Bestens im Bilde

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von Gefreite Drei Hungrige Mäuler (DOG)
Online seit 05. 03. 2004
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Die Gildenoberhäupter der verschiedenen Länder treffen sich in A-M.
DAS wird VIEL Arbeit geben!

Dafür vergebene Note: 12

Vorwort



Mein Dank gilt in erster Linie all denjenigen, die an der Entstehung meiner "Bibel", dem Scheibenweltkalender 2003, mitgearbeitet haben sowie den unendlichen Weiten des www - welchem ich viele interessante Informationen, nicht zuletzt über das Leben und Werk der Fotografin und Filmemacherin Leni Riefenstahl, entlocken konnte.
Ich hoffe, ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Erarbeiten meines ersten "richtigen" Einsatzes - ein dreifaches WUFF und Vorhang auf für

BESTENS IM BILDE



"Autsch, velfluchtel Mist!" Drei Hungrige Mäuler rieb sich die schmerzenden Finger ihrer rechten Hand.
"Pah, dilettantisch, ja das isses. So wirstes nie schaffen, Frollein." Verächtlich schüttelte Nikkon, der kleine Ikonographendämon, den Kopf.
Schon seit geraumer Zeit beobachtete er die junge Achaterin von seinem Platz am Küchentisch aus. Gemächlich lehnte er sich an die Wand seiner Behausung, welche zugleich sein Arbeitszimmer darstellte, kreuzte lässig die dürren Beinchen und sog genüsslich an seiner selbst gedrehten Zigarette.
Sein kritischer Blick streifte die Gefreite, die sich entmutigt auf einen Küchenstuhl niedergelassen hatte und verweilte anschließend auf dem Gebilde in der Mitte des Raumes. Es war ein etwa mannshohes Holzgerüst, vergleichbar einer lieblos zusammengenagelten Vogelscheuche. Ähnlich der Bauvorlage war auch dieses kreuzförmige Lattenwerk mit einer schäbigen, braunen Cordjacke ausgestattet, an deren äußeren Taschen eine Schnur mit kleinen Glöckchen befestigt war. In der Tasche befanden sich, das wusste er, neben einer Geldbörse auch eine Mausefalle. Letzteres war der Grund für Drei Hungrige Mäuler's schmerzerfüllten Aufschrei.
Das Ganze stellte ein Trainingsgerät für Taschendiebe dar, wie es Nikkon in einem Hinterzimmer des Ladens von Wong Han Del gesehen hatte, als er selbst noch Teil des kuriosen Warenlagers des achatischen Händlers war. An solch einem Objekt hatte der Bruder des Ladenbesitzers, Ein Gau’Ner des öfteren seine Fähigkeiten, die er für seine Tätigkeit als Warenlieferant brauchte, vervollkommnet.
"Ja, ja, du kleinel Klugscheissel, das wal jetzt schon del zehnte Velsuch, diese blöde Bölse lauszuziehen. Vielleicht könntest du statt Klitik mal was Hilfleiches von dil geben."
Die angehende Gildenexpertin war entgegen ihres sonst so freundlichen Naturells mittlerweile alles andere als gelassen.
Der Technikdämon nahm noch einen letzten Zug von seinem Glimmstengel und schnippte die Kippe achtlos auf den Fußboden. In Gedanken begann er bereits zu zählen, doch noch bevor er die Eins zu ende formulieren konnte, setzte die Achaterin bereits zur üblichen Strafpredigt an. Normalerweise kam er bis drei, an besonders guten Tagen sogar bis fünf.
Drei Hungrige Mäuler war heute wirklich ausgesprochen gereizt.
Nikkon quittierte ihr Geschimpfe mit unbeeindruckter Gelassenheit. Spöttisch grinsend sah er ihr zu, als sie die Kippe auflas und in den Mülleimer warf.
"Du brauchst also n’ Tipp, Frollein, so so. Na dann lass ma’n Fachmann ran!" Lässig stieß er sich von dem Ikonographen ab und schlenderte zur Tischkante. Hätte er eine Hose angehabt, hätte er die Daumen mit Sicherheit in den Bund gehakt.
"Fachmann? Du bist ein Ikonoglaphendämon, del mal so ein Tlainingsgelät gesehen hat, das macht dich noch lange nicht zu einem Fachmann fül Taschendiebstahl!"
Erbost stand Drei Hungrige Mäuler, die Arme in die Hüften gestemmt, vor dem Technikdämon.
"Bla, bla, bla. Soll ich da nu helfen, oder nich?" Nikkon verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Na gut, ja, bitte. Schaden kann's ja nicht. Also, was meint ihl, glossel Meistel des Taschendiebstahls?" Drei Hungrige Mäuler unterstrich die zynische Bemerkung mit einer angedeuteten Verbeugung.
"Okahi, also", der Dämon räusperte sich lautstark, "erstens solltest dir ma die Nägel schneiden, mit den Krallen kannste ja schon dem Typen aus’n Keller Konkurrenz machen."
"He, du splichst von meinem Fleund, dem Helln Obelgefleiten Maximilian L. Schleckt, del ist nicht ilgendein Typ.", protestierte der angehende Dobermann.
"Ja, ja. Also wie ich scho gesagt hab, erstens Nägel schneiden, dann bleibste nich dauernd an der Schnur hängen. Zweitens musste deine Finger lockern, so." Er demonstrierte seine Anweisungen, indem er seine dürren, langen Finger verschränkte und sie in dieser Position einmal nach unten einmal nach oben bog, bis die Knöchel knackten.
"Du kannste auch’n bissl Klavierspieln, zum Aufwärmen, wennste willst", fuhr er fort.
"Abel ich habe kein Klaviel, nicht mal ein kleines Piano. Das weißt du doch." Drei Hungrige Mäuler war ein wenig verwirrt.
"Du sollste ja auch nur so tun als ob, Frollein." Nikkon wurde ungeduldig. "Und wennste was lernen willst, unterbrich mich nich dauernd."
"Schon gut, in Oldnung, also Fingel lockeln, nicht wahl?", lenkte sie ein.
"Ja, genau. Und dann musste noch an deiner Grifftechnik arbeiten. Du darfste nich mit da ganzen Hand inne Tasche rein, das können nu die wirklich Guten, ohne dass ma was merkt. Du musst mit’n kleinen Finger und’n Daumen die Jackntasche auseinander spreizn und dann vorsichtig mit Zeige- und Mittelfinger nach der Ware tasten. Das Ganze sollt natürlich schnell geh’n, sonst is derjenige schon weitergegangen, bevorste noch was ertastet hast."
Während seiner Belehrungen hatte Nikkon sich eine weitere Zigarette gedreht, die er sich nun zwischen die Lippen klemmte.
"Soweit alles klar, Frollein?"
Die junge Frau nickte und begann fieberhaft nach einer kleinen Schere zu suchen. In einer der Schubladen der Anrichte hatte sie Erfolg. Sofort begann sie eifrig ihre Nägel zu kürzen.
Der Technikdämon hatte es sich inzwischen wieder bequem gemacht und paffte was das Zeug hielt.
Drei Hungrige Mäuler nahm bereits Schritt Nummer Zwei in Angriff. Sie verschränkte ihre Finger, ließ die Knöchel knacken und spielte auf einem imaginären Tasteninstrument.
Mit neuem Enthusiasmus näherte sie sich einige Minuten später dem Holzgerüst und ging in Gedanken nochmals die Reihenfolge der Griffe durch.
Die erste Hürde, die Schnur mit dem Glöckchen dran, meisterte sie ohne Probleme, auch die Mausefalle bereitete ihr keine Schwierigkeiten. Sie ertastete die Börse, nahm sie zwischen Zeige- und Mittelfinger, ganz so, wie Nikkon es ihr erklärt hatte, und zog sie mit einem kleinen Ruck aus der Jackentasche. Leider ein wenig zu schwungvoll, denn der brüchige Stoff der Jacke zerriss mit einem lauten "Rrrratsch!"
Nikkon konnte nicht mehr an sich halten, unter hysterischem Gelächter wälzte er sich auf dem Küchentisch hin und her.
Erbost warf Drei Hungrige Mäuler die Börse auf den Boden, versetzte dem Trainingsgerüst einen Stoß und verließ zornig und fluchend die Küche.

+++


'So ein Mist, wie soll ich mich nur unerkannt in die Diebesgilde einschleichen, wenn ich noch nicht mal den einfachsten Taschendiebstahl zuwege bringe?' Drei Hungrige Mäuler ließ sich das morgendliche Gespräch mit Hauptmann Daemon auf dem Weg in ihr Schlafzimmer noch einmal durch den Kopf gehen.

"Guten Morgen, Gefreite Drei Hungrige Mäuler, ich habe hier eine Aufgabe für dich." Die letzten Worte wurden durch ein kleines Grinsen des Hauptmanns begleitet.
"Wie dir Chief-Korporal Picardo schon bei deiner Bewerbung für D.O.G. erklärt hat, ist jeder unserer Mitarbeiter nicht nur auf seine eigentliche Tätigkeit spezialisiert, sondern hat sich auch Kenntnisse auf anderen Gebieten anzueignen. In deinem Fall bedeutet es, dass du deine Ausbildung mit einer netten, kleinen verdeckten Ermittlung beginnen wirst." Er schob der Achaterin einen Zettel zu, offenbar eine Nachricht eines Informanten.

Trähfen der Oberigsten Gilden- und Vereinsfertreter der Scheibe, 12.Gruni, acht Uhr ahbendt, Siezungssal, Alchimisten Ecke U.B.W.; unpedingt wichetig!

Ungläubig sah die Gefreite erst die Notiz, dann ihren Vorgesetzten an.
"Ich soll....?" begann sie mit vor Nervosität zittriger Stimme.
"Ja, natürlich. Du wolltest doch die ehrenwerte Gilde der Diebe in Zukunft betreuen, oder irre ich mich?" Ein leiser Hauch von beginnendem Ärger schwang in Daemons' Stimme mit.
"Du wirst dich der erlesenen Gesellschaft, unauffällig, versteht sich, anschließen und dich umhören, was die jeweiligen Oberbonzen so alles vorhaben. Danach erwarte ich einen umfangreichen Bericht und die Aktualisierung unserer Kartei. Schließlich kann man nicht alles über eine Gilde aus Büchern lernen, man muss auch mal selbst dringesteckt haben." der Hauptmann war sehr stolz auf diese Logik "Das wäre dann mal alles."
Der Leiter der D.O.G. lehnte sich gemächlich zurück und wartete, ohne eine Miene zu verziehen, auf Drei Hungrige Mäuler's Reaktion.
Die Gefreite richtete sich entschlossen auf, nahm eine stramme Haltung ein, salutierte und bemerkte, "Jawoll, Söl, ich velspleche, ich welde mein Bestes geben."
Innerlich tobte allerdings ein Kampf der Gefühle im Körper der Achaterin, wobei sich Panik und Stolz, ob der ihr zugedachten Aufgabe, nicht über die Vormachtstellung in diesem Krieg einig wurden. Inbrünstig betete sie darum, dass der Hauptmann ihre Zweifel nicht bemerkte.
Daemon, der eher eine Flut von Ausreden und Protest erwartet hatte, zumindest was den letzten Punkt seiner Anweisung betraf, hob überrascht seine linke Braue.
Eigentlich wollte er den Dobermannwelpen nur ein wenig provozieren, aber da es ihr nichts auszumachen schien und das Archiv ohnehin mal wieder entstaubt werden musste, ließ er es vorerst einmal bei dem Gesagten.
Ein wenig versöhnlicher bemerkte er, "Sehr löblich, Gefreite, ich bin sicher, das wirst du. Da ja noch ein paar Tage bis zu dem Treffen hin sind, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn du dir ein paar grundlegende Fähigkeiten aneignen würdest, ich denke da mal an einige Fertigkeiten in Sachen Taschendiebstahl oder so."
Der Abteilungsleiter der D.O.G. stützte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Hände und rieb sich gedankenverloren mit dem Daumen die Nase.
"Damit solltest du durchaus im Stande sein, dich unauffällig unter die Gildenmitglieder zu mischen, nur für den Fall, dass dich einige Kollegen zu einem Wettkampf herausfordern sollten. Solche Spielchen sind durchaus beliebt bei derartigen Veranstaltungen und wir wollen ja nicht, dass deine Tarnung sofort auffliegt. Du brauchst ja nicht perfekt darin sein, aber zumindest so gut, dass du ohne weiteres als geringeres Gildenmitglied anerkannt wirst."
"Abel, Söl, ich dachte, das wäle ein Tleffen del Besten del Besten. Wie soll ich denn als kleinel Taschendieb an del Sitzung teilnehmen?" Verwirrt blickte die angehende Gildenexpertin zu ihrem Vorgesetzten.
"Ach was, solche Treffen sind nichts andres als ein Fest, nur dass eben lediglich Mitglieder der Diebeszunft und deren verwandter Berufe dran teilnehmen dürfen. Das ist DAS Ereignis schlechthin, da trifft sich alles, was in der Szene anerkannt ist, gleich wie gut, oder schlecht die einzelnen Personen ihrem Beruf nachgehen. Keine Sorge, du wirst schon genug in Erfahrung bringen, wenn du dir Mühe gibst."
Aufmunternd nickte Hauptmann Daemon seinem jüngsten Abteilungsmitglied zu.
"Übrigens, du solltest vielleicht mal zu Lieselotte runtergehen, falls du Nachhilfe in Sachen Verkleidung brauchst."
Er wünschte der Gefreiten noch viel Erfolg bei ihrer ersten D.O.G.-Mission und entließ sie danach aus seinem Büro. Eher ratlos kehrte die Gefreite zu ihrem Haus am Rand der Schatten zurück.

+++


Immer noch frustriert und voller Zorn, über ihre ersten Versuche in Sachen Taschendiebstahl, warf sich Drei Hungrige Mäuler rücklings aufs Bett und versuchte ihre Gedanken auf angenehmere Dinge zu lenken. Es wollte und wollte ihr jedoch nicht gelingen. Die Angst, gleich bei ihrem ersten Einsatz als D.O.G.-Mitglied zu versagen, blockierte sämtliche mentale Fluchtversuche. Genervt setzte sich die Gefreite wieder auf, als ihr Blick auf das wackelige Bücherregal fiel, das sie vor kurzer Zeit in der Strasse der schlauen Kunsthandwerker erworben hatte. Es war jedoch weniger das eigenwillige Design des sündhaft teuren Möbelstücks, ein echter Tho Nett, wie man ihr versichert hatte, sondern vielmehr eine unscheinbare Kiste im obersten Fach, die ihr Interesse weckte.
"Ja, natüllich! Zwei Silbelne Löffel hat Schliftlollen übel alle möglichen püschologischen und filosofischen Welke gesammelt, vielleicht finde ich ja dolt Lat, wie ich meine Angst untel Kontlolle blingen kann." Sie schwang sich aus dem Bett, ging zum Bücherregal und fischte die Kiste, auf Zehenspitzen stehend, herunter. Der Umstand, dass ihr die Kiste aus den Händen glitt und mit lautem Krachen auf dem Fußboden aufschlug, war an einem Tag wie diesem nicht weiter verwunderlich. Die fein säuberlich in dem Behälter gestapelten Schriftrollen entwickelten in Sekundenschnelle ein recht beachtenswertes Eigenleben und rollten aus ihrem bisherigen Gefängnis ihrer vermeintlichen neuen Freiheit entgegen, vorzugsweise unter den Schrank und das Bett. Schriftrollen bevorzugten nun mal dunkle, schwer zugängliche Orte, das lag in deren Natur. Mit einem gequälten "Na toll!", ließ Drei Hungrige Mäuler die Arme sinken. Resigniert kniete sie sich zwischen die verstreuten Aufzeichnungen um sie, nach einem kurzen Blick auf deren Titelbanderole, wieder an deren angestammten Platz zurückzulegen. Ihr ephebianischer Wächterkollege, Chief-Korporal Sillybos, hätte gewiss seine Freude an all den Werken, die durch die Hände der Achaterin wanderten, gehabt. "Ly Schwatzmauls gesammelte Weisheiten, Band eins", murmelte Drei Hungrige Mäuler, "nein, nicht das lichtige. Ah", sie legte sich auf den Bauch um zwei vorwitzige Schriftrollen unter dem Bücherregal hervorzukramen, "hiel sind auch Band zwei und dlei." Sie legte sie zu den bereits wieder eingefangenen Rollen in die Kiste, welche nunmehr fast wieder zur Gänze gefüllt war.
"Hm, nichts dabei." Ein tiefer Seufzer der Enttäuschung entrang sich ihren Lippen, als sie aus den Augenwinkeln heraus zwei weitere Schriftrollen unter dem Bett und eine unter dem Kleiderschrank bemerkte. Kurzentschlossen stand sie auf, verließ das Zimmer, um wenig später, mit einem langstieligen Besen bewaffnet, zurückzukehren. Einige erfolglose Versuche, einem zerbrochenen Spiegel und einem nicht mehr ganz intakten Besen später, hielt die Gefreite endlich die drei letzten Ausreißer in der Hand. Das widerspenstigste Exemplar, jenes das ein neues Leben unter dem Kleiderschrank beginnen wollte, stellte sich als absolut unbrauchbar für sie heraus.
"Die geheimen Fleuden del Lady von O.", las Drei Hungrige Mäuler. Nach einem kurzen Blick auf den Inhalt des Werkes, welcher eine tiefe Röte in ihr Gesicht zauberte, packte sie die Rolle rasch weg. Die beiden anderen stellten sich als weit vielversprechender heraus. Sie entrollte das erste Papier, machte es sich auf ihrem Bett gemütlich und begann Tsiung Tses Abhandlung 'Jo' Gah, eine Leise ins Innele Ich' zu lesen. [1]
Konzentriert fuhr die junge Frau die einzelnen Zeichen mit ihrem Zeigefinger, von unten nach oben, während des Lesens nach. Ein Außenstehender hätte mit den Piktogrammen vermutlich nicht allzu viel anfangen können, doch Drei Hungrige Mäuler war der Achatischen Sprache sowohl in Wort als auch in Schrift mächtig. So wandelte sich die schiefe Kommode mit drei Laden, in deren Deckplatte ein großes Messer steckt

für sie in ein verständliches 'Setz dich entspannt hin, velschlänke deine Beine dabei ganz lockel und schließe deine Augen'.
Auch die folgenden Zeichen

(Drei spielende Kinder unter darmentleerender fliegender Fledermaus; Sitzender Mann mit überkreuzten Beinen der einen Stab auf den Knien balanciert; Tanzende Frau vor geöffneter Gasthaustüre; Holzkiste durchbohrendes Schwert, das auf den Ankh fällt und die Kruste durchbricht und Massives Steinkreuz mit obenaufgelegter Holzlatte) fügten sich mühelos in etwa folgende Aussage:

'Mache dil bewusst, dass du dich nun auf dem Weg zul absoluten Vollkommenheit befindest, auf einel Leise in dein innelstes Ich. Lass dil sagen, die Welt del Dinge in Laum und Zeit ist nul ein Tlugbild, die wahle Welt ist im Innelen! Dein Leben ist nul die Lehle, die Vollkommenheit elleichst du nul in dil selbst!'

Fasziniert stellte Drei Hungrige Mäuler nach den ersten Meditationsübungen fest, dass sie wieder zu ihrer inneren Ruhe zurückgefunden hatte, was vermutlich auf das unverständliche und ziemlich einschläfernde filosofische Kauderwelsch des großen achatischen Meisters zurückzuführen war. Zum Abschluss ihrer ersten Lektion wollte sie noch den guten Rat des Meisters Tsiung Tse befolgen und ihre Bemühungen mit einer Tasse Frühlingsduft, einem speziellen Kräutertee, belohnen.

Zurück in der Küche, Nikkon hatte sich mittlerweile in seine privaten Gemächer verzogen, begann sie mit der Zubereitung des Kräutertees. Leises Schnarchen des Technikdämons begleitete jeden ihrer Handgriffe. Während sie darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, sammelte sie die Utensilien ihrer ersten Trainingsstunde in Sachen Taschendiebstahl ein und bereitete ihren Kunden, das Holzgerüst mit Jacke, für weitere Übungen vor.

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Der zwölfte Gruni im Jahr der erbrechenden Eidechse erwies sich als typischer Tag in der größten Metropole der Scheibenwelt. Es regnete. Nicht stark, aber dennoch stetig. Der Schmutz und die Abfälle in den Strassen Ankh-Morporks verbanden sich mit dem Regen zu einer zähen Masse, die unachtsamen Passanten die Stiefel raubte. Mühsam bahnte sich die Gefreite Drei Hungrige Mäuler, bepackt mit einem großen Sack, ihren Weg durch sumpfiges Gelände. Sie hatte den ganzen Tag damit zugebracht, ihr Wissen über die Diebesgilde zu vervollkommnen, wobei sie feststellen musste, dass Hauptmann Daemon nicht ohne Grund darauf bestand, dass das Archiv der D.O.G. baldigst auf den neuesten Stand gebracht werden musste. Dass diese Aufgabe ihr übertragen worden war, trübte diese Erkenntnis allerdings ein wenig. Es war bereits später Nachmittag, als sie sich auf den Heimweg machte. Sie wollte sich noch ein wenig frisch machen und eine Kleinigkeit essen, bevor sie sich in ihr erstes Abenteuer, einer verdeckten Ermittlung in den Räumlichkeiten der Diebesgilde, stürzte.
Kaum zuhause angelangt, begab sich die Wächterin sofort in ihr Schlafzimmer, wo sie mit einem Seufzer der Erleichterung den schweren Sack aufs Bett fallen ließ. In einem wirren Knäuel kullerte der ominöse Inhalt heraus. Zwischen Kleidung, Make-up und sonstigen Utensilien war auch eine lederne Mappe, auf deren Vorderseite das Wappen der Stadtwache eingeprägt war. In dieser Mappe waren einige Notizblätter, die Drei Hungrige Mäuler im Laufe der letzten Tage mit diversen Einzelheiten über die Diebesgilde vollgekritzelt hatte sowie eine Lizenz, die D.O.G. für Ermittlungen in eben jener Gilde benutzte. Wohl zum zwanzigsten Mal nahm die Gefreite die Lizenz näher in Augenschein, aber sie konnte beim besten Willen nicht feststellen, ob das Schriftstück ein Original oder nur eine geniale Fälschung war.

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Kaum hatte Chief-Korporal Robin Picardo, der stellvertretende Abteilungsleiter der D.O.G., die Tür des Himmelblauen Knahbenzimmers hinter sich geschlossen und erfolgreich einen wirklich anstrengenden Arbeitstag ausgesperrt, klopfte es bereits heftig.
'Oh nein, bitte nicht noch was, der Tag war schlimm genug!' dachte er. Entgegen der wissenschaftlich erwiesenen Erfolgsquote von Null Prozent, war Robin an diesem Tag bereit, die praktische Anwendung der Vogel-Strauß-Theorie auszutesten. Diese Theorie besagte, dass völlige Lautlosigkeit und absolute Unbeweglichkeit einer Person A dazu führen würde, sie für Person B in keinster Weise wahrnehmbar zu machen. Dummerweise hatte Robin vergessen, die Türe abzuschließen. Nach einem weiteren Versuch, sich durch Klopfzeichen bemerkbar zu machen, öffnete Hauptmann Daemon die Türe.
"Ah, wunderbar Picardo, du bist also doch zuhause!" Mit einem strahlenden Lächeln, das in derartigen Situationen niemals etwas Gutes verhieß, betrat der Hauptmann das Zimmer.
"Hör zu, Robin, ich hab da was wirklich dringendes für dich." Ohne auf eine Antwort seines Stellvertreters zu warten, drückte Daemon diesem ein Briefkuvert in die Hand und fuhr fort, "Eine kleine Ermittlung in der Diebesgilde. Ich habe die neue Kollegin, diese kleine Achaterin - Drei-beißende-hunde oder so - , drauf angesetzt, aber ich möchte, dass du auch dorthin gehst", er deutete bezeichnend auf die Karte in Robins Hand, "und ein Auge auf sie hast."
Der Dobermann holte tief Luft um zu einer Antwort anzusetzen, doch bevor er noch einen Ton herausbrachte, klopfte ihm Daemon noch gönnerhaft auf die Schulter und wandte sich zum Gehen. Vor der Türe drehte er sich nochmals um und meinte, "Ich wünsch dir nen schönen Abend heute und bevor ich's vergesse, vielleicht solltest du dich ein wenig beeilen, nicht dass du zu spät kommst." Schon war der Hauptmann wieder weg.
"Oh nein! Warum immer ich?" hilflos verdrehte Chief-Korporal Picardo die Augen und öffnete den eben erhaltenen Umschlag. Er enthielt eine Einladung zum Treffen der Diebesgilde und diverse Instruktionen des Hauptmanns in Bezug auf seine, sowie jene Aufgaben, die die Gefreite Drei Hungrige Mäuler erhalten hatte. Mit einem sehnsüchtigen Blick auf das riesige, leere Bett und den Büchern auf seinem Nachtschränkchen, begann sich Robin für den Einsatz vorzubereiten.

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Kurz vor halb acht erschien eine Fremde in Drei Hungrige Mäuler's Küche.
Lange, blonde Haare umrahmten ein sonnengebräuntes, nicht gerade dezent geschminktes Gesicht, welches allerdings vortrefflich zu der restlichen Erscheinung passte. Das Mieder, welches sich zweifellos unter der braunen, ein wenig fremdländisch anmutenden Bluse befand, betonte den wohl ansprechendsten Part weiblicher Anatomie hervorragend. Komplettiert wurde das Erscheinungsbild mit einer einstmals braunen Lederhose (einzelne Flecken ließen noch auf den ursprünglichen Farbton schließen) und einer knappen, aber praktischen Jacke, die mehr Taschen aufwies, als die Innenseite eines Assassinenmantels. Die Beine der Dame steckten in abgewetzten Stiefeln mit hohen Absätzen und auf dem Kopf trug sie ein dunkles Barett, verwegen in die Stirn gezogen. Kurz gesagt, hier stand eine umwerfend schöne, attraktive Frau, die sich offenbar in der Tür geirrt hatte. Nikkon, der gerade seine kombinierte Wohn- und Arbeitsstätte verließ, um eine seiner stinkenden Zigaretten zu genießen, stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
"Oho, was'n Glanz in dieser Hütte! Einen wunderschönen gut'n Abend, fremde Schönheit, kann ich dir irgendwie helfen?" Ein anzügliches Grinsen huschte über das hässliche Dämonenantlitz. Die Antwort war ein neckisches Kichern.
"Ach, Nikkon! Lass mal gut sein, mein Liebel, ich bin's doch, Dlei!" Obwohl sie wusste, dass das Kompliment nicht allzu ernst zu nehmen war, fühlte sie sich doch geschmeichelt. Insgeheim dankte sie Lieselotte, der Verkleidungsexpertin im Boucherie Rouge, für deren Tipps und Tricks.
"Na, was meinst du, Nikkon, seh ich aus wie ein Mitglied der Diebesgilde?" Die junge Achaterin blickte ihren Technikdämon erwartungsvoll an. Der stand jedoch bloß da, den Mund geöffnet, die Kippe im Mundwinkel hängend und seine Augen standen kurz davor, ihren angestammten Platz im Körper des Dämons zu verlassen.
"...", erwiderte er.
Drei Hungrige Mäuler amüsierte sich köstlich über ihren kleinen Mitbewohner, nicht zuletzt deshalb, da sie sich nicht daran erinnern konnte, dass der kleine Plagegeist jemals um eine Antwort verlegen war. Nikkons unbeabsichtigtes Schweigegelübde hielt nicht lange vor. Nach einem kurzen und wirkungsvollen Moment der Überraschung, schafften es die winzigen Nervenbahnen seines Gehirns die Verbindung zu seiner Zunge wieder herzustellen.
"Mann, verdammich, is ja nich zu fassen! Wie haste denn das angestellt, Frollein? Du siehste ja tatsächlich endlich mal wie ne gei..., ne richtge Frau aus! Haste keine Angst, so auf dem Treffen aufzukreuzn? Da wirste vor lauter Angeboten von den Kollegn nix von den wichtigen Dingens mitkriegen."
"Angeboten?" Die Gefreite konnte sich nicht vorstellen, dass Diebe ihre Beute untereinander an den Bestbietenden verkauften.
"Na, du weißt schon, Tiefe Blicke, schöne Worte, n'bißchen Bier und sie gehört dir. So was halt.", zitierte der Technikdämon eine alte Weisheit aus dem schönen Ankh-Morpork.
"Waaas?", schockiert über Nikkons Prophezeiung, bereute die Achaterin bereits ihre Verkleidung. Doch es war zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Sie musste sich ohnehin schon beeilen, wenn sie noch rechtzeitig das Gildenhaus in der Alchimistenstrasse erreichen wollte.
"Hey, was hältste davon, mich mitzunehm'?" Nikkon witterte eine Menge Spaß. "Kannste mich ja als Beute ausgeben, wenn dich wer fragt." Er setzte sein unwiderstehlichstes "Komm-gibs-doch-zu-du-brauchst-mich-unbedingt-dabei-sonst-bist-du-aufgeschmissen"-Lächeln auf.
"Ja, walum eigentlich nicht, wild schon nicht schaden.", erwiderte die Wächterin. Sie schnappte sich den Ikonographen, Nikkon konnte gerade noch rechtzeitig seine Behausung erreichen, fühlte noch einmal sicherheitshalber, ob die Lizenz auch in der rechten Brusttasche war, und machte sich eiligst auf den Weg.

"S-s-s-sag m-m-m-mal", Nikkon verfluchte die Strassen von Ankh-Morpork für die streckenweise schlecht verlegten Pflastersteine, "h-h-h-hast d-du dir eigentlich überlegt, wie du dich dort verständigen wirst, Frollein? So wieste aussiehst, kannste schlecht achatisch reden und dein Morporkisch is ja auch ned das wahre, nich?" Dumpf erklang Nikkons Stimme aus dem Ikonographen.
"Keine Solge, ich hab mil da schon was übellegt." Drei Hungrige Mäuler lächelte leise in Gedanken an ihren Plan. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört und ein lauer Sommerwind wehte durch die Strassen der Stadt. Ein gutes Omen für den bevorstehenden Einsatz.

+++


"Guten Abend, darf ich sehen deine Einladigung?" Der Troll im schwarzen Anzug, welcher als Türsteher vor dem Portal der Diebesgilde postiert war, streckte der aparten Blondine fordernd seine Pranke entgegen.
'Oh, verdammter Mist! Daran habe ich ja gar nicht gedacht! Was mach ich jetzt nur bloß?' Fieberhaft rasten Drei Hungrige Mäuler's Gedanken in ihrem Kopf.
"Oh, einen Augenblick, bitte", sie lächelte den grimmig aussehenden Türwächter an und tat so, als würde sie in ihren zahlreichen Taschen nach dem Gewünschten suchen.
"Schon gut, Steini, lass Fräulein Tiefenstahl nicht unnötig draußen warten." Ein sympathischer junger Mann legte dem Troll beschwichtigend die Hand auf den Arm. Zu der jungen Frau gewandt fuhr er fort, "Kommen sie, ich führe sie in den Saal, sie werden schon erwartet." Galant bot er ihr den Arm und Drei Hungrige Mäuler schenkte ihrem rettenden Engel, wie sie ihn in Gedanken nannte, ein strahlendes Lächeln.
"Vielen Dank." Sie hakte sich bei dem netten Mann unter und betrat mit ehrfürchtigem Staunen das gewaltige ehemalige Gerichtsgebäude.
"Nun, meine Verehrteste, so was haben sie in ihrer Heimat wohl nicht, oder?" ließ sich ihr Begleiter vernehmen.
Völlig überwältigt von der riesigen Eingangshalle, an deren Längsseite schön verzierte Marmorsäulen mit beeindruckenden Statuen berühmter Würdenträger aus der Zeit der Monarchie um die Gunst des Betrachters wetteiferten, erwiderte die Achaterin mit einem wahrheitsgemäßen,
"Nein, so etwas Schönes, nicht." Die beiden schritten auf einen, mit roten Teppichen ausgelegten, steinernen Treppenaufgang am Stirnende der Eingangshalle zu, nicht ohne ehrfürchtig vor der Statue Flinkfinger Mazdas, des wohl berühmtesten Diebes der Scheibenwelt, kurz innezuhalten. Drei Hungrige Mäuler bedauerte, dass sie die vielgerühmte Kuppel aus Buntglas, mit ihren Darstellungen der Geschichte des Stehlens, nicht sehen konnte, da es draußen bereits dunkel war.
'Offenbar ist der Sitzungssaal im Obergeschoß', mutmaßte die Gefreite, die gedämpftes Stimmengewirr von irgendwo über sich vernahm. Die Vermutung stellte sich als richtig heraus. Vor einer großen, offenstehenden Türe, blieben sie stehen. Ihr Begleiter löste ihren Arm vorsichtig von seinem und verneigte sich leicht vor ihr.
"Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Abend, Fräulein Tiefenstahl. Und ich bin schon sehr gespannt auf ihre Arbeiten. Leider muss ich mich jetzt von ihnen verabschieden, da die ersten Gastredner bereits auf ihren Auftritt warten und meine Anwesenheit bei der Bühne vonnöten ist. Vielleicht sehen sie sich noch ein wenig um, an lohnenden Objekten dürfte es bei der heutigen Veranstaltung ja nicht mangeln." Mit einem Augenzwinkern deutete er mit einer weit ausholenden Geste auf den überfüllten Grossen Saal und entfernte sich. Nach einigen Schritten blieb er nochmals stehen und rief ihr über die Schulter zu, "Holen sie sich doch noch schnell ein Glas Schampagner, das Buhfett ist gleich links von der Bühne, nicht zu übersehen." Dann eilte er davon.
"Na, wer sagt's denn, Frollein, bis jetzt isses ja ganz gut gelaufen." Nikkon hatte bisher, den Göttern sei Dank, keine Kommentare von sich gegeben.
"Ich hoff ja für dich, dass diese Tiefenstahl, mit der sie dich da verwechsln, nich irgendein großes Vieh in dem Verein is, sonst hättste bald den Arsch offen!"
Auch wenn sie den Technikdämon gerade nicht sehen konnte, wusste Drei Hungrige Mäuler, dass er sich gerade mit einem boshaften Grinsen die Hände rieb.
'Tja, das hoffe ich auch', dachte sich die Wächterin.
Mit klopfendem Herzen und einem bangen Gefühl in der Magengegend betrat die Gefreite die Höhle des Löwen.

Der Saal war wirklich sehr groß und hoffnungslos überfüllt. Die Türe, vor der sie der nette Mann verlassen hatte, befand sich am seitlichen Ende des Saales. In der Mitte waren endlose Sesselreihen aufgestellt worden, alle in Blickrichtung einer breiten, mit roten Samtvorhängen eingefassten Holzbühne. An der rückwärtigen Wand der Bühne war ein überdimensionales Holzschild befestigt, auf dem das Wappen und Motto der Diebesgilde, Acutus id verberat, gemalt war. Für die Beleuchtung der Bühne, die sich rechts von der Achaterin, an der Schmalseite des Raumes befand, sorgten vier hohe, schmiedeeiserne Kerzenleuchter. Der Raum selbst wurde von drei gewaltigen Kronleuchtern, die von der Stuckdecke hingen, in sanftes Licht getaucht. Staunend blickte die Gefreite, den Kopf in den Nacken gelegt, den drei Etagen hohen Saal mit seiner gut erhaltenen, dunklen Holzvertäfelung, zur weit entfernten Decke empor. Die Stuhlreihen waren bis auf den letzten Platz besetzt und die überzähligen Gäste drängten sich an den Wänden. Auf den oberen Rängen konnte Drei Hungrige Mäuler unzählige andere Menschen erkennen, die allerdings die bequeme Alltagsdienstkleidung nicht gegen aufwendige Abendgarderobe oder Festtagstrachten eingetauscht hatten. Vermutlich waren dies die geringeren Gildenmitglieder, die Studenten und Diebe im Ruhestand. Sie war froh, dass sie nicht dort oben im Dunkel stehen musste. Die Luft im ganzen Saal war erfüllt von Zigarrenrauch, Parfümwolken und einem Gewirr aus Stimmen, welches so vielfältig war, wie die Garderobe der Gäste.
Mühsam bahnte sich Drei Hungrige Mäuler ihren Weg durch die umstehenden Gäste, in Richtung Buhfett.
'Ein kleiner Schluck Champagner kann ja wohl nicht schaden', dachte sie bei sich, 'außerdem gehört das ja hier zum guten Ton und ich will ja nicht auffallen.'
Kurz flackerte das Bild eines großen, schwarzgekleideten, blassen Mannes mit spitzen Zähnen vor ihrem geistigen Auge, doch das schlechte Gewissen über die Sache von wegen Alkohol im Dienst behielt nicht lange die Oberhand.
'Ach was, IA ist ja auch nicht überall', beruhigte sie sich selbst. Nach einigem Gedränge, hatte Drei Hungrige Mäuler wenig später ihr Ziel erreicht. Das Buhfett bestand aus mehreren aneinandergereihten Tischen, die mit feinster klatschianischer Seide in strahlendem Weiß gedeckt waren. Darauf befanden sich unzählige Gläser, gefüllt mit prickelndem, goldfarbenem Champagner. Glücklicherweise war die Wächterin so nicht gezwungen bei einem der Mädchen, die weiße Schürzen über kurzen, schwarzen Kleidern trugen und kleine, weiße Rüschenhäubchen auf sorgfältig frisierten Locken sitzen hatten, zu bestellen. Sie griff sich eines der Gläser und wandte den Blick der Bühne zu. Das einzige, was sie erkennen konnte, war eine grüne Weste, in deren goldenen Knöpfen sich ihr Antlitz spiegelte.
"Pah, die ham noch nich mal'n kauschuf Lowene hier, dafür isch der Pickus glatt! Schuckere Buchsen haschte da, Mockele. Haschte die auf'd Gschock gekolcht?" [2]
Die grüne Weste mit den goldenen Knöpfen stellte sich als ziemlich angeheitertes Mitglied der hiesigen Diebesgilde heraus. Ein unangenehm riechender, feister, rothaariger Mann, dessen Knollennase sich drohend auf das Gesicht der Gefreiten zu bewegte.
"Häh?" Der Kerl, dessen Ausdünstungen ihr fast den Atem nahmen, erwartete eine Antwort von ihr.
Da sie leider keine Ahnung von dem hatte, was ihr der Kerl eben erzählte, aber aufgrund seiner stieren Blicke in ihren Ausschnitt annahm, es handle sich um eines jener Angebote, von denen Nikkon gesprochen hatte, schüttelte sie energisch den Kopf. Bevor der unangenehme Mann zu weiteren Ausführungen ansetzen konnte, erschien Drei Hungrige Mäuler's Retter in der Not abermals. Er legte dem Rothaarigen den Arm um die Schulter und zischte ihm ins Ohr, "Verschon Fräulein Tiefenstahl mit deinem Grünquirmianisch, Hanno, sie versteht dich ja sowieso nicht. Mit ihr musst du Morporkianisch reden, oder Wiewunderländisch, oder wie die Sprache dort auch heißen mag. Sie gehört nämlich zu den Ehrengästen. Herr Boggis hat sie eingeladen, weil sie die Beste auf ihrem Gebiet ist. Er ist sehr stolz drauf, dass sie extra wegen unserem Treffen nach Ankh-Morpork gereist ist, also lass sie gefälligst in Ruhe!" Mit unsanftem Druck auf Hannos fleischige Schulterpartie verlieh er seinen letzten Worten Nachdruck.
"Mai liabr Scholli, isch ja gut!"[3] Hanno hob beschwichtigend die Arme. Mit einem letzten "Schrotige, krumme Harb!"[4] in Drei Hungrige Mäuler's Richtung verzog sich der widerliche Kerl ans andere Ende des Saales. Just in dem Moment ertönte auf der Bühne ein Gong. Der offizielle Teil des Scheibenweltweiten Treffens der Diebe und verwandter Berufsgruppen konnte beginnen.

Instinktiv stellte die Achaterin ihr Glas zurück auf den Tisch und hob den Ikonographen. Nikkon, mürrisch wie immer, wenn es darum ging, seiner eigentlichen Bestimmung nachzukommen, klappte den Deckel des Guckloches zur Seite und begann leise knurrend mit seiner Arbeit. Während der Gildenpräsident von Ankh-Morpork, Herr Josiah Herbert Boggis, seine Eröffnungsansprache hielt, überlegte Drei Hungrige Mäuler wie sie mehr über Fräulein Tiefenstahl, der sie zum Verwechseln ähnlich sehen musste, herausfinden konnte, ohne ihre wahre Identität preiszugeben.
'Na ja, wer auch immer sie ist, wenigstens muss ich so keine Probe meiner Diebesfähigkeiten liefern, hoff ich zumindest', dachte der Dobermannwelpe.

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Auf einem der oberen Ränge begann einer der Zuschauer langsam aber sicher immer nervöser zu werden.
'Verdammt, wo bleibt sie denn bloß?' Verärgert kratzte sich Chief-Korporal Picardo seinen falschen, schwarzen Bart.
Er hatte bereits sämtliche Ränge nach der jungen Kollegin abgesucht, ohne irgendeine Spur von Drei Hungrige Mäuler zu finden.
'Das darf ja wohl nicht wahr sein, der erste Auftrag und schon wird er in den Sand gesetzt. Wie soll denn die Wache mit solchen neuen Wächtern funktionieren, die es nicht mal der Mühe wert finden, pünktlich am Ort des Geschehens einzutreffen?' Robin überließ sich seinen finsteren Grübeleien, die sich unter anderem um eine gehörige Strafpredigt seines Schützlings drehten.
'Dabei hat sie gar keinen schlechten Eindruck gemacht bei ihrer Bewerbung.' Kopfschüttelnd widmete er sich dem Geschehen auf der Bühne.

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Herrn Boggis Rede schien schier endlos andauern zu wollen, so beschloss Drei Hungrige Mäuler, sich auf dem Flur ein wenig die Beine zu vertreten. Dort angelangt musste sie feststellen, dass etliche andere Gäste ebenfalls die gleiche Idee hatten. Sie schlenderte ein wenig den Gang entlang, als sich Zufall ihrer erbarmte. Sie passierte gerade eine Gruppe von Leuten, die aus klatschianischen, borograwischen und einheimischen Dieben bestand, zumindest soweit sie es anhand der jeweiligen Trachten beurteilen konnte, da hörte sie einen der klatschianischen Gesandten, in der für diese Region typischen, blumigen Aussprache, flüstern, "Aber, was heißt, ihr kennt sie nicht? Das ist Leni Tiefenstahl, also wirklich, Herr Klauer, sie werden doch wohl Ankh-Morporks bekannteste Künstlerin kennen?"
Ein Seufzer entrang sich der Kehle des Gesandten. Kurz leuchtete der Begriff Kulturbanause in grellroten Buchstaben in seinem Kopf auf.

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"Wie bitte? Was heißt hier Fälschung?", entrüstet stemmte die Frau die Arme in die Hüften. So etwas war ihr während ihrer ganzen beruflichen Laufbahn noch nicht passiert.
"Diese Karte nicht sein kann echt." Freundlich versuchte der Troll der aufgebrachten Menschin die Bedeutung des Begriffes Fälschung näher zubringen.
"Aber das kann doch wohl nicht wahr sein! So eine Frechheit! Jetzt lassen sie mich doch mal vorbei, Mann, ich bin sicher, es handelt sich hier um einen Irrtum!" Sie versuchte sich an dem gewaltigen Wachposten vorbeizuzwängen, um an ihr Ziel zu gelangen.
"Ich nicht weiß, wovon sprechen sie, Mädäm." Unbeirrt blockierte der Troll weiterhin den Eingang zum Gebäude.
"Hör mal, du arroganter, aufgeblasener Felsbrocken, ich bin nicht den ganzen Weg von Wiewunderland auf einem altersschwachen Fischkutter nach Ankh-Morpork geschippert, um rechtzeitig hier einzutreffen, nur um mich jetzt mich einem sturen Bock wie dir herumzustreiten!" Zornig funkelte sie den Türsteher an. "Jetzt lass mich endlich rein, du Monstrum, ich hab hier schließlich nen wichtigen Tschob zu erledigen!" Völlig außer sich hielt sie dem Troll einen Ikonographen unter die Nase.
"Tut mir leid, aber ich nicht kann hereinlassen sie. Keine Presse." Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust und wich keinen Zentimeter von der Stelle.

"Na dasch isch, dasch, hehehe, Mockele, wiescho willschu nei? Du bischd ja scho drinne, häh?" Hanno wankte in äußerst bedenklicher Schräglage durch die Pforte des Gildenhauses der Diebe. Pikiert sah die Frau den sturzbetrunkenen Dieb an, der sich eben anschickte, mit einer halsbrecherischen Pirouette seinen drohenden Sturz zu verhindern. Ehe sie sich’s versah, hing er wie ein nasser Sack an ihr, die Arme um ihre Hüften geschlungen, die Beine wie zwei Fremdkörper hinter sich nachziehend und ein selig dümmliches Grinsen in seiner feisten Visage. Angeekelt kämpfte sich die Frau aus der ungewollten Umarmung und hörte ihren seidenen Geduldsfaden mit leichtem "Twängg" reißen. Sie ergab sich vollends einer schweren nervlichen Krise. Wutschnaubend presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, "Was heißt hier, ich bin schon drin? Nein, DU sagst besser nichts", fauchte sie den Troll an, der bereits zu einer bereitwilligen Erklärung von drin ansetzen wollte. Mit offenem Mund, den rechten Arm angewinkelt und den Daumen in Richtung der Eingangshalle ausgestreckt, verharrte Steini, seines Zeichens Türsteher der Diebesgilde, mitten in der Bewegung. Mittlerweile hatte sich eine kleine Menge freischaffender ankh-morporkianischer Gaffer in der Alchimistenstrasse, Ecke Unterer Breiter Weg, eingefunden. Die skurrile Szene, die sich deren Augen bot, versprach weitere interessante Begebenheiten. Rasend vor Wut tobte die attraktive Blonde im fremdländischen Safarianzug vor dem neo-tsortanischen Gildenhaus.
"Das lasse ich mir nicht von so einem Pack wie euch bieten! Ich nicht! Oh nein! Diese Sache wird ein Nachspiel haben, ich werde mich höchstpersönlich bei Herrn Boggis über euch Rüpel beschweren! So lässt sich eine Leonora Tiefenstahl nicht behandeln, so nicht, das schwöre ich bei der heiligen Elefantenkuh von Uorumbia!" Die berühmte Ikonographin wirbelte herum und stapfte fluchend den Unteren Breiten Weg entlang. Sie brauchte etwas zu trinken, etwas Starkes, Scharfes, Klares. Am besten gleich die dreifache Menge. Und vor allen Dingen rasch.
"Keine Presse", äffte sie den Trolltürsteher nach. "Pah! Als ob ich wie ein dilettantischer Pressefritze aussehen würde! Felsbrocken, idiotischer!"
Verächtlich spie Leonora 'Leni' Tiefenstahl, die wohl berühmteste Ikonographie-Künstlerin der Scheibe, aus. Sie verwünschte den Entschluss, ihre Wahlheimat, den wiewunderländischen Dschungel für diesen Auftrag verlassen zu haben.
"Verdammte, stinkende Scheißstadt!", knurrte sie vor sich hin.

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"Entschuldigung, könnte ich auch so eines haben?" Freundlich lächelnd deutete Drei Hungrige Mäuler auf eines der kleinen Programmheftchen, die ein Mädchen, in der gleichen Aufmachung wie jene vom Getränkebuhfett, gerade aus der Tasche ihrer gestärkten, weißen Rüschenschürze hervorzauberte, um sie an die umstehenden Gäste zu verteilen.
"Natürlich, gerne, Madam", erwiderte das Mädchen höflich und reichte der Gefreiten eine Broschüre. Noch bevor sie einen Blick darauf werfen konnte, eilte eine schlanke Dame auf sie zu.
"Einen wunderschönen guten Abend, Fräulein Tiefenstahl! Verzeihen sie, dass wir sie noch nicht gebührend empfangen haben, aber heute geht alles drunter und drüber!" Die langen, dunklen Korkenzieherlocken, die mit einem dünnen Seidenbändchen zu einem Pferdeschwanz am Hinterkopf zusammengebunden waren, wippten hin und her.
"Eigentlich wollte ich sie ja heraufgeleiten, aber mein Kollege Laurence ist mir leider zuvorgekommen. Tja, ich kann es unserem lieben Lustig, wie er hier von allen genannt wird, nicht übel nehmen!" Mit einem bezeichnenden Lächeln musterte die junge Frau die vermeintliche Ikonographie-Künstlerin. Drei Hungrige Mäuler blickte ihr fragend in die Augen.
"Oh, wie unhöflich von mir!" Die Dame in schwarz legte ihre zarte, blasse Hand auf ihr Herz und verlegene Röte schlich sich in ihr apartes, ebenmäßiges Gesicht. Das hochgeschlossene Kleid mit dem leichten Rüschenkragen unterstrich diese mädchenhafte Reaktion auf vorteilhafte Art und Weise.
'Sie wirkt wie eine Schülerin aus diesem Mädchenpensionat in Quirm', dachte die Achaterin, 'oder wie eine junge Lehrerin.'
"Mein Name ist Mademoiselle Escroc, aber alle nennen mich schlicht Madame", wurde Drei Hungrige Mäuler aus ihren Gedanken gerissen, "ich bin die Lehrerin für Betrug und moderne Sprachen am hiesigen Bildungsinstitut. Unseren Professor für Einbrüche und Feng Shui haben sie ja bereits kennen gelernt. Ah, wie ich sehe, haben sie auch schon ein Programmheft, ich hoffe, sie werden die einzelnen Vorträge ebenso interessant finden, wie alle unsere Gäste hier." Verschwörerisch beugte sich Madame zu der Wächterin und flüsterte ihr ins Ohr, während sie mit ihrem langen, schlanken Zeigefinger auf einen Namen in dem Programm tippte, "Ich persönlich finde ja, dass nur ein einziger Gastredner, Robert Hut, das Oberhaupt der lancrestinischen Vereinigung der Gerechten Finder, wirklich was auf dem Kasten hat. Ich bin ja schon so gespannt", ein erwartungsvoller, sehnsüchtiger Seufzer unterbrach den Redeschwall Madames, wurde jedoch sofort von der nächsten Wortflut überrollt, "auf seinen Vortrag der dortigen Diebessprache. Sie nennen es Silbo, eine Sprache, die sich aus unzähligen Pfeiftönen zusammensetzt. Damit können sie sich auch über weitere Strecken verständigen, was ja angesichts der unzugänglichen Bergpfade und Wälder ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist."
Die Stille, die mit der Atempause Madames einherging, war Balsam für die Ohren des Dobermannwelpens. Drei Hungrige Mäuler hatte schon befürchtet, dass Mademoiselle Escroc noch stundenlang ohne Pause weiterplappern würde. Andererseits fiel es dadurch nicht so auf, dass sie selbst ziemlich wortkarg blieb.
"Ach, ich brenne schon förmlich darauf, diese neue Sprache zu lernen. Wir hier in Ankh-Morpork benutzen ja immer noch hauptsächlich das alte Grünquirmianisch. Haben sie schon davon gehört?"
Die Gefreite konnte kaum glauben, dass die Variante des Dialoges der Lehrerin moderner Sprachen offenbar doch auch ein Begriff war. Zögernd leistete sie ihren ersten Beitrag in diesem Gespräch:
"Ja, das kenne ich schon."
"Was, tatsächlich?" rief die Escroc freudig überrascht aus. "Sie interessieren sich für unsere Sprache? Sprechen sie sie denn auch?"
"Äh, nein, nicht in dem Sinne.", erwiderte Drei Hungrige Mäuler zögernd.
"Aber sie kennen einige Begriffe?" Höchst erfreut, jemanden zu treffen, der sich scheinbar aus freien Stücken für den Teil ihrer Arbeit interessierte, der ihr am meisten am Herzen lag, vergaß Madame in ihrem Eifer, dass sie Gildeninterna mit einer Außenstehenden diskutierte. Sie hatte Glück, dass der Grossteil der Gäste mittlerweile wieder in den Festsaal zurückgekehrt war und so niemand das Gespräch der beiden Frauen mithörte, da die wenigen Personen, die sich noch auf dem Flur befanden, außer Hörweite standen.
"Oh, bitte, verraten sie mir doch, was sie sich gemerkt haben." Erwartungsvoll strahlte sie das vermeintliche Fräulein Tiefenstahl an.
Fieberhaft kramte Drei Hungrige Mäuler in ihrer Erinnerung an den Vorfall am Buhfett.
"Ähhh", sie hoffte inbrünstig, dass sie sich die Worte des angetrunkenen Gildenmitglieds richtig gemerkt hatte, "Mockele." Zögerlich verließen die Laute ihren Mund.
"Hach, wie reizend!" Mademoiselle Escroc klatschte verzückt in die Hände.
"Na ja und Buchsen und Lowene." Die angehende Gildenexpertin lächelte verschämt, da sie sich offenbar nur die unanständigen Worte gemerkt hatte.
"Herrlich, also Fräulein Tiefenstahl, ich muss sagen, sie haben Talent." Madame zwinkerte ihr zu.
"Nennen sie mich doch einfach Leni, Madame." Je länger sich Drei Hungrige Mäuler auf dem Fest aufhielt, desto selbstbewusster wurde sie. Es konnte ja nicht schaden, freundschaftliche Kontakte zu den Gildenmitarbeitern zu knüpfen. Wer weiß, welche Möglichkeiten sich da noch ergaben.
"Gern, Leni. Wissen sie was, ich mache ihnen einen Vorschlag. Wenn sie mich, äh..", kurz druckste die Professorin für Betrug und moderne Sprachen herum, "na ja, also wenn ich vielleicht eine Ikonographie von mir haben könnte, vielleicht mit einer Widmung?" Die Escroc blickte ein wenig verschämt zu Boden, schließlich verlangte sie gerade einen ganz privaten Gefallen von einer der größten Künstlerinnen, die vom Gildenpräsidenten beauftragt worden war, die offiziellen Bilder vom diesjährigen Treffen für das Jahrbuch der Gilde anzufertigen.
"Nehmen sie das hier, als kleine Aufmerksamkeit meinerseits, ich bin sicher, sie haben damit Freude." Madame schenkte der Künstlerin ein breites Lächeln und drückte ihr ein kleines Heftchen, den Kleinen Ratgeber der grünquirmianischen Sprache dafür.
"Na, was halten sie davon, Leni?"
"Ja, das ist ein gutes Angebot, Madame." Lächelnd besiegelten sie die Vereinbarung per Handschlag. Verschwiegenheit von beiden Seiten über das Geschäft war selbstredend und brauchte von keiner der Frauen extra erwähnt zu werden.
Nachdem sich Nikkon mit Madames Ikonographie selbst übertroffen hatte und jede der beiden Verschwörerinnen ihren Schatz in den unergründlichen Tiefen der jeweiligen Rock- beziehungsweise Jackentaschen verstaut hatte, begab sich Drei Hungrige Mäuler wieder in den Saal.
'Das läuft ja besser, als ich dachte.' frohlockte sie insgeheim und nahm sich vor, Nikkon demnächst eine extra große Ration Tabak zukommen zu lassen, da eigentlich seine Idee, ihn auf das Treffen mitzunehmen, maßgeblich zum Erfolg ihres ersten Auftrages beigetragen hatte.

Einige Stunden später, die Gastredner hatten alle ihre Vorträge gehalten, die Taschen der Wächterin waren bereits ziemlich ausgebeult von all den Ikonographien die sie im Laufe des Abends angefertigt hatte, oder besser, anfertigen hatte lassen, begann das eigentliche Fest. Im Innenhof des Gildengebäudes, zwischen der irren Konstruktion der Diebesküche, einem riesigen, flaschenartigen Ziegelgebäude und dem Trainingsgelände der Diebe, waren Tische und Bänke aufgestellt worden. Eifrig liefen Bedienstete mit großen Tabletts voller köstlicher Speisen zwischen Küchentrakt und Garten hin und her. Bald waren die Tische mit hungrigen Gästen belagert, die sich fröhlich über gegrillte Hühnchen, geröstete Schafsnieren, Spanferkel, Wildbret und andere Leckerbissen hermachten. Die Speisen wurden traditionsgemäß mit frisch gezapftem Bier, schweren Rotweinen und dem einen oder anderen Knieweich hinuntergespült. Unzählige Fackeln tauchten die Szenerie in angenehmes orange-rotes Licht.
Während die ersten Gäste an den Tischen Platz nahmen, stimmte eine Folkloregruppe aus den Spitzhornbergen fröhliche Weisen, wie das allseits beliebte Ho-Ro und Gassenhauer wie Julia und die Räuber an. Eine aus dem Norden von Lancre stammende Zigeunertanzgruppe sorgte einstweilen für den optischen Aufputz des Festes. Nach und nach verloren selbst die vornehmsten Festgäste ihre anfängliche Zurückhaltung und bald wurde gesungen, gegrölt, getanzt und gelacht was das Zeug hielt. Nachbarn, die sich über die nächtliche Ruhestörung beklagten, wurden entweder mit einem Gläschen Wein besänftigt oder mit einem spöttischen Grinsen auf die von Lord Vetinari höchstpersönlich erteilte Sondergenehmigung des Festes hingewiesen.

Drei Hungrige Mäuler, die mittlerweile vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten konnte, stand ein wenig abseits des lärmenden Treibens, unter einem schmiedeeisernen Balkon, der zu einer Attrappe einer Villenfassade auf dem Trainingsgelände gehörte, als sie beobachtete, wie Herr Boggis sich mit einem achatischen Kollegen vom allgemeinen Trubel absonderte. Plötzlich war die Gefreite wieder hellwach. Die beiden Männer spazierten angeregt plaudernd auf einen improvisierten Marktplatz des Übungsgeländes zu. Die Wächterin vermutete, dass die beiden ein geheimes Abkommen zwischen den Triaden, von denen sie bereits aus Berichten der F.R.O.G. erfahren hatte, nicht zuletzt aus der Akte Lord Jang Tse's, der mit dem Tod ihrer Tante in Verbindung stand [5] und der hiesigen Diebesgilde, verhandelten.
Sie musste einfach wissen, was die beiden für Absichten hegten, das war sie ihrer Familie, der Wache und der Stadt im allgemeinen schuldig. Möglichst unauffällig versuchte sie den beiden zu folgen. Glücklicherweise war das Übungsgelände der Gilde nicht allzu hell erleuchtet, dadurch boten ihr vereinzelte Inseln nächtlicher Schwärze immer wieder Deckung. Allerdings war Drei Hungrige Mäuler nicht die einzige, die dunkle Ecken als Zuflucht für ihr Vorhaben nutzte. Bei einer, für ihre Verhältnisse gewagten Positionsänderung, bei der sie die Deckung hinter einer Regentonne mit einem Sprung gegen den Schatten eines Karren tauschte - es war ein Sprung von etwa einem halben Meter -, wäre sie um Haaresbreite fast in eine stürmische Umarmung zweier Berufskollegen geraten, wenn das Pärchen seinerseits nicht ebenfalls just in diesem Moment seine Position geändert hätte. Die beiden waren jedoch zutiefst damit beschäftigt, ihre jeweiligen Erfahrungen auszutauschen, so dass die Gefreite, ohne bemerkt zu werden, ihren Weg fortsetzen konnte.

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'Na, das ist ja aber interessant!' Chief-Korporal Picardo, der sich unauffällig einer Gruppe angetrunkener Gildenmitglieder angeschlossen hatte, die gerade das Für und Wider eintätowierter Frauennamen diskutierte, bemerkte ebenfalls, dass sich Herr Boggis mit einem seiner Gäste vom Tisch erhob und angeregt plaudernd den Festplatz verließ. Gerade als er sich anschickte, den beiden zu folgen, wurde er in die hitzige Diskussion miteinbezogen.
"He, du, wasch meinscht du, soll isch mir den Nam' von meiner Liebschdn auf'n Arm machen?" Kumpelhaft schlang der große, kräftig gebaute Dieb Robin den Arm um die Schulter und drückte ihn mit seinem Gewicht fast zu Boden. Die Wolke aus hochprozentigem Knieweich benahm dem Wächter fast den Atem.
"Nö, dasch darfschu niemals nich*icks* maschen, du ...", der schlaksige Junge, der vor Robin stand, nahm noch einen tiefen Schluck aus seinem Becher, um den Umstehenden die nötige Aufmerksamkeit für die folgende tiefsinnige Bemerkung abzuringen. Bevor er jedoch seine Argumentation zu ende führen konnte, knickten seine Beine unter ihm weg und er fiel vornüber, geradewegs auf den Wächter zu. Der Dobermann wich instinktiv einen Schritt zurück und brachte damit auch den anhänglichen Riesen aus dem Gleichgewicht. Fast zeitgleich gingen die beiden Diebe zu Boden und Robin war wieder frei. Das anschließende Gerangel der umstehenden Männer, die, selbst nicht mehr sicher auf den Beinen, die gefallenen Jungs wieder in eine senkrechte Position zu bringen versuchten, nutzte Chief-Korporal Picardo um sich zu verdrücken. Als er sich nach Boggis und dessen Begleiter umsah, bemerkte er eine blonde Frau, die sich verstohlen auf dem Übungsgelände bewegte. Bei genauerer Betrachtung konnte er feststellen, dass auch sie den beiden Männern folgte. Möglichst unauffällig schlenderte Robin in Richtung des Trainingsareals.

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"Veldammtel Mist!" Leise entwischten der Gefreiten die Worte. Sie war nunmehr ziemlich nahe an dem Achater und dem Präsidenten der Gilde dran, konnte jedoch nicht hören, was die beiden miteinander zu besprechen hatten. Fast unhörbar flüsterte sie dem Ikonographendämon zu, "He, Nikkon, kannst du die beiden dolt dlüben möglichst genau malen?" Sie hielt den Ikonographen in Richtung der beiden Verschwörer.
"Wie stellste dir das denn vor, Frollein? Ich hab fast keine Farbe nich und ich seh auch nur die Hälfte.", zischte Nikkon zurück.
Aus ihrem derzeitigen Versteck, sie kauerte im kargen Schatten einer Kutsche, welche die letzte halbwegs akzeptable Deckung vor einem erleuchteten kleinen Platz bot, konnte man die Szenerie nur eingeschränkt erkennen. In der Mitte des Platzes befand sich ein hölzerner Ziehbrunnen, an dem die beiden Diebe nunmehr entspannt lehnten und Zigarren rauchten. Drei Hungrige Mäuler, die zwischen den Speichen des Kutschenrades durchspähte, konnte Herrn Boggis und den Achater nur von der Taille an abwärts sehen, da ihr die Deichsel des Wagens die Sicht versperrte. Sie wagte es nicht, sich weiter aufzurichten, genauso wenig wie sie es wagte, den Ikonographen höher zu halten. Doch auch diesmal meinten es die Götter gut mit ihr. Gerade wollte der achatische Gesandte seinem Kollegen aus Ankh-Morpork ein Schriftstück reichen, als ein leichter Windstoß das Blatt mit der Vorderseite in die Richtung ihres Verstecks kippte.
"Jetzt!" flüsterte die Gefreite ihrem kleinen Begleiter zu.

Drei Hungrige Mäuler's Herz raste noch immer vor Aufregung über ihre Wahnsinnstat und ihre Gedanken überschlugen sich fast, als sie gewahr wurde, dass sie mit Nikkons Hilfe eine sehr gute Kopie eines wichtigen, streng geheimen Vertrages zwischen der Diebesgilde Ankh-Morporks und der achatischen Mafia in Händen hielt.

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Chief-Korporal Picardo war ohne weitere Zwischenfälle unbehelligt auf das im Halbdunkel gelegene Übungsgelände gelangt. Auch er nutzte die dunklen Nischen und die Schatten zwischen den Kletterwänden, Häuserfassaden aus Sperrholz, Karren und Attrappen von Personen um ungesehen die Verfolgung aufnehmen zu können. Als er in die Nähe eines kleinen Platzes kam, der von einigen Laternen erhellt wurde, konnte auch er Herrn Boggis, im Gespräch mit einem achatischen Kollegen, vor dem hölzernen Brunnen erkennen. Was ihm allerdings noch fragwürdiger, als die heimliche Unterredung der beiden Diebe vorkam, war der Umstand, dass die blonde Frau, im Schatten einer Postkutsche, welche sich am Rande des Lichtkreises befand, kniete und die Männer beobachtete. Kurz nachdem der Achater dem Gildenpräsidenten der Diebesgilde Ankh-Morporks ein Schreiben überreichte, setzte die Frau zum Rückzug an. Von Deckung zu Deckung eilend, hielt sie unbewusst auf ihn zu. Da Robin nicht gerade in der Nähe des obersten Gildenmitglieds der Stadt mit der Unbekannten zusammentreffen wollte, zog auch er sich wieder zurück. In sicherer Entfernung wartete er auf die Fremde. Wer war sie und vor allem was wollte sie hier? War sie eventuell eine Spionin im Auftrag Lord Vetinaris? Nein wohl eher nicht, dazu stellte sie sich zu unprofessionell an. Vielleicht war sie von der Times? Eine Reporterin von William de Worde?
Robin wollte Antworten und er war bereit, sie zu erhalten.

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Als Drei Hungrige Mäuler den erleuchteten Festplatz fast wieder erreicht hatte, sie brauchte bloß noch um eine efeu-umrankte Regenrinne, die Teil einer Kletterwand für angehende Einbrecher war, herumgehen, prallte sie mit einem bärtigen, dunkelhaarigen Mann zusammen.
"Oh, entschuldigen sie bitte!" Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Ich suche den Ab.. äh, die Toilette, kennen sie vielleicht den Weg?"
"Wer sind sie?" fragte der Bärtige unwirsch.
"Mein Name ist Leni Tiefenstahl." Die verdeckt ermittelnde Wächterin hoffte, dass sie keine weiteren Erklärungen abgeben musste, denn mittlerweile wurde es ihr durch die Müdigkeit und Aufregung fast zuviel, peinlich genau auf jedes Wort achten zu müssen. Fast hätte sie sich schon verplappert.
"Aha. Und was tun sie hier?"
'Mist, der kennt sie nicht, jetzt wird's eng'. Drei Hungrige Mäuler verspürte plötzlich den Drang auf schnellstem Wege das Gelände der Gilde zu verlassen.
"Nun, meinen Tschob, was denken sie?" erwiderte die Gefreite.
"Großartig und was ist das für ein Tschob, bei dem sie hier in der Dunkelheit herumschleichen?" Der unfreundliche Mann schenkte ihr einen undurchdringlichen, strengen Blick. Komisch, irgendwie erinnerte er sie an jemanden.
"Also ich suche einfach nul die Toilette!" entgegnete Drei ärgerlich, wobei sie unwillkürlich in ihre übliche Sprechweise verfiel. Die Wirkung dieses Satzes war enorm. Die Augen ihres Gegenübers weiteten sich vor Überraschung und Entsetzen.

Schlagartig wurde dem Ausbildungsleiter der D.O.G., Chief-Korporal Picardo, bewusst, wer die ominöse Fremde war, die hier vor ihm stand. Außer sich packte er die Frau an den Armen und zischte, "Verdammt noch mal, bist denn du von allen guten Geistern verlassen? Vollkommen wahnsinnig?"
In letzter Sekunde konnte er sich noch beherrschen sie zornig durchzuschütteln, denn sie wurden gerade von einem gepflegten Herrn in mittleren Jahren, mit schulterlangen dunklen Haaren und einer Nickelbrille beobachtet. Er erkannte den Mann als einen der Mitarbeiter der Gilde, dessen Namen er sich noch nie merken konnte. Im Archiv der D.O.G. war ein Bild von ihm. Robin erinnerte sich, dass er von seinen Kollegen einfach nur Laurence Lustig oder so ähnlich genannt wurde. Der Mann streckte den Arm aus und deutete genau auf ihn und seinen Schützling, die Gefreite Drei Hungrige Mäuler, die er schon den ganzen Abend lang gesucht hatte und die hier, mitten in der Gefahrenzone ungeniert mit falschem Namen und einer ziemlich geschmacklosen blonden Perücke herumlief und den Gildenpräsidenten beschattete! Robin war einem Nervenzusammenbruch nahe.
Das hatten sie jetzt davon! Man hat den Welpen entdeckt und gleich war ihnen die gesamte Gilde samt ihren ausländischen Kollegen auf den Fersen! Robin wünschte sich in diesem Moment sehr weit weg von hier.

Er wäre vermutlich ein wenig beruhigter gewesen, hätte er die folgende Szene aus der Nähe erlebt:
"Ach, mein Lieber, lass sie doch. Warum sollte Fräulein Tiefenstahl nicht auch ein wenig Spaß haben?" Madame kicherte anzüglich und drückte sanft den Arm ihres Kollegen Laurence wieder hinunter. "Komm, Herr Boggis ist grad nicht in der Nähe, lass uns tanzen!" Übermütig zog die Professorin ihren Kollegen zu den anderen tanzenden Paaren.

Robin sah, wie eine Frau Laurence Lustig fortzog. Er mußte jetzt so schnell wie möglich mit der Gefreiten verschwinden.
"Gefreite Drei Hungrige Mäuler, was zum Donnerwetter hast du dir bei diesem Auftritt gedacht! Du solltest dich als kleines Mitglied der Gilde hier einschleichen und im Hintergrund bleiben! Durch dein Verhalten hast du uns jetzt die gesamte Gilde auf den Hals gehetzt!" Zornig presste Chief-Korporal Picardo die Worte zwischen den Zähnen hervor. In dem Moment erkannte auch Drei Hungrige Mäuler wer hier vor ihr stand. Niemand geringerer als der stellvertretende Abteilungsleiter der D.O.G. und ihr Ausbilder. Und er war wütend. Verdammt wütend.
Ohne den Welpen ein Wort zu ihrer Verteidigung sagen zu lassen, packte er sie an der Schulter und dirigierte sie in Richtung des Lieferanteneinganges der Gilde, der zwischen dem alten Gerichtsgebäude und den hohen, schmiedeeisernen Gitterzäunen, die das neo-tsortanische Gebäude vom Trainingsgelände getrennten, eingelassen war. Er hoffte inständig, dass sie den Nebeneingang erreichten, bevor ihnen der Schlägertrupp des Gildenpräsidenten den Fluchtweg abschnitt. Robin war so eilig bestrebt, das Revier der Gilde zu verlassen, dass er gar nicht bemerkte, dass sie völlig allein und unbehelligt den Ausgang erreichten.

In gespanntem Schweigen schritten die beiden Wächter in Richtung Springstrasse. Jeder Versuch, ihrem Vorgesetzten das Geschehen zu erklären, wurde von diesem eisig abgeblockt. Drei Hungrige Mäuler war verzweifelt. Sie sah sich bereits unehrenhaft aus der Wache entlassen und ohne Geld und voller Schande das nächste Schiff ins achatene Reich besteigen. Tränen standen in den Augen der Gefreiten, als der ranghöhere Wächter die Achaterin mit einem scharfen "Morgen erwarte ich deinen vollständigen Bericht in zweifacher Ausfertigung auf meinem Schreibtisch!", entließ.

Am Boden zerstört, machte sich die Gefreite noch in der Nacht an die Arbeit. Sie schrieb den Bericht nieder, legte das Programmheft und sämtliche Ikonographien berühmter einheimischer und ausländischer Diebe, Räuber und sonstiger Vertreter dieses Berufsstandes mit einer kurzen Anmerkung von Namen, Herkunft und Funktion, soweit sie die Informationen den Bildern zuordnen konnte, bei. Zum Schluss fügte sie der Akte noch das Heftchen mit den grünquirmianischen Ausdrücken, das sie von Madame erhalten hatte, hinzu. Auf einer gesonderten Seite erwähnte sie das geheime Abkommen zwischen dem Triadenboss und Herrn Boggis und heftete ihre letzte Ikonographie, das Bild des geheimen Vertrages auf die Notiz, ohne es nochmals zu betrachten. Sie brachte die Akte in das Büro ihres Ausbilders, holte ihre Privatkleidung, die sie sicherheitshalber immer in ihrem Büro hatte, zog sich um und brachte die säuberlich zusammengefaltete Verkleidung samt Perücke, verpackt in einen Leinensack, hinunter zum Empfangstresen der Näherinnen. Danach stolperte sie todmüde nach Hause, um wenigstens noch ein, zwei Stunden Schlaf zu bekommen, bevor sie sich ihrer unehrenhaften Entlassung aus der Stadtwache von Ankh-Morpork stellen musste.

+++


Der dreizehnte Gruni, natürlich ein Freitag, passte sich wunderbar Drei Hungrige Mäuler's Stimmung an. Dunkle Gewitterwolken zogen über den Ankh, als sie sich auf den Weg in die Boucherie machte. Kurz bevor sie das Gebäude erreichte, öffnete der Himmel seine Schleusen und sie begann zu laufen, um nicht völlig durchnässt in der Dienststelle einzutreffen. Im Erdgeschoss der Boucherie herrschte die morgendliche Ruhe, nach einer arbeitsamen Nacht. Einige der Mädchen saßen mit einer Tasse Kaputtschino und den allseits beliebten Magazinen, in denen ausschließlich Frauensachen erörtert wurden, im Empfangsbereich der Näherinnengilde. Freundlich nickten die Damen der Gefreiten zu, die den Gruß mit einem gequälten Lächeln erwiderte.
Im Treppenhaus vernahm sie plötzlich eine Stimme hinter sich, ohne jedoch bewusst jemandem begegnet zu sein. Da ihr diese Art einer Begegnung durch ihren Freund und Untermieter, dem Obergefreiten Maximilian R. Schreckt, einem Schwarzen Mann, vertraut war, wandte sie sich nicht weiter überrascht um. Ihr Blick traf auf eine zierliche Frau, ganz in schwarz gekleidet, mit einem ebenfalls schwarzen Tuch um den Kopf geschlungen, welches ihr Haar vollständig verdeckte.
"Hallo. Du musst wohl Drei Hungrige Mäuler sein, nicht? Wir kennen uns noch nicht, mein Name ist Ecatherina Erschreckja, kannst aber Eca zu mir sagen."
"Guten Molgen, äh Eca." Schüchtern stellte die Achaterin fest, dass die Kollegin den Rang eines Spießes innehatte. "Ja, die bin ich. Abel die meisten nennen mich einfach nul Dlei." Zaghaft lächelte sie der Kollegin zu.
"Du sollst gleich raufgehn, ins Büro vom Schäff, der erwartet dich schon." Eca nickte ihr noch kurz zu und war auch schon wieder weg.
"Danke!", rief die Gefreite ihr nach.

Kurz danach klopfte sie zaghaft an die Tür von Hauptmann Daemon.
"Herein!" Die Stimme des Hauptmanns klang nicht annähernd so böse, wie sie es erwartet hatte.
Drei Hungrige Mäuler öffnete zaghaft die Tür, betrat das Zimmer und salutierte. "Guten Molgen, Söl!"
"Ja, guten Morgen Gefreite Drei Hungrige Wölfe. Komm rein, nimm Platz und schnapp dir eine Tasse Kaffee, du siehst aus, als könntest du einen vertragen."
Der Abteilungsleiter der D.O.G. blickte sie freundlich an. "Wohl spät geworden gestern, nicht?" Daemon konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
"Ja, Söl.", verlegen nestelte die junge Wächterin am Saum ihrer Jacke. Jeden Moment würde das Donnerwetter, vor dem sie sich schon die ganze Zeit fürchtete, losbrechen. Der Hauptmann war bestimmt nur ein guter Püschologe, der sie nicht gleich zu Beginn anbrüllen wollte.
"So, jetzt nimm dir erst mal einen Kaffee. Chief-Korporal Picardo wird auch jeden Moment hier sein.", freundlich schob er ihr einen Becher hin. Erneutes Klopfen kündigte das Eintreffen ihres Ausbilders an.
"Guten Morgen, Sir. Guten Morgen, Gefreite." Robin betrat das Büro.
"Morgen, Picardo. Na, dann können wir doch gleich loslegen." Daemon griff nach einer Akte, die neben ihm auf der großen Matraze lag.
"Guten Molgen, Söl." Drei Hungrige Mäuler war es gelungen, den Dobermann zu begrüßen, ohne dass ihr das Herz vor Angst stehen blieb. Spätestens jetzt würden beide Vorgesetzte zornig erklären, dass sie in der Stadtwache nichts zu suchen hatte. Tapfer kämpfte sie gegen die Tränen an, die ihr bereits wieder in die Augen traten.
"Also gut, Gefreite." Der oberste Mitarbeiter der D.O.G. schlug einen sachlichen Tonfall an. "Ich habe deinen Bericht gelesen. Soweit ist daran nichts auszusetzen." Der Hauptmann lehnte sich zurück und verschränkte die Hände, "Außer die vielen Absätze vielleicht." murmelte er.
"Chief-Korporal Picardo hat mich bereits über den gestrigen Einsatz informiert. Ich hätte gerne gewusst, was du dir dabei gedacht hast."
Die Wächterin blickte beschämt zu Boden und begann zu erklären, dass man sie offenbar mit Leni Tiefenstahl verwechselt hatte und wie sie durch diesen Irrtum davor bewahrt wurde, ihre mangelhaften Diebesfähigkeiten unter Beweis zu stellen.
"Nun ja, Gefreite, ich möchte die Art, wie du deinen ersten Einsatz absolviert hast, nicht gerade gutheißen, da du deinem Ausbilder, den ich zu deinem Schutz abkommandiert hatte, einige Nerven gekostet hast und ihn und auch dich der Gefahr entdeckt zu werden ausgesetzt hast." Der Tonfall des Vorgesetzten war ernst, aber nicht unfreundlich. "Alles in allem hast du deine Aufgabe aber sehr gut gemeistert."
Hoffnung keimte irgendwo ganz tief in Drei Hungrige Mäuler's Innerstem.
"Aber was um Himmels willen, hast du dir dabei gedacht?" Hauptmann Daemon hielt ihr eine Ikonographie unter die Nase. "Das letzte Bild. Das geheime Dokument, wie du es nennst."
Robin und Daemon konnten sich das Lachen kaum noch verkneifen.
Verständnislos blickte die Achaterin von einem zum anderen.
Das war zuviel.
Die beiden Vorgesetzten prusteten los.

Die Gefreite Drei Hungrige Mäuler, Gildenexpertin in Ausbildung, hatte die Übergabe einer höchst delikaten Angelegenheit, im wahrsten Sinne des Wortes, bildlich festgehalten.
Es handelte sich um die streng geheime Übergabe eines äußerst wichtigen Dokuments - das Geheimnis der richtigen Zubereitung einer Ente a la Bes Pelargic, mit den besten Grüssen von Lady Wang an Herrn Boggis' Mutter.


ENDE

[1] Zhuang Tse's Werk über Bewegung, nul eine Sinnestäuschung (gekrümmte Klapperschlange) versprach interessante Informationen im Hinblick auf eine Diebeskarriere, doch diese Lektüre wollte sie sich für einen späteren Zeitpunkt aufheben.

[2] Grünquirmianisch ist in Ankh-Morpork die Umgangssprache der Diebe, welche Unterhaltungen zwischen Gildenmitgliedern an wirklich jedem Ort der Stadt ermöglicht, da diese Sprache ausschließlich am gildeneigenen Bildungsinstitut unterrichtet wird. Hannos Kauderwelsch bedeutet ins Morporkianische übersetzt in etwa folgendes: "Pah, die haben noch nicht einmal gutes Bier hier, dafür ist das Essen gut! Schöne Hose hast du da, Mädchen. Hast du die am Markt geklaut?"

[3] "Du meine Güte, ist ja gut!"

[4] Dumme Ziege!

[5] siehe Single-Mission "Glückssache, oder Andre Länder, andre Sitten"

Zählt als Patch-Mission.



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