Verhasste Zwänge

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von Wächter Maximilian R. Schreckt (GRUND)
Online seit 25. 08. 2003
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xxxFür Rekruten (erste Mission):
Du schaffst eine Aufgabe deiner Ausbildung einfach nicht. Du brauchst dringend Hilfe, nur von wem?

Dafür vergebene Note: 12

Es war eine warme klare Nacht in Ankh-Morpork, der größten Stadt am Runden Meer. Hell schien der volle Mond in das kleine Kinderzimmer der Geschwister Gamasche und zeichnete unheimliche Schatten auf den Fußboden vor dem Bett. Die Blicke der beiden Zwillinge huschten ängstlich durch den Raum. Sie hatten ihre Erzieherin extra gebeten die Türe ganz weit offen zu lassen aber nun wuchs in ihnen die Vorahnung, dass dies doch keine so gute Idee war.

Hinter der Tür wartete ein kaum motivierter Schwarzer Mann auf seinen Auftritt. Er ärgerte sich immer noch über sich selbst, weil er überhaupt in das Zimmer hineingesehen hatte. Er wusste doch, dass man es als Schwarzer Mann am besten vermied durch fremde Fenster zu spähen. Zu leicht konnte es geschehen, dass man Dinge sah, denen man nicht widerstehen konnte. Ängstliche Kinder die nicht einschlafen konnten und offene Türen, ganz besonders in Kinderzimmern, waren solche Magneten. Er hatte im Vorbeigehen nur einen kleinen automatischen Blick in das Zimmer geworfen, und ehe er sich versah, war er schon drinnen gewesen und lag hinter der Tür auf der Lauer. Oh wie er es hasste diesen Zwängen ausgeliefert zu sein. Es machte ihm überhaupt keinen Spaß mehr Kinder zu erschrecken.

Früher war das anders gewesen erinnerte er sich. Früher hatte jedes Kind der Stadt den alten Max Schreckt gekannt und gefürchtet, und sie waren verstummt wenn man seinen Namen aussprach. Max war vor 132 Jahren auf die Scheibenwelt gelangt, als der Glaube in einigen Teilen Ankh-Morporks eine kritische Schwelle überschritten hatte. Damals hatte ein Massenmörder mit dem Namen Maximilian Schreckt in der Stadt sein Unwesen getrieben und viele Leute grausam aufgeschlitzt. Er war nie geschnappt worden und viele bschikologisch unbegabte Eltern hatten in dieser Figur den idealen erzieherischen Grundstock gesehen. Wann immer sich ein Kind nicht benommen hatte, wurde von dem fürchterlichen Max Schreckt berichtet und was er mit Kindern anstellen würde, die nicht artig waren. Mit der Zeit hatten ihm die Eltern eine schwarze Haut, Reißzähne, Klauen und sogar spitze Ohren angedichtet und die Kinder hatten fest an ihn geglaubt. Es hatte nicht lang gedauert bis in Ankh-Morpork ein neuer Schwarzer Mann erschienen war. Was auch immer mit dem echten Max Schreckt geschehen war, der Neue war genauso wie ihn die Eltern beschrieben hatten und war bald in allen Kinderbetten der Stadt gefürchtet gewesen. Mit der Zeit hatte ihm die Fantasie der Kinder die Fähigkeit gegeben in Träume einzudringen und sogar Schatten zu beherrschen. Von Nacht zu Nacht hatte ihn die Furcht der Kinder mehr berauscht und er wurde ein wahrer Meister darin Angst und Schrecken zu verbreiten. Schon damals hatte er es verabscheut unterm Bett zu lauern. Das hatte keinen Stil. Er hatte aus jedem beliebigen Schatten heraustreten können und kein Kind war vor ihm sicher gewesen solange es sich nicht unter der Bettdecke versteckt hatte. Damals hatte es noch wirklich Spaß gemacht ein Schwarzer Mann zu sein. Damals war er bekannt und gefürchtet gewesen. Aber nach den ersten fünfzig Jahren war ihm das gleiche Schicksal widerfahren, das die meisten Schwarzen Männer irgendwann einmal trifft. Er wurde langsam vergessen. Nach fast drei Generationen waren die alten Geschichten so verwässert wiedergegeben worden, dass bald kaum noch ein Kind den alten Max Schreckt kannte, geschweige denn, sich vor ihm fürchtete. Er war zu einem Schwarzen Mann von vielen geworden und er verlor immer mehr die Lust am Erschrecken.

Leises, ängstliches und fast drängendes Wimmern riss ihn aus seinen Gedanken. Missmutig konzentrierte er sich auf seine Aufgabe. Er würde den richtigen Moment abwarten, aus dem Versteck hervorspringen und den Auftritt mit einem enthusiastischen "BUH" unterstreichen. Dann würden die Kinder vor Angst den Kopf unter die Decke stecken und er konnte endlich nach Hause gehen. Seine Ohren zuckten leicht als sie ein unpassendes Geräusch wahrnahmen. Max runzelte die Stirn. Leise aber deutlich war ein leises Schnarchen zu vernehmen, das eindeutig aus Richtung des Kinderbettes kam.
"Bei allen 28 Teufeln der Hölle, das kann doch wohl nicht wahr sein" dachte er sich. "Na ja, auch gut. Sogar noch besser, dann geh ich einfach und kann mir das ganze Theater sparen. Na war mir eine Lehre."
Er wusste noch nicht wie recht er mit dem letzten Gedanken haben würde. Lautlos kam er hinter der Tür hervor und ging schnell auf das Fenster zu. Er wollte endlich nach Hause und diesen peinlichen Vorfall so schnell wie möglich vergessen. Er erreichte das Fenster nicht. Aus den Augenwinkeln sah er noch - zumindest glaubte er sich später daran zu erinnern - wie sich die beiden kleinen Bälger im Bett vorfreudig zuzwinkerten. Dann schnappte jedes Kind mit beiden Händen einen Deckenzipfel, sprang auf und raste über das Bett auf ihn zu. Vor Schreck fuhr er herum und sah noch wie etwas Großes, Weiches mit enormer Geschwindigkeit auf ihn zu schoss und ihn zu verschlingen drohte. Die Geschwister sprangen links und rechts an Max vorbei vom Bett und zogen ihm so die Decke über den Kopf [1]. Ein unbeteiligter Beobachter hätte den Eindruck gewonnen, die Kinder hätten das Manöver vorher stundenlang geübt. Der Schwarze Mann war starr vor Angst und eine ekelhafte Flauschigkeit umgab sein Bewusstsein. Entschlossen packten ihn die Zwillinge nun an den Händen und rannten kichernd und japsend um ihn herum. Willenlos ließ er sich immer schneller im Kreis drehen und es war ihm als hörte er Sprechchöre wie:
"Endlich haben wir Einen, Twyla. Endlich haben wir Einen."
Und:
"Wir haben keine Angst vorm Schwarzen Mann, schwarzen Mann, schwarzen Mann. Wir haben keine Angst vorm Schwarzen Mann, schwarze Männer sind doof."
Ihm wurde bald sehr schwindlig und sehr übel und er glaubte in ein schwarzes Loch zu fallen, das ihn auflöste. Dann fiel er gnädigerweise in Ohnmacht.

*


Ungefähr zur gleichen Zeit waren ein Rekrut und sein Ausbilder auf ihrem ersten nächtlichen Patrouillengang. Bei dem Rekruten handelte es sich um eine über drei Meter große Trollin namens Madame Massive. Ihr Ausbilder Hauptmann Humph MeckDwarf sah mit seiner durchschnittlichen Menschengröße sehr klein neben ihr aus obwohl er jedem Zwerg hätte auf die Glatze spucken können [2]. In seinem jungen Gesicht zeigte sich die Erfahrung von langen Dienstjahren.
"...und darauf kommt es bei der Nachtstreife an. Immer alles im Auge behalten und wenn was verdächtig erscheint, sofort der Sache auf den Grund gehen" ,erklärte der Hauptmann. Er versuchte gar nicht mehr der Trollin in die Augen zu sehen. Die letzte halbe Stunde hatte seine Nackenmuskeln sehr verärgert. Missmutig stellte er den Kragen seines alten zerknautschten Mantels auf, was gegen seine Schmerzen im Genick nicht mal bschikologisch half.
"Aber warum sollen zurück zu G.R.U.N.D. gehen wenn haben was entdeckt? Äh Sir. "
Humph wurde sich gerade wieder bewusst, dass Trolle so einige Schwierigkeiten mit Wortspielen haben. "Ich meinte wenn du etwas siehst, dass dir verdächtig erscheint sollst du sofort herausfinden was los ist."
"Ich gehen nachschauen?" fragte Madame Massive zaghaft.
"Genau sehr richtig. ABER und das ist sehr wichtig. Wenn die Situation gefährlich erscheint, dann gehst du SOFORT zu G.R.U.N.D. zurück und..."
"Sein Seil gefährlich Sir?" hakte die Trollin nach.
"Wawaas?" Humph war völlig verwirrt und blickte zur Trollin auf, was mit einem scharfen Stechen im Genick belohnt wurde. Sie waren stehen geblieben und die Rekrutin zeigte auf ein Seil, das vor ihnen aus einem Fenster im ersten Stock hing.
"Na sieh mal einer an" murmelte der Hauptmann mehr zu sich selbst als zur Rekrutin. Schaun wir doch einmal wer da seinem Tagewerk [3] nachgeht."
"Das Seil also nicht gefährlich ist?" Trolle konnten beharrlich sein.
"NEIN dieses Seil ist absolut ungefährlich" stöhnte er. "Es würde bestimmt nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun. Wir werden uns nun hier in der Nähe im Schatten verstecken und warten." Er brauchte nicht aufzublicken um zu sehen, dass er die Trollin nur noch mehr verwirrt hatte.
"Aber..." mit nach oben gestreckter Hand brachte der Hauptmann die Trollin zum Schweigen.
"Das ist jetzt ganz wichtig. Nicht sprechen, ganz leise sein und warten." Er sprach betont langsam und als er sah, dass sich in der Trollin langsam ein Gedanke zu formen begann, schenkte er sein Interesse wieder dem Seil. Es dauerte nicht lang bis das Warten belohnt wurde.

*


"Ist es tot, Henry?" hörte Max eine weibliche nicht sehr wohlklingende Stimme sagen. Er war noch ziemlich benommen und sein Kopf tat fürchterlich weh. Im Moment weigerten sich seine Augenlider noch, seinem Befehl zu gehorchen und sich zu heben.
"Ich - harf harf - nehms an. Be... - harf harf harf - bewegen tut a sich niche. Harf Harf Harf", die Stimme dieses Mannes war noch viel schlimmer. Man bekam unwillkürlich ein Kratzen im Hals. Und musste sich räuspern.
"Mistundverflucht" war der produktive Kommentar eines weiteren Mannes.
"Hast du ihm schon den zweiten Stiefel ausgezogen, Arnold?" Die Stimme kam von weiter hinten und die Autorität darin ließ auf den Anführer der Bande schließen. Er bemerkte erst jetzt ein Frösteln an seinem linken Fuß. Gleichzeitig zerrte etwas an seinem rechten Stiefel.
"Binne ja dabei. Wollt nu ma... AAAAAAH!" der kleine Mann, der in einer Seifenkiste auf Rädern hockte und scheinbar die untere Hälfte seines Körpers eingebüßt zu haben schien, kam nicht mehr dazu seinen Satz zu beenden. Der mutmaßlich Tote vor ihm öffnete auf einmal die Augen und sprang wie ein schwarzer Teufel aus der Hölle blitzschnell auf. Nichts, außer der Reifenspur am Boden deutete darauf hin wie der Seifenkistenpilot in die sichere Entfernung hinter seinen Kameraden gelangt war. Max putzte sich den Dreck von seinen Kleidern wobei ihm ein Schild auffiel, das man ihm um den Hals gehängt hatte. Verärgert las er die krakelige Kinderschrift:

Wir duldigen hier keine Schwarzen Männer

Twyla & Gawain


Wütend warf er das Schild fort und sah sich um. Er war unter der Schlechten Brücke. Offenbar wollte man ihm auf recht anschauliche Art und Weise klar machen was dieser Haushalt von Schwarzen Männern hielt. Erst jetzt fiel ihm dieser üble Geruch auf. Es war nicht das Aroma des Ankh, das hier neben dem Fluß auch sehr stark wahrgenommen werden musste. Nein, dieser Gestank war viel ekelhafter, viel gemeiner. Er tat in den Zähnen weh, zerrte an der Kleidung und rief einen unkontrollierbaren Brechreiz hervor. Dieser Hinweis allein genügte.
"Oh Mist. Der stinkende alte Ron und seine Bande. Die haben mir heute grade noch gefehlt" dachte Max resigniert und stellte mit Grauen fest dass sie schon wieder Mut gefasst zu haben schienen, und langsam auf ihn zugetorkelt kamen. Alle waren sie vertreten. Henry Husten, Arnold Seitwärts mit seinem kleinen Rennauto, Ron natürlich. Die Person mit dem dekorativen Geflügel am Kopf, die im Hintergrund gerade in einem großen Topf rührte, schien der Entenmann zu sein und die weibliche Stimme gehörte vermutlich dem jüngsten Mitglied der Bande, dem persönlichkeitenmäßig übervorteilten Insgesamt Ingoberth. Er trug diesen Namen weil sich insgesamt acht Persönlichkeiten seinen Körper teilten. Max kannte bereits den Richter, Stromer, den kleinen Sidney, Krauss, Herrn Widdle und Jossi. In seinem jetzigen Zustand dürfte er wahrscheinlich Lady Hermine sein. Burk, den letzten von Ingoberths Persönlichkeiten wollte Max nicht kennen lernen. Man hatte ihm dringend davon abgeraten. Max wusste nicht, dass er das niemals befürchten musste, da Burk bei den anderen sieben Persönlichkeiten so unbeliebt war, dass die Gruppe ihn unter sich vergrub. Anscheinend hatten die Bettler auch einen neuen Anführer bekommen aber eine weitere Person konnte der Schwarze Mann nicht erkennen.
"Hachgottchen sie leben. Hiech habe mir ja solche Sorgen gemacht" Ingoberth klatschte die Hände aufeinander, schüttelte den Kopf und brachte ein besorgte Miene zum Ausdruck. Max hielt Ausschau nach der Person, der die sechste intelligentere Stimme gehört haben konnte, sah aber keine weitere Person. Zufällig blieb sein Blick an einem völlig verdreckten kleinen Terrier hängen der ihn aus unglaublich traurigen, hungrigen Augen ansah.
"Wuff?"
Es tat Max unsagbar leid, dass er in diesem Moment keinen Keks hatte, den er dem armen Hund geben konnte. Er trat einen Schritt auf den Hund zu um ihn zu streicheln, besann sich dann jedoch eines besseren. Er konnte zwar als Schwarzer Mann keine Krankheiten bekommen doch der Ekel blieb trotz fehlender Konsequenzen. Außerdem wurde seine Aufmerksamkeit auf seinen rechten Fuß gelenkt mit dem er gerade in ein übelriechendes, kaltes und weiches Etwas getreten war. Jetzt war Max wirklich wütend. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und aus seinem Inneren drang ein unmenschliches Knurren. Die Gruppe teilte sich vor ihm wie das Meer einst vor dem Propheten Moseija, als er direkt auf den Entenmann zu ging, der ihn aus unschuldigen Augen ansah und noch immer selig in dem großen Topf rührte.
"Leider muss ich euch schon wieder verlassen und meinen Stiefel werde ich mitnehmen" brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während er mit einer Kralle seinen Stiefel aus der ekelhaften übelriechenden Substanz im Topf zog.
"Ich bin aber sicher ihr findet bald etwas ähnlich Geeignetes für eure Mägen" er strafte die Gruppe mit einem finsteren Blick, woraufhin die Bettler erschrocken zusammenfuhren. Dann leerte er seinen Stiefel aus und zog ihn an, was ein schmatzendes Geräusch verursachte. Er seufzte. Nein heute war wirklich nicht sein Tag. Wütend vor sich hin grummelnd stapfte er davon. Hätte ihn jemand gehört, hätte er das Geräusch wohl mit dem eines zahnlosen Opa verglichen, der in Rekordzeit versuchte Zwergenbrot zu verspeisen.

*


Ein paar Gassen weiter konnten Humph und seine Rekrutin beobachten, wie eine dürre mittelgroße Gestalt ungeschickt am Seil runterkletterte. Humph trat aus dem Schatten und als sich die Gestalt, am Boden angekommen, umdrehte bohrten sich zwei silberne Wurfsterne ganz dicht neben der Person in die Hauswand. Erschrocken blickte der Mann auf und bewegte sich nicht.
"Na wenn das nicht der alte Schnellfinger Hatnix ist, der sich letzte Woche schon um seine abgelaufene Lizenz kümmern wollte. Ich bin SICHER du hast das bereits erledigt und hast sie dabei. Nicht wahr?" Humph hatte das freundlichste Gesicht der ganzen Scheibenwelt aufgesetzt doch sein Tonfall machte eines kristallklar: Wenn du sie nicht hast bist du dran Freundchen.
"Natürlich, alles ganz legal, ich hab die Lizenz erst vorgestern erneuern lassen. Alles in Ordnung" er kramte kurz und konzentriert in seiner Tasche und brachte dann ein zusammengefaltetes Stück Papier zum Vorschein, das er dem Hauptmann überreichte. In dem Augenblick als Humph es entfaltete, sprintete Schnellfinger mit einem Tempo los, dass jeden Puzuma hätte vor Neid erblassen lassen.
"Mist. REKRUTIN NEHMEN SIE DEN MANN FEST" schrie Humph, aber ihm war völlig klar, dass die langsame Trollin den dürren Gauner niemals würde einholen können. Er selbst musste hinterherlaufen so sehr er es auch hasste. Humph rannte an der Trollin vorbei und nahm die Verfolgung auf, doch nach fünfminütiger Verfolgungsjagd verlor er den Einbrecher in einer dunklen Gasse.
"Mist verd..." keuchte er und lehnte sich atemlos an eine Hauswand. Seine Augen durchsuchten die Dunkelheit nach einer möglichen Richtung. Hinter sich hörte er das ferne Donnern von Madame Massive. Um die Trollin brauchte er sich wenigstens keine Sorgen zu machen.
"Hast ihn entkommen lassen wie?" meldete sich Murphy, sein kleiner Kobold im Kopf, plötzlich zu Wort. "Hätte ich dir gleich sagen können. Wirst alt, Alter. Den findest du nimma mehr. Der is in die Schatten abgetaucht. Ari widertschi, für immer dahin. Auf und davon, nie mehr gesehen...
"Ich hör dich gar nicht" ignorierte ihn Humph und machte sich schwer enttäuscht auf, seiner Rekrutin entgegenzugehen.

*


Max stampfte wütend durch die Nacht. Er fluchte auf sich selbst und die ganze Scheibenwelt. Der Tag war einfach zuviel für ihn und er brauchte ein Ventil. Plötzlich nahm er Angst war. Ganz nah. Er blieb stehen, kniff die Augen zusammen und ließ seine Instinkte die Kontrolle übernehmen. Seine langen spitzen Ohren zuckten und er hörte ein Keuchen und schnelle Schritte auf ihn zukommen. Augenblicklich verschmolz er mit den Schatten. Er lauerte geduldig wie eine Katze bis die Person unmittelbar vor ihm stehen blieb um zu verschnaufen. Ängstlich blickte sich der Mann um, auf der Suche nach seinen Verfolgern, als ihn plötzlich ein viel älteres Grauen packte. Panikerfüllt stolperte er an Max vorbei.
"Äh iist da jjemand," fragte er zaghaft in die Dunkelheit, nicht hoffend Antwort zubekommen. Seine Tasche hatte er mit beiden Händen fest an den Bauch gedrückt.
Max konnte den Angstschweiß riechen und ein vertrautes Prickeln stieg in ihm auf. An jedem anderen Tag hätte Max sich vielleicht zurückgehalten aber heute konnte er nicht widerstehen. Mit einem schabenden Geräusch trat Max in den Mondschein und gab dem Mann gerade noch Zeit sich umzudrehen und ihn für eine Schrecksekunde lang anzusehen. Max streckte ihm seine Klauen entgegen und fletschte die Zähne.
"BUH" machte Max.
Fünf lange Sekunden blieb Schnellfinger angsterstarrt mit offenem Mund vor Max stehen. Dann riss er die Hände hoch, wobei seine Tasche durch die Luft geschleudert wurde, machte am Absatz kehrt und rannte wie der Teufel los.
"WAAAAAAAAHHHHH. WAAAAAAAAAAAAHHHHHH. WAAAAAAAAHHHHH" schrie er durch die Nacht.

Humph, hörte das Geschrei er drehte sich in die Richtung und sah noch wie etwas aus dem Dunkel vor ihm schreiend auf ihn zugerast kam. Im nächsten Moment befand er sich auch schon am Boden auf dem Rücken liegend. Er rollte auf den Bauch und sah der menschlichen Schreirakete nach, die wie er feststellte gegen einen Stein in Form seiner Rekrutin geprallt war. Bewusstlos sank Schnellfinger zu Boden.
"Gut gemacht Rekrutin", lobte er während er aufstand und sich den Straßenschmutz abklopfte [4]. "Bitte reichen sie mir die Tasche mit der Beute."
"Keine Tasche da ist" gab die Trollin verwirrt von sich,
"Wie bitte?" fragte Humph automatisch.
"Keine Tasche da ist ich gesagt habe" wiederholte die Trollin bereitwillig.
"Naja ohne die Beute können wir ihm vermutlich nicht viel anhängen aber nehmen wir ihn mal mit ins Revier."
Kommentarlos hob sich die Trollin das bewusstlose Leichtgewicht auf die Schultern und sah fragend auf den Hauptmann hinab. "Wieso der hat geschrieen so der Mann, Hauptmann?"
"Ich weiß nicht. Wahrscheinlich hat ihn etwas ziemlich erschreckt" kommentierte Humph wissend.
Der Schwarze Mann beobachtete die Wächter interessiert aus seinem Versteck heraus. Er war momentan sehr guter Stimmung und traf plötzlich eine Entscheidung die sein Leben für immer verändern sollte.
"Guten Abend die Herren Wächter. Ich bin ganz zufällig da vorne über eine Tasche gestolpert, die am Weg lag." Max trat langsam und in ausreichender Distanz um die beiden nicht zu erschrecken, aus dem Schatten. "Haben sie die gesucht?" rief er und warf dem Hauptmann die Tasche hinüber.
"Ja haben wir tatsächlich." sagte dieser langsam um seine Überraschung zu verbergen. "Mein Name ist Hauptmann Humph MeckDwarf und das hier drüben ist die Rekrutin Madame Massive." antwortete Humph und deutete dabei auf die Trollin. "Und mit wem haben wir das Vergnügen?"
"Mein Name ist Schreckt. Maximilian R. Schreckt. Sie haben nicht zufällig schon von mir gehört?" fragte er hoffnungsvoll.
"Nein Herr Schreckt aber die Stadtwache schuldet ihnen Dank. So ehrliche Männer wie sie braucht die Wache."
"HA das wär was! Ein Schwarzer Mann bei der Wache" spöttelte Max und schüttelte verächtlich den Kopf. "Na das hat der Stadtwache gerade noch gefehlt. Ihr solltet es nicht mal in Erwägung ziehen Schwarze Männer in der Wache aufzunehmen, glaubt mir."
"In der Stadtwache von Ankh-Morpork ist jede Rasse und Spezies willkommen solange sie vorschriftsmäßig ihren Dienst tut" verkündete MeckDwarf stolz.
"Aha soso. Was haltet ihr dann davon wenn ich gleich Morgen früh bei euch im Revier erscheine und bei euch anfange?" warf er dem Hauptmann mit einem herausfordernden Lächeln entgegen.
"Das würde mich sehr freuen. Unser Revier befindet sich in der Kröselstrasse. Sehr leicht zu finden. Bitte besuchen sie mich doch in meinem Büro wenn sie sich vereidigt haben." war die trockene aber freundliche Antwort Humph's.
"Sie denken ich hab nur Spaß gemacht nicht wahr?"
"Keineswegs."
"Ich komme wirklich."
"Das hoffe ich."
"Hm na ja dann bis Morgen also. Ich wünsche den Herrschaften noch eine gute Nacht, " verabschiedete sich Max, tauchte in die Schatten und verschwand.

*


Am nächsten Morgen pünktlich um neun Uhr stand Max vor dem Wachhaus in der Kröselstrasse.
ich denk das wird sich schnell erledigt haben" dachte er bei sich, "die dachten wohl ich kneife. Bin schon gespannt mit welcher Ausrede sie mich wieder wegschicken."
Entschlossen öffnete er die Tür zum Warteraum, setzte ein Sonntagsgrinsen auf und näherte sich schnellen Schrittes dem Wachetresen. Die kleine zierliche Gestalt hinter dem Schreibtisch blickte interessiert auf.
"Grüss Gott Mäm. Mein Name ist Maximilian R. Schreckt und ich würde gerne Wächter werden." sagte er während er ihr freundlich seine Klaue entgegenstreckte und sich schon auf die Reaktion freute.
Die Rekrutin Drei Hungrige Mäuler hatte ein aufgewecktes und sonniges Gemüt und schien an dem ungewöhnlichen Erscheinungsbild des Schwarzen Mannes enttäuschender weise keinerlei entsetzliche Elemente zu entdecken. Freundlich ergriff sie die Max's Krallenhand und schüttelte sie kräftig.
"Ah Hell Schleckt." Hauptmann MeckDwarf hat mil gesagt, dass sie kommen und mil aufgetlagen ich solle sie sofolt nachdem sie veleidigt wolden sind in sein Bülo blingen."
Max blinzelte ein paar mal. Er war sehr verwirrt.
"Wie bitte?"
"Na sie wollen doch Wächtel welden?!"
"Jaaa...?" kam die zögerliche Antwort des Schwarzen Mannes.
"Na dann müssen Sie zuelst einmal veleidigt welden. Damit velsplechen sie, dass sie sich immel an die Legeln und Gesetze del Stadt halten welden und diejenigen velhaften die, die, na ja die Velblechel eben."
"Aha und äh wo kann ich mich denn nun vereidigen lassen?"
"Aja da müssen Sie mit einem Ausbildel splechen. Im Moment hat Leutnant Mückenstulm Dienst. El ist in seinem Bülo gleich am andelen Ende des Waltelaums. Die lechte Tül."

Fünf Minuten später war Max vereidigt und wurde von Lt. Mückensturm durchs Revier
geführt. Er fühlte sich keineswegs überrumpelt. Vielmehr konnte er es immer noch nicht ganz fassen, dass sie ihn aufgenommen hatten. Er hatte sich vergangene Nacht hunderte Male ausgemalt wie es wohl als Wächter sein würde, aber im Innersten hatte er nie ernsthaft daran geglaubt. Stolz stieg langsam in ihm auf und er betrachtete die Dienstmarke in seinen Händen.
"Ein Wächter. Wer hätte das gedacht."

Nachdem der Leutnant Max alles gezeigt hatte brachte er ihn vor die Tür von Hauptmann MeckDwarfs Büro.
"Der Hauptmann wollte sie noch einmal persönlich sprechen bevor sie regulär den Dienst antreten. Wenn sie noch irgendwelche Fragen haben... Sie wissen ja wo mein Büro ist. Willkommen in der Wache Rekrut Schreckt." Mit diesen Worten verabschiedete sich der Ausbilder und ging in sein Büro zurück.
"Danke Sir äh sehr nett von Ihnen." So viel Freundlichkeit hatte Max schon sehr lange nicht mehr erlebt. Er klopfte an die Tür.
"Kommen Sie herein" war eine Stimme von drinnen zu vernehmen.
Max öffnete die Tür und betrat das Büro. Es war viel größer als er erwartet hatte.
"Schön haben sie es hier. Äh ich muss wohl jetzt Sir sagen wie und ach entschuldigen Sie." Max schob zackig wie es ihm der Ausbilder vorhin gezeigt hatte die Füssen nebeneinander und hob die rechte Hand zu seiner Schläfe.
"Rekrut Schreckt meldet sich zum Dienst." Ein gewisser Stolz war nicht zu überhören.
"Willkommen in der Wache Rekrut." Humph konnte sich ein Schmunzeln nicht verbeißen. "Sie lernen schnell. Eine sehr gute Eigenschaft hier."
"Sie haben nicht gedacht, dass ich komme, Sir oder?"
"Doch. Was ich gestern zu Ihnen gesagt habe hab ich ernst gemeint und ich hoffe, dass sie den Schwur den sie heute geleistet haben ebenfalls ernst nehmen. Ich hoffe sie sind sich im Klaren darüber wofür sie sich verpflichtet haben." Der Tonfall des Hauptmanns hatte nichts an Freundlichkeit verloren, jedoch schwang jetzt eine gewisse Strenge mit.
"Das ist mir vollkommen klar, Sir."
"Wir müssen uns peinlichst genau an die Gesetze halten damit wir das Verbrechen bekämpfen können. Wenn ihnen ein Vorgesetzter einen Befehl gibt ist es Ihre oberste Pflicht diesen zu befolgen."
"Ja Sir."
"Wir haben uns verpflichtet die Bürger dieser Stadt mit unserem Leben zu schützen."
"Ja Sir."
"Bevor du das Scheusal totquasselst könntest du ihn endlich mal fragen was dich wirklich drück hä?" meldete sich ungebetener weise Murphy in Humphs Kopf zu Wort.
"Aber ich nehme an das alles hat Ihnen Leutnant Mückensturm bereits erklärt."
"Ähem Ja, Sir."
"Nuuun.... ich hätte da noch eine Frage."
"J.. fragen Sie, Sir."
"Was genau meinten sie eigentlich gestern als sie sagten es wäre prinzipiell keine gute Idee Schwarze Männer in der Wache einzustellen?"
Diese Frage erstaunte Max, denn er hatte gedacht dies wäre offensichtlich.
"Na sehen sie uns doch an. Manche sehen noch schrecklicher aus als ich und schaffen es keine 2 Sekunden im Licht zu stehen. Andere könnte man nicht mal als halbintelligent bezeichnen und andere sind sogar bösartig. Aber uns alle kann man ganz leicht bezwingen wenn man ne flauschige Decke dabei hat. Ich dachte eigentlich, das macht uns zur absolut ungeeignetsten Spezies überhaupt"
"Sie scheinen nicht viel von ihrer eigenen Spezies zu halten wie mir scheint."
"Merkt man das?"
"Ich glaube sie machen sich die Sache ein bisschen zu schwer. Wir beurteilen unsere Neuzugänge nicht nach ihrer Spezies sondern nach ihrer Entschlossenheit. In jeder Spezies gibt es Ungeeignete und jeder hat seine persönlichen Schwächen. Ich habe keinen Zweifel, dass Sie sich schnell einleben werden."
"Danke Sir."
"Ich nehme an Sie werden nicht im Schlafsaal nächtigen?"
"Nein, zu viele Decken, Sir"
"Ich verstehe."
"Ich habe aber ein eigenes Quartier, danke, Sir"
"Nun gut dann melden Sie sich bei Leutnant Mückensturm zum Dienst, Rekrut Schreckt. Wegtreten."
"Ja, Sir." Zackig salutierte Max und verließ stolz das Büro. Die Sache gefiel ihm.

Max bekam seinen eigenen Schreibtisch in einem Büro, das er mit Drei Hungrige Mäuler teilen durfte, der Rekrutin die an seinem ersten Tag Tresendienst hatte. Da sie sich partout nicht vor ihm zu fürchten schien, verstanden sich die beiden bald prächtig und wurden gute Freunde. Gemeinsam büffelten sie Gesetze und Verordnungen, hörten einen Vortrag der Abteilung S.U.S.I. über Spurensicherung, übten das Befragen von Verdächtigen, lernten den Umgang mit verschiedenen Waffen und vieles mehr. Und jeden Tag gingen sie gemeinsam auf Streife. Max fühlte sich sehr wohl in der Wache und er wusste, dass er endlich einen Weg gefunden unter den anderen zu leben.

*


Es war ein schöner sonniger Nachmittag, als Max und seine Kollegin vom Achatenen Reich wieder einmal am Klebengeblieben, einem Platz in der Nähe des Reviers, standen und sich daran machten ihre tägliche Streife zu beginnen. Der Schwarze Mann hatte sich längst daran gewöhnt so viel unter Leuten zu sein und genoss es richtig. Und die Bürger schienen auch keine Angst vor ihm zu haben. Die Dienstmarke auf seiner Brust war anscheinend so etwas wie ein Ich-binne-kein-Monster - Schild.
"Max ich glaube es ist bessel wenn du nicht soo bleit glinst. Die Bülgel glauben sonst noch du willst sie flessen." mahnte seine Kollegin und riss Max damit aus seinen Träumereien
"Es ist faszinierend, die Leute scheinen gar nicht zu sehen was ich bin."
"Abel Max, natüllich sehen sie was du bist. Du bist jetzt ein Wächtel, und die Leute wissen, dass sie den Wächteln veltlauen können."
"Ein wirklich schönes Gefühl" Der schwarze Mann grinste breit wobei er es vermied seinen Mund zu öffnen warf den Kopf zurück und ließ sich die Sonne auf sein schwarzes Gesicht scheinen. Es brannte fürchterlich aber das war ihm egal er würde sich schon daran gewöhnen. Gemächlich und offenen Auges so wie professionelle Wächter schritten sie die Ulmenstraße hinauf. Plötzlich zerriss ein Schrei das friedliche Gemurmel der Strasse.
"HILFE, ÜBERFALL, SO-EINE-FRECHHEIT"
Sofort sprinteten die beide Rekruten auf die alte Frau zu die sich kreischend Gehör verschaffte.
"Was ist passiert gnädige Frau?" fragte Max und blickte sich suchend um.
"Sie haben mich beraubt. BESTOHLEN und niche mal eine Lizenz hergezeigt haben sie. Jawohl. Eine Frechheit ist das," zeterte die alte Frau.
"Wo sind sie denn hingel..." setzte Dlei an.
"ICH WILL MEINE HANDTASCHE WIEDERHABEN." Die Frau war nicht zu beruhigen.
"Sagen sie uns doch bitte in welche Richtung sie gelaufen sind und wie viele es waren. Sonst können wir ihnen doch nicht helfen." Max sprach in freundlichem und ruhigen Tonfall ließ aber ganz kurz seine Fänge blitzen, was auf die Dame eine sonderbar beruhigende Wirkung zu haben schien.
"Ähem also sie sind da lang gelaufen, es waren drei" und deutete in Richtung Paradies.
"Na toll ausgerechnet in die Schatten." wandte sich Max an die Rekrutin. "Na wohin auch sonst. Und drei Gegner? Ich meine ich weiß schon, dass du gut kämpfen kannst Dlei und sehr flink bist, aber drei Gegner? Sollten wir nicht lieber Verstärkung rufen? Ich meine wenn es wenigstens dunkel wäre..." aber seine Kollegin war bereits losgestürmt und er hörte nur mehr ein: "Mach dil keine Solgen, sind nul dlei. Ich lenn um den Häuselblock helum und Falle ihnen in den Lücken." Und weg war sie.
"MIST!"
"Wie bitte junger Mann?" fragte die alte Dame die sicher sehr wohl verstanden hatte.
"Oh nichts Madame. Bitte warten sie hier. Ich bin gleich wieder zurück." Mit diesen Worten stürmte Max los. In die Gasse hinein, die in die Schatten führte und sich ironischerweise Paradies nannte. Vor ihm war niemand zu sehen. Missmutig lief er weiter wobei er die Seitengassen gut im Auge behielt. In einer schmalen Gasse die randwärts hinter einer geschlossenen Töpferei begann, sah er drei Gestalten stehen die sich gerade zu streiten schienen. Einer wedelte mit einem Gegenstand in der Luft herum, der durchaus eine Handtasche sein konnte. Max fühlte sich sehr unsicher. Er wusste, dass er gegen die drei niemals eine Chance hatte und seine Kollegin war irgendwo. Es war auch viel zu hell um die Gauner mit irgendeiner Schwarzer Mann Nummer zu beeindrucken, aber das wollte er sowieso nicht. Mutig trat er in die Gasse.
"He ihr da, im Namen des Gesetzes..." rief er ihnen in Ermangelung besserer Worte entgegen.
Eine Antwort kam nicht. Wie von einer achatenen Tarantel gestochen rannten sie los. Max sprintete hinterher. Die Diebe waren keine zwanzig Schritte von ihm entfernt. Er könnte sie einholen, aber was dann? Er verfolgte sie in eine kleine Seitengasse. die immer schmäler zu werden schien. Weiter vorne standen die Häuser so nah bei einander, dass die Leute bereits Leinen gespannt hatten um Wäsche zu trocknen. Manche Leinen hingen so tief, dass man im Vorbeirennen den Kopf einziehen musste um keine zweite oder dritte Kopfbedeckung zu tragen. Ein gefährlicher Platz für einen Schwarzen Mann.
Als sich diese grausame Tatsache schlagartig in Max's Bewusstsein drängte, hatte er bereits drei Leinen überwunden. Schlagartig blieb er stehen und sah geschockt auf das Etwas vor sich. Jemand hatte in zwei Metern Höhe eine Decke zum Trocknen aufgehängt. Sie sah besonders weich aus und die Sonne verdampfte gerade die letzte Feuchtigkeit darin, was ihr eine besondere Flauschigkeit verlieh. Mit angstvoll geweiteten Augen und unfähig sich zu bewegen starrte er auf das Ding und wimmerte leise. Panisch stellte er fest, dass einer der Diebe zurückgekommen war.
"Na so was. Na so was. Bist n Schwarzer Mann, wie?" ätzte der Gauner. "So ein großer Junge und hat Angst vor ner Decke." Er lachte höhnisch. "Na sehen wir doch mal wie se dir steht." Genussvoll nahm der Dieb die Decke von der Leine.
"Tttu das bibibitte nicht," flehte Max. "Du weißt nicht wie das ist. Mach das nicht."
"Uuuund HAT IHN." Ohne sich auf weitere Diskussionen einzulassen zog er dem völlig bewegungsunfähigen Schwarzen Mann die Decke über den Kopf.
"NEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN" heulte der Rekrut "BITTE TU DAS WEG!"
Der Dieb grinste hämisch. Er hatte zwar schon mal das Gerücht gehört, dass diese Typen was gegen Decken haben, hätte aber nie gedacht es selber mal zu erleben.
"Ach ja und noch etwas," flüsterte er Max ins Ohr während er ihn bei den Schultern packte und ihm ein Knie in den Magen rammte. "Schöne Grüße von Schnellfinger."
Weit entfernt nahm Max wahr wie sich die Schritte entfernten. Grausame Flauschigkeit umgab ihn völlig und die weiche Decke auf seiner Haut rief Ekelgefühl und Übelkeit in ihm hervor. Verbissen kämpfte er dagegen an nicht das Bewusstsein zu verlieren aber Zeit und Raum verloren für ihn immer mehr an Bedeutung.

*


"Ah da bist du ja Max. Ich hab dich schon übelall gesucht wo walst du denn?" Drei Hungrige Mäuler kam aufgeregt auf ihren Kollegen zugelaufen.
"Die Velblechel sind mil leidel entwischt abel ich hab die Tasche." Stolz wedelte sie damit vor Max's Kopf hin und her, stellte dann aber enttäuscht fest, dass er nicht reagierte.
"Ähm Max was ist los mit dil. Walum spielst du eigentlich velstecken? MAX! Du machst mil Angst." Beunruhigt zog sie ihrem Freund die Decke vom Kopf.
Max sackte zusammen und schluchzte:" Ich habs gewusst, das so was mal passieren wird. Ich habs gewusst."
"Nun beluhig dich doch mal Max. Was ist denn passielt?"
"Na ist das nicht offensichtlich? Der Typ hat mich fertig gemacht. Ausgeschaltet. Stillgelegt. Zugedeckt. Ich konnte nichts machen. Nur zusehen wie der Typ genüsslich die Decke von der Leine löst und sie mir überwirft."
"Walum hast du mil nichts davon gesagt, dass du etwas gegen Decken hast?" fragte die Rekrutin vorwurfsvoll.
"Ich dachte, das hätte sich bereits rumgesprochen, dass Schwarze Männer Angst vor Decken und Flauschigkeit haben. Ich kann es selber nicht verstehen aber wenn ich etwas Flauschiges sehe überkommt mich eine so starke Übelkeit, dass ich glaube es vernichtet mich" heulte Max verzweifelt. "Es hat mich völlig ausgeschaltet und du warst mit den drei Verbrechern allein. Dir hätte wer-weiss-was passieren können."
"Mach dil nix dlaus mil is ja nix passielt. Ausseldem waren es nul zwei." strahlte Drei ihn an.
"Aber es HÄTTE. Weil ich meinen Dienst nicht tun konnte. Weil man mich mit einem stinkenden Lappen außer Gefecht setzen kann." schrie er die Rekrutin fast an.
"Nun wüldige dich nicht helab. Es wal schließlich eine flauschige Decke und kein stinkendel Lappen." Drei gab ihm einen freundschaftlichen Stoß.
"DU ich meine es Ernst. Ich werde aus der Wache austreten. Ich bin eine Gefahr für alle Wächter die sich auf mich verlassen müssen."
"Übelleg dil das bessel noch einmal liebel Max. Du bist sehl ellegt und das velsteh ich auch. Abel im Moment müssen will del almen alten Flau ihle Tasche zulückblingen. Sie waltet sichel schon ganz velzweifelt."
Max nickte nur und seine Kollegin merkte langsam wie ernst es ihm war und hielt es erst mal für besser nicht weiter nachzubohren. Weder auf dem Weg zu der alten Dame, die sich sehr über ihre wiedergebrachte Tasche freute, noch auf dem Rückweg ins Revier wechselten sie ein Wort.
*


In dieser Nacht quälten Max die schlimmsten Gedanken. Wieder und wieder stellte er sich vor, was seiner Kollegin hätte passieren können. Verzweifelt suchte er Auswege, doch ihm war völlig klar, dass es keine gab. Er würde die Wache verlassen.


Pünktlich um neun Uhr früh klopfte er an die Tür von Hauptmann MeckDwarfs Büro.
"Herein." kam es von drinnen.
Max trat ein, salutierte höflich und ging dann auf den Schreibtisch des Hauptmanns zu, der gerade damit beschäftigt war einige Berichte zu unterzeichnen und nun zu ihm aufsah.
"Ich habe sie schon erwartet Rekrut Schreckt." sagte Humph wie beiläufig und hob ebenfalls die Hand zum Gruß.
"Wie bitte? Äh Sir," verbesserte sich Max schnell.
"Mir ist von dem Vorfall berichtet worden."
"Dann verstehen sie sicher, dass ich die Wache verlassen muss, Sir"
"Keinesfalls."
"Ich bin eine Gefahr für meine Kollegen, Sir."
"Sind sie das?"
"Ja man kann mich ohne weiteres mit einer Decke ausschalten, Sir"
"Verzeihen sie mir bitte die Bemerkung Max aber ich kenne Schwarze Männer die sich zu wehren verstehen, wenn man versucht ihnen eine Decke überzuziehen."
"Das stimmt. Normalerweise ist das bei mir auch so. Allerdings hab ich panische Angst vor Weichem und Flauschigem. Ich weiß auch nicht warum und hasse es aber ich KANNS nicht ändern." Erschrocken blickte er auf weil er zu laut geworden war.
"Aber das macht sie trotzdem noch nicht zur Gefahr für ihre Kollegen." entgegnete Humph
Es klopfte an der Tür.
"Kommen sie bitte herein"
"Leklutin Dlei Hunglige Mäulel meldet sich wie befohlen mit den angeoldneten Dingen." Die Rekrutin salutierte und präsentierte dem Hauptmann stolz einen fettigen Pappteller auf dem sich drei Würstchen befanden, die sicheren Schätzungen zufolge wahrscheinlich von Schnapper stammten, und einen Sack. Humph nahm der Rekrutin den Teller aus der Hand und stellte ihn neben sich auf den Schreibtisch.
"Äh wollen sie mich zum Abschied noch zum Essen einladen, Sir?" grinste Max
"Mach das nicht der bricht dir zusammen wirst sehen." meldete sich Murphy schon wieder.
"Das glaube ich nicht... Äh ich meine das hatte ich nicht vor. Halt endlich dein Maul Murphy das ist wichtig jetzt" der Hauptmann atmete tief durch und hoffte, das richtige zu tun.
"Nein, ich wollte ihnen zeigen wie wir in der Wache mit solchen Dingen umgehen. Rekrutin Drei Hungrige Mäuler," wandte er sich an die junge Dame und ging vor ihr in Kampfstellung. "greifen sie mich bitte mit einer flauschigen Decke an."
Max riss die Augen auf und glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können, doch dann sah er mit Entsetzen wie seine Kollegin etwas Großes, Weiches und ekelhaft Flauschiges aus dem Sack zog und damit langsam und drohend auf den Hauptmann zuging.
"Was bei allen 28 Teufeln der Hölle geht hier vor. Bin ich total übergeschnappt oder machen die sich auf grausame Art über mich lustig?" ging es Max durch den Kopf. Er war aufgesprungen und hatte sich automatisch hinter dem Schreibtisch verkrochen und sah nun fassungslos zu wie seine Freundin mit diesem furchtbaren Stoffteil in der Hand drohend auf seinen Hauptmann zumarschierte. Ihm stockte der Atem. Kurz bevor die Decke Humph berühren konnte, schnappte er sich den Pappteller und klatschte ihn auf die vermeintliche Waffe seiner Gegnerin. Die Würstchen waren so fettig, dass sie samt dem Teller auf der Decke kleben blieben und ganz langsam an ihr hinab glitten. Sie hinterließen einen breiten Ölteppich am Gewebe und Max der die ganze Sache mehr als nur interessiert beobachtete kniff die Augen zusammen. Und er begriff. Mit einem Satz war er über dem Schreibtisch und stach mit seinem Gehstock in die Decke hinein und fischte sie seiner Kollegin aus der Hand. Mit seinem Stab schwang er die Decke einmal im Kreis, um den Ölfilm ordentlich zu verteilen und schleuderte sie dann mit Genugtuung in eine Ecke. Als er zu Dlei rübersah, grinste sie ihn bis über beide Ohren an.
"Ich glaube ich habe verstanden, Sir" sagte er zu MeckDwarf. "Manche Dinge scheinen unüberwindlicher als sie sind. Ich danke, dass sie mir die Augen geöffnet haben Sir"
"Keine Ursache. Ich glaube einer Situation wie der gestern könnten sie in Zukunft Herr werden wenn sie entsprechend ausgerüstet sind." wobei sein Blick zu den am Boden liegenden Würstchen glitt.
"Ja das kann ich mir gut vorstellen, Sir. Danke, Sir."
"Aber eines noch Rekrut und das meine ich todernst," seine Ausbilderseele war durch Max's breites Grinsen alarmiert worden. "Wenn mir in den nächsten Tagen Berichte von Müttern zu Ohren kommen deren unglücklichen Kindern auf geheimnisvolle weise deren Stofftier verdreckt wurde, sind sie dran, verstehen sie mich?" Die Stimme des Hauptmanns hätte man durchaus dazu benutzen können sich zu Rasieren.
"Ja, Sir. Keine Stofftiere, Sir."
"Darf ich also von der Annahme ausgehen, dass sie die Wache nun nicht mehr verlassen werden?"
"Ja, Sir. Ich würde gerne bleiben, Sir" antwortete Max und Stolz schwang wieder in seiner Stimme mit.
"Gut das wäre dann alles. Wegtreten, Rekruten."
"Ja, Sir"
"Ja, Söl"

Als sie aus dem Büro draußen waren stieß Dlei ihren Kollegen kameradschaftlich den Ellenbogen in die Rippen.
"Komm lass uns heute Abend in den Eimel gehen. Das müssen wil feieln. Ausseldem bist du dlan mit zahlen."

[1] Dazu muss folgendes erwähnt werden. Es ist allgemein bekannt, dass Schwarze Männer verschwinden, wenn man den Kopf unter die Decke steckt. Wenn man allerdings ihren Kopf unter eine Decke steckt wirds ganz schlimm. Die meisten bekommen furchtbare Existenzkrisen und extreme Angstzustände. Keinesfalls ist ein Schwarzer Mann mit einer Decke am Kopf zu einer vernünftigen Handlung fähig.

[2] Was der Hauptmann selbstverständlich nie tun würde, obwohl ihn Murphy, der kleine Kobold, der in seinem Kopf herumspukt, ihn mehr als einmal dazu gedrängt hat.

[3] Eigentlich hätte es in diesem Fall korrekterweise Nachtwerk heißen müssen aber das war Humph zu diesem Zeitpunkt reichlich egal.

[4] Er machte dies nicht sehr gründlich. Eher automatisch. Hätte er versucht durch Klopfen sämtlichen Schmutz der aus dieser Gasse stammte von seiner Kleidung zu entfernen hätte er Wochen dort verbracht.




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