Van Varwald auf der Flucht

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von Wächter Rabe Raben (GRUND)
Online seit 08. 04. 2004
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Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht: Verfolgungsjagd. Verbrecher zu jagen und dann auch zu fangen ist unabdinglich im Wacheleben. Als Übung mußt du deinen Ausbilder verfolgen. Stoppe ihn mit allen erdenklichen Mitteln! (ohne ihn natürlich körperlich zu verletzen)

Dafür vergebene Note: 9

Die größte Stadt der Scheibenwelt und Wohnort einiger sehr obskurer Personen. Hier verkaufen Leute wie Treibe-Mich-Selbst-In-Den-Ruin-Schnapper Würste die nur selten ein lebendes, oder untotes, Wesen vertragen konnte und Frau Kuchen kümmerte sich hingebungsvoll um das Wohlergehen der Götter.
Aller Götter!
Aber heute betrachten wir den Alltag eines neuen Bewohners der Stadt. Er wirkt unscheinbar, was auf der Scheibenwelt allerdings nicht viel zu bedeuten hat.

"Ah, sehr gut. Du bist ja schon da, Rekrut Raben", sagte Valdimier Van Varwald, seinerseits Vampir und Ausbilder bei der Stadtwache von Ankh- Morpok, als er vor die Tür des Wachhauses in der Krösselstraße trat.
Er trug, abgesehen von seinem Umhang, schwarze unauffällige Zivilkleidung. Rekrut Rabe Raben salutierte.
"Natürlich, Sir. Sie sagten doch ich solle um Punkt zehn hier sein", antwortete er, wobei er immer einen Schritt vor und einen zurück machte. "Schon gut, schon gut."
Schritt vor, schritt zurück.
Van Varwald musterte für einige Sekunden den Wasserspeier vor ihn. Wenn man berücksichtigte das Wasserspeier eigentlich urbane Trolle waren, kam einem bei Rekrut Raben der Ausdruck, "Laune der Natur", in den Sinn. [1] Für einen urbanen Troll war er wirklich sehr klein.
"Also Rekrut", begann Valdimier und betrachtete den Sichelförmigen Mond. "Du weißt was heute auf dem Ausbildungsplan steht?"
Schritt vor.
"Ja Sir!", antwortete Rabe. "Verfolgungsjagden."
Schritt zurück.
"Genau. Ich werde den Verdächtigen auf der Flucht spielen und deine Aufgabe wird es sein mich mit allen Mitteln zu fangen. Ohne mich in irgendeiner Weise körperlich zu verletzten. Hast du das verstanden, Rekrut?"
Den letzten Satz hatte Van Varwald extra betont.
Unweigerlich musste er an eine Zwergin namens Avalania von Gilgory denken. Sie hatte versucht ihn mit einer Wurfaxt die Beine abzuschneiden und dann felsenfest darauf bestanden dies würde nicht zu körperlich verletzten zählen, da er ja eh so gut wie unsterblich sei.
"Jawohl Sir. Mit allen Mitteln stoppen, aber dann doch nicht irgendwie, oder so. Verstanden, Sir."
Schritt vor, schritt zurück.
"So, bevor wir anfangen. Noch irgendwelche Fragen?", wollte Lance-Korporal Van Varwald wissen.
Der kleine Wasserspeier verzog sein Gesicht zu einer Fratze während im mehrere dutzend Fragen durch den Kopf jagten. Letztendlich entschied er sich für eine. "Ist es Körperverletzung wenn ich sie stoppen würde indem ich sie in den Ankh werfe?"
Seit er in Ankh-Morpok war, hatte Rabe viel über die zähe, breiige Masse gehört, die manche "Fluss" nannten. Bis jetzt eröffnete sich ihn aber nie die Möglichkeit dieses interessante Phänomen näher zu untersuchen. Schockiert sah Valdimier auf Rabe herab, aber nirgends im Gesicht des Wasserspeiers gab es ein Anzeichen dafür, dass der Rekrut scherzte.
"Meinst du das wirklich ernst?", fragte er.
Rabe nickte und machte einen Schritt zurück.
"Meine Güte, Junge. Man schmeißt doch niemanden in den Ankh. Das haben wirklich nur die schlimmsten Verbrecher verdient."
"Dann habe ich keine weiteren Fragen, Sir."
"Na gut. Dann fangen wir an", meinte Valdimier völlig verwirrt. Was ist nur mit den neuen Rekruten los, dachte er. Einer will mich verstümmeln und dieser hätte mich tatsächlich in den Ankh geworfen.
"Ich werde in diese Richtung flüchten." Van Varwald zeigte an Rabe vorbei in Richtung Steinbruchweg. "Wenn ich an der Ecke dort vorne angekommen bin, kannst du mit der Verfolgung beginnen. Die Verfolgung ist beendet wenn du mich geschnappt hast oder ich es sage", erklärte er und rannte los.
Als Vampir hat man gewisse Vorteile gegenüber Menschen. Einer davon ist das man schneller laufen konnte als sie. Da würde es wohl kaum ein Problem sein einen so kleinen Wasserspeier mit kurzen Beinen abzuhängen. Allerdings entsprach das nicht ganz der Realität. Van Varwald sah zurück als er in die Ulmenstraße einbog und stellte fasziniert fest das in dem kleinen Körper doch mehr steckte als man vermutete. Von einem Bein aufs andere springend sah Rabe seinen, sich schnell entfernenden, Ausbildungsleiter nach. Für einen Moment überlegte er ob es nicht fair wäre dem Lanze-Korporal einen etwas größeren Vorsprung zu geben. Schließlich war Rabe es gewohnt Vampire zu fangen.
Zu der Zeit als er noch in Überwald lebte, hatte er oft mit den Kindern der Nachbarn [2] fangen gespielt und war darin sehr gut gewesen. Andererseits war Valdimier Van Varwald bestimmt nicht so leicht zu fangen wie ein paar Kinder. Rabe begann zu gehen, verfiel dann in einen etwas schnelleren Laufschritt und spurtete plötzlich schnell wie ein Blitz los, wobei er wie ein Hund auf allen vieren lief.
Er folgte seinen Ausbildungsleiter in die Ulmenstraße, wich einigen Passanten aus, ohne jedoch Valdimier aus den Augen zulassen. Sie überquerten die Sirupminenstraße und am Ende der Schimmerstraße hatte Rabe seinen Ausbilder weit genug eingeholt. Muskeln spannten sich, bereit zum Sprung und konnten nicht mehr bremsen als Van Varwald in einer Seitengasse verschwand. Krallen kratzten über Stein und verursachten ein Geräusch wie Kreide auf einer Schiefertafel, bei Rabes versuch den Schwung seines Sprunges zu bremsen. Energisch wirbelte er herum und rannte in die enge Gasse. Van Varwald war nirgends zu sehen. Eine Wolke schob sich vor den Mond. In der Finsternis begannen Rabes Augen gelb zu leuchten.
Zögernd schob er sich an einigen alte Kisten und Fässern, die anscheinend jemand in der Gasse entsorgt hatte, vorbei. Auf der anderen Seite erstreckte sich vor Rabe die Glatte Gasse. Ratlos folgte Rabe einfach seiner Intuition, überquerte die Pons-Brücke und betrat den Pseudopolis Platz. In der Mitte des Platzes erhob sich das Opernhaus, wie ein steinerner Wächter im fahlen Licht des Mondes.
"Wo würde ich hingehen wenn ich ein Vampir wäre?", murmelte Rabe vor sich hin. "Woher soll ich das wissen? Ich bin kein Vampir", antwortete er sich selbst.
Das größte Problem bei Rabe war, das er in Stresssituationen zu Selbstgesprächen mit seinem, weitaus selbstbewußteren, zweiten Ich Raben neigte [3]
"Ich meine ja auch nur wenn ich einer wäre", versuchte Rabe zu erklären.
"Wenn du einer wärst, würdest du nicht darüber nachdenken, was du tun würdest wenn du einer wärst, weil du ja einer wärst und es einfach tun würdest [4]."
"Und was würde ich tun?"
"Keine Ahnung, aber wenn ich du wäre, was ich ja bin, würde ich auf den Umhang achten der da auf dem Dach der Oper rumweht."
"Oh, du hast Recht. Das würde ich. Danke für die Hilfe."
"Keine Uhrsache. Bin ja der Schlaue von uns!"
Rabe ging zum Opernhaus und begann daran empor zu klettern. Seine Klauen bohrten sich ohne Probleme in das Gemäuer und er erklomm es mit solch einer Leichtigkeit, dass der beste Fassadenkletterer neidisch geworden wäre. Ohne Problem zog Rabe sich über die kannte und sah tatsächlich Valdimier Van Varwald an der Dachkante stehen.
"Hab ich sie, Sir?", fragte Rabe.
"Du hast mich also doch noch gefunden", erwiderte Van Varwald. "Aber ich könnte von hier noch fliehen", fügte er mit einem Blick nach unten hinzu.
"Nur wenn ich nicht schnell genug bin", gab Rabe zurück. Nun weckte er den Stolz des Vampirs. Van Varwald musste nichts weiteres tun als sich in eine Fledermaus zu verwandeln und davonfliegen und dieser kleine Wasserspeier dachte wirklich er könnte ihn noch erwischen. Vampire waren anderen Lebewesen in vielen Dingen überlegen. Dazu gehörten zum Beispiel Kraft, Geschwindigkeit und, je nach Alter, Erfahrung.
Wahrscheinlich lag es genau an diesen Vorteilen weshalb sie selbst nach Jahrhunderten nie ihren Stolz ablegen konnten, was nicht zwingend eine Schwäche war, aber sehr leicht in diese Kategorie Rutschte.
Sie waren sich ihrer Überlegenheit bewusst.
Stille breitete sich auf den Dach des Opernhauses aus. Es war dieselbe Stille wie sie in schlechten Western, kurz vor dem großen Duell an High-Noon eintrat. Wieder spannten sich steinerne Muskeln in Rabe, bereit für einen großen und schnellen Sprung. Ohne Vorwarnung explodierte sein Körper und raste auf Valdimier zu. Klauen streckten sich nach einem menschlichen Körper aus, griffen aber nur in die leere Luft. Eine Fledermaus flatterte über Rabe und kicherte leise, während er sich am Dachrand festklammerte um nicht in die Tiefe zu stürzen.
"Komm hoch", sagte Van Varwald, jetzt wieder in menschlicher Form, und zog Rabe zurück aufs Dach. "Es macht sich nicht gut wenn ein Rekrut vom Dach fällt."
"Das war knapp." Schwer atmend sank Rabe auf die Knie und stützte sich mit den Händen ab.
"Bist ganz schön hartnäckig", lobte der Ausbilder seinen Rekruten. "Ist `ne gute Eigenschaft in der Wache."
"Aber ich habe euch nicht erwischt, Sir", erwiderte Rabe.
Seine Stimme klang niedergeschlagen und enttäuscht.
"Das macht nichts. Das einzige was zählt ist das du es richtig versucht hast."
" Und das du mir nicht die Beine abschneiden wolltest", fügte Valdimier Van Varwald in Gedanken hinzu.

[1]  Dazu sollte man wissen das Rabe Raben eigentlich gar nicht von Trollen abstand. Außer man ging davon aus das der Felsbrocken, aus dem er gefertigt wurde, einmal ein Troll war.

[2] Die Nachbarn bestanden zum größten Teil aus alten Vampir- und Werwolffamilien.

[3]  Daher der Name Rabe Raben. Cloppenburg fand dieses Wortspiel sehr witzig, andere Leute ohne Humor übrigens auch.

[4] Versteht ihr was ich mit "größtes Problem" meinte?




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