenen freien Nachmittag.

***Noch eine Stunde, ca. 16.00 Uhr***

Kanndra klopfte bei ihrem Ausbilderkollegen an die Bürotür. Valdimier war bereits zurückgekehrt und rief ein "Herein!" von drinnen.
"Und gibt es Neuigkeiten von Herrn Flinkenhaspel?"
Matt winkte der Vampir Kanndra zu
"Dieser Teppichhändler hatte viel zu sagen, aber nichts, was uns weiterhilft. Und ich war auf dem Rückweg noch bei SUSI. Sie arbeiten noch dran, aber das meiste sieht ebenfalls nicht besonders hilfreich aus. Nur bei dem hier können sie sagen, dass es zumindest noch nicht lange dort gelegen haben kann."
Er breitete das Streichholzbriefchen, ein Streichholz und eine Zigarettenkippe auf seinem Tisch aus.
"Ich erinnere mich, die lagen nebeneinander am Eingang zu einer Seitengasse. Vielleicht haben die Täter oder zumindest einer davon dort gestanden und die Band beobachtet."
"Aber wohl kaum zufällig. Was uns zu der Frage führt, woher die Diebe gewusst haben, dass die Untoten Socken nach Ankh-Morpork kommen und dass sie gerade dort absteigen", schlussfolgerte Valdimier.
"Eben. Eigentlich wussten ja nur die Socken und wir davon. Die Taube, die ich ihnen mitgegeben habe, ist übrigens zurückgekommen. Allerdings ohne Nachricht."
"Das gefällt mir nicht. Lass uns mal in der Pension vorbeischauen."
"Das wollte ich auch gerade vorschlagen."

"Die sind nich mehr da. Und ich hab gleich Feierahmd."
"Was heisst die sind nicht mehr da? Wo sind sie denn hingegangen?" Langsam verlor Valdimier die Geduld. Bisher war der Tag nicht wirklich optimal verlaufen.Er funkelte Frau Staubfänger böse an. Merkwürdigerweise schien das keine Wirkung auf die Empfangsdame zu machen.
"Bin ich deren Kindermädchen? Ich hab hier echt genug zu tun." Mittlerweile war sie zu der spannenden Tätigkeit der Säuberung ihrer Fingernägel übergegangen.
"Ja, das sieht man", warf Kanndra ironisch ein.
Frau Staubfänger warf der Wächterin einen kurzen, verächtlichen Blick zu. "Hörnse, als dieser Rotzlöffel den Brief abgeliefert hatte und der fünfte Typ zurückgekommen war, ham se ne Weile rumdiskutiert, sind dann nach ohm und haben endlich mal ihre Klotten aus dem Weg geräumt. Kurz danach sind se gegangen."
Ein ältlicher Mann kam aus einem Hinterzimmer geschlurft, in der Hand eine Tasse Tee. "Hallo Natalie", grüßte er die Frau und nickte kurz den Wächtern zu.
"Hallo Willi. Und ich geh jetzt auch, meine Ablösung ist da." Schwerfällig erhob sich Frau Staubfänger von dem wackeligen Stuhl.
"Einen Moment noch. Erinnern Sie sich, was in dem Brief stand, den der Ro... Junge gebracht hat? Es ist wirklich sehr wichtig!" Kanndra fing den Blick Natalies ein und lies ihn nicht mehr los.
Widerwillig nickte diese. "Irgendwas von Instrumenten und einer Kneipe. Fester Stein oder so..."
Aufgeregt packte die junge Voodoo-Priesterin Valdimier am Arm. "Moment mal... Erinnerst du dich, was auf dem Streichholzbriefchen stand?"
"Ja, warte mal. Das war Harte... Schmutz ... noch ein paar Buchstaben, ...els, glaube ich und Cave Ankh Morpork."
"Els... els... Harter Fels! Könnte es das gewesen sein, Frau Staubfänger?"
"Kann sein..." Natalie gähnte gelangweilt, "jedenfalls war sie in der Billigseite, das weiß ich noch."
Verzweifelt rollte der Vampir mit den Augen. "Warum sagen Sie das denn nicht gleich?"
"Sie ham mich ja nich gefragt. Kann ich jetzt gehn?"
Die beiden Wächter nickten ihr halb zu, mit den Gedanken schon bei dem drohenden Einsatz.
"Sieht so aus, als müssten wir FROG verständigen. Zu zweit können wir das auf keinen Fall durchziehen. Wer weiß, in was die Band da reingeraten ist. Einfach loszuziehen, ohne uns Bescheid zu sagen!" Valdimier schüttelte den Kopf.
Kanndra seufzte. "Das verdirbt die Überraschung. Aber du hast recht, da alleine hinzugehen wäre Wahnsinn."

Ein Einsatztrupp der FROGs lief zwanzig Minuten später schnellen Schrittes über die Vertragsbrücke, hielt am Eingang der Billigseite an und zwei der Wächter lösten sich aus der Gruppe, während die anderen sich gute Positionen zu beiden Seiten der Gasse suchten. Kanndra und Max R.Schreckt hielten auf das Gebäude zu, das ein großes, rundes Schild in rot und gelb zierte. "Harter Fels Cave " prangte in großen Lettern darauf, in etwas kleinerer Schrift um den unteren Ring stand "Ankh-Morpork".
"Ich schau mal, ob ich eine Hintertür finde, und du siehst dir die Fenster an, in Ordnung", flüsterte der Lance-Korporal ihrem Späher-Kollegen zu. Der nickte nur als Antwort und drückte sich nah an die Hauswand, um von innen nicht gesehen zu werden, während er nach einem Schatten Ausschau hielt, in den er springen konnte. Doch ehe Kanndra um eine Ecke biegen konnte, winkte ihr der Schwarze Mann zu. Neugierig riskierte auch die junge Frau einen Blick durch das Fenster. Der Anblick überraschte sie. Zwar hatte sie die Musik schon vorher gehört, da es sich jedoch um eine Kneipe handelte, nicht besonders darauf geachtet. Jetzt sah sie, dass es die Untoten Socken waren, die da spielten. Und die, in der Mehrzahl Untoten und Trolle, um sie herum schienen sich zu amüsieren und keinerlei feindselige Absichten zu hegen. Die Zweiteren wirkten höchstens etwas überrascht, dass sich so viele Erstere in ihr Stammlokal verirrt hatten. Natürlich konnte der Eindruck täuschen. Gerade bei Trollen war der Unterschied nicht so leicht zu erkennen für einen Angehörigen einer anderen Spezies. Die beiden FROGs warfen sich einen Blick zu und gingen dann zu ihren Kollegen zurück, um ihnen zu berichten, was sie gesehen hatten.
"Ich schlage vor, wir gehen einfach mal rein und sehen nach, was da los ist." Valdimier machte ein entschlossenes Gesicht und packte seine Armbrust fester, obwohl sie ihm im Ernstfall kaum etwas nützen würde. Sidney nickte. Auch er war dafür, nicht erst lange "herumzueiern". Rogi machte zwar ein besorgtes Gesicht [9], doch auch Max, Charlotta und Kanndra stimmten zu, wenn auch nicht ganz so enthusiastisch. Ihre Waffen fest im Griff, stießen sie die Tür auf und blickten sich in der Kneipe um.

...oh Baby, Baby, untot
oh Baby, Baby, untot,
Untot nennt man sie
Yeah, yeah, yeah, yeah


Zunächst einmal konnten sie vor lauter mehr oder weniger steinernen Gestalten, die sich mehr oder weniger rhythmisch zu der Musik bewegten, kaum etwas erkennen. Niemand schenkte ihnen auch nur die geringste Beachtung.

Sie wanken,
durch die Strassen,
und die Gassen,
sie sind menschenleer.
Blasse Mienen,
die Sonne nicht vertragen,
und dann die vielen Nähte,
die sie tragen!


Vorsichtig schoben sie sich durch die Massen näher an die Bühne heran. "Da echt Steine drin sein", rief ein Troll neben Max begeistert.

Untot, oh Baby, Baby, untot
oh Baby, Baby, untot,
Untot nennt man sie

Untot, oh Baby, Baby, untot
oh Baby, Baby, untot,
Untot nennt man sie


Die Band schien in ihrem Element zu sein und machte nicht den Eindruck, irgendwie bedroht zu werden. Kanndra entdeckte hinter dem Tresen einen Mann, der die Wächter anscheinend auch schon gesichtet hatte und nervös zu ihnen herüberschaute.

Und das Leben,
ist alles, was sie wollen,
heis're Werwolfstimmen,
sie heulen durch die Nacht


Valdmier und Charlotta standen jetzt in der ersten Reihe vor der Bühne, Kanndra und Sidney hatten den Mann hinter dem Tresen erreicht und Rogi und Max sicherten je den Vordereingang und eine Tür, die nach hinten aus dem Schankraum herausführte.

Sie hasten,
durch die Strassen,
und die Gassen,
sie sind menschenleer


Nachdem sie den Refrain noch zweimal wiederholt hatten, hörte die Band auf zu spielen. Valdimier und Charlotta betraten die Bühne und begannen mit den Socken zu reden. Kanndra blitzte den Barkeeper an und schrie gegen den Lärm: "Wir hätten gern eine Erklärung."
"Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden." Der Mann begann zu schwitzen. Immer wieder wanderten seine Blicke durch den Raum auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.
"Das würde ich an Ihrer Stelle gar nicht erst versuchen, mein Kollege hier", die Späherin deutete auf Sidney, "kann ausgesprochen ungemütlich werden. Und er hat eine Nase für Flüchtige, wenn Sie verstehen."
Der Werwolf knurrte bestätigend und der Mann, der offensichtlich genau verstanden hatte, erbleichte.
"Also, was ist hier los? Warum haben Sie die Instrumente gestohlen?"

"Woher habt ihr die Instrumente?", schrie Valdimier der Band gegen den Jubel des Publikums zu.
"Naja, von ihm", schrie Berti zurück und deutete auf den Wirt. "Er hat uns einen Brief geschrieben und..."
"Und was habt ihr euch dabei gedacht, einfach loszurennen ohne uns zu verständigen?"
Plötzlich musterten alle intensiv den Fußboden. "Äh, tja, also weißt du Chef..."
"Seid lieber froh, dass ich nicht euer Chef bin", brummelte der Lance-Korporal vor sich hin und warf Charlotta einen Blick zu, die sich köstlich zu amüsieren schien.
"Jedenfalls hat sich herausgestellt, dass der Herr dort hinten der Vorsitzende unseres Fanclubs ist und er wollte wohl seiner Bitte nach einem Auftritt etwas Nachdruck verleihen."
Charlotta hob erstaunt die Augenbrauen. "Fanclub? Was ist denn das?"
Vampino strahlte sie an. Stolz strömte aus jeder Pore seines Körpers, so etwas zu besitzen wie einen Fanclub. Auch er hatte heute zum ersten Mal davon gehört, aber die Idee begeisterte ihn. "Die Mitglieder treffen sich öfters und reden über unsere Musik und so... Manche waren sogar schon zusammen auf einem Konzert von uns in Quirm."
"Schön und gut. Aber hätte er euch nicht einfach fragen können? So wie wir auch?" Val schüttelte den Kopf.
"Anscheinend hat er das getan, aber seine Nachricht wurde jemandem", der vampirische Sänger warf Knuddel einen bösen Blick zu, "verschludert."
Der Gitarrist zuckte die Schultern. "Wir bekommen so viele Briefe und so Zeugs von Frauen, die sich unbedingt beissen lassen wollen..."
"Aber woher wusste er überhaupt davon , dass ihr hier seid?", unterbrach Valdimier ihn.

"Mein Vetter arbeitet bei der Semaphor-Gesellschaft. Er ist ebenfalls Mitglied unseres Fanclubs und als er eine Nachricht an die Socken weitergeleitet hat, hat er mich gleich informiert. Wir haben dann zusammen ebenfalls eine Nachricht geschickt, aber keine Antwort erhalten." Norman Steinbeisser, als der er sich inzwischen vorgestellt hatte, schielte nervös auf die Armbrüste der beiden Wächter.
"Das ist doch kein Grund, jemanden zu bestehlen. Sie hatten Glück, dass es überhaupt geklappt hat und die Diebesgilde nichts mitbekommen hat."
Der Ausdruck des Wirts wurde flehentlich. "Wir haben die Instrumente doch... quasi.... nur ausgeborgt. Schon gut, ich weiß, es war eine blöde Idee. Ursprünglich wollten wir auch nur mit ihnen reden, aber dann war Fromm ganz alleine... es war ein spontaner Einfall... und so eine Gelegenheit unsere Idole zu sehen wollten wir uns nicht entgehen lassen." Er seufzte. "Außerdem hatte ich schon überall herumerzählt, dass die Jungs hier spielen würden."
Kanndras und Valdimiers Blicke trafen sich und tauschten Informationen aus, wie es nur zwischen einem eingespielten Team möglich ist. "Naja, es scheint ja kein Schaden entstanden zu sein. Wenn die Band auf eine Anzeige verzichtet, könnten wir ein Auge zudrücken, oder Sid?"
Der Chief-Korporal zuckte die Schultern. "Es ist euer Fall. Sag mal, war da eben nicht die Rede von einer Party für die FROGs?"
Steinbeisser atmete erleichtert aus, während Kanndra nickte. "Sobald wir die Band und die restlichen Wächter in den Eimer gelotst haben kann es losgehen", grinste sie.

***17.15 Uhr, endlich Party***

Als die Gruppe aus dem Harten Fels Cave eintraf [10], wurden sie von einem Empfangskomitee aus Rekruten und Wächtern aus allen Abteilungen empfangen. Ein großes Banner verkündete: "Herzlichen Glückwunsch, FROG" und das Abteilungswappen über dem Tresen wurde von einem grün-schwarzen Tuch eingerahmt. Die Schnittchen, die Herr Käse freundlicherweise zuende zubereitet hatte, warteten auf einem Tisch und der Wirt hatte bereits mit dem Einschenken der beliebtesten Getränke begonnen. Die Band enterte die improvisierte Bühne und Valdimier rief übermütig: "Die Feier möge beginnen!" Der Aufforderung bedurfte es allerdings kaum.
Die beiden Ausbilder gesellten sich zu Araghast Breguyar, der mit einer würstchenknabbernden Venezia Knurblich auf der Schulter am kalten Büffet stand und ihnen entgegenstrahlte. "Stellt euch vor, wir bekommen einen Aufenthalt in Überwald geschenkt!", teilte er ihnen mit. "Sozusagen einen Betriebsausflug."
Veni lächelte hintergründig. "Ja. Aber der wird garantiert kein Spaziergang werden", bemerkte sie mit vollem Mund, wobei winzige Würstchenkrümel sich in der Gegend verteilten. "Irgendwann im Sommer geht es los."
Ehe sie nachfragen konnten, was mit der Bemerkung über den Spaziergang gemeint war, begannen die Socken zu spielen und steigerten den Lautstärkepegel damit erheblich. Kanndra hielt es nicht lange auf der Stelle. "Kommt, wir gehen tanzen", rief sie den anderen zu.

***Am nächsten Mittag***

Während sich die bedauernswerten diensthabenden Wächter durch den nächsten Tag quälten, standen die Untoten Socken im Hof des Harten Fels Caves und verhandelten mit Norman Steinbeisser über den Preis seiner kleinen Kutsche und einer gefleckten Stute. Damit wollten sie ihr Transportproblem endgültig lösen. Schließlich konnten sie sich einigen, versprachen, den Fanclub kostenlos Karten für ihr nächstes Konzert in der Stadt zu überlassen und tauften das Pferd auf "Turbus", was laut Vampino latatianisch war und soviel wie "besonders schnell" hieß. Nun, vielleicht hatte es auch eine andere Bedeutung...

ENDE

[1] s. SM "Ewig währt am längsten" von Valdimier v. Varwald

[2] s. SM "Acht tödliche Sünden"

[3] Falls ihr euch über Fragen und Antworten wundert: schlagt nach bei Shakespeare: "Viel Lärm um nichts/Much ado about nothing, Akt 3, Szene 3

[4] normalerweise wurden damit Hinterlassenschaften anderer Art beseitigt

[5] s. SM "Die 101. Verschwörung von Araghast Breguyar

[6]  einige der folgenden "falschen Fremdwörter" stammen von hier: http://home.tonline.de/home/volker.poehls/fremd.htm

[7] den typischen Wächter-Schlendergang beherrschten sie noch nicht ganz

[7a] es handelt sich um die seines Großonkels Igor

[9] Sie war schließlich diejenige, die die Arbeit haben würde, wenn es schief ging

[10]  Steinbeisser hatte sie aus schlechtem Gewissen heraus mit seiner Kutsche hingebracht

Kritik erwünscht



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