Mal wieder Ärger mit den Assassinen. Wer sind die neuen Meuchler in der Stadt und wie wird man sie wieder los?
Dafür vergebene Note: 12
Kurzes Vorwort:
In dieser Mission wurde auf ein paar Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, dass die Außentreppe des Boucherie Rouge zerstört ist, nicht eingegangen. Das heißt also, dass die Treppe zu dem Zeitpunkt, zu dem die Single spielt, noch heil ist. Ich danke für euer Verständnis. Solche Kleinigkeiten hätten mich beim Schreiben nur stark gehindert und ich denke, dass auch die Geschichte darunter gelitten hätte."Aber Herr, Ihr könnt das doch nicht zulassen!", meinte ein schwarzgekleideter Mann gerade zu einem anderen mit gleichfarbener Kleidung. Jedoch wirkte der andere irgendwie...
gebietender. Der andere war Lord Vetinari, während es sich beim ersten um einen weiteren Lord der Stadt Ankh-Morpork handelte. Das Oberhaupt der Assassinengilde.
"Ach, kann ich nicht? Wer oder was hindert mich daran?", erwiderte der Patrizier darauf. Er sah sein Gegenüber durchdringend an. Witwenmacher versuchte vergeblich den Blick zu ignorieren. Er wurde immer nervöser.
"Aber das würde eine Konkurrenz-Gilde bedeuten! Wie sollen wir da unseren Geschäften weiter zu angemessenen Preisen nachgehen, wenn...", er unterbrach. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Ich bin einverstanden, Herr!" Der Assassine verließ das Rechteckige Büro, gefolgt von einem Gesichtsausdruck von Vetinari, der ein Lächeln - ein
LÄCHELN? - darstellen könnte. Auf jeden Fall schien er leicht amüsiert.
Der stinkende, alte Ron blickte auf, als er eine schwarze Gestalt an sich vorbeilaufen sah.
Nein, das konnte kein Assassine sein, beschloss er. Assassinen würden sich niemals so auffällig bewegen. Er starrte dem Schwarzgekleideten hinterher, der auf dem Weg zur Assassinengilde war und setzte sich in Bewegung, um ihm zu folgen. "Jahrtausendhand und Krevetten", murmelte er vor sich hin. "Wuff", sagte der kleine Hund, der mindestens genauso stank wie Ron und auch immer mit ihm unterwegs war.
Natürlich hasste sie es, wenn sie in der Assassinengilde ermitteln musste, was in letzter Zeit recht häufig der Fall war. Und obwohl sie fast immer mit irgendwelchen Verletzungen oder schlimmerem zurückgekehrt war, war sie auch dieses Mal auf dem Weg zur Gilde. Nur eins hatte sie seither gelernt: Sie hasste die Meuchler.
Schnell huschte
[1] Hatscha durch die Straßen von Ankh-Morpork, bis sie sich schließlich ihrem Ziel genähert hatte. Aus dem Schatten einer kleinen Seitengasse heraus beobachtete sie das Geschehen rund um die Gilde und suchte nach einem Punkt, über den sie diesmal hineingelangen könnte. Wie immer stand das Tor weit offen. Sie überlegte sich, es diesmal vielleicht mit diesem, einfachen Weg zu versuchen. Dann stand die verkleidete Obergefreite auf und ging zum Tor.
Etwa fünf Minuten später fand sie sich auf dem Innenhof der ihr nicht mehr ganz so fremden Assassinengilde wieder. Mit einem Dolch im Rücken - besser gesagt einer Dolchspitze. Zu ihrem Glück hatte der Assassine noch nicht zugestoßen.
"Du bist kein Assassine", sagte eine Stimme hinter ihr trocken. Es war kein Vorwurf, sondern eine einfache Feststellung. Hatscha vermutete, dass sie dem Angreifer gehörte. Aus den Augenwinkeln sah sie sich hektisch um. Was hatte sie falsch gemacht? Nicht mehr lang, dann war der Dolch ganz in ihrem Rücken, dachte sie erschrocken. Schweiß der Angst rann ihr die Stirn hinab. Umgeben von Meuchlern... eigentlich wollte sie noch ein wenig weiterleben!
"Was willst du?", fragte sie, bei weiten nicht so barsch, wie sie es vorgehabt hatte.
Auch der andere musste ihre zitternde Stimme richtig gedeutet haben, denn er beruhigte sie. "Keine Angst, ich werde dir nichts tun. Doch zuerst: Wer bist du?"
Hatscha spürte, wie sich die Dolchspitze aus ihrem Rücken entfernte. Langsam, unsicher drehte sie sich zu dem Assassinen um. Sie sah, was sie erwartet hatte - und doch sah sie etwas anderes. Ihr Angreifer war ein Assassine, eindeutig. Die Kleidung, die Waffen - alles ließ darauf zurückschließen. Aber er war der seltsamste Meuchler, den die Wächterin je gesehen hatte. Er war klein, das war nicht weiter unüblich bei den Assassinen. Sie konnte nicht in Worte fassen, was an ihm so anders war. "Ha... Hatscha", brachte sie stammelnd vor Erstaunen hervor. "Wie kommst du darauf, dass ich kein Assassine bin?", setzte sie nach etwas Zeit ohne zu stottern hinzu.
"Welcher Assassine würde durch das Tor schleichen? Wenn er das Tor benutzt, dann doch nur, wenn er nicht anders kann, oder wenn es
sehr eilig ist. Ansonsten würde jeder über die Mauern klettern, wie es sich für einen Assassinen gehört. Jeder außer dir. Das lässt mich folgern, dass du keiner bist, obwohl du dich als einen von uns ausgibst, Hatscha."
Beeindruckt war sie der langen Rede gefolgt und nickte schließlich. "Okay, du hast ja Recht, ich bin kein Assassine. Kann ich jetzt wieder gehen?"
"Du willst mich schon wieder verlassen, wo du mich eben erst kennen gelernt hast? Du weißt doch noch nicht mal meinen Namen!", sagte der Meuchler spöttisch.
"Wer sagt, dass er mich interessiert?", entgegnete Hatscha ungeduldig und sah immer wieder zum Tor.
Der Assassine beäugte sie forschend, schließlich griff er sich ins Gesicht und da wusste Hatscha, was an ihm so seltsam war: Er trug einen Gesichtsschleier, wohl, um nicht erkannt zu werden, den er jetzt abnahm. Seine Haut, von der sie bisher nur den Ausschnitt um die Augen gesehen hatte, hatte eine völlig andere Farbe, als sie erwartet hatte. Sie war gelblich. Auch seine Augen waren anders. Irgendwie... schlitzförmiger als die, die sie bisher kannte. Etwas anderes fiel ihr an der Gestalt vor ihr auf. Er war klein, ja, das war ihr anfangs schon aufgefallen. Aber er sah gleichzeitig aus wie eine Katze. Und Hatscha konnte sich lebhaft vorstellen, dass er sich genauso leise und leichtfüßig bewegen konnte. Sie erinnerte sich, dass sie ihn auch nicht hat kommen hören, als er sie erwischt hatte. "Wer... wer seid Ihr?"
"Doch plötzlich Interesse an mir gefunden?", spottete der Meuchler. "Melas ist mein Name - zumindest der, den ich kenne. Der mir gegeben wurde. In Ephebe. Es bedeutet so viel wie 'der Schwarze', wenn ich mich recht an die Worte meines damaligen Lehrers erinnere. Er nannte mich wohl wegen meiner Kleidung so."
"Warum erzählst du mir das?", wechselte Hatscha wieder in die Du-Form.
"Warum? Einfach so. Das erzähle ich eigentlich jedem, der mir zuhört und nicht gleich vor mir Reißaus nimmt."
"Aha", machte Hatscha und wusste nicht, was sie von Melas halten sollte. "Kann ich denn jetzt wieder gehen?"
"Aber sicher doch", erwiderte der Meuchler und zwinkerte ihr zu. Jetzt war die Wächterin vollkommen verwirrt. Nie hatte sie davon gehört, dass ein Eindringling in die Assassinengilde, der erwischt wurde, sie lebend wieder verließ. Doch das Wunder geschah. Total verwirrt machte sie sich auf den Weg zum
Boucherie Rouge, wobei sie sich dorthin mindestens dreimal verlief, wie sie später feststellen musste. Doch die Gedanken an diesen ungewöhnlichen Meuchler bewegten sie auf dem ganzen Weg.
Schließlich betrat sie niedergeschlagen ihr Büro im
Boucherie. Dann fiel ihr plötzlich wieder ein, warum sie überhaupt in die Gilde eindringen sollte. Es gab da einen Fall, den sie lösen sollte. Doch jetzt war sie zu müde, um sich darüber noch Gedanken zu machen. Sie begann sich langsam zu fragen, warum sie überhaupt in die Wackel-Wippe zurückgekehrt war, statt nach Hause zu gehen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und starrte vor sich hin. Plötzlich kam es ihr so vor, als hätte sich der Schatten vor ihr bewegt. Sie sah deutlicher hin, strengte ihre Augen stärker an, aber sie konnte dennoch nichts mehr erkennen. Ihre Vernunft erklärte ihr, dass ihre müden Sinne sie getäuscht haben. Trotzdem - sie war sich fast sicher, dass der Schatten ein kleines Stück zur Seite gewandert war.
Letztendlich gab sie auf, ihre Sinne zu überanstrengen und wandte sich ihrem Schreibtisch und dem darauf bereit liegenden Papier für den Bericht zu. Sie wollte gerade nach der Feder greifen, als sie erneut eine Bewegung aus einer dunklen Ecke ihres Zimmer bemerkte. Jetzt hatte sie genug. Sie ergriff ihre Kerze und marschierte mit ihr bewaffnet auf die Dunkelheit hinzu. Doch sie entdeckte nichts. Die Kerze gaukelte ihr wohl Bewegungen vor, wo keine waren, sagte sie sich und ging zurück zum Schreibtisch. Sie wandte sich um, um auf ihrem Stuhl Platz zu nehmen, da gewahrte sie die Person, die auf der anderen Seite des Tisches stand. Fast hätte sie die Kerze vor Schreck fallen gelassen. Wovor die Kerze verschont blieb, das traf ihren Unterkiefer umso stärker. Er klappte nach unten. Hatscha stand stocksteif da und starrte aus weiten Augen und plötzlich hellwach den Assassinen vor ihr an. Dann endlich fiel die Starre von ihr. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken.
"DU!"
"Ah, ich habe schon befürchtet, die werte Dame Hatscha würde mich gar nicht mehr erkennen." Spott schwang in der Stimme mit.
"Wie... wie kommst du hier hinein?!", fragte sie verblüfft die Gestalt.
"Hast du noch nie von dem Talent der Assassinen gehört, dass sie einfach überall hinkommen?", erwiderte der andere.
Hatscha starrte ihn immer noch an. Wie konnte der Mann - wie hieß er doch? Melas? - ohne, dass sie es merkte, in ihr Büro gelangen? Woher wusste er überhaupt, dass sie hier arbeitete?
Als hätte er ihre Gedanken aus ihren aufgerissenen Augen gelesen, sagte er: "Ich bin dir gefolgt. Den kürzesten Weg hast du ja nicht gerade genommen. Außerdem stand dein Fenster offen. Ich bin hinein, als du die Tür zugemacht hast."
Langsam bekam die Wächterin ihre Fassung zurück. "Raus hier, aber sofort!" Sie wollte es ihn einem zornigen Tonfall sagen, aber alles, was sie zustande brachte, war ein hilfloses Murmeln.
"Aber, aber... wer wird denn seinen Gast einfach so rausschmeißen?"
"Bist du gekommen, um mich jetzt umzubringen, statt in der Gilde?", fragte sie resigniert.
"Sicher nicht. Sonst wärest du längst tot. Ich kann dir aber etwas anbieten, wodurch du vielleicht auch bei deinem nächsten Besuch in der Gilde nicht zum Opfer eines meiner Kameraden wirst." Er lächelte. Das seltsame Gesicht strahlte, doch irgendwie hatte es etwas Spöttisches an sich. Hatscha ärgerte sich über seinen Spott. Dann sah sie zum ersten Mal in seine dunklen Augen. Diese Augen funkelten sie so lieb und offen an... Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. Nicht, dass ihr seine Augen nicht gefallen hätten, im Gegenteil. Sie trafen etwas in ihr, was sie gar nicht wollte, dass es getroffen wurde. Vor allem nicht von einem Assassinen, und sei er noch so gnädig.
"Und das wäre?", fragte sie schließlich nach einer Ewigkeit nach.
"Ich bringe dir bei, dich wie ein Assassine zu bewegen. Es könnte dir bei weiteren Streifzügen in die Gilde nützlich sein, meinst du nicht auch?"
"Aber wieso?! Wieso will ein Assassine seine heilige Kunst ausgerechnet einem Wächter beibringen? Das versteh ich nicht..."
"Vielleicht, weil ich nicht vollkommen das bin, für was du mich hältst. Aber mehr kann ich dir nicht sagen, tut mir leid." Melas sah sie traurig an. Hatscha ertappte sich dabei, wie sie ihm seine Trauer glaubte, sie für ehrlich hielt. Das war doch alles Unsinn, wies sie sich in Gedanken zurecht. Und doch... Da war wieder etwas in seinen Augen, dass sie einfach nicht ignorieren konnte. Schließlich riss sie sich los und wandte sich ab.
"Ist ja schön und gut, aber wieso willst du mir das beibringen? Willst du mich in eine Falle locken, um mich besser töten zu können, oder irgendeinen anderen Wächter?
WAS willst du?"
"Das braucht dich nicht zu interessieren. Es ist jetzt Zeit, ich muss gehen. Wir sehen uns morgen. Und versuch nicht, dich zu verstecken, das schaffst du nie." Noch während er das sagte, gelangte er zum Fenster und schwang sich zu guter Letzt heraus, so dass Hatscha insgeheim hoffnungsvoll auf einen Aufprall oder etwas ähnliches wartete. Sie wurde enttäuscht. Oder war es doch keine Enttäuschung?
Sie schüttelte den Kopf und gestattete sich nicht, den Gedanken weiter zu verfolgen. Verwirrt und plötzlich wieder todmüde ließ sie sich schließlich auf ihre Matratze im Raum fallen, wie sie es immer tat, wenn sie zu müde zum Heimgehen war. Sie schlief, zu ihrer eigenen Verwunderung, auf der Stelle ein.
Am nächsten Morgen erwachte Hatscha durch einen nicht allzu gewöhnlichen Laut. "HAAAAAAAATSCHAAAAAA!!!", schallte es gellend durch die Räume des
Boucherie Rouge. Als der Schrei verhallt war, rührte sich niemand mehr im Haus - selbst die Betten im Erdgeschoss hörten für kurze Zeit auf zu quietschen.
Erschrocken richtete sich Hatscha auf ihrer Matratze auf. Dann wurde sie sich ihrer Umgebung bewusst und erkannte, dass der Schreiende wohl nur der Abteilungsleiter oder sein Stellvertreter sein konnte. Was wollen die denn jetzt schon wieder von mir?, dachte sie sich und gähnte erst einmal ausgiebig. Dann stand sie letztendlich auf. Als sie auf dem Weg zur Tür war, wiederholte sich der Schrei, allerdings nicht ganz so laut wie vorhin
[2]. Diesmal erkannte Hatscha die Stimme. Daemon. Kein Wunder, dass er beim zweiten Mal leiser gerufen hatte, sonst hätte er noch Ärger (oder Schlimmeres) mit den Näherinnen gekriegt.
Die Obergefreite beeilte sich, in das Büro des Hauptmannes zu kommen. Kurze Zeit später war sie auch schon da und klopfte an. Dann trat sie ein. Daemon lag wieder einmal auf seinem Bett und lächelte sie an. "Was gibt es?", fragte sie und salutierte.
"Hast du deinen Auftrag schon ausgeführt?"
Auftrag? Oh verdammt, den hatte sie schon wieder vergessen. Bei all dem Ärger mit dem Assassinen hatte sie gar nicht mehr daran gedacht, warum sie eigentlich in die Gilde eingedrungen ist.
"Ähm... nein, tut mir leid. Ich wäre in der Gilde fast erwischt worden, also musste ich so schnell wie möglich wieder verschwinden", log sie. Naja, es war keine komplette Lüge, rechtfertigte sie sich in Gedanken.
"WAS? Fast erwischt? Und du willst als Husky überleben? Wer hat dir den das Verdeckte Ermitteln beigebracht?!", zürnte Daemon.
Unsicher schaute sie ihren Vorgesetzten an. "Ich werde so bald wie möglich nachholen, was mir bei der Assassinengilde an Wissen fehlt", versprach sie und sah sich nach einem Fluchtweg aus dem Büro um.
Daemon brachte es zustande, wütend auszusehen und trotzdem zu lächeln. "Tu das. Und bis heute Abend hast du deinen Auftrag ausgeführt. Du wirst doch wohl nicht vergessen haben, um was es ging, oder?"
Hatscha zuckte innerlich zusammen. Erwischt, dachte sie. Doch nach außen hin gab sie sich gefasst. "Nein, natürlich nicht, Sir."
"Dann ist ja gut. Und wehe, ich habe spätestens morgen früh um sechs Uhr noch nicht deinen Bericht mit
Ergebnissen auf dem Schreibtisch liegen. Und jetzt geh und mach dich an die Arbeit."
Hatscha salutierte rasch und verschwand fast fluchtartig aus dem Büro. Was machte der Hauptmann eigentlich den ganzen Tag? Sie hatte ihn schon lang keinen Fall mehr lösen sehen. In Gedanken verfluchte sie ihn und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro, um sich umzuziehen, damit sie wieder wie ein Assassine aussah.
Dort angekommen machte sie eine unerfreuliche Feststellung. Der Meuchler von gestern war wieder da. Und sie hatte gehofft, sie hätte diese Geschichte nur geträumt...
"Nicht du schon wieder", empfing sie ihn entgeistert. Er lächelte sie nur an.
"Wo du ja jetzt endlich da bist, können wir mit unserer ersten Unterrichtsstunde anfangen.
Das wichtigste, woran man einen echten Assassinen erkennt, ist das Aussehen, die Kleidung. Dafür reicht es aber nicht, wenn man sich einfach schwarz anzieht, wie es ein weit verbreiteter Glauben ist." Er sah sie anklagend an. "Die Kleidung eines Assassinen passt immer perfekt, sieht perfekt aus - alles in allem ist ein Assassine eben ein Perfektionist.
Hier, probier das mal an." Er warf ihr einen Stapel schwarzer Kleidung zu.
"Aber ich habe bereits ein Verkleidungsstück", widersprach Hatscha.
"Ja, ich habe es gesehen. Es passt eher zu dem eines Bettlers als zu einem Assassinen!"
"Es ist halt nicht mehr das neueste", gab sie zu.
Melas nickte nur. "Worauf wartest du dann noch? Wirf deine Fetzen weg und benutz künftig diese hier."
"Was? Ich soll mich hier vor deinen Augen umziehen?!", fragte Hatscha entsetzt.
"Wenn du willst, kannst du auch das tun. Du kannst natürlich auch irgendeinen Schutz suchen", spottete er.
Wütend trat Hatscha hinter ihren Wandschirm
[3].
Melas hörte Kleidung rascheln. Nachdem einige Zeit des Wartens vorübergegangen war, trat Hatscha grummelnd wieder hervor. Der Anblick, den sie bot, machte es dem Meuchler schwer, einen Lachanfall zu unterdrücken. Aber Hatschas Blicke, die in dem Augenblick sicher hätten töten können, ließen ihn seltsamerweise ruhig bleiben. Lediglich ein spöttisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
"Ahja. Als was willst du gleich wieder durchgehen? Als gerupfte Krähe?", brach er schließlich das Schweigen.
"So kann man natürlich die Meuchler auch bezeichnen", parierte die Wächterin.
Melas grinste darauf nur. "Du gefällst mir. Allerdings nicht vom Aussehen her. Ein so gekleideter Assassine würde von Witwenmacher höchstpersönlich vom Gildengrundstück gejagt werden, selbst wenn er legal da ist."
Beleidigt schaute Hatscha ihn aus grimmigen Augen an.
"Na, lass mich mal ran." Er trat auf sie zu, was sie zunächst einen Schritt rückwärts machen ließ. Doch weiter würde sie ihm nicht entkommen, da sie bereits an der Wand war. Also trat Melas noch näher und zupfe schließlich hier und da an ihrem Gewand herum. Schließlich, nach einer Ewigkeit, wie es Hatscha schien, machte er einen Schritt rückwärts und beäugte sie kritisch.
"Zufrieden?"
"Na ja, einen Schönheitswettbewerb würdest du so nicht gewinnen, aber ich glaube, jetzt würde man dir den Assassinen zumindest vom Aussehen her abkaufen. Allerdings nur das. Deine Haltung, Mädchen, wäre niemals die eines der Gildenmitglieder." Er schüttelte mit gespielter Verzweiflung den Kopf.
Und so ging es den ganzen Vormittag. Gegen Mittag endlich gab er sich mit ihren Bewegungen zufrieden. "Ja, so könntest du zumindest nicht auf den ersten Blick erkannt werden."
"Ich war schon mehrmals in der Gilde und wurde nicht erwischt", erwiderte sie wütend.
"Vielleicht hattest du das ungemeine Glück, auf blinde Assassinen gestoßen zu sein." Er drehte sich um. "Wenn du jetzt unbedingt noch mal dein Leben riskieren willst, dann kannst du dich mal in die Gilde wagen. Mit etwas mehr Glück kommst du auch lebend wieder heraus."
"Danke, dass du mir soviel Mut machst. Ich habe leider noch einen Auftrag zu erfüllen, also werde ich wohl oder übel mich auf deinem heiligen Boden noch einmal umschauen müssen." Dann verschwand sie mit einem Niesen - und einem darauf folgenden Naseputzen - aus dem Zimmer und machte sich auf den Weg zur Gilde. Aus Trotz verzichtete sie allerdings darauf, das eben Erfahrene schon anzuwenden. Das würde sie erst machen, wenn sie es brauchte.
Auf ihrem Weg zur Gilde versuchte sie sich daran zu erinnern, was sie dort eigentlich sollte. Einen Fall lösen, das war ihr klar, aber welchen? Worum ging es? Da fiel es ihr plötzlich wieder ein. Die Gilde hatte Konkurrenz bekommen von einer anderen Meuchler-Gilde, die aus dem achatenen Reich stammte. Witwenmacher hatte sich über diese unwillkommenen Gleichgesinnten bei Vetinari beschwert und dieser wiederum hat die Wache beauftragt, den Fall zu lösen. Darum war Hatscha jetzt unterwegs. Das einzige, was Harry in seinen Observierungen bisher erfahren konnte, war, dass sich die neuen Meuchelmörder manchmal auch in der Assassinengilde bewarben, um sie auszuspionieren oder ihnen die Aufträge wegzunehmen, indem sie die Preise niedriger setzten.
Vielleicht war Melas ja einer von ihnen, dachte Hatscha grimmig. Doch woher sollte sie das wissen? Sie wusste noch nicht einmal, wie die Achatener aussahen. Geschweige denn, wer zu ihnen gehörte und wer nicht. Außerdem war ihr Melas nicht vollkommen unsympathisch. Trotz ihres Starrsinns musste sie sich eingestehen, dass sie das Wesen des jungen Mannes mochte, und möge er auch noch so nervig und lästig sein.
"Hey, pass doch auf!" Mit diesen Worten wurde sie aus ihren Gedanken hochgeschreckt. Scheinbar war sie über irgendeinen Gnom gestolpert. Davon gab es in dieser Stadt auch viel zu viele, ärgerte sie sich.
"'tschuldigung", murmelte sie. Sie schaute sich um, wo sie gerade war. Voller Erstaunen merkte sie, dass sie der Gilde gar nicht mehr fern war. Sie versicherte sich noch, dass auch niemand in ihre Richtung sah, dann fing sie an, sich so zu bewegen, wie Melas es ihr heute Morgen gezeigt hatte. Erstaunlicherweise ging es sogar recht gut. Im Schatten derselben Gasse wie gestern blieb sie schließlich wieder stehen und überlegte, wo sie diesmal eindringen konnte. Das Tor schied gleich zu Anfang aus. Zu guter Letzt entschied sie sich, über die drei Meter hohe Mauer zu klettern. Also machte sie sich an den Anstieg.
Die Mauer erwies sich als recht leicht zum Erklettern. Zumindest an dieser Stelle. Hatscha hatte ausnahmsweise mal Glück gehabt. Mit möglichst leichten Bewegungen erklomm sie das Mauerwerk und sah sich oben liegend um. Sie hoffte, dass sie niemand entdecken würde und huschte dann - diesmal war es sogar ein Huschen - über die Steine, bis sie zu einem Platz kam, wo der Boden nicht so tief lag wie sonst überall. Es war trotzdem noch mehr als 1,5 Meter in die Tiefe, die sie mit einem Sprung überwand. Einigermaßen sanft kam sie unten auf und sah sich um. Vor ihr ragten Hauswände hoch, sie vermutete, dass sie sich immer noch auf dem Vorhof befand. Wenigstens brauchte sie ihn jetzt nicht mehr überwinden. Sie erreichte die Tür - und wurde unsanft zurückgezogen. In ihrem Rücken spürte sie einen Dolch. Mal wieder.
"Sag mal, was hab ich dir eigentlich beigebracht?", fragte eine ärgerliche Stimme hinter ihr, die sie mittlerweile sehr gut kannte.
"Nicht schon wieder", stöhnte Hatscha. Dabei war sie allerdings froh, dass er sie erwischt hatte und nicht jemand anderes.
"Doch. So wird das nie etwas aus dir."
Bevor er zu weiteren Tadeleien ansetzen konnte, unterbrach ihn die Wächterin. "Was auch immer du die ganze Zeit zu bemängeln hast, sag es mir später oder nie, in Ordnung? Ich jedenfalls habe einen Fall zu lösen." Wütend riss sie sich los und marschierte in das Gebäude hinein. Melas sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Er beschloss, sie besser doch nicht aus den Augen zu lassen und folgte ihr in einigem Abstand, damit sie ihn nicht bemerken konnte.
Diesmal lief alles glatt. Hatscha bekam ihre Informationen, wurde kein weiteres Mal von Melas "überfallen" und konnte schließlich in ihr Büro zurück, um Daemon den Bericht zu schreiben. Viel herausgefunden hatte allerdings auch sie nicht. Nur, dass sehr viele Aufträge jetzt auf die Achatener ausgesetzt waren. Ihr fiel außerdem auf, dass sich nur noch sehr wenige Assassinen im Gebäude befanden. Sie vermutete, dass viele zu der anderen Gilde gewechselt haben, weil da die Bedingungen besser lagen. Das hieß, womöglich musste sie auch noch in dieser ermitteln. Vielleicht sollte sie doch mal ihr Testament aufsetzen, dachte sie.
Mittlerweile hatte sie das
Boucherie Rouge erreicht. Sie freute sich schon auf ihren Feierabend. Wahrscheinlich würde sie wieder im Büro übernachten, denn sie war zu müde zum Heimgehen. Das Üben am Morgen mit Melas und nun das Ermitteln hatten sie erschöpft. Mit langsamen, schleppenden Schritten quälte sie sich die Stufen in den zweiten Stock zur Wackel-Wippe hoch. In ihrem Büro angekommen, ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und tat erst einmal gar nichts, sondern starrte nur die Tür vor ihr an. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Schnell wichen diese vom Fall ab und kamen zu Melas. Sein Unterricht verwirrte sie. Nicht, wie er ihn erteilte, sondern
dass. Warum tat er das? Wollte er die Wache ausspionieren? Warum half er einer verdeckten Ermittlerin? Wollte er seine Gilde verraten, oder Witwenmacher darüber informieren, was die Wache wusste? Dabei war sie sich sicher, dass der Lord mehr wusste als DOG. Sie verstand einfach die Welt nicht mehr.
Außerdem waren da noch ihre Gefühle Melas gegenüber. Der Mensch brachte sie zur Verzweiflung - und doch war da etwas, was sie insgeheim faszinierte, was sie sich aber einfach nicht eingestehen wollte und ihm niemals sagen würde, da war sie sich sicher. Er war Assassine!, schalt sie sich.
Dann setzte sie sich endlich and ihren Bericht und schrieb.
Kurz vor Feierabend verließ Hatscha mit einem kleinen Bündel Papier die Wackel-Wippe und ging zu Daemons Büro. Nachdem sie geklopft hatte - und noch mal geklopft hatte, wurde sie vom Hauptmann endlich hereingelassen.
"Ah, du bist es", sagte er, als sie den Raum betrat. Hatscha stellte fest, dass der Abteilungsleiter auf seinem Bett lag, statt hinterm Schreibtisch zu sitzen. Allerdings war das kein allzu seltener Anblick, seit Dae wieder DOG übernommen hatte.
"Ja, Sir, ich bin's. Ich habe den Bericht." Mit kalter Miene überreichte sie ihm das Papierbündel.
"Oh, danke."
Hatscha schwieg, während Daemon stumm und ohne Gesichtsausdruck die Blätter überflog. Es waren nicht viele. Schließlich nickte er. "Du kannst jetzt gehen."
Die Obergefreite wandte sich sofort zur Tür um. "Ach ja, Hatscha?" Stocksteif blieb sie stehen. "Ich übertrage dir den Auftrag mal ganz. Ich hoffe, dass es zu keiner größeren Auseinandersetzung zwischen den Gilden kommt, also schau dir auch mal die neuen Assassinen an."
Sie nickte und setzte ihren Weg Richtung Ausgang und Rettung fort, bis sie abermals unterbrochen wurde. "Und noch etwas. Du brauchst nicht den ganzen Tag als Assassine rumlaufen." Er zwinkerte ihr zu und sie sah an sich herab. Sie trug tatsächlich noch das Gewand, dass ihr Melas gegeben hatte.
"Ja, Sir."
In ihrem Büro machte sie keine allzu unerwartete Überraschung. Melas war wieder da.
"Wo warst du so lange?", empfing er sie mit einem tadelnden Blick.
"Ich bin meinen Pflichten als Wächter nachgegangen."
"Bist du dir sicher, dass du von Wächter redest, nicht von dem anderen Beruf, der in diesem Haus ausgeübt wird?", fragte Melas sie scherzhaft.
"Ganz sicher. Was willst du noch hier? War der Unterricht heute Morgen nicht schon lang genug?", erwiderte Hatsche mit eisigem Blick. Es war ihr unangenehm, mit einer Näherin verglichen zu werden. Das erinnerte sie nur an ihren ersten Tag hier.
"Glaubst du, du könntest schon alles, was man als Assassine wissen muss?! Da hast du dich aber sauber getäuscht", erwiderte er und wechselte damit schnell das Thema.
"Nein, das dachte ich nicht. Aber heute bitte nicht mehr. Ich bin müde."
"Soso, es ist aber für einen Assassinen sehr ungewöhnlich, wenn er nur am Tag unterwegs ist."
"Ich bin gar kein Assassine!" Langsam wurde sie sauer. "Jetzt verschwinde hier. Ich habe nicht um deinen Unterricht gebeten."
"Aber du brauchst ihn dringend. Oder wie lange, meinst du, würdest du sonst deinen Tschob überleben?"
"Was geht das dich an?" Sie drehte sich um und wies auf die Tür.
"Du meinst nicht im Ernst, dass ich diesen Weg wählen werde. Tztztz", machte er und verschwand mit einem Sprung durch das Fenster. Wieder folgte kein Geräusch von einem Aufprall.
Irgendwie war Hatscha froh darüber. Innerlich hatte sie sich auch gefreut, als sie Melas eben in ihrem Büro wiedergesehen hatte. Er ging ihr nicht wirklich auf die Nerven, im Gegenteil. Doch sie mochte es sich einfach nicht eingestehen. Er war Assassine...
Erschrocken stellte sie fest, was sie da dachte. Sie war doch nicht etwa im Begriff, sich in einen Assassinen - Nein, das war unmöglich, nicht ein Meuchler!
Nachdenklich zog sie sich schließlich um und legte sich auf ihre Matratze. Lange fand sie keinen Schlaf, sie war noch zu sehr in Gedanken bei Melas.
"Aufwachen, du Schlafmütze!"
Müde rieb sich Hatscha ihre Augen. Wer wagte es, sie um diese Uhrzeit zu wecken? Aus trüben Augen sah sie eine verschwommene Gestalt vor ihrer Matratze stehen. Langsam klärte sich ihr Blick wieder und sie erkannte Melas. Entgeistert ließ sie sich zurück auf ihr Kopfkissen sinken.
"Da du ja immerhin schon wach bist... AUFSTEHEN!!", brüllte er sie an.
"Ist ja gut. Was willst du überhaupt? Wie spät ist es?", fragte sie verschlafen.
"Es ist halb sechs. Allerhöchste Zeit aufzustehen. Im Schlaf wirst du kein Assassine." Er zerrte sie unvorsichtig auf die Füße.
"Ich will gar kein Assassine werden. Ich bin als Wächter durchaus zufrieden", murmelte sie grummelnd.
"Wenn du als Wächter - zumindest als verdeckter Ermittler, denn das scheinst du ja zu sein - überleben willst, dann solltest du auch eine Grundausbildung als Assassine haben."
"Die ich aber sicher nicht überleben werde, wenn ich todmüde vom nächsten Dach falle." Störrisch starrte Hatscha ihr Gegenüber an.
"Soweit sind wir noch gar nicht. Erst musst du die grundlegenden Dinge wie Kleidung und Gangart beherrschen. Der beste Schüler bist du wahrlich nicht."
"Ich nehme auch an keinem Wettbewerb wie 'der beste Schüler des Melas' teil. Ich habe übrigens noch einen Fall zu lösen, der wichtig ist! Wer weiß, was den Achatenern als nächstes einfällt."
"Wahrscheinlich planen sie ein Attentat auf Witwenmacher", meinte Melas ironisch.
Ohne es zu beabsichtigen, war es eine Art Prophezeiung. Denn schon nach wenigen Stunden des Übens und Lernens wurde Hatscha zu Daemon gerufen.
"Was gibt's, Hauptmann?", fragte sie gereizt. Die Übungsstunden mit Melas waren kein Spaß.
"Vergiss mal vorübergehend deine Ermittlungen bei den fremden Assassinen. Kümmer dich lieber um dieses Schreiben." Er reichte ihr ein schmuddeliges Stück Papier.
"
Betreff: Inhumierung des Lord Witwenmacher.
Preis: 100000 AM-Dollar
Benötigte Fähigkeiten: Perfektion aller Assassinenkünste", las sie vor. "Woher ist das?"
"Von einer Kontaktperson aus der Assassinengilde. Außerdem habe ich von Vetinari persönlich erfahren dürfen, dass die Wache ab sofort für das Leben des Lord Witwenmachers verantwortlich ist."
"Verdammt, wem könnte es daran gelegen sein, Witwenmacher zu töten? Und welcher Assassine würde dieses Wagnis auf sich nehmen?"
"Bisher haben es drei getan. Die Summe ist nicht gerade gering. Keiner hat es geschafft. Es liegt jetzt in deiner Hand, in deinen Ermittlungen, dass die Wache nicht das Gesicht verliert!"
Am liebsten hätte Hatscha den Auftrag abgelehnt. Doch das würde Daemon nicht zulassen, das wusste sie. "Können wir Witwenmacher zur Sicherheit hierher bringen?"
"Ich bezweifle, dass er das zulassen würde. Versuch lieber, den Fall zu lösen, bevor es zu spät ist! Ich denke, es besteht eine Verbindung zwischen den Achatenern und dem Auftrag."
Ja, das könnte durchaus sein, dachte Hatscha. Doch was hätte die "neue Gilde" davon? Das ergab keinen Sinn... Oder doch? Wenn die Assassinen ohne Gildenoberhaupt waren, wer sollte sie führen? Die Achatener hatten leichtes Spiel.
Sie nickte. Dann machte sie sich so schnell es ging auf den Weg zurück zu ihrem Büro, wo sie bereits erwartet wurde.
"Können wir endlich weitermachen?", fragte Melas. Hatscha winkte nur ab und suchte ihre Assassinenkleidung zusammen.
"Hilfst du mir ein wenig?" Mit aufgerissenen Augen sah er sie an. Dann machte er sich auf der Stelle an ihr
[4] zu schaffen.
"Was ist los?", erkundigte er sich schließlich, als sie einigermaßen passabel aussah.
"Ich muss ermitteln. Danke für alles, was du mir bisher gezeigt hast", sagte sie hastig und bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. "Ich muss dann weg. Mach's gut."
Rasch verschwand sie aus ihrem Büro, eilte die wacklige Außentreppe in den ersten Stock hinunter, hetzte dort durch den ganzen Flur, bis sie schließlich zur nächsten Treppe kam - der ins Erdgeschoss. Beinahe hätte sie Mya umgerannt und erntete deswegen böse Blicke von der Näherin, was der Wächterin allerdings gerade egal war. Kurz darauf befand sie sich vor dem
Boucherie Rouge.
In etwa dem selben Tempo hastete sie durch die Stadt, bis ihr schließlich langsam aber sicher die Luft ausging.
Vor einem dunklen Gebäude blieb sie schließlich ganz stehen. Das bemerkenswerteste an diesem Bauwerk war, dass es trotz des hellen Tages dunkel wirkte. Es war etwa fünf Stockwerke hoch und von einer Mauer umgeben. Hatscha schaute an dieser hinauf. Sie war etwa zweieinhalb Meter hoch und säuberlich verputzt, dennoch konnten sie einem geschickten Kletterer - für den sich die Wächterin eigentlich nicht gerade hielt - Halt bieten. Sie versuchte ihr Glück trotzdem.
Als sie Wunder oh Wunder schließlich die obere Kante der Mauer erreicht hatte, passierte, was passieren musste. Der Putz unter ihren Füßen bröckelte ab und sie hing nur noch mit den Händen an der Kante, während wild mit den Beinen strampelnd nach Halt suchte.
"Tztztz", machte jemand in der Tiefe. Hatscha riskierte einen Blick nach unten. Was sie sah, war lediglich die Stirn und die Nase von jemandem, der zu ihr hinaufsah. Dann setzte sich die Gestalt plötzlich in Bewegung und war binnen weniger Sekunden neben ihr an der oberen Kante der Mauer angelangt. Jetzt konnte sie erkennen, dass es mal wieder Melas war, der sie ertappt hat. Er zog sich noch hoch, bis er auf der Mauer stand, dann ergriff er ihr Handgelenk und half ihr, auch das Hindernis zu überwinden.
"Danke", sagte sie leise und klopfte ihre Kleidung ab.
"Bist du verrückt? Du willst doch nicht etwa hier eindringen?!", fragte der Assassine entsetzt.
"Doch, genau das will ich."
"Dann kannst du hier nicht mehr unbedingt auf meine Hilfe zählen." Er seufzte und sprang dann behände von der Mauer.
Hatscha zuckte mit den Schultern. Sollte er doch machen, was er will. Sie hatte schon andere Sachen überlebt. Trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie im Notfall auf ihn hätte zurückgreifen können. Diese Gilde war ihr fremd. Sie wusste rein gar nichts über sie und hoffte nur, dass sie ähnlich wie die Assassinengilde geführt wurde.
Sie gab sich einen Ruck und kletterte die Mauer an der Innenseite hinab. Dort sah sie sich erst einmal um. Das Gebäude ragte hoch und noch dunkler als vorher vor ihr auf. In der Höhe, in der sie sie noch hätte erreichen können, gab es keine Fenster. Und zur Tür wollte sie nicht gehen - sie erinnerte sich noch zu gut, was in der echten Assassinengilde danach passiert ist. Also machte sie sich daran, an einer Wand hochzuklettern und durch ein Fenster weiter oben einzubrechen.
Kurze Zeit später fand sie sich in einem kleinen Zimmer wieder. Es war erstaunlich hell. Sie sah einen Tisch, auf dem allerlei Papierkram lag, und davor einen Stuhl. Sie trat an die Möbel heran und begutachtete die Blätter. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass sie mit den dortigen Informationen nicht viel anfangen konnte.
Sie sah sich weiter im Raum um. An einer Seite entdeckte sie einen mannsgroßen Spiegel. Sie lächelte. Genauso wie in der bekannten Gilde also. Sie trat an ihn heran und richtete sich noch einmal ihre Kleidung zurecht, so wie sie es Melas schon oft an ihr hat machen sehen. Endlich war sie zufrieden mit dem Ergebnis. Ja, man würde sie jetzt wirklich für einen Assassinen halten.
Sie trat aus dem Zimmer heraus auf einen langen Gang. In den Schatten konnte sie gut getarnte "Kollegen" entdecken. Aber keiner schien Anstoß an ihrem Dasein zu nehmen. Gut. Jetzt musste sie nur noch daran denken, sich nicht anders zu verhalten, also auch von Schatten zu Schatten zu huschen. Das konnte sie ja mittlerweile dank Melas ganz gut.
Ihr wurde unangenehm bewusst, wie viel sie dem Mann zu verdanken hatte. Dabei wusste sie über ihn eigentlich nur seinen Namen und seine Tätigkeit. Sie beschloss, ihn das nächste Mal ein wenig zu befragen - wenn es ein nächstes Mal gab.
Immerhin musste sie erst einmal die Ermittlung in dieser Gilde überleben. Was nicht allzu leicht war - schließlich wusste die Wächterin über sie noch weniger, als über alle anderen Gilden der Stadt, was das verdeckte Erkunden hier wesentlich schwieriger machte, als es ihr lieb war.
Langsam, vorsichtig arbeitete sie sich durch den Gang. Immer wieder zweigten Türen rechts und links ab, aber sie beachtete sie nicht. Wo ihr Ziel lag, wusste sie nicht. Sie hoffte, irgendwann in ein Gespräch zu kommen - am Besten draußen auf dem Hof. Ebenfalls in ihren Hoffnungen lag, dass der Weg, den sie einschlug, der richtige war und nach draußen führte.
Sie hatte Glück. Am Ende des Ganges erschien vor ihr eine Tür. Sie sah sich um. Als sie niemanden erblickte, öffnete sie die Tür gerade soweit, dass sie durchpasste. Auf der anderen Seite schlug ihr helles Tageslicht entgegen. Obwohl in diesem Gebäude alles dunkel wirkte, war es hier draußen doch wesentlich heller als in dem Gang, wo sie herkam. Dort hatte sie nur Schatten und Schemen erkannt.
Die Leute, die sie auf dem Hof sah, machten sie stutzig. Irgendwoher kannte sie ihr Aussehen. Und sie ähnelten sich alle sehr. Wer keinen Schleier trug, hatte gelbliche Haut und Augen, die einfach...
anders waren. Sie kam nicht drauf, warum ihr diese Menschen so bekannt vorkamen. Irgendwann würde sie es so oder so noch herausfinden, da war sie sich sicher.
Wobei sie allerdings noch größere Unwissenheit plagte, war ihre Chance hier lebend wieder rauszukommen. Überall um sie herum lauter versteckte, bis ans Äußerste bewaffnete Profikiller, die nur auf ein Opfer warteten und dabei wohl kaum die Gesetze der Stadt achteten. Obwohl, überlegte sie, hätte der Patrizier nicht längst die Gilde der Achatener verboten, wenn sie sich nicht an die Gesetze hielt? Hätte er nicht die Wache darauf angesetzt? Letztendlich hatte er das ja auch, gestand sie sich ein - aber nur auf die Bitte von Witwenmacher hin. Was sollte dieser Unsinn mit der Konkurrenz? Ständig versucht irgendwer irgendwem Konkurrenz zu machen. Hatscha verstand das nicht. Aber das war wohl auch kaum Wächterarbeit, sondern etwas Geheimnisvolleres - Dieblomahtie genannt, wenn sie sich recht erinnerte. Darum musste sie sich wirklich nicht kümmern. Eigentlich nur darum, hier wieder rauszukommen!
Allerdings durfte sie sich darüber nicht zu früh Gedanken machen. Sie hatte auch noch etwas zu erledigen. Sie dachte angestrengt nach.
"Hey du!", wurde sie unsanft zurück in die Wirklichkeit gerissen, als jemand sie unsanft an der Schulter packte. Der Griff war hart und ließ große Kraft vermuten. Unwirsch drehte sie sich um. Sie blickte in ein Gesicht, dass ihr zwar etwas bekannt vorkam - aber doch nicht. Nein, es war völlig anders. Es erinnerte sie nur an wen. Melas. Erschrocken riss sie die Augen auf und trat einen Schritt zurück.
"Halthalt! Hab ich dich etwa erschreckt?" Der Ton zeigte, dass die Frage nicht ernstgemeint war. Der Achatener war sich vollkommen darüber im Klaren, dass sie aus keinem anderen Grund als Erschrecken zurückgetreten war. Und doch irrte er sich. Was sie zu der Bewegung veranlasst hatte, war eher Erstaunen gewesen. Sie hätte nie gedacht, dass Melas... nein, unmöglich!
"Nein, hast du nicht. Ich war nur etwas... überrascht, hier von wem angesprochen zu werden." Sie war froh, einen Schleier zu tragen, unter dem man sie nicht sofort erkennen konnte. Trotzdem erwiderte der andere:
"Du bist keiner von uns. Bist du etwa ein Spion von Witwenmacher?"
"Und wenn es so wäre, hab ihr nicht auch Spione bei den Assassinen?!" entgegnete Hatscha spitz. "Nein, ich bin nicht von Lord Witwenmacher geschickt worden." Nicht direkt, ergänzte sie in Gedanken.
"Was willst du dann hier?" Er packte sie härter. "Lügner sind hier nicht gern gesehen, weißt du?"
"Ich... ich wollte mich nur bei eurem Gildenchef, oder wie ihr auch immer euer Oberhaupt nennt, als neues Mitglied bewerben", stotterte sie und hoffte, dass er ihre Geschichte wenigstens soweit glaubte, dass er sie laufen ließ. Mehr wollte sie doch gar nicht! Erst musste sie Melas ein paar Fragen stellen.
"Ich habe dich beobachtet, seit du hergekommen bist. Woher hast du diese Kleidung? Die gibt es hier in Ankh-Morpork nicht. Die ist von uns! Hast du wen bestohlen oder gar ohne Lizenz umgebracht?", fragte er nach.
"N-nein! Ganz sicher nicht. Ich habe das Zeug gefunden." Sie hielt es für besser, Melas nicht zu verraten. Warum sie ihn schützte, wusste sie nicht - zumindest nicht bewusst. Ihr Unterbewusstsein spiegelte ihr allerlei Gründe vor, auf die sie gar nicht erst achten wollte. Dafür hatte sie jetzt wirklich keine Zeit.
"Eine ganze Assassinenausrüstung lag also einfach so irgendwo rum? Von wem hast du sie?"
"Das darf ich nicht sagen." Sie sah zu Boden. Nie hatte Melas irgendetwas in dieser Richtung gesagt. Trotzdem nahm sie es für selbstverständlich an, dass er es nicht wollte. Und sie tat tatsächlich, was will?! Langsam zweifelte sie an ihrem Verstand. Aber sie blieb dabei. Sie verschwieg Melas.
"Ach nein? Vielleicht hast du sie ja von einem Überläufer."
"Ich weiß nicht, wer er ist, von dem ich die Ausrüstung habe. Bitte - lass mich gehen. Ich werde hier nicht mehr rumschnüffeln oder euch anderweitig belästigen. Ich habe meine Bewerbung schon zurückgezogen. Werde ich eben zu Witwenmacher gehen. In Ordnung?" Unsicher sah sie ihn an. Doch er gewahr ihr keine Gnade.
"Genug Gerede!" Er spuckte in den Sand auf dem Hof. Dann packte er sie und zog seinen Dolch. Zumindest wollte er das. Hatscha bemerkte nur, wie er plötzlich hinter ihr zusammen sackte. Überrascht drehte sie sich um. Sie sah nur noch einen schwarzen Schatten davonhuschen und konnte nicht sagen, ob er ein Achatener war, oder ob nicht. Sie sollte es bald herausfinden.
Schnell machte sie sich auf den Weg aus dem Gildengelände. Seltsamerweise war der Vorfall von niemandem bemerkt worden. Und sie bezweifelte, dass, wenn jemand das Gespräch und den Mord doch beobachtet hatte, sie sofort aus all den anderen schwarz gekleideten Leuten heraussah. Einmal mehr kam ihr der stundenlange Unterricht bei Melas zugute, als sie den Ausgang suchte. Der würde auf alle Fälle einiges zu beantworten haben, dachte sie sich grimmig.
Da war der Ausgang. Niemand hielt Wache, hin und wieder kam ein Achatener herein oder heraus. Auch Hatscha gehörte plötzlich zu dem Treiben am Tor und war, ehe sie sich versah, schon auf der Straße angelangt. Dort wurde sie von jemandem so angerempelt, dass es kein Zufall gewesen sein konnte. Sie sah sich um, konnte jedoch nur einen "echten" Assassinen entdecken, der ihr zuzwinkerte. Das musste der gewesen sein, der sie gerettet hatte, dachte sie sich. Aber wieso?!
Sie sah sich in der Wackel-Wippe um. Nichts. Sie war allein. Noch einmal suchte sie alle dunklen Winkel mit den Augen genauestens ab. Immer noch nichts. Endlich stellte sie sich die Frage. Wo war dieser verfluchte Melas? Er ist da, wenn man denkt, endlich mal eine Weile Ruhe zu haben. Und wenn man etwas von ihm wissen will, kommt er gar nicht erst. Hatscha ärgerte sich. Grummelnd setzte sie sich an ihren Schreibtisch und begann den Tagesbericht zu schreiben. Aus den Augenwinkeln behielt sie weiterhin die Übersicht über ihr Büro. Nichts. Insgeheim hoffte sie trotzdem, dass ihre Aufmerksamkeit belohnt wurde. Sie
wollte Melas wiedersehen, und wenn es nur war, um ein paar Fragen zu stellen. Das redete sie sich zumindest ein. Ob es wirklich so war... sie zweifelte langsam daran. Trotzdem blieb sie stur und gestand sich gar nichts ein. Niemals. Melas ist ein Assassine!
Oder doch nicht? Sie erinnerte sich an den Achatener, den sie gesehen hatte. Alle in dem Gebäude hatten so oder so ähnlich wenigstens ausgesehen - und ihr eigentlich täglicher und abendlicher Besucher auch. Nur an diesem Abend blieb der Besuch aus. Ob das etwas mit ihren Ermittlungen bei den falschen Assassinen (wie sie sie insgeheim nannte) zu tun hatte? Sie wusste es einfach nicht. Und all das Grübeln hatte keinen Sinn, beschloss sie.
Sie sollte schlafen, wer weiß, was morgen auf sie zu kam. Also drückte sie noch schnell den Bericht in Daemons Hände, der gerade gehen wollte, und zurück in ihrem Büro machte sie sich zum Schlafengehen fertig.
Aber ans Einschlafen war nicht zu denken. Lange lag sie wach. Es ließ ihr einfach alles keine Ruhe. Nachdenklich begann sie an ihren Fingernägeln zu kauen. Außerdem musste sie öfters niesen als sonst, bemerkte sie irgendwann. Doch das beschäftigte sie nicht weiter. Ihre Gedanken kreisten eher um Melas. Wer war er?
Was war er?
Plötzlich wurde sie von einem knarrenden Fenster und einem darauffolgenden unterdrückten Fluch aus ihren Grübeleien gerissen. Von einer Sekunde auf die nächste stand sie unbewaffnet im Nachthemd auf ihrer Matratze und starrte zur Fensterwand. Sie konnte nicht sehr viel erkennen, nur einen vagen Schemen hinter den Scheiben. Hektisch sah sie sich nach einer Waffe um oder etwas, das man als solche benutzen konnte. Schließlich griff sie nach einer Kerze. Etwas anderes war nicht in ihrer Reichweite. Dann sah sie erschrocken, wie sich das Fenster langsam öffnete. Hastig hantierte sie mit der Kerze und einem Streichholz herum, bis sie den Docht endlich entzündet hatte. Die Flamme verbreitete zwar nicht viel Licht, aber immerhin schien es den Eindringling zu stören. Zumindest im ersten Moment.
"Oh verflucht, was bei allen Wesen aus den Kerker...", begann er, dann sah er sie auf der Matratze stehen. "Oh, du bist wach? Na, dann brauch ich dich nicht wecken. Nettes Nachthemd übrigens."
Es war Melas. Wer sonst?, schalt sie sich. Wer würde sonst mitten in der Nacht in ihr Büro einbrechen? Sie hätte es gleich wissen müssen. Grimmig sah sie ihn mit der Kerze bewaffnet an. "Was willst du um diese verdammte Uhrzeit hier?!"
"Ganz einfach. Ein Assassine ist eh meist in der Nacht unterwegs. Warum sollte ich dir dann nichts nachts beibringen?"
"Und wann soll ich bitte schön schlafen?", entgegnete sie wütend.
"Hast du das denn noch nicht? Außerdem... Schlaf, welche Verschwendung der Zeit." Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.
"Aber dennoch notwendig." Der Mensch war einfach entnervend.
"Dann musst du eben deinen Tagesplan etwas umgestalten."
"Wegen eines dahergelaufenen Assassinen, der gar keiner ist?"
"Oh, du hast also tatsächlich etwas herausgefunden? Ist der Tote dann auch auf dein Konto zu schieben?", lenkte er ab.
"Nein. Das war jemand anderes, ich weiß nicht wer. Aber wo wir gerade darüber sprechen. Ich hätte ein paar Fragen an dich." Sie trat näher an ihn heran und leuchtete ihm mit der Kerze ins Gesicht. Die flackernde Flamme hinterließ mehr Schatten darin, als Hatscha überhaupt davon erkennen konnte, aber trotzdem blieb sie, wo sie war.
"Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir Antworten geben werde, oder?" Er lachte.
"Ich könnte dich auffliegen lassen", erwiderte sie nur.
"Und wie? Was weißt du über mich? Niemand würde dir glauben." Er klang selbstsicher, aber sein Blick verriet dennoch etwas Unsicherheit, die Hatscha trotz des Kerzenlichts erkennen konnte.
Innerlich grinste sie triumphierend. "Trotzdem werde ich sicher einiges noch herausfinden können. Beantworte mir wenigstens diese eine Frage. Warum hast du mir beigebracht, mich wie ein Assassine zu verhalten?"
"Auch das werde ich dir nicht sagen. Weißt du, Neugier ist schädlich. Ich gehe jetzt. Diese Unterrichtsstunden hättest du dringend nötig gehabt, ich weiß es. Aber du wolltest es ja eh nie anders. Leb wohl." Mit diesen Worten pustete er ihr die Kerze aus und drehte sich zum Fenster um.
"Halt!", versuchte Hatscha ihn zurückzuhalten. Tatsächlich drehte er sich um. Eilig versuchte sie, die Kerze wieder zu entflammen. "Was meinst du damit, ich hätte es dringend nötig gehabt? Was plant ihr?" Angst schwang in ihrer Stimme mit.
"Keine Fragen mehr, verdammt!"
Resigniert ließ die Wächterin die Schultern hängen. "Egal, was morgen geschieht... werde ich betroffen sein? Sag mir wenigstens das!"
"Wenn du klug bist und dich nicht einmischst, dann nicht. Ansonsten kann ich für gar nichts garantieren... könnte ich eh nicht. Ich bin einfacher Achatener." Er sah sie durchdringend an. "Du bist Wächter. Das heißt, du wirst nicht klug sein und dich raushalten, hab ich recht?"
"Es ist mein Tschob für Recht und Ordnung in der Stadt zu sorgen", sagte Hatscha wie auswendig gelernt.
"Also gut. Komm mit. Der Unterricht für heute Nacht hat begonnen."
Verwirrt beobachtete sie ihren Lehrer, wie er aus dem Fenster stieg. Dann fiel ihr noch etwas ein. "Warte noch, ich sollte mich noch umziehen, ich gehe nicht im Nachthemd quer über die Dächer von Ankh-Morpork."
"Dann beeil dich aber. Auch wenn du in deinem Nachthemd ja auch nicht so ganz ohne bist", bemerkte er anzüglich und wartete im Fenster. Hatscha verschwand inzwischen hinter ihrem Wandschirm und zog sich ihre Assassinenkleidung an. Schließlich trat sie wieder hervor. "Naja, auch nicht übel", kommentierte Melas und zog sich einen zornigen Blick seitens Hatscha zu.
"Ich will ja gar nicht wissen, was du unter nächtlichen Unterricht so alles zählst." Mit diesen Worten verschwand sie grummelnd hinter ihm durch das Fenster.
Da es draußen stockdunkel war und Melas alles andere als auffällig gekleidet war
[5], musste sie versuchen, seinen Geräuschen zu folgen, was nicht immer einfach war. Doch irgendwie gelang es ihr. Schließlich kamen sie auf dem Dach eines vollkommen fremden Gebäudes irgendwo in der Stadt an. Hatscha hatte schon längst die Orientierung verloren, aber der Achatener schien sich bestens auszukennen.
"Siehst du da vorne dieses hohe, schmale, dunkle Bauwerk?" Er wies auf etwas, das wie ein Finger aus der Dunkelheit unter dem Dach aufragte und sich irgendwie tatsächlich gegen den tiefschwarzen Nachthimmel abzeichnen konnte. Es schaffte es, dunkler zu sein oder zumindest zu wirken.
Hatscha nickte nur und fügte dann, als ihr auffiel, dass ihr Begleiter das nie und nimmer gesehen haben konnte, ein leises "Ja" hinzu.
"Das ist der Kunstturm. Das Gelände um ihn herum ist demnach also die Unsichtbare Universität." Kaum hatte er das gesagt, blitzte es auch wie zur Bestätigung einmal kurz dort auf. Magie hatte sich entladen. "Oh, und das musste der Trakt für hochenergetische Magie gewesen sein."
Hatscha konnte schemenhaft sehen, wie er sicht umdrehte. "Komm, weiter." Und beinahe lautlos verschwand er in den Schatten, so dass die Wächterin große Mühe hatte, hinterher zu kommen.
Irgendwann geschah, was geschehen musste. Hatscha fand auf einem Dach nicht mehr den richtigen Stand. Melas war schon einige Meter voraus, und hilf- und haltlos rutschte sie über die Ziegel. Verzweifelt schlug sie mit den Armen um sich, in der Hoffnung, sich irgendwo festhalten zu können. Aber nichts. Sie fluchte, während sie weiter auf die Regenrinne zu schlitterte. Ihre Arme und Beine wurden aufgekratzt, wobei sie sich fragte, wovon, Dieses Dach war so verdammt glitschig, dass man sich daran gar nicht verletzten
konnte. Doch sie schaffte es. Schließlich hing sie nur noch an der Rinne und diese begann langsam, aber sicher mit einem Knarren nachzugeben. Gerade, als sie vom Hausdach abriss, wurde Hatscha fest am Arm gepackt und kugelte sich dabei fast die Schulter aus. Langsam wurde sie von einem stöhnenden Schemen auf das Dach zurückgezogen. "Ich hätte mir nie gedacht, dass du so schwer bist. Was hast du alles an?!" Melas, wer sonst.
"Ich werde mich bestimmt nicht wegen dir ausziehen", giftete Hatscha zurück. Sie begann, sich den größten Schmutz von der Kleidung zu wischen, wurde jedoch ziemlich bald zurückgehalten.
"Lass, das hat keinen Sinn. Die Kleidung kannst du vergessen, die kriegst du ja nie wieder sauber!" Die Eitelkeit der Assassinen war nicht zu übertreffen, dachte sie sich, hörte jedoch auf ihn. Sie würde das ganze einweichen und gut durchwaschen, dann konnte man das sicher noch einmal hernehmen. Außerdem war das gerade ihre kleinste Sorge. Ihre Füße waren dabei, ihr den Dienst zu verweigern, hatten sie sie doch heute schon mindestens viermal durch ganz Ankh-Morpork getragen. Auf wackligen Beinen stand sie also auf einen Dach, wusste nicht, wo sie war und hatte als einzigen Begleiter einen achatenen Assassinenspion. Ihre Lage war sehr aussichtsreich, dachte sie sarkastisch. Und trotzdem vertraute sie Melas. Er hatte sie vor dem sicheren Tod gerettet, wer weiß, wie tief sie gefallen wäre. Wieso tat er das? Sie würde es sie erfahren, resignierte sie.
"Bist du müde?", fragte er schließlich. Sie konnte nur schwach nicken. Auch wenn er das nicht sah, schien er ihre Antwort dennoch zu ahnen. "Dann kehren wir zurück zu deinem Büro. Ist zum Glück nicht allzu weit. Und konzentrier dich, auf jeden einzelnen Schritt", wies er sie noch an.
Müde und vollkommen unkonzentriert versuchte sie, ihm hinterher zu kommen. Irgendwie gelang es ihr auch, wenn auch sehr unsicher. Endlich verschwand Melas in einem Fenster, das sie als das zu ihrem Büro wähnte. Sie kletterte hinterher und stellte fest, dass sie richtig lag. Müde ließ sie sich auf ihre Matratze sinken und schaute sitzend zu dem anderen auf.
"Du hast dich gar nicht mal so ungeschickt angestellt", lobte er sie. "Mit diesem Ausrutscher habe ich eigentlich schon viel früher gerechnet. Aus dir könnte ein richtiger Assassine werden, wenn du kein Wächter wärst." Hatscha konnte den tadelnden Blick beinahe spüren. Trotzdem zuckte sie nur mit den Schultern, was er nicht sehen konnte. Aber vielleicht hatte er ja mit so einer Antwort gerechnet.
"Und was habe ich jetzt gelernt? Du hast mir gar nichts gezeigt, einfach nur durch die Dunkelheit klettern lassen, ohne, dass ich etwas hätte lernen können", klagte sie.
"Aber - wie hätte ich dir etwas zeigen sollen?", fragte er, weil er sie nicht verstand. "Es war dunkel! Und aus Erfahrung lernt man noch am Besten."
"Mag ja sein." Sie gähnte, was in einem Niesen endete. Noch während sie nach dem Taschentuch griff, sagte Melas:
"Du hast recht, du brauchst deinen Schlaf. Und den werde ich dir lassen. Ich werde morgen Vormittag vielleicht noch einmal vorbeischauen, je nachdem, wie die Dinge bis dahin stehen. Schlaf gut." Mit einem kurzen Zögern, bei dem er noch mal die Wächterin musterte, verschwand er schließlich genauso, wie er gekommen war - durch das Fenster.
Endlich konnte sie sich auf ihre Matratze sinken lassen. Ziemlich bald fiel sie in einen tiefen, erholsamen Schlaf, der dringend nötig war.
Es war schon recht spät am Morgen, als Hatscha aufwachte. Recht spät für ihre Verhältnisse. Die Uhren von Ankh-Morpork einigten nach einiger Zeit auf acht Uhr morgens. Gähnend streckte sie sich auf ihrer Matratze aus und merkte, dass sie noch ihre Assassinenkleidung trug. Bedauernd musste sie feststellen, dass ihr sämtliche Muskeln wehtaten. Langsam, wie ein dichter Nebel, der sich allmählich lichtete, kehrten ihre Erinnerungen zurück. Die letzte Nacht. Knapp war sie einem Absturz von einem hohen Gebäude entronnen. Dank Melas.
Sie wusste, dass sie eigentlich keine Zeit hatte, sich über ihn den Kopf zu zerbrechen, doch irgendwann musste sie es tun. Auch wenn heute etwas passieren sollte - sie versuchte sich zu erinnern, was genau, schaffte es aber nicht -, diese Gedanken gingen heute Morgen erst einmal vor.
Wer war Melas? Was hatte sie über ihn herausgefunden? Sie sammelte ihr Wissen und ordnete es zu. Er war ein Achatener. Jedoch wusste sie nicht, welche Stellung er dort einnahm - wahrscheinlich war er ein Spion, wie sonst hätte er sie in der Assassinengilde finden können?
Das war also geklärt. Was immer noch offen war: Warum half er der Wache?
Grübelnd saß sie auf der Matratze. Plötzlich wurde der Bereich vor ihren Augen dunkel. Ihr waren wohl die Lider zugefallen, also ließ sie ihre Muskeln erst das linke, dann das rechte Augenlid hochheben. Allerdings verschaffte ihr das keine Änderung der Lichtverhältnisse. Seufzend hob sie den Kopf an und sah das, was sie innerlich schon erwartet hatte. Einen Assassinen. Wenn es denn einer war. Sie blickte in sein Gesicht und kam zu dem Schluss, dass sie sich geirrt hatte. Melas war mal wieder da.
"Was willst du?", fragte sie müde.
"Meinst du, du kannst jetzt schon alles? Du hast dich getäuscht, Mädchen." Nachdem er das gesagt hatte, blitzte es in seinen Händen auf. Erschrocken rutschte Hatscha auf ihrer Matratze zurück. Sie hatte sehr wohl erkannt, was der Schwarzgekleidete da hielt. Wurfsterne.
"Hast du mir das jetzt alles beigebracht, um mich letztendlich nur umzubringen? Das hättest du auch einfacher haben können." Die Worte taten ihr sofort leid, als sie in das enttäuschte Gesicht des anderen blickte.
"Und ich hatte gehofft, du würdest mir wenigstens etwas vertrauen, nachdem ich dir mittlerweile", er unterbrach kurz und schien scharf nachzudenken, "mindestens schon viermal das Leben gerettet habe. Ich werde dir nicht ein Haar krümmen, wenn du nicht dumm bist. Und wenn du das nicht bist, dann wirst du dir jetzt von mir beibringen lassen, wie man mit Assassinenwaffen kämpft. Es wäre möglich, dass dir dieses Können heute noch zu Gute kommt." Hatscha verstand die Andeutung nicht, beließ es aber dabei. Sie würde sowieso nichts erfahren, damit hatte sie sich schon abgefunden.
"Also gut. Dann leg los." Sie fügte sich ihrem Schicksal und ließ sich von Melas in die Kunst des Wurfsterne-Werfens, Blasrohr-Schießens und Ähnlichem einweisen.
Als schließlich nach etlichen Stunden die Uhren einen Wettstreit austrugen, wer am besten die Mittagsstunde verkünden konnte, beendete der Achatener den Unterricht.
"Ich muss weg. In einer Stunde startet das Spektakel. Mach's gut. Wahrscheinlich werden wir uns eh wieder sehen, wenn du nicht schlau genug bist, und hier bleibst." Kurz darauf war keine Spur mehr von ihm im Zimmer zu sehen. Dafür kam ein zweiter Wächter in den Raum.
"Hatscha?", fragte er. Lange sah sie ihn an, ob sie ihn schon kannte. Dann einigte sie sich mit ihren Erinnerungen darauf, dass es sich um Vico van Vermeer handeln musste. Das saubere...
blitzblanke Auftreten bestätigte sie in ihrer Vermutung.
"Ja?"
"Du kümmerst dich doch um den Fall bei den Assassinen...", begann er schüchtern.
"Kommt darauf an, welchen du meinst, aber da ich meistens sämtliche Fälle in dieser Gilde zugewiesen bekomme, dürfte die Antwort wohl 'Ja' heißen."
"Nun ja, ich habe hier eine Nachricht von einem Kontaktmann bekommen." Er hielt ihr zwischen Daumen- und Zeigefingerspitze einen dreckigen, vergilbten Zettel hin und verzog das Gesicht dabei.
Hatscha nahm das Geschriebene entgegen. "Danke." Sofort las sie sich durch, was darauf stand, während der Gefreite so schnell er konnte wieder aus dem Zimmer verschwand, ohne sich irgendwie schmutzig zu machen. Er kam nicht weit. "Vico?" Er drehte sich um. "Sei so gut und geh zu FROG und bestelle dort ein paar einsatzfähige Kollegen zur Assassinengilde. Ich denke, sie werden gebraucht werden." Nickend eilte er davon.
Hatscha indessen drehte sich um und machte sich so schnell wie möglich daran, ihre Kleidung zurecht zu rücken. Als sie einigermaßen zufrieden mit ihrem Anblick war, stürmte sie aus ihrem Büro, rannte die wacklige Treppe zum ersten Stock hinunter und von dort ins Erdgeschoss. Kurz später stand sie vor dem
Boucherie Rouge, wo sie allerdings auch nicht lange verharrte. Schließlich war die Assassinengilde ihr Ziel, das sie möglichst bald erreichen sollte.
In der Gilde ging es drunter und drüber. Es fiel Hatscha nicht schwer, einzudringen ohne aufzufallen. Überall wuselten schwerstbewaffnete Assassinen von Schatten zu Schatten. Dies waren keine Leute, die geeignet waren, um einen, wenn auch kleinen, Krieg auszufechten. Aber die andere Seite dürfte in diesem Bereich auch keinen Vorteil haben, da sie wohl ebenfalls nicht zur Zusammenarbeit ausgebildet waren. Das konnte was werden.
Schnell sah sie sich um, um irgendein sicheres Versteck zu finden, von dem aus sie alles überblicken konnte, aber selbst geschützt war.
Nicht mehr lange, dann würde der Kampf beginnen, und auch sie würde hineingeraten, da war sie sich sicher. Und sie war um einiges schlechter ausgebildet als all die Meuchler hier.
Spannung lag in der Luft. Noch waren keine Achatener zu sehen - was es noch schlimmer machte. Je länger sie warteten, desto angespannter und leichtsinniger würden die Assassinen werden. Auch sie spürte, dass sie langsam aber sicher bereit war, auf den nächsten einzustechen, der ihr zu nah kam. Sie versuchte tief durchzuatmen. FROG durfte nicht zu spät, aber auch nicht zu früh kommen. Erst, wenn der Kampf angefangen hatte, konnten die Wächter eingreifen. Aber wenn sie zu spät kamen, dann gab es zu viele unlizensiert Ermordete. Hoffentlich machten sie alles richtig. Sie kannte schließlich ihre Kollegen. Das "Ohne Gnade" sagte viel über die Einsatztruppe aus. Hatscha seufzte. Die Abteilung wäre nie etwas für sie gewesen, dafür fehlten ihr absolut die Nerven. Naja, jedem das seine.
Sie sah wieder über den Gildenvorplatz. Immer noch niemand da. Hoffentlich kamen sie nicht von hinten, schoss es ihr durch den Kopf.
Dann sah sie die Leute in Grün. Gut versteckt und getarnt stand ein Vampir auf einem Gebäude gegenüber mit einer gespannten Armbrust in der Hand, bereit zum Schießen. Ein Igor stand unweit an einer Häuserecke im Schatten. Das war die Obergefreite Rogi, erinnerte sich Hatscha. Mit ihr hatte sie schon den ein oder anderen Fall erledigt. Sonst konnte sie noch niemanden entdecken, aber sie wusste, dass noch mehr da waren. Sie waren nur besser versteckt. Dann sah sie noch eine kleine Gestalt auf der Mauer zum Assassinengelände sitzen. Das musste Oberleutnant Venezia sein, die Abteilungsleiterin von FROG. Vorsichtig winkte die verdeckte Ermittlerin ihr zu, als sie gerade in ihre Richtung sah. Die Gnomin setzte eine Miene des Erkennens auf, widmete sich dann aber wieder dem Inspizieren des Geländes. Hatscha tat es ihr nach.
Die Anspannung war schrecklich, aber immerhin wusste sie die Kollegen bei sich. Wie FROG eingreifen würde, wusste sie nicht. Sie hoffte nur, dass sie es richtig und im richtigen Augenblick taten. Sonst... na ja, wer kann schon sagen, was sonst geschehen würde. Sie kannte nur wenige von der Truppe, die meisten waren nicht mit ihr Rekruten gewesen und dadurch, dass die DOG im
Boucherie Rouge untergebracht war, war sie auch etwas getrennt von den restlichen Wächtern und hatte wenig Kontakt.
Durch eine unruhiger werdende Masse um sie herum wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Die Assassinen um sie herum wurden hektischer, spannten ihre Waffen, überprüften das Sitzen diverser Dolche und Messer und stopften Pfeilchen in ihre Blasrohre. Trotzdem war alles still. Man hörte keinen Laut. Dann sah die Obergefreite den Grund für die Hektik. Langsam aber sicher bewegten sich einige Schatten der umliegenden Gebäude und unzählig viele Achatener kamen heraus. Sie waren also die ganze Zeit da? Das konnte nicht sein, irgendwer hätte sie auf alle Fälle bemerkt.
Hatscha war überrascht, als sie erkannte, dass die Fremden nicht Schwarz, wie bei Assassinen üblich, gekleidet waren, sondern in dunklen Grau-, Lila-, Grün- und Blautönen. Dadurch konnten sie viel besser mit dem Hintergrund verschmelzen, erkannte sie. Sie beobachtete die Schatten genau, die sich näherten. Noch hatte niemand geschossen. Die Spannung war noch nicht gelöst, nein, wurde immer stärker.
DA! Ein Achatener Assassine, ganz in Schwarz. Er fiel auf in dieser dagegen bunten Masse. War das ein Ankh-Morporkianischer Überläufer? Hatscha fasste ihn ins Visier. Er kam näher, seine Gesichtszüge wurden sichtbar.
Dann flog der erste Pfeil. Während bis eben eine Stille herrschte, wie sie sonst nur der Alte Tom verbreitete, durchdrang das Zischen und Sirren der Sehne die Stille, als hätte der Pfeil ihr Herz getroffen. Von da an war es aus mit Ruhe. Ein Schrei ertönte, der Schuss hatte getroffen. Ein in dunkles Grün gekleideter Achatener fiel von der Mauer des Gildengeländes und hielt sich die Brust. Das Chaos brach aus. Überall flogen jetzt Geschosse. Man war nirgends sicher. Immer wieder ertönten Schreie.
Hatscha sah sich wieder nach dem Schwarzen Achatener um. Schwarz... das musste Melas gewesen sein!, fuhr es ihr durch den Kopf. Meinte er nicht, Melas bedeute Schwarz und er wurde so genannt, weil er sich schwarz kleidete? Hektisch irrten ihre Blicke über den Vorplatz. Dann schalt sie sich in Gedanken. Wieso sah sie sich nach einem Feind um? Eine Antwort lag ihr nahe, doch dann sah sie ihn. Er schoss auf einen
echten Assassinen. Und traf. Dann sah er sich um und verschwand im nächsten Schatten. Hatscha hörte neben sich deutlich das Sirren einer Sehne. Kurz darauf ein unterdrückter Aufschrei aus dem Schatten, in dem Melas verschwunden war. Hatte dieser Pfeil...? Sie konnte den Gedanken nicht zuende denken. Sie kam gar nicht dazu.
"STADTWACHE! IHR HÖRT JETZT SOFORT MIT DIESEM UNSINN AUF, ODER ICH LASSE UNSEREN NOCH SEHR UNERFAHRENEN GIFTGASEXPERTEN AUF EUCH LOS, DER EINST VIEL MIT ALCHIMISTEN ZU TUN HATTE! UND DANN FLIEGT IHR ALLE, JA, AUCH DU, IHR ALLE IN DIE LUFT!", schrie Veni durch ein Megafon in die Menge. Alle Assassinen hielten inne. Absolut alle. Keiner rührte sich mehr. Alchimisten konnten gefährlich werden, selbst für Assassinen.
"So, und alle lassen jetzt ihre gesamten Waffen fallen, auch die in der Schuhsohle versteckten. Auch du, mein Freund. Und die Achatener gehen jetzt brav in ihre Gilde zurück. Außer das Oberhaupt, das kommt..." Kanndra, die Späherin von FROG, flüsterte ihr etwas ins Ohr. "Was? Tot? Oh... na dann hat sich das erledigt. Also, noch mal von vorne: Die Achatener machen, dass sie aus der Stadt verschwinden, ihr Anführer ist, nach meinen Informationen, von einem Wurfgeschoss getroffen worden. Dies war sogar einer der wenigen lizensierten Morde, da auf ihn auch ein Auftrag ausstand, habe ich recht, Hatscha?"
Wie ertappt sah Hatscha sich um. "Äh, ja, Mä'äm."
"Gut, dann wird RUM hier noch einiges wegen unlizensierten Morden zu tun haben, was sich aber sicherlich mit der Hilfe des gutmütigen Lord Witwenmachers schnell klären lässt." Sie lächelte. "So, und jetzt, geht heim. Ihr habt doch sicher irgendwelche Familien, um die ihr euch kümmern müsst, auch du."
Tatsächlich verschwanden die bunten Assassinen in den Schatten der Gemäuer. Ob sie tatsächlich in ihr eigenes Gildengebäude zurückkehrten - wer weiß.
Eine Gestalt huschte in den Schatten, wo Melas umkam. Hatscha hatte ihren Blick nur kurz davon abgewendet, so dass sie jetzt beobachten konnte, dass die Gestalt eine Zeit dort blieb und dann verschwand. Als sie weg war, erhob die Obergefreite sich und ging auch zu diesem Ort. Melas lag tatsächlich dort. Zwei Kekse lagen auf ihm. Verwundert griff Hatscha danach und steckte schließlich einen davon ein. Hatte die Gestalt ihn abgelegt? Sie beschloss, das Gebäck von SUSI untersuchen zu lassen. Dann verließ sie den Leichnam und ging zu ihren Kollegen.
"Gute Arbeit, Oberleutnant", begrüßte sie die Gnomin.
"Danke, aber du hast auch einiges geleistet." Sie grinste die verdeckte Ermittlerin von Kanndras Schulter aus breit an.
"Ohne FROG wäre das nie so ausgegangen."
"Dafür sind wir da."
Hatscha nickte. Alleine konnte niemand in der Wache mit einem Fall fertig werden.
"Auf in den Eimer, der gelöste Fall muss gefeiert werden", schrie der Vampir vom Dach runter und setzte sich in Bewegung. Die anderen Wächter folgten dem Aufruf. Außer Rogi. Die versorgte noch einige schwerverletzte Assassinen.
"Diefe verdammten Meuchler! Können die nicht kämpfen, ohne fich halb zu zerftückeln?" Grummelnd verband sie das Bein eines bewusstlosen Verletzten.
Hatscha zuckte mit den Schultern. Dann folgte sie den anderen in den Eimer, auch wenn sie nicht wirklich in Stimmung dazu war. Vielleicht würde sie ja dort aufgemuntert werden.
"Und nicht mal warten tun die auf einen, undankbaref Pack!", fluchte die Igor, als versuchte, den anderen hinterherzukommen. "Aber wehe, ihnen paffiert mal waf. Dann kann die Verforgung nicht fnell genug fein."
Hatscha starrte zum Fenster. Sie sollte den Bericht über den Fall schreiben. Ihr war ganz und gar nicht danach. In Gedanken war sie immer wieder bei Melas Tod und der Gestalt. Wer war das? Wahrscheinlich ein Verwandter oder Bekannter von ihm, antwortete sie sich selbst. Doch sie konnte von dem Gedanken nicht ablassen.
Dann setzte sie ihre Feder auf das Papier und begann zu schreiben. Von Anfang an. Auch wenn sie das teilweise schon berichtet hatte. Sie würde nichts auslassen.
Einige Stunden später klopfte sie an die Zimmertür des Rosaroten Himmelbetts. Als niemand öffnete, schrieb sie ein paar Zeilen auf einen Zettel, legte ihn auf das Packen Papier, das ihren Bericht darstellte, schob das ganze unter der Tür durch und verließ dann das
Boucherie. Seit einigen Tagen konnte sie jetzt endlich wieder zu Hause schlafen.
Als Hauptmann Daemon am nächsten Morgen aufwachte, sah er die Papierbögen. Obenauf lag ein Zettel mit der Aufschrift:
"Mein Bericht. Vollständig. Der Fall ist erledigt, Witwenmacher lebt, die Achatener sind aus der Stadt. Ich bin jetzt müde und gehe nach Hause. Gute Nacht.
Gez. OG Hatscha al Nasa"Daemon grinste, setzte sich auf sein Bett, nahm einen Zettel, der in der Nähe lag, zur Hand und zeichnete ordentlich ein Häkchen darauf.
ENDEKurzes Nachwort:
In dieser Mission sind einige Fragen, wie die nach dem Grund von Melas' Hilfe, aufgekommen, die nicht beantwortet wurden. Sie werden in einer meiner nachfolgenden Singles, die voraussichtlich den Titel "Melaina" tragen wird, beantwortet. Auch die Sache mit dem Keks wird geklärt. Danke fürs Lesen.
[1] Zumindest hoffte sie, dass ihr Fortbewegen wie ein Huschen aussah, sie gab sich jedenfalls reichlich Mühe
[2] Immerhin gingen die Näherinnen diesmal ohne Unterbrechung ihren Geschäften nach
[3] Der war schon in ihrem Büro gestanden, bevor sie eingezogen war. Sie hatte ihn jedoch nicht entfernen lassen, weil er ihr bisher gut gedient hat, damit man die Berge von Taschentüchern nicht sieht.
[4] Der
Kleidung!![5] genauso wenig wie sie selbst, wie sie mit einem inneren Lächeln bemerkte
Zählt als Patch-Mission.
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