Diese Geschichte entstand ebenso wie der Fall: Der Satz, um den es geht, wurde vor dem Schreiben der Single von Bregs erfragt. Daher widme ich sie auch unserem Püschologen.
Die Bitte damals war: "Nenne mir einen Satz, der aus zehn bis fünfzehn Wörtern besteht und über etwas handelt, was Rib verstehen kann. Also nichts vom Theater oder aus Büchern oder so."
Abgesehen von dem Umsetzen in die Vergangenheitsform ist der Satz Orginal.Gerüchteweise soll es Tage geben, an denen Wächter ruhig in ihrer Stammkneipe, dem Eimer, nicht von einem Fall überrascht werden. Egal wie häufig dies vorkommt, bestimmte Wächter geben die Hoffnung nicht auf.
Die Hoffnung stirbt zuletzt sagt man...
[1] "... Bregs, ich mache mir Sorgen um dich. Du trinkst zuviel."
Rib schaute aus seinem Krug seinem Kollegen beim Hinunterstürzen des Doppelten zu. Das war kein gemütliches Bierschlabbern mehr, was Bregs hier veranstaltete, er versuchte anscheinend Probleme 'wegzuexen'. Und außerdem ging er nicht auf Ribs Kommentar ein, was einem Gnom furchtbar ärgern kann.
"BREGS!"
Der Angesprochene seufzte und reagierte weiterhin nicht. Statt dessen schloß er die Augen und murmelte zu sich selbst: "Wer hilft den Helfern?"
"Brehhegs! Ich red mit dir. Verdammt, wenn du Probleme hast, sag was. Wir besprechen unsere ja auch mit Dir."
Araghast Breguyar lächelte leicht über den Vergleich. Schließlich war er ja der Püschologe der Abteilung, natürlich kamen sie alle zu ihm. Wer zu Rib mit seinen Sorgen ging, hatte wirklich ernsthafte Probleme und suchte nach eine dauerhaften Lösung.
Der Giftexperte der Stadtwache ließ nicht locker: "Also, was ist?"
"Rib bitte, laß mich in Frieden. Du hast genügend eigene Probleme. Und komm mir jetzt bitte nicht mit einem Vergleich mit Kreuzen und Silber."
Rib zuckte zusammen, denn er wußte, worauf Bregs anspielte. Sein Clan, die McLaut, hatten vehemente Probleme mit dem geschriebenen Wort. Selbst Zitate erschienen ihm suspekt (solange er sie nicht selbst rezitierte).
Die Fähigkeit zu lesen oder zu schreiben verunsicherte Rib in einem solchen Maße, daß er das Gefühl bekam, sein Innerstes würde durch den Fleischwolf gedreht. Mehrmals.
Er sah es auch als eine seiner Schwächen an, fand sie allerdings vernünftig. Im Elfenreich war, so wußte der Kriegspoet, es möglich, damit alles möglich.
Die Magie der Worte, sah man mal von den Büchern der Zauberer ab, funktionierte hier in der Stadt anders. Aber sie funktionierte aus seiner Sicht...
Die Wörter "Wache! Aufmachen!" zwangen Leute, die das ansonsten gar nicht im Sinn hatten, eine Tür zu öffnen. (Wenn auch nicht immer die, an der dieser Spruch aufgesagt wurde.)
Gesetze brachten Mitbürger einer Gruppe namens Verbrecher in einen Raum, aus dem sie nur schwer herauskamen.
Und eine Verordnung hinderte Rib daran, ein zweites Bier zu trinken.
Letzteres störte den Gnom am meisten.
"Wörter haben aber MACHT. Mein Clan sagt immer, so ein Wort kann dir schneller was antun, als du 'Tötet den Anwalt' sagen kannst."
"Rib, das sind nur Wörter."
"Nein, das ist viel mehr. In einem Satz steckt so viel drin, was du nicht kontrollieren kannst. Es ist doch Wahnsinn, ihn an ein Buch zu binden, damit er Bestand hat."
"Ich sag's noch mal: Es sind nur Wörter!"
"Du glaubst mir nicht, was? Ich beweise es Dir: Nenne mir einen Satz, der aus zehn bis fünfzehn Wörtern besteht und über etwas handelt, was ich verstehen kann. Also nichts vom Theater oder aus Büchern oder so."
Araghast war einigermaßen froh, das Rib etwas Neues hatte, woran er sich festbeißen konnte. Eine eigenartige Faszination strahlte von dem blauen Gnom aus, der anscheinend wirklich irgendwas im Sinn hatte.
Mit dem Hauch eines Interesses kam eine Antwort: "Nun gut, wenn du es so willst..."
Bregs machte eine Pause und überlegte.
"
Jeden Morgen, auch wenn es stürmte und schneite, ging Ingo zum Stall und melkte seine Kühe. Das ist mein Satz.."
"Woher hast du den Satz?" der GiGa starrte den Püschologen an.
Bregs blickte kurz zur Seite: "Er ist mir gerade zugefallen. Also los, keine Zeit schinden, was hast du vor?"
"Ich wette mit Dir, das ich selbst aus einem erfundenen Satz einen Kriminalfall bauen könnte, der den Sprecher ins Gefängnis bringen würde."
"Klingt gut, um einem Runde?"
Rib nickte: "Moment, wir müssen noch drei Regeln festlegen.
Erstens, die Regel der Verbindlichkeit: Wir nehmen mal spaßeshalber an, das diese Worte von jemanden gesprochen wurden, der von einem Verbrechen, das er begangen hat, berichtet. Das Opfer, dieser Ingo ist ein vernünftiger Mensch und weiß, was er tut. Ebenso hat der Verbrecher vernünftige Gründe zu sagen, was er zu sagen hat und meint die Dinge auch so, wie er sie gesagt hat. Nichts von dem was gesagt wurde, war unnütz.
Zweitens, die Regel der Durchschnittlichkeit: Ingo ist kein Spitzensportler und körperliches Ausnahmetalent. Ebenso ist in dieser Geschichte keine Magie zum Zuge gekommen.
Drittens, nur um ein Bild vor Augen zu haben: Die Tat fand in Ankh-Morpork oder Umgebung statt."
"Klingt gut, jetzt fang an."
"Womit soll ich anfangen? Mit Ingo unserem Opfer, mit dem Täter oder dem Ort des Verbrechens?"
"Mit Ingo."
"Gut, also Ingo hat Kühe, die er melkt. Er melkt sie allein.
Dafür macht er sich jeden Morgen auf den Weg zum Stall.
Es ist einfach ganz alltägliches Verhalten von ihm, denn der Täter hat nicht so etwas wie SEITDEM gesagt.
Daher ist er kein Gnom, Untoter oder Troll. Gnome sind zu klein, Untote erschrecken die Kühe und ein Troll hat keine weichen Hände. Wenn wir hochgradig unwahrscheinliche Sachen wie Elfen weglassen, bleibt nur Mensch oder Zwerg."
"Und darauf bist du ganz allein gekommen?" kam es ironisch zurück.
"Die ersten Schlußfolgerungen sind immer einfach. Wie wäre es damit: Ingo wohnt nicht in dem Bauernhof, zu dem der Stall gehört."
"Warum das?"
"Weil Kühe melken etwas ist, was ein Bauer tun muß. Die Kühe haben ansonsten Schmerzen und würden den Stall zerlegen. Das Stürmen und Schneien macht nur Sinn, wenn der Weg weit ist, es also etwas ist, was als Zumutung zu sehen ist. Mindestens zwei Kilometer, eher mehr, würde ich sagen."
"In Ordnung, kann man so sehen." Bregs beugte sich vor. Anscheinend hatte Rib das wirklich nicht im Scherz gemeint mit dem Satz.
"Ingo hat den Stall, der ihm nicht unbedingt gehört, vielleicht gepachtet oder gemietet, jedenfalls sitzt jemand anderes im Bauernhaus, das dazu gehört."
"Wieder das Stürmen und Schneien?"
"Ja, es macht nur Sinn es zu erwähnen, das er melken geht OBWOHL so ein Wetter ist, wenn diese Zumutung auch zu verhindern wäre. Wenn es theoretisch jemanden geben könnte, der das dann für ihn übernimmt. Für denjenigen ist es selbstverständlich keine Zumutung. Der Weg ist ja kurz.
Davon abgesehen geht Ingo nicht zu SEINEM Stall und melkt die Kühe. Es stehen auch andere Kühe darin und er melkt nur die seinen. Was übrigens nur klappen kann, wenn seine Kühe einen eigenen, von den anderen abgesperrten Bereich sich befindet. Kühe wollen meist DRINGEND gemolken werden."
Rib dachte nach.
"Den Zeitraum des Morgens können wir eingrenzen. Würde er um vier aufstehen, sprächen wir eher von "mitten in der Nacht". Da noch nicht mal ein "Früher Morgen" hervorgehoben wurde, denke ich, kann man guten Gewissens davon ausgehen, das er nicht vor fünf Sanduhren startet."
"Gut das war frühste Zeitpunkt... du lächelst aber, als ob du auch das SPÄTESTENS bestimmen könntest."
Rib nickte, tauchte einmal unter und trank einen Schluck Bier dessen Schaum langsam verschwand.
"Gibst du mir mal das Täschchen rechts neben meinem Krug? Danke."
Rib griff in die Tasche holte ein Pulver heraus und ließ eine Prise davon in das Bier rinnen.
Unter ihm brodelte es, Blasen stiegen empor und füllten wieder das Glas.
Dann fuhr er fort: "Kein Haustier hat so einen Appetit wie so ein Rind, es gibt kein Haustier das mehr verschlingt. Schließlich braucht sie viel Kraft, um ihre acht bis 12 Liter
[2] zu produzieren und sich Fett für den Winter anzufressen.
Wenn es nicht normalerweise schon um acht auf der Wiese steht, bekommt es davon einfach nicht genug. Abgesehen vom späten Frühsommer, wo der Klee in der Blüte steht und das Gras saftig ist."
"Woher weißt du soviel über Kühe?"
"Wir McLauts sind die geborenen Viehdiebe. Auch Gnome und Elfen müssen essen."
[3]"
Ah, ja..." Bregs zog die linke Augenwimper hoch.
"Schau mich nicht so an. Ich wüßte gar nicht wie ich soviel Fleisch in mein Vogelhaus bekommen sollte."
"Ich komme langsam durcheinander, was haben wir bis her erfahren?"
"In Ordnung."
"Also, was haben wir jetzt, Ingo, der Nichtbauer geht ein paar Kilometer zu dem Bauernhof von irgend jemanden, um nur seine eigenen Kühe zu melken. Dazu macht er sich zwischen 5 und 8 Sanduhren auf den Weg." "Sieben Sanduhren. Da Ingo erfahren darin ist, weiß er, das es keinen Sinn hat, Kühe melken zu wollen, wenn sie auf der Weide sind. Sind viel zu aufgeregt und hungrig um stehen zu bleiben. Also macht er es vorher.
Er muß sie also vorm Weidegang melken, was auch kein Spaß ist, aber machbar. Da er darin recht geübt sein dürfte, braucht er als Experte je nach Talent und Kuh zwischen ein fünftel und ein drittel Sanduhr. Wir nehmen den Durchschnittswert, damit er auch im Sommer Zeit genug hat: Ein Viertel. Mindestens zwei Kühe und ein Weg, der genauso lange dauert dazu, macht eine ganze Sanduhr, die er früher los gehen muß."
"Ja, Moment! Jetzt hast du um ein etwas Zeit geschwindelt. Ich kann zwei Kilometer schneller gehen." Bregs lächelte.
"Warte, ich zeigst Dir." Rib kletterte aus dem Bierglas und trocknete sich mit Lappen notdürftig ab, den der Wirt, Herr Käse, ihm immer dabei legte. Er zeigte auf den Tisch.
"In Ankh-Morpork sind die Straßen wie dieser Tisch, eben und gut zu belaufen." erklärte er. Dann sprang er auf den Boden, kletterte auf mal diesen mal jenen Tisch, rempelte kurz einen Bierkrug an, entschuldigte sich, nahm noch diese oder jene Kurve und kam zurück. "Aber wenn ich über Land gehe, sind die Straßen schlechter. "
Der Kobold überlegte kurz: "Wobei ich natürlich übertrieben habe."
"Schön, ich laß das mal gelten. Kannst du die Zeit noch weiter eingrenzen?"
"Später, wichtig ist erstmal, daß wir auch eine Höchstmenge an Kühen angeben können."
"Können wir?" Bregs fing langsam an, über diesen Satz zu staunen.
"Ja, denn wenn jede Kuh ein Viertelglas braucht, er aber um spätestens fünf aus dem Haus will, kann er sich nur acht weitere leisten. Das führt uns zu einer anderen Schlußfolgerung."
Rib stieg wieder in sein Bier. Er streichelte lächelnd über sein neues Giftamulett. Es war ganz neu und sehr zierlich. Der GiGa war richtig stolz auf das Schmuckstück.
"Wir wissen jetzt", erklärte er, "das Ingo nicht der Bauer ist. Mit zehn Kühen hält sich kein Bauer über Wasser. Das ist ein besseres Zubrot, bei den Preisen für Milch und Fleisch. Und von anderen Tieren wie Schweine und Hühner ist nicht die Rede. Der Bauernhof gehört ihm nicht, sondern nur ein Teil des Tierstalles. Eben gemietet."
"Wie kommst du auf einen Hof?"
"Weil die Tiere sonst schon irgendeinem Mundraub zum Opfer gefallen wären. Leute aus den Schatten würden für soviel Fleisch töten."
"Du wohnst doch auch in den Schatten."
Rib schwieg und spielte weiter mit seinem Giftring, in dem, wie der Giftexperte behauptet hatte, nur ein Lähmgift sich befinden sollte. Bregs beschloß trotzdem nicht nachzufragen.
"Bleiben wir erst einmal dabei, es ist also nicht seiner. So was wie ein Hobby, bei dem sich Ingo was dazu verdient." sagte er statt dessen. "Was noch?"
"Ingo ist blond." erwiderte Rib.
"WAS? Wie willst du darauf kommen?"
Rib grinste: "Gar nicht, das war nur ein Scherz. Was jetzt kommt dürfte stimmen: Ingo ist nicht nur kein Bauer, er arbeitet wahrscheinlich, oder er hat sonst etwas anderes vor, weswegen er im besten Fall abends gerade mal Zeit hat, die Kühe in den Stall zu lassen."
Bregs blickte argwöhnisch zu Rib.
"Doch. Wenn du mit Kühen schon mal gearbeitet hättest, wüßtest du das. Morgens sind sie hungrig, wie ich vorhin schon erwähnte. Sie strampeln herum, weil sie wissen, gleich geht’s auf die Weide. Wer sich geschundene Nerven und umgestoßene Milcheimer ersparen will, macht das abends. Dann ist die Kuh vollgefressen, nur das gemolken werden fehlt zum Glück. Aber Ingo geht morgens, Tag für Tag, obwohl er es mit seiner Erfahrung besser wissen müßte.
Er hat daher etwas besseres zu tun, als Rücksicht auf seine Nerven zu nehmen, und zwar jeden Abend."
"Gut, er hat was abends vielleicht zu tun, aber das sagt doch nicht aus, das er arbeitet..."
"Nun, von irgendwas leben. Die Milch gibt nicht viel her. Und Ingo ist auf keinen Fall reich, eher ärmlich."
Bregs staunte. Was war denn mit Rib los? Der kleine Gnom hatte schon früher versucht, Fälle intelligent zu lösen, aber jetzt ... jetzt sprühte er fast.
"Komm schon Rib, du nimmst mich wieder auf den Arm!"
Rib schüttelte den Kopf. Das stellte er sich bei den Größenverhältnissen auch etwas problematisch vor.
"Warum sollte ich? Ein weiter Weg, durch Sturm und Eis, und Ingo GEHT dorthin. Er reitet nicht, nimmt keine Kutsche, kein Diener oder Geselle übernimmt das für ihn. Ingo ist nicht mal in der Lage irgendeinem Bauern in der Nähe Geld für diese Viertelstunde zuzustecken.
Was mich dazu bringt, das Ingo aus der Stadt und nicht aus dem Dorf kommt und dort lebt. Deswegen muß er den Stall auch irgendwie bezahlen."
"Hmm?"
"Du weißt nicht, was das für ein Zusammenhalt auf so einer Ansammlung von Höfen ist. Wäre Ingo irgendwie damit verwurzelt, würde ein Nachbar das ohne Bezahlung übernehmen. Und würde davon ausgehen, das Ingo ihm irgendwann mal bei Heueinholen hilft. Oder 'nen Schnaps spendiert.
Würde er in einem anderen Dorf wohnen, hätte sicher ein Bauer zugelassen, das Ingo sich einen provisorischen Unterstand für die Kühe baut.
Wenn er nicht da wohnt, kann er nur hier in der Stadt wohnen."
"Wollen wir wieder mal zusammenfassen?"
"Ingo geht ein paar Kilometer zu dem Bauernhof, bei dem er ein paar Kühe gegen Bezahlung untergestellt hat. Diese Kühe sind seine eigenen, nicht mehr als zehn Stück.
Dazu macht das Opfer sich jeden Morgen zwischen 5 und 7 Sanduhren auf den Weg.
Der Bauernhof gehört jemandem, zu dem Ingo kein freundschaftliches Verhältnis hat.
Wer dort wohnt geht ihm nicht helfend zur Hand.
Überhaupt kommt unser Kühefreund nicht aus dem Dorf und derzeit wohnt er auch in keinem. Er scheint Bürger der Stadt zu sein, von keinem hohem Einkommen." "Ich hätte nicht gedacht, das soviel in einem Satz steckt." Bregs fiel jetzt erst auf, wie still es im Eimer geworden war. Andere Wächter waren näher gerückt und selbst einige Zivilisten starrten entgeistert auf den GiGa. Gnome kannte man sonst ja eher als Vertreter der Diskussionsform 'Erst schlagen, dann fragen'.
"Moment, wir sind noch lang nicht durch. Ingo macht sich auf einen beschwerlichen Weg ins Dorf. Aus der größten Stadt der Welt kein kurzer Weg, aber das haben wir ja schon zu Anfang gewußt, das er es ja nicht einfach hat. Zwischen Stadt und Dorf befindet sich immer ein Streifen Natur, wo die Menschen dicht zusammenleben wie hier mag das zwar Feld sein, auf jeden Fall immer Abstand. Wahrscheinlich duldet die stolze Dame namens Stadt keine Nebenbuhlerin neben sich. Ich hab mich draußen nicht umgeschaut, aber gerade bei größten Stadt der Welt dürfte das der Fall sein. Mindestens drei bis vier Kilometer. Wahrscheinlich mehr."
"Den Abstand können wir von den Kühen abziehen."
"Der Abstand darf aber auch nicht zu groß sein, denn selbst wenn Ingo eine Schubkarre benutzt, er muß die Milch noch schleppen. Auf dem Dorf wird er sie nicht los, denn bei dem Verbrauch hier an Fleisch hat fast jeder Bauer Rinder.
Selbst wenn er die Hälfte seiner Erzeugnisse abgibt (und dann hat er sich übers Ohr hauen lassen), über eine solche Strecke mehr als 20 Liter Milch zu schleppen, ist eine Tortur. Und das muß er jeden Tag schleppen, Milch wird schnell schlecht.
Und damit ist auch klar, das es ein Dorf sein muß, das der Stadt sehr nah ist. Wenn er erst durch drei Dörfer durch muß, würde er sich bald die Knöchel im Stehen kratzen können.."
"Und wenn er dem Bauern alle Milch gibt und dafür etwas Geld bekommt?"
"Ausgeschlossen. Wenn Ingo nicht unter dem Herstellungspreis bleibt, wäre es für den Bauern günstiger, eigene Kühe zu nehmen. Und dann lohnt es sich ja nicht für Ingo."
"Er läßt es vielleicht von jemanden zu Butter und Käse verarbeiten..."
"Gut möglich. Erhöht zwar den Verkaufspreis, aber verringert leider nicht das Gewicht. Er produziert täglich neuen Käse und fährt nie mit dem Karren."
"Und wenn er es transportieren läßt?"
"Dann macht er bei höchstens 10 Rindern keinen Gewinn. Diese Person muß ja auch bezahlt werden, ebenso wie der Bauer.
Aufgrund von Gewicht und Abstand zum Dorf würde ich behaupten, Ingo hat mindestens zwei Kühe und höchstens vier. Tendenz eher nach unten.
Ach ja, Ingo ist arm: Ein Eselskarren würde sein Leben nicht nur erleichtern, sondern auch ihm die Möglichkeit geben, mehr pro Kuh zu verdienen. Da wir ausgeschlossen habe, das Ingo bescheuert ist, würde er sich ansonsten so etwas zulegen.
Ich denke, damit haben wir Ingo so genau beschrieben, das wir ihn wiederfinden wurden, indem wir einige Torwächter und Morgenpatrouille nach ihm befragen.
Wir sollten mit der Tat weitermachen."
Inzwischen hatte sich eine Menschentraube gebildet. Ein kleines Kind wurde nach vorne geschoben, damit es auch etwas sah. Ribs Bierkrug war inzwischen leer und er kletterte in einen Krug mit Wasser.
"Der Satz dreht sich nicht um die Kühe oder den Stall. Es ist Ingo, dem etwas passiert ist. Etwas, was verhindert, das er weiterhin dorthin läuft. Wenn es darum gehen würde, nur seinen Milchverkauf zu behindern, hätte man nicht über das Gehen sprechen müssen.
Wir reden hier über ein Verbrechen, das jemanden am Gehen hindert. Also schwere Körperverletzung, Entführung oder Mord.
Ich würde, wenn es echt wäre, auf Mord tippen. Für eine Entführung ist er zu arm und von gebrochenen Beinen an einem hilflosen Passanten haben wir nichts gehört.
Aber selbst wenn die anderen beiden Sachen zutreffen, läuft es auf Mord hinaus. Der Täter kann nicht dulden, das Ingo ihn wiedererkennt.
Vom Sprecher kann man sicher annehmen, das Ingo gut kennt. Schließlich redet er von einem Vornamen. Der Wirt hier, Herr Käse, nennt mich ja auch nur 'Herr McLaut'. Und glaub mir, der hat mich schon oft gesehen.
Der Zuhörer kennt übrigens ihn wahrscheinlich auch, aber nicht so gut, das der Satz unnötig wäre. Ob wir es hier einer Art Beichte oder Bericht an einem Mittäter zu tun haben, läßt sich nicht feststellen.
Aber egal. Was immer Ingo auch passiert ist, es ist ihm weder in der Stadt, noch auf dem Weg zum Dorf, sondern auf diesem Hof passiert."
Bregs ersparte sich den Kommentar.
"Wir haben uns darauf geeinigt, der Verbrecher über die Tat berichtet. Nun, wäre es in der Stadt passiert, macht es überhaupt keinen Sinn, das der Täter von den Kühen berichtet. Ein einfaches '...ging Ingo durch das Stadttor' hätte gereicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Weg zum Dorf, denn warum redet der Täter über den Stall?"
"Das ist aber eine Vermutung... vielleicht wollte der Täter noch auf die Milch zu sprechen kommen, um sie zu verkaufen zum Beispiel."
"Ja, es ist eine Vermutung, aber ich kann sie wahrscheinlicher machen."
"Wie denn das?"
"Der Täter hat unseren Ingo beobachtet. Dort bei und in dem Stall und das jeden einzelnen Morgen. Ich glaube, das der Täter da wohnt."
"Also jetzt denke ich, führst du mich wieder aufs Glatteis. Warum das? Der Täter erzählt doch nichts über sich."
"Oh doch. Er muß in der Lage gewesen sein, Ingo zu beobachten, um diese Feststellung zu treffen. Jeden Tag."
Bregs nickte.
"Im Stall, sonst sieht er das Melken nicht."
"Oh."
"Nun, Ingo würde es auffallen, wenn ein Fremder im Stall wäre, oder?
Zumal, was soll ein Mensch in einem Schneesturm in einem fremden Stall?"
"Moment, erst einmal wieder zusammenfassen, was wir über Ingo haben!" wandte Bregs ein.
"Wir glauben also, Ingo ist ein Bürger dieser Stadt. Jeden Morgen zwischen fünf und sieben geht Ingo zu Fuß los, ein paar Kilometer zu einem Bauernhof, bei dem er ein paar Kühe gegen Bezahlung untergestellt hat.
Diese Kühe sind seine eigenen. Es sind mindestens zwei, höchstens vier Stück.
Der Bauernhof gehört jemandem, zu dem Ingo kein freundschaftliches Verhältnis hat. Wer dort wohnt, geht ihm auch nicht helfend zur Hand.
Überhaupt kommt unser Kühefreund nicht aus dem Dorf und derzeit wohnt er auch in keinem.
Ingo hat etwas wie eine Schubkarre oder einen riesigen Rucksack dabei. Sollte er die Milch roh verkaufen, sind darin ein oder mehrere Behältnisse, mit denen er die Milch transportiert.
Ingo arbeitet wahrscheinlich abends in der Stadt. Dies mit den Kühen scheint ein Nebenerwerb zu sein. Er ist arm.
Der Ingo ist tot oder wird es bald sein. Er kannte seinen Mörder gut. Die Tat fand bei oder im Stall statt, wo der Täter sein Opfer jeden Morgen beobachtet hat."
"Ja, es ist anzunehmen, das es die Person war, welche die anderen Kühe versorgt. Wer sonst ist um diese Uhrzeit im Stall?
Ach ja, aufgrund der offensichtlichen Armut von Ingo und dem langen Zeitraum, den sie sich kennen, ist ein Verbrechen im Affekt am wahrscheinlichsten. Es wird ein emotionales Motiv sein." "Vater!" kreischte es plötzlich vom Nebentisch. "Wie konntest du nur! Ich liebe Ingo."
Alle Leute schwenkten ihre Köpfe zu einem Paar, das an einem Nachbartisch saß.
"Dieser Schmarotzer. Wollte sich einheiraten in unser Gut. Ha! Das wird er nun nie mehr verlassen.
Hat so groß getan, der Wicht. Sprach immer von seinen Gefühlen und Heiratsplänen, der Taugenichts.
Da hab ich ihm das Joch über den Schädel gezogen.
Der Kerl fand unsere Rüben doch immer so toll. Jetzt düngt er Sie halt. Da ist er wenigstens zu was nütze."
"Vater!!!!" das Kreischen überschlug ein paar Oktaven, stieg höher und höher, bis es nur noch Vampire in ihrer flugtauglichen Form wahrnehmen konnten.
"Ach, laß gut sein, Luise." murmelte der Mann. "Das einzige, was ich bedauere, ist, das dieser ...Winzling mir keine Zeit mehr ließ, mein Gewissen mehr vor dir zu erleichtern. Tag um Tag wartest du darauf das er zurückkommt. Das konnt' ich nicht mehr ertragen."
Der Mann stützte seine Arme auf den Tisch, um sich zu erheben.
"Ähm, das würd' ich lassen..." meinte Rib.
"Ach was. Wenn ihr mich schon haben wollt, dann wenigstens nicht, ohne das ich mich wehre."
"Seien Sie vorsichtig, Sir."
Der Mann stand auf. Für einen kurzen Moment sah man seine fast zwei Meter große Statur. Dann knickten seine Beine weg. Bewustlos schlug er auf.
Rib strahlte Bregs an und zeigte noch mal seinen Giftring vor: "Lähmgift. Geht bei Aufregung sofort in die Beine."
"Du willst sagen, du hast ihn vergiftet?"
"Traue nie einem GiGa, der dein Glas anrempelt."
"Aber warum?"
"Weil du angedeutet hast, das du den Satz von ihm hast. Langsam kann ich dich deuten.
Und außerdem kein Mensch denkt sich so einen Satz aus. Eher was wie 'Ich treibe Sport, weil es mir Spaß macht und mich gesund hält.'"
"Wie...angedeutet?"
"Na, dein Blick zur Seite."
"Der war doch nur so. Ich wußte gar nicht, das ich den Satz unbewußt von ihm benutzt habe."
"WAS??? Oh... naja, hat ja geklappt."
"Aber was wäre, wenn er ein Verwandter oder Bekannter des Opfers gewesen wäre? Dann hätte der Satz doch ebensogut funktioniert."
"Ja, aber dann hätte ich einfach nichts gesagt. Wer macht mich schon dafür verantwortlich, das jemand in einer Kneipe zusammensackt?"
"Rib!"
"Laß gut sein, Bregs...Was wollt ich noch mal beweisen?"
"Das selbst ein Satz einen Menschen ins Gefängnis bringen kann, den man erfunden hat." antwortete Bregs. "Du hast verloren."
"Warum? Er wird im Gefängnis sitzen!"
"Der Satz war aber nicht erfunden."
"Das ist doch meine Schuld."
"Du hast nicht gesagt, daß ich den Satz erfinden soll."
"MIST!" knurrte Rib. Da war sie wieder, die Magie der Worte.
Er haßte es, wenn Sätze gegen ihn ausgelegt wurden.
[1] Die personifizierte Hoffnung der Scheibenwelt hoffte das auch.
[2] Wir reden nicht von den modernen Milchproduzenten, die mit bis zu achtzig Liter am Tag eine Art lactische Ich-AG darstellen, die gerade noch der genetischen Versuchung widerstehen kann, in die Melkmaschine zu kriechen.
[3] Der Autor outet sich hiermit als nur in der Nähe von Bielefeld wohnend. In einem Dorf, in dem es Leute gibt, die weder Strom haben, noch etwas anderes als Platt sprechen verstehen können.
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