Das Blut am Ende des Korridors

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von Spieß Ecatherina Erschreckja (DOG)
Online seit 01. 10. 2003
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Dinge, die man wissen will, aber nicht wissen sollte verwandeln sich in Dinge die man weiß, aber nicht wissen wollte.

Dafür vergebene Note: 12

Vorwort: Aufgrund tragischer Ereignisse, die erst noch aufgezeigt werden, ist Ecatherina Erschreckja, ihres Zeichens Spieß, eine Zeit lang untergetaucht. Ihre Gründe werden bald bekannt werden, doch steht fest, dass man sie wenn überhaupt, nur mehr kaum in der Wache sehen wird. Diese Szene spielt nach dem tragischen Vorfall und soll erklären, was die "beurlaubte" Wächterin in der Zwischenzeit so treibt.



"Und wieder einmal konnte ich mein Versprechen nicht halten." Mit Tränen in den Augen beugte sich der Spieß über frisch angehäufte Erde. Diverse Blumensträuße und -kränze lagen darauf verstreut und auf dem Grabstein konnte man einen frisch gemeißelten Namen erkennen. Ein Tuch der Wache lag quer darüber. Doch Ecatherina würdigte es keines Blickes. Sie schwelgte in Gedanken, voll Schmerz und Trauer. Hin und wieder drängten sich Schuldgefühle dazwischen. Sie verkrampfte ihre rechte Hand und schwarze Blüten fielen zu Boden und gesellten sich zu ihren farbigen Artgenossen. Kurz darauf wurden die Reste einer schwarzen Rose mit voller Kraft gen Himmel geworfen und als die Blume wieder auf festen Stein traf, gab es keine Anzeichen mehr dafür, dass gerade eben hier eine in zivil gekleidete Wächterin voller Trauer gestanden hatte.


Am Hier-gibt's-alles-Platz herrschte hektisches Treiben, unzählige Leute liefen umher und die Marktschreier versuchten sich gegenseitig an Lautstärke zu übertrumpfen. Kinder drängten sich ins Gemenge und versuchten mit traurigen Augen und aufhaltenden Händen das ein oder andere für sich zu erbetteln. Ein Mann mit Zylinder und in einem sauberen, schwarzen Mantel gekleidet stand ein paar Schritte abseits und beobachtete das Geschehen. Es kam ihm nicht in den Sinn, sich ins Gemenge zu drängen, er schien eher auf etwas zu warten. Auf etwas, das Tradition hatte in Ankh-Morpork und auf das man sich verlassen konnte.
"Hat der Herr vielleicht Interesse an selbstgeknüpfte Freundschaftsbänder? Oder wie wäre es mit einem Knoblauchparfum. Ein paar Tropfen und sie werden nie wieder Probleme haben. Nur 25 Cent und damit treibe ich mich selbst in den Ruin." Schnapper hatte den Mann erblickt und seine Füße trugen ihn und seinen Bauchladen schon fast aus Reflex dorthin. Abwechselnd hob er seine Ware und pries sie mit selbstsicherer Überzeugung an.
"Auf dich habe ich gewartet." Ein Grinsen lag auf den Lippen des gepflegten Mannes. Seine Hand verbarg er in einer Manteltasche, aus der ein metallisches Geklimper erklang. Schnappers Aufmerksamkeit steigerte sich aufs Maximum, in seinem Universum war metallisches Klimpern in erster Linie für Münzen reserviert.
"Wie kann ich dem Herrn dienen? Vielleicht ein Würstchen? Schmuck? Ich führe erlesenen Schmuck - glänzt so gut wie Gold und kostet nicht mal die Hälfte." Ruin wühlte in seinem Habe und holte eine Goldkette hervor. An ihrem Ende baumelte ein Medaillon. Der Mann betrachtete den Schmuck, wandte sich aber schnell wieder ab. In seinem Blick schwang ein verächtlicher Ausdruck mit.
"Schluss mit dem Unsinn. Ich brauche spezielle Dinge und es muss diskret bleiben. Ich bezahle gut, damit keine Fragen gestellt werden." Der Mann zog seine Hand aus der Tasche und holte ein paar Goldstücke hervor, dessen Glanz vieles andere in den Schatten stellte. Schnapper leckte sich nervös über die Lippen.
"Und das wäre?" Der Kaufmann ordnete nebenbei seine Waren, während er auf die Antwort seines potentiellen Kunden wartete.
"Ich brauche Kinder - verschiedenen Alters. Von jung bis fast erwachsen - doch ihr Verschwinden darf nicht auffallen." Der Edelmann ließ die Münzen fröhlich auf und ab springen und Schnappers Blick wurde dadurch gebannt.
"Aber.. Menschenhandel ist hier nicht erlaubt. Das.. das verstößt gegen die guten Sitten." Schnappers Hände wurden feucht und er konnte das Geld schon fast riechen.
"Ich bitte dich. Wir sind in Ankh-Morpork. Hier könnte ein Krieg wüten und Niemand würde sich darum kümmern.". Er beugte sich ein wenig zur Seite und zeigte auf einen Beutel, der halb offen stand und bis zum Rand gefüllt mit Gold war.
"Wa.. warum ich?" Schnapper rieb sich die Hände und Schweiß perlte von seiner Stirn.
"Ich bin mir sicher, du weißt gutes Geld zu schätzen. Ich muss auf prompte Lieferung bestehen und Diskretion ist Pflicht. Kommt mir nur ein Wort über unsere Geschäfte zu Ohren, wirst du dir wünschen, mich nie getroffen zu haben." Er öffnete seinen Mantel ein Stück und die Sonne spiegelte sich an mehreren Klingen.
"Wie.. wie viel Kinder braucht Ihr, werter Herr?" Die Kehle von TMSIDR Schnapper wurde von Sekunde zu Sekunde trockener.
"Soviel du mir bringen kannst - auf drei Raten. Ich bezahle per Stück. Solltest du Gehilfen dafür einstellen, bürgst du für ihre Verschwiegenheit - ich werde mich um den finanziellen Teil kümmern." Mit zitternder Hand nahm Schnapper die fünf Dollar als Anzahlung entgegen. Innerliche Unruhe machte sich bei diesem Geschäft breit.
"Und darf ich auch erfahren, was Ihr mit den Kindern vorhabt, werter Herr?" Langsam strich der Mann bei der Frage über seine Hutkrempe und seine Augen verengten sich.
"Ich will dein Gewissen nicht mit Details belasten, Herr Schnapper. Bring die Ware Donnerstag genau um Mitternacht in die Seitengasse neben der Bahre. Lass sie dort unter der dafür vorgesehenen Plane liegen. Wenn alles gut gegangen ist, kriegst du am Tag danach das Geld. Und ich hoffe, es versteht sich, dass du die Kinder vorher zum Schweigen bringst, bevor du sie mir bringst. Ein Schlafmittelchen wird sich sicher schnell auffinden lassen." Gelassen knöpfte der Schwarzgekleidete seinen Mantel zu, bedacht darauf, dass seine Tasche dabei deutlich hörbar klimperte.
"Aber.. aber was ist, wenn es Komplikationen gibt? Wie.. wie kann ich sie er.." Schnapper schnappte nach Luft. Sogar er hatte ein Gewissen, auch wenn man dieses mit sehr viel Geld kaufen konnte.
"Es wird keine geben. Da bin ich überzeugt. Ich handle ja immerhin mit einem erfahrenen Geschäftsmann, nicht wahr?"
"Natürlich, natürlich." Der Mann warf Schnapper noch einen warnenden Blick zu und verschwand dann im Getümmel der kaufenden Menge.


"Na, du? Willst du vielleicht ein Bonbon? Ist wirklich lecker. Nur drei Cent und damit treibe ich mich selbst in den Ruin." Für ihn ungewöhnlich hatte Schnapper seinen Bauchladen in einer Gegend aufgemacht, die fast menschenleer waren. Tief in den Schatten, wo Kinder auf den Straßen spielten oder in Kisten wohnten, stand er abseits in einer Ecke mit Unmengen von verschiedenem Süßigkeiten.
"Aba ich hab doch gar kein Geld." Das Mädchen sah ihm mit rehbraunen Augen entgegen und schluchzte. Nach der Statur zu urteilen, hatte es schon länger weder ordentliche, noch genug Nahrung bekommen und ihr Gesicht war vom Dreck verschmiert. Schnapper verspürte kurz Mitleid, doch Geschäft war Geschäft.
"Na gut, weil du es bist, bekommst du das Erste gratis. Als Kostprobe, na wie wäre das?" Er öffnete eine Schachtel mit Pralinen und reichte einen extra großen Schokokuss hinüber. Die Augen des Mädchens strahlten vor Glück und beinahe hätte sie in die Hand von Schnapper gebissen, als sie sich die Süßigkeit krallte.
"Na, na. Nicht so gierig. Schön alles aufessen und gut schlucken. Ist doch lecker nicht?" Das Kind nickte, doch ihre Bewegungen waren langsamer als vorher. Ihre Augen trübten sich und langsam sackte sie vor die Füße des gesichtsstarren Geschäftsmannes.
"Scheff? Wir nun haben schon viel Kinder. Die Säcke schon voll sind. Wir nicht haben genug?" Der Troll, der abseits des Ganzen in einem Hauseingang wartete, hob das Kind behutsam hoch und steckte es dann kopfüber in einen großen Jutesack.
"Nein, nein. Die Süßigkeiten und das Schlafmittel haben mich ein Vermögen gekostet. Bring den Sack zu den anderen und hol dir einen neuen. Wir holen uns noch mal fünf, das sollte dann reichen." Schnappers Gewissen klopfte unaufhörlich an die Tür seines Bewusstseins, doch es konnte leider nicht den Eintritt bezahlen und musste stattdessen draußen warten.
"Wie viele?" Der Troll hob einen Daumen und dann den nächsten und versuchte rauszufinden, was Schnapper meinte.
"Versuch nicht zu denken, tu lieber, was ich dir sage. Zeit ist Geld und das ist kostbar. Los, ab mit dir."


Dichte Wolken stritten sich um die besten Plätze und hie und da ergoss sich ein kleiner Regenschauer auf den Dreck, der auf den Straßen und Häusern lag.
"Hast du es dabei?" Gehüllt in einen Umhang flüsterte er seinem Gegenüber zu.
"Ja, drei Stück. Das sollte für ein paar Wochen reichen." Der Gesprächspartner hatte zerlumpte Kleidung und Narben im Gesicht. Er roch penetrant nach Ankh und Fisch zu gleich.
"Ist es frisch?" Die vermummte Gestalt holte ein kleines Säckchen hervor.
"Ja, das Schiff ist gestern eingetroffen. Bin mir sicher, sie vermissen es noch nicht einmal." Er nahm das Säckchen entgegen und wog es abschätzend in der Hand. Der Andere bekam dafür ein kleines Päckchen, das er sofort öffnete.
"Gut, gut. Das sollte erst mal reichen. Wann kann ich wieder mit dir rechn..." Plötzlich knackte etwas und die Männer sahen sich erschrocken um. Zwei Hände legten sich um je einen Mund und verhinderten so, dass ein Laut daraus hervorkam.
"Bitte nicht so laut, ich hab Migräne." Ecatherina kam ins Licht und schaffte es so, den beiden Männern einen Herzinfarkt zu ersparen.
"Verdammt, Eca, kannst du dich nicht früher bemerkbar machen? Wie oft hab ich dir schon.." Der Mann im Umhang versteckte sein Päckchen und versuchte, sich wieder zu entspannen.
"Schick deinen Freund weg, ich muss mit dir reden." Normalerweise war ihr Ton bei ihren Informanten freundlicher, doch sie hatte ihre Gründe, in diesem Fall direkter zu sein.
"He, was soll das. Wer ist diese Zicke überh.." Der Seemann versuchte, sich in seiner vollen Größe aufzubauen, wurde aber von seinem Handelspartner beschwichtig.
"Es ist in Ordnung. Das ist eine.. Bekannte von mir. Wir sehen uns in zwei Wochen wieder, abgemacht?" Er reichte dem verständnislos dreinblickenden Dealer die Hand, welcher diese missmutig schüttelte.
"Ja und lass nächstes mal deine Begleitung zuhause." Er sah sich ein paar mal forschend um und verschwand dann hinter der nächsten Ecke.
"Schien etwas gereizt, der Gute." Ecatherina hockte sich an die Wand und wartete, bis ihr Informant soweit war.
"Verdammt, was machst du hier? Wir haben doch vereinbart, dass wir uns nur in der Bahre treffen, nachdem wir einen Termin ausgemacht haben." Der Mann gesellte sich zu ihr, um nicht noch mehr aufzufallen.
"Tris, ich bin in zivil hier." Der Spieß hielt den Kopf gesenkt und sprach in gesenktem Tonfall.
"Ach so, sag das doch gleich. Was willst du? Für dich hab ich Freundschaftspreise." Tris setzte ein für ihn seltenes Lächeln auf.
"Ich brauche Informationen." Weiterhin blickte Erschreckja zu Boden.
"Eca.. du weißt doch, ich kann dir nicht einfach so meine Leute ausliefern. Ich habe einen Kodex, den ich befolge. Wenn ich jeden, mit dem ich Geschäfte führe, an die Wache ausliefern wür..."
"Ich sagte doch schon, ich bin zivil hier. Du sollst ihn nicht der Wache ausliefern, du sollst ihn MIR ausliefern." Sie hob den Kopf und der Mann konnte in die verbitterten, wenn auch traurigen Augen blicken.
"Oh, verstehe. Eine offene Rechnung. Gut, wie kann ich dir helfen?" Tris nahm einen Zettel entgegen, auf denen die wichtigsten, von ihr bereits gesammelten Informationen notiert waren.
"Er hat einen Kollegen von mir auf dem Gewissen und noch viele andere. Ich will ihn haben!" Ihre Züge verhärteten sich.
"Mhm, außergewöhnlich. Hast du schon Traco dazu befragt?" Der Informant strich sich nachdenklich übers Kinn.
"Er hat behauptet, er kenne ihn nicht." Tris faltete den Zettel zusammen und steckte ihn weg.
"Sieht für mich aus, als wäre es ein Adliger. Gibt es noch einige Exemplare dieser ominösen, schwarzen Rosen?" Mühsam stand er auf und reichte ihr die Hand.
"Ich werde dir eine beschaffen." Sie verweigerte die Hilfe freundlich.
"Gut, ich werde mich umhören. Ich kann dir nichts versprechen, aber sollte der Typ seinen Vorrat aus dem Untergrund beziehen, werd ich ihn schon irgendwie finden. Soll man ihn gleich.. inhuminieren?" Eca riss die Augen auf und starrte ihn fassungslos an.
"Nein, verdammt. Der gehört mir. Ich werde es sein, der ihm das Messer an die Kehle setzen wird, niemand sonst. Ich brauche nur einen Namen. Verstanden?" Ecatherina wusste, dass diese Tat bestenfalls mit einer Degradierung enden würde. Doch man musste Prioritäten setzen.
"Okay. Die Rechnung bekommst du, wenn ich dir die Ware liefern kann. Etwaige Nachrichten wieder am gleichen Ort?" Tris prüfte gerade ein Abflussrohr auf seine Stabilität.
"Ja, der tote Briefkasten scheint schon lange nicht mehr benutzt zu werden. Ich werde ihn zweimal täglich kontrollieren. Viel mehr kann ich jetzt nicht machen. Niemand kann mir etwas dazu sagen und die, die es könnten - sind tot." Der Spieß sah ihm nach, wie er sich elegant an dem Rohr entlang auf das Dach bewegte.
"Dafür bin ja ich da. Aber du weißt, Freundschaftspreis hin oder her - ich bin nicht grad billig." Der Mann drehte sich noch einmal zu ihr, lächelte und ließ seine spitzen Zähne blitzen.
"Dafür bin ich ein Profi!" Und mit diesen Worten verschwand er in der Dunkelheit der Nacht.


"Nun pass schon auf. In diesen Säcken befinden sich lebendige Menschen. Würdest du sie bitte nicht wie eine Keule schwingen?" Schnapper stampfte verdrossen hinter seinem "Kumpanen" her.
"Die aber schon tot sind." Bismut war der idealste Partner, den man haben konnte. Einmal gesagt, sofort vergessen.
"Nein, nicht tot. Nur betäubt. Kannst du dir das verdammt noch mal nicht merken? Lass die Säcke auf deiner Schulter und spiel nicht damit rum. Wir wollen hier niemanden verletzen." Verärgert bog Ruin in die besagte Gasse ein und erblickte mit Zufriedenheit vier große Planen, die dort am Boden lagen. Davor stand ein Schild: "Hir wütigdte eine Epidemi - nicht näher tretigen!". Noch dazu waren die Planen mit Ankh verschmiert, um gewisse Düfte zu unterdrücken.
"Verletzen? Bismut nie jemand verletzen wollen." Er drehte sich abrupt um, was zur Folge hatte, dass Schnapper gegen ihn lief.
"AU, meine Nase! N'n, w'r v'rl'tz'g'n n'm'nd'n, wir liefern nur Ware, verstanden?" Er zog noch ein, zwei mal tief Luft, um sicher zu gehen, dass auch nichts gebrochen war.
"Ware liefern. Das OK ist." Der Troll hob die Plane hoch und verstaute den ersten Sack. Eigentlich fehlte eine Plane, doch sie stapelten die Säcke so, dass alle zugedeckt waren.
"Na dann bin ich mal auf das Geld gespannt." Er rieb sich die Hände und begutachtete die Situation noch einmal.
"Wir nun wieder gehen holen Ware?" Bismut sah gen Himmel und fragte sich, warum es schon dunkel war.
"Nein, nein. Wir machen jetzt einmal ein paar Tage Pause. Das wird noch schwierig genug werden." Eine Tür wurde aufgeknallt und zwei torkelnde Männer kamen aus einer Lokalität, die nur wirkliche Kenner finden konnten.
"Würstchen, heiße Würstchen. Haben die Männer vielleicht Lust auf ein paar leckere Würstchen? Nur 10 Cent das Stück - und damit treibe ich mich selbst in den Ruin." Als sie den Mann erkannten, schlugen sie prompt eine andere Richtung ein. Dabei entging ihnen ein sehr wichtiges Detail - Schnapper hatte nicht einmal Bauchladen dabei.
"Wir nun machen was?" Der Troll kam hinter Ruin zum Vorschein, diesmal mit leeren Händen.
"Was? Ja. Du kannst nach Hause gehen. Hier, das ist für dich. Ich meld mich wieder, wenn ich dich brauche." Er legte ein paar Cent in die steinerne Hand.
"Ich dann jetzt gehen." Der Koloss setzte sich in Bewegung und brachte ein paar kleinere Steine ins Rollen.
"Ja, ja." Schnapper war schon wieder einige Gassen weiter und schrieb während dem Gehen eine kleine Notiz. Jeder Geschäftsmann hatte eine gewisse Ehre und bei Schnapper handelte es sich darum, dass, egal was passierte, wenn Leute zu Schaden kommen sollten, dann sollten sie es wenigstens mit Sachen, die sie vorher von ihm gekauft hatten. TMSIDR sah sich genau um, bevor er einen Schritt nach dem anderen tätigte. Er schlenderte unauffällig zu einer Mauer, die ein Haus von der Gasse trennte. Langsam ging er in die Hocke und begutachtete die Steine. Sie bröckelten schon teilweise ab, doch an einer Stelle konnte man die Umrisse erkennen. Mit den Fingernägeln versuchte er den Ziegel zu lösen, was verwunderlich leicht gelang. Spinnweben zogen sich an der Innenseite des Steines entlang. Schnapper versuchte in das Loch zu sehen, doch es war zu dunkel. Mit gefasstem Mut krempelte er einen Ärmel hoch und tastete sich Zentimeter für Zentimeter vorsichtig vor.
"Verdammt noch mal!!" Eine Kellerassel fühlte sich in ihrem Zuhause gestört und zog es vor, sich eine andere Ruhestätte zu suchen - indem sie über die Hand nach draußen krabbelte. Erschrocken schüttelte Schnapper sie ab und sprang auf, um sie zu zertreten. Doch die Assel hatte bereits das nächste Schlupfloch gefunden und sich durch eine Ritze gezwängt. Nachdem der Händler sich wieder beruhigt hatte, unternahm er einen neuen Anlauf. Diesmal ertasteten seine Finger etwas Hartes. Er zog vorsichtig daran, bis es sich an den Kanten verkeilte. Anscheinend war es zu groß um ganz herausgenommen zu werden. Ruin bückte sich abermals und verzog den Mund, als ein Lächeln ihn begrüßte. Jemand hatte hier wohl einen Totenschädel "beerdigt" und vergessen, ihn zu pflegen. Staub und Spinnweben überlagerten die Öffnungen.
"Sehr witzig." Angewidert öffnete er sachte den Mund und steckte den Zettel zwischen die Zähne. Danach schob er ihn zurück und verschloss die Mauer wieder. Erleichtert verließ er die Gasse und machte sich auf den Weg, um sich seinem normalen Geschäft zu widmen.


Es war eine ruhige Nacht. Ecatherina liebte die Arbeitstage, an denen sie nur nachts unterwegs war. Blöderweise befand sich der tote Briefkasten, zu dem sie wollte, in der Nähe genau dieses Lokals, in dem sie sonst oft zu finden war. Doch hier hatte sie ihre ganzen Informanten, sie konnte die Bahre nicht meiden, sie musste halt nur vorsichtig sein - wer weiß, ob die Wache mit ihrem Verschwinden einverstanden war. Lauschend und in die Dunkelheit starrend beugte sie sich um die Ecke und...
"Guten Abend, die Dame. Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag, ja?" Humph MeckDwarf stand an einer Mauer lehnend genau vor ihr.
"Ach, Mist! Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen, verdammt noch mal?" Eca verschränkte die Arme und sah ihn trotzig an.
"Du hast dich ganze fünf Tage nicht blicken lassen und kein Wort gesagt. Glaubst du, ich drehe Däumchen, bis sich die gnädige Frau wieder entschließt, wieder mal vorbeizuschauen und ihren Beruf auszuüben?" Humph stellte sich genau vor sie und versperrte ihr somit den Weg.
"Verdammt, du weißt, dass ich etwas zu erledigen habe. Du hast das Gleiche auch schon hinter dir."
"Ja und deswegen weiß ich, dass Rache nicht ein ganzes Leben auffressen darf.", erwiderte der Hauptmann, "Hättest du nicht mal ein Wort drüber verlieren können, was du vor hast oder dich dienstfrei stellen lassen? Ich bin mir sicher, angesichts der Sache hätte es dir Daemon sicher gewährt. Aber einfach so abhauen? Tut man das?" Ecatherina hasste es, wenn ihr Bruder mit seinen Belehrungen anfing.
"Ich muss diesen Kerl erwischen, ist das so schwer zu verstehen? Es ist eine Sache zwischen ihm und mir. Er hat ihn vor MEINEN Augen erschossen. Dadurch wurde es persönlich. Ich bin auch in zivil unterwegs, keine Sorge." Der Spieß versuchte sich an ihrem Bruder vorbeizudrängeln, schaffte es aber nicht ganz. Er hielt sie zurück.
"Eca, verdammt. Glaubst du, du hast Narrenfreiheit? Unsere Vorgesetzten werden sich nicht auf der Nase rumtanzen lassen. Was macht das für einen Eindruck auf die Rekruten? Man verschwindet einfach, wenn man was zu erledigen hat. Ist ja egal, man ist ja in der Wache. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und du solltest es auch tun." Er tippte ihr energisch auf die Schulter.
"Als wenn mich das interessieren würde." Der Trotz tropfte nur so aus ihren Worten.
"Das sollte es, ich bin dein VORGESETZTER." Er zeigte auf seine Abzeichen.
"He, schon gehört? Ich bin zivil unterwegs. Ach Mc, komm. Vergiss einfach, dass du mich gesehen hast und ich verspreche, wenn die Sache vorüber ist, komm ich zurück. Ich werde mich auch regelmäßig bei euch melden und Fortschritte oder was auch immer melden. Das ist doch ein Deal, oder?" Ecatherina machte große Augen und sah ihn flehend an. Sie war schon immer die Gesetzeslosere unter ihnen gewesen.
"Eca..." Und Mc der Nachgiebigere.
"He, was hast du zu verlieren? Wenn ich in meinem Milieu arbeite, brauch ich keine Genehmigungen oder sonst was. Ich bin effizienter und die Sache ist auch schnell erledigt. Und du weißt auch, dass ich gut auf mich alleine aufpassen kann." Sie hob stolz das Kinn.
"Zumindest besser als Charlie auf sich." Beide fingen nach einer Minute Pause an zu lächeln.
"Ach, verdammt. Und wehe, du meldest dich nicht regelmäßig. Sonst hetz ich dir Ras auf die Fersen und du weißt, was das bedeutet." Sie nickte grinsend.
"Ich werde zwar mein Reportarie von Ausreden gänzlich ausschöpfen müssen, aber mal schauen, wie wir das hinkriegen. Und solltest du keinen Erfolg haben, blas die Sache ab. Es hat keinen Sinn, wenn es dich auffrisst, ohne dass du weiterkommst. Das mach dich fertig.." Freudestrahlend umarmte sie kurz ihren Bruder, um ihn so um 180 Grad zu drehen und im Schatten unterzutauchen. Nicht einmal verabschieden konnte er sich.
"Immer diese Verrückten." Kopfschüttelnd beendete er seine Nachtschicht und formte bereits die erste Entschuldigung, die er sich einfallen lassen musste.


"Komisch." Tris hielt den Zettel in der Hand und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Er hatte diesen Briefkasten schön öfters benutzt, doch Nachrichten Anderer fand er heute das erste Mal.
"Es hattigte gegeben eine Epidemi neben der Bahre. Sie wurde vertuschdt und nun liegigen die Leichen unter Planen voller Ankh. - Ein anonümer Betrachter" Der Vampir runzelte die Stirn, verknüllte den Zettel und warf ihn achtlos hinter sich. Seine Mission war klar und sie hatte nichts mit etwaigen Epidemien zu tun. Schulterzuckend holte er ein schwarzes Kärtchen unter seinem Umhang hervor, trennte die Kiefer von einander und steckte die Botschaft zwischen die Zähne. Daneben legte er einen Brief mit schwarzen Siegel und blutroten Fäden.


"Wie viele?" Feuer prasselte im Kamin und der Wind ließ ein paar Äste gegen das Glas streichen.
"Es dürften so um die 16 Kinder sein, Mylord." Der Diener verneigte sich, bevor er das Zimmer betrat.
"Alter?" Wohlmanikürte Finger griffen in eine Schachtel, in der Würmer aus Zuckerguss lagen. Genüsslich sog der Mann, der ein beiges Hemd mit schwarzer Hose trug, die längliche Süßigkeit zwischen seine Lippen.
"Ich schätze, von drei bis zehn. Mehr Mädchen als Jungen." Der Diener hielt seinen Blick stets gesenkt.
"Das Geschlecht spielt keine Rolle, aber.. sind keine Älteren dabei? Ich habe extra darauf hingewiesen, jedes Alter." Ein zweiter Wurm, doch diesmal schien er eine andere Farbe zu haben.
"Ich befürchte, Herr Schnapper hat die Bedeutung der Nachricht missinterpretiert, Mylord." Der menschliche Diener holte eine Schachtel aus einem Schrank hervor und füllte die Leckereien auf, die seinem Geldgeber so schmeckten.
"Ja, das ist möglich. Bring ihm seinen Lohn und sage ihm, die nächste Lieferung soll von zehn Jahren aufwärts sein - und diesmal sei ein wenig energischer. Gold spielt keine Rolle." Der Mann stand auf und legte eine Hand auf eine goldenfarbene Klinke.
"Und nun werde ich nach oben gehen, ich wünsche keine Störung." Quietschend öffnete sich die schwere Tür, die eine Treppe hinter sich verbarg.
"Natürlich, Mylord." Nachdem sie wieder ins Schloss fiel, holte der Diener Mantel und Zylinder, setzte ein hämisches Grinsen auf und eilte hinaus, um Schnapper seinen Sold und vor allem die Nachricht zu überbringen.


Zwei Tage mussten vergehen, bis Ecatherina eine Nachricht von ihrem Informanten bekam. Er war der Teuerste von allen, dass war wohl bekannt, doch er war auch der Effizienteste. Wenn es um eine dringend benötigte Information ging, war er die erste Wahl. Sie nahm das schwarze Kärtchen an sich, schlug es auf und verschluckte sich fast an ihrem eigenem Speichel.
"Fünfzig Dollar??? Und wo ist da der Freundschaftspreis geblieben?? Na, ich hoffe, das ist die Information auch wert!!" Nervös und vorfreudig zugleich nahm sie den versiegelten Brief zur Hand und begutachtet das Siegel. Eindeutig, eine Nachricht von Tris. Zitternd zerriss sie den Umschlag und holte das Papier heraus. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund beugte sich der Schwerkraft. Auf dem Zettel stand ein Satz - und dafür sollte 50 Dollar zahlen! Eine Frechheit, über die sie mit ihrem sogenannten "Freund" noch ausführlicher reden musste. Die Wächterin steckte den Zettel weg und ließ sich den Satz noch einmal durch den Kopf gehen.
"Bruderschaft des untergehenden Mondes - was für ein Schwachsinn. Wie bitte soll mir das weiterhelfen?"


Ein gut abgefüllter Mann torkelte durch die Gassen und stieß ein paar Mal gegen diverse Wände. Er hatte eine zur Hälfte gefüllte Flasche in der Hand und nuckelte ständig an ihr - oder versuchte es zumindest.
"Wasch fffür eine sch.. schööne Nascht." Der Mann drehte sich mit erhobenen Händen und den Blick gen Himmel gerichtet, dreimal im Kreis und stolperte so über eine hervorragenden Stein im Kopfsteinpflaster. Er schwankte, torkelte und fiel im großen Bogen in eine Gasse, wo er sich noch rechtzeitig an einem Schild festhalten konnte.
"Hicks." Vor ihm lagen mehrere Planen, wohl gestrichen mit Ankh-Farbe und verbargen mehrere unter sich begrabene Dinge. Nach den Wölbungen zu urteilen drei Stück.
"Wie sch.. schön. Ein.. Plllätschen zum Sch..schlafen." Der Mann ließ sich auf eine der Planen fallen und streckte sich erst mal kräftig. Ecatherina sah dem Ganzen aus der Ferne vorerst argwöhnisch zu, verlor aber immer mehr das Interesse daran.
"Wasch da wohl darunter sch..schein mag.." Er hob eine Plane an und blickte neugierig darunter. Fast graziös und unbemerkt glitt seine Hand zu dem Etwas, dass dort verborgen war und schien an etwas zu zerren.
"Zwei." Flüsterte er vor sich hin und setzte einen besorgen Blick auf.
"Nee, dasch schtinkt mir h..hier zu viel. Da kann man nischt sch..schlafen." Mühsam richtete er sich auf und torkelte aus der Gasse heraus - befleckt mit einigen Teilen des Ankhs. Genau in diesem Moment ratterte eine Kutsche um die Ecke und streifte den Betrunkenen so, dass er zu Boden stürzte. Fluchend und klagend blieb er liegen. Der Kutscher zügelte seine Pferde sofort und eilte vom Kutschbock.
"Oh, das tut mir furchtbar leid. Haben sie sich etwas getan, werter Herr?" Der Mann versuchte dem anscheinend Verletzten auf die Beine zu helfen, doch es misslang mehrere Male.
"Du.. du Ischiot! Meine Füschhe!" Der Betrunkene versuchte den Mann wegzustoßen, traf aber ins Nichts.
"Mein Herr, ihr könnt versichert sein, es war nicht meine Absicht. Ich werde Sie natürlich zum nächsten Heilpraktiker bringen." Der Kutscher packte den Mann nun unter beide Armen und versuchte so, ihn hoch zu zerren. Gerade in diesem Moment kam Ecatherina aus ihrer Gasse heraus gerannt. Sie hatte den Unfall mitangehört und wollte zur Hilfe eilen.
"Kann ich vielleicht irgendwie behilflich sein? Ich kenne mich ein wenig mit Verletzungen aus." Ecatherina trat neben die Männer und versuchte, einen Blick auf den Besoffenen zu werfen.
"Nein, nein. Ich habe alles voll im Griff. Keine Sorge, dem Mann wird es gleich besser gehen." Der Kutscher versuchte, die Frau wegzudrängen, um den Verletzten in das Innere hieven zu können.
"Aber.." Eca wollte zur Hand gehen, wurde aber nur weggeschubst.
"Meine Termine sind sehr wichtig, verstehen Sie?. Ich werde den Mann mitnehmen und behandeln lassen - keine Sorge, es wird ihm an nichts fehlen." Der Kutscher - der, wie die Wächterin gerade feststellte, mit Zylinder und Mantel unterwegs war - wurde langsam energisch und Ecatherina zog es vor, ein paar Schritte zurück zu treten.
Der Betrunkene jedoch zupfte seinem Helfer kurz am Arm und beide wechselten vielsagende Blicke. Nach einer kurzen Bedenkpause ergriff der Kutscher wieder das Wort.
"Obwohl, wie alt seid Ihr eigentlich, Madam?" Er warf einen kritischen Blick auf sein sich langsam entfernendes Gegenüber.
"Ähm, ich bin 19, warum?" Ecatherina blieb stehen und sah ihn argwöhnisch an.
"Nun, wenn ich es mir recht bedenke - vielleicht brauche ich doch Hilfe. Würden Sie vielleicht näher kommen und sich die Wunden des Mannes ansehen? Nicht, dass es sich verschlimmert, bis wir zu einem Heiler kommen." Der plötzliche Sinneswandel irritierte Ecatherina, doch sie stufte die Situation nicht weiter gefährlich ein. Sie kam näher, kniete sich über den Verletzten und.. merkte plötzlich, wie es stockdunkel um sie herum wurde. Zwei Männer standen nun hinter der Bewusstlosen, die vorhin noch nicht da gewesen waren.
"Legt sie rein zu den Säcken und dann dreht ein paar Runden, um sicher zu gehen, dass uns keiner gefolgt ist." Die zwei Männer nickten und der einst verletzte Mann erhob sich von seiner Position und nahm lächelnd im Inneren der Kutsche Platz.
"Und jetzt bitte nicht so schnell. Mir wird da immer so übel davon." Der Mann lehnte sich an die neben ihm gestapelten Säcke und machte es sich sichtlich bequem.
"Ach halt's Maul."


Es polterte und ratterte und ein ahnungsloser Passant konnte sich noch in letzter Sekunde zur Seite werfen, um nicht umgefahren zu werden. Seine Kleidung wurde mit Matsch und Schlamm bespritzt und neben ihm auf dem Boden erklang hektisches Fluchen.
"WAS für eine Schweinerei.. *grmpf*!!!" Harry war von der Schulter weg genau in eine Pfütze voll.. nun sagen wir, flüssigem Dünger gestürzt. Mit Händen und Füßen rudernd, versuchte er, nicht unterzugehen. Bis er endlich Halt fand und sein Oberkörper triefend in die Luft ragte.
"Harry, ich glaube, ich habe gerade Eca gesehen." Robin stand auf und putze so gut wie möglich seine Kleidung.
"Wenn ich diesen Typen erwische, dann...!!" Der Gnom kletterte aus dem "Wasser" und stampfte mit klatschenden Bewegungen hin und her, seine Hände in die Hüften gestemmt.
"Harry, ich habe Eca gesehen." Der Stellvertreter von DOG sah den Stabsspieß mitleidig an.
"Das ist wirklich eine absolu.. du hast was?" Ihm war so, als hätte er gerade einen Namen gehört, den er schon länger vermisst hatte. Vor allem den Mitgliedern bei DOG war das Verschwinden der ehemaligen Abteilungsleiterin als erstes aufgefallen.
"Ich sah unsere ehemalige Chefin in der Kutsche." Er zeigte in die Richtung, in der das rollende Ungetüm unterwegs war.
"Bist du dir da ganz sicher?" Seine Augen weiteten sich, während er versuchte, das Nass abzuschütteln.
"Ja, ich konnte ihren Kopf sehen. Er hängte knapp aus dem Fenster." Robin reichte dem Gnom ein Taschentuch.
"WAS sagst du da? Ich hab's gewusst! Ich hab's von Anfang an gewusst. Eca wurde entführt! Los, der Kutsche nach. Die Spuren sind noch frisch. Den Kerl erwischen wir, der es wagt, einen DOG zu entführen. Na, warte!" Ohne auf eine Reaktion zu warten, warf der Stabspieß das Tuch zur Seite, sprang über die Pfütze und fing an, den Spuren entlang zu sprinten.


Die Kerzen wurden einzeln angezündet und Schein brachte einige im Kreis stehende Stühle zum Vorschein. Sie waren mit samtrotem Stoff überzogen und boten genügend Platz für die Männer und Frauen in vornehmen Gewändern - allesamt schwarz.
"Wann kommt die nächste Lieferung?" In der Mitte des Kreises lag ein junges Mädchen. Es atmete schwer und hatte rote Einstiche auf beiden Armen.
"Sie sollte demnächst ankommen."
Die Kleine hatte rote Ringe unter den Augen und war nur knapp bekleidet.
"Und Ihr könnt für seine Verschwiegenheit garantieren?"
Ihr rechtes Auge zuckte hin und wieder und sie schien unter Blutarmut zu leiden, so blass war ihre Haut.
"Absolut. Ich habe ihn selber ausgesucht."
Ihr Brustkorb hob und senkte sich, doch im fehlte der normale Rhythmus.
"Und wie gehen unsere Forschungen voran? Unsere Geldgeber sind schon nervös. Wir mussten bereits ein paar Einbußungen hinnehmen."
Schwarze Fingernägel, von Dreck gefärbte Füße und krauses Haar verrieten auf den ersten Blick, dass das Kind nicht aus reicher Familie stammte.
"Wir konnten heute den ersten Erfolg verzeichnen. Das war auch der Grund für die heutige Versammlung."
Der Mund des Kindes öffnete sich kurz und ein schwaches Husten kam hervor.
"Meine Damen und Herren, wenn ich nun endlich um Ruhe bitten dürfte, dann könnten wir anfangen." Die Stimme war lauter, als die anderen zuvor.
"Selbstverständlich... Ohne Frage, Mylord.. Das wird auch schon Zeit... Ist es wirklich schon so spät?.. Lasst ihm doch nun endlich das Wort!.. Ja ja, schon gut.... Hört, hört..." Nachdem sich die Versammlung einig war, wurde es ruhig und für kurze Zeit konnte man nur das Atmen und Keuchen des Kindes hören.
"Wie bereits erwähnt wurde, konnten wir heute unseren ersten Durchbruch verzeichnen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird unsere Methode Gang und Gebe sein, für jene, die es sich leisten können." Der Mann stand auf und ging lauernd um das Kind herum.
"Das Blut und ein paar andere Kleinigkeiten scheinen für die Krankheit verantwortlich zu sein. Nach einem Austausch dieser, wird das Objekt wieder sterblich." Er stieß das Mädchen mit der Fußspitze am Kopf an und gab so zwei Bissspuren an ihrem Hals preis.
"Dieses hier war eines der ersten Infizierten. Heute können wir den... Versuch beenden." Der Sprecher schnippte und ein Diener eilte mit einem spitzen Stock herbei.
"Ihr habt das Objekt am Anfang der Tortur gesehen und nun werdet ihr Zeugen der Veränderung sein." Der Mann nahm den Stock in beide Arme und rammte ihn in die Bauchgegend des wehrlos am Boden liegenden Körpers. Ein stiller Aufschrei, mehrmaliges Husten und einige Blutstropfen rannen aus dem Mund und fielen auf den reinen Marmorboden.
"Wie ihr seht, ist das hier ein einfacher Stock. Kein Metall weit und breit und die Wunde ist in der Bauchgegend. Also ein normales Vorgehen.. Nun heißt es, abwarten." Klatschen füllte kurz den Raum, dann setzte sich der "Vorsitzende" zurück auf seinen Sessel und sah zu, wie die Pfütze auf dem Boden größer und größer wurde. Neben ihm stand schon der Diener mit Kübel und Lappen bereit.


Ein Mann, ganz in schwarz gekleidet und mit einer Armbrust bewaffnet, stand in einer Ecke des Raumes und lauschte. Das matte Lichts des Mondes spiegelte sich auf seinem Siegelring wieder, der ein zweigeteiltes Wappen mit einer mittig gesetzten Spritze zeigte. In der einen Hand hielt er eine schwarze Rose, in der anderen Hand einen Zettel: "Bruder, wir haben einen Verräter. Er wird das Wohl seines Fleisches über das unserer Bruderschaft stellen. Um deiner Seele willen, kümmere dich darum." Der Mann steckte den Zettel in eine Tasche und ging leisen Schrittes durch den dunklen Raum. Auf dem Boden lag eine bleiche Gestalt in einer Lache ihres eigenen Blutes. Die Augen des Mädchen waren fahl und blickten in die Leere der ewigen Finsternis.
"Lupus morbum afferet, mors madelam." Ungerührt stieg er über sie hinweg und bewegte sich elegant und sicheren Schrittes zu der offenen Tür.


Kerzenschein flackerte in einem Schlafraum und malte Schatten an die Wand. Eine Hand fuhr langsam in die Höhe und tastete sich vorsichtig am Kopf entlang. An einer Beule angekommen, verharrte sie abrupt und ließ dem Kopf die Möglichkeit, nach oben zu schellen.
"AU, verdammt. Was soll das?" Ecatherina hatte nun die Augen weit aufgerissen und begutachtete ihre Umgebung. Sie lag in einem gemütlichen Bett, dass in einem schön eingerichteten Zimmer ruhte - um nicht zu sagen, teuer eingerichtet. Die Wächterin sah an sich herunter und musste zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sie nur spärlich bekleidet war. Ihr sonst so verhüllter Körper wurde nur mehr von ein paar kurzen Fetzen verdeckt - jedoch musste man auch sagen, dass die paar Fetzen mehr wert waren, als Ecatherinas gesamtes Outfit. Es schien eine Art Seide zu sein und für Ecas Geschmack viel zu hell - es war blau. Schnell warf sie die Decke beiseite und trippelte barfuss zum Kleiderschrank, der dem Bett gegenüber stand.
"Offler sei Dank." Schnell schlüpfte sie in ihre Klamotten und verstaute das Nachthemd in eines ihrer Taschen - immerhin hatte sie 50 Dollar zu zahlen und das musste man ja irgendwo herbekommen. Leichte Kopfschmerzen zogen sich durch ihren Kopf und ein Hungergefühl machte sich bemerkbar. Sie eilte zur Tür und betätigte die Klinke - sie war offen. Einen Spalt breit schob sie die Tür nach außen und lugte in den Gang. Doch es war nichts zu hören und auch nichts zu sehen. Schnell verschwand sie nach draußen und schob die Türe zurück. Mit den Fußspitzen schlich sie den Flur entlang und die Treppen hinunter ins Erdgeschoss.
"Ah, ihr seid bereits munter. Wie erfreulich." Erschrocken drehte sich die Wächterin um und blickte zu einem Mann hinauf, der schwarze Abendgarderobe trug und einen Zylinder in der Hand hatte.
"Es tut mir furchtbar leid, aber anscheinend gingen die Pferde durch und Sie bekamen einen Schlag auf den Kopf. Ich hoffe, Sie sind nicht weiter verletzt." Ecatherina grübelte, erkannte dann aber den Kutscher, der an dem Unfall beteiligt gewesen war.
"Nein, es geht schon." Ein wenig ängstlich sah sich der Spieß in dem riesigen Raum um. Es dürfte die Eingangshalle sein und zu einem sehr großen Haus zu gehören.
"Ich werde sofort dem Hausherren berichten, dass Sie munter sind. Wenn Sie hier bitte warten wollen." Er warf seinen Hut in Richtung Kleiderständer, welcher anfing unter dem plötzlichen Gewicht und der zunehmenden Drehung zu taumeln. Doch dem Rotationsprinzip gleich, kamen beide in Einklang und verharrten nach einigen Momenten in ruhiger Position.


"Welches Haus ist es?" Die beiden DOGs untersuchten die Straßen auf beiden Seiten und versuchten so herauszufinden, vor welchem Gebäude die Kutsche stehen geblieben war.
"Also wenn ich die Spuren richtig deute, müsste es dieses dort sein." Harry zeigte auf ein riesiges Anwesen, dass durch einen robusten, hohen Eisenzaun vom Rest der Straße abgeschirmt wurde.
"Wie kommst du drauf?" Robin kam näher. Die Spur, die sie bis hier her geführt hatte, verlor sich in vielen anderen. Anscheinend hausten hier im Umfeld viele reiche Leute, die ihre Kutschen tagtäglich nutzten.
"Sieh doch die Bremsspuren. Du hast gesagt, die Kutsche schien schwer beladen gewesen zu sein und diese hier reichen sehr weit. Noch dazu sind sie am frischesten - würde ich sagen." Der Gnom zuckte mit den Schultern, doch Robin hatte nichts Gegenteiliges zu sagen. Also mussten sie mit dieser Vermutung vorlieb nehmen. Der Stellvertreter von DOG versuchte die Klinke des schweren Eisentores zu drücken, doch außer einem Klappern, das durch das Drücken verursacht wurde, geschah nichts.
"Wir könnten fragen, ob hier kürzlich eine Kutsche angekommen ist. Immerhin war sie zu schnell und es wäre ein Grund, mal einen Blick hineinzuwerfen, oder nicht?.." Harry legte den Finger an den Mund.
"Und wenn sie verneinen? Wir haben keinen Durchsuchungsbefehl oder sonst etwas, dass uns helfen könnte." Robin sah sich nach einer Klingel oder Läutdämon um, um irgendwie an die Eingangstür des Hauses zu kommen.
"Aber du könntest den Butler ablenken und ich könnte mich ins Haus schleichen. Eine kleine inoffizielle Inspektion kann doch niemanden schaden - und es handelt sich immerhin um eine Entführung unserer ehemaligen Abteilungsleiterin." Harry kletterte wieder auf die Schulter seines Kollegen, da er von unten nicht so viel erkennen konnte.
"Ja, da hast du vielleicht reicht." Picardo hatte sich nun damit abgefunden, dass es keinen Weg nach Innen gab und ging nun den Zaun entlang, mit der Hoffnung, einen Nebeneingang oder Ähnliches zu finden.


"Ah, ein Gast. Wie schön!" Ecatherina war gerade dabei, die Bildersammlung zu betrachten, als hinter ihr eine Stimme erklang. Sie erschrak und fuhr so schnell herum, dass sie einen Windzug erzeugte, der ein Kunstwerk in Form einer Kunstturmattrappe ins Wanken brachte. Aus den Augenwinkeln konnte Eca noch sehen, wie das Werk von der Kante glitt und kurze Zeit später mit viel Krach am Boden aufprallte und in tausend Teile zersplitterte.
"Ähähm.." Die Wächterin drehte sich nun endgültig zum Hausherren herum, der in samtiges Grün gekleidet war.
"Oh. Nun ja, es war schon alt. Ich glaube, ich kann es verkraften." Er schnippte mit den Fingern und ein Diener eilte mit Besen und Eimer heran. Der Wächterin war der Vorfall so peinlich, dass sich ihre Wangen rot färbten. Um einer Demütigung zu entgehen, entschloss sie sich, dem Diener zu helfen und die Scherben aufzuheben.
"Wie alt?" Ecatherina blickte auf und bemerkte, dass sie gar nicht angesprochen wurde.
"19, Mylord." Der Kutscher, der noch eben in Abendgarderobe gekleidet und nun in bessere Dienstkleidung gehüllt war, war ohne einen Laut von sich zu geben, neben dem Hausherrn aufgetaucht.
"Sehr gut. Bring sie doch ins Gästezimmer; wir werden sie erst morgen brauchen." Beide lächelten sich zu und der ehemalige Kutscher packte Ecatherina energisch am Arm.
"Aber ich.." Sie versuchte sich zu wehren, entkam aber nicht dem festem Griff.
"Keine Sorge, meine Liebe. Es wird Ihnen hier gefallen. Wir leben hier in Luxus - etwas, dass Sie wohl noch nicht gewöhnt sind. Aber keine Sorge, Sie können sich hier frei bewegen. Tun und lassen, was Sie wollen. Ich würde aber raten, nicht nach draußen zu gehen. Die Hunde werden nachts nicht eingesperrt, um ungebetene Gäste fernzuhalten." Ecatherina schnappte nach Luft.
"Aber ich..." Der Hausherr hatte bereits das Interesse verloren, öffnete eine schwere Holztür und stieg die Treppen hoch.
"Wenn Sie Hunger haben, brauchen Sie nur etwas zu sagen. Es werden Ihnen Gaumenfreuden zubereitet, die Sie nie wieder vergessen werden. Das kann ich Ihnen versichern." Er lächelte Ihr aufmunternd zu, ließ aber den Griff nicht locker.
"Auf was ich aber bestehen muss, ist, dass Sie der Treppe dort fern bleiben." Er zeigte auf die Tür, hinter der der Gastgeber soeben verschwunden war.
"Es sind die Gemächer des Hausherren und er hat es nicht gern, wenn man in sein Schlafzimmer eindringt. Privatsphäre - Sie verstehen?" Die Wächterin nickte nur und hoffte innerlich, dass ihr Gegenüber die Hand los lassen würde.
"Sehr schön, dann werd ich Sie nun zurück ins Gästezimmer führen und die Küchenmagd nach oben schicken. Sollten Sie irgendwelche Wünsche haben, lassen Sie es ihr wissen. Sie können natürlich noch ein wenig durchs Haus wandern, ich würde Ihnen aber vorschlagen, früh ins Bett zu gehen. Die Nacht ist nicht mehr jung." Zwar nickte Ecatherina abermals, doch es war kein fröhliches Nicken. Angst kam in ihr auf und sie spürte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete. Sie fühlte sich beengt - und das nicht nur von dem Griff - nein, von dem ganzen Haus, um nicht zu sagen, sie fühlte sich gefangen. Was nur hatte der unheimliche Hausherr damit gemeint, dass er sie erst morgen benötigen würde?


Der ehemalige Kutscher streifte sein Gewand ab und legte es sachte über die Lehne des Stuhls. Kurz strich er es glatt und setzte sich dann aufs Bett und zog sich sein Nachthemd an. Eine Kerze stand neben ihm und als er sich ein wenig drehte, um mit der Hand besser hinein zu kommen, gab er den Blick auf eine Tätowierung frei. Sie zeigte einen Vollmond, einen verhüllten Mann mit Messer und eine Gestalt, die gerade dabei war, sich in einen Werwolf zu verwandeln - oder zurück. Das konnte man interpretieren, wie man wollte. Doch, was Ecatherina sicherlich mehr interessiert hätte, war die Tatsache, dass der Wolf Wunden aufwies, aus denen er blutete und neben ihm lag eine kleine, schwarze Rose.

Ruhe kehrte im Haus ein und Ecatherina lag still und lauschend im Bett. Gedanken kreisten in ihrem Kopf und alles führte darauf hinaus, dass hier etwas nicht stimmte. Der plötzliche Sinneswandel des Kutschers, das mehrmalige Fragen nach ihrem Alter, das Verbot, nach oben zu gehen. Es war zwar kein Zwang, doch sagte man Ecatherina, dass sie etwas auf keinem Fall tun solle, so wurde der Reiz - wie wohl für viele andere auch - es trotzdem zu tun, immer größer. Nach langem, inneren Hin und Her streifte sie die Decke ab, legte die Hand auf die Türklinke und drückte diese möglichst geräuschlos hinunter. Erschreckja schlich so leise wie möglich auf Zehenspitzen die Treppe nach unten zu der Tür, die ihr vorhin gezeigt wurde. Es trug ein eingraviertes Wappen, dass ihr nicht viel sagte. Anscheinend das Wappen des Hausherren. Sie versuchte die Tür zu öffnen und stellte zufrieden fest, dass sie nicht verschlossen war. Es knarrte zwar, doch Niemand schien es zu hören. Es blieb ruhig und dunkel. Vor ihr lag eine Treppe. Ecatherina betrat die Stiegen und sah sich um. Der Aufgang war dunkel, hatte keine Fenster oder Kerzenhalter. Ecatherina stieg hinauf und an der Zeit, die sie unterwegs war, erkannte sie, dass sie mindestens zwei Stockwerke passiert haben musste, als sie am Ende der Treppe in einen Korridor ohne Fenster trat. Außer einer Tür am anderen Ende war nichts zu sehen. Schwer atmend schlich sie weiter, den Gang entlang und blieb vor dem Zugang stehen. Der Spieß beugte sich nach unten und strich mit dem Zeigefinger über eine dunkle Lache. Sie schien frisch zu sein und roch eindeutig nach Blut. Einen Geschmackstest wollte sie nicht durchführen, ihr ekelte davor. Ein triumphierendes Gefühl kam in ihr auf und von neuem Mut bepackt drückte sie die Klinke nach unten - doch die Tür war verschlossen.
"Verdammt! Und diesmal hab ich meine Chemikalien nicht dabei!" Ecatherina kniete sich zum Schloss hinunter und betrachte es nachdenklich. Sie hatte keine Ahnung, was sie nun tun sollte. In dem Schloss steckte kein Schlüssel, noch hatte es irgendwelche Schrauben oder dergleichen. Erschreckja stand auf und wollte die Scharniere überprüfen, doch, zu ihrem Erstaunen, gab es keine. Stattdessen gab es einfach einen Spalt in der Wand. Kurz dachte sie nach, dann klatschte Ecatherina sich auf die Stirn. Sie steckte einen Finger ins Schloss und drückte Richtung des Spaltes - und siehe da, die Tür bewegte sich.

Der Raum sah eher wie eine Art Labor als ein Schlafzimmer aus, obgleich Jemand darin schlief. Auf einem Bett lag ein Mann - nur seine Blöße war bedeckt - und in seinen Körper führten mehrere Schläuche, die von mehreren Gefäßen gespeist wurde. Sein Gesichtsausdruck schien friedlich, so, als wenn er schlafen würde. Ecatherina trat näher und hatte plötzlich ein seltsames De-scha-wü. Der Mann ähnelte dem Hausherrn, doch schien dieser hier einige Jahre jünger zu sein. Sein Köper war auch ein wenig... sportlicher, könnte man sagen. Man hätte ihn glatt als Doppelgänger durchgehen lassen können und niemand hätte es gemerkt - mit ein wenig Schminke halt und grauer Farbe. Ecatherina sah sich weiter um und fand noch einen Raum, der viel größer als der Vorherige war und tatsächlich wie ein - gut ausgerüstetes - Labor aussah. Auf den Krankenbetten lagen Säcke, von denen einer zu bluten schien. Einzelne Tröpfchen hatten sich am Lacken gebildet. Ecatherina drehte sich nach rechts und musste sofort ihre Hand vor den Mund halten, sonst wäre das kürzlich gegessene Abendmahl in einem Stück wieder hochgekommen. Eigentlich wollte sie nicht wissen, was in den Säcken war, doch es gab keinen Zweifel. Es war ekelerregend, es war grausam... es war einfach nur krank!


"Verdammt, er hat sich in meiner Jacke verbissen!!" Robin hatte Harry über den Zaun gehoben und musste nun mit ansehen, wie er von einer Meute wütender Hunde umzingelt wurde. Er konnte sich zwar grad noch auf eine kleine Anhöhe retten, doch es reichte nicht aus, um den Zähnen der Bestien zu entgehen.
"Dann zieh sie aus und versuch irgendwie, herüber zu kommen!" Robin bangte um seinen Kollegen.
"Das kann ich nicht, ich hab mich drin verfangen!!" Irgendwie hatte er es geschafft, einen Fuß in einen Ärmel zu bekommen, den zweiten hatte er an einen der Hunde abtreten müssen.
"Verdammt, Harry. Dann versuch doch, sie in zwei zu reißen!" Er konnte nichts tun, als hilflos dazustehen.
"Das macht das Vieh schon alleine!! Aber ich kann mich nicht mehr lange halten! Robin, mach doch was!!" Harry klammerte sich verzweifelt an eine Kante, rutschte aber immer weiter ab.
"Was soll ich denn tun??"
"Keine Ahnung was, aber wenn du's nicht bald tust, bin ich Hundefutter!!!" Schweiß bildete sich auf der Stirn des Stellvertreters und er ging nervös auf und ab.
"Harry, halte aus, ich hole dich da raus!!"
"Du hast gut Reden, an dir hängt ja keine Meute von Mistkötern, die dich zum Frühstück haben wollen!!" Nur mehr ein kleines Stück und aus wäre der Traum eines mutigen, kleinen Gnoms gewesen. Kurz herrschte Stille seitens des Vorgesetzen doch dann, dann hätte Harry fast seinen Augen nicht getraut. Robin saß nun so gut er konnte auf dem Zaun und schwang seine Jacke. Währenddessen beschimpfte er die Hunde auf allerübelste, welche nun langsam das Interesse an dem kleinen Snack verloren.
Die Hunde fingen nun an, gegen das Gitter zu springen und kläfften, was das Zeug hielt. Harry konnte sich noch rechtzeitig abfangen und saß nun da und starrte Robin an, dessen Jacke gerade als Hundespielzeug diente. Nach einer kurzen Sich-fangen-Pause schlüpfte er aus seiner kaputten Jacke und hüpfte so leise wie möglich nach unten, um so schnell, wie er es schon länger nicht mehr getan hatte, zu der Eingangstür zu laufen und zu hämmern - für die Klingel war er leider zu klein gewesen.

Ecatherina konnte sich von dem Anblick, der sich ihr bot, nur schwer losreißen und hörte, wie Schreie, Kläffen und Schritte laut wurden. Anscheinend wurden die Bewohner von den Hunden oder demjenigen, den sie in den Fängen hatten, geweckt. Für die Wächterin bestand nun die Chance, zu entkommen. Schnell stürzte sie die Treppe hinunter, prallte im Erdgeschoss gegen einen Diener und rannte durch die - zur ihrer verdammt großen Freude - offene Eingangstür. Dabei hätte sie fast einen Gnom überrannt, der ihr zwar bekannt vorkam, doch in ihrer Eile einfach ignorierte. Nur ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihr einen Mann, der sich am Zaun festgeklammert hatte und viele Hunde, die davor knurrend Platz genommen hatten. Irgendwo daneben lagen Kleidungsfetzen. Innerlich hätte sie den Mann mit Küssen beglücken können, denn so nahmen die Wächter des Hauses keine Notiz von ihr. Sie sprang auf das Tor, das noch immer verschlossen war und kletterte so gut es eben möglich war auf die andere Seite. Es bereitete ihr zwar Mühe und beschaffte ihr blaue Flecke, sowie einige blutige Schrammen, doch das alles nahm sie in Kauf um weg zu kommen von dem Haus, das ihr womöglich zum Verhängnis hätte werden können. Sie wollte sich an einem Mann rächen, der das Leben ihres Kollegen genommen hatte und war dabei in eine Situation geschliddert, die das ihrige hätte kosten können. Ohne zu überlegen oder Gedanken zu verschwenden, dem Mann am Zaun - der ihr komischerweise auch bekannt vorkam - zu helfen, rannte sie so schnell sie konnte. Einfach nur dorthin, wo die Füße sie trugen. Dann, eine Stunde später, blieb sie auf der gegenüberliegenden Seite in irgendeiner Gasse der Schatten stehen und sank in sich zusammen. Sie legte ihre Hände auf die Augen und sah, was sich dort im Labor, dass sie nicht betreten hätte dürfte, abgespielt hatte:

In einem winzigen Käfig, der nicht einmal einem kleinen Hund genug Platz geboten hätte, war ein Wolf eingepfercht worden. In seinen Augen spiegelte sich großes Leid und Wissen über etwas, dass viele versuchten, geheim zu halten. Sein Fell war an manchen Stellen abgewetzt und rote Striemen zogen sich über seinen Rücken. Neben ihm standen riesige Behälter mit verschiedenen Flüssigkeiten, ein paar davon schienen Blut zu enthalten. Und dann noch... Auf mehreren Betten lagen Kinder verschiedenen Alters, doch keines von ihnen hatte das zehnte Lebensjahr bereits erreicht. Alle hatten das gleiche Mal am Hals und ihre Hände waren zerstochen mit Nadeln, die man ihnen hineingebohrt hatte. Ihre Münder waren zugeklebt worden und ihre Körper an die Betten gebunden. Viele der wohl schon länger dort Gefangenen lagen in ihren eigenen Ausscheidungen. Um ihre Hälse hatte man silberfarbige Ketten gelegt, welche dazu führten, dass manche von ihnen dort rote verkrustete oder noch immer blutende Stellen hinterließen. Alle Kinder waren bleich, aus je einer der Schläuche rann Blut in einen großen Topf. Ecatherina konnte die einzelnen Tropfen noch plätschern hören. Andere wiederum lagen mit offenem Brustkorb herum und neben ihnen stand ein kleines Tischchen, auf dem Organteile gestapelt wurden. Eines dieser Kinder bewegte sogar noch die Augen. Auf einer Wand wurden Zeichnungen aufgehängt, die von einer Krankheit rührten und wie man sie bekämpfen konnte: Darunter waren Methoden wie Aderlass, Schocktherapie, verschiedene Chemikalien spritzen und was das furchtbarste war - es wurde beschrieben, wie manchen Versuchsobjekten das Gehirn entfernt , behandelt und dann wieder eingepflanzt wurde. Erschreckja konnte es nicht länger verhindern, sie würgte, Erbrochenes verteilte sich halb auf ihrer Kleidung, halb auf den Steinen der Straße. Weit entfernt konnte sie eine Kutsche hören und wie von einer Tarantel gestochen zuckte sie zusammen und rollte sich auf der Straße zusammen - mitten in den Überresten ihres vergangen Mahles. Eines wusste sie, wenn sie das Haus noch einmal betreten sollte, dann garantiert mit einer Übermacht an Wächtern und einem scharf geschliffenen Dolch für den Mann, der dafür verantwortlich war.


"Geht es dir gut, Harry?" Der Gnom saß mürrisch auf der Schulter des Menschen und starrte geradewegs vor sich hin.
"Wenn du dir Sorgen über Eca machst, wir kriegen sie da sicher raus. Ich mein, nur weil sie so schnell geflüchtet ist, heißt es noch lange nicht, dass sie den Hausherren ermordet hat." Der Gnom schien gar nicht auf die Worte zu hören.
"Noch dazu hat Eca sicher nichts mit schwarzen Rosen zu tun - hoffe ich mal." Stille auf der Schulter des Korporals.
"Ich mein, und wenn doch, dann war es sicher nur Notwehr. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass Ecatherina bewusstlos in der Kutsche lag. Wir können also für sie aussagen." Anscheinend hatte Harry heute nicht mehr vor, irgendein Gespräch zu führen. Er saß halb nackt auf der Schulter seines Vorgesetzten, nur bedeckt mit einem vom diesem geborgten Taschentuch. Der Rest seiner Kleidung war dabei drauf gegangen, als er von Ecatherina niedergerannt wurde und in einen Haufen voller Hundekot gefallen war. Das schlimmste an der Sache war aber die Tatsache, dass er Kopf über landete - was einem schreiendem Gnom wohl etwas die Sprache verschlagen könnte.


Epilog:
Die Sonne warf bereits die ersten Strahlen auf die am Boden kauernde Gestalt, als ein Mann sich mit langsamen Schritten näherte.
"Schwester? Geht es dir gut? Wir haben dich alle gesucht." Vorsichtig beugte er sich zu ihr runter.
"Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind sicher, es war ein Mordanschlag. Du hast nichts mit dem Ableben des Herrn Artikon zu tun." Er legte eine Hand auf das zitternde Etwas und senkte seine Stimme, um sie nicht zu erschrecken.
"DOG hat auch schon erste Schritte in die Wege geleitet. Leider sind ihnen noch die Hände gebunden, weil ihnen ein Experte für Geheimbünde und Bruderschaften fehlt. Doch sie schaffen das schon." Er reichte ihr die Hand zur Hilfe und die Wächterin nahm sie zaghaft an. Sie stellte sich dicht neben ihn und sah ihren Bruder mit verheulten Augen an.
"Bitte, erzähl niemanden, dass du mich gefunden hast. Ich muss den Mörder mit der schwarzen Rose finden, damit ich mein Gewissen ein wenig erleichtern kann. Dann werde ich sofort zu DOG stoßen und ihnen alles erklären, was ich weiß. Kannst du mir diesen Gefallen tun, Bruder? Bitte?" Meckdwarf sah ihr einige Sekunden nur in Augen und nahm sie dann zärtlich in den Arm. Ohne etwas zu sagen, blieben sie so lange stehen, bis die ersten Passanten ihren Weg kreuzten und die Geschwister sich wieder trennten.



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