Ein erschossener Erfinder auf einem Karren ohne Esel und ein technikbesessener Ballistiker in Ausbildung. Was braucht man mehr?
Dafür vergebene Note: 10
Morgens, Sieben Uhr im Wachhaus Pseudopolisplatz. Herr Made war schon die ganze Nacht hinter seinem Schreibtisch mit allen möglichen Werkzeugen, Nägeln, interessanten kleinen Metallteilchen, Handkurbeln, Seilen und diversen anderen seltsam aussehenden Teilen beschäftigt, als Pismire neugierig seinen Kopf über den Schreibtisch streckte und den bastelnden Herrn Made belustigt beobachtete.
"Was machst du da, Gefreiter Made?",fragte er schließlich, woraufhin Herr Made sofort aufsprang, salutierte und antwortete:
"Ich habe mir die Freiheit genommen, einen technischen Versuch durchzuführen, Sör, Natürlich höre ich sofort auf, falls sie etwas dagegen habe, Sör!!"
Langsam ging Pismire um den Schreibtisch herum und hob eine aufgeschlagene Zeitung vom Boden auf.
"New World Monthly? Und daraus nimmst du Stoff für einen ernstgemeinten technischen Versuch? Die berichten doch im Grunde nur über Fliegende Scheiben am Himmel, sprechende Hunde, Frauen, die im Ankh schwimmen und sonstigem Quatsch, aber doch nie wissenschaftlich belegte Fakten."
"Da gebe ich ihnen Recht, aber gerade
weil die Sachen darin nicht wissenschaftlich belegt sind, bieten sie einen Anreiz, sie zu untersuchen. Und ich habe hier etwas entdeckt, dass durchaus der Wahrheit entsprechen könnte, Sör."Herr Made nahm Pismire die Zeitschrift aus der Hand und schlug eine bestimmte Seite auf. "Sehen Sie hier dieses unscharfe Ikonographenbild eines Karrens? Er fährt ohne Hilfe von Zugtieren und besitzt angeblich auch keine Halterungen, die für diesen Zweck genutzt werden können. Er kann sogar bergauf fahren! Und ich versuche, so einen in kleinerer Form zu bauen, ich glaube, ich habe das Funktionsprinzip jetzt langsam verstanden. Was verschafft mir eigentlich die Ehre, dass Sie mich im meinem Büro besuchen, Sör Abteilungsleiter?"
Pismire war froh, auch wieder sprechen zu dürfen. Dieser Herr Made verlor sich immer viel zu schnell in seinen Erklärungen. "Ich bin hier, weil wir gestern Abend einen erschossenen Mann auf einen Karren ohne Zugtiere und Halterungen für selbige gefunden haben."
Herr Made glotzte. Doch als Zombie erholt man sich recht schnell von erstaunlichen Vorfällen: "Haha, guter Scherz. Also, wo war der Erschossene wirklich?"
"Auf einem zugtierlosen Karren, auf den ein Ofen, zwei Sitzbänke und ein interessantes fünftes Rad
montiert waren", erklärte Pismire, mit einem Hauch von einem Grinsen in Gesicht.
Langsam verstand Herr Made, dass Pismire es ernst meinte und hob bedächtig etwas, was wie ein unvollständiger, aufgemotzter Spielzeugkarren aussah, vom Boden des Büros auf und drehte ihn langsam in seinen Händen hin und her. Schließlich murmelte er: "So funktioniert also die Steuerung..."
"Äh, ich wollte eigentlich, dass du dir die Leiche ansiehst und nicht den Wagen", mischte sich Pismire in die Gedanken des Zombies ein, der daraufhin sofort aufschreckte.
"Oh, Ja, natürlich. Wer war überhaupt der Mann auf dem Karren?"
"Das wüssten wir auch gerne. Er hatte nur die Broschüre eines Hotels in Quirm bei sich. Auch auf dem Wagen war nichts, nicht einmal eine Eselskarrenlizenz!", sagte Pismire.
Wen solls wundern, dachte Gefreiter Made im Stillen bei sich. Laut sagte er jedoch nur: "Und wie sollen wir jetzt die Personalien des ermordeten Mannes herausfinden?"
"Wir werden an ihm eine vollkommen neue Art der Personenfindung bei ihm versuchen!" Stolz schwellte Pismire die Brust. "Ich habe Ikonographenbilder vom Toten machen lassen und einen von Seals losgeschickt, um sie vor die Wachhäuser zu kleben und in der Menge zu verteilen!"
"Und davon versprechen Sie sich tatsächlich Erfolge?", fragte Herr Made misstrauisch.
Pismire überhörte die Frage. "Würdest du mir bitte in den Seziersaal folgen, um die Leiche zu begutachten?"
* Sieben Uhr und vier Minuten, Wachhaus Kröselstraße*
Nervös schaute Sergji erst auf die Uhr, und dann zu seiner Kollegin. Er fragte sich, wie jeden morgen seit Beginn seiner Strafe, womit er das verdient hatte, was gleich zur Tür reinkommen würde.
Er hatte doch nichts weiter gemacht, als sich ein wenig vergnügt, was war daran so schlimm gewesen?
Da ging auch schon die Tür auf und eine dickliche Gestalt kam herein. Doch statt eines Regenschirm hielt dieses weibliche, leicht pummelige Wesen einen Zettel in der Hand, den sie vor Sergji auf den Tresen knallte. Dieser bemerkte erst jetzt, dass vor ihm nicht der Alptraum seiner schlaflosen Nächte stand, sondern eine andere Frau, die aber genau so gut brüllen konnte: "Was hat mein Rudolf jetzt schon wieder angestellt? Überlasst ihn mir, ich werde schon allein mit ihm fertig, den werde ich zurechtstauchen, Junge, das glaubst du nicht!"
"Kennen Sie den Mann auf dem Bild da?", fragte Sergji resigniert und zeigte auf das Ikonographenbild mit der Unterschrift "Währ kännt diehsen Man?".
"Ob ich den kenne? Natürlich kenne ich den, dass ist mein Rudolf Christian, mein Ehemann, seit 15 Jahren sind wir verheiratet gewesen, immer traute Zweisamkeit und so!", zeterte die korpulente Frauvor dem Tresen. Sergji wurde hellhörig, in ihm reifte eine Idee. Doch in Mindorah, einer der beiden Wächterko, sagte Mindorah und eilte um den Tresen.
"Was hat mein Rudolf Christian denn nu angestellt?", fragte die Frau recht hysterisch, wurde jedoch schon von Mindorah mitgerissen und aus dem Wachhaus geschleift.
"Wartet auf mich!", schrie Sergji und rannte hinterher. Auf der Treppe stieß er mit Frau Willichnicht zusammen.
"Ja is das denn die Höhe! Jetzt wird man schon vor dem Wachhaus angerempelt, keine Manieren, die Rekruten von heute, steh gefälligst wieder auf, und nimm deinen Finger mit!"
Mindorah war mit der unbekannten Frau schon 2 Querstraßen weiter...
Jack Narrator schaute auf die Uhr und gähnte. Viertel nach sieben war es schon. Er hatte fast die ganze Nacht mit gelegentlichen Unterbrechungen gearbeitet. Wieso durfte der Ballistiker warten, bis es morgen war, während er eine Nachtschicht einlegen musste? Er hasste es, wenn Leichen abends eingeliefert wurden. Und er durfte sie bisher noch nicht mal aufschneiden, weil Pismire gesagt hatte, dieser
"****" Ballistiker solle untersuchen, wie die beiden Bolzen im Körper steckten und sie dürften nicht schon vorher entfernt werden. Und nun öffnete hinter seinem Rücken auch noch irgendein Trottel die Tür zum Seziersaal derartig langsam, dass ein langes, das Trommelfell quälendes Knarren erklang.
Wutentbrannt drehte sich Jack um und schrie die Wächter im Türrahmen an: "VERDAMMT NOCHMAL MACHT DIE TÜR GEFÄLLIGST SCHneller auf, Sir..."Jack schluckte. Im Türrahmen stand Pismire mit dem neuen Ballistiker.
"Ich sehe, du bist fleißig am arbeiten?", fragte Pismire, den Wutausbruch des Gerichtsmediziner bewusst übergehend.
"Äh, ich bin mit der Untersuchung von Haut, Haaren und diversen Körperöffnungen fertig und bitte nun endlich um Erlaubnis, ihn aufschli... ihn obduzieren zu dürfen, Sir!", sagte Jack, froh darüber, keinen Verweis erhalten zu haben.
"Ja, sofort, nachdem Gefreiter Made sich an der Leiche zu schaffen gemacht hat."
Der Genannte trat an die, auf dem Rücken liegende Leiche heran und schaute sie an. "Dieser Mann ist eindeutig tot."
"Das haben wir auch schon herausgefunden, Gefreiter, widme dich bitte den Bolzen!", sagte Pismire leicht verärgert.
"Natürlich Sir!", entgegnete Made, holte sich Papier und andere Schreibutensilien und legte einen Messdämonen an einen der beiden aus dem Rücken herausragenden Bolzen. Dieser verkündete Stolz: "Dieses Objekt ist 18 Grad warm!" Herr Made grummelte etwas, schlug den Messdämonen einmal und wartete, bis dieser aufgehört hatte zu fluchen. Dann legte er ihn erneut an den Bolzen. Das Ergebnis: "Dieses Objekt hat geringe innere Ausgeglichenheit!" Herr Made schlug noch einmal zu. Der Messdämon stöhnte kurz und verkündete dann: "Dieses Objekt hat minimale magische Fähigkeiten!"Als Herr Made erneut zum Schlag ausholte, rief der Messdämon dazwischen: "Sag doch einfach, was du willst, ist für uns beide einfacher!"
Herr Made hielt inne, überlegte kurz und sagte dann: "Ich hätte gerne die Länge, die Holzart des Stiels und die Lederart des Stabilisators."
"Wieso'n nich gleich so", maulte der malträtierte Messdämon und sagte schließlich: "Dieser Eichenholzstab hat eine Länge von 12 1/2 Zoll, das Stück im Fleisch schon Stabilisator besteht aus feinstem Rindsleder, beste Qualität. Sonst noch Wünsche?"
Herr Made war glücklich endlich ein paar Informationen gekriegt zu haben. Nun machte er sich daran, den Bolzen langsam mit einem Messerchen aus dem Fleisch zu pulen, möglichst ohne das Einschussloch unnötig zu vergrößern. Schließlich hatte er die Spitze in der Hand, eine nochmal gut einen Zoll lange an der Spitze leicht abgerundete Eisenspitze mit hässlichen Widerhaken. "Das Ding muss aus unmittelbarer Nähe abgeschossen werden, diese Spitze ist für herkömmliche Schüsse gedacht und nicht für Präzisionsschüsse. Außerdem sind die Ränder des Einschussloches zerfasert, als ob der Bolzen mit einer ungeheuren Wucht auf den Körper getroffen ist. Das könnte aber auch nur eine Folge der abgerundeten Spitze sein. Das Material, aus dem die Pfeilspitze ist, ist schon veraltet, das Holz sieht sehr nach selbstgeschnitzt aus. Der Bolzen wurde mit Sicherheit von einem Anfänger abgeschossen", erklärte Herr Made seinen beiden Wächterkollegen.
Pismire nickte:"Und der andere Bolzen?"
Nun wendete sich der Ballistiker auch dem zweite Geschoss zu, dass im Rücken des armen Fahrers steckte.
* eine halbe Stunde später, immer noch der Seziersaal des Wachhauses Pseudopolisplatz*
"Also, fassen wir noch einmal zusammen, Gefreiter Made. Die beiden Bolzen bestehen zwar aus dem selben Holz, sind aber unterschiedlich lang und haben unterschiedliche Spitzen und Stabilisatoren?"
"Genau, Sir", antwortete Herr Made seinem Vorgesetzten. "Die beiden Bolzen sind zwar beide aus Eichenholz, aber sonst haben sie nichts gemeinsam. Sie sind unterschiedlich lang, gut eineinhalb Zoll Unterschied, das ist viel. Außerdem ist der zweite Bolzen aus großer Entfernung abgeschossen worden. Alles spricht dafür. Solche Bolzen würde nur ein Anfänger aus der Nähe auf einen Körper abschießen. Er hat eine scharfe, schneidende Spitze wie normalerweise nur Langbogenpfeile sie haben und auch das Holz ist dicker. Auch ist der Stabilisator so ausgerichtet, dass er den Bolzen weit durch die Luft trägt."
"Bist du dir sicher, dass alle deine Vermutungen stimmen?", fragte Pismire nochmal und runzelte die Stirn.
Made war unsicher: "Äh, ja, äh, aber ich werde gleich auf dem Innenhof noch einmal schauen, ob..."
"Schon gut, ich wollte nur schauen wie du reagierst." Pismire lächelte amüsiert und fügte hinzu: "Nachdem du ja jetzt weißt, was für Bolzen es sind und wie sie benutzt werden, kannst du mir dann auch schon sagen, mit welchen Armbrüsten sie abgeschossen wurden?"
"Nicht direkt, da man die meisten Bolzen und Spitzen mit verschiedenen Armbrüsten abschießen kann und diese hier, äh, nicht unbedingt besondere Bolzen sind."Antwortete Herr Made, immer noch verunsichert.
"Du kannst doch schon einmal deine besonderen Vermutungen abgeben", beruhigte Pismire den Gefreiten.
"Nun, äh, ja... Also ich würde sagen, der Weitschuss ist entweder aus einer der verbesserte Burlich und Starkimarm-Armbrüste Mk5.3 abgeschossen worden. Oder irgendeiner Variante davon. Oder vielleicht doch einer Hecke&Küchenjunge... Der andere Bolzen... Ich weiß nicht, ein älteres Modell, kein präziser Schuss, grobes Draufhalten, vielleiht ner B&S Mk3..."Der Ballistiker verfiel ins Grübeln.
Plötzlich und vollkommen unerwartet wurde die Tür zu Seziersaal derart heftig aufgestoßen, dass sie gegen die Wand knallte. Jack Narrator fuhr zusammen, während der aufgeregte Gefreite im anfing zu reden: "Im Vernehmungssaal sitzt die Ehefrau der Leiche, äh, des verstorbenen Mannes und wir wissen jetzt wie er hieß, Rudolf Christian Peol, und wir wissen, dass er Erfinder war und seine Adresse lautet..."
Pismire schnitt dem Gefreiten das Wort ab: "Sehr schön, hat man schon eine Spurensicherung veranlasst?"
"Äh, nein...", antwortete der Gefreite.
"Alles muss man selber machen...", murmelte Pismire. "Gefreiter Narrator, holen Sie die Spurensicherer. Tatortsicherer brauchen wir keine, wenn wir uns unauffällig benehmen..."
"Kann ich mitkommen, Sör?", erklang da von hinten die Stimme des Ballistikers.
"Wieso solltest du? Du bist ein Ballistiker und in dem Haus wurde meines Wissens nach weder jemand niedergeschlagen noch erschossen noch erstochen noch sonst irgendetwas, was einen Ballistiker erfordern würde", antwortete Pismire barsch.
"Aber der Mann ist ein Erfinder... gewesen! Ich kenn mich aus mit solchen Sachen wie Technik und so, ich kann der Spurensicherung helfen, wichtiges und unwichtiges zu trennen!", brauste Herr Made auf, wurde aber sofort wieder zurecht gewiesen.
"Ich glaube, dass unsere Spurensicherer das auch ganz gut alleine können!"
*eine halbe Stunde Fußmarsch und Gejammere später stehen drei Wächter in zivil vor der genannten Adresse*
"Nochmal, wenn du auch nur die geringsten Spur, aber auch nur die geringste Spur verwischst oder irgendetwas anfasst, was du nicht anzufassen hast, dann...",sagte Leopold von Leermach, der Leiter der Spurensicherer zu dem Ballistiker. Er konnte einfach nicht verstehen, wieso Pismire diesen... Laien mitgeschickt hatte, der ihn schon den ganzen Weg zum Haus des alten Erfinders mit Fragen bezüglich der Ausrüstung nervte.
"Ja, ich weiß. Kannst du mir vielleicht nochmal das mit dem Pulver für die Fingerabdrücke erklären, woraus bestand es doch gleich?", fragte dieser, erhielt jedoch keine Antwort mehr, weil sich in diesem Augenblick die Haustür öffnete. Im Türrahmen stand eine pummelige alte Frau in einem schrecklichen Rüschenkleid und winkte die Wächter herein.
"Es ist ja auch alles so schrecklich, das mit meinem Rudolf Christian... ich habe gleich gesagt, das wird noch einmal, etwas Tee?
[1]Böse enden, ja wohl, ich habe es ihm gesagt, Kekse?
[2] Jawohl gesagt hab ichs ihm!", schwafelte die füllige Frau, während sie durch das Haus wurschtelte, die Wächter auf Stühle ringsum einen protzigen Mahagonitisch verwies und für den Ballistiker Tee aufsetzte. Nur Herr Made setzte sich auch wirklich auf seinen Stuhl, die anderen beiden gingen umher und betrachteten die prunkvollen Möbel und die sehr teuer aussehende Tapete, während die Frau mit Keksen herein kam. Der Ballistiker nahm sich eine große Handvoll, die andern beiden schienen sich nicht ablenken zu wollen und betrachteten missmutig, wie der Zombie die Kekse herunterschlang und Nachschlag verlangte. Als Herr Made nun auch noch seinen Tee gereicht kriegte, waren es seine beiden Kollegen doch leid, auf ihn zu warten und fragten Frau Peol, wo denn eigentlich das Arbeitszimmer ihres Mannes gewesen sei.
Sofort stellte Made seinen Tee wieder auf den Tisch und verkündete laut: "Ich komme mit!"
Als Alice, die zweite Spurensicherin, die mitgekommen war, die Tür öffnete, merkten die beiden Spurensicherer, dass in dem Büro schon lange nicht mehr gelüftet wurde.
"Igitt! Das hier riecht ja schrecklich, so nach... faulen Eiern!", stieß Alice aus.
Made meinte nur: "Ich riech nichts.", während Leopold sich angewidert seinen Umhang über die Nase zog.
Da kam von hinten auch schon die korpulente Frau Peol an den Wächtern vorbeigebraust, öffnete mit schnellen Handgriffen das einzige Fenster im Raum und entschuldigte sich bei den Wächter: "Es tut mir wirklich außerordentlich leid, das mein Rudolf Christian aber auch nie an etwas denken konnte! Ich habe ihm schon tausend mal gesagt, dass er den Schwefel luftdicht verschließen sollte, aber nein! Er lässt ihn natürlich offen auf seinem Schreibtisch rumstehen! Wie oft ich ihn doch ermahnt habe, aber nein!" Plötzlich seufzte Frau Peol : "Seine Unordentlichkeit wird mir fehlen... Naja, wie dem auch sei! Kommt herein, betretet sein "privates Königreich", wie er es nannte. Ich hoffe, euch macht der Gestank nicht allzu viel aus."
"Der macht uns schon nichts aus, danke der Nachfrage!", meinte Herr Made und schritt mutig voran in das unordentliche Büro. Leopold folgte ihn, den Umhang noch fester gegen das Gesicht
[3] gedrückt. Alice überlegte kurz, beschloss dann jedoch, besser draußen zu bleiben und zu schauen, ob irgendwo anders im Haus auch Spuren aufzutreiben wären.
So betraten Leo und Herr Made eines der wahrscheinlich unaufgeräumtesten Büros Ankh-Morporks
[4]. Auf dem Schreibtisch stapelten sich in gut zehn Schichten Pergamentblätter, Kaffeetassen, gebrauchte Taschentücher und Federhalter. Die Regale ächzten schier unter einer Flaschensammlung, die jeden Alchemisten vor Neid hätte erblassen lassen, sowie unter unausgereiften Experimenten und einem Modell des Gefährts, das sich nur in kleinen Details von dem, was sich in Herrn Mades Büro befand, unterschied. Auf dem kaffeefleckenbraunen Teppich lag umgekippt eine Flasche gelben Pulvers, von dem der bestialische Geruch ausging.
"Das... Das ist eine Schatzgrube, dies hier ist geradezu genial, Material unzähliger Jahre Forschung! Wir stehen hier vielleicht einigen der größten Entdeckungen der Wissenschaft gegenüber, ist dir das klar, Leopold?", fragte Herr Made ehrfürchtig, während er langsam in das Büro trat.
Leo jedoch schnaufte unter seinem Mantel nur und stürzte sich auch selbst in dieses beinahe postapokalyptische Büro, um seiner Arbeit nachzugehen. Als er es geschafft hatte, bis zu dem großen Eichenschreibtisch vorzudringen, fragte er sich, wonach er eigentlich suchen sollte. Die Chance, in diesem Chaos irgendetwas nützliches zu finden, war eigentlich recht gering. Doch was blieb ihm anderes übrig.
Seufzend fing er an, die Pergamentblätter auf dem Schreibtisch durchzusehen. Ganz oben lag die Skizze von etwas, das aussah wie... Ein rundes Etwas, an dem unten mit mehreren Seilen etwas befestigt sein schien, dass aussah wie ein Korb. Mehr konnte man noch nicht erkennen. Er stellte fest, dass es nicht das war, was sie suchten, daher warf er es achtlos hinter sich. Was darunter lag war schon eher das, was er suchte.
"He, Gefreiter Made, ich habe hier die Adresse von einem quirmianischen Hotel und ein Datum, die Notiz spricht von einem "internationalen Treffen begeisterter Hobbykarrenbauer und Eselskarrenhändler"... Und darunter liegt direkt der Plan von diesem komischen Ding... glaube ich! Schau es dir mal an!"rief der Spurensicherer.
Made, der gerade in die Betrachtung einer Flasche mit dem Etikett "H
2O"vertieft war, die eine vollkommen durchsichtige Flüssigkeit enthielt, schrak auf.
"Ja, äh, was ist Leo?"langsam drehte Herr Made sich um. Es war einfach nur überwältigend, was für Schätze alles in diesem Zimmer zu finden waren. Schade, dass er nichts davon mitnehmen durfte, obwohl, wenn er Leopold sagte es wären vielleicht wichtige Spuren...
"Du sollst mir bestätigen, dass das hier der Plan von dem Gefährt ist, auf dem dieser ermordete Irr.. ich meine Erfinder saß und nicht wie blöd in der Gegend rumgucken!"
"Oh, ja, natürlich"Made beugte sich zusammen mit Leopold über den Schreibtisch "Ja, das ist eindeutig der Plan von der Maschine, ich habe zwar das Gefährt noch nicht selbst gesehen, allerdings kann ich mir gut denken, dass man mit diesen Plänen... Oh mein Gott, was raffiniert! Auf die Idee muss man erst einmal kommen, und dort, was steht da am Rand... Metallverstärkt, natürlich!"
"Das reicht Made!"rief Leopold und wollte sich daran machen, die Fundstücke einzusammeln. Da gab es ein Geräusch von zerberstendem Glas. Made schrak auf und schaute vom Fenster, sah blitzschnell etwas an sich vorbei schießen, erblickte in dem Dachfenster des gegenüberliegenden Hauses einen Mann mit Armbrust, drehte sich schlagartig wieder um und erblickte zu seinem Entsetzen einen brennenden Bolzen in dem Pergamenthaufen auf dem Schreibtisch, bevor er zusammen mit Leopold laut schreiend aus dem Zimmer rannte. Auf dem Weg nach draußen packten sie die wie angewurzelt stehende Frau Peol unter den Armen, die geschockt auf die Tür des mittlerweile in hellen Flammen stehenden Arbeitszimmers ihres verstorbenen Mannes zu schauen. Alle drei schafften es heil nach draußen und direkt hinter ihnen kam auch Alice mit einer wuchtigen Armbrust aus dem Eingang des brennenden Hauses.
[5] Die nächste Viertelstunde verbrachten die drei Wächter damit, Leute zum löschen zu bewegen, was allerdings nicht erfolgreich war, da die Leute viel lieber die bunten Explosionen betrachteten, die mit dem Abbrennen des Hauses einher gingen. Außerdem erfuhren sie, dass in dem Haus gegenüber ein älteres Ehepaar namens Farnk wohnte, deren Sohn ein Gebrauchteselskarrenhändler ist, das Ehepaar allerdings zurzeit angeblich verreist sei.
***Zwei Tage später.
Der Bericht der drei hatte ergeben, dass der Schütze am Fenster sehr wahrscheinlich der Sohn des Ehepaares Farnk war und Gefreiter Made hatte meinte sich in einer Meisterleistung seines Gedächtnisses erinnern zu können, dass der Bolzen genauso aussah wie der eine, der wahrscheinlich aus der Ferne auf den Rücken des armen Herrn Peol abgeschossen wurde. Das Original-Gefährt existierte nicht mehr, in den Schuppen, in dem es sich befunden hatte war eingebrochen worden und die Einbrecher hatten es zu Kleinholz verarbeitet. Die Hauptverdächtigen in dem Fall sind die Eselskarrenhändler und Züchter. R.U.M., die inzwischen den fall übernommen hatten, meinten, das neue Gefährt wäre ihnen zu gefährlich gewesen, weil es 1. Sicherer und 2., was wahrscheinlich wichtiger für sie war, ohne Esel auskam. Als Hauptverdächtiger galt Herr Farnk, angeblich soll er auch ein guter Schütze sein.
Gefreiter Made war inzwischen wieder zu seinem Büroalltag zurückgekehrt, auch wenn ihn die Sache nicht so ganz losließ. So saß er am dritten Tag nach dem Mord auf dem Fußboden vor seinem Büro und fütterte einen kleinen Miniaturofen mit Sägespänen.
"Komm, fahr, mein kleiner Karren, fahr!", feuerte er das klapprige Gestell an, dass rund um den Ofen aufgebaut war. Und tatsächlich, es bewegte sich! Zuerst nur langsam, doch dann fuhr das Gefährt auf seinen vier Rädern immer schneller den Flur entlang, bis es kurz vor dem Ende plötzlich gegen ein Hindernis stieß, dass urplötzlich dort aufgetaucht war. Es gab einen lauten Knall und Made hielt sich instinktiv die Augen zu. Das Hindernis war sein Vorgesetzter gewesen, der dort wie angewurzelt am Ende des Flurs stand, verdutzt an seinem angesengten Umhang herunter schaute und dann den Schrotthaufen vor seinem Fuß betrachtete.
"Ich meine mich daran erinnern zu könne, dir verboten zu haben, an diesem... Teil hier weiter zu basteln, Gefreiter!", sagte er streng.
"Jawohl, Sör!"antwortete Made kleinlaut.
"Naja, ich bin ja nicht gekommen, um dich auszuschimpfen sondern um dich zu loben, die Uniform kann man auch vom Sold abziehen, steh auf Gefreiter!", sagte er, diesmal mit einem Lächeln im Gesicht.
"Jawohl Sör!", sagte Made erneut während er aufsprang und hastig salutierte. Er fragte sich zwar, was man von seinem Sold noch großartig abziehen konnte, aber das war ja auch egal.
"Also Made...", begann Pismire, der inzwischen den Gang zu dem Ballistiker hinunter gegangen war. " ... Ich möchte dich noch einmal für deine gute Arbeit im Mordfall Peol beglückwünschen. Ach ja, und noch etwas."
"Jawohl, Sör?"
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du in dem Schrank deines Büros schläft und da habe ich beschlossen, dass das so nicht weitergehen kann", sagte Pismire.
"Nicht, Sör?"
"Nein, und deshalb habe ich beschlossen, dass du ab sofort mit einem deiner netten SUSI-Kollegen
ein Zimmer teilen sollst!", sagte Pismire glücklich.
Made wirkte leicht verlegen: "Äh, das ist sehr nett von ihnen, Sör, aber ich will wirklich niemandem zur Last fallen."
"Das macht deinem Zimmergenossen schon nichts aus, komm mit, Gefreiter !"Pismire führte Herrn Made zu einer Tür, auf der ein Schild prankte mit der Aufschrift: VORSICHT! BISSIGER WÄCHTER!
"Und sie sind wirklich sicher, dass ich hier wohnen soll, Sör?", fragte Herr Made.
"Das wird er, dafür werde ich sorgen", grinste Pismire förmlich und schritt in das Zimmer. Made
wartete draußen und lauschte dem Gespräch, dass er von der anderen Seite der Tür hörte: "Sie kriegen einen Mitbewohner, Gefreiter!"
"BITTE WAS??? Sör?"
"Sie kriegen einen Mitbewohner, Gefreiter Narrator!"
"Und wer soll dieser Mitbewohner sein, Sör?" Die Stimme klang wütend.
"Der Gefreite Made, Sie werden kein Problem damit haben."
"Doch, werde ich, Sör!"
"Nein, werden Sie nicht."
"grml."
Pismire öffnete die Tür.
"Komm rein, Gefreiter Made und begrüß deinen neuen Mitbewohner!", sagte er
"Hallo Jack", wandte Made sich recht lustlos an den Gerichtsmediziner.
"Diese Dreiviertel des Zimmers sind meine, das vierte gehört dir, da müsste ein Bett hinpassen, dein anderen Sachen musst du woanders hin tun, aber nicht zu mir in die dreiviertel, wenn ich etwas sagen, dann hast du das auch zu machen, keine Mädchen, kein Alkohol, keine Zigaretten oder Zigarren oder so einen Scheiß, willkommen in deiner neuen Wohnung."
Am Abend hatte sich Made schon mit seinem Los als Zimmergenosse abgefunden. Er hatte sogar versucht, Freundschaft mit Jack zu schließen, war jedoch gescheitert. Doch das war nicht der Grund, wieso er an Pismires Bürotür klopfte, sondern...
"Herein!", rief Pismire.
"Guten Tag, Sör, ich habe noch einmal über den Mordfall Peol nachgedacht", sagte der Gefreite,
während er flüchtig salutierte.
"Setz dich, was ist dir denn noch eingefallen, Gefreiter?", fragte Pismire.
"Es ist ja recht offensichtlich, dass Herr Farnk den einen Bolzen geschossen hat, doch in dem Rücken von Herr Peol steckten zwei Bolzen vollkommen unterschiedlicher Herkunft. Ich glaube zu wissen, wer den anderen Bolzen abgeschossen hat, Sör."
"Ja, wer denn, Gefreiter?"
***Es klopft an eine Wohnungstür.
Eine dickliche Frau in einem alten, eingelaufen Nachthemd erscheint im Türrahmen um zu schauen, wer sie in ihrem neuen Heim stört.
"Guten Tag Frau Peol, ich bin von der Stadtwache Ankh-Morporks, sie müssen mich leider ins Wachhaus begleiten."
"Ja aber wieso denn?"krähte Frau Peol verschlafen.
[1] Made: "Ja, gerne ", die andern beiden: "Nein, danke"
[2] Made: "Ja, gerne", die andern beiden:"Nein, danke"
[3] und vor allem gegen die Nase
[4] wenn man mal von einem gerade explodierenden Alchemistenbüro und Herrn Mades Eigenem absieht
[5] später sagte Frau Peol zu der Armbrust, dass ihr Mann öfter damit zur Jagd gegangen wäre.
Made allerdings bezweifelte, dass er viel geschossenen hätte, da er meinte, dass man mit dieser Armbrust schon sehr nah an die Beute herangehen müsste, um sie zu treffen. Dies nur am Rande
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.