Glückssache oder Andere Länder, andere Sitten

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von Wächterin Drei Hungrige Mäuler (GRUND)
Online seit 19. 01. 2004
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Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht: Der richtige Umgang mit den Tauben. Das kann schmerzlich ausgehen!

Dafür vergebene Note: 13


"Pling, pling." Leise schlugen die Metallstäbchen des kleinen Windspiels am offenen Fenster in der kühlen Morgenbrise aneinander. Langsam und schwerfällig, wie eine alte Frau beim Stiegensteigen, schob sich die kleine Sonne der Scheibenwelt über den Rand und kletterte den Hügel vor den Stadttoren Dim Sum's empor.
Sirupartig breitete sich das träge Licht der Morgensonne über der Stadt aus. Es versprach wieder ein schöner Tag zu werden.....

Langsam hob Drei Hungrige Mäuler erst das linke, dann das rechte Augenlid. Sie fröstelte. 'Komisch', dachte sie, 'mir ist kalt obwohl die Sonne bereits aufgegangen ist. Ich werde doch nicht krank werden?' Sie rieb sich das letzte bisschen Müdigkeit aus den Augen, blickte zum Fenster und sah einen trüben, wolkenbedeckten Himmel über den grauen Dächern Ankh-Morporks. Von der Sonne war soviel zu sehen, wie von einem Frühstücksbuffett, nachdem eine Horde ausgehungerter Wölfe darüber hergefallen war. Dafür lief ein feiner, aber stetiger Nieselregen, soweit Drei Hungrige Mäuler es zwischen den gräulich-weissen Nebelschwaden erkennen konnte. Es versprach wieder ein Tag wie viele andere in Ankh-Morpork zu werden....

Rasch hüpfte Drei Hungrige Mäuler aus ihrem Bett und zog sich ihr unauffälliges, aber bequemes Alltagsoutfit, bestehend aus einer schwarzen, langen Stoffhose und einem grauen Wickelshirt sowie flachen, schwarzen Schuhen, an. Die langen, schwarzen Haare fielen bereits aus Gewohnheit wie von selbst zu einem geflochtenen Zopf.
Behutsam legte sie noch ihren Glücksbringer, ein Drachenamulett an einer schweren Goldkette, an.
Der Drache war ein Familienerbstück, welches über die Generationen hinweg, jeweils an die nächste Blutsverwandte der Hao-Dynastie, der Familie von Drei Hungrige Mäuler’s Vater, weitergegeben wurde. Als Zwei Silberne Löffel damals die Heimat verließ, um in der Fremde ein neues Leben zu beginnen, vertraute sie Drei Hungrige Mäuler, ihrer jüngsten Nichte, das Amulett an, da sie keine eigenen Töchter hatte und weihte sie in das Geheimnis der Familientradition ein.
Zu dieser Zeit war Drei Hungrige Mäuler allerdings noch ein Kind gewesen und verstand daher nicht, was es mit der Geschichte, die sich um das Schmuckstück rankte, auf sich hatte. Im Laufe der Zeit schwand ihre Erinnerung an die Legende des Drachens. Lediglich der Glaube daran, dass der Drachenanhänger seinem Träger Glück bringen würde, war über die Jahre zu einer unleugbaren Tatsache für Sie geworden.
Der knallgelbe Regenmantel, lässig über den Arm gelegt, vervollständigte ihr Erscheinungsbild. Eine alte Weise aus der Heimat leise vor sich hin summend, als Tribut an den verblassenden Traum, verließ sie ihr Zimmer.

Im Stiegenhaus umschmeichelte bereits der unwiderstehliche Duft von gebratenem Reis mit Hühnerstückchen und Algensosse ihre Nase. Fröhlich folgte Drei Hungrige Mäuler der Duftspur bis zu deren Ursprung, der kleinen, aber feinen Küche ihrer Tante, Zwei Silberne Löffel. Die kleine, rundliche Achaterin hantierte gerade mit ihren Töpfen und Pfannen auf dem altertümlich anmutenden Herd, als sie ihre Nichte aus dem Augenwinkel heraus die Küche betreten sah.

(Anm. d. Red.: Da das folgende Gespräch in achatisch geführt wird, hat sich der Autor erlaubt, die Worte in allgemein verständliches ankh-morporkian zu übersetzen)

"Ah, einen wunderschönen guten Morgen, mein Kind. Ich hoffe, du hast gut geschlafen? Hast du grgmpfh?" Die restlichen Worte wurden durch eine stürmische Umarmung seitens ihrer Nichte im Keim erstickt. Leise lachend entwand sie sich der folterartigen Zuneigungsbezeigung.
"Setz dich erstmal rüber an den Tisch, ich bring dir gleich dein Frühstück, Kindchen."
Ehe Drei Hungrige Mäuler es sich versah, standen vor ihr einige Schüssel mit dampfenden Leckereien.
"Na, was hast du schönes für heute geplant, Drei? Machst du dich wieder dran, die Stadt zu erkunden?"
"Ja, ich wollte mir heute ein wenig den drüberen Stadtteil, Ankh, ansehen und ein bisschen durch den Hide Park spazieren."
"Du meine Güte, bei diesem Wetter?" erkundigte sich die ältere Frau. "Warum siehst du dir nicht die Oper oder die Scheibe an? Auch das Zwergenbrotmuseum soll sehr interessant sein, habe ich jedenfalls gehört. Vor allem wirst du dort auch nicht so naß!"
"Ach was, liebe Tante, ich hab doch meinen Regenmantel mit, aber du hast Recht, bei diesem Wetter kann man einen Baum nicht von einer Strassenlaterne unterscheiden und vermutlich ist der Ikonographendämon auch nicht begeistert bei dieser Witterung den Park zu malen."

"Mann, wie höflich ihr heut wieder seid, ihr zwei Schnattergänse! Is euch vielleicht aufgefallen, dass nich alle hier euer Gewäsch verstehen?", ließ sich eine grummelige Stimme vom Regal neben dem Frühstückstisch vernehmen.
"Oh, velzeih mil, ich meinte gelade, dass du wahlscheinlich nicht begeistelt bist, bei diesem Wettel den Palk zu ikonoglaphielen", wandte sich Drei Hungrige Mäuler an den Technikdämon.
"Na das kannste mal annehmen, Frollein, aber wennste mir nich bald neues Weiß zukommen laßt, wird sowieso nix mit Bildern heute. Immer das selbe mit euresgleichen, wollen zwar alles und jeden ikonographiert haben, aber von rechtzeitigem Farbnachschub habt ihr alle miteinander keine Ahnung!"
"Oh, dalan soll's nicht scheiteln", ließ sich Zwei Silberne Löffel vom Herd her vernehmen. "Sieh mal in del obelsten Tischschublade nach, Dlei, da sollte noch ein Töpfchen mit weißel Falbe fül den Dämon dlin sein. Ja, und nimm auch gleich den Futtelbeutel mit, es wäle doch schade, wenn el mitten in einel guten Aufnahme in Hungelstleik tlitt."
Triumphierend hob Drei Hungrige Mäuler die beiden gesuchten Behälter in Richtung des Ikonographen hoch. "Na dann kann's ja losgehen!", rief sie heiter, schnappte sich den Apparat, ohne auf den auf seiner zustehenden Rauchpause beharrenden Technikdämon näher einzugehen, warf sich ihren Regenmantel über, küsste ihre Tante auf die Wange und fegte wie ein knallgelber Blitz durch die Hintertür, hinaus auf die Strasse.

***


"Ich dachte schon, das Mädl würde nie verschwinden!" knurrte eine Stimme, die einer verärgerten Bulldogge alle Ehre gemacht hätte. Ein finster aussehender Riese von einem Mann, gekleidet in die übliche Tracht der Bewohner der Schatten, betrat Zwei Silberne Löffel's Küche.
"Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen, Alfred?" schnappte Zwei Silberne Löffel in bestem Morporkian. "Sollte ich sie vielleicht ohne Frühstück aus dem Haus gehen lassen? Sie ist immerhin die Tochter meines Bruders!"
"Seit wann kümmerst du dich um was andres als um deine Karriere? Abgesehn von den Kröten die du für deinen Tschob kassierst."
Entrüstet fuhr die kleine Achaterin den Mann an "Kümmer dich gefälligst um die Dinge, für die du bezahlt wirst und misch dich nicht in meine Familienangelegenheiten! Was willst du überhaupt hier?"
"Der Boss schickt mich, du sollst in die Zentrale kommen, is wieder so’n komischer Express-Vogel von drüben", Alfred machte eine undeutliche Kopfbewegung in die Richtung, in der er offenbar das Achatene Reich vermutete, "du sollst ihm die Nachricht übersetzen."
"Wann wirst du dir endlich merken, dass man die eleganten Vögel Albatrosse nennt? Klingt doch so ähnlich wie dein eigener Name. Du bist einfach ein ignoranter, dummer und kulturverachtender Laufbursche!"
Zwei Silberne Löffel konnte sich nach all den Jahren in Ankh-Morpork immer noch über die traditionell gefestigten Werte des durchschnittlichen Bewohners der Schatten aufregen. Bei genauerer Betrachtungsweise der gegebenen Situation musste sie sich allerdings eingestehen, dass derartige Personen hervorragend für die ihnen zugedachten Aufgaben geeignet waren.
Gefasster setzte sie fort, "Wo wir doch gerade so hübsch beim Plaudern sind - hast du das Geld von der klatschianischen Brut unten in der Festen Strasse schon eingetrieben?"
"Äh, noch nicht, Mäm, aber der Alte hat versprochen, bis heute abend den ganzen Betrag aufzutreiben." Böse grinsend fuhr Alfred fort, "Und glaub mir, er wird das Geld irgendwie zusammenkratzen, andernfalls kann er die Hand seiner hübschen Göre dem zukünftigen Schwiegersohn auch mit einer Brieftaube schicken!"
"Gut, gut, also wenn dieses Pack heute bezahlt, hätten wir die Beiträge für dieses Monat komplett eingetrieben?" fragte Zwei Silberne Löffel.
"Ja, bis auf den sturen Zwerg hätten dann alle brav bezahlt. Geschieht ihm recht, diesem Geizkragen, dass er’s jetzt recht frisch um die Nase hat! Mann, Mäm, ich hätt’ was gegeben, wenn ich dort deinen komischen Ikodingsbums dabei gehabt hätt. Das Gesicht wer’ ich nie vergessen, dem wär’n fast die Glotzen rausgefallen, als ich mit dem Rasiermesser angesetzt hab! War ne wirklich klasse Idee, dem Dümmling den Bart abzusäbeln, Mäm, auch wenn nach mein’ Geschmack zuwenig Blut dabei gefloss’n is!"
Die Erinnerung an die Barbier-Szene erheiterten Alfred derart, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen und er sich vor lauter Lachen den Bauch hielt. Seine Haltung betonte nicht nur seinen enormen Leibesmittelpunkt, sondern auch dessen seltsame Zierde – einen schäbigen Ledergürtel mit fremdartigen Fransen, Seidenfäden vielleicht, möglicherweise aber auch Teile eines einstmals liebevoll gepflegten Zwergenbartes.
Zufrieden mit dem Verlauf der Dinge, der Boss schätzte erfolgreich ausgeführte Anweisungen, schenkte Zwei Silberne Löffel zwei Gläser mit selbstgemachtem Reisbrand ein und reichte eines davon dem noch immer kichernden Alfred, sofern man die dumpfe Mischung aus hustenähnlichen, gurgelnden Lauten so bezeichnen kann, ohne den gesamten Sprachgebrauch neu definieren zu müssen.
"Auf den Erfolg!" rief sie und leerte ihr Glas in einem Zug.

***


"Heee, aber ich habe ein RECHT auf eine Rauchpause, verdammtnochmal!" protestierte der Ikonographendämon weiterhin.
"Ach wo, lauchen ist ohnehin ungesund. Sei floh, dass du dulch mich ein bißchen an die flische Luft kommst!"
"Pah, frische Luft! Wir sind hier in Ankh-Morpork, falls du's noch nicht gemerkt hast, Frollein! Diese Stadt ist das reinste Todesurteil für frische Luft!"
Drei Hungrige Mäuler ließ sich durch den griesgrämigen Dämon nicht weiter die gute Laune verderben. Gemächlich schlenderte sie durch das Gassengewirr des südlichen Teils von Morpork in Richtung Schlechte Brücke, wobei sie feststellte, dass ihr die Stadt durch ihre täglichen Besichtigungstouren schon sehr vertraut war.
Da der Regen mittlerweile aufgehört hatte und sich der Nebel langsam aufzulösen begann, beschloß Drei Hungrige Mäuler an ihrem ursprünglichen Plan, einem Spaziergang im Hide Park, festzuhalten.

Entspannt wanderte sie durch die größte Grünanlage im Zentrum der Stadt um hie und da den einen oder anderen regennassen Baum, Busch, Kiesel oder einfach nur spät entschlossene Wassertropfen, die sich langsam dem Gesetz der Schwerkraft beugten und mit letzter Kraft an Blatträndern baumelten, zu ikonographieren.
Nach stundenlangem Malen naturhistorisch wertvoller Objekte, lief der Technikdämon bereits Gefahr, aufgrund der abwechslungsreichen Motive vor Eintönigkeit von seinem Hocker zu kippen und einzuschlafen.
"Guten Tag, wertes Fräulein!" Ein gepflegter Herr mittleren Alters trat Drei Hungrige Mäuler in den Weg. "Verzeihen sie die Unannehmlichkeit einer Störung, aber dies ist ein Überfall." Mit einer leichten Verbeugung zog der Mann eine Lizenz der Diebesgilde aus der inneren Brusttasche seiner Jacke und hielt sie ihr vor die Nase.
"Äh, velzeihen Sie bitte, abel ich bin noch neu in diesel Stadt und bin mit den hiesigen Bläuchen noch nicht so veltlaut, was ist denn das fül ein Schliftstück?"
"Nun, hiermit gebe ich ihnen bekannt, daß ich ein beauftragtes Mitglied der Diebesgilde der Stadt Ankh-Morpork bin. Wenn sie jetzt so freundlich wären und mir ihren Geldbeutel überlassen würden?" Charmant lächelte sie der Unbekannte an.
"Diebesgilde? Was bedeutet das denn? Ist dies eine gemeinnützige Veleinigung?"
"Na ja, wenn sie es so sehen möchten, in etwa schon. Haben sie noch nie von dem Gildensystem in Ankh-Morpork gehört?"
"Nein, leidel, abel es klingt sehl intelessant. Wissen sie, bei uns in Dim Sum, also meinel Heimat, gibt es keine Gilden, dahel kann ich mil daluntel nichts volstellen." Mit einem entschuldigenden Lächeln blickte Drei Hungrige Mäuler ihr Gegenüber an. "Abel vielleicht wälen sie so fleundlich mil etwas dalübel zu elzählen?"
"Okay, gut", leicht genervt ob des nicht geplanten Verlaufes eines reinen Routineüberfalles, begann der Dieb zu erzählen, "sehen sie, wertes Fräulein, hier in dieser Stadt sind alle Berufsgruppen durch Gilden vertreten. Diese regeln die Rechte und Pflichte der einzelnen Mitglieder und auch die der Bürger. Jedes Gildenmitglied hat nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildungsprüfung eine Lizenz zu lösen und in unserem Fall, also bei der Diebesgilde, einen gewissen Jahresbeitrag von den Bürgern einzuheben. Die Lizenz muß aber vor jedem Überfall den Beitragszahlern präsentiert werden, um äh, sagen wir Missverständnissen vorzubeugen."
"Aha, also dieses Schleiben ist sozusagen ihl Ausweis. Abel wohel soll ich wissen, dass diese Lizenz, die sie mil gezeigt haben, echt ist? Und wie soll ich wissen, dass sie ihnen gehölt? Wieso steht hiel nicht dlauf, wieviel Beitläge sie einheben dülfen und walum muß ich ihnen meinen Geldbeutel geben?"
"Liebes Fräulein, dies ist nun mal so hier in Ankh-Morpork, und wenn ich ihnen diese Lizenz zeige, dann müssen sie mir einfach glauben, daß ich berechtigt bin, ihr Geld einzuheben. Es sei denn, sie könnten mir ihrerseits eine Quittung präsentieren, die besagt, daß sie ihren Anteil an Beiträgen für die Diebesgilde bereits geleistet haben. Also wenn sie mir jetzt freundlicherweise ihr Bargeld und ihren Schmuck übergeben würden?"
"Velzeihen sie die Flage, abel was wäle, wenn diese Lizenz eine Fälschung ist? Wie kann ich denn wissen, ob ihl Schleiben kollekt ist?"
Die Augen des Diebes begannen sich langsam aber stetig mit Tränen der Verzweiflung zu füllen.
"Sehen sie hier oben das Wappen? Ja? Dies ist die Garantie für die Echtheit dieser Lizenz und hier unten erkennen sie die Signatur des Gildenoberhauptes. Damit ist garantiert, daß dieses Schreiben KEINE Fälschung ist."
"Abel diese Dinge kann man ganz leicht kopielen. Mein Bludel, Ein Flinkel Fingel, ist Duplikatol am kaisellichen Hofe, el hat die Stelle bekommen, weil el wundelbal mit Tinte und Fedel umgehen kann, el wülde diese Dinge ganz leicht fälschen können und niemand wülde einen Untelschied zum Oliginal feststellen können."
"Ja, verdammmichmalundzugenäht", presste das Gildenmitglied zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, "aber ihr Bruder ist nicht in Ankh-Morpork und ich versichere ihnen daß diese Lizenz wahrhaftig ein ordnungsgemäß erworbenes Original darstellt. Wenn sie mir jetzt endlich ihre Börse überreichen würden, sonst werde ich ungemütlich!"
"In Oldnung, legen sie sich bitte nicht auf, das ist nicht gut fül ihle Gesundheit. Gehen wil einmal davon aus, dass diese Lizenz tatsächlich echt ist, wie kann ich wissen, dass sie ihnen gehölt? Ich kenne sie ja nicht. Sie könnten sie doch auch von einem Kollegen gebolgt haben, odel?"
"NEIN, ich habe sie nicht geborgt, dies ist meine Lizenz und hier", fieberhaft tippte er auf einen, in schön geschwungenen Buchstaben geschriebenen Namen in der Mitte des Papiers, "hier steht mein Name, Norbert Nimmtsichalles, das bin ich!" Höchstgradig verzweifelt ob des Verhaltens seines Gegenübers fuhr er fort, "Geben sie mir jetzt, BITTE, alles was sie haben! BITTE! Wenigstens ein paar Cent!" Hoffnungsvoll, wie ein überfressener Spaniel den Schokoladekeks in der Hand seines Herrchens, blickte er die junge Achaterin an.
"Einen? Oh, bitte!" greinte er.
Immer noch unerschütterlich freundlich lächelnd erwiderte Drei Hungrige Mäuler "Weltel Hell Nimmtsichalles, ich möchte ja nicht unhöflich elscheinen, abel das was sie jetzt tun, klingt meinel Meinung nach ehel nach Betteln, doch davon steht nichts auf ihlel Lizenz!"
"Aaaargh, NEIIIIN!" Haareraufend und Tränen der Verzweiflung vergiessend stand Herr Nimmtsichalles vor Drei Hungrige Mäuler, als plötzlich unerwartet ein zweiter Mann hinter ihm auftauchte und ihm unter Gelächter freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
"Hahahaha, Norbert, Norbert, ich hab dir doch gesagt, dass die freundliche Tour nichts nützt. Siehs ein, meine Methoden sind immer noch die erfolgreicheren. Tja, wie's aussieht hast du die Wette verloren und ich glaube ein kräftiger Schluck kann dir jetzt nicht schaden!"
Breit grinsend wandte sich der eben erst hinzugekommene Mann an Drei Hungrige Mäuler "Also Mam, ich muß sagen, diese Vorstellung eben - großartig, mein Kompliment!" Kurz zog er seinen Hut vor ihr.
"Wissen sie, mein Kollege hier, wollte mich davon überzeugen, daß ein Überfall nicht unbedingt ohne Freundlichkeit und Charme ablaufen muß, aber so wie's aussieht, hat er einen gewaltigen Tiefschlag erlitten. Besser hätte ich es ihm auch nicht demonstrieren können, dass in Ankh-Morpork der harte Weg der bessere ist. Als kleines Dankeschön für diese Lektion verspreche ich ihnen, dass sie heute mit keinem weiteren Überfall mehr rechnen müssen. Auf Wiedersehen und noch einen schönen Tag!"
Nebeneinander, der eine immer wieder laut auflachend, der andere ziemlich geknickt dahinschleichend, setzten die beiden Diebe ihren Weg fort.
Kopfschüttelnd stand Drei Hungrige Mäuler noch ein Weilchen da, dann setzte auch sie ihren Spaziergang durch den Park fort.
"Seltsame Sitten hiel in diesel Stadt, ob ich sie jemals velstehen welde?"

Es hatte wieder zu regnen begonnen und auch der Wind begann aufzufrischen. Binnen kurzer Zeit wurde er stärker und stärker, zerrte an Bäumen, Kleidern, Haaren und Plakaten.
Drei Hungrige Mäuler stemmte sich gegen den Sturm und machte sich auf den Heimweg. Just als sie das eiserne Parktor erreichte, klatschte ihr ein Papierfetzen ins Gesicht.
"Na glossaltig, auch das noch", murmelte sie. Geistesabwesend zog sie das Stück Papier vom Gesicht und stopfte es in ihre Manteltasche.
Mittlerweile war es Nachmittag geworden und Drei Hungrige Mäuler's Magen forderte sein Recht.
"Hm, eine heiße Tasse Tee und eine Kleinigkeit zu essen, wälen jetzt wilklich nicht schlecht."
Kurzerhand betrat sie das nächst gelegenste Restaurant, ein kleines klatschianisches Imbisslokal namens Sahib's. Das Lokal wirkte heimelig mit seinen bunten, bestickten Tischtüchern, den Grünpflanzen vor den Fenstern und seinen Mahagonimöbeln. Die Tische waren durch schön verzierte Paravents voneinander getrennt und nahezu auf jedem freien Platz an der langgestreckten Theke standen golden lackierte Holzfiguren, Abbilder verschiedener fremdländischer Götter mit sechs Armen und elefantenartigen Köpfen. Unzählige Kerzen verbreiteten angenehm warmes Licht.
Der alte klatschianische Wirt begrüßte sie freundlich und führte sie zu einem Tisch nahe der Küche. Nachdem sie eine Tasse Hibiskustee und eine Portion Curry nach Art des Hauses bestellt hatte, verschwand der Wirt in der Küche, von der aus lautes Schluchzen einer Frau zu hören war.
Wenig später brachte ihr der Wirt den dampfenden Tee und wollte sich wieder zurück in seine Küche begeben.
"Entschuldigung, mein Hell, ich will ja nicht neugielig sein, abel ich hölte gelade eine Flau fulchtbal weinen und ich wollte flagen, ob ich ilgendwie helfen kann?" Ein aufrichtiger Blick voll Anteilnahme traf den Klatschianer.
"Das war meine Tochter Indira, mein Fräulein."
"Hat sie denn Liebeskummel?"
"Oh nein, nein. Das heißt nicht direkt." erwiderte der Wirt.
Verständnislos blickte Drei Hungrige Mäuler zuerst den Wirt, dann die junge, äusserst attraktive Frau, die gerade mit ihrem Essen aus der Küche kam, an. Die Augen der Frau waren vom Weinen noch gerötet und verschwollen.
"Wisst ihr, in diesem Teil der Stadt hat kürzlich ein neuer Padre die Herrschaft angetreten. Alle Geschäftsleute müssen monatlich einen hohen Schutzgeldbetrag abliefern, damit keine schlimmen Dinge passieren."
"Ihl meint, so was wie eine Schadens-Fähl-Sichelung?" fragte Drei Hungrige Mäuler.
Verwirrt hob der Mann eine Augenbraue. "Fähl-Was?"
"Fähl-Sichelung. Man bezahlt jeden Monat einen Betlag um sich vol schlimmen Dingen abzusicheln. Wenn dann doch ein Unglück geschieht, bekommt man das eingezahlte Geld wiedel von del Fähl-Sichelungs-Gesellschaft zulück um den Schaden zu elsetzen."
"Bei Shee-Wah, nein, mein Kindchen! Hier bezahlt man einen sehr hohen Betrag, damit die Leute, die man bezahlt einem nichts Böses antun!"
"Abel das ist doch...!" Fassungslos hielt Drei Hungrige Mäuler inne. "Abel ich dachte in Ankh-Molpolk legielen die Gilden, die delaltige kliminelle Handlungen nicht zulassen? Zumindest hat mil das heute ein sehl fleundlichel Mann zu elklälen velsucht?"
"Tja, Fräulein, in dieser Gegend trifft man keine Abgesandten der Gilden, hier regiert die Unterwelt, die Gesetzlosen, dies sind die Schatten! Eine eigene Stadt in der Stadt."
Die junge Frau hatte bei der Erwähnung des Wortes 'Schutzgeld' wieder leise zu weinen begonnen.
"Was hat sie denn?" fragte Drei Hungrige Mäuler erneut, an den Wirt gewandt.
"Nun, mein Kind, wir sollen heute abend 50 Ankh-Morpork Dollar an Schutzgeldern bezahlen, aber mehr als 10 Dollar haben wir nicht. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird man meiner Tochter etwas Schreckliches antun!"
"Das ist ja fulchtbal!" Schockiert über die Methoden der sogenannten 'Unterwelt' sprang Drei Hungrige Mäuler von ihrem Stuhl auf. "Das kann ich nicht zulassen!" Fieberhaft überlegte sie, wie sie diesen Menschen helfen könnte. "Ich welde meine Tante bitten, euch das Geld zu leihen, Meistel, sie ist eine gute und auflechte Flau und ich bin sichel, dass sie euch helfen wild. In del Zwischenzeit nehmt dies hiel." Mit einer raschen Bewegung streifte die junge Achaterin ihr Amulett ab und drückte es dem verblüfften Klatschianer in die Hand. "Dies ist mein Glücksdlache, ein heiliges Amulett, das euch vol allem Bösen beschützen wild, so wie es mich bishel beschützt hat."
Mit diesen Worten nahm sie ihren Regenmantel und den Ikonographen, legte einige Münzen für ihren Imbiss auf den Tisch und life nach Hause.

***


"Bei Shee-Wah, sieh dir das an Indira, das Wunder ist geschehen!" Ehrfürchtig hielt der Wirt das Amulett hoch. "Diese Kette ist aus purem Gold und allein schon mindestens 100 Dollar wert - das reicht für diese Schurken und auch noch für eine wunderbare Mitgift für dich!" Außer sich vor Freude begann der Alte durch sein Lokal zu tanzen.

***


Wütend und enttäuscht über die Weigerung ihrer Tante, den armen Klatschianern mit einer kleinen Leihgabe von 40 Dollar aus dem Gröbsten herauszuhelfen, warf sich Drei Hungrige Mäuler laut schluchzend auf ihr Bett. In der Hand hielt sie fest umklammert ihre 'eiserne Reserve’, einen mittlerweile recht zerknitterten 10-Dollarschein, den ihr ihre Mutter 'für schlechte Zeiten’ zugesteckt hatte.
"Abel ich muß doch ilgendwie helfen können, ich kann doch nicht zulassen, dass man Menschen, Nachbaln sozusagen, schlimme Dinge antut. Ich blauche dlingend mehl Geld, abel wo soll ich das so schnell helkliegen? Und was kann ich tun, um diesen Elplesseln das Handwelk zu legen?"
Auf der Suche nach einem Taschentuch durchwühlte Drei Hungrige Mäuler die Taschen ihres Regenmantels, als ihre Finger ein Stückchen Papier griffen. Sie zog es aus der Tasche, faltete es auseinander und las, soweit man die regenverwaschene Schrift auf dem Papierfetzen noch lesen konnte "Wi auchen dich! adtwache Ankh- Morpor". Darunter war ein Teil des Siegels der Stadtwache zu erkennen.
'Ja, ich denke, als Mitglied der Stadtwache könnte ich sicher mithelfen, diesen Schutzgelderpressungen ein für alle mal ein Ende zu bereiten', überlegte Drei Hungrige Mäuler, 'aber ob sie auch Frauen aufnehmen? Andererseits steht hier nichts Gegenteiliges.' Erneut unterzog sie das Papier einer genauen Überprüfung. Nein, hier stand nichts darüber, dass Frauen von dem Aufruf ausgeschlossen wären.
'Ich werde es einfach versuchen und mich vorstellen!'
Kurzentschlossen wischte sie sich die Tränen der Enttäuschung, mangels eines Taschentuches mit einem Zipfel ihrer Bettdecke, aus dem Gesicht, prüfte ihr Erscheinungsbild nochmals im Spiegel und verließ, nunmehr wiederum voll Zuversicht, ihre Kammer.

Am Weg nach draußen durchquerte sie die verwaiste Küche, offenbar war ihre Tante unterwegs zum Einkaufen. Am Küchentisch fand sie einen dicken, unverschlossenen Umschlag. Bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass dieser mit etlichen Dollarnoten gefüllt war.
"Oh, ich wusste es, dass du ein gutes Helz hast, Tante!" rief sie erfreut aus.
In der Annahme, dass Zwei Silberne Löffel ihre Meinung über die Leihgabe an den Inhaber des Sahib’s doch noch geändert hatte, nahm sie das Geld an sich.
Beschwingt und fröhlich vor sich hin pfeifend, machte sie sich auf, um den Wirtsleuten den rettenden Umschlag zu überreichen.
Doch sie konnte nicht einmal annähernd zu dem Restaurant vordringen, da sämtliche Bewohner der Gegend um die Feste Strasse aufgeregt von 'Wundern' und 'göttlichem Einsatz' sprechend, das Haus der Klatschianer belagerten, um vielleicht selbst noch in den Genuss des Wunderbaren zu kommen.
"Velzeihung, Söl, abel was ist denn hiel passielt?" verwundert über die Ansammlung verschiedenster Rassen und Berufsgruppen, wandte sich Drei Hungrige Mäuler an einen Mann in der hintersten Reihe.
"Was hier passiert ist? Na ein Wunder! Einer von den komischen ausländischen Göttern ist höchstpersönlich mit einem Sack voll Gold bei den Wirtsleuten aufgetaucht und hat sie so vor gewaltigen Schwierigkeiten bewahrt!"
Fragend blickte sie den Mann an. "Ein Sack voll Gold?"
"Ja, und stellt euch vor", mischte sich eine untersetzte Frau mittleren Alters ein, "dieser komische Gott hatte die Gestalt eines Drachens! Is ja wohl klar, dass die genug Gold haben, man sagt ja, die hätten riesige Haufen davon!"
Drei Hungrige Mäuler verstand zwar nicht, wie ein Sack Gold die Menschen glücklich machen konnte, aber dies war wohl eines der unergründlichen Geheimnisse Ankh-Morporks.
Offenbar hatte ihr Glücksdrache den Wirtsleuten auf seine Art geholfen, denn davon, dass die glückliche Wendung des Schicksals sein Verdienst war, war sie felsenfest überzeugt, wenn sie auch nicht wusste, wo und wie er diesen seltsamen Gott gefunden hatte. Da sie angesichts der momentanen Lage keine Chance sah, ohne gröbere Quetschungen das Sahib’s zu erreichen, setzte die Achaterin ihren Weg ins Wachhaus fort. Bis zum abendlichen Besuch des Geldeintreibers war es noch eine Weile hin und sie konnte es kaum erwarten, ihren Entschluß in die Tat umzusetzen.

***


Fast zur gleichen Zeit, als sich die Menschen vor dem klatschianischen Restaurant zu versammeln begannen, legte ein unscheinbares Schiff in Ankh-Morpork an.
Die Passagiere, fünf Männer in modischen dunklen Anzügen, die die unverkennbare Handschrift des angesagtesten Schneiders der Scheibenwelt, Armano Kutschi, trugen, gingen unbeachtet von Bord. [1]

***


"Hey, psst, jungel Mann!" Zwei Silberne Löffel versuchte die Aufmerksamkeit eines etwa sechsjährigen, schmutzverkrusteten Bürschchens mit laufender Nase, zu erregen.
"Jaaaaaah?", kam es gedehnt aber nicht uninteressiert zurück.
"Hast du Lust, dil ein paal Cent zu veldienen? Du müsstest nul diesen Blief zu jemandem blingen."
"Wieviel?" Trotz des kindlichen Klanges der Stimme war der Geschäftssinn der Schattenbewohner deutlich herauszuhören.
"Zwanzig Cent."
"Fünfzig!"
"Dleissig Cent."
"FÜNFZIG!"
"Vielzig Cent, odel ich suche mil einen andelen Boten."
"Okahiii. Ich machs." Ein breites Grinsen ob seiner erfolgreichen Verhandlungen teilte den Schmutz im Gesicht des Jungens.
Nach kurzen Anweisungen und einer nachdrücklichen Ermahnung, den Brief ja pünktlich an den Empfänger zu überbringen, life der Junge, die vierzig Cent eisern in seiner kleinen Faust festhaltend, die Strasse hinunter.
"Und wehe du velgisst, was ich dil gesagt habe!" rief ihm Zwei Silberne Löffel noch nach.

Unterwegs traf der Junge auf einen nicht unbekannten Händler, der die leckersten Würstchen in seinem Bauchladen feilbot.
"Hallo Junge! Wohin so eilig? Hast du denn heute schon etwas gegessen? Wie wär's mit einem dieser wunderbaren Würstchen hier?" freundlich lächelnd wedelte Treibe-mich-selbst-in-den Ruin Schnapper mit einem seiner Würstchen vor der Nase des kleinen Burschen.
"Für dich nur vierzig Cent und damit treibe ich mich doch glatt selbst in den Ruin!"
Das knurrende Geräusch aus dem Kindermagen sprach für sich.

Nach einiger Zeit, mit dem wohligen Gefühl eines mit Mühlsteinen gefüllten Magens, schleppte sich der Junge in das Wachhaus Kröselstrasse, wo er auf eine ziemlich nervöse Drei Hungrige Mäuler traf.
In der Annahme, dass sie eine Wächterin sei, drückte er ihr den mittlerweile mit einigen Fettflecken verzierten Brief in die Hand, murmelte etwas von "Tschuldigung, aber ich schaff's nich bis dorthin!" und sauste auf der Suche nach einem Abort davon.
"Hey, walte!" vergebens versuchte Drei Hungrige Mäuler den Jungen aufzuhalten.
"So, so, junge Dame, also ihr wollt euch für einen Posten in der Stadtwache bewerben?" Hauptmann Humph Meck Dwarf betrat in Begleitung des diensthabenden Wächters den Wachetresen.
"Äh, ja Söl, ja. Ich hoffe, das ist kein unmöglichel Wunsch fül eine Flau? Und äh, ich hoffe, meine Helkunft steht einel Bewelbung auch nicht entgegen?"
Der prüfende Blick des Hauptmanns ließ Drei Hungrige Mäuler bereits an ihrem Vorhaben Zweifel aufkommen. Schüchtern blickte sie zu Boden. Dabei entging ihr das breite, enorme Fänge entblößende, Grinsen des Rekruten, dem sie ursprünglich ihre Absichten dargelegt hatte.
"Mhm, ja, also wir sind hier weder frauenfeindlich eingestellt, noch haben wir Bedenken, was Rasse und Herkunft anbelangt, Fräulein, wie war noch mal ihr Name?"
Amüsiert betrachtete Hauptmann MeckDwarf die neue Rekruten-Anwärterin. Offenbar hatte die junge Dame aus lauter Nervosität die wahre Natur des diensthabenden Rekruten Maximilian R. Schreckt nicht erkannt.
"Mein Name ist Dlei Hunglige Mäulel, Söl." antwortete die Achaterin.
"Dlei, äh wie?"
"Nicht Dlei, Dlei, mit 'l', Dlei Hunglige Mäulel", vergeblich versuchte sie sich um die korrekte Aussprache zu bemühen.
"Ach ja, natürlich. Ihr seid nicht aus Ankh-Morpork, oder?" fragte der Hauptmann weiter, ohne einen nennenswerten Unterschied in der korrekten Aussprache des Namens feststellen zu können.
"Nein, Söl. Ich komme ulsplünglich aus Dim Sum, das liegt im Achatenen Leich, auf dem Gegengewichtskontinenten. Jetzt wohne ich bei meinel Tante hiel in Ankh-Molpolk."
"Und wieso wollt Ihr der Stadtwache beitreten?"
Die entscheidende Frage. Wenigstens hatte sie diese schon erwartet und sich eine gute Antwort darauf überlegt.
"Weil ich möchte, dass mein Vatel sehl stolz auf mich ist, auch wenn nicht del Sohn bin, den el sich immel als seinen Nachfolgel in del Palastwache gewünscht hat."
Während dieser Worte hatte Drei Hungrige Mäuler ihren Körper gestrafft und blickte nunmehr fest und ein wenig trotzig in die Augen des Hauptmannes.
"Gut, gut", brummte MeckDwarf und dachte daran, dass er vor einem sehr seltenen Exemplar eines Wächteranwärters stand, denn um Ruhm und Ehre zu erlangen, traten die wenigsten der Stadtwache bei.
Im Zuge der folgenden Vereidigung von Drei Hungrige Mäuler konnte der Hauptmann nicht umhin, immer wieder zu schmunzeln.
"Rekrut Schreckt wird mit ihnen die nötigen Formulare ausfüllen und ihnen die wesentlichsten Dinge erklären. Ich erwarte sie dann morgen pünktlich um acht in meinem Büro, fragen sie einfach nach Hauptmann Humph MeckDwarf, der diensthabende Wächter wird sie dann zu mir bringen."
"Ja, Söl", hauchte sie, da sie ihr Glück über die Aufnahme in die Stadtwache nicht fassen konnte.
"Na dann, willkommen in der Wache!" herzlich klopfte ihr der Rekrut namens Schreckt auf die Schulter.
"Mein Name ist Maximilian R. Schreckt, aber du kannst mich ruhig Max nennen", grinste er.
"Danke, äh Max", erleichtert über die freundliche Begrüßung lächelte Drei Hungrige Mäuler ihn strahlend an.
Verblüfft über die fehlende Reaktion, die sein Lächeln normalerweise hervorrief, führte er sie zum Schreibtisch, wobei er provokativ seine Klaue auf ihren Arm legte. Doch auch hier hoffte er vergebens auf die übliche Reaktion.
"So, hier sind die Bewerbungsformulare", Max reichte Drei Hungrige Mäuler einige Blätter Papier über den Schreibtisch, bückte sich kurz in den Schatten dahinter um sich gleich darauf hinter der Achaterin zu materialisieren, "und hier hast du einen Stift!" Er reichte ihr diesen über ihre rechte Schulter.
Ohne aufzublicken griff sie danach.
"Vielen Dank, Max."
Der Rekrut sah sie mit weit aufgerissenen Augen an und fragte "Sag mal, fällt dir eigentlich nichts an mir auf?"
Vertieft in die Formulare murmelte Drei Hungrige Mäuler lediglich ein undeutliches "Nein, wieso, sollte es? Bis auf den Umstand, dass deine Flisul ein wenig altmodisch ist und du deine Fingelnägel vielleicht ein wenig külzen solltest, ist mil eigentlich nichts aufgefallen."
Offenbar gehörte Drei Hungrige Mäuler zu der Sorte Menschen, die entweder keine Angst vor Schwarzen Männern zeigte, oder aber in Rassenfragen äußerst tolerant war. Möglicherweise war sie auch einfach nur naiv.
"Sag mal, äh", mit einem kurzen Blick auf die Bewerbungsbögen vergewisserte sich Max über die richtige Schreibweise des Namens der neuen Rekrutin, "Drei, ich darf doch Drei sagen, oder?"
"Ja, klal, kein Ploblem."
"Was ist denn das dort für ein Brief am Tisch? Der lag doch vorhin noch nicht da?" Leicht angewidert hob der Schwarze Mann den fettigen Umschlag auf.
"Ach ja, das habe ich fast velgessen. Als du kulz lausgegangen bist, um den Hauptmann zu holen, kam ein kleinel Junge helein, dlückte mil den Blief in die Hand und wal auch schon wiedel weg, bevol ich ihn deswegen flagen konnte. Weißt du, wem el gehölt?"
"Leider nicht, denn da ist nur Kindergekritzel drauf."
"Lass mich mal sehen!" Die fertig ausgefüllten Fragebögen beiseite legend, wandte sich Drei Hungrige Mäuler ihrem zukünftigen Kollegen zu und warf einen Blick auf den Briefumschlag.
"Abel Max, das ist kein Kindelgeklitzel, das sind achatische Schliftzeichen!" Ein tadelnder Blick fing sich in Max’ Augen.
"Da steht ‚An Las’ und daluntel," sie erkannte das persönliche Zeichen ihrer Tante Zwei Silberne Löffel, "dalunter steht etwas, das ich leidel nicht entziffeln kann, weil dolt ein Fettfleck ist."
Beschämt über die Lüge, schlug sie die Augen nieder, doch bevor sie selbst nicht wusste, was ihre Tante mit diesem ominösen Brief zu tun hatte, wollte sie dem zwar sympathischen, aber nichtsdestotrotz unbekannten Rekruten nicht mehr über die Zeichen verraten. Dieser mysteriöse "Las" würde ohnehin wissen, wer ihm diesen Brief zukommen lassen wollte.
"Las? Welcher Las?" Fieberhaft überlegte Max wer hier wohl gemeint sein konnte. Dann wurde ihm bewusst, dass die angehende Rekrutin ja offenbar ein Problem mit der Aussprache hatte.
"Ach so, du meinst wohl 'Ras'?"
"Ja natüllich, sag ich doch schon die ganze Zeit."
"Hm, ich kenne aber keinen Wächter mit diesem .... ach du meine Güte, das wird doch wohl nicht ein Brief für Hauptmann Rascaal Ohnedurst sein? Was hat denn der Kleine gesagt, als er dir den Brief in die Hand gedrückt hat?"
"Ich weiß nicht mehl genau, abel el hat sich entschuldigt und gemeint el wülde es nicht mehl bis dolthin schaffen. Leidel kann ich dil nicht sagen, was el damit gemeint hat."
"Wahrscheinlich hätte der Bursche den Brief direkt an den Hauptmann überbringen sollen, der hat sein Büro nämlich am Pseudopolisplatz, vielleicht hat er gemeint, dass er, aus welchem Grund auch immer, nicht mehr bis dorthin laufen konnte. Ich werde Hauptmann MeckDwarf den Brief zeigen und ihm erklären, was passiert ist. Könntest du solang hier bleiben und aufpassen? Kannst dich ja schon mal an deine zukünftigen Aufgaben gewöhnen."
Max zwinkerte ihr kurz zu und verließ den Wachetresen.
Mit stolzgeschwellter Brust bezog Drei Hungrige Mäuler den Platz hinter dem Schreibtisch.

"Hm", nicht gerade erbaut über die Störung und noch weniger über den Bericht des Rekruten Schreckt, brummte Hauptmann MeckDwarf vor sich hin, "ich denke, wir werden den Brief gleich mit einer Taube rüberschicken. Haben sie schon mal mit unseren Tauben Kontakt aufgenommen, Rekrut?"
"Nein, Sir, leider noch nicht!"
"Dann können sie ja gleich diesen Teil ihrer Ausbildung in Angriff nehmen. Und, Rekrut Schreckt, nehmen sie die neue Kollegin mit."

Einige Minuten später und um etliche Informationen betreffend Brieftauben reicher, betrat Max erneut den Wachetresen. Im Schlepptau hatte er einen weiteren Rekruten, einen jungen Mann, namens Patrick Nichts, der dazu auserkoren worden war, den Schwarzen Mann am Tresen abzulösen. Die Begeisterung darüber war deutlich an seinem missmutigen Gesichtsausdruck zu erkennen.
"Darf ich vorstellen, Drei Hungrige Mäuler, eine unserer neuen Kolleginnen", Max machte eine ausholende Geste in Richtung der Achaterin, "und Rekrut Patrick Nichts."
"Hallo." Mit einem knappen Kopfnicken schlüpfte Patrick hinter den Schreibtisch.

Im Taubenschlag angekommen, sahen sich die beiden erst mal ziemlich ratlos an.
"Hat dil del Hauptmann auch gesagt, wie die ganze Sache funktionielt, Max?"
Zweifelnd blickte Drei Hungrige Mäuler von einer gelangweilten Taube zur anderen. "Wie soll man denn diese tlägen Viechel zum Fliegen kliegen?"
"Hm, ich weiß nicht so recht", kam die zögernde Antwort des Rekruten, "Hauptmann MeckDwarf hat gemeint ich soll mir eine schnappen, ihr den Brief umhängen und ihr sagen, wohin sie ihn bringen soll. Also ehrlich gesagt, unten im Büro klang das alles noch ganz einfach und vernünftig."
"Was? Du willst del Taube den Blief umhängen? Um den Hals? Wie soll denn das alme Tiel dann noch fliegen können?" entrüstete sich die Achaterin.
"Ja woher soll ich denn das wissen, wo man bei den Flattermännern das Kuvert hintut?" verteidigte sich Max.
Während der letzten Worte war Drei Hungrige Mäuler ans andere Ende des Taubenschlages gewandert, wo sie eine hilfreiche Entdeckung machte.
"Hey, Max, sieh mal da, auf dem Tisch hiel liegen komische Löhlen mit Ledelbändeln dlan, vielleicht gehölen die Bliefe ja in diese Löhlen, abel ich bin sichel, dass die zu kulz sind, um sie den Vögeln um den Hals zu binden."
Max trat näher an den Tisch heran.
"Ja, da könntest du lecht haben, Dlei." Völlig konfus über die Aussprache seiner neuen Kollegin, übernahm er unbeabsichtigt ihre Sprechweise.
"Wow, ich bin elstaunt, du bist del elste, del meinen Namen lichtig aussplicht!"
Die Worte wurden begleitet von einem strahlenden Lächeln.
Verlegen wandte sich der Schwarze Mann ab und blickte geradewegs auf ein paar wohlgeformte Taubenbeine.
"Na klar, das ist es! Die Röhren gehören den Viechern ans Bein gebunden!"
Ein missbilligender Blick aus einem halb geöffneten Vogelauge streifte den Rekruten bei der Erwähnung des Wortes 'Viecher'.
"Komm, Dlei, gib mir eine Röhre, wir nehmen gleich die hier neben mir", auffordernd streckte Max eine Klaue in Richtung des Tisches, mit der anderen griff er nach der Taube, deren Beine ihn zu seiner Schlussfolgerung inspiriert hatten.
Gertrud, so der wahre Name des Tieres, von allen jedoch nur Trude genannt, war eine der sensibelsten Tauben im Schlag. Die Beleidigung des abscheulichen Wächters noch im Kopf, zögerte sie nicht lange, und hackte mit aller Kraft auf die schwarze Klaue um ihre Taille ein. Erfolgreich.
"Auuuu, verdammter Mist, das blöde Viech ist ja ein wahrer Teufel! Sieh dir an was sie mit mir gemacht hat!"Mit schmerzverzerrter Miene rieb sich Max die blutende Hand.
"Na ja, du dalfst sie halt nicht so fest dlücken, wahlscheinlich hat sie gelade volhin geflessen. Kann ich mal plobielen?"
Knurrend kam die prompte Antwort.
"Tu was du nicht lassen kannst. Aber auf deine eigene Verantwortung."
In der einen Hand die Röhre, in der sich ein mittlerweile äußerst mitgenommener Brief befand, denn abgesehen von den Fettflecken, wies er bereits ziemlich viele Knickfalten auf, näherte sich Drei Hungrige Mäuler der Taube. Leise und beruhigend auf sie einsprechend streckte sie die freie Hand nach dem Tier aus und streichelte ihr über den Kopf.
"Na du liebes Täubchen, tut mil sehl leid, dass ich dich bei deinem Veldauungsschläfchen stölen muss, abel es ist sehl wichtig, dass du den Blief jetzt gleich zu Helln Hauptmann Ohnedulst blingst. Schön luhig bleiben, ich welde dil jetzt die Löhle an dein Bein binden, keine Angst, das tut nicht weh!"

Hätte Trude sprechen können, hätte sie vermutlich folgendes gesagt:
"Mann, Mädl, mach schon endlich und laber nicht so dämliches Zeug daher, je schneller ich wieder zurückkomme, umso länger kann ich mein Nickerchen halten!"
Doch leider, Tauben sind zwar recht intelligente Tiere, doch gehören sie zu der Spezies, die im Zuge der Schöpfungsgeschichte feststellen mussten, dass geeignete Stimmbänder leider schon aus waren, als sie an die Reihe kamen. So begnügte sich Trude mit einem skeptischen Blick auf die seltsame Frau.

"So, bitte sehl, das hätten wil geschafft", triumphierend sah Drei Hungrige Mäuler ihren Begleiter an.
"Ja, soweit so gut, aber das V..." Ein drohend vorgestreckter scharfer Schnabel ließ den Rekruten innehalten.
"Äh, die ... Taube?" fragend sah er das Tier an, das sich wieder friedlich auf seiner Stange hinkauerte.
"Ja, also die TAUBE, sitzt noch immer da und bewegt sich nicht."
Einer plötzlichen Eingebung folgend tauchte Max in den Schatten hinter dem Tier um es mit einem lauten "BUH" aus seiner Ruhe aufzuschrecken.

Er hatte nicht mit Trude gerechnet. Diese saß nach wie vor ungerührt auf ihrer Stange. Ihrem Kollegen nebenan erging es nicht ganz so gut. Hubert, ein von Natur aus eher zartbesaiteter Täuberich, war vor Schreck erstarrt und vergaß dabei sich an seiner Stange festzukrallen. Jetzt lag er stocksteif am Rücken auf dem strohgedeckten Boden, direkt neben Max’ Füssen.
"Oh du meine Güte", erschrocken eilte Drei Hungrige Mäuler zu dem leblos wirkenden Vogel, "Max, du hast ihn umgeblacht!"
Sie kniete sich nieder und nahm sachte den Täuberich in ihre Hände. Just als sie ihn aufheben wollte, kehrten Hubert’s Lebensgeister zurück. Aufgeregt flatternd wand er sich aus der bedrohlichen Situation und verpasste der Achaterin einige unschöne Kratzer am Unterarm.
"Du blödel Vogel du, na walte, wenn ich dich elwische", schimpfte sie Hubert nach, gleichzeitig aber war sie heilfroh, dem Hauptmann nicht den Tod des Tieres mitteilen zu müssen.
"Puh, das war jetzt aber knapp." ließ sich Max vernehmen. Zu Trude gewandt fuhr er fort, "Okay, meine Liebe, würdest du jetzt bitte deinen Allerwertesten heben und in Richtung Pseudopolisplatz abschwirren, bevor ich mich vergesse?"
Verächtlich drehte Trude den Kopf, schlug ein paar mal träge mit den Flügeln und erhob sich endlich um den Auftrag auszuführen.

Blutig, zerkratzt und vollkommen erledigt verließen Max und Drei Hungrige Mäuler das siegreiche Schlachtfeld namens Taubenschlag.

***


"Hey, Alter, schwing mal deine morschen Knochen von der Stange runter, ich hab was für dich!", schnarrte Reggie, der seine Haarpflege für die Übermittlung eines Express-Briefes unterbrechen musste. Er hasste es, wenn er bei dieser äußerst wichtigen Tätigkeit durch dienstliche Aufgaben unterbrochen wurde, dementsprechend unwirsch war daher sein ohnehin nicht gerade freundliches Auftreten. Der Umstand, dass sein 'Püppchen', Olt. Venezia Knurblich, ihn jetzt auch noch hemmungslos wegen seiner klobürstenartig abstehenden Haartracht aus einer dunklen Zimmerecke, hoch über ihm, auslachte, besserte seine Laune keineswegs.
"Guten Abend, Reggie, heute wieder die Liebenswürdigkeit in Person, nicht wahr?"
Mit einem eleganten Schwung liess sich Hptm. Ohnedurst von seinem Balken herabgleiten. "Nette Frisur!", ein spöttisches Grinsen machte sich auf dem Gesicht des Vampirs breit.
"Quatschköpfe", schnappte der Rohrpostdämon und hielt dem Hauptmann ein fettiges, zerknittertes Etwas hin, in dem phantasiebegabte Individuen noch die Umrisse eines ehemaligen Briefes erahnen konnten.
"Kam gerade mit Express von der Kröselstrasse drüben!" Ohne einen der anwesenden Wächter eines weiteren Blickes zu würdigen, machte Reggie auf dem Absatz kehrt und stapfte erbost durch die Röhre zurück. Ein kurzes Quietschen gefolgt von einem dumpfen Plumpsen und deftigen Flüchen unterstrichen die missglückte Dramatik seines Abganges.

Angewidert hielt Hptm. Ohnedurst das, nun nennen wir es der Einfachheit halber, Schreiben, zwischen Daumen und Zeigefinger, um den Hautkontakt so gering wie möglich zu halten.
"Also ehrlich, Veni, wenn hier nicht mein Name draufstünde, würde ich meinen, das Schreiben stammt von einem deiner Verehrer, der deine Schwäche für Schnapper’s Spezialitäten kennt", sagte der Vampir zu seiner Freundin und Zimmergenossin.
"Pah, Verehrer, so ein Blödsinn!" kam es aus der, nur spärlich durch eine Kerze erhellten, Dunkelheit über ihm zurück.
"Wer schickt dir denn um diese Zeit so dringende Nachrichten?" Die Stimme der Wergnomin erklang nunmehr direkt neben Hptm. Ohnedurst’s Ohr. Getrieben von der universellen Neugier weiblicher Geschöpfe, hatte Olt. Knurblich mit einem leichtfüssigen Sprung ihren Platz am Balken gegen die leidlich bequeme Schulter ihres Freundes eingetauscht.
"Keine Ahnung", gestand der Angesprochene.
"Na wie wär’s, wenn du nachsehen würdest? Hier sieh mal, hier steht doch, das heißt, wenn die Tinte nicht durch verschwendete Köstlichkeiten zerlaufen wäre, würde hier wohl ein Absender stehen." bedauerte Veni.
"Oh ja, du hast recht. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist die Tinte nicht zerlaufen, sondern ist das die Unterschrift einer alten Bekannten. Komisch, ich habe schon seit meiner Zeit bei den F.R.O.G nichts mehr von ihr gehört."
"Was? Ne alte Bekannte? Wohl eher ne Informantin, nicht?" Die Wergnomin versuchte, ihren Worten einen möglichst beiläufigen Klang zu geben.
"Hattet ihr damals so was wie eine Geheimschrift? Das Gekritzel ist ja furchtbar, ganz so als würde ein blinder Analphabet seine ersten Schreibversuche machen."
"Das, meine liebe Veni, ist kein Gekritzel, das sind achatene Schriftzeichen. Es gibt nun mal Dinge, die nicht für jedermann bestimmt sind." Der Hieb saß.
Beleidigt sprang Venezia von Rascaal’s Schulter über den Schreibtisch auf den Boden des Büros.
"Ist ja schon gut, ich hab verstanden. Wenn du mich brauchen solltest, du weißt ja, wo du mich findest, Herr Hauptmann!" Die Augenbrauen hochgezogen, ein stummes "Pfft!" auf den Lippen, stolzierte die Wächterin hocherhobenen Hauptes in Richtung ihres Wohnfasses.
"Aber Veni...", versuchte Rascaal Ohnedurst einzulenken, wohlwissend, dass eine Entschuldigung vor dem nächsten Bissen von einem Würstchen a la Schnapper ohnehin vergeblich sein würde.
Achselzuckend widmete sich der IA-Agent seiner Lektüre.

"Lieber Ras,
Einige Jahre sind seit unserem letzten Gespräch vergangen und ich würde Dich gerne wiedersehen um über die alten Zeiten zu plaudern.
Wie Du vielleicht noch weißt, habe ich damals meine Prüfungen abgelegt und bin mittlerweile eine angesehene Person.
Was hältst Du von einem Treffen heute Abend um acht Uhr in der Goldenen Sonne? Du weißt doch noch, das kleine Ecklokal in der Festen Strasse, wo sie die feinen Spezialitäten anbieten, denen Du doch noch nie widerstehen konntest?
Selbstverständlich übernehme ich die Rechnung und ich würde mich sehr freuen, wenn Du Deine Familie mitnimmst.
Ich zähle auf Dich,

ZSL

P.S.: Ich würde Dir gerne jemanden vorstellen."

"Veni!" Keine Reaktion. "Venilein!" Weiterhin alles ruhig. "VENEZIA!" Undeutliches Gemurmel aus der linken Büroecke.
"Frau Oberleutnant Venezia Knurblich, würdest du mir bitte antworten!" Langsam verlor Hauptmann Ohnedurst die Geduld mit seiner störrischen Mitbewohnerin.
"Was ist denn, HERR Hauptmann Rascaal Ohnedurst? Manche Leute hier würden gerne ihre eigenen Angelegenheiten regeln, ohne andauernd von jemandem gestört zu werden! ", kam es frostig zurück.
"Könntest Du bitte aufhören zu schmollen und herkommen? Ich fürchte wir haben hier ein gröberes Problem, möglicherweise einen dringenden FROG-Einsatz."
Gemächlich trottete die Abteilungsleiterin der "Freiwilligen Retter Ohne Gnade", den unvermeidlichen Seelentröster, ein herrlich fettiges Schnapper-Würstchen, in der Hand aus ihrer Wohnecke heran.
"Was gibt’s denn?", wollte sie wissen.
"Hier, lies!" Rascaal drückte ihr die Nachricht in die Hand.
Nach einem kurzen Blick auf die Zeilen, brach sie in schallendes Gelächter aus.
"Das gibt’s jetzt aber wohl nicht, oder? Brauchst du neuerdings Begleitschutz, wenn du zum Essen eingeladen wirst? Oder ist deine alte Bekannte eine von der aufdringlichen Sorte? Übrigens, ich wusste gar nicht, dass du hier in der Stadt Verwandte hast." Verwundert blickte Veni zu ihrem Freund.
"Nein, du verstehst das alles ganz falsch."
"Hier gibt es wohl nichts falsch zu verstehen. Das hier ist eine Einladung zum Abendessen, noch dazu in dein Lieblingslokal. Wenn ich dir einen Tipp geben darf, mach dich schick und nichts wie hin! Ach, falls deine Verwandten, von denen ICH ja noch nichts erfahren durfte, keine Zeit haben, könntest du mich ja als entfernte Cousine ausgeben, nur so für den Fall mein ich." Olt. Knurblich setzte ihr kokettestes Lächeln, gepaart mit einem unwiderstehlichen Augenaufschlag ein. Vergebens.
"Nein, lass deine Verführungskünste mal stecken, du weißt doch, dass du damit bei mir nicht durchkommst."
Kopfschüttelnd begann der Vampir zu erklären, "Hör mal, zu der Zeit, wo ich noch selber bei den F.R.O.G war, hatte ich eine sehr gute Bekannte, eine ambitionierte junge Frau aus dem Achatenen Reich. Ihr Name ist Zwei Silberne Löffel. Sie war damals schon in einer geheimen Vereinigung tätig, deren Aufgabe es ist, die Machenschaften der Triaden zu beobachten und nach Möglichkeit zu vereiteln, ohne die jeweiligen Regenten eines Landes mit diesen Problemen zu behelligen. Wir hatten zu der Zeit desöfteren die eine oder andere Unterhaltung und zu unserem Schutz haben wir unverfängliche Worte für brisante Themen vereinbart, um keinen Verdacht zu erregen. Wir wären teilweise beide in gewissen Erklärungsnotstand geraten, hätte auch nur eine falsche Person mitbekommen, worüber wir uns tatsächlich unterhielten. Und ich gestehe, ich möchte nicht der erste Vampir sein, der gewisse Dinge vor den Skorpionen unseres Patriziers rechtfertigen zu hat."
"Oh Mann, achatischer Geheimdienst? Hier? Bei uns?" Ungläubig schüttelte die Wergnomin den Kopf. "Wieso hast du mir nie davon erzählt?"
"Das habe ich doch gerade und damit habe ich schon viel zu viel verraten."
"Na schön, aber was haben meine Jungs damit zu tun?"
"Ich denke, Zwei Silberne Löffel sitzt in der Falle und ist in Lebensgefahr, sonst hätte sie nicht nach meiner Familie gefragt, damit sind deine Jungs gemeint, sie weiss offenbar nicht, dass ich nicht mehr bei F.R.O.G bin."
"Mein lieber Herr Hauptmann, wie soll ich denn einen derartigen Einsatz rechtfertigen? Ich sehe keinen Anlaß, meine Abteilung aufgrund deiner Vermutung in die Goldene Sonne zu schicken!"
"Nein, überleg doch mal. Sie hat gesagt, dass sie mir jemanden vorstellen möchte. Damit ist sicher ein Triadenboss gemeint, der hier in unserer Stadt tätig ist. Sie bietet ihn uns an, im Austausch für ihr Leben."
"Gut und schön, aber sei mir nicht böse, auch wenn sie eine gute Bekannte ist, ich habe nichts gegen einen neuen "Sens-Ei" in der Hand. Abgesehen von einer Portion höchstpersönlicher Abneigung gegen derartige Typen, kann ich denen nichts entgegensetzen."
"Wie ich Zwei Silberne Löffel kenne, hat sie für alle Fälle vorgesorgt und genügend Beweise gegen den Triadenboss gesammelt. Ausserdem ist sie doch wohl die beste Kronzeugin die es in der Sache gibt. Da ist es doch wohl nur gerechtfertigt, dass die Stadtwache eingreift. Und derartig billig können wir wohl nur selten mit einem Schlag gegen die Gesetzlosen auftrumpfen. Der Kommandeur würde mir sicherlich beipflichten, wäre er nicht gerade in einer privaten Angelegenheit drüben in Sto Lat."

***


Die zierliche Geisha stellte das Tablett mit dem dampfenden Wein, einem beliebten Aperitif in der Goldenen Sonne auf den Tisch, verneigte sich vor den Gästen und verschwand unauffällig hinter den üppig verzierten Paravents des Lokals.
"Geschätzte Partner und Freunde, erlaubt mir, einen Toast auf die erfolgreiche Übernahme der Schatten auszubringen. Auf, dass sich unsere Taschen weiterhin so schnell füllen mögen!"
Vergeblich um ein Lächeln bemüht, das seinen rattenartigen Gesichtszügen einen Hauch von Freundlichkeit entlocken sollte, blickte der schmierige Mann, das Glas in seiner Rechten hoch erhoben, in die Runde.
Eisiges Schweigen schwappte ihm gleich einer riesigen Flutwelle entgegen.
"Oh, ich sehe, ihr seid mit unseren Bräuchen offenbar nicht vertraut?"
Hilfesuchend blickte der, ob der unerwarteten Reaktion offensichtlich verwirrte Sprecher seine Sitznachbarin, eine gepflegte Dame in den besten Jahren, an.
Mit einer Stimme, die mühelos zum Schneiden von Oktiron verwendet werden könnte, antwortete der gutgekleidete, fremdländische wirkende Hüne, der den Platz am Kopfende des Tisches einnahm,
"Ich sehe, mein geschätzter Freund, dass Ihr Eure Taschen offensichtlich nicht allzuoft einer Inspektion unterzieht, denn sonst wäre Euch vielleicht nicht entgangen, dass diese seit einiger Zeit gewaltige Löcher aufweisen."
Der Blick, der den noch immer in der gleichen Haltung verharrenden Ausbringer des Trinkspruches traf, stand der Schärfe der Stimme in nichts nach.
Schweißperlen, wie winzige flüssige Brillanten, bildeten sich unaufhörlich auf der Stirn des Rattenartigen.
"A-aber Lord Jang Tse, ich versichere Euch, meine geschätzte Mitarbeiterin hat sämtliche Einnahmen korrekt aufgezeichnet. Die Schutz... äh, ich meine, die Wertbriefe", das Eintreffen eifrig bemühter junger Damen mit verschiedensten Schüsseln voller Köstlichkeiten, veranlasste ihn, seine Worte überlegter zu wählen, "liegen unangetastet, abzüglich meiner vereinbarten Provision, versteht sich, in einem speziell gesicherten Tresor in meinem Büro. Meine Vertraute hat Euch darüber laufend informiert. Ich bin sicher, es kann sich hier nur um einen Irrtum handeln, nicht wahr?"
Verzweifelt versuchte der Mann seine Krawatte mit der linken Hand zu lockern, da ihm schier unerträglich heiß wurde. Verkrampft zerrte er an dem Knoten, während er gleichzeitig versuchte, seine zitternde Rechte unter Kontrolle zu bringen, um der achatischen Spezialität seines Sitznachbarns, einem Begleiter Lord Jang Tse's, keine unerwartete Speisewürze hinzuzufügen.
Er fühlte sich wie eine Ratte im Angesicht der Schlange, möglicherweise handelte es sich sogar um eine tief in seinen Genen verwurzelte Erinnerung an tatsächliche Begegnungen dieser Art.
Ein feines Lächeln umspielte die Mundwinkel Lord Jang Tse's.
"Nun, werter Freund, da Ihr es gerade ansprecht, es dürfte hier tatsächlich ein Irrtum vorliegen. Offenbar liegt der Fehler in meiner Interpretation der Tatsachen. Ich ersuche Euch, mir meine mangelnde Sorgfalt in dieser Sache zu verzeihen, ich werde mein Versehen umgehend richtigstellen."
Erleichtert ließ sich sein Geschäftspartner in seinen Sessel fallen und stellte sein Glas nieder.
Den Blick, den der Lord seinem Sitznachbarn zuwarf, registrierte er nicht. Erst als ihn der Begleiter des Triadenbosses aufforderte ihm nach draussen zu folgen, dämmerte ihm der eigentliche Sinn von Lord Jang Tse's Worten. Kurz nachdem die beiden Männer die dunkle Gasse hinter der Goldenen Sonne betreten hatten, beendete ein gezielter Kehlenschnitt seine eingehende Analyse der Worte Jang Tse's.
Ein aufmunterndes "QUIEK" des kleinen schwarzgekleideten Wesens, veranlasste den Rattenmann dem sympathischen Kerlchen zu folgen.
Aus seinem Versteck heraus, beobachtete CK Sidney mit zusammengekniffen Augen, die Armbrust im Anschlag, die Szene.

Währenddessen wurde in der Goldenen Sonne das Festmahl in stilvollem Schweigen eingenommen.
Erst als das Dessert aufgetragen wurde, unterbrach Lord Jang Tse die Stille.
"Werte Zwei Silberne Löffel, oder bevorzugt Ihr weiterhin die Bezeichnung Lady Wan-Tan? Wie Ihr seht, bin ich trotz der Entfernung meiner Heimat zu Ankh-Morpork durchaus gut informiert."
Fast wäre Zwei Silberne Löffel an einem Bissen der vorzüglichen, honiggetränkten Früchte erstickt. Dank ihrer Ausbildung, die sie in all den Jahren zu einer Meisterin der Beherrschung werden ließ, gelang es ihr, keine Miene zu verziehen.
"Ich wundere mich, daß Ihr mir, trotz aller Geschehnisse, doch die Ehre erweist, mit mir zu speisen."
"Trotzdem, Lord Jang Tse?" Der Honig brannte sich seine Bahn durch Zwei Silberne Löffels Speiseröhre.
"Oh, verzeiht, werte Dame, ich vergaß wohl Euch über den Verbleib Eurer treuen Mitstreiter zu informieren. Nun, in Anbetracht der Tatsache, daß die Zentrale Eurer geheimen Organisation durch ein unglückliches Missgeschick ihrer Existenz beraubt wurde, bin ich in der Lage, Euch meine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Ich hoffe, ihr seid Euch dieser Ehre bewusst?"
"Verzeiht, werter Lord Jang Tse, aber ich weiß leider nicht, wovon ihr sprecht. Habe ich mich denn nicht als loyaler Mitarbeiter erwiesen? Ich habe unter höchst riskanten Bedingungen die Wahrheit über Euren hiesigen Stellvertreter und seine betrügerischen Machenschaften in der Schutzgeldersache offenbart. Denkt ihr, ich würde mein Leben aufs Spiel setzen, um Euch zu hintergehen?" Zwei Silberne Löffel strahlte eine Aura tiefster Aufrichtigkeit aus.
Gelassen lehnte sich der Lord in seinem Stuhl zurück und lächelte sie an, wie ein wohlmeinender Vater. "Aber, aber meine Liebe. Lasst Eure kindischen Spielchen, ich verfüge über ausgezeichnete Menschenkenntnis, und ich weiß, dass mein hiesiger Gebietsleiter keinen Cent zuviel von meinem Anteil an den Schutzgeldern für sich einbehalten hat. Eure Überheblichkeit und Euer Stolz in manchen Dingen machen Euch wohl blind für das Wesen der Menschen. Seid ihr tatsächlich so dumm zu glauben ich wäre nur wegen der monetären Unregelmäßigkeiten hierher gekommen? Ich bin hier, um auch die Letzte Eurer lächerlichen Vereinigung zu beseitigen! Lange Zeit habt Ihr Euch meinem Zugriff entzogen, doch Eure Kühnheit, Euch mit mir messen zu wollen, ist zu Eurem Fallstrick geworden. Da ich aber schon einmal Euretwegen in dieser Gegend zu tun hatte, konnte ich auch gleich das Mitarbeiterproblem lösen. Ich habe dem Rattenmann ohnehin noch nie vertraut. Es war nett von Euch, mir diesbezüglich einen offiziellen Anlass zu bieten."
Der Honig hatte seinen Weg in den Magen der Achaterin beendet und veranstaltete dort einen höllischen Reigen mit ihren Magensäften. Eine fast unmerkliche Bewegung des Triadenbosses versetzte Zwei Silberne Löffel in Alarmbereitschaft.
"Meine verehrte Lady, ich denke, wir haben Eure Zeit nun schon über Gebühr in Anspruch genommen. Was gesagt werden musste, ist gesagt. Ich hoffe, Ihr entschuldigt meinen raschen Aufbruch vor dem abschließenden Tee, doch ich habe hier noch einige Kleinigkeiten zu regeln, bevor ich wieder zurück in die Heimat muss. Ich wünsche Euch noch einen angenehmen Abend."
Mit dem Anflug eines feinen Lächelns bemerkte Lord Jang Tse abschließend, "Obwohl sich das Lokal hier keineswegs mit den Speisetempeln in der alten Heimat messen kann, muß ich gestehen, dass ich noch selten in den Genuss derart feiner Früchte in Honig gekommen bin, findet Ihr nicht auch, Verehrteste?"
Schlagartig wurde Zwei Silberne Löffel bewusst, dass sie einen fatalen Fehler begangen hatte.
"Ihr mieser, hinterhältiger, verdammter Mistkerl, Ihr habt mich vergiftet! Was habt Ihr mir verabreicht?"
"Na, na meine Teuerste, wo ist Eure Beherrschung geblieben? Ich dachte, Ihr hättet etwas mehr Benehmen während Eurer Ausbildung gelernt? Ihr versteht aber sicherlich, dass mir mein Berufsethos verbietet, Euch mein kleines Geheimnis zu verraten, nicht wahr? Lebt wohl, oder besser sterbt wohl, kleine Närrin!"
"Mögest du in interessanten Zei...", der Fluch erstarb auf Zwei Silberne Löffels Lippen.
Haßerfüllt sprang sie auf, um verwundert festzustellen, dass ihr Körper, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, auf den Boden stürzte. Verwundert blickte sie um sich.
"HYJAE GUAO TSE MING."
Eine knöcherne Hand legte sich sanft auf ihre Schulter.
"Verzeihung, Sir, aber was meinen sie mit 'Duftendem Korn, das sich streitsüchtig um die Kehle schlingt'?"
"OH. ICH WOLLTE SAGEN 'KOMM UND FOLGE MIR IN DAS LAND IMMERWÄHRENDEN FRIEDENS'."
"Ach so, das heißt 'Hija eh g'uao tse'ming'. Sie sprechen aber trotzdem recht gut achatisch. Haben sie längere Zeit dort verbracht?"
"SO KÖNNTE MAN ES AUSDRÜCKEN".
Mit sanftem Druck führte er Zwei Silberne Löffel hinaus auf die Strasse, geradewegs durch die Wand.

"Ich bedaure, aber sie werden ihre Heimreise noch ein wenig verschieben müssen, Lord Jang Tse!" Eine überaus wütende, wenn auch äußerlich gefasst wirkende Olt. Venezia Knurblich blickte dem Triadenboss fest in die Augen. (Sie hatte auf einem Knauf der Paravantverzierung Position bezogen.)
"Lord Jang Tse, im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork, verhafte ich sie und ihre Begleiter in zwei Fällen des Mordes und der Anstifung zum Mord sowie im Falle der Schutzgelderpressung."
Weitere F.R.O.G. traten hinter den Paravents hervor und umzingelten die Mitglieder der achatenen Mafia.
"Was erlaubt Ihr Euch, Ihr, ...Winzling! Ich werde Euch verklagen, wegen Verleumdung ausländischer Gesandter!" Lord Jang Tse schrie die F.R.O.G.-Leiterin mit wutverzerrtem Gesicht an. Der kleine, aber wirkungsvolle Dolch der Wergnomin an seiner Halsschlagader, ließ den Triadenboss allerdings rasch verstummen.
Unbeirrt fuhr Olt. Knurblich fort, "Und weiters verhafte ich sie wegen Beleidigung eines Wächters und Behinderung der Stadtwache in Ausübung ihrer Pflicht..."
Die im Anschlag gehaltenen Armbrüste der übrigen F.R.O.G., verliehen ihren Worten besonderen Nachdruck.
"PAH! Wir werden ja sehen, wer hier das letzte Wort hat! Ihr werdet ja sehen, was Ihr OHNE BEWEISE gegen mich ausrichten könnt! Ihr könnt mir die Schutzgelderpressung in den Schatten in keinster Weise nachweisen und was die Sache mit den Morden angeht, ich habe den ganzen Abend hier gesessen, wie sollte ich da jemanden umbringen?", erneut hob Jang Tse die Stimme.
"... sowie wegen Ruhestörung und Lärmen in einem öffentlichen Lokal!", Venezia liess nicht locker.
"Jungs, bringt die Herrschaften rüber in unsere Gästezimmer. Wenn sie Glück haben, werden sie von Lord Witwenmacher abgeholt, ansonsten denke ich, dass wir noch einen Besuch der Palastwache zu erwarten haben."
Rogi Feinstich, der Sanitätsoffizier der F.R.O.G., die sich um die Achaterin gekümmert hatte, trat an Olt. Knurblich heran. "Tut mir leid, Mäm, aber daf Fräulein ift tot. Ich konnte leider nichtf mehr für fie tun."
Betroffen überlegte Venezia, wie sie Hptm. Ohnedurst den Tod seiner Bekannten und ihrer einzigen Zeugin mitteilen sollte. 'Diese verfluchten Triaden! Wieder einmal haben wir nichts gegen sie in der Hand. Oh, wie ich diese Scheisskerle hasse!' Venezias Gedanken überschlugen sich.

Als die Wächter mit ihren unfreiwilligen Gästen das Lokal verlassen wollten, trat eine schüchterne Kellnerin an die Abteilungsleiterin der F.R.O.G., welche mittlerweile auf den Schultern von Korporal Araghast Breguyar Platz genommen hatte, heran.
"Velzeihung, Madam, ist untel ihnen ein Hell Hauptmann Ohnedulst?"
"Weshalb?", erwiderte Venezia.
"Ich habe hiel ein Päckchen fül ihn. Mil wulde gesagt, el wülde die Hellen und Damen del Stadtwache begleiten."
Neugierig geworden, streckte die Wergnomin ihre Hände nach dem Paket aus.
"Sie können es mir ruhig anvertrauen, meine Dame, ich bin hier die Einsatzleiterin und eine Kollegin von Hauptmann Ohnedurst. Ich werde es ihm unverzüglich übergeben, sobald wir zurück im Wachhaus sind."
Der Befehlston in Olt. Knurblichs Stimme, ließ die junge Frau dem Ersuchen ohne Zögern nachkommen. Das Päckchen war leicht und biegsam. Es enthielt keinerlei Hinweise auf den Inhalt, bis auf ein seltsames kleines Zeichen auf der Vorderseite. Venezia erkannte es als das Zeichen von Zwei Silberne Löffel. Ihre Lippen formten sich zu einem boshaften Lächeln. 'Diesmal nicht!'

***


Am nächsten Morgen stand Drei Hungrige Mäuler früher als gewöhnlich auf. Ihr zweiter Arbeitstag im Dienste der Stadtwache hatte begonnen. Ein wenig nervös kleidete sie sich an und ging hinunter in die Küche. Die Küche war leer, ihre Tante war nicht dort.
'Komisch, sie ist doch sonst immer vor mir auf?' Ein wenig verwundert nahm sie sich eine Scheibe Brot aus dem Vorratsschrank und machte sich auf den Weg in die Kröselstrasse.

ENDE


[1] Hätte sich zu dieser Zeit nicht gerade der blinde alte Heino, einst einer der gefürchtetsten Sammler von Waren aller Art, allein bei den Docks herumgetrieben, wäre vielleicht die Frage jedes Modeinteressierten nach dem "Was trägt der Mann von Welt darunter?" beantwortet worden. Was bleibt, sind weiterhin nur Vermutungen über gestreift, gepunktet oder uni.




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