Shadow of the past 2 oder: Tot macht erfinderisch

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von Gefreiter Kolumbini (RUM)
Online seit 18. 08. 2003
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ine alte Dame wird gemeuchelt und niemand weiß warum. Voller Zuversicht macht sich Kolumbini daran in diesem Fall zu ermitteln, doch er findet sich in einem mörderischen Komplott wieder und schon bald beginnt ein Rennen gegen die Zeit...

Dafür vergebene Note: 13

Vorwort des Autors:
Zuerst möchte ich allen bisherigen Korrekturlesern und -leserinnen danken. Besonders Hanno (Silly), Danjal (Damien), Kami und Atera, die sich immer geduldig meine Ausführungen über die Story angehört und Anmerkungen abgegeben haben. Weiterhin großen Dank an die Korrekturleser dieser Single: Bregs, Robin, Myra und einige andere.

Zu Igors Aussprache: Obgleich es bei den Igors in den deutschen Übersetzungen der Scheibenwelt-Romane nicht der Fall ist, habe ich beschlossen, Igor zu einem vollkommenen Lispler zu machen. Also sollten die bisherigen Singles einfach so betrachtet werden, als sei es schon immer der Fall gewesen.
Zum "Maifterr": Herr Brandhorst hat in seinen Übersetzungen ebenfalls versäumt ein Äquivalent zum englischen "marthter" zu finden. Mein persönlicher Vorschlag ist das Wort "Maifterr", was dem englischen zumindest mehr ähnelt als ein normal gelispeltes "Meifter".

Zu Brindisi: Leider hatte ich bis vor kurzem die Person Enrico Basilica aus Mummenschanz vergessen. Als ich besagtes Buch erneut las, bemerkte ich, dass Brindisi und nicht etwa Gennua das Italien der Scheibenwelt ist. Diese Sache ist also in dieser Single geändert. Ich bitte um Verständnis.

Ich entschuldige mich für die Länge der Single und des Vorwortes aber, da ich dies bisher nicht gemacht habe (Danksagung und so) wollte ich das nun gut machen.
Und nun viel Spaß beim Lesen.

P.S. Diese Geschichte spielt noch zurzeit vor der Versetzung von Oberleutnant Humph MeckDwarf und einigen Beförderungen. Weiterhin entstanden sämtliche Ideen unabhängig von den Singles "Im Banne des AGLA" und "Totes Gebäck". Wobei ich zur letzten Single im Nachhinein noch einen kleinen Bezug aufbauen musste.


Kapitel 1: Ein langer Schatten


Graue, kahle Felsen ragten in der Landschaft auf, bildeten tiefe Täler sowie zerklüftete Hügel und Berge. Gerade war der Frühling in den Rest der Welt eingekehrt, doch für die Bewohner des kleinen Dorfes Kurzbach machte dies keinen Unterschied.
Das es zu fast jeder Jahreszeit kahl und trist war, war ebenso selbstverständlich wie die Herrschaft des verrückten Wissenschaftlers, der in dem großen, unheilvoll wirkenden Schloss auf dem Hügel über dem Dorf wohnte.
Außerdem gehörten Gewitter zum Leben dazu, wie bei anderen Bauern das steinharte Brot, welches es nur bei wirklich armen Menschen gab. Dennoch lag gerade ein Hauch von Frühling in der Luft. Ein schwüles Lüftchen trug von weiter entfernten Orten den Duft von Frühlingsblumen heran. Zusammen mit den dunklen, unheilvollen Wolken am Horizont und dem fernen Donnern kündigte die drückende Luft den baldigen Anbruch eines besonders schlimmen Frühlingsgewitters an. Für die Dorfbewohner bedeutete dies, dass sie bald einen neuen Helfer für die Ernte haben würden. [1] Manchmal war es eben besser, unter der Herrschaft eines verrückten Wissenschaftlers, anstatt eines Vampirs oder Werwolfs zu leben.
Nun diese Meinung vertraten die meisten Einwohner des Dorfes Kurzbach. Der größte Teil von ihnen fürchtete sich auch nicht vor dem herannahenden Gewitter.
Nur die Dorfälteste, die allgemein hin als "Alte Vettel" bekannt war, sagte voraus, dass dieses Unwetter Unglück mit sich brächte.
Niemand hörte auf sie.
Die Kurzbacher lachten sie nur aus und meinten, sie solle sich mehr Sorgen um ihr (hoffentlich) baldiges Ableben machen, das ihr in diesem hohen Alter bevorstehe.
Und niemand bemerkte die dunkle Gestalt, die den Schlossberg erklomm. Sie bewegte sich wie ein Schatten von Fels zu Fels, bis sie schließlich am Gipfel des Berges und somit am Sitz des verrückten Wissenschaftlers, sowie seiner Familie ankam.
Das verschlossene und äußerst massive Tor stellte kein Hindernis für sie dar. Die Gestalt glitt, wie durch Magie, einfach hindurch.
Oben auf dem Dach rückte der hauseigene Igor gerade die Blitzableiter zurecht und lächelte zufrieden, als es in der Ferne donnerte.
Er beschloss seinem Meister Bescheid zu geben und schlurfte ins Esszimmer, wo sich die Familie normalerweise um diese Tageszeit aufhielt.
Wie erwartet hatten der Meister und seine Frau gerade zu Speisen begonnen. Nur der junge Herr war noch nicht eingetroffen.
"Ah, Igor", sagte der Professor. "Gut, dass du kommst. Sind die Blitzableiter ausgerichtet?"
"Ja, Maifterr. If habe fie alle euren Wünfen entfprechend aufgeriftet. Der junge Herr ift wieder einmal fu fpät, wie if fehe. Foll if ihn...?"
"Nicht nötig, Igor", antwortete eine Stimme, die einem jungen Mann gehörte, der gerade den Raum betreten hatte. "Bin schon da. Hallo, Vater. Mutter. Guten Appetit. Entschuldigt die Verspätung aber ich habe nicht auf die Zeit geachtet, während ich in Mutters alten Verbrechensberichten herumgestöbert habe."
Der junge Mann war ziemlich klein und deshalb lies sich sein momentanes Alter nicht feststellen. Er trug einen ledernen Trenchcoat, der ihm einige Nummern zu groß war.
"Und? Wie weit bist du bisher gekommen?" fragte die ganz offensichtlich brindisianische Dame.
"Ich bin momentan bei dem Fall des enthaupteten Pfarrers", gab der Junge als Antwort.
"Ach ja. Diese Omnianer...halten immer an ihrem Glauben fest. Wenn es sein muss, sogar bis in den Tod", entgegnete die Dame lachend.
"Aber das mit deinen Verspätungen häuft sich wirklich, Inspäctor. Du bräuchtest mal eine Taschenuhr", fügte sie in ganz deutlich gespieltem Ärger hinzu.
Der etwas in die Jahre gekommene Professor Ursow von Drachenstein [2] musste lachen.
"Um Chimmels Willen, Kolumbini. Du brauchst dich doch nicht entschuldigen", erklärte er.
Igor wunderte sich immer noch über die Tatsache, dass sein Meister den jungen Herrn mit Nachnamen anredete.
"Aber das mit der Uhr ist eine gute Idee. Hast du noch meine Uhr, die ich dir einst geschenkt chabe, Liebling", fragte Ursow seine Frau.
"Natürlich, Schatz."
"Gut. Igor?"
"Ja, Maifterr?"
"Merke dir, dass bei einem Ableben meiner geliebten Frau, Kolumbini ihre Uhr erbt."
"Ursow!" rief Elisa ihren Mann zur Ordnung.
"Was?"
"Ich meinte das nicht so. Meine Absicht war es, dass du unserem Sohnemann eine neue Uhr baust."
"Oh, stimmt. Aber das ist unmöglich. Ich chabe die Pläne nicht mehr. Es sollte ein Unikat sein."
"Aber du bist doch sicherlich in der Lage eine andere zu bauen, oder?
"Natierlich. Aber das dauert einige Zeit."
"An Zeit mangelt es uns nicht, Liebling, oder? Jetzt lasst uns endlich in Ruhe essen."
"Warten fie, gnä' Frau. If decke nur fnell den Tiff."
"Ich glaube, dass Inspäctor den Tisch alleine decken kann, Igor. Danke", entgegnete Kolumbinis Mutter scharf.
"Fehr wohl, gnä Frau. Wie ihr wünft."
Igor stellte sich in eine Ecke, falls man seine Dienste später noch in Anspruch nehmen musste.
Wie fast immer herrschte bedächtiges Schweigen am Esstisch. Die Familie Kolumbini sprach nicht viel, sobald sie einmal zu Essen begonnen hatten.
Nach einer Weile räusperte sich Ursow, um darauf hinzudeuten, dass er dies alsbald zu ändern gedachte.
"Ich möchte euch etwas mitteilen", kündigte der Wissenschaftler groß an. "Mein neuestes Werk steht kurz vor seiner Vollendung und ich möchte, dass ihr dabei seid, wenn ich es teste. Es könnte der wissenschaftliche Durchbruch in der Geschichte der Scheibe sein."
Von Drachenstein konnte das irre Lachen nur mit Mühe unterdrücken. Den überwaldianischen Akzent hatte ihm seine Frau bis auf einige Worte abgewöhnt, doch einige Eigenarten konnte nicht einmal die Liebe besiegen.
Elisa beschloss, ihren Mann nicht darauf hinzuweisen, dass er diesen Satz in den letzten 14 Jahren bereits mindestens 20-mal gesagt hatte.
"Wenn alles glatt geht, miesste ich um fünfzehn Uhr soweit sein. Seid bitte pienktlich!"
In der Ferne grollte Donner.
Ursow lächelte.
"Komm, Igor. Lass uns die letzten Vorbereitungen treffen", sagte er.

Die Schattengestalt schlich unbemerkt durch das Schloss.
Sie schien diesen Ort wie ihre Westentasche zu kennen und wandelte mit schnellen Schritten durch die düsteren Gänge. Schließlich fand sie ihr Ziel.
Die Laboratorien von verrückten Wissenschaftlern sehen in allen Teilen des Multiversums gleich aus.
Überall stehen Reagenzgläser und Glaskolben herum, in denen verdächtige Flüssigkeiten blubbern und die obligatorischen Glasröhren, die einige Gefäße miteinander verbinden sind meist mit buntem Gas gefüllt, das hier und dort entweicht und gen Decke schwebt.
Auch einige abgehackte Hände, Füße, Ohren, sowie andere Körperteile und Organe schlummerten friedlich in einer Alkohollösung.
Doch die Aufmerksamkeit der fremden Gestalt galt etwas anderem.
In einer Ecke des Raumes stand ein ganz offensichtlich eckiger Gegenstand, den jemand mit einem weißen Tuch verhüllt hatte.
Der Schatten ging darauf zu und als er das Tuch kurz anhob, um etwas an dem darunter befindlichen Objekt herumzuwerkeln, glänzte es silbern.
Nachdem die Gestalt etwas an dem mysteriösen Apparat verändert hatte, schlich sie hinaus.
Ein Stück ihrer Kleidung blieb an einem der großen Eichentische hängen, doch genau in diesem Moment hörte die Gestalt Schritte auf dem Gang und, da sie auf Nummer sicher gehen wollte, fluchte sie nur leise und rannte in Richtung Ausgang.

"Bald werden wir reich sein, Igor!" schrie Ursow vor Begeisterung.
"Ja, Maifterr."
Um kurz vor drei Uhr nachmittags waren die letzten Vorbereitungen getroffen, Elisa angekommen und die Familie hatte sich wieder einmal auf das Warten auf Inspäctor eingestellt. Langsam waren sie es gewöhnt.
"Igor? Cholst du bitte meinen Sohn?" bat Ursow.
"Fehr wohl, Maifterr."
Einige Minuten nachdem Igor zur Tür herausgegangen war, grollte Donner und kündigte an, dass das Gewitter sich nun direkt über dem Schloss befand.
"Dann muss es eben ohne die Beiden gehen", stellte der Wissenschaftler streng fest und riss das weiße Tuch von dem Gegenstand in der Ecke.
Elisas Mund klappte nach unten.
"Liebling", hauchte sie, "das ist wunderschön. Wozu dient es?"
"Es dient..." Ursow unterbrach sich, als er den Gegenstand genauer betrachtete. "Moment. Etwas stimmt da nicht. Der Zeiger an dieser Anzeigetafel sollte auf Null und nicht auf Vollausschlag stehen. Wo kommt denn diese ganze überschüssige Energie her? Und außerdem sollte der Apparat Volt und nicht Ampere hochtransformieren."
Dann schlug die Erkenntnis mit der Wucht einer Abrissbirne zu.
"Quodrochzwalzgizalski. Wenn jetzt ein Blitz einschlägt, dann..."
Beide blieben still. Der verrückte Wissenschaftler begann hektisch an dem Apparat herumzuwerkeln.
"Iigoor!" wollte er noch rufen, doch es war zu spät.
Der Blitz schlug ein.

Igor rannte durch die Gänge des Schlosses.
Warum musste der junge Herr immer zu spät kommen?
Der Diener stieß mit jemandem zusammen und purzelte mit dem Fremden zu Boden.
Die...Gestalt trug eine schwarze Robe und Igor war der Meinung, sie noch nie zuvor hier gesehen zu haben.
"Waf machen Fie hier?" wollte der Bucklige gerade fragen, doch die Robe schlug ihm gegen den Brustkorb und schleuderte ihn zu Boden.
Daraufhin rannte sie weiter.
Igor rappelte sich auf und wollte gerade die Verfolgung aufnehmen, als erneut jemand gegen ihn stieß und sie zu Boden purzelten.
Klein, wuschlige Haare und ein lederner Trenchcoat: es war Kolumbini.
"Igor?" fragte dieser ungläubig. "Was machst du hier? Ich dachte, Vater wolle sein Experiment durchführen."
"If follte dif holen. Wir follten unf beeilen, damit wir daf Ekfperiment nift verpaff..."
"Ii...", hallte es durch die Gänge gefolgt von einem fürchterlichen Lärm.
Diener und Sohnemann des Wissenschaftlers sahen sich kurz an und rannten los.

Schließlich kamen Igor und Kolumbini im Labor an.
Was sie erblickten verschlug ihnen die Sprache und Inspäctor brach schließlich in Tränen aus.
Die Arbeitsstätte Ursow von Drachensteins sah aus, als hätte man sie in eine Bratpfanne geschmissen, mehrmals geschwenkt und schließlich einen brünstigen Sumpfdrachen darauf losgelassen.
Überall kokelte es vor sich hin und Dampfschwaden füllten den Raum.
Viele der Gläser waren zerbrochen und hatten somit den Brand gelöscht. Doch das bekümmerte Kolumbini und den Diener nicht so sehr wie das, was auf dem Boden, vor einer Pfütze aus geschmolzenem Metall lag.
Es waren zwei verkohlte Leichen und die Überreste von ihnen ließen eindeutig auf ihre Identität schließen. Es waren Elisa Kolumbini und ihr Mann Ursow von Drachenstein.

Draußen vor dem Tore wartete ein Diener gerade auf seinen Herrn.
Die große Doppeltür öffnete sich und der Diener lugte kurz hinein. Eine Gestalt in einer Robe kam hinaus und gab auf die Bemerkung, dass dies ganz schön lange gedauert habe, ein kurzes Handzeichen, das einen Befehl zum Folgen darstellte, als Antwort.
Aus den Gängen drang leise das Schluchzen einer weiter entfernten Person, welches im Gebäude widerhallte. Der Diener schüttelte traurig den Kopf.
Hatte sein Herr nicht betont, dass alle Mitglieder der Familie auf einmal sterben würden?
Irgendetwas war schief gelaufen. Der Diener wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, schloss die große Doppeltür und folgte dann seinem Meister.
Das Schluchzen ertönte weiterhin.
Es hörte lange Zeit nicht auf.

Igor kam als erster wieder zu Sinnen. Er klopfte Kolumbini, der noch immer schluchzte, auf die Schulter, um ihn ein wenig zu trösten.
Das Problem des Dieners war, dass er die gleiche Art von Taktgefühl hatte, wie jene Leute, die der frisch gebackenen Witwe auf der Beerdigung ihres Mannes nicht-jugendfreie Witze erzählten.
"If, glaube, daff ihr nun mein neuer Maifterr feid, Maifterr", sagte er.
"W-w-was?", brachte Inspäctor hervor.
"Der Kodekf von unf Igorf gebietet, daff bei einem Ableben def aktuellen Maifterrf wir in die Dienfte feinef nächften Anverwandten treten. Demnach bin if nun euer Diener, Maifterr."
"E-e-s Gi-ibt ja wohl we-esentlich w-wichtigere Sachen, als die Frage, in wessen Dienste du gehörst", beruhigte sich Kolumbini wieder.
"Ihr habt Reft, Maifterr."
"Das mit dem "Maifterr" muss wirklich nicht sein. Und außerdem hast du mich bis vor einigen Minuten noch geduzt, was du nicht zu ändern brauchst, Igor."
"Aber Maifterr! Ef ift Traditfion. Wenn wir daf Alte nift mehr achten würden, wären wir nift beffer alf Tiere, oder Barbaren."[3]
"Wir werden das Thema später erörtern", wischte sich der Junge die Tränen aus den Augen. "Jetzt gibt es erst einmal wichtigere Sachen."
"Natürlif, Maifterr", bestätigte Igor und hastete daraufhin zu einem der beiden Holzkohlekörper an dem mittlerweile erstarrten Metallsee. Er schien etwas zu suchen und schließlich fand er es auch.
Der Diener warf Kolumbini etwas zu, wobei dieser Mühe hatte es aufzufangen.
Inspäctor blickte darauf hinab. Es war die goldene Taschenuhr seiner Mutter.
"Magifef Metall ift nift leift kaputt fu kriegen, Maifterr. Euer Vater hat fie alf Unikat angefertigt. Fie hat eine Gravur, die fif ab und fu ändert, an der Aufenfeite der oberen Klappe."
"Igor das war es nicht, was ich mit wichtig meinte."
"Waf dann, Maifterr?"
"Wir müssen herausfinden, wie dieses Unglück passieren konnte."
Igor dachte an den Fremden im Gang. Doch der junge Meister würde sicherlich nur versuchen diese Person aufzuspüren, was ihn sicherlich auch noch das Leben kosten würde.
Wenn wir von hier fliehen, fo haben wir vielleift noch eine Fanfe, dachte der Diener.
Warum er jedoch folgende Worte sprach wusste er selber nicht.
"Vermutlif wird der Maifterr einen Fehler bei der Konftruktfion gemacht haben. Ein Blitf flug ein und BAMM war ef gefehen."
"Wenn ich pünktlich gewesen wäre, dann..."
"Würdet ihr auch dort auf dem Boden liegen, Maifterr. Und if mit euf."
Doch Inspäctor hörte schon gar nicht mehr zu. Tränen rannen erneut seine Wangen herunter.
Igor klopfte seinem neuen Maifter auf die Schulter.
"Wie wäre ef mit "Herr", Maifterr."
Manchmal gelang es selbst einer Person wie Igor etwas Taktgefühl an den Tag zu legen.
Kolumbini nickte.
"Bitte geh auf dein Fimmer, Herr. Und keine Angft, if werde mif um dif kümmern."
Nachdem der Diener ihm ein Taschentuch, das ebenso zusammengenäht war wie Igor selbst, gereicht hatte, verließ der Junge betrübt den Raum und sein neuer Gehilfe begann pflichtbewusst aufzuräumen.
Irgendwie musste er seinem Herrn klar machen, dass es nun seine Aufgabe war über Kurzbach zu herrschen.
Kommt Feit, kommt Rat.
Dann bemerkte Igor an einem der Tische einen kleinen Stofffetzen, der anscheinend, wie durch ein Wunder, heil geblieben war. Er nahm ihn in die Hand und bemerkte, dass ein Wappen darauf zu erkennen war.
Kannte er dieses Wappen nicht irgendwo her?
Der Diener wusste es nicht mehr genau.
Er kratzte noch ein wenig Ruß von dem Fetzen ab und steckte ihn in eine seiner Taschen.

"Whua!"
Igor schreckte aus seinen Träumen hoch und betastete seinen ganzen Körper.
Er seufzte erleichtert. Er hatte nur geträumt.
All die schrecklichen Ereignisse von damals...er konnte sie einfach nicht vergessen.
Blitfe, dachte er. Nur die halbe Wahrheit...Er musste es seinem Herrn sagen.
Doch eine kleine Stimme in ihm, die von jenem Teil stammte, den man "Vorsicht" nannte, sagte immer, wenn er diesem Gedanken nachging: "Noch nicht. Er ist noch nicht über die Sache hinweg. Aber bald ist es soweit."
Im Moment ging es seinem Dienstherrn recht gut. Er war mit seinem Beruf zufrieden, obgleich er noch keinen richtigen Mordfall zu untersuchen hatte und weiterhin ging er oft in den "Pferdestall", wo er mehrere Stunden mit dem Wirt Humbert oder einem der Bandmitglieder redete. In Ankh-Morpork waren sie die einzigen Freunde von Igor und seinem Herrn. Zwar waren in der Wache auch einige Leute, die nach der Meinung des Dieners recht in Ordnung waren, doch Kolumbini hatte mit den Wächtern recht wenig am Hut. Es war nicht so, dass er keine Gesellschaft mochte, aber man musste auf Fred zugehen, um ihn zu einem Gespräch zu überreden und das taten nicht gerade viele Wächter.
Momentan war der Gefreite für den Nachtdienst eingeteilt.
Igor begleitete seinen Herrn immer weniger an die Arbeit. Wenn er ihn jedoch brauchte, so war der Diener in Windeseile zur Stelle. Wenn Kolumbini in seinem Büro saß und sich einsam fühlte, ging er meist in die Kantine, wo er still und leise etwas aß.
Er lauschte den Gesprächen der anderen Wächter und erfuhr dadurch meist mehr über sie, als die betreffenden Personen erwartet hätten.
Auf seiner Liste, die er in seinem Gedächtnis angefertigt hatte und auf der er das Verhalten der einzelnen Personen "notierte", hatte er schon einige Wächter aber vor allem Wächterinnen eingetragen, wobei bei den letzteren seltsamerweise den negativen Aspekte eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden war.
Die einzige weibliche Person in der Wache, die er unter neutral notiert hatte trug den Namen Myra Schwertschleifer, wobei Fred selbst ihr so gut wie möglich aus dem Weg ging.
Man konnte wirklich der festen Überzeugung sein, dass der Tag, an dem Kolumbini eine Frau mochte mit dem Tag an dem das Zufrieren der Hölle in Erscheinung trat auf ein Datum fallen würde. Diese Einstellung traf für alle zu, außer für Familienmitglieder.
Igor verwunderte diese Einstellung nicht im Geringsten.
Sein Herr hatte nicht viele Erfahrungen mit Frauen gemacht. Deshalb war es in Sto Lat eine ziemliche Umgewöhnung für Inspäctor, dass nicht nur Männer die Dienste eines Schneiders in Anspruch nahmen.
Was das Merkwürdige war, war, dass sämtliche unangenehmen Kunden weiblichen Geschlechts waren. Männer machten nie Probleme.
Sie bestellten ihren Anzug, ließen das Abmessen mit steinerner Miene über sich ergehen und holten ihn dann pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt ab.
Frauen hingegen...nun Fred wollte deshalb keine Frauen kennen lernen, weil er dachte, dass sie eben so zänkisch, geschwätzig und eingebildet sein würden, wie die meisten seiner Kundinnen in Sto Lat.
Das Merkwürdige war, dass meistens junge und sehr hübsche Frauen die Nase höher trugen, als es selbst Königin Ezeriel getan hatte.
Oftmals wollten diese..."Damen" Unterwäsche von Kolumbini haben, was seiner Meinung nach den ganzen Aufwand nicht lohnte, da sie Kleider trugen, die förmlich zu schreien schienen: "Hier bin ich! Der Eingang ist unten zwischen den Beinen!" und bei solchen Sachen war es nach Freds Meinung eine Herstellung von Dessous wirklich Stoffverschwendung.
Dennoch stellte er die gewünschten Teile für die jungen Frauen her, wobei er das Abmessen Igor überließ, der auf die Reize einer Frau nicht so...intensiv reagierte wie sein Herr. Inzwischen hatte sich dieses persönliche Problem Freds insofern gelöst, als das er seine Probleme mit dem anderen Geschlecht nicht mehr so offen zeigte, wie er es einst in Sto Lat getan hatte. Weder war die Reaktion auf...bestimmte Sachen so heftig wie einst, noch ließ er so viele sarkastische und zynische Kommentare über Damen vom Stapel. (er dachte sie sich viel lieber)
Nun diese Erklärung gab Kolumbini immer dann ab, wenn man ihn fragte, warum er keine Frauen mochte. Igor vermutete jedoch, dass die ganze Sache eher etwas mit Melinda, einer guten Bekannten aus Kurzbach, zu tun hatte.
Der Diener blickte auf die Standuhr in seinem Zimmer.
So früh?
Und der Herr war noch nicht zurück.
Igor zog seine alte Bedienstetenkleidung, die wesentlich zerfetzter, als seine jetzige war und ihm als Schlafanzug diente aus, seine neue an und verließ das Haus.
Eine frühlingshafte Brise wehte ihm entgegen. Die ersten Frühlingsblumen hatten bereits ihre Köpfe aus dem Erdboden gestreckt, wenn man diese Bezeichnung bei Ankh-Morpork überhaupt verwenden konnte.
Als der Diener sich an den Geruch erinnerte, wusste er, welcher Teil des Jahres nun gekommen war und warum sein Herr noch nicht zu Hause eingetroffen war.

Das Fenster stand offen und lies den Geruch eines morporkianischen Frühlingsmorgens in Inspäctor "Fred" Kolumbinis Büro.
Von gestern Abend zehn Uhr an war der kleine Wächter nun hier.
Die goldene Taschenuhr, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag zeigte an, dass es nun wieder zehn Uhr war, jedoch morgens, wie man an der frischen Brise bemerken konnte.
Was die Uhr anging: Sie bestand aus Gold, das mit einem kleinen Zauber versehen wurde, hatte jedoch ein ganz normales überwaldianisches Uhrwerk. Das magische Metall war nur aus zwei Zwecken verwendet worden: Erstens war die Uhr dadurch fast unzerstörbar und zweitens änderte sich die Inschrift, die jemand auf der Vorderseite befestigt hatte in unregelmäßigen Zeitabständen.
Um diese Zeit war immer die gleiche Schrift zu lesen.
"IN MEMORIAM" stand sorgfältig graviert auf der Klappe des edlen Zeitmessers.
In einem ganzen Jahr ging er nur wenige Millisekunden nach, wenn überhaupt.
Kolumbini hatte die Uhr vorsichtig auf seinen Schreibtisch gelegt und sie aufgeklappt.
Das war irgendwann gestern Abend gewesen.
In der Uhr war neben dem Ziffernblatt auch ein Bild eingefügt worden, auf dem zwei Personen deutlich als eine Frau in den besten Jahren und ein ungefähr 40-jähriger Mann mit struppigen abstehenden grauen Haaren identifiziert werden konnten, obgleich es recht verblasst war.
Freds Eltern hatten sich spät gefunden, was ihrer Liebe keinen Abbruch getan hatte.
Kolumbini starrte schon seit Stunden in die Leere.
Jetzt war es schon fast elf Jahre her.
Morgen waren seit den Ereignissen von damals elf Jahre vergangen.
Manchmal wünschte er sich zu einem Grab gehen und einige Blumen niederlegen zu können.
Damals in Überwald lag auch ein Hauch von Frühling in der Luft.
Vorhin war Myra Schwertschleifer in sein Büro gekommen, um ihm zu sagen, dass er nun Dienstschluss habe, doch Kolumbini starrte weiterhin einfach geradeaus.
Außerhalb des Büros schlurfte Igor gerade den Gang hinauf und lief der Hauptgefreiten Schwertschleifer geradewegs in die Arme.
"Guten Tag, gnä' Frau", begrüßte er sie.
"Guten Tag, Igor. Bitte geh mal zu deinem Herrn. Ich glaube, es geht im nicht gut."
"Fehr wohl, gnä' Frau. Aber fu diefer Jahreffeit geht ef dem Herrn nie befonderf gut. Bald ift nämlif der Todeftag feiner Eltern."
"Oh. Das wusste ich nicht. Jetzt versteh ich, warum er sich für Morgen Urlaub genommen hat. Richte ihm mein herzliches Beileid aus."
"Mache if, gnä' Frau. Vielen Dank und bif bald."
"Bis bald, Igor."
Dann gingen sie in unterschiedlichen Richtungen den Gang hinunter und bald darauf stand Igor an der Bürotür seines Herrn.
Neben dieser war ein Schild angebracht worden, auf dem stand: "Gefreiter Kolumbini, Ermittler der Abteilung R.U.M."
Als der Diener die Tür öffnete bot sich ihm genau das Bild, das er erwartet hatte.
Fred saß gedankenverloren an seinem Schreibtisch und blickte in die Leere. Igor nahm sofort die leichte Frühlingsbrise, die durch das kleine Fenster drang wahr.
Er kannte seine jetzigen Aufgaben. Das Fenster schließen, sich neben seinen Herrn setzen und zuhören.
Der erste Schritt war schnell erledigt, woraufhin Igor einen Stuhl heranzog.
Dann leitete er den dritten Schritt ein.

Zwei Nächte zuvor arbeitete Lord Witwenmacher, Oberhaupt der Assassinengilde von Ankh-Morpork, in seinem Büro, um den Papierkram, der wohl auf jeden Chef einer großen Organisation zukam, etwas zu dezimieren.
Der Abend ging ohne irgendwelche besonderen Ereignisse vorbei, wobei der Leser sicherlich weiß, dass bald etwas passieren wird, denn sonst würde der Autor sich sicherlich nicht die Mühe machen diese Szene zu schildern.
Als Witwenmacher gerade die Lampen löschen wollte, um diese Nacht zumindest ein wenig Schlaf zu bekommen fühlte er etwas.
Es war nicht das Gefühl, das man bekam, wenn jemand einen beobachtete. Es war auch nicht das Gefühl, dass durch eine auf den Denkenden gerichtete Waffe entstand, was meist, jedoch nicht in allen Fällen, das letzte Gefühl eines lebenden Individuums war.
Nein es war schlicht und einfach die Gewissheit, dass jemand gerade den Raum betreten hatte und dies unbemerkt von allen Augen.
Der Oberassassine wunderte sich ziemlich über diesen Gedanken, da er nicht gehört hatte, wie sich die Fallen im Flur und in seinem Büro ausgelöst hatten.
"Ich erwarte keinen Besuch von Gevatter Tod", dachte Witwenmacher laut. "Meine Milchzähne sind längst ausgefallen, weshalb du sicherlich keine Zahnfee bist. Einen Geist bezweifle ich mehr als alles andere und sowohl die Seelenkuchenente als auch Des-Alten-Mannes-Schwierigkeiten haben sicherlich kein Bedürfnis zu mir zu kommen. Ein Gnom, der versucht durch die Mauselöcher zu kommen würde in den Mausefallen gefangen werden. Für Vampire habe ich genug Knoblauch und für Werwölfe eine ganze Menge Silber. Also wer seid Ihr?"
Jemand (oder etwas) trat aus den Schatten.
Es war ganz klar ein humanoides Wesen und trug eine schwarze Kutte.
Der Fremde nannte seinen Namen.
"Aha", entgegnete der Assassine. "Und weshalb sind Sie zu mir gekommen, -"
Der nun namentlich bekannte Fremde wies auf die vermutliche Schädlichkeit hin, die eine Nennung seines Namens zur Folge haben könnte.
"Nicht so grobe Ausdrücke. Was ist Ihr Begehr und wie sind Sie hier hereingekommen?"
Die Gestalt beantwortete die gestellten Fragen.
"Magisch begabt? Nun, wie Sie meinen. Zur ersten Frage: Sie wollen also jemanden inhumieren lassen?"
Die Robe brachte die Korrektheit dieser Feststellung zum Ausdruck.
"Und wie ist der Name des Klienten?"
Die Gestalt nannte den Namen.
"Ich dachte, er wäre bei seiner letzten Forschungsreise gestorben?"
Eine kurze Erklärung folgte.
"Oh, der Andere."

Kapitel 2: Ein sinnloser Mord, ein mysteriöser Mord und ein persönlicher Mord

Pfeifenrauch füllte nun das kleine Büro des Gefreiten Kolumbini.
Das Gespräch hatte mehrere Stunden gedauert. Die Art, wie es geführt wurde war in jedem Jahr, seit dem Tod von Freds Eltern, gleich gewesen und inzwischen zu einer Tradition geworden.
Danach ging es dem kleinen Mann immer etwas besser.
Jemand klopfte an die Tür und nachdem Diener und Herr sich vernehmen ließen, die betreffende Person könne nun den Raum betreten, steckte Myra Schwertschleifer ihren Kopf in das Büro.
Nachdem sie aufgehört hatte wegen des Rauches zu prusten bemerkte sie, dass Kolumbini nicht mehr so betrübt da saß, weshalb sie lächelte, wobei die Wirkung dieser Geste der Freundlichkeit in dem eben erwähnten Prusten und den Tränen in ihren Augen unterging.
"Hallo, Kolumbini", sagte die Hauptgefreite. "Der Oberleutnant will dich sprechen. Es geht um einen neuen Fall."
"Ein Fall?" sprang Inspäctor von seinem Stuhl auf. "Endlich. Wollen wir mal nicht hoffen, dass er wieder an D.O.G. übergeben wird, wie bei dem Fall von Herrn Napfkuchen. Das war der Fall, der an den Hauptgefreiten Picardo weitergegeben wurde. Erinnerst du dich?"
"Dunkel", antwortete Myra und log dabei ein wenig. Sie hatte bisher nicht gewusst, dass Fred überhaupt ein Fall anvertraut worden war. Bisher hatte er, so dachte die Hauptgefreite jedenfalls, nur einen Mordfall aufgeklärt und dies hatte er mit Myras Zusammenarbeit getan.
Dann lächelte sie und fügte hinzu: "Aber ich glaube kaum, dass dieser Fall an D.O.G. weitergegeben wird. Es ist glaube ich eine alte Dame aus der verlierenden Straße und es wurde keine Quittung gefunden."
Natürlich wusste die Hauptgefreite, dass dies noch kein Beweis für eine Nicht-Verstrickung der Gilden in den Fall war.
"Wollen wir hoffen, dass das so bleibt. Lass uns gehen, Igor. Danke für die Nachricht, Madam."
"Keine Ursache, Kolumbini."
Als die Beiden verschwunden waren öffnete Myra das Fenster.

Oberleutnant Humph MeckDwarf saß in seinem Büro über eine Fallakte gebeugt, als eine Brieftaube durch sein Fenster und auf seinen Schreibtisch flog.
Er erkannte sie als eine der Brieftauben, die Kommandeur Rince gehörten und entnahm der Kapsel an ihrem Bein einen kleinen Zettel.
Er las ihn sorgfältig durch, nur um danach ein erneutes diesmal noch aufmerksameres Durchlesen auszuführen.
Was? Wieso soll er sich denn bei Rince melden? Was hat der Kerl nur wieder angestellt?, fragte sich der R.U.M.-Abteilungsleiter.
"Hey, Herr Schlaumeier", sagte Murphy, der Kobold, der sich in Humphs Hirn eingenistet hatte. "Nur ein Vorschlag, aber vielleicht steht auf der Rückseite noch was, was die Sache erklärt."
"Was?"
"W-e-n-d-e-n! Ist das so schwer?"
"Halt ja die Klappe!"
"Oh! Hilfe! Mir schlottern ja die Knie bei diesen wilden Drohungen!"
"Schnauze jetzt", schrie MeckDwarf laut und Murphy gab seltsamerweise wirklich Ruhe.
Dann wendete der Oberleutnant den Zettel und las den auf der anderen Seite befindlichen Satz, der von der Unterschrift des Kommandeurs gekrönt wurde.
"Was meint er denn damit?" fragte er sich laut, als es an der Tür klopfte.
Humph erkannte es als das typische Kolumbini-Klopfen.
Bevor ich nicht den Kommandeur befragt habe, werd ich ihn besser nicht damit belästigen. Myra meinte, er sei sowieso nicht gut drauf, also muss man keine weitere Aufregung riskieren.
"Herein!"
"Hallo, Herr. Ihr habt mich gerufen?" begrüßte ihn der halbe Brindisianer.
"Ja. Es gibt einen neuen Fall und da du bisher keinen selbigen alleine lösen durftest, dachte ich mir, dass es eine gute Idee wäre, ihn dir zuzuteilen. Es geht um eine gewisse Frau Nimmerfroh, die in der Verlierenden Straße wohnhaft war. Ihre Leiche wurde gestern Mittag von ihrem Untermieter entdeckt. Hier ist die Akte von S.U.S.I. zu diesem Fall. Die Todesursache war ziemlich klar: ein glatter Stich ins Herz. Eine Quittung wurde bisher nicht gefunden."
Der Gefreite hatte alles fleißig auf seinem Notizblock notiert.
"Hausnummer?" hakte er nach.
"27", gab ihm sein Vorgesetzter als Antwort. "Die Gefreite Alice hat den Fall bearbeitet, falls du mit ihr reden möchtest."
"In Ordnung, Herr. Ich erstatte heute Abend Bericht. Bis dann, Herr. Gibt es sonst noch etwas, Herr?"
Der Oberleutnant schien kurz zu überlegen.
"Nein, Kolumbini. Du kannst gehen."
"Tschüss, Herr."
"Bis dann, Gefreiter."
Die Fallakte war in feiner Handschrift geschrieben worden, wies jedoch nur wenige neue Informationen auf.
...wurde von ihrem Untermieter, Herrn Kohl, um 14:00 Uhr mittags entdeckt, las der Ermittler. Die Autopsie ergab...Messerstich ins Herz. Zeichen, die auf einen Kampf hindeuten sind nicht vorhanden. Die Nachbarn wiesen darauf hin, dass zum vermutlichen Todeszeitpunkt 10:30 Uhr, den die Autopsie ergab, weder Schreie noch irgendwelche anderen verdächtigen Geräusche zu hören waren. Der Bekanntenkreis Frau Nimmerfrohs beschränkte sich auf ihren von ihr getrennt lebenden Mann, ihren Untermieter, sowie einige alte Damen, mit denen sie gelegentlich Kaffee trank.
Das Lesen des Rests des Berichts schenkte sich Kolumbini, da er einige Sachen lieber selber überprüfte.
"Also los, Igor", sagte der Gefreite zu seinem Diener, der vor der Bürotür des Oberleutnants MeckDwarf gewartet hatte. "Lass uns mal diesen Mordfall aufklären."

Die Nachbarn waren schnell befragt und jeder von ihnen versicherte Kolumbini, dass den gesamten Tag über niemand Frau Nimmerfrohs Haus betreten hatte außer Herrn Kohl, ihrem Untermieter, und das war nach ihrer Ermordung gewesen.
In dieser Gegend wohnten hauptsächlich alte Damen und (was wohl in allen Teilen des Multiversums gleich ist) einige von ihnen hatten das Hobby entwickelt sich besonders stark für die Welt da Draußen zu interessieren, ohne direkt an ihr beteiligt zu sein. Böse Zungen mochten dieses Hobby auch Voyeurismus nennen, doch bei alten, netten Mütterchen kann davon wohl kaum die Rede sein.
An bestimmten Straßen von Ankh-Morpork saß eine ganze Brigade von ihnen am Fenster, um die Welt in ihrem Wandel zu beobachten und sobald sie das Gefühl hatten, von jemandem angesehen zu werden, hinter den Vorhängen zu verschwinden. Gelegentlich gingen sie zum Essen und trinken in die Wohnung, woraufhin andere ältere Mitbewohner die Beobachtung übernahmen.
Wenn jemand in Ankh-Morpork ein Spionagenetzwerk errichten wollte, so hätte er einfach einige alten Damen mit Katzenfutter bezahlen müssen.
Der Untermieter Frau Nimmerfrohs wohnte im oberen der beiden Stockwerke des Hauses, in dem sie gewohnt hatte, und war somit eigentlich ein "Obermieter". Weiterhin war er nach Auskunft des A.D.S.N. nicht vor 14:00 Uhr nach Hause gekommen, was seine Freundin, bei der er nach eigener Auskunft den gesamten Tag verbracht hatte, bestätigte.
Inspäctor Kolumbini besichtigte derzeit den Tatort.
Igor hatte er mit einem Zettel voller Fragen zu S.U.S.I. geschickt, damit er dort etwas für seinen Herrn herausfinden konnte. Es war schon recht praktisch einen Diener zu haben, fand Kolumbini.
"Was ist denn mit dieser netten jungen Dame passiert, Herr Wächter?" fragte der Untermieter, während er dem Besucher die einzelnen Zimmer zeigte.
"Sie meinen die Gefreite Alice?"
"Ja, ich glaube, so war ihr Name."
"Sie ist nur für die Spurensicherung und nicht für die Ermittlung zuständig. Dies hier ist der Tatort?" fragte der halbe Brindisianer pflichtbewusst.
"Ja. Hier habe ich die Leiche von Frau Nimmerfroh gefunden."
"Wo ist der Kreideumriss?"
"Oh, ich habe eine Decke darrübergelegt", antwortete der ungefähr 20jährige Mann und zog rasch besagtes Stoffstück zurück, um den Umriss aus Kreide zu enthüllen.
Kolumbini betrachtete die aufgezeichnete Leiche eine Zeit lang und verglich anschließend mit den Ikonographien, die die Gefreite Alice ihrem Bericht hinzugefügt hatte, mit dem ihn umgebenden Raum.
Normalerweise wusch sich Herr Kohl hier, jedoch räumte Frau Nimmerfroh diesen Raum einmal die Woche auf.
Auf den Fotos zeigte sich ein Ausdruck von Überraschung und Entsetzen auf dem Gesicht des Mütterchens.
Fred ging ans Fenster und blickte in den Hinterhof. Auf der anderen Seite befanden sich große Apartmenthäuser, die nach Auskunft von Herrn Kohl hauptsächlich von entweder alten oder jungen Damen oder Herren bewohnt wurden. Dies lag vor allem an der niedrigen Miete, die in dieser Wohngegend erhoben wurde.
Alte Damen gaben ihr Geld für Katzenfutter (oder Ferngläser) aus und junge Menschen hatten meist schlecht bezahlte Arbeiten. Im Falle einiger junger Damen war die Arbeit zwar gewinnbringend jedoch etwas gefährlich, wenn die Näherinnengilde Wind davon bekommen würde.
Der Mörder konnte nicht durch den Fronteingang gekommen sein, da das A.D.S.N. dies bemerkt hätte. Selbst zur Teezeit gab es einige Mütterchen, die mit einer dampfenden Tasse der Welt ihre Aufmerksamkeit schenkten.
Also konnte der Täter nur aus dem Hinterhof gekommen sein.
"Gibt es hier einen Hintereingang?" fragte Kolumbini nachdenklich.
"Nein, Herr Wächter. Nur die Fenster. Allerdings hat Frau Nimmerfroh die unteren Fenster mit einigen Gittern versehen. Eine Idee ihres Mannes um ganz genau zu sein. Niemand hätte also auf diesem Weg hineinkommen können, ohne laute Geräusche zu verursachen."
"Meinen Sie, dass es den anderen Nachbarn möglich gewesen wäre den Täter dabei zu beobachten, wie er durch die oberen Fenster kletterte?"
"Glaube ich kaum. Für die Hinterhöfe interessiert sich niemand. Die Omas schauen viel lieber auf die Straße."
Und die jungen Leute haben sicherlich...bessere Sachen zu tun, ergänzte Fred in Gedanken.
"Hm", sagte er nachdenklich und holte seine Pfeife hervor. "Sie erlauben?"
"Jaja. Lassen Sie mich nur kurz das Fenster öffnen."
Der junge Mann tat dies jedoch nicht ohne Mühe. Mit einem leichten Schaben öffnete sich das Fenster.
Der Wächter zündete sich die Pfeife an, nahm einige Züge und blies Rauchringe in die Luft um etwas Klarheit zu schaffen. Er schloss die Augen und presste sich eine Hand an die Stirn, wodurch er sehr konzentriert, aber gleichzeitig auch ziemlich albern wirkte.
"Warten Sie, Herr Kohl. Könnten Sie bitte noch einmal das Fenster schließen und wieder öffnen?" hielt er den Mann in der Tür an.
"Nein, danke, Herr Wächter. Ich habe keine Lust mich noch mal so abzumüh...ah. Jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Der Mörder kann nicht durch dieses Fenster gekommen sein, da er es von Außen wahrscheinlich noch schwerer öffnen konnte."
"Und selbst wenn er es aufbekommen hätte, so wäre Frau Nimmerfroh sicherlich aufmerksam geworden und hätte geschrieen oder sonst wie Hilfe herbeigerufen."
"Aber durch die anderen Fenster kann niemand hereinkommen. Sie sind zu klein für einen Menschen und nur ein Mensch könnte einen Dolch in Herzhöhe in die Brust einer Frau stoßen. Zumal meine Vermieterin auch keine kleine Person war."
"Hm."
Kolumbini blickte nachdenklich an die Zimmerdecke und schloss die Augen, um sich das Haus noch einmal in allen Einzelheiten vorzustellen.
An der Vorderseite zwei Fenster und eine Tür im Untergeschoss und zweieinhalbe Meter darüber drei weitere Fenster. Im Dach noch ein Giebelfenster...
Der Gefreite klopfte sich mit der Handfläche an die Stirn.
"Natürlich", rief er aus. "Wo geht’s hier zum Dachboden, Herr Kohl?"
"Dachboden?" entgegnete der Untermieter.
"Ja. Oder glauben Sie, das Dachfenster auf der Vorderseite ist zur Zierde angebracht worden?"
"Die Dachfenster", verbesserte Kohl ein wenig geistesabwesend.
"Wie bitte?"
"Jetzt, wo Sie es sagen, fällt mir ein, dass wir zwei Dachfenster haben. Eins an der Hausfront und eines an der zum Hinterhof zugewandten Seite. Aber ob da oben ein Dachboden ist und wie man da hinauf gelangt, weiß ich nicht."
Inspäctor nahm einen Besen, der an der Wand gelehnt hatte zur Hand und klopfte damit an die Decke.
Wenn man ganz genau hinsah, konnte man erkennen, dass sich an einer Stelle ein kleines Loch im Holz befand.
Poch! Poch!, schlug der Besen gegen besagten Punkt. Nach etlichen Versuchen ging die Klappe, die zum Dachboden führte, endlich auf.
"Es sieht ganz so aus, als ob Ihre ehemalige Vermieterin dort oben etwas verbergen wollte", stellte Kolumbini fest. "Sie hat anscheinend den Haken mit der Schnur entfernt."
"Jetzt weiß ich endlich, wofür die Leiter in dem kleinen Wandschrank gedacht ist", bemerkte der Untermieter.
"Dann gehen wir sie mal holen."
Draußen im Gang beschloss Fred endlich die Frage zu stellen, die ihm schon eine ganze Weile auf der Zunge brannte.
"Ach sagen Sie, Herr, wer wird das Haus eigentlich erben?"
"Soweit ich weiß, wollte sie es ihrem Mann vermachen. Trotz dieser Sache mit der Näherinnengilde. Er ist ein fetter Erfinder. Sie haben getrennt gelebt, seit er mit seinen Erfindungen Geld gemacht hat und dieses dann für Näherinnen ausgegeben hat. Frau Nimmerfroh selbst arbeitete als Putzfrau, um über die Runden zu kommen. Ihr Mann ist der fetteste Mensch, den ich je gesehen habe. Wenn sie mich fragen, Herr Wächter, war er es. Überprüfen Sie ihn mal."
"Ich glaube, eine Befragung wird nicht nötig sein. Wenn der werte Herr wirklich stark übergewichtig ist, glaube ich kaum, dass er es schafft, in den zweiten Stock zu klettern. Was hat er überhaupt erfunden?"
"Einen Spiegel für Eselkarren, damit man sich nicht mehr umdrehen muss, um zu sehen, was hinter einem vor sich geht."
Und für solche Banalitäten brauchen wir in Ankh-Morpork Erfinder, die sich so etwas ausdenken. Wenn man sich den durchschnittlichen Morporkianer anschaut fragt man sich aber sowieso manchmal, wie sie auf die Erfindung der Aborte kamen, dachte der Gefreite.
Inzwischen hatten sie die Leiter geholt und in den Waschraum befördert.
Nachdem sie das Kletterhilfsgerät angelehnt hatten stieg Kolumbini die einzelnen Sprossen in das dritte Geschoss hinauf.
Noch nie zuvor hatte der halbe Überwaldianer einen staubigeren Ort erblickt.
Fahles, gebrauchtes Licht fiel durch das der Sonnenseite zugewandte Fenster und erhellte somit den Raum. Dieser war voller Kisten und merkwürdiger Apparaturen, die allesamt verloren und vergessen wirkten, was auch für den gesamten Dachboden galt.
Dreck und Spinnweben, deren Erbauer bereits lange im großen Spinnenhimmel verweilten, stellten die Haupteinrichtung des kleinen Raumes dar.
Hier und dort lag auf dem Boden ein Bild, doch all dies nahm Kolumbini nur bedingt wahr.
"Was ist denn dort oben?" rief Herr Kohl von unten hoch.
"Es scheint die alte Werkstatt von Herrn Nimmerfroh zu sein. Und gleichzeitig eine Art Friedhof für die Erinnerungen seiner Frau an ihn", antwortete Fred noch immer auf einen Punkt fixiert. "Herr Kohl?"
"Ja?"
"Bitte gehen sie zu einer der alten Dame auf der anderen Straßenseite. Am besten zu Frau Redgut, da sie im höchsten Apartment wohnt. Ich habe sie vorhin befragt. Blicken Sie bitte mit ihr zusammen aus dem Fenster und kehren dann in einer halben Stunde hierher zurück, um mir zu berichten, was sie gesehen haben, ja?"
"Äh, na gut."
"Vielen Dank", rief der Wächter vom Dachboden und starrte weiterhin auf die Wischspuren, die sich deutlich im Staub abzeichneten.

Eine knappe halbe Stunde später fand sich Herr Kohl mit seiner Begleiterin Frau Redgut wieder im Waschraum ein.
Weder von der Leiter noch von der geöffneten Luke war eine Spur zu erkennen.
"Sie sind ein alter Scherzbold, Herr Kohl", krächzte die alte Dame. "Ich sehe hier keinen jungen Mann von der Stadtwache."
"Er war hier", versicherte der Obermieter. "Aber anscheinend ist er gegangen."
In diesem Moment öffnete sich die Klappe zum Dachboden, Kolumbini sprang herunter, landete mehr oder minder elegant auf dem Boden und warf ein Taschenmesser in die Wand, an der die beiden Besucher standen. Dies alles geschah in einigen wenigen Sekunden.
Man mochte überrascht sein, dass die alte Dame keinen Herzinfarkt erlitt, aber wer die Straßen von Ankh-Morpork längere Zeit beobachtet hatte, wurde automatisch abgehärtet, oder übergab sich oft.
Dennoch hallte ein ziemlich schriller Schrei durch den kleinen Raum. Nach einigen verwirrten Blicken des Wächters und Frau Redguts hatte sich Herr Kohl wieder gefasst.
"Sie hätten mich warnen können!" herrschte er den Wächter an.
"Dann wäre meine Überprüfung ja nicht nötig gewesen. Ich wollte sehen, wie schnell sie reagieren und habe festgestellt, dass sie noch vor dem Schrei von dem Messer getroffen worden wären, wenn ich etwas mehr Übung hätte", zog der kleine Mann sein Schneidutensil aus der Wand. "Würden Sie mir nun bitte berichten, was sie von dem gegenüberliegenden Fenster aus beobachten konnten?"
"Nur das Haus, Herr Wächter. Und die Straße natürlich", erklärte Frau Redgut.
"Und auf dem Dach dieses Hauses haben sie nichts gesehen?"
"Nein, Herr...wie war nochgleich ihr Name?"
"Kolumbini, gnä' Frau."
"Ah, ein Brindisianer, wie?"
"Fast, gnä' Frau. Zur Hälfte Brindisianer und zur Hälfte Überwaldianer", antwortete der R.U.M.-Ermittler. "Sie haben also nichts gesehen...", überlegte er laut.
"Wie ich schon sagte: Nur die Straße und dieses Haus hier."
Kolumbini klopfte sich auf ein Glasauge. Eigentlich war diese Antwort genau das, was er erwartet hatte. Der Mörder war also über das Dach hineingekommen. Die Fenster am Dachboden waren ziemlich leicht zu öffnen, was Fred überprüft hatte und auf dem Dach konnten sie ihn nicht sehen, was ein weiteres Indiz war, dass der Mörder diesen Weg genommen hatte.
Wenn ich etwas mehr Übung hätte, wie zum Beispiel ein Assassine, hätte ich die alte Frau sicher vor ihrem Schrei erledigen können. Und außerdem: Wen interessiert ein kurzer Schrei auf den Straßen Ankh-Morporks? Nur einer unter vielen.
Aber wieso wurde keine Quittung gefunden? Nun, wenn es ein freiberuflicher Assassine war, so musste Kolumbini sich um den Fall keine Sorgen mehr machen. Die Gilde würde es unter sich ausmachen und außerdem würden die Ermittlungen sowieso an D.O.G. übertragen werden.
Was Fred störte waren die Spuren auf dem Dachboden. Sie waren von einem kompletten Trottel hinterlassen worden, der dachte, dass ein Wegwischen von Fußabdrücken die Anwesenheit einer Person rückgängig machen konnte. Ein Assassine war erstens nicht so dumm und zweitens hatten Assassinen keinen Grund ihre Fußspuren zu verwischen; sie hinterließen einfach eine Quittung und alles war legal.
"Das wär's dann, meine Dame, mein Herr", gab der Gefreite bekannt. "Vielen Dank."
"Wollen Sie uns nicht wenigstens mal erklären...", begann Herr Kohl, doch genau in diesem Moment knallte die Tür auf und Igor platzte herein.
"Fnell, Herr. Du mufft mit mir kommen", sprudelte es in einem Schwall aus ihm heraus.
"Nicht so hastig, Igor. Erklär mir erst einmal, was passiert ist", beruhigte Kolumbini seinen Diener und ignorierte die Blicke der beiden Zuschauer, die eine Mischung aus Überraschung und Ekel zum Ausdruck brachten.
"Ein weiterer Mord ift gefehen, Herr."
"Noch einer? Wer? Wo?"
"Die Leife liegt ganf in der Nähe in einer Feitengaffe, Herr. Daf Fträffen ift eine kleine Verbindung fwifen Quirmftrafe und der Winkelfuggaffe. Alle Anfeifen deuten darauf hin, daff daf Opfer ein Affaffine war."
"Hast du schon eine Taube zu S.U.S.I. geschickt?"
"Tut mir leid, Herr, aber der Vorrat an Tauben in meinen Taffen ift ein wenig begrenft", entgegnete Igor.
Kolumbini ignorierte den Sarkasmus und fragte stattdessen Herrn Kohl nach dem Ort des nächstgelegenen Taubenschlags.
"Gibt keinen in der Nähe, aber vielleicht kann ich ja eine Nachricht überbringen?"
"Danke. Bitte gehen Sie zum Wachhaus am Pseudopolisplatz und übergeben sie diese Nachricht and die Abteilung S.U.S.I. weiter, Herr Kohl. Vielen Dank."
Der Gefreite schrieb hektisch etwas auf einen Zettel und gab ihm den ehemaligen Obermieter.
"Keine Ursache, Herr..."
"Kolumbini", ergänzte Fred.
Der junge Mann, dessen Name Ähnlichkeiten mit einem Gemüse aufwies rannte hinaus und lenkte seine schnellen Schritte in Richtung Pseudopolisplatz.
"Wie bist du eigentlich hier hereingekommen, Igor?"
"Die Tür ftand offen, Herr."
Der Ermittler richtete einen fragenden Blick auf Frau Redgut, die daraufhin abwehrend den Kopf schüttelte. Momentan gab es wichtigere Sachen für Kolumbini. Es war einfach etwas, dass man im Gedächtnis behalten musste.
"Nun gut, Igor. Lass uns mal diesen Tatort genauer unter die Lupe nehmen."

Die Gasse konnte getrost von jedem Passanten übersehen werden. Es war eine jener Seitengassen, die vor langer Zeit vergessen worden waren.
Alte Mülltonnen, deren Abfälle bereits vor mehreren Jahrzehnten weggeworfen worden waren, warteten darauf von Katzen umgeworfen zu werden, die, lassen Sie es mich so ausdrücken, bestimmt kein weißes Fell besitzen.
Eine alte, verschimmelte Holzleiter, deren Sprossen vermutlich nicht einmal mehr das Gewicht eines Schmetterlings aushalten würden, führte in die oberen Etagen der Metropole und der Gestank, der in dem Windstillen Gässchen lag, wies auf inkontinente Katzen und Moder hin.
Die unheimliche Atmosphäre wurde von dem unterstützt, was auf dem Boden lag:
Eine Gestalt vollkommen in Schwarz gekleidet, deren Blut sich mit dem allgemeinen Dreck der Gasse vermischte.
Und nun stand ein kleiner Mann in einem ledernen Trenchcoat an dem Schauplatz des blutigen Verbrechens. Er betrachtete die Leiche genau.
Der Tote war ein Mann mit schwarzem Haar und ebenso farbigem Schnurrbart. Dass dieser Mann ein Assassine war, wäre selbst einem Maulwurf aufgefallen. Er trug einen Kapuzenumhang, einen feinen schwarzen Anzug und Pumphosen. An seinem Gürtel und am Rest des Anzugs befestigt waren mehrere Taschen, sowie ein schwarz gefärbter Kletterhaken mitsamt Seil, zwei schwarz gefärbte Wurfpfeile, eine schwarz gefärbte Scheide, die ein Kurzschwert enthielt, und eine Einschussarmbrust(dreimal dürfen sie raten, lieber Leser, welche Farbe sie hat). Der Mann im ledernen Trenchcoat ging davon aus, dass die restlichen Waffen irgendwo in der Kleidung verborgen waren.
In einer Wand der Gasse steckte ein schwarzer Hut, dessen breite Krempe ein scharfes Metallband enthielt.
In der Hand des Toten befand sich ein dünnes Messer, das aufgrund der Ironie des Schicksals mit dem übereinstimmte, das seinen Brustkorb durchbohrt hatte.
Selbst mit der blutigen Wunde und dem starren Blick in seinen Augen wirkte der Meuchelmörder elegant. Eleganz war etwas, auf das Assassinen großen Wert legten.
Und wieder ein Fall, der an D.O.G. geht, dachte Kolumbini.
Langsam bereute der Ermittler, dass er zu R.U.M. gegangen war. Kein einziger Fall, den er bisher alleine oder wenigstens zu Ende bearbeiten durfte. Das war einfach ungerecht.
Vielleicht hätte er damals Phillipe Poirets Angebot, ebenfalls Detektiv zu werden, annehmen sollen. Jaja damals in Sto Lat...
Fred erinnerte sich an seinen aller ersten Kriminalfall, als hätte er ihn erst gestern mit seinem Freund Phillipe gelöst.
Poiret war ein Detektiv aus einem Vorort von Quirm gewesen und ein verdammt guter und bekannter noch dazu. Wie Inspäctor wusste war Poiret immer noch berühmt, hatte sich allerdings in den Ruhestand zurückgezogen. Als er eines Tages in Kolumbinis Schneiderei kam, um sich einen neuen Anzug anfertigen zu lassen erzählte er dem Schneider von seinen Fällen und da Detektive und Polizisten niemals Urlaub haben, drängte sich ihm auch in Sto Lat ein zu lösendes Verbrechen auf und er fragte Inspäctor, ob er ihm nicht helfen wolle.
Die Stadtwache hatte damals zwei mehr als zwielichtige Typen im Verdacht. Hätten sie nach irgendeinem anderen Verbrechen als dem Mord an Margaret Bouvier gefragt, hätten sie mit ihren Verdächtigungen sicherlich Recht gehabt. Mit anderen Worten: die beiden hatten mehr Dreck am Stecken als ein Wanderer im Ankh.
Wie waren noch einmal ihre Namen gewesen?
Spieß und Narzisse, wenn der halbe Brindisianer sich recht entsann.
Sie hatten ihn bedroht und gesagt, wie waren ihre Worte? Er solle der ...mten Wache sagen, dass sie den ...mten Mord nicht begangen hatten, weil ihnen jemand zuvorgekommen war.
Die Wache in Sto Lat war schnell von der Unschuld der Beiden überzeugt und nachdem Phillipe und Fred den Fall aufgeklärt hatten, stellte sich diese Aussage sogar als richtig heraus.
Aber momentan hatte Kolumbini wichtigere Sorgen, als einen unwichtigen Kriminalfall aus der Vergangenheit.
Zwar kannte er sich mit solchen Sachen nicht so sehr aus, aber der Assassine konnte nicht länger als einen Tag tot sein, da sein Blut noch nicht getrocknet war und ihn noch keine Ratte angeknabbert hatte. Fred hoffte, dass Herr Kohl bald einen S.U.S.I.- Wächter hier herführen würde.
Es war recht kühl in dem Häuserzwischenraum und Kolumbini steckte die Hände in seine Taschen, wo er seinen Regenschirm ertastete.
Er hatte Igor den Knopfdruckaufsprungmechanismus entschärfen lassen, da es nach seiner Meinung nicht richtig war mit einem Regenschirm ein Rhinozeros niederschlagen zu können, auch wenn man danach einen neuen Regenschutz brauchte. Die Spannkraft sollte Igor auch bei Freds "modififiertem Dienftflagftock", wie Igor in nannte, ändern.
Da dies ein wenig länger dauerte war Kolumbinis einzige Waffe seine kleine Armbrust, die er gespannt in einer MANTEL-Tasche aufbewahrte.
Der halbe Brindisianer war ohnehin kein starker Befürworter von Waffen. Zwar waren sie sehr nützlich, um jemanden in Schach zu halten, aber wenn er daran dachte, dass einige Kollegen damit jemanden umgebracht hatten wurde ihm mulmig zu Mute. Man musste sich manchmal wehren, aber ein Schuss ins Bein oder ein Tritt an eine bestimmte Stelle war nach Kolumbinis Ansicht genug. Jedoch vertrat er diese Einstellung erst, seitdem er gesehen hatte, was sein Schlagstock anrichten konnte und wozu Menschen wurden, die oft mordeten. Igor hatte ihm davon erzählt und außerdem hatte Fred so einiges in der Kantine der Wächter aufgeschnappt. Nach seiner Meinung konnte man mit dem durchschnittlichen Verbrecher sicherlich einfach verhandeln. Diese Meinung vertraten nicht gerade viele Leute und die meisten taten dies nicht sehr lange.
"If habe ihn genau fo gefunden, Herr", unterbrach Igor die Stille.
"Hm", bemerkte Kolumbini. "Geh bitte zu D.O.G. und sage ihnen, dass sie bitte jemanden hier herschicken sollen, der sich mit der Assassinengilde auskennt. Wir treffen uns dann heute Abend im Pferdestall, ja?"
"Fehr wohl, Herr", sagte Igor, wohlwissend, dass es bis "Abend" nur noch wenige Stunden waren und Fred sicherlich früher in die Kneipe gehen würde, um über den Fall nachzudenken.
Danach schlurfte der Diener in Richtung Boucherie Rouge.
Inspäctor holte aus seinen MANTEL-Taschen einen Lederbeutel, sowie ein Taschentuch hervor und sah sich nach Dingen um, die nach wichtigen Beweisen aussahen.
In diesem Dreckloch werde ich nie etwas finden, dachte der Gefreite und goss sich ein wenig Tee in eine Tasse, um sich die Wartezeit auf die S.U.S.I.-Spurensicherer wenigstens etwas angenehmer zu gestalten.
Er stellte sich mit dem dampfenden Tee an die Straßenecke, denn Igors Wegbeschreibung war immerhin nicht sehr präzise gewesen und so konnte er die Wächter leichter abfangen.
Gerade als er den letzten genüsslichen Schluck aus der Tasse entnahm, hörte er die bekannte Stimme Herrn Kohls: "Da ist er ja. Wir haben ihn gefunden, Fräulein Alice."
Fräulein Alice?!
Warum ausgerechnet sie? Fred hatte in der Kantine einiges über diese Wächterin gehört und nichts davon gefiel ihm. Das einzige, was ihm akzeptabel erschien, war ihre Abneigung gegen Werwölfe. Kolumbini mochte kein Werwolfhasser sein, doch er stand diesen morphologisch begabten Lebewesen immer mit einer großen Portion Misstrauen gegenüber.
"Ah, hallo, Kollege", drang eine ganz offensichtlich weibliche Stimme an Freds Ohr, die die Libido vieler anderer Männer dazu veranlasst hätte Samba zu tanzen.
Kolumbini fühlte sich jedoch sofort an jene unangenehmen Kundinnen in Sto Lat zurückerinnert.
Allerdings sah die Wächterin nicht ganz wie eine jener "Nervkundinnen" aus. Sie war ein wenig älter.
"Tag!", grüßte der Ermittler knapp und nickte in die Richtung der Beiden. "Danke sehr, Herr Kohl. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag", fügte er mit einem fast unbemerkbaren drängenden Unterton hinzu.
"Keine Ursache, Herr Kolumbini. Das hab ich doch gern gemacht."
Kohl schien sich sichtlich über seine weibliche Begleitung zu freuen und sein Lächeln hatte nach Inspäctors Meinung große Chancen den "Ich-hab-das-bescheuertste-Grinsen-der-ganzen-Stadt-Wettbewerb" zu gewinnen.
"Sie können nun gehen, Herr Kohl. Es besteht kein Grund für Sie weiter hier zu verweilen", drängte der halbe Brindisianer weiter.
"In Ordnung. Tschüss."
Die Gefreite warf ihm einen zuckersüßen Blick zu und säuselte dem offensichtlich verwirrten Mann ein "Wiedersehen" zu.
Ihr Tonfall ließ Herrn Kohl nur hoffen, dass sie es ernst meinte. Danach ging oder besser stolperte der ehemalige Obermieter endlich fort.
Als Alice sich zu Kolumbini umdrehte, vermittelte sein Blick ihr folgende Botschaft:
Wenn du jemals in diesem Tonfall mit mir sprichst, so werde ich dir einen hübschen Strauß Veilchen zukommen lassen!
Inspäctor mochte Waffen nicht mögen aber manchmal hielt er eine ordentliche Tracht Prügel, solange sie nicht ihn betraf, für ein äußerst ratsames Mittel jemandem Vernunft beizubringen.
"Ähm, du hast ihn so gefunden, Kolumbini?" fragte Alice ein wenig verunsichert.
"Ja."
Die Spurensicherin war solche Wortkargen Gespräche nicht gewöhnt und begann deshalb mit ihrer Arbeit.
"Hast du vielleicht einen Verdacht?"
Nun ich habe den Verdacht, dass Ihr IQ nicht über der Zimmertemperatur eines gewöhnlichen Hauses liegt und außerdem habe ich nicht den Verdacht, dieser Person jemals das "Du" angeboten zu haben.
"Nun der Mörder muss ziemlich geschickt gewesen sein. Einen Assassinen räumt man nicht leicht aus dem Weg, gnä' Frau. Aber vielleicht wird so etwas Frauen nicht sofort klar."
Alice wurde eins bewusst: Wenn dieser Mann jemals ein omnianischer Priester gewesen wäre, so hätte er die Hexenverbrennung erfunden und dazu die schriftliche Anweisung gegeben: "Alle Fraven, die rothes Haar besitzigen mvessen ainem Test vnterzogen werden. Sie sinnet mit gefesselten Haenden in ein Wasserloch zv werfigen und wenne sie wieder avftavchen, soh sinnet sie Heksen und sinnet avf dem Scheiterhavfen zv ferbrennen oder von ihrer Svende zv reinigen[4]. Ertrinken sie jedoch sinnet sie Vnschvldig und werden in das göttliche Reich Oms avfgenommen, wo sie in alle Ewigkeit leben werden."
"Ich glaube, ein "du" reicht völlig aus, Kolumbini", sagte Alice und begann nach weiteren Indizien zu suchen, konnte jedoch nichts Besonderes entdecken.
"Sie finden nichts, was, gnä' Frau?" fragte Inspäctor fast schon hämisch.
"Nein, Kolumbini und siezen musst du mich wirklich nicht. Wir sind immerhin vom selben Rang. Wie auch immer unser Mörder scheint nicht sehr kooperativ zu sein", lächelte sie den Gefreiten an.
Ich glaube, wir haben hier eine Anwärterin auf die unangenehmste Wächterin, wie?
Nunja. Kollege ist Kollege.

Der letzte Gedanke stammte vom etwas "vernünftigeren" Teil Freds, allerdings gab es nur eine Sorte Frau, die beide Teile akzeptierten: Verwandte.
"Meinst du, gnä' Frau, dass er keinerlei Zettel mit seinem Namen und seiner Adresse hinterlassen hat?"
"Schon gut. Ich werde mich hier noch ein wenig umsehen aber ich schätze, dass du gehen kannst, sobald du mir noch einige Informationen gegeben hast."
"Ja?"
"Wer hat den Kerl gefunden?"
"Mein Diener Igor."
"Ein Igor? Du stammst auch aus Überwald?"
"Zur Hälfte, ja. Es ist eine lange Geschichte." Sein Tonfall verriet, dass er nicht gewillt war, sie zu erzählen.
"Nun gut. Hast du D.O.G. bereits Bescheid gegeben?"
"Ich habe Igor hingeschickt. Er sollte bald mit einem D.O.G.-Wächter hier eintreffen."
"Gut. Das wär's dann. Auf Wiedersehen."
Danach verließ der Gefreite wortlos die Gasse, warf noch seine linke Hand zum Abschied über die Schulter und dachte noch: Hoffentlich nicht.

Es war Abend im Boucherie Rouge. Die Näherinnen im unteren Stockwerk und auf den Straßen gaben sich alle Mühe Männer (und in speziellen Fällen auch Frauen) mit Sprüchen wie "Na du Großer heute schon amüsiert", oder "Du siehst mir aus, als ob du Lust auf ein wenig Spaß hättest" in ihre Zimmer zu locken, um sie dort nach allen Regeln der Kunst zu "verwöhnen".
Gerald Potchon war gerade neu in der Stadt und hatte von seiner Frau den Auftrag bekommen zur Näherinnengilde zu gehen, um einige alte Socken stopfen zu lassen. Solche peinlichen Zwischenfälle gab es häufig bei Neuankömmlingen in der Stadt.
Der etwas schüchterne Herr Potchon war schon etwas verwundert, wie das Gebäude der Gilde aussah. Er hatte etwas Schlichteres von einer "Hausfrauengilde" erwartet und keine bunten Wände oder gar magische Leuchtschriften. Die Kleidung der Näherinnen verwunderte ihn noch mehr, doch der sehr männliche Teil in ihm fragte nicht nach solchen Sachen und tat es einfach mit der Bemerkung "sie müssen doch so viel für andere Leute nähen und können wahrscheinlich deshalb aus Zeitgründen keine richtigen Klamotten für sich selbst herstellen" ab. Eine Dame, deren Erscheinungsbild am besten mit üppig beschrieben werden konnte[5] näherte sich dem etwas verwirrten Gerald und rief ihm zu: "Na du Hübscher, kann ich was für dich tun?"
"Stopfen."
"Wie bitte?"
"Stopfen äh ich meine mich sto...äh m-meine Socken müssten gestopft werden."
Die Dame, ihr Name war V'lu, blickte ihn verwundert an.
"Dafür bin ich nicht zuständig, Süßer."
"Na dann. D-danke vielmals. Und entschuldigen Sie noch v-vielmals die Störung, Fräulein."
Dann ging der Mann wieder in die Richtung, aus der er gekommen war.
V'lu fluchte. Das war wirklich nicht ihr Abend. Sie hatte noch keinen einzigen Kunden gehabt. Dann hörte die Näherin wie schlurfende Schritte die Straße herunterkamen.
Ah, dachte sie, einer von den alten Säcken. Die Zahlen immer gut und man muss nur als erste da sein, dann machen sie's schon. Sie mögen hässlich sein, aber wenigstens bringt es viel Geld.
Doch die Gestalt, die da um die Ecke gebogen kam, war keineswegs ein alter Herr. Nun eigentlich ließ sich das schwer sagen. Vielleicht waren einige Teile von ihm sehr alt.
Diese Person war jedoch so abstoßend, dass sämtliche Näherinnen plötzlich die Meinung vertraten, dass es doch ein recht kühler Abend sei und es sicherlich gemütlicher wäre, sich im Haus aufzuhalten. V'lu realisierte jedoch zu spät, dass die schlurfende Gestalt genau in ihre Richtung steuerte. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen und dachte nur: Ach was soll's?
"Na du Hübsch..."
Die Dame brach abrupt ab, als sie das Gesicht des Fremden sah. Ein Netzwerk aus Narben und die Augen befanden sich nicht auf einer Höhe.
"Entfuldigen Fie, gnä' Frau, if bräufte da bei einer Fache Ihre Hilfe", lispelte der bucklige.
"Bitte erspar mir Details."
"If würde gerne den Weg fur Bouferie Roufe in Erfahrung bringen."
"Oh, dahin möchtest du. Da vorne rechts. Kannst es gar nicht verfehlen."
"Danke fehr, Fräulein."
Als Igor sich weit genug entfernt glaubte murmelte er: "Befeuerte Nutten."

Der "Pferdestall" war eine jener kleinen gemütlichen Kneipen, wie man sie heute noch in einigen hessischen Dörfern findet.
Auf den Fensterbrettern standen alten Bierhumpen und Schnapsflaschen, deren Inhalt bereits seit Jahrzehnten in den Mägen der Kunden verschwunden war. Ansonsten war die gesamte Kneipe ziemlich kahl eingerichtet, doch einige wenige Muscheln und Bilder deuteten darauf hin, dass der Besitzer der Wirtschaft Brindisianer war. Aus irgendeinem Grund besitzen solche Kneipen jedoch immer einen Hinterraum, in dem sich mindestens eine Kegelbahn, ein Tisch für Kartenspiele und in manchen Fällen auch ein Billardtisch befindet.
Natürlich waren diese Gegenstände im Pferdestall nicht elektrisch oder gar ausgeklügelt. Die "Kegelbahn" bestand aus einigen Holzbrettern, an deren Seiten langgezogene Mulden befestigt worden waren, die wie Pissrinnen aussahen. Die Kegel bestanden, wie auch die Kugel, aus einfachem Holz und da die Erfindung des elektrischen Seilzugs auf der Scheibenwelt bisher unentdeckt war, musste jemand die Holzkegel immer wieder aufstellen, weshalb diese Möglichkeit des Zeitvertreibs nicht oft genutzt wurde.
Der Wirt Ceneral Humbertolini, von seinen Kunden Humbert genannt, reinigte gerade ein Glas, als Kolumbini in die Kneipe trat.
"Hallo, Fred!" grüßte der Inhaber des Pferdestalls seinen besten Kunden und Freund.
"Hallo, Humbert!" war die Antwort des Wächters.
"Ein Kutscherbier?"
"Nein, ich glaube, heute wäre Tee ein wenig besser. Ich muss meinem Chef gleich noch Bericht erstatten."
Der Wirt beschwerte sich nie darüber, dass Kolumbini seinen eigenen Tee mitbrachte, denn immerhin gab es auch Abende an denen der Wächter mehrere Kutscherbiere runterspülte. Jene Tage mochten nicht sehr häufig sein, aber sie kamen dennoch vor.
Gelächter schallte aus dem Hinterraum.
"Ah, spielen die Herren mal wieder Leg-Herrn-Zwiebel-rein?" fragte Inspäctor.
"Ja. Die Runde hat sich mal wieder zusammengefunden. Du schaust ein wenig nachdenklich drein, Fred."
"Ja, Humbert. Ich habe heute einen Fall zur Bearbeitung bekommen, der mir einige Rätsel aufgibt. Ich muss da mal kurz drüber nachdenken."
"Natürlich. Ich muss sowieso noch einige Gläser polieren. Wenn du was brauchst oder Musik willst, sag einfach Bescheid."
"In Ordnung. Danke, Humbert."
Der Wirt ging darauf hin wieder jener Beschäftigung nach, die Wirte nun mal in Kneipen betreiben, wenn sie nichts zu tun haben und gerade ein Kriminalist an einem ihrer Tische sitzt. Kolumbini goss sich etwas Tee ein und süßte ihn anschließend mit etwas Milch und Honig.
Also, dachte der kleine Wächter, gehen wir die ganze Sache noch mal Stück für Stück durch. Frau Nimmerfroh lebte mit ihrem Mann zusammen, bis dieser mit seinen Erfindungen Erfolg hatte und sich mittels des vielen Geldes einige Male in der Näherinnengilde... vergnügte. Daraufhin zog Herr Kohl in jene Räumlichkeiten ein, die vorher von Herrn Nimmerfroh besetzt worden waren, wobei jedoch der Dachboden versteckt wurde; vermutlich, weil sich die Dame nicht mehr an ihren Mann erinnern wollte. Sie arbeitete als Putzfrau. Ansonsten gab es in ihrem Leben nichts Besonderes. Ihr Tod hingegen war etwas ungewöhnlich. Der Mörder war gestern Mittag durch das Dachfenster eingedrungen, war durch die Luke in den Waschraum gesprungen, wo Frau Nimmerfroh einmal die Woche aufräumte und hatte ihr dann ein Messer in die Brust gestoßen oder wohl eher geworfen, was ziemlich schnell geschehen sein muss, da ein langgezogener Schrei die Nachbarn alarmiert hätte. Vor allem diese alten Fuchteln, !
die den ganzen Tag am Fenster sitzen und Spannen. Ein Assassine wäre sicherlich so schnell, aber mit etwas Training ist es bestimmt möglich, ebenso gute Ergebnisse zu erzielen. Die gesamte Tat riecht nach Assassinen, aber was mich verwirrt sind diese verdammten Wischspuren im Staub des Dachbodens. Warum bei allen Göttern sollte ein in der Gilde organisierter Meuchelmörder seine Spuren verwischen? Er hinterlässt einfach eine Quittung und schon ist alles legal. Das ist der zweite Punkt der mich ein wenig stutzig macht. Was ist mit der Quittung? Nun, man kann sie bestimmt einfach entfernen, aber welchen Sinn hat das? Hm... vielleicht wollte jemand vertuschen, dass er einen Assassinen angeheuert hat? Nein, nein. Das Anheuern von ihnen ist immerhin vollkommen legal. Warum sollte das jemand vertuschen wollen? Vielleicht jemand, der wollte, dass sein Name unbekannt bleibt, das wäre eine Möglichkeit. Vielleicht jemand Bekanntes, der seinen Namen nicht mit der Anheuerung eines Mörders beschmutzen wollte. Ich glaube, dass ich mit diesem Herrn Nimmerfroh doch noch einmal ein Wörtchen reden muss.
Und dann der Mord an diesem Assassinen... Naja. Das ist immerhin nicht meine Angelegenheit. Das ist die Sache von D.O.G. und nicht von R.U.M.. Ich werde nun wohl besser dem Oberleutnant Bericht erstatten.

Dann kroch ein weiterer Gedanke langsam wie ein Gletscher in Kolumbinis Hirn.
Warum war eigentlich die Tür auf, als Igor zurückkam? Nun, Frau Redgut war schon recht betagt und vielleicht hatte sie es einfach vergessen.
Aber irgendwie war das einfach zu simpel.
Einen Grund, weshalb jemand bei ihr einbrechen sollte gibt es nicht, oder? Die Erfindungen ihres Mannes sehen nicht gerade wertvoll aus und irgendwelche Antiquitäten oder Kunstgegenstände hab ich nicht bemerkt. Das ganze Haus ist eher schlicht eingerichtet.
Oder vielleicht wollte jemand Beweise vernichten? Warum geht er dann durch den Fronteingang, wo ihn jeder...
Dann dämmerte es dem Ermittler, dass die Lösung eigentlich ganz einfach war und er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
"Natürlich! Ich muss einfach fragen", rief der halbe Brindisianer laut aus.
Die Band BAM wäre vor Schreck fast von ihren Stühlen gefallen.
"Was? Wen fragen?" brachte Arthur, einziger Vampir (natürlich reformiert) und nicht-Brindisianer der Band hervor.
"Oh niemanden. Entschuldigt ich habe nur laut gedacht."
"Ja ziemlich laut, wenn du mich fragst. Ich hätte Bertollini fast meine Gitarre ins Gesicht geschlagen vor Schreck."
"Entschuldigt."
Kolumbini blickte sich in der Wirtschaft um und für einige Sekunden glaubte er, eine Gestalt an einem der Fenster gesehen zu haben. Hätte er genauer hinsehen können, so wäre es ihm möglich gewesen zu erkennen, dass auf der Stirn der Gestalt in den Farben eines Blutergusses das Wort "Abgelehnt" stand.
Die Tür wurde aufgestoßen und Igor trat in den Raum.
"Guten Abend, Herr. If habe Herrn Daemon Befeid gegeben, daff in diefer Gaffe ein toter Affaffine liegt. Er reagierte nift gerade fehr freundlif darüber, daff du nift perfönlif gekommen bift, fondern ftattdeffen deinen "Lakaien" fu ihm gefandt haft."
Igor hatte den letzten Satz bewusst ein wenig paraphrasiert, da er den etwas eigenwilligen Humor der Band ziemlich gut kannte.
"Niftfdeftotrotf hat er die Obergefreite Hatfa al Nafa mit dem Fall beauftragt. Fie foll ein wenig in der Affaffinengilde herumfnüffeln, da fie damit angeblif bereitf Erfahrung hat. Fie hat mir fwar auf dem Weg hierher erfählt, daff fie beim letften mal faft draufgegangen wäre, aber, äh wie fagte fie? Ahja..."Waf muff, daf muff"."
"Vielen Dank, Igor. Geh du schon mal nach Hause. Ich gehe und erstatte noch schnell dem Oberleutnant Bericht."
"Achfo, Herr. Da wäre noch waf. Die Gefreite Alife hat mif, alf if Madam Nafa fur Gaffe geführt habe erfählt, daff die Waffe, mit der der Affaffine ermordet wurde mit dem Dolf, der Frau Nimmerfroh inf Herf geftofen wurde höchftwahrfeinlif übereinftimmt. Allerdingf könne fie fif da nift fifer fein, da der Dolf, der Frau Nimmerfroh fum Verhängnif wurde, nift gefunden wurde. Näheref wird die Autopfie ergeben."
"Gut. Du kannst dann gehen, Igor. Bis später."
"Bif fpäter, Herr."
Die Tür schlug wieder zu.
Langsam zog der typische Ankh-Morporkianische Frühlingsnebel auf und löste den Winternebel ab, der wiederum den Herbstnebel abgelöst hatte. Im Sommer herrschte zwar etwas seltener Nebel (meistens nur in den Morgenstunden), dafür war es aber umso heißer und geruchsintensiver.
"Ich werde mich dann auch mal aus dem Staube machen, Leute. War ein langer Tag."
Nach einer kurzen Verabschiedungsformel trat der Wächter aus der Tür hinaus und auf die düsteren Straßen des nächtlichen Morpork.

"Was?? Du hast es ihm nicht gesagt?!" schrie Kommandeur Rince den vor ihm stehenden Oberleutnant MeckDwarf an.
"Nun, Sir, er ist momentan nicht gerade in bester Stimmung und da ich nicht genau wusste, was Sie meinen, Sir, dachte ich, dass es besser wäre, wenn ich ihn nicht damit belästige. Ich hätte nicht gedacht, dass es so wichtig ist", versuchte sich der Oberleutnant zu verteidigen.
"Hoffentlich ist es nicht bereits zu spät. Schick sofort einen Suchtrupp los. Wir müssen Kolumbini finden. Er befindet sich in akuter Gefahr und wehe, ihr findet ihn mir nicht!"
Der Oberleutnant blickte verlegen zum Boden und rannte dann aus der Bürotür raus in Richtung der F.R.O.G.-Räumlichkeiten.
Dabei fiel ihm ein Zettel aus der Manteltasche.
Auf der Vorderseite stand "Kolumbini soll zum Kommandeur kommen."

Der Nebel war recht dick zu diesen Abendstunden, doch glücklicherweise hatte es angefangen zu regnen und somit wurde aus der undurchsichtigen Nebelwand ein noch undurchsichtigeres Zwielicht.
Freds MANTEL schützte ihn jedoch vor den meisten Wettereinflüssen, sofern es der Besitzer überhaupt wollte. Momentan verdampfte der Regen auf dem oktarinen Feld des ledernen Trenchcoats und erzeugte ein Knistern, das, zusammen mit gelegentlich vorbeiratternden Eselkarren oder Kutschen, das einzige Geräusch darstellte.
Doch wenn man genau hinhorchte gab es noch ein drittes Geräusch. Das leise Platschen von Stiefeln im typischen Ankh-Morpork-Schlamm und es stammte ganz gewiss nicht von Kolumbinis Schuhen, denn er wusste, dass er fast vollkommen lautlos gehen konnte und dies auch momentan tat.
Probeweise blieb er stehen und hörte mit einer Mischung aus Beunruhigung und Zufriedenheit darüber, dass er richtig geraten hatte, wie auch die anderen Füße stoppten.
Sollte es etwa sein, dass die Tür von Frau Nimmerfroh etwa von einem Verfolger aufgebrochen worden war?
Dann spürte der halbe Überwaldianer etwas. Es war das Gefühl, das man bekam, wenn ein Individuum eine Waffe auf einen richtete.
Gleich kam die Abzweigung zur Winkelzuggasse und danach gab es einige dunkle Gässchen...in denen man mich mühelos finden und umbringen kann, wenn man will, dachte der Gefreite.
Wenn er ganz ruhig weiterging und dann schnell um die Ecke auf die Billige Straße einbog, konnte er vielleicht ungesehen von seinem Verfolger in ein Gässchen verschwinden.
Wenn er einen kurzen Sprint einlegen würde, so hätte er vielleicht genug Zeit, um zu verschwinden.
Fred ging probeweise einige Schritte und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als sich kein Bolzen in seinen Rücken bohrte. Er wechselte geschickt kurz vor einem Eselskarren die Straßenseite und erreichte gleich darauf die Straßenecke.
Er rannte los, warf sich in die erste Gasse auf der linken Seite, versteckte sich in den Schatten des Hauses und atmete erleichtert aus, als auch nach drei Minuten niemand in die Gasse gekommen war.
Es blieb ihm nicht viel Zeit sich zu freuen, denn er hörte plötzlich, wie ein Schwert aus einer Scheide gezogen wurde und spürte anschließend eine kalte Stahlklinge an seiner linken Schulter. Inspäctor tastete mit seiner rechten Hand in der Tasche und spürte erneut den Regenschirm. Er zog ihn, richtete ihn auf den Schwertarm, drückte den Auslöser und schlug dem Angreifer somit die Waffe aus der Hand.
Er schmiss sich in die Schatten vor ihm und erlebte erneut diesen Gefühlscocktail aus Zufriedenheit und Beunruhigung, als er jemanden zu Boden stieß und ein schnaufendes "Uff" vernahm, nachdem er dem Angreifer seinen Ellenbogen in die Magengrube gerammt hatte. Der Überraschungsmoment ist eine wunderbare Sache, solange man nicht selbst gerade unvorbereitet angegriffen wurde.
Danach sprang Fred auf und rannte weiter in die Gasse.
Er blickte zurück und bemerkte daher zu spät, dass diese bereits an einer Mauer endete. Die Luft wurde aus den Lungen des kleinen Wächters gepresst und er fiel rücklings auf den schmutzigen Boden.
Mist! Ein Ausgang! Ich brauche einen Ausgang!
Panisch blickte er sich um, während er mit größter Anstrengung wieder auf die Beine kam.
Eine Leiter kam in sein Blickfeld und in solchen Zeiten überlegte man nicht lang, ob etwas das eigene Gewicht trägt, oder nicht, wenn man lange überleben will. Der Wächter sprang auf die erste Sprosse und war erstaunt, dass sie ihn aushielt. Doch nun war kein Zeitpunkt dem Gott der Verzweifelten zu danken und er kletterte weiter hinauf, als er plötzlich einen schneidenden Schmerz im rechten Bein vernahm. Der Verfolger hatte ihn mit einem Schwert verwundet.
Verzweifelt zog sich Inspäctor die letzten Sprossen hoch und hinkte über das Dach, welches aus Stroh, Moos und Holzbalken bestand.
Sein rechtes Bein gab kurzzeitig auf und somit schlitterte er auf den Rand der Hausbedeckung zu, wo eine kleine Verzierung aus Holz seine Rutschpartie stoppte.
Das andere Dach konnte man in dem Zwielicht nicht erkennen, doch was machte das schon für einen Unterschied? Entweder starb er durch ein Schwert, oder durch einen Genickbruch.
Er nahm Anlauf und sprang. Vermutlich war es das einzige Ziegeldach in ganz Morpork, doch er schlug darauf auf und vernahm ein grausliches Knacken.
Na super! , dachte Fred. Erst reingeschnitten und nun gebrochen!
Er blieb für eine Ewigkeit, wie es ihm erschien, liegen und störte sich nicht, dass er nun nass wurde, da das oktarine Feld seine Kraft anscheinend für etwas anderes aufsparte.
Um Hilfe rufen konnte er nicht und weiterlaufen ebenso wenig. Nach einer Weile hörte er das Läuten der einzelnen Glocken Ankh-Morporks, die ankündigten, dass es nun Mitternacht war und somit ein neuer Tag begonnen hatte.
Na wenigstens sterbe ich an meinem freien Tag und nicht im Dienst, dachte der Wächter bitter.
Er zog den unteren Teil des MANTELS kurz zur Seite, um auf sein verletztes Bein blicken zu können. Blut quoll aus einer Wunde. Er zog ein altes Stofftaschentuch, das aus mehreren Flicken zu bestehen schien aus einer seiner Taschen und improvisierte daraus einen Verband.
Die Bilanz der Wunden war ziemlich gut. Ein vermutlich gebrochenes und aufgeschnittenes Bein, sowie ein verstauchter Arm, was Kolumbini erst bemerkte, als er versuchte aufzustehen und sofort auf Grund des unerträglichen Schmerzes wieder zurücksank.
Aber er durfte nicht aufgeben. Allein wegen all der noch kommenden Fälle.
Langsam stützte er sich mit dem gesunden Arm ab und richtete sich auf. Eine Krücke, er brauchte so etwas wie eine Krücke!
Erneut nahm er den Regenschirm aus der Tasche und drückte den Auslöser. Es war besser als gar nichts. Der Wächter humpelte weiter und rutschte auf den nassen Ziegeln aus.
Schon lange war er vollkommen durchnässt und was davon Blut, Regen oder Tränen war konnte er bereits nicht mehr sagen.
Doch in jedem Menschen gibt es eine dunkle Seite, die noch von jenen Vorfahren stammte, für die der Sinn des Lebens nur in Gewalt, Sex, Fressen und Saufen bestand.
Der halbe Brindisianer richtete sich erneut auf und fühlte wieder jenes Gefühl, von einer auf ihn gerichteten Waffe.
Das Surren einer Armbrustsehne hallte über die Dächer und wirkte so laut wie ein Rockkonzert in einer Kirche.
Die Zeit schien sich zu verlangsamen und Kolumbini konnte den Bolzen förmlich in Zeitlupe auf ihn zufliegen sehen. Er beugte sich nach hinten, was in einem Film sicher einen sehr dramatischen Effekt erzeugt hätte, doch hier wurde dieser von dem lauten Plumpsen des Wächters gebrochen.
Der Bolzen prallte mit einem lauten "WHUIZING" vom MANTEL ab und verschwand in der Dunkelheit.
Langsam rutschte der Wächter wieder in Richtung Dachrand, als ob eine unsichtbare Macht in zöge.
Kurz vor der Dachrinne hielt er an, doch sein Regenschirm fiel hinunter. Eine Lampe wurde hinaufgeworfen, zerschellte auf den Ziegeln wodurch ein großes Feuer aus Öl entstand, welches das gesamte Dach in flackerndes Licht tauchte. Anscheinend hatte jemand gedacht, dass dieses Haus mit Stroh bedeckt worden war oder mit anderen Brennbaren Materialien. Das Feuer würde jedoch nicht lange anhalten.
Dann erschien ein Gesicht am Rande des Daches, doch Kolumbini sah es sich nicht genau an, sondern trat es stattdessen mit dem gesunden Fuß und war erleichtert, als er einen dumpfen Aufprall untermalt von leisem Platschen hörte.
Dann trat eine Gestalt in einer schwarzen Robe aus dem Feuer, kam auf ihn zu und hielt ihn am Kragen hoch.
Sie war ein ganzes Stück größer als der halbe Überwaldianer und hielt ihn mühelos mit einer Hand fest.
Inspäctor holte die Armbrust hervor, doch selbige splitterte unter dem Griff der Gestalt.
Dann warf die Person in der Robe ihn. Kolumbini landete auf einem weiteren Haus, das wohl um einiges höher, als die übrigen gelegen war, denn er hatte nur gespürt, wie er hinauf flog, allerdings kaum ein Gefühl des Abstürzens.
Die Gestalt in Schwarz kam wieder auf ihn zu und er fragte sich, wie sie so schnell hier hinauf kommen konnte.
Die Robe packte ihn wieder am Kragen.
"Wer bist du?" keuchte Fred.
Der Wächter wurde weiter übers Dach geschleudert und konnte sich gerade noch am Rande desselben festhalten. Der Schmerz in seinem kaputten Arm war fast unerträglich und es fühlte sich an, als ob jemand eine Akupunktur mit Schaschlikspießen durchführte.
Lautlos kam die Robe erneut auf ihn zu.
Sie trat dem Wächter auf die Finger und er fiel.
Nachdem sie den Aufschlag gehört hatte murmelte die Gestalt: "Ruhe unsanft, Kolumbini!"
Daraufhin zerriss ihr irres Lachen die nächtliche Luft.

Kolumbini fiel.
Die Zeit schien sich für den Wächter zu verlangsamen. Oft wird gesagt, dass jeden Menschen am Ende seiner Existenz ein Film seines eigenen Lebens erwartet, der an seinem inneren Auge vorbeizieht.
Bei den meisten Leuten lief dies vermutlich auf einen ziemlich miesen, langweiligen und schlecht geschriebenen Low-Budget-Film hinaus.
Fred sah alles. Seine Geburt, seine ersten Schritte, das erste Lesen eines Verbrechensberichts seiner Mutter und all die anderen markanten Punkte seines Lebens.
Plötzlich befiel ihn ein merkwürdiges Gefühl und er spürte zwar, wie die Zeit langsam die gewöhnliche Geschwindigkeit annahm, doch war es keinesfalls der richtige Zeitpunkt. Sein Blick glitt über die Landschaft Überwalds.
Berge und Täler, Flüsse und Seen, Dörfer und Städte, karge Gebiete und Nadelwälder.
Alles wirkte so wunderschön und vertraut. Wie sehr er diesen Anblick vermisst hatte... langsam aber sicher flog er auf einen ganz bestimmten Hügel zu.

Die schwarze Kutsche ratterte den Kiesweg hinauf, der zum Schloss führte. Sie war, wie bereits erwähnt, vollkommen schwarz (vielleicht war es aber auch ein sehr, sehr dunkles Purpur) und trug auf beiden Seiten das Wappen ihres Besitzers.
Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und ließen der Sonne keine Chance. Seltsamerweise schienen sie sich auf das Gebiet rund um die Kutsche zu beschränken.
Mit einem Knarren kam das Gefährt auf dem Vorhof des Schlosses zum Stehen.
Ein Mann stieg aus. Er trug ein feines schwarzes Hemd, eine schwarze Hose, einen schwarzen Seidenumhang, schwarze Handschuhe, schwarze Stiefel, eine schwarze Weste sowie einen schwarzen Ledergürtel, an dem mehrere schwarze Samtbeutel hingen.
Der Fremde blickte den Wolken entgegen.
"Ah, welch ein schönes Wetter wir cheute chaben", sagte er mit einer etwas kratzigen Stimme.
Das Tor öffnete sich und Inspäctor Kolumbini trat hinaus.
"Ah einen wunderschönen guten Tag, Herr..."
"Viper. Edmund von Viper", antwortete der Mann und entblößte zwei sehr spitze und lange Eckzähne.
"Hier ist der Vertrag, in dem sie den Bedingungen zustimmen, kein bisschen Blut von einem der Kurzbacher oder Kurzbacherinnen zu trinken und sie menschlich zu behandeln. Ich habe immer noch einige Leute, die mir Briefe schreiben könnten", warnte der halbe Brindisianer den vor ihm stehenden Untoten.
Der Vampir unterzeichnete den Vertrag widerstandslos und erhielt eine Kopie davon.
"Ich werde ihren Freunden kein Chaar kriemmen, Cherr Kolumbini. Das schwöre ich bei meiner Ehre als Vampir und Lord. Wo ist Ihr Diener?"
"Eine gute Frage. Igor?"
Das Tor öffnete sich ein zweites Mal und der Gehilfe kam hinausgehumpelt. Er lud das in Holz geritzte Familienwappen in einen der zwei Planwagen, die auf dem Vorhof standen.
Das Wappen bestand aus zwei gekreuzten Reagenzgläsern unter denen sich ein kleiner grüner Drachenkopf befand.
"Es ist bereits spät, Igor. Wir sollten aufbrechen", meinte der junge Mann.
"Ganf reft, Mai- Herr. If muffte nur noch etwaf erledigen", antwortete der Diener.
Zwischen den Kutschen erschien ein Kopf, gefolgt von einem Körper, dessen Besitzer ganz klar weiblichen Geschlechts war.
"Hallo, Kolumbini", begrüßte die ungefähr 20 Jahre alte Dame den ehemaligen Schlosseigentümer.
"Melinda? Was machst du denn hier? Ich war doch schon gestern bei euch, um mich zu verabschieden", entgegnete Inspäctor erstaunt.
"Ich weiß, aber ich habe beschlossen, euch auf einen Teil der Reise noch zu begleiten."
"Waf?" rief Igor voller Überraschung aus.
"Also bitte, Melinda. Ich...würde mich freuen, wenn du uns ein wenig begleiten würdest."
"Waf??"
"Ich wollte ja nicht lange bei euch bleiben. Nur bis Karfseicht. Von dort aus komme ich leicht wieder mit einer Kutsche hierher zurück. Macht euch keine Gedanken."
"Nun gut", meinte Kolumbini. "Lasst uns aufbrechen."
Dann stieg Igor auf den ersten und Inspäctor, zusammen mit Melinda, auf den zweiten Kutschbock.
Die Route ging über Weidenduschen, Schütten und Karfseicht um schließlich bei Schinkenschloss über die Grenze in die Sto-Ebene überzugehen. Dort wollten sie in verschiedenen kleinen Dörfern wie Moldau halt machen, bis sie Sto Lat erreichten, das Ziel ihrer Reise. Von Viper hatte viel für das Schloss bezahlt und sie konnten sich die lange Reise somit ohne Probleme leisten.
Es war September und das Wetter war so schön, wie man es sich nur wünschen konnte.
Einige Vögel zogen in die Randregionen, um den Wintern zu entgehen. Gerade flog eine Schar Gänse in einer Dreiecksformation über die beiden Planwagen. Kolumbini blickte zu ihnen und fragte sich, wie es wohl wäre, wenn man so frei wäre, wie die Vögel.
Als die drei Reisenden aus dem Tal hinaus kamen warfen Inspäctor und Igor noch einen letzten Blick auf ihre alte Heimat. Was würde das neue Leben wohl bringen?
Sie fuhren nach einer Weile weiter.
Auf dem zweiten Kutschbock herrschte lange Zeit verlegenes Schweigen, bis schließlich Melinda das Wort ergriff.
"Ich werde dich vermissen, Kolumbini."
"Glaube nicht, dass es mir anders gehen wird. Wir kennen uns einfach zu lange, als dass ein Abschied einfach fallen würde."
"Weißt du noch, wie wir als Kinder zusammen gespielt haben, während unsere Mütter zusammen Tee tranken?"
"Ja. Ich erinnere mich seltsamerweise ziemlich gut daran."
(Wenn der Autor diese Szene noch etwas klischeehafter machen wollte, so hätte er beschrieben, wie die Kutsche langsam in den Sonnenuntergang fuhr und, wie sich Melinda an Inspäctor geschmiegt hätte. Aber immerhin sollte man die Klischees nicht zu oft in Anspruch nehmen. Außerdem ist Kitsch nicht immer das wahre und dies ist kein Rosamunde Pilcher Roman.)
Die Tage vergingen und an dem dritten Tag ihrer Reise blickte Igor auf seine kleine Uhr.
Er zählte stumm und lauschte daraufhin. Er hätte schwören können, dass er den Schrei bis hierher hören konnte.

Die Szenerie des Falles kehrte zurück und die Zeit verlangsamte sich, während der Film schneller lief.
Dann endete er und Kolumbini fiel, wieder mit normaler Geschwindigkeit, dem Kopfsteinpflaster entgegen.
Doch noch bevor er auf dem Boden aufschlug, sank er in das tiefe schwarze Loch der Bewusstlosigkeit.

Es war dunkel, als Kolumbini erwachte.
Der Schmerz war zu seinem großen Erstaunen verschwunden.
Er stand auf einer Art schwarzem Sand, der hier und dort glitzerte und somit den Eindruck erweckte, man stünde auf einem Universum. Inspäctor versuchte den Sand etwas genauer zu untersuchen, doch als das Gestein durch substanzlose Finger rann wurde es ihm klar: er war tot.
In Kurzbach herrschte der allgemeine Glaube, das Leben nach dem Tod halte nur Wärme und Freude für einen bereit, da das Leben bereits beschissen genug war.
Nun Fred war sich nicht sicher, ob er sich freute, aber er war sich ziemlich sicher, dass es hier verdammt kalt war.
"Hallo?" rief er. "Ist hier jemand?"
Es folgte keine Antwort. Sollte nicht am Ende des Lebens der Gevatter erscheinen, um einen den Weg ins Jenseits zu zeigen?
Plötzlich wurde die Wüste von einem blendenden Licht erhellt und Kolumbini musste die Augen schließen.
Als der Lichtblitz durch die Augenlider langsam verblasste, wagte es der tote Gefreite selbige zu heben.
Kurz vor ihm führte ein Tunnel aus der Einöde hinaus und am Ende desselben sah er ein helles Licht. Wie durch einen fremden Willen gelenkt, ging er langsam darauf zu.
Er hörte Gekicher und wunderschönen Gesang und, wie ihm eine vertraute Stimme etwas zurief. Doch er konnte es nicht verstehen.
"Ich höre dich nicht", sprach Fred wie in Trance.
"Ich chabe gesagt "noch nicht jetzt du Trottel!"
"Vater?" fragte Kolumbini überrascht und blieb abrupt stehen.
"Richtig geraten, Sohnemann."
"Hallo, Inspäctor", grüßte ihn eine weitere vertraute, aber diesmal weibliche Stimme.
"Mutter?" rief der tote Wächter erstaunt aus.
"Ja", lautete die Antwort. "Du kannst noch nicht durch den Tunnel, Inspäctor. Du hast noch zu viele Aufgaben in der Welt zu erledigen."
"Genau, du musst zurieckkehren."
"Aber ich möchte bei euch sein", schrie der Wächter verzweifelt.
"Das geht nicht, Inspäctor. Das musst du verstehen."
"Du bist nicht tot, Kolumbini. Du musst zurieck... zurieck."
"Zurück."
Fred versuchte sie zu erreichen, doch er konnte sich nicht von der Stelle bewegen.
Langsam wurde er von den körperlosen Stimmen seiner Eltern fortgezogen.
Ein letztes Mal hörte er noch wie sie beide zusammen "Zurück" riefen, bevor es erneut dunkel um ihn wurde und er in einen tiefen traumlosen Schlaf versank.

Kapitel 3: Three days to live

"Das ist einfach nicht richtig", beschwerte sich Arthur, Mitglied der Band BAM und momentaner Träger eines extrem verschlissenen schwarzen Anzugs mit Fliege. "Bei einer Beerdigung sollte zumindest Nieselregen herrschen."
Die anderen beiden BAM-Mitglieder stimmten ihrem Kollegen zu.
Igor hatte sie gebeten die Zeremonie und den Beerdigungskaffee danach musikalisch zu untermalen. Sie standen auf dem Friedhof der Geringen Götter, der stets ein Ort für jene Toten war, die keiner Religion angehört hatten.
Den Priester hatte Igor ausgewählt, weil dieser ein Überwaldianer war.
Er mochte der omnianischen Kirche angehören, doch er kannte sich gut mit den Riten in der "guten alten Heimat" aus, wie der Diener es auszudrücken pflegte.
Sein Name war Pfarrer Blau.
Igor blickte sich unter den Trauergästen um.
Er hatte beschlossen, dass nur Wächter, die seinen Herrn gekannt hatten an der Beerdigung teilnehmen durften.
Humph MeckDwarf war zusammen mit Myra Schwertschleifer eingetroffen und weiterhin waren einige Leute aus der Zeit in GRUND erschienen.
Ein Mann im grauen Anzug stand recht weit vorne. Er war ein ehemaliges Mitglied der Gilde für Baubeamte und er trug den Namen Jochen Krause. Neben dem "grauen Herrn" stand Humbert.
Doch eine richtige Überraschung für Igor war das Erscheinen zwei, ihm vollkommen fremder Frauen gewesen. Eine von ihnen mochte Ende vierzig sein und die andere war um die fünfundzwanzig. Er hatte sie um einen Identitätsausweis gebeten und hatte, nachdem er einen Blick in die Pässe geworfen hatte, ziemlich lange verblüfft gestarrt.
Arthur hatte wirklich Recht mit dem Wetter. Normalerweise sollte an einer Beerdigung zumindest eine Wolke am Himmel sein, die die Sonne verdeckte, und wenn Vögel umherflogen, so sollten es keine Singdrosseln sein.
Dennoch begann der Priester zu sprechen:
"Wir haben uns heute hier zusammengefunden um Inspäctor..."
"Fred", ergänzte Humbert, der in der ersten Reihe stand.
"...Kolumbini zu Grabe zu tragen. Doch lasset uns zunächst das Lied singen "Wir werden alle einmal sterben"."
Igor flüsterte dem Pfarrer kurz einige wütende Worte zu.
"Oh, stimmt ja. Keine omnianischen Kirchenlieder. Entschuldigt meine Schä..., Damen und Herren, liebe Trauernde."
Blau versuchte unauffällig den Schildkrötenanhänger unter seine Robe zu schieben.
Er kannte Kolumbini nicht und deshalb sprach er anschließend nur einige allgemeine Dinge über den Tod, bevor er das Wort an Igor übergab.
"Guten Morgen, liebe Freunde und Kollegen", begann er und unterbrach sich kurz, als ein weiterer Herr den Friedhof betrat.
Es war Kommandeur Rince. Er ging sofort in Richtung der anderen Wächter und stellte sich dann neben Humph.
"Bestimmt ist er nur wegen dem Beerdigungskaffee gekommen", lästerte Murphy in MeckDwarfs Kopf. Der Oberleutnant ignorierte seinen ungewollten Begleiter einfach.
"Heute ift ein Tag der Trauer", fuhr Igor schließlich fort. "Wir nehmen heute Abfied von meinem Dienftherrn Infpäctor Kolumbini. Er verftarb am geftrigen Morgen aufgrund einef Fturfef von einem Gebäude. Vielleift fragen Fie fif, wie if über ihn dachte.
Er war nift nur der befte Herr, dem if bifher dienen durfte, nein er war auch noch ein guter Freund für mif. Infpäctor mochte auf den erften Blick nift der freundlifte Menf fein, aber wenn man fif die Feit nahm, auf ihn fufugehen, fo lernte man ihn alf daf kennen, waf er war: eine herrlif ekfentrife und fehr nette Perfon."
So ging die Rede eine ganze Zeit lang weiter und mit jedem Wort kämpfte der Diener mehr und mehr gegen die Tränen an. Es erschien den Trauergästen, dass die gesamte Welt verstummt war. Nun, mal abgesehen von den Singdrosseln.
Niemand weinte, denn dafür hatten ihn alle viel zu wenig gekannt.
"Ich kann es irgendwie immer noch nicht so ganz fassen", sagte Kommandeur Rince, "so jung gestorben."
Diese Worte sprach er, als er in ein Stück Kuchen biss. Humph MeckDwarf stand neben ihm, doch er genehmigte sich nur einen Kaffee.
"Früher oder später müssen wir alle Tod in die Augen sehen, Sir."
"Damit hast du natürlich Recht, aber weißt du, manchmal ist mir, als ob ich noch immer sein zaghaftes Klopfen an meiner Bürotür hören könnte."
Humph lauschte und das nächste Mal klang etwas Verunsicherung in seiner Stimme.
"Äh, Sir?"
"Dieses ruhige Klopf! Klopf - Klopf!"
"Sir?!"
"Was ist denn?"
"Hier klopft tatsächlich jemand." Die Feststellung sprach der Oberleutnant etwas lauter aus, als er es wollte, woraufhin alle Trauergäste abrupt schwiegen und selbst die Singdrosseln aufhörten, verschiedene Gesänge zu trällern, und auf den Sarg starrten.
Aus letzterem drang in der Tat ein leises, immer lauter werdendes Klopfen.
Schließlich wurde der Deckel hochgeschleudert und eine Hand fasste über den Rand, woraufhin der Rest des Körpers hochgezogen wurde.
Die Münder der Versammelten klappten nach unten. Hier und dort landete halb zerkauter Kuchen auf dem Boden und die ältere der beiden fremden Damen fiel in Ohnmacht.
Kolumbini blickte sich um.
Der Gefreite trug noch immer seine von der Verfolgungsjagd zerfetzte Kleidung.
"Oh, Kommandeur", rief er erstaunt aus, "Sie sind ja auch hier. Und der Oberleutnant und Fräulein Schwertschleifer."
Die angesprochenen Wächter brachten keinen Ton heraus. Rince zwickte sich mehrmals um sicher zu gehen, dass er nicht doch im Büro eingeschlafen und dies alles nur ein Traum war und Myra veranstaltete mit Humph einen "Wer-starrt-dümmer-aus-der-Wäsche"-Wettbewerb.
"Was gibt’s zu gucken?" fragte der Korpus des Gefreiten.
Igor war solche Sachen wohl am meisten gewöhnt und fand deshalb schnell die Worte wieder.
"Du bift ein Fombie, Herr?" fragte er erstaunt.
"Ich weiß nicht, Igor."
Fred blickte sich unter den Trauergästen um und erblickte die beiden, ihm fremden Damen, von denen die Eine der Anderen Luft zufächelte.
Er stand auf und ging auf sie zu.
Seltsamerweise fühlte er sich lebendiger als jemals zuvor.
War er tot? Oder lebte er noch?
Aber diesen Sturz konnte er nicht überlebt haben.
Er war wohl nichtlebend.
Oder besser untot.
Sein Denken wirkte klarer als zuvor. Aber was ihm noch mehr auffiel, war, dass er seine Schritte nicht mehr hörte. Etwas durchströmte seinen Körper. Was es war konnte der Gefreite nicht feststellen, aber es machte allein die Idee nun tot zu sein unmöglich.
Fred hatte oft genug gesehen, wie sein Vater aus einigen Fleischklumpen etwas Lebendes hervorrufen konnte. Deshalb ließ Elisa ihren Mann auch nie in die Nähe der Küche oder der Speisekammer. Es war also sicher nicht unmöglich selbst nach einem Sturz von einem sehr hohen Dach noch zu gehen und zu atmen. Nun das letztere fiel weg, um ganz genau zu sein.
Dann hatte er die beiden Frauen erreicht.
"Äh, guten Tag", sagte der Untote und die jüngere der Beiden richtete sich auf.
Sie war der Typ Frau, bei dem homosexuelle Männer ihren Standpunkt noch einmal gründlich überdachten.
"Guten Tag", sagte sie in einer im Gegensatz zu ihrem Aussehen etwas rauen Stimme, die Zynismus förmlich ausstrahlte und eigentlich eher zu Männern passte, die Trenchcoats und dazu passende Hüte trugen und Büros hatten, an deren Türen ihr Name rückwärts geschrieben stand.
"Kennen wir uns, gnä' Frau?"
"Nein. Dies hier", sie deutete auf die Dame am Boden, "ist meine Mutter Emilia und ich bin Ivonne."
"Haben sie auch einen Nachnamen?"
"Ja." Sie machte eine kurze Pause. "Er lautet Kolumbini."

Oktarines Licht erhellte die Esoterische Strasse.
Das Leuchten kam aus einem kleinen Hinterraum eines Ladens für magische Alltagsutensilien.
David Dunkelkrähe, Absolvent der Unsichtbaren Universität und Besitzer des eben erwähnten Geschäfts, nahm die Schutzbrille von seinen Augen und betrachtete die Linien auf dem Boden.
"Dreizehn, Kriewalda. Wir haben es geschafft die dreizehn Zeichen zu finden", sprach er zu der leeren Luft. "Wir haben gerade das Reisesystem der Scheibe fertiggestellt. Wir können nun endlich fliegen. Nun im übertragenen Sinne natürlich."
Wenn man ganz genau hinsah, konnte man sogar seinen Gesprächspartner ausfindig machen. Es war eine kleine braune Kröte, die auf seinem Magierhut saß.
Das Problem bei David Dunkelkrähes Erfindungen war nicht etwa, dass sie nicht funktionierten sondern eher, dass niemand sie in Funktion sehen wollte.
Der dürre Zauberer hatte bereits ein recht genaues Wettervorhersagesystem entwickelt, doch die einzigen, die etwas Interesse zeigten, waren die Leute von der Times. Der große Apparat stand in der entgegengesetzten Ecke des Raumes und begann plötzlich zu vibrieren.
Der Zauberer eilte sofort zu seinem Machwerk und betrachtete die einzelnen Wetterfahnen, Barometer, Thermometer, Schnüre und die vielen kleinen Halbkugeln.
"Das kann doch gar nicht sein, Kriewalda. So etwas hatten wir noch nie im Frühling."
Als die einzelnen Kugeln immer schneller rotierten, legte er den "Sicherheitsabschalthebel" um. Das System zeigte meist nur extreme Hitze oder Kälte an und schlug meist bei Stürmen oder Gewittern heftig aus, aber eine genaue Temperaturansage für einige Wochen im Voraus war unmöglich.
David betrachtete noch einige Minuten die Maschine, bis die Ladentür klingelte und er langsam in den Laden trottete. Eile war nicht notwendig, da selbst Leute, die bereits Viel gesehen hatten in "Dunkelkrähes makische Utänsilien führ Jädermann" ins Staunen gerieten und nicht darauf achteten, wann der Verkäufer kam.
Als er in den Laden kam stand vor seinem Tresen ein Fremder in einer schwarzen Robe, der nicht einmal Anstalten machte sich auch nur ein wenig umzusehen.
"Sie wünschen?" fragte der Zauberer die Robe.
Der Fremde brachte sein Begehr zum Ausdruck.
"Äh, ja. Aber wie können Sie davon wissen?"
Die Robe wies auf das Vorhandensein gewisser Informationsquellen hin.
"Nun, ich bräuchte dann ihren Namen, Herr..."
Die nichtige Bedeutung eines Namens war die nächste Aussage des Fremden und er unterstützte sie mit dem Klimpern von Geld.
"Ich brauche ihren Namen", beharrte der Zauberer.
Mehrere Goldmünzen rollten auf den Tresen und Dunkelkrähe brachte ein fiependes Geräusch aus seiner Kehle hervor.
Dann geleitete der Zauberer die Robe in den Hinterraum.

"Du bist also meine Tante?" fragte Kolumbini, der sich inzwischen wieder etwas Unzerfetztes angezogen hatte, ungläubig die Dame, die vor ihm in seinem Haus saß. Sie hatten in der großen Vorhalle Platz genommen.
"Ja. Emilia Kolumbini", antwortete die Frau mit dem Brindisianischen Unterton in der Stimme. "Ich bin, kurz nachdem deine Mutter nach Überwald gezogen ist, hier hergekommen. Mein Mann hat sich jedoch gleich nach der Geburt meiner Tochter Ivonne aus dem Staub gemacht. Ich habe einen kleinen Stand für Gemüse am Hier-Gibt's-Alles-Platz, aber besonders einträglich ist das Geschäft nicht. " Obgleich Emilia nur mit leichtem Akzent sprach, hatte sie noch immer jene typische brindisianische Eigenart bei Gesprächen wild zu gestikulieren.
"Aha. Nun ich meine mich daran zu erinnern, dass meine Mutter einmal eine jüngere Schwester erwähnte, aber ich bin mir da nicht sicher. Am besten frage ich meinen Diener. Igor?"
Emilia erschrak, als der bucklige Mann sofort hinter Inspäctor erschien.
"Ja, Herr?" fragte der Diener.
"Kannst du dich daran erinnern, dass meine Mutter einmal erwähnte, dass sie eine jüngere Schwester hatte?" fragte der Dienstherr.
"Ja, Herr. Fie hat ef einmal erwähnt. If weif allerdingf nur noch, daff ihr Name dem von Madam Elifa fiemlif ähnlif war."
"Na Emilia klingt doch recht ähnlich. Außerdem hab ich den Ausweis überprüft und sie ist im selben Ort wie Mutter geboren."
Die Tante fragte sich inzwischen, ob die Beiden überhaupt Kenntnis von ihrer Anwesenheit nahmen.
Es klopfte an der Tür und wieder schien der Diener sich, ohne die Strecke dazwischen zurückzulegen, an einen Punkt bewegt zu haben. Igor öffnete die Tür.
"Guten Tag", begrüßte ihn die junge Dame, deren Name Ivonne Kolumbini lautete.
"Guten Tag, gnä' Frau. Ihre werte Frau Mutter ift bereitf eingetroffen."
"Ah, gut. Ich entschuldige mich, aber ich hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen. Hallo, Mutter. Hallo, Inspäctor!" sprach sie in einem Wortschwall weiter.
Der zuletzt Gegrüßte eilte zu ihr hin und fragte sie höflich, ob er ihren Mantel abnehmen könne. Sie trug inzwischen einen weißen Trenchcoat.
"Natürlich. Vielen Dank."
"Äh, Igor?" fragte der untote Wächter, als er sich im Raum umblickte. "Haben wir irgendwo einen Kleiderständer?" Fred hatte so etwas nie gebraucht und folglich nie danach gesucht.
"If glaube hinter der Tür unter der Treppe ift in Kleiderfrank, aber if habe nie nachgefehen. Doch if werde ef fogleif überprüfen."
Der Diener humpelte zur eben erwähnten Tür und versuchte sie zu öffnen.
"Verfloffen, Herr."
"Dann öffne sie eben."
"Fehr wohl, Herr." Man hörte ein leises Klimpern von Dietrichen und dann ein Klacken, als das Schloss der Tür aufsprang. Der Diener trug ab und an welche mit sich herum, seit ihm Kolumbini einmal welche zu Silvester geschenkt hatte. Fred war der Meinung, dass, wenn Igor schon so geschickt mit Nadel und Faden und anderen kleinen Gerätschaften umgehen konnte, so war es sicher keine schlechte Idee ihm Dietriche zu geben, damit man immer jemanden hatte, der den Hausschlüssel ersetzen konnte.
"Und, Igor? Was ist da?" fragte sein Dienstherr, als Igor nach einer Minute immer noch nichts gesagt hatte.
"Äh du follteft dir daf mal anfehen."
"Was ist denn da?"
"Ef fieht auf, wie eine verflucht lange Treppe, Herr."

Gemurmel drang aus dem Hinterraum von Dunkelkrähes Geschäft. Ob es Gesang oder nur einige Verse waren konnte man von außen nicht hören.
Das Oktagramm auf dem Boden war mit zwölf merkwürdigen Zeichen an den Außenseiten des Kreises und einem weiteren in der Mitte geschmückt worden.
Auf der Straße konnte man mit einem guten Gehör einige Wortfetzen aufschnappen.
"Zwölf...Kreis...winden...Macht...finden...Dreizehn."
Es folgte eine Explosion aus oktarinem Licht und eine länger andauernde Stille.
"Verflucht, Kriewalda. Ich konnte den letzten Vers nicht mehr aussprechen. Die Magie hat sich zu früh entladen. Nun ja, er sollte eigentlich in einem Umkreis von zwanzig Meilen um sein Ziel herum gelandet sein. Aber vielleicht sollten wir doch noch einmal alle Zeichen überprüfen", sagte Dunkelkrähe schließlich in einem sehr verlegenen Tonfall.
"Quuark!", meinte Kriewalda in seiner Hand.
Dann begann der Zauberer leise zu summen.

In dem steinernen Treppenhaus war es dunkel und muffig. Fackelhalter waren an den Wänden befestigt worden, doch sie waren mit einer dicken Staubschicht überzogen. Der Rest des sich in Kreisen nach unten windenden Ganges war von Spinnweben halb verdeckt. Anscheinend hatten auch die Vorbesitzer dieser Villa keine Kenntnis von diesem Gang, was Kolumbini ziemlich seltsam erschien. Wenn jemand in einem Haus wohnte konnte man doch erwarten, dass dieses Individuum alle Ecken seines Heimes kannte, oder? Nun die Tür war verschlossen gewesen aber sicher gab es doch irgendwo einen Schlüssel. Aber wenn keiner vorhanden war...was kümmerte eigentlich eine Tür, hinter der jeder einen Kleiderschrank vermutete?
"Hol doch bitte zwei Fackeln, Igor", bat Kolumbini.
"Äh... Vielleift eine Lampe, Herr?"
"Wieso?"
"Äh...Fombief...trockene Haut...klingeltf?"
Kolumbini hob Probeweise den Arm. Es knisterte ein wenig, wie ein sehr weit entferntes Pergamentpapier.
"Nun gut eine Lampe und eine Fackel."
Ivonne trat einen Schritt vor. "Zwei Fackeln. Ich komme mit. So etwas lasse ich mir bestimmt nicht entgehen."
Fred betrachtete sie ungläubig. Die? Allerdings...in solch unterirdischen Kellern oder "Dungeons" gibt es immer einige Monster und ein Köder wäre sicherlich nicht unpraktisch...Er schmunzelte doch verscheuchte den Gedanken sofort wieder.
"In Ordnung. Zwei Fackeln und eine Lampe, Igor."
Der Bucklige eilte fort und kam kurze Zeit später mit den angeforderten Utensilien zurück.
"Na dann mal los", rief Inspäctor die Lichtquellen entzündend, doch ein klein bisschen Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit.
Langsamen Schrittes ging er als erster in die Dunkelheit. Ihm folgten Igor und schließlich Ivonne.
Emilia Kolumbini blieb alleine zurück.
Ein recht seltsamer Mann, dachte sie. Nun, vielleicht liegt es ja daran, dass er untot ist. So etwas verändert Menschen bestimmt. Es ist einfach nicht richtig umherzulaufen, wenn man eigentlich in einem Grab liegen sollte. Andererseits lerne ich ihn so wenigstens kennen.
Ivonne und ihre Arbeit...selbst, als sie einen Verwandten gefunden hatten, der aus dem eigenen Grab ausgestiegen war, ging sie, bevor sie zu ihm kam, in die Detektei, zog sich etwas anderes an und arbeitete kurz an ihrem aktuellen Fall.
Emilia hingegen trug immer noch ihre Trauerkleidung, denn die Beerdigung lag erst wenige Stunden zurück und sie war ihrem Neffen gleich nach Hause gefolgt.
Sie war noch nie zuvor in dem feinen Teil der Zwillingsstadt gewesen.
Nun fein im Gegensatz zu Morpork.
Die brindisianische Dame hörte eine Art Tierschrei aus dem Treppenhaus und darauf folgte ein Gespräch zwischen den drei "Abenteurern".
"Was war das?" fragte die Stimme von Kolumbini.
"Vermutlif der hiefige Kerkerwäfter", antwortet eine lispelnde Stimme, die wohl Igor gehörte.
"Kerkerwächter?" diese hysterische Frage stammte von Ivonne.
"Oh ef wird kein riftiger Wäfter fein. Meiftenf tragen die Dinger keine Rüftung, da ihre natürlife aufreift."
"Natürliche Rüstung?" fragte Ivonne noch hysterischer.
Kurz darauf folgten ein Schrei und die Geräusche eines kurzen Kampfes. Dann hörte Emilia noch einmal Igor.
"Oh. Die klaffife Riefenfpinne...wie originell."

Emilia Kolumbini musste eine gute halbe Stunde warten, bis Inspäctor mit den restlichen wieder hinaufkam.
"Etwas gefunden?" fragte die Gemüsehändlerin.
"Ja", antwortete der Ermittler. "Eine Bibliothek befindet sich da unten. Ebenso zwei Schlafzimmer. Du und Ivonne, ihr könnt dort gerne einziehen. Man muss sie nur etwas reinigen, aber ansonsten sind sie gut in Schuss."
"Gerne, Inspäctor."
"Igor und ich werden erst einmal in den Pferdestall gehen."
"Eine gute Idee, Herr."
"Aber geh du lieber vor, Igor. Ich will vorher dem Wachhaus einen Besuch abstatten."

Ceneral Humbertolini, Wirt und Besitzer des "Pferdestalls", saß zusammen mit der Hausband an einem seiner Kneipentische und trank mit ihnen einige Bloody Marries, wobei Arthur eine Limonade erbat.
"Eine...merkwürdige Sache, oder?", fragte Marcello nachdenklich.
"Mich verwundert es nicht im geringsten", meinte Arthur mit kratziger Stimme, während er an seiner Limonade schlürfte. Er brauchte nie Strohhalme, um das bekannte Schlürfgeräusch zu erzeugen, dass entsteht, wenn das Getränk zu Neige geht.
"Für dich als Vampir ist das ja auch gewöhnlich. Leute die aus Gräbern steigen und so", gab Humbert daraufhin als Antwort.
"Oh, nein nein", widersprach Arthur. "Es ist ganz und gar nicht normal, dass Leute aus ihren Gräbern aufsteigen. Normalerweise werden Leute nur zu Zombies, wenn sie irgendein starker Lebenswille dazu zwingt. Manche sagen, dass es auch mittels Magie zu bewerkstelligen sei, aber es ist in dieser Gegend glaube ich nicht so üblich. Eher in Gennua, was ihr eigentlich wissen solltet."
"Schon gut, schon gut", beschwichtigte Humbert den aufgebrachten Vampir. "Wir glauben dir ja. Aber ich schätze nicht, dass du ein wirklicher Fachmann für solche Sachen bist, wenn du nicht einmal weißt, ob man jemanden mit Magie ins Leben zurückrufen kann, oder nicht."
"Ich weiß es eben nicht. Da müsst ihr einen Zauberer fragen. Die kennen sich mit so einem Zeugs aus."
"Ich finde es höchst seltsam, aber immerhin lebt Fred noch. Wir sollten eine Feier veranstalten, oder BAM?"
Die Bandmitglieder nickten allesamt und standen mit Arbeitswillen in den Augen auf.
Es klopfte an der kleinen, hölzernen Tür.
"Geschlossene Gesellschaft", rief Bertollini.
Es klopfte erneut, jedoch begleitete diesmal etwas Nachdruck das Geräusch.
Das Portal öffnete sich und Igor trat in den matt beleuchteten Raum.
"Einen wunderfönen Abend, die Herren. If follte vor meinem Dienftherrn hier herkommen, um befeid fu geben, daff der auf dem Weg ift", begrüßte der Bucklige die Barleute freundlich.
"Oh, wenn das so ist, müssen wir uns ein wenig beeilen. Bertollini du holst die alten Vorhänge aus dem Keller und ich bring die alte Farbe hierher. Wär doch gelacht, wenn wir nicht etwas Fröhlichkeit in die alte Bude zaubern könnten."
Der Wirt eilte in den Hinterraum, währen der ehemalige Alchimist in den Keller lief.
Der restliche Teil der Band begann daraufhin damit, die Instrumente zu stimmen.
Igor stand etwas verständnislos im Raum, begriff aber, nachdem er gesehen hatte, das Humbert mit der Farbe etwas auf die Vorhänge schrieb und sie somit in eine Art Banner verwandelte, was Kolumbinis Freunde vorhatten.
Er las die Aufschrift auf den Vorhängen und begann zu lächeln.

Als Inspäctor in das Wachhaus am Pseudopolisplatz eintrat, herrschte plötzlich Stille.
Natürlich wussten bereits alle von seiner "Auferstehung", aber dennoch starrten ihn mehrere Dutzend Gesichter überrascht an. Vielleicht deshalb, weil sie etwas Aufregenderes erwartet hatten, als einen etwas bleicheren Kolumbini.
Nach kurzer Zeit gingen die Gespräche wieder weiter und der Gefreite steuerte fast geradewegs auf das Büro des R.U.M.-Abteilungsleiters zu.
Er klopfte an und trat ein, als er das "Herein, Gefreiter Kolumbini" des Oberleutnants gehört hatte.
Selbiger hatte sich bereits umgezogen und genehmigte sich derzeit einen Drink.
Fred salutierte zackig und vernahm dabei wieder das leise Knistern der Haut. Es hatte sich fast etwas verstärkt angehört, aber das konnte er sich genauso gut eingebildet haben.
"Guten Tag, Herr. Ich bin gekommen um Ihnen Bericht zu erstatten. Über den Mord an Frau Nimmerfroh, wie Sie sich bestimmt erinnern werden", kam es in einem Wortschwall aus dem Mund des untoten Wächters.
"Ich erinnere mich, aber du musst in diesem Fall natürlich nicht weiter ermitteln, wenn du lieber etwas Urlaub haben möchtest."
"Oh, danke für das Angebot, Herr, aber ich möchte keinen Urlaub nehmen. Ich spare ihn mir lieber noch auf und ermittle stattdessen ein wenig weiter."
"Aber in deinem momentanen Zustand, Gefreiter, kannst du sicherlich nicht klar denken."
"Oh, doch, Herr."
"Nun gut, fang mit deinem Bericht an."
"Jawohl, Herr."
Dann begann Kolumbini mit seiner Erzählung.
Er berichtete jedoch nicht von seiner Vermutung einer Verbindung zwischen dem Mord an dem Assassinen und Frau Nimmerfroh, die er inzwischen hatte, doch Humph wäre nicht Humph, wenn er sich das Puzzle nicht selber zusammensetzen könnte, nachdem man ihm die einzelnen Teile gegeben hat.
"Interessant", sagte er, als der Gefreite seinen Bericht beendet hatte. "Höchst interessant. Trotzdem muss ich dir sagen, dass du mit deinen Ermittlungen in diesem Fall aufhören musst. Ich habe ihn bereits an jemand Anderen weitergeleitet. Ach und außerdem musst du dich mal bei Myra Schwertschleifer melden. Sie untersucht...nun deinen Mord. Und nur um es noch einmal klar zu machen: Halte dich aus den Ermittlungen raus. Ist das klar?"
"In Ordnung, Herr", doch Inspäctor gestand sich insgeheim ein, dass diese Aussage nicht der Wahrheit entsprach.
"Mach dir einen schönen Tag."
"Das werde ich, Herr."
Der Gefreite ging langsam aus der Tür und aus dem Wachhaus hinaus. Immer wieder murmelte er leise vor sich hin: "Das werde ich ganz sicher."

Mit leicht gesenktem Kopf ging Inspäctor Kolumbini durch die geschäftigen Straßen der größten Metropole der Scheibe. Er trug seinen nachdenklichen Gesichtsausdruck zur Schau und achtete in Gedanken vertieft kaum auf die Geschehnisse um ihn herum, wenn er nicht gerade jemandem oder etwas ausweichen musste.
Es war irgendwie ein zu großer Zufall, dass der Assassine mit der gleichen Waffe, wie Frau Nimmerfroh ermordet wurde.
Er hatte bei S.U.S.I. nachgefragt, bevor er im Büro des Oberleutnants gewesen war.
Der Dolch mit dem der Assassine, sein Name war immer noch unbekannt, ermordet wurde war genau die gleiche Waffe, mit der man die alte Dame in der Verlierenden Straße ins Jenseits geleitet hatte.
Das konnte einfach kein Zufall sein. Sicherlich wusste es der Oberleutnant bereits, aber erwähnt hatte dieser Kolumbini gegenüber nichts.
Vielleicht dachte er, dass es so dem Gefreiten leichter fallen würde, den Fall einfach aufzugeben.
Aber dennoch war es seine Aufgabe die beiden Morde zu lösen, dachte Inspäctor. Es war sein erster richtiger Mordfall und er wollte ihn sich nicht wegnehmen lassen, damit irgendein Stümper die Akten kurze Zeit später schließen würde und zwar ohne Ermittlungsergebnis.
Sobald er mit Humbert ein wenig geplaudert hätte, würde er zu einer von Frau Redguts A.D.S.N.-Genossinnen gehen und schließlich Herrn Nimmerfroh in seinem Laden einen Besuch abstatten. Der halbe Brindisianer war sich ziemlich sicher, dass eine der alten Damen die Adresse kannte.
Fred ging bewusst nicht an jener Ecke vorbei, an der sich die Sackgasse befand, in der er von dem Fremden in der Robe überfallen wurde, da sich bei dem Gedanken ein mulmiges Gefühl in ihm ausbreitete.
Er machte also einen Umweg von gut 20. Minuten und ging die Quirmstraße hinauf anstatt hinunter, wie er es sonst immer tat, um zum "Pferdestall" zu gelangen.
Gedankenversunken stieß er plötzlich mit jemandem zusammen.
Die betreffende Person ließ einen Besen fallen.
Der Mann, mit dem Inspäctor zusammengestoßen war, hatte eine Glatze und ein Gesicht, das dem Erscheinungsbild einer Backpflaume ähnelte. Er trug eine lange orangefarbene Robe, die ihn sofort als einen der merkwürdigen Mönche, die oft die Straßen rauf und runter marschierten und kleine Paraden abhielten, auszeichnete.
Dieser war anscheinend ein Kehrer.
"Entschuldigen sie vielmals, Herr", sagte der Gefreite hastig.
Der Mönch grinste ihn blöd an, nickte und machte Anstallten seinen Besen aufzuheben, doch Fred kam ihm zuvor und hielt ihm das Reinigungsinstrument mit einem freundlichen Lächeln unter die Nase.
"Bitte sehr", fügte er hinzu.
Grinsen. Nicken.
"Wohnen sie hier?" fragte der Wächter einfach nur, weil er etwas mehr über den merkwürdigen alten Mann in Erfahrung bringen wollte.
Grinsen. Nicken.
Der kahlköpfige Herr zeigte auf ein Haus.
"Oh, bei Frau Kosmopilit wohnen Sie. Nun ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag, der Herr."
Fred ging weiter und steuerte auf seine Stammkneipe zu.
"Einen schönen Tag, Herr Kolumbini", sagte der Alte hinter ihm.
Der untote Gefreite drehte sich sofort um und fragte: "Woher kennen sie meinen Na...?"
Doch er brach ab, als er bemerkte, dass der Kehrer längst verschwunden war.
Inspäctor kratzte sich am Kopf, zuckte mit den Schultern und ging schließlich in seine Stammkneipe.
"Überraschung!" kam es ihm entgegen, als er die Tür öffnete und der kleine Wächter bemerkte, dass die Kneipe aufgeräumt worden war.
Das war jedoch der tertiäre Punkt, dem seine Aufmerksamkeit galt.
Der sekundäre war ein großes "Banner" aus mehreren alten Vorhängen, auf dem in roten und blauen Buchstaben die Worte "Willkommigt zurrück ihm Läben!" gebildet worden waren.
Das Igor, Humbert, Bertollini, Arthur und Marcello mit einem breiten Grinsen unter dem Tuch standen fiel ihm jedoch als erstes auf.
"Na?" fragte Humbertolini. "Freust du dich, Fred?"
Wenn es dem Zombie möglich gewesen wäre zu weinen, so wären Freudentränen seine Wangen heruntergerannt.
Stattdessen lächelte er nur und während der nächsten Stunden, in denen sie ausgelassen feierten, bedankte er sich alle fünf Minuten.
"Nun muss ich aber wirklich gehen", sagte der Gefreite schließlich.
"Wohin denn?" fragte Arthur.
"Ich muss noch einige Mordfälle aufklären. Einen sinnlosen Mord. Den an Frau Nimmerfroh. Einen mysteriösen. Den an dem Assassinen. Und dann noch einen...sehr persönlichen."

Frau Wagner hatte eine Spitze Nase, ein spitzes Kinn, viel zu oft gespitzte Ohren und scharfe Augen. Außerdem schien sie eine Vorliebe für Katzen zu haben. In ihrer Wohnung waren mindestens zehn von den Tieren, wie Inspäctor Kolumbini festgestellt hatte. Er stand gerade in der Tür und hatte noch nicht einmal eine Begrüßungsformel ausgesprochen.
"Guten Tag, gnä' Frau", sprach der Untote die Dienstmarke vor das spitze Gesicht der alten Dame haltend. "Ich hätte da einige Fragen an Sie", fuhr er betont freundlich fort.
"Kommen Sie rein, Herr..."
"Kolumbini, gnä' Frau. Inspäctor Kolumbini."
Normalerweise benutzte er seinen Vornamen nicht sehr oft, aber, wenn er besonders freundlich und vor allem harmlos wirken wollte, konnte ein merkwürdiger Vorname manchmal Wunder bewirken.
"Kommen Sie rein, Herr Inspäctor. Ich wollte gerade etwas Tee mit Biskuits zu mir nehmen. Möchten Sie mir dabei Gesellschaft leisten?" krächzte die alte Dame.
"Gerne, gnä' Frau."
Die zehn Katzen, die Inspäctor schon vom Türrahmen aus gesehen hatte, beobachteten ihn weiterhin, um zu sehen, ob er ihnen vielleicht etwas Fisch mitgebracht hatte.
Ein kleiner Tisch stand am Fenster, um selbst beim Teetrinken ohne Pause das Geschehen auf den Straßen zu beobachten.
Das Haus, in dem Frau Wagner wohnte lag dem von Frau Nimmerfroh direkt gegenüber und war außerdem Wohnsitz von Frau Redgut.
Auf dem kleinen Tisch standen eine Kanne Pfefferminztee, ein Teller mit Keksen und zwei Tassen. Kolumbini verwunderte bei diesen alten Damen gar nichts mehr.
Anscheinend wusste Frau Wagner schon länger, dass er auf dem Weg zu ihr war.
"Sie haben doch mit Margarethe gesprochen, oder, Herr Inspäctor? Margarethe Redgut. Sie hat davon erzählt. Sie sind der mit den Fragen und dem komischen Namen."
"Ja, ich habe mit Frau Redgut gesprochen."
"Setzen Sie sich, Herr Inspäctor, und greifen sie zu. Es ist genug da."
"Vielen dank, gnä' Frau", sagte der Wächter, nachdem er sich gesetzt hatte und ihm Frau Redgut ein wenig Tee eingegossen hatte.
Der halbe Überwaldianer nippte an dem heißen Getränk.
"Vorzüglich", sagte er. "Nun es sind nur einige Kleinigkeiten, Frau Wagner. Es gibt da eine Sache, die mir einfach nicht aus dem Kopf geht und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen."
"Schießen Sie los."
"Als Frau Redgut gestern in Frau Nimmerfrohs Haus ging schloss sie die Tür hinter sich, aber mein Diener fand die Tür offen vor. Haben Sie zufällig gesehen, ob die Tür geschlossen wurde und wenn ja, von wem sie wieder geöffnet wurde?"
"Wollen Sie mir etwa nachsagen, dass ich den ganzen Tag über auf die Straße gaffe?"
"Oh nein, gnä' Frau. Ich dachte nur, dass sie vielleicht zufällig zu diesem Zeitpunkt etwas Tee getrunken haben könnten."
"Zufälligerweise habe ich das tatsächlich, Herr Inspäctor. Ein mittelgroßer Mann in einem dunkelgrünen Kapuzenumhang stand vor der Tür und hat sie nach ungefähr einer Minute geöffnet."
"Hm. Sonst etwas?"
"Er ging recht gebückt und unter dem Umhang trug er eine schwarze Robe. Das Haar war rabenschwarz."
"Vielen Dank, gnä' Frau. Das wäre dann Alles. Danke auch noch mal für den Tee."
Als er auf dem halben Weg zur Tür war klopfte sich der untote Wächter mit der flachen Hand sanft auf die Stirn.
"Ach, da wäre noch eine Sache. Sie wissen nicht zufällig, wo der Laden von Herrn Nimmerfroh ist, oder?"
"Doch. In der Straße Schlauer Kunsthandwerker, Nummer sieben."
"Ich danke ihnen nochmals. Einen schönen Tag noch."
Er warf die linke Hand zum Abschied über die Schulter.
Anschließend verscheuchte er die Katzen von ihr und nahm sie wieder an sich.

Die Straße Schlauer Kunsthandwerker war Heimatort für viele Erfinder und Handwerker, die sich bereits einen Namen gemacht hatten und es deshalb verdient hatten in einer solch wichtigen Straße ein Geschäft zu besitzen.
Uhrmacher wohnten neben Schmieden, Erfindern, Architekten und anderen handwerklichen Betrieben wie Schreinereien, die dann die Visionen der Denker umsetzten, falls jene dazu nicht in der Lage waren.
Der Zombie Kolumbini blickte sich um. Er war schon einmal hier gewesen, als er sich ein neues Glasauge hatte anfertigen lassen. Momentan trug er jedoch immer noch das Glasauge aus Wahrsagerkugelglas, welches ihm Igor aus Unwissenheit besorgt hatte.
Eigentlich wollte Fred deshalb noch einmal mit diesem Zauberer reden. Wie war noch gleich sein Name? Schwarzrabe?
Momentan gab es jedoch wichtigere Sachen zu tun.
Inspäctor war fest entschlossen den Mörder Frau Nimmerfrohs zu finden und er würde weiterhin den Mord an dem unbekannten Assassinen aufklären.
Das Geschäft Herrn Nimmerfrohs lag in der unteren Etage eines zweistöckigen Gebäudes und sowohl die Vorhänge, als auch Topfpflanzen, die in den oberen Fenstern zu sehen waren, wiesen darauf hin, dass der Erfinder vermutlich dort oben wohnte, oder die Zimmer zumindest vermietete.
"Herr Hans Nimmerfroh
Erfinder und Tüftler"
Verkündete das kleine Messingschild an der Eingangstür. Das obligatorische Ladenglöckchen über dem Portal verkündete dem Besitzer das Eintreffen neuer Kundschaft.
Der Erfinder sah sich dem Blick eines kleinen Mannes in einem ledernen Mantel ausgesetzt und er war sich sicher, darin etwas Abschätzendes zu erkennen.
Nun es war nicht schwer Hans Nimmerfroh einen skeptischen Blick zuzuwerfen, denn der Mann hatte ähnliche Umfänge wie Enorm Jolson um es etwas ungepflegter auszudrücken: er brauchte einen Bumerang, wenn er sich einen Gürtel umlegen wollte. Vorausgesetzt er fand einen Gürtel, der ihm gepasst hätte.
"Guten Tag, der Herr", grüßte der Kleine. "Mein Name ist Kolumbini und ich komme von der Stadtwache."
"Wos wolln' se? I hob nie wos Unrechts geton", versuchte sich der Fette sofort zu verteidigen.
"Oh nein, der Herr. Ich will sie keineswegs verhaften, sondern ihnen nur einige Fragen, betreffend ihrer Frau stellen."
"Hoben se den Kerl, der moi Frou umgebrcht hot endlich gefunden?"
"Nun, wir gehen davon aus, dass es sich um einen Assassinen gehandelt hat, also..."
"Wos? En Ossossin?? Des is aber net möglich. I hab doch..."
"Wo...was haben Sie, Herr Nimmerfroh?"
"Des geht sie überhoupt nix o, sie verdeifelter Schnüffler. I muss Ihne kaa Ouskunft gebe."
"Ich weiß, aber es sind doch nur ein paar kleine Dinge, die mich beschäftigen."
"Des is mir egol. I seh net oi, warum I ihre Frogn beantworte soll."
Der Tonfall des Erfinders war bei den letzten Worten deutlich wütender und lauter geworden.
Aber Inspäctor war niemand, der schnell aufgab. Erst recht nicht, wenn er sich nahe der Lösung des Falles glaubte.
"Es sind nur ein paar kurze Fragen, der Herr. Ich brauche sie für meinen Bericht", fuhr der Wächter in ruhigem Tonfall fort.
"I sags zum letzte mol, Sie verfluchter Bulle! I hob koi Lust, ihre Frogn zu beantworte. Un jetz verschwinde Sie! Rous ous moinem Gschäft, oder I beschwer mi bei ihrm Vorgesetzten!"
"Bitte, Herr Nimmerfroh..."
"Sans se schwerhörig? I sogte ROUS!!"
Der Gefreite schüttelte den Kopf und ging hinaus.
Er wartete kurz in einem schattigen Gässchen, gegenüber dem Geschäft bis Herr Nimmerfroh das Haus verließ.
Dann folgte der Wächter dem stark übergewichtigem Mann in Richtung Assassinengilde.

Es dauerte keine zehn Sekunden bis der Pförtner Stippler Herrn Nimmerfroh durch das Tor gehen ließ.
Wenn es eins war, das Stippler nicht vergaß, so waren es Gesichter. Sein Vater war Pförtner gewesen. Und der Vater seines Vaters und dessen Vater ebenfalls...die Reihe ließ sich fast endlos fortsetzen. Vermutlich war der Mann, der überprüfte, wer in bestimmte Höhlen gehen durfte und wer nicht ein Vorfahre des Herren gewesen, der momentan in der Assassinengilde beschäftigt war.
Es hieß die Tore der Gilde wurden nie geschlossen, da der Tod nie Pause macht. Aber Eingeweihte wussten, dass dies nur eine Entschuldigung dafür war, dass die Angeln schon lange eingerostet waren.
Der Türsteher hatte also nur die Aufgabe den Leuten zu sagen, ob sie durchgehen dürften, oder nicht. Und keiner, der noch alle seine Sinne beisammen hatte würde es wagen, unerlaubt in die Assassinengilde einzudringen.
Als Kolumbini versuchte durch die offene Pforte zu marschieren rief eine Stimme sofort: "Halt!"
Der Untote blieb sofort stehen und sah zu dem Pförtner.
"Äh, entschuldigen Sie, der Herr. Mein Name ist Kolumbini ich bin von der Stadtwache", zeigte Inspäctor seine Dienstmarke.
"Was willst du da drinnen, Wächter?"
Der abfällige Tonfall des Türstehers verriet dem Gefreiten, dass er gerade einen schweren Fehler begangen hatte.
"Ich würde nur gerne wissen, was Herr Nimmerfroh hier wollte, der Herr."
"Das geht dich nichts an, Herr Wächter. Ihr sollt eure Nasen nicht in die Angelegenheiten der Gilde stecken. Das sollte euch Wächtern eigentlich als erstes beigebracht werden. Und jetzt verschwinde von diesem Grundstück."
"Oh, es ist doch nur eine kleine Frage und Sie würde mir bei meinem Bericht sehr weiterhelfen."
"Du sollst verschwinden."
"Nun gut."
Der Zombie ging zurück in die Richtung, aus der er gegangen war.
"Und diesen Vorfall melde ich deinem Vorgesetzten!"
Mist, dachte der Gefreite. Er beschloss in sein Büro zu gehen und über den Fall nachzudenken.
Er bemerkte nicht, wie Herr Nimmerfroh wild fluchend aus der Gilde gestürmt kam und seine Körpermasse Richtung Pseudopolisplatz lenkte.

"BIST DU EIGENTLICH VÖLLIG ÜBERGESCHNAPPT?!" schrie Humph MeckDwarf den vor ihm stehenden Gefreiten Kolumbini an.
"Entschuldigung, Herr."
"Zuerst stürmt dieser...diese MASSE von einem Mann hier herein und schreit das halbe Wachhaus zusammen, weil ein gewisser Wächter unhöflich zu ihm war und dann bekomme ich noch eine Nachricht von Lord Witwenmacher, ich solle mich besser um meine Wächter kümmern, sonst würden Konsequenzen folgen. Verdammt noch mal wir versuchen gerade eine Wächterin in die Gilde einzuschleusen. Weißt du wie verflucht schwer so ein Unternehmen werden kann, wenn die gesamte Gilde in Alarmbereitschaft ist, weil ein gewisser Wächter ANS TOR GEGANGEN IST UND DEN PFÖRTNER VERHÖRT HAT!"
"Herr hört mir doch erst einmal zu..."
"Wie kann man nur so absolut BESCHEUERT sein, den PFÖRTNER auszuhorchen?!"
"VERDAMMT NOCHMAL! JETZT HÖRT ENDLICH MAL ZU!" schrie der Gefreite und bereute den Tonfall sofort.
Es herrschte eine tödliche Stille.
"Gib mir deine Dienstmarke, Gefreiter."
"Was?"
"Du hast mich schon verstanden. Du bist vorerst beurlaubt, bis du dich wieder beruhigt hast. Ich kann dich verstehen, dass diese Sache mit...deinem Tod dich sehr mitnimmt, also bist du vorerst vom Dienst beurlaubt. Mache einen Ausflug oder so was. Denn wenn ich dich noch einmal bei Aktivitäten erwische, die auch nur annähernd mit diesen Fällen hier zu tun haben, bist du raus aus der Wache. Und zwar für IMMER."
Kolumbini sagte nichts mehr, sondern holte seine Dienstmarke aus dem Lederetui hervor, das er sich eigens dafür gekauft hatte, und legte sie auf den Tisch.
Wortlos drehte er sich um und schloss die Tür hinter sich. Einzelne Wächter und Wächterinnen blieben stehen und sahen ihn mitleidig an, denn viele hatten die Unterhaltung mithören können. Nun vermutlich hatten einige Leute auf XXXX die Unterhaltung mithören können. Doch es redete keiner. Erstens vielleicht, weil zu viele ihn nicht kannten und zweitens vielleicht, weil niemand riskieren wollte sich den Zorn Humph MeckDwarfs zuzuziehen.
Kolumbini verließ das Wachhaus und blickte zum Himmel empor.
Anscheinend hatte sich das Wetter an seine Rolle im narrativen Gefüge erinnert, denn der Himmel war bewölkt und es begann in Strömen zu regnen.
Der MANTEL gab seine wasserschützenden Dienste auf und sein Besitzer hatte es auch gar nicht anders gewollt. Es machte keinen Unterschied mehr, ob er nass würde, oder nicht. Momentan war alles egal.
Als der zwangsbeurlaubte Gefreite die Straßen hinunterschritt bemerkte er eine kleine Band an der Straßenseite.
Sie bestand aus einem Geiger, einem Kontrabassisten, einem Gitarristen und einem der die Blasinstrumente spielte. Allesamt hatten sie Hüte auf, dessen Hutkrempen man auch gut als Regenauffangbecken hätte verwenden können, bestünden sie nicht aus Stroh.
Fred warf ihnen einige Münzen zu und sie begriffen an seinem Gesichtsausdruck, dass ein fröhliches Lied auf keinen Fall in Frage kam. Der Geiger und der Bassist nahmen Aufstellung und begannen eine Litanei aus Tränen und Melancholie zu spielen.
Während das traurige Liedchen durch die vom Regen gepeitschten Straßen hallte dachte Kolumbini, es ist vorbei. Vorbei...Keine Dienstmarke mehr...Vorbei...Jetzt gibt es nichts mehr, das ich tun könnte...Es ist vorbei...Wofür lohnt es sich, jetzt noch zu Leben?...Es gibt nichts mehr...
Der Zombie schritt weiter und lenkte seinen Gang ohne es wirklich zu bemerken in Richtung Friedhof der Geringen Götter.

Der Regen prasselte weiterhin auf die Stadt und am Friedhof der Geringen Götter herrschte Dunkelheit.
In einem knorrigen Baum saß eine Eule und schrie gelegentlich in die Nacht, um dem Universum mitzuteilen, dass es sie noch gab. (Ähnlich verhalten sich einsame Irre auf verlassenen Inseln...Die betreffende Person weiß immerhin, wann sie es geschafft hat ein Feuer zu entzünden.)
Die düstere Atmosphäre wurde nur von einem gelegentlichen dumpfen Pochen und Flüchen wie "verdammter Grabstein" gestört.
David Dunkelkrähe suchte oft diesen Ort auf. Immer, wenn er miese Laune hatte und das Universum im allgemeinen und sein Leben im besonderen verabscheute, kam er zu dem Grab von seinem Vater und starrte wütend darauf. Flüche dachte er nicht einmal, da er sich nicht mit den Toten anlegen wollte. Manchmal war es wirklich ein Fluch zu wissen, was alles gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Man konnte das Leben gar nicht mehr genießen.
Alles, was in seinem Leben mies war, hatte der Zauberer seinem verstorbenen Vater zu verdanken und dafür hasste er ihn noch mehr, als er es ohnehin schon zu Lebzeiten getan hatte.
Bisher war er jedoch glücklicherweise nur während des hellen Tages auf sein Leben sauer gewesen und deshalb hatte er keine Laterne dabei und stieß sich folglich oft an einem der Grabsteine an.
Die Eule im Baum bemerkte den Fremden und heulte noch einmal auf, wodurch sie den Zauberer so sehr erschreckte, dass dieser Aufschrie und einen Sprung nach vorne macht, wobei er nicht das offene Grab vor ihm bemerkt hatte, in das er nun zu stürzen drohte.
"Ah", schrie er auf und versuchte panisch sich nach Hinten zu lehnen, um nicht in die Grube zu fallen.
Er fiel, aber er erreichte nicht den Boden. Eine Hand, die aus dem Grab gekommen war, hielt ihn locker oben. Die Füße waren immer noch auf Festem Boden, jedoch berührten nur die Schuhspitzen selbigen und so wunderte sich die Eule in dem Baum, warum der Mann mit dem spitzen Ding auf dem Kopf in der Luft schwebte.
"Warum gönnt man den Toten keine Ruhe?" fragte eine düstere Stimme aus dem Grab.
Ein leises "Miep" war das einzige, was David aus seiner Kehle herausbrachte.
Die Hand stieß ihn nach oben und er landete im matschigen Gras.
Aus dem Grab kam eine Gestalt gekrochen, die er schon einmal gesehen hatte. Es war einige Zeit her gewesen, aber manche Sachen vergaß man nicht.
"S-sie sind der Kerl mit dem magischen Mantel a-aus dem Kasino", brachte der Zauberer langsam hervor.
"Exakt", bestätigte Kolumbini. "Und Sie sind dieser Zauberer Finsterdohle."
"Dunkelkrähe", berichtigte ihn der Praktizierer von subtilen Künsten. "David Dunkelkrähe."
Der Magier blickte immer wieder skeptisch auf den MANTEL und war darauf bedacht dem Kleidungsstück nicht näher zu kommen, als unbedingt notwendig. Manche Sachen waren einfach zu magisch.
Kolumbini griff in eine seiner vielen Taschen und holte daraus eine Regen- und Luftdichte Lampe hervor.
Er entzündete sie umständlich und brachte so etwas Licht in die Dunkelheit.
"Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Dunkelkrähe, wenn Sie mich alleine lassen könnten."
Dann bemerkte David die Naht an der Hand und die etwas trocken wirkende Haut.
"Seit wann sind Sie ein Zombie, Herr Kolumbini?"
"Sie begreifen schnell, was? Seit einem Tag."
"Ein Tag? Das ist aber höchst ungewöhnlich."
"Was ist höchst ungewöhnlich."
"Ich glaube, es wäre besser, wenn sie mich kurz in meine Werkstatt begleiten würden."
"Ich habe jetzt wirklich andere Sorgen."
"Wenn ich nicht irre, haben Sie sogar noch viel größere."
"Wie bitte?"
"Kommen Sie einfach kurz mit. Das könnte sehr wichtig für Sie sein."

"Das ist also ihr Labor, ja?" fragte Kolumbini, als David Dunkelkrähe ihn in den Hinterraum in seinem Geschäft in der esoterischen Straße geführt hatte.
"Genau. Ist es nicht wunderbar?"
"Oh ja. Wie ich sehe haben Sie sogar einen ausgestopften Alligator."
"Ach, ich habe Ihnen ja noch gar nicht Kriewalda vorgestellt. Wo bin ich nur mit meinen Gedanken. Kriewalda! Kriewalda mein Schätzchen, wo bist du?"
Während der Zauberer das fragte kroch er auf dem Boden herum und suchte unter den Tischen, die vor abenteuerlich aussehenden Apparaturen und Glaskolben nur so überquollen.
Dann fand der Magier, der wie Inspäctor dachte, eine Art Mischung aus Mensch, Wiesel und Katze zu sein schien, offensichtlich wonach er gesucht hatte.
"Ah. Da ist sie ja", hob er eine braune Kröte vor Kolumbinis Gesicht. "Das ist Kriewalda. Meine Vertraute."
Fred hatte noch nie von Vertrauten gehört, war aber ebenso wenig in der Stimmung nach solchen Sachen zu fragen. Er wollte das hier, was immer es auch sein mochte, nur schnell zu Ende bringen und dann in sein Grab zurückkehren, damit ihn der Totengräber beim ersten Licht des nächsten Tages endgültig bestatten konnte.
Der Zauberer kramte darauf erneut in seinem Wust und fand nach etlichem Suchen, das was er zu finden begehrt hatte.
Es war ein kleiner, grauer Kasten an dessen einem Ende zwei Griffe und am anderen zwei antennenartige Ausläufer herausragten. Eine Skala in der Mitte sollte wohl irgendetwas anzeigen, aber was, das wusste Inspäctor nicht.
"Das hier ist ein Apparat, mit dem man Magie messen kann, Herr Kolumbini", erklärte David. "Wenn Sie bitte Ihren Mantel ausziehen könnten, Herr."
Obgleich der halbe Brindisianer recht verwirrt war, erfüllte er die Bitte.
Nachdem der Schalter an dem Kasten umgelegt war kam der Magier langsam näher, wobei die "Antennen" auf den zwangsbeurlaubten Wächter zeigten.
Wie Inspäctor bemerkte prangte auf der Seite des Magiemessers ein kleines Schild, auf dem stand: "Eigentum des FHM"
Der Apparat begann erst leise, aber mit abnehmender Entfernung immer lauter zu klicken und zu klacken. Dunkelkrähe schaltete den Kasten wieder aus und ging zu einer freien Stelle auf einem Tisch, bei der auch ein Abakus stand. Er schmierte eine hastige Rechnung auf eine kleine Schiefertafel und blickte dann erstaunt auf das Ergebnis.
Dann wischte er alles noch einmal weg und begann erneut.
Eine gute halbe Stunde verbrachte er mit Rechnen und immer wieder wischen, bis die traurige Gewissheit zuschlug.
Er betrachtete das Ergebnis noch einmal und ging dann zurück zu Kolumbini.
"Ich habe eine verflucht schlechte Nachricht für Sie, Herr Wächter."
"Langsam bin ich an schlechte Nachrichten gewöhnt, glauben Sie mir."
"Oh ich bin sicher, dass sie diese Nachricht noch nie vernommen haben."
"Was ist denn?"
"Sie sollten sich vielleicht besser setzen."
"Raus mit der Sprache, Herr Dunkelkrähe. Was ist los?"
"Nun, gut. Sagen Sie hinterher nur nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt."
"Sagen Sie hinterher nur nicht, ich hätte sie ignoriert."
Der Magier holte tief Luft und setzte zu einem neuen Satz an.
"Sie haben noch drei Tage zu leben."

"Wo bleibt er blof?" fragte sich Igor, als er im Wohnzimmer der Villa im Bachlosen Weg 12 auf und ab ging. (oder besser humpelte)
Das Ticken der großen Standuhr begleitete ihn in seiner Nervosität.
Ivonne und Emilia Kolumbini, die auf dem Sofa Platz genommen hatten, warfen sich immer wieder Blicke zu, um zu überprüfen, ob das jeweilige Gegenüber Herrn Igor immer noch für eine höchst seltsame Person hielt.
"Ihm wird schon nichts passiert sein", versuchte ihn Ivonne zu beruhigen.
"Waf weift du fon davon? Er kommt nie fo fpät nach Haufe und in diefer Ftadt könnten ihm Hunderte von Dingen fugeftofen fein, Weib."
"Aber, Herr Igor", empörte sich Emilia. "Das war aber nicht die feine ankhianische Art."
"Und wenn ef die morporkianife Art gewefen wäre, hätte If ihr mein Knie fwifen die Beine gerammt", murmelte Igor leise vor sich hin. Er mochte es ehrlich gesagt nicht, dass Ivonne und Emilia wirklich in der Familie waren. Oh, sie konnten in irgendwelchen Kellergewölben hausen, solange der Platz nicht für andere wichtige Sachen benötigt wurde (zum Beispiel als Müllhalde) und sie konnten dort auch für immer bleiben, aber sie sollten sich nicht in die Familienangelegenheiten einmischen.
Daheim in Überwald hatte der Bucklige bestimmte Frauen schon nicht sonderlich gemocht. Bestimmte Frauen brachten Modernisierung in einen Haushalt. Er erinnerte sich an einen Maifterr, der wegen einer Dame umgekommen war und weiterhin erschienen in seinem Kopf immer wieder die Bilder einer Herrin, die ihm befohlen hatte die Türangeln zu ölen und die Spinnweben zu entfernen. Sie war einem...Zwischenfall zum Opfer gefallen. (genauer gesagt war etwas auf sie gefallen, aber das tut hier nichts zur Sache) Inzwischen hatte er zwar gemerkt, dass Frauen nicht nur schlecht waren. Vor allem Kolumbinis Mutter war ihm sehr sympathisch gewesen, obgleich sie einen Diener manchmal als überflüssig erachtete. Außerdem hatte er eine große Verwandtschaft, in der es mehr als genug Igorinas gab. Igor war keineswegs Damen gegenüber IMMER feindlich oder misstrauisch, wie sein Herr, sondern nur vorsichtig. Der bucklige Diener brauchte nie lange, bis er irgendjemanden eingeschätzt hatte!
und er befürchtete, dass zumindest Ivonne Veränderungen bringen würde. Er spürte es in seinen Knochen (und auch in den Knochen, die von anderen Personen stammten und sich an seinem Körper befanden).
"Vielleicht hat er nur einen Drink zu sich genommen", sprach die Detektivin mit beruhigendem Tonfall.
"Alf Untoter bringen Drinkf niftf mehr. Der Alkohol wirkt gar nift mehr und if weif, daff der Herr nur auf reiner Gewohnheit weitertrinkt."
"Ihm wird schon nichts passiert sein", wiederholte sich die Brindisianerin und Igor gab zu ihrer Verwunderung keinen sarkastischen Kommentar ab.
Der bucklige Diener humpelte stattdessen wieder im Wohnzimmer auf und nieder.
Der Abend schritt fort und bald gingen die beiden Damen zu Bett.
Als die große Standuhr Zwölf schlug, kehrte Ivonne ins Wohnzimmer zurück, um zu überprüfen, ob er bereits da war.
Sie fand nur einen deprimiert auf dem Sofa sitzenden Igor vor. Ob es Mitleid oder ein anderes Empfinden für den Buckligen Überwaldianer war, wusste die Detektivin nicht, aber sie setzte sich zu ihm.
Stille breitete sich in der Wohnung aus und das Ticken der Uhr verlieh selbiger nur noch mehr Struktur.
Die Sekunden erschienen wie Minuten und die Minuten wie Stunden. Letztere nahmen die Form von Wochen an.
Nach anderthalb "Wochen" beschloss Ivonne die bedrückende Stille wenigstens für kurze Zeit zu unterbrechen.
"Was...was würdest du tun, wenn er nicht zurückkehrt?" fragte sie den Diener.
"Der Kodekf von unf Igorf gebietet, daff wir, bei einem Ableben oder Verfwinden def momentanen Maifterrf in die Dienfte def nächften lebenden Anverwandten..."
"Nein ich meine, was DU tun würdest. Nicht der Diener in dir."
Tick. Tack.
"If...if weif nift. If bin nie etwaf anderef gewefen, alf ein Gehilfe und if kann mir auch nift vorftellen, etwaf Anderef fu tun."
Wieder herrschte jene strukturierte Stille, die unheimlicher wirkte, als eine Nacht in einer alten Gruft.
Man konnte die Anspannung entweichen hören wie die Kohlensäure aus einer Flasche Mineralwasser, die man zuvor eine Stunde lang geschüttelt hatte, als leise, leicht schlurfende Schritte über die Treppe vor der Villa und kurz darauf ein Schlüssel im Schlüsselloch zu vernehmen waren.
Igor war zum Erstaunen der Detektivin in einigen Millisekunden aus ihrem Blickfeld und offensichtlich an der Haustür, denn sie hörte, wie er jemanden begrüßte.
"Herr! Du bift furück! Welf eine..." Der Diener stockte, als er den Gesichtsausdruck seines Dienstherrn sah.
Ivonne war inzwischen auch eingetroffen und winkte ihrem Cousin zu.
"Ist etwas passiert?" fragte sie den Zombie.
"Man hat mich in den Zwangsurlaub versetzt...rausgeschmissen um es deutlicher auszudrücken."
"Waf?" rief Igor empört. "Raufgefmiffen? Aber daf können fie doch nift machen. Du haft nie etwaf Unreftef getan."
"Außer mich den Befehlen des Oberleutnants zu widersetzen und dadurch einen fe...übergewichtigen Erfinder und die Assassinengilde gegen die Wache aufzubringen."
Es herrschte kurz verlegenes Schweigen, bis Igor die Worte wiederfand.
"Aber daf ift doch noch lange kein Grund. Du darft doch nift immer nur "liebef Hündfen" fpielen."
"Igor! Es ist zu Ende, verstehst du das denn nicht? In drei Tagen wird die Kraft, die mich bisher am Leben erhält versiegt sein."
Dann herrschte wieder bedrückende Stille in der Villa.
Igor starrte seinen Herrn mit immer noch offenem Mund an.
"Äh, waf? Drei Tage? Wiefo...?"
"Das sollte vielleicht besser Herr Dunkelkrähe erklären."
Erst jetzt bemerkten der Diener und die Detektivin, dass ein Mann im Türrahmen stand.
"Also ich...", trat dieser einen Schritt vor und wurde von einer Knoblauchzehe geknebelt, die genau in Mundhöhe an einem Bindfaden heruntergeschwungen war.
Der Zauberer spuckte sie sofort aus wunderte sich zwar etwas, über diese Gepflogenheiten, fragte aber nicht weiter nach, sondern begann sofort zu reden.
"Also ich, äh..." er geriet erneut ins Stocken, als er Ivonne erblickte. Der Magier konnte nicht gut mit Frauen umgehen und in ihrer Gegenwart wurde er immer nervös.
"Also ich, äh", begann er zum dritten mal, "habe, ähem, herausgefunden...nun ich sollte mit etwas anderem beginnen. Es gibt nämlich zwei Arten von Zombies und, äh, das Herr Kolumbini hier ein Zombie ist, dass ist, äh, schätze ich klar, ähehem. Nun zwei Arten von, äh, Z-zombies. Erstens sind da die Z-zombies die du-urch Willenskraft, äh, am nunja zumindest einer Art von Leben erhalten werden. Sie haben sozusagen z-zuviel Lebenslust, als dass sie in irgendeinem Grab vermodern wollen. Haha."
Die darauffolgende Stille hätte gar nicht peinlicher sein können.
"Äh, nun ja. Auf jeden Fall ist das jene Art, d-die, äh, wesentlich...häufiger ist. Es s-teckt nicht so viel Magie dahinter. Die andere Möglichkeit zu einer, äh, wandelnden...L-leiche zu werden ist, durch einen Zauberspruch. Davon gibt es jed-och nur einen, äh, bekannten. Und der ist s-sehr kompliziert. Eine der k-ompliziertesten, äh, Zauberformeln überhaupt. Und ich meine nicht, äh, wegen dem Aussprechen oder so, sondern weil s-seine, ähem, Wirkung so schwer zu verstehen ist. Nicht einmal in den heutigen Zeiten kennen wir, äh, Zauberer von der U-unsichtbaren Universität uns komplett damit, äh, aus. Und niemand hier in der, äh, N-nähe ist in der L-lage ihn zu s-sprechen. Herr Kolumbini trägt aber etwas, von einem, äh, weit entfernten Ort immer b-bei sich..."
"Mein MANTEL", sagte Inspäctor nachdenklich.
"Genau d-der MANTEL v-von Herrn Kolumbini ist, äh, mit genau diesem Z-zauber versehen worden. D-das Prob-blem ist, dass der Z-zauber nur drei, ähem, Tage anhält und danach muss er s-sofort erneuert werden, oder er wirkt nicht mehr. D-der Körper d-darf nämlich nicht völlig, äh, kalt sein, damit der Zauber wirkt. Und das magische Feld des MANTELS erneuert sich erst in sieben und eins Tagen. Es gibt allerdings ein, äh, kleines Hintertürchen, wie man die Wirkung verlängern kann..."
"Welche?" fragten alle drei Zuhörer aufgeregt.
"Durch einen magischen Gegenstand, am oder im Körper kann die Wirkung um einige Stunden verlängert werden."
"Na toll", meinte Igor. "Einige Ftunden. Waf bringen fon Ftunden?"
"Oh, manchmal sehr viel, Herr Igor", erläuterte Dunkelkrähe. "Also ich fürchte, dass wir daran nichts ändern können. An dem Tod meine ich."
"Oh", machte der Bucklige.
"Oh?" erfragte Kolumbini schnippisch. "Ich bin in drei Tagen tot und du machst "oh?"?"
"Mir, äh, haben die Worte gefehlt, Herr."
Dann herrschte wieder Schweigen in der Villa im Bachlosen Weg 12.
Dunkelkrähe verabschiedete sich alsbald und kehrte in seinen Laden zurück, der ihm auch als Wohnort diente.
Die restliche Gruppe kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte sich hin.
Igor nahm im Sessel platz, während Ivonne sich zu Kolumbini aufs Sofa setzte und versuchte ihn ein wenig zu trösten.
Daf geht fu weit, dachte der bucklige Diener. Fwar habe if mir gefworen ef nie auch nur in Erwägung fu fiehen, aber jetft muff if EF einfach bauen. Dief find...intereffante Feiten.
"If gehe beffer inf Bett, Herr. Ef war ein anftrengender Tag", sagte der Gehilfe, bevor er mit besorgtem Gesichtsausdruck in den Keller humpelte.
Nachdem die Zeiger der Uhr eine weitere Strecke zurückgelegt hatten, bekam Ivonne anscheinend das Gefühl, etwas zu ihrem Cousin sagen zu müssen.
"Keine Angst, Inspäctor. Es wird bestimmt alles wieder gut. Vielleicht können wir dir ja irgendwie helfen."
"Wie denn, bitteschön?"
Die Detektivin überlegte kurz und sagte dann: "Warum fragst du nicht einmal die Zauberer an der Universität. Irgendeiner muss doch über diesen Zauber mehr wissen. Herr Dunkelkrähe hat bestimmt übertrieben."
"Ich hatte die selbe Idee, aber Dunkelkrähe meinte, dass die "hohen Herren sich um so etwas nicht kümmern würden und Sie, selbst wenn sie es täten durch ihre Dummheit umbringen würden."
"Oh, und warum hat er Interesse gezeigt?"
"Er meinte, sein Interesse gelte vor allem neumodischer und unerforschterer Magie. Es gibt zwar in der Universität eine Abteilung dafür, aber Dunkelkrähe meinte, sie sei nicht sonderlich kompetenter, als die alten Zauberer. Deshalb wollte er auch meinen MANTEL kurz untersuchen."
"Dann lässt sich wohl nichts mehr machen..."
"Und ich war so nah", Fred deutete mit Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter an, "an der Lösung des Falles dran...Jetzt ist alles vorbei. Ich hätte nur einen Besuch in der Assassinengilde benötigt."
Er vergrub die Hände im Gesicht.
"In die Assassinengilde?" fragte Ivonne. "Hm. Ich muss leider weg. Die Detektei wartet auf mich."
"Mitten in der Nacht?"
"Mir ist etwas Wichtiges zu meinem momentanen Fall eingefallen und ich möchte es sogleich überprüfen."
Und so blieb Kolumbini allein im Wohnzimmer seiner Villa zurück. Es dauerte nicht lange, bis er zu Bett ging.

Igor öffnete währenddessen ein verschlossenes Geheimfach in seiner persönlichen Truhe und holte aus selbigem einige zusammengerollte, blaue Pergamentrollen hervor.
Er rollte eine davon ein Stück auf.
Die Buchstaben "Rev" waren kurz zu sehen, bevor der Diener das Papier wieder zusammenrollte und mit besorgtem Gesichtsausdruck zweimal auf selbiges klopfte.
"Ef gibt keine andere Möglifkeit", sagte er immer wieder zu sich selbst. "Ef gibt nur diefe eine, aber if follte fur Fiferheit diefen Fauberer um Hilfe bitten."
Danach ging der Bucklige zu Bett und versuchte zu schlafen, was ihm jedoch nicht gelang.
Immer wieder wälzte er sich auf der Matratze hin und her und murmelte zu sich selbst: "Ef ift die einfige Möglifkeit."

Auch Ivonne Kolumbini konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Und aus diesem Grunde war es auch für Walter Krummbach, Reporter bei der Ankh-Morpork Times, unmöglich in Frieden zu schlummern.

Inspäctor stand an seinem Fenster und blickte über die Zwillingsstadt.
Die Welt war einfach nicht gerecht, fand der Untote.
Bald kroch das erste Licht des neuen Tages langsam wie güldener Sirup über die Landschaft und somit brach der drittletzte Tag im Leben von Inspäctor "Fred" Kolumbini an.

"Das kann ich nicht machen, Ivy", meinte Walter Krummbach zu der vor ihm sitzenden Detektivin. "Außerdem finde ich es unerhört, dass du mich um sechs Uhr morgens aus dem Bett klingelst, nur damit ich dir zwei Karten für den Ball der Assassinengilde besorge, die du für die Hilfe von jemandem einsetzen willst, den du nicht einmal drei Tage kennst."
"Jetzt hör mir mal zu, du verfluchter Kriecher", keifte Ivonne den Reporter an. "Ich habe dir mehr als einmal dein armseliges Leben gerettet und da kann ich wohl erwarten, dass du mir mal einen Gefallen tust. Außerdem ist der "Jemand" ein Mitglied meiner Familie, verdammt noch mal!"
"Was willst du mit den Karten bezwecken?"
"Mein Cousin ist zu einem Zombie geworden und ein Zauberer meinte, dass Zombies entweder durch Lebenslust, oder durch Magie am Leben gehalten würden. Wenn ich Fred also einen neuen Sinn im Leben gebe, könnte er vielleicht sein Untotendasein fortsetzen. Und da er gerade an irgendeinem Fall mit der Assassinengilde gearbeitet hat, will ich ihm ermöglichen, dass er sich in das Gebäude einschleichen kann, um seine Ermittlungen zu Ende zu führen."
"Meinem Chef wird das nicht gefallen."
"Du bist einer der besten Reporter der Times und es sollte kein Problem für dich sein, zwei Karten für den Assassinenball zu besorgen."
"Nun gut. Aber nur, weil du's bist."
Ivonne "Ivy" Kolumbini lächelte den Reporter an und sagte "vielen Dank, Schätzchen."

Klingelingeling, machte die Ladentür von "Dunkelkrähes makische Utänsilien führ Jädermann", als jemand in das Geschäft trat.
"Guten Tag, Herr Dunkelkrähe. If bräufte da ihre fachmännife Hilfe bei einer Erfindung."
Dunkelkrähe blickte auf, und in das Gesicht von Igor.
"Um was, äh, handelt es sich denn?"
Der bucklige Diener erklärte alles und während des Gesprächs erhellte sich die Miene des Zauberers immer mehr.
"Gerne, Herr Igor", sagte er. "Wirklich gerne. Ich helfe Ihnen sofort, die notwendigen Materialien zusammenzusuchen."

Ceneral Humbertolini war gerade dabei einige Gläser zu putzen, als sein alter Kumpel Inspäctor Kolumbini in die Kneipe schlurfte.
"Du wirkst bedrückt, Fred. Ist was passiert?" fragte er den zwangsbeurlaubten Wächter.
Letzterer erzählte ihm die Geschichte, auf die lange Zeit Schweigen in der Bar herrschte.
"Wenn das dein drittletzter Tag ist, so solltest du ihn genießen", meinte der Wirt. "Gibt es etwas, das du dir schon immer gewünscht hast zu tun?"
Der halbe Überwaldianer überlegte eine Zeit.
"Ein Wettsaufen um Geld?"
"Wirklich?"
"Nein, aber da ich als Untoter keinen Alkohol mehr spüre, könnte ich ein paar Gästen noch etwas Geld abzocken und es dann Ivonne und Emilia, oder Igor geben. Vielleicht könntest du es auch für eine Renovierung benutzen."
"Gibt’s nichts, was du dir wünschst?"
"Einen Kutscher auf Kosten des Hauses?"
"Ich dachte, du spürst keinen Alkohol mehr...schon gut. Kommt sofort."
"Sind Arthur und der Rest da?"
"Ja."
"BAM!"
Die Band erschien aus dem Hinterraum, merkte, dass Kolumbini da war und ergriff die Instrumente.
"Manche Dinge im Leben sind schlimm
sie hauen wirklich ganz schön rinn..."


Der weitere Tag verlief ohne besondere Ereignisse, sah man einmal davon ab, dass Walter Krummbach die zwei Karten für den Ball besorgte, in Igors Werkstatt reges Treiben herrschte und, dass Ivonne Kolumbini einen großen Teil ihres Ersparten für neue Kleidung ausgab.
Seltsamerweise kaufte die Detektivin eine ziemlich große Turnüre.
Der nächste Tag sollte wesentlich mehr Ereignisse bringen.

Am nächsten Mittag saß Inspäctor "Fred" Kolumbini im Wohnzimmer seiner Villa im Bachlosen Weg 12, als er hörte, wie jemand an die Tür klopfte.
Als das dritte Pochen erklang und die Pforte immer noch nicht von dem buckligen Diener geöffnet worden war, rief der zwangsbeurlaubte Wächter nach Igor, der jedoch nicht hinter ihm erschien, was bedeutete, dass der Bucklige nicht zu Hause war.
Der zwangsbeurlaubte Wächter zuckte mit den Schultern und ging in die Empfangshalle, um dort die Tür zu öffnen.
Er bemerkte, dass jemand die ganze Zeit über mit dem Fuß geklopft hatte und dieser Jemand verborg sich momentan hinter einem Stapel aus Schachteln und Tüten, die mühsam von zwei Händen gehalten wurden.
"Das hat ja lange gedauert", begrüßte ihn der Stapel mit der Stimme von Ivonne. "Könntest du mir mal was abnehmen, du Kavalier." Meinten die Tüten und Schachteln bissig.
Inspäctor kam der Aufforderung nach und blickte bald in das Gesicht seiner Cousine.
"Was ist das?" fragte der zwangsbeurlaubte Gefreite.
"Wir sollten in dein Zimmer gehen."
Beide gingen die Treppe hoch und duckten sich an einer bestimmten Stelle, um ein dumpfes Pochen abzuwarten.
"Das sind lauter feine Klamotten!" rief Kolumbini voller Erstaunen, als er einige Tüten geöffnet hatte.
"Genau. Wir werden heute Abend auf den Ball der Assassinengilde gehen", erklärte die Detektivin.
"Die Meuchler veranstalten einen Ball?" fragte Inspäctor ungläubig.
"Ja. Anscheinend liefen die Geschäfte in den letzten Wochen nicht sonderlich gut, weshalb sie eine Art Feier veranstalten wollen. Alle feinen Herrschaften der Stadt sind dazu eingeladen. Wohl eine Art Werbung. Sie haben sogar die Times eingeladen, damit ein Reporter einen Bericht über die Gildenaktivitäten schreiben kann. Ein alter Bekannter von mir hat uns zwei Karten besorgt."
"Äh, Moment...wir? Uns?"
"Natürlich. Ich habe bereits einen Plan entwickelt, wie wir ungesehen ins Archiv kommen können, oder wo du auch sonst hinwillst."
Kolumbini kam immer noch nicht ganz mit.
"Wieso?"
"Du hast selbst gesagt, dass du für eine Lösung des Falls nur einmal in die Assassinengilde müsstest."
"Ja, ich müsste mal ins Archiv...aber wieso tust du das?"
"Weil du mein Cousin bist, deshalb. Ich kann doch ein Familienmitglied nicht einfach so im Stich lassen."
"Aber was würde es bringen, wenn ich den Fall löse? Morgen bin ich sowieso hinüber."
"Na, aber du wirst doch nicht einfach so aufgeben, oder?" zwinkerte die Detektivin dem zwangsbeurlaubten Gefreiten zu.
"Doch das werde ich."
"Bitte?"
"Du hast mich schon verstanden."
"Willst du etwa einfach so aufhören? Ich hätte mehr Courage von dir erwartet, Fred."
Der Zombie blieb kurz still bevor er fragte:
"Woher kennst du meinen Spitznamen?"
"Irgendjemand hat ihn auf der Beerdigung erwähnt. Und du willst also nicht jedem zeigen, dass du es als Ermittler drauf hast? Mir, Igor und all deinen Freunden. Du willst einfach so aufgeben? Wie ein Feigling?"
Kolumbini zögerte und schien heftigst zu überlegen.
"Es gibt da sowieso ein Problem. Der Zauber könnte aufhören zu wirken, wenn ich den MANTEL ausziehe."
"Dunkelkrähe meinte, dass du nur etwas Magisches bräuchtest."
"Mein Glasauge", dachte der halbe Brindisianer laut nach.
"Genau. Igor hatte mir davon erzählt und vorhin ist es mir wieder eingefallen."
"Also gut. Ich mache mit. Aber es gibt da noch ein Problem."
"Das da wäre?"
"Ich kann nicht tanzen."
"Wir haben noch genug Zeit. Aber probier zuerst die Sachen an."
Einige Minuten später stand Kolumbini in einem makellosen weißen Anzug mit weißer Hose, weißen Schuhen, weißen Socken und einem weißen geflochtenem Hut, der von einem schwarzen Stoffband komplettiert wurde, vor der Detektivin.
Wenn der MANTEL über der Kleidung nicht gewesen wäre, so hätte der zwangsbeurlaubte Wächter gar nicht mehr wie ein brindisianischer Comorra-Boss aussehen können. (Die Comorra war eine Verbrecherorganisation in Brindisi, wobei sich ihre Aktivitäten in letzter Zeit nicht mehr nur auf die Insel Sizilanis und die Stadt Navipolis konzentrierte, sondern sie auch einige Agenten in anderen Städten hatte. Man munkelte, dass es sogar in Ankh-Morpork eine derartige Organisation gäbe.)
Es fehlten höchstens die getönten Brillengläser, die Ivonne jedoch auch noch irgendwo hatte.
Dann zeigte Ivy dem offensichtlich aufgeregten Fred einige Tanzschritte.
Nach ungefähr einer halben Stunde hörte er auf ihr ständig auf die Füße zu treten und auch sein Adamsapfel sprang nicht mehr wie ein Pingpong-Ball hin und her.

"Na bitte", sagte Hauptmann Daemon zu der vor ihm stehenden Obergefreiten Hatscha al Nasa. "Passt doch wie angegossen."
Mit letzterem Satz meinte er das Ballkleid, das sie ihr ausgeliehen hatten und das die Obergefreite nun trug.
"Also wer bist du?" fragte der Offizier.
"Die Gräfin de Nasa, Sir" antwortete die Wächterin pflichtbewusst.
"Und wo kommst du her?"
"Wollen Sie noch einmal alles durchgehen, Sir?"
"Natürlich, Hatscha. Wenn man versucht, sich in die Assassinengilde einzuschleichen, kann man gar nicht vorsichtig genug sein."

"So, der Herr. Hier ist ihr gewünschtes Silber."
Es klimperten einige Münzen und der Händler bekam große Augen, in denen Habgier aufleuchtete wie ein Zigarettenstummel in einer Fabrik für Feuerwerkskörper.
"Danke fehr", verabschiedete sich Igor und humpelte mit einem großen Sack voll Silber nach Draußen, wo David Dunkelkrähe bereits am Wagen wartete.
Der bucklige Diener lud das Silber auf und stieg zu dem Zauberer auf den Kutschbock.
"Denken Sie, dass wir jetzt genug Silber haben, Herr Igor?"
"If hoffe ef. Erftenf habe if nift mehr fehr viel Geld und fweitenf fallen mir nift mehr fehr viele Händler ein, von denen wir die gefamten Filberbeftände aufkaufen können."

Die Assassinengilde war schon ein wirklich beeindruckendes Gebäude, fand Inspäctor "Fred" Kolumbini, als er zusammen mit seiner Cousine langsam durch die Tore schritt.
Ivonne zeigte Stippler ihre Karten und der Pförtner wollte glücklicherweise keinen Blick auf den in weiß gekleideten Mann werfen, den er andernfalls sicher erkannt hätte.
Danach gingen beide durch die mächtige Doppeltür in die Empfangshalle der Gilde. Dort warteten bereits mehrere Diener, von denen einer auf die beiden Mitglieder der Familie Kolumbini zuschritt und sie freundlich fragte, ob er ihre Mäntel abnehmen solle.
Die beiden fein gekleideten Kriminalisten gaben die geforderten Kleidungsstücke ab und lenkten ihre Schritte in Richtung Große Schule, dem ehemals einzigen Klassenzimmer der Gilde, wo der Ball stattfinden sollte.
Auf dem Weg dorthin bemerkte Inspäctor eine Art Brett, an dem mehrere Zettel angeheftet waren. Das Holz war schwarz lackiert und die Zettel waren anscheinend Karteikarten. Zumindest zum größten Teil. Ein größeres Blatt stach förmlich ins Auge.
Es stand darauf geschrieben: "Nachruf für unseren Bruder Schwarzlich. Er verstarb am gestrigen Tage durch den Sturz von einer Mauer. Er wird uns immer in Erinnerung bleiben"
Als Kolumbini das Datum erblickte wurde ihm sofort klar, dass es sich nur um den Assassinen in der Gasse handeln konnte. Weiter unten stand sogar noch, wo die Leiche gefunden worden war und, dass der richtige Ort angegeben war, gab dem zwangsbeurlaubten Ermittler noch mehr Sicherheit.
"Also, Fred, denk daran, dass wir zwei brindisianische Adelige mit dem Namen de Vasconcella sind. Graf und Gräfin de Vasconcella. Ich habe etwas Kleidung zum wechseln in meiner Turnüre und auf dem Abort versteckt. Wenn wir etwas getanzt und mit einigen Leuten geredet haben gehen wir im Abstand von 15 Minuten nacheinander auf die Toilette, kriechen durch die von mir gesägten Löcher aus dem Abort hinaus und schleichen uns in den zweiten Stock zum Archiv. Danach kehren wir zum Abort zurück, ziehen uns wieder um und mischen uns wieder unter die Leute. Das alles darf auf keinen Fall länger als eine halbe Stunde dauern, denn Herr Dunkelkrähe hat gestern noch berechnet, dass du mit dem Glasauge höchstens 4 Stunden am Leben bleiben kannst. Alles klar?" flüsterte Ivonne auf dem Weg zum Saal.
"Si, Gräfin de Vasconcella", antwortete Kolumbini.
Sie hatten die gesuchte Pforte zur Großen Schule erreicht, sahen sich dort aber mit einem Problem konfrontiert, das sie nicht erwartet hatten.
An der Eingangstür standen Kontrolleure, die sämtliche Gäste nach Waffen untersuchten.
Inspäctor lies die Untersuchung ohne zu meckern über sich ergehen, blickte jedoch finster drein.
Als die Abtaster, einer von ihnen war groß und kräftig gebaut und der andere war nur minder kleiner und sah genauso aus, jedoch versuchten Ivonne zu kontrollieren und ihre Turnüre anzuschauen, bekamen sie einen sanften Klaps mit ihrer Handtasche.
"No, seniore. No, nichte diese Teile."
"Ist ja schon gut säniorieta!" sagte der größere.
"Aber ihre Handtasche möchten wir gerne sehen", warf der kleinere ein.
"No."
"Oh, si. Zeigen Sie sie her."
"Wenne Sie darauf bestehen. Suckene Sie."
Die Wachmänner durchsuchten die Handtasche, fanden jedoch nichts Verdächtiges.
"Sie können durchgehen", lies sie der kleinere passieren.
Als die beiden "brindisianischen Adligen" einige Schritte im Raum waren fragte Kolumbini, wo Ivonne, die Waffen versteckt habe, von denen sie vorhin gesprochen habe.
Die Cousine lächelte und ihre Augen deuteten hinter sie.
"Die Turnüre? Was passt denn da rein?"
"Ein Ziegelstein", erklärte die Detektivin und lenkte ihre Schritte zu zwei Männern, die etwas abseits der restlichen Ballgäste standen.
Letzteren galt Freds momentane Aufmerksamkeit.
Der zwangsbeurlaubte Wächter konnte sich nicht erinnern jemals so viel Schwarz gesehen zu haben.
Nicht nur der Großteil der Gäste war in dieser Farbe gekleidet sondern auch die Stoffe, mit denen das äußert hohe Dachgebälk und der Kronleuchter verziert worden waren, hatten die Färbung einer sternen- und mondlosen Nacht.
Wie diese Sachen angebracht worden waren, wagte der Zombie nicht einmal zu denken, denn es hieß, dass selbst die besten Kletterer Schwierigkeiten hatten, dass Gebälk der Großen Schule zu erreichen und nur den Besten der Besten war es möglich gewesen, dort oben ihre Namen einzuritzen.
Die zwei Personen, zu denen sie gerade gingen stachen aus der Menge heraus, wie Papageien in einem Hühnerstall. Einer von ihnen trug eine äußerst geschmacklose rote Weste, eine schwarze Hose sowie einen Hut in dessen Band ein Zettel mit dem Wort "Presse" geklemmt war.
Der andere trug eine schwarze Weste mit vielen Taschen, war ansonsten in vollkommenes Schwarz gehüllt und stand bei einem Dreibein, auf dem ein Ikonograph ruhte. Die bleiche Hautfarbe lies sofort erkennen, dass die Person entweder nicht gesund war, oder untot.
"Ah, scusi, senior Reporter", grüßte Ivonne den Mann mit der roten Weste. "Konnen Sie mir unde meinem Begleiter bei eine kleine Probleme behilflich sein?"
"Sicherlich, seniorita. Wie war Ihr Name noch gleich?"
"Iche bin die Gräfin de Vasconcella und das ist mein Gemahl", stellte sich die "brindisianische Dame" vor.
"Si", nickte Inspäctor mit grimmigem Gesicht und verstellte seine Stimme so, dass sie kratzend und tief klang.
"Mein Name", gab der Reporter als Auskunft, "ist Walter Krummbach und dies hier ist mein Kollege."
"Guten Tag! Mein Name ist Otto Chrriek und ich frreue mich eurre Bekanntschaft zu machen, seniorrita!"
"Oh, eine Vampire, si?"
"Oh, die Leute chörren meinen Ieberrwaldianischen Dialekt und glauben soforrt, dass ich ein Vampirr bin."
"Oh, Sie sinde also keine Vampire?"
"Nun zufälligerrweise bin ich ein Vampirr, aberr ich chabe ieberrhaupt nichts mehr damit zu tun, das verrsichere ich euch. Entschuldigt mich, aberr ich möchte ein Foto von dem Ballsaal machen."
Otto Chriek drehte sich zu den Ballgästen um, holte einige Salamander aus einem Glas, lugte durch das Guckloch des Apparates und betätigte einen Schalter, der den Salamandern einen kleinen Hammer auf den Kopf schlug und sie somit erschreckte, damit das in ihnen gespeicherte Licht freigesetzt wurde.
Der Blitz zuckte durch den Saal und nach einem kurzen Schrei und einem "Puff" lag dort, wo eben noch der Vampir stand ein Häufchen Asche.
Es kehrte kurz Stille in den Saal ein, bevor die Adligen weiterredeten.
"Äh, entschuldigt mich, aber irgendwo in diesem Haufen muss eine Flasche von "Notfall B-Worrt" stecken."
"Walter, jetzt können wir kurz normal reden," sprach Ivonne mit ihrer gewöhnlichen Stimme.
"Ihr kennt euch?" fragte der "Graf de Vasconcella" erstaunt.
"Ja, Fred. Er ist derjenige, der uns die Karten besorgt hat."
"Vielen Dank, Herr Krummbach. Könnte ich Sie um einen Gefallen bitten?"
"Was denn n..."der Reporter stoppte, als ihm Ivy auf den Fuß trat. "Natürlich. Was gibt es denn?"
"Könnten Sie sich bitte umhören, ob jemand etwas über den Assassinen Schwarzlich weiß, oder über die Ereignisse, die vor drei oder vier Tagen geschehen sind?"
"In Ordnung, Herr Kolumbini. Ich horche mal rum. Aber jetzt muss ich mich erst mal um Otto kümmern."
"Grazie, senior", sagten beide "Adligen" und mischten sich unter die Gäste.
Sie unterhielten sich auf Brindisianisch miteinander und bald kam ein Herr mit weißem Haar und feinster schwarzer Abendgarderobe auf sie zu.
"Guten Abend, werte Dame, werter Herr. Ich bin Lord Witwenmacher, der Leiter dieser Institution und ich möchte Sie hier im Namen der Gilde willkommen heißen. Es freut mich ihre Bekanntschaft zu machen", grüßte der Chefassassine die beiden "Brindisianer" und gab Ivonne einen Handkuss.
"Ah, buon journo, senior Witewenmacher. Wenne iche uns vorestelle darf. Dies iste mein Gemahl der Graf de Vasconcella."
"Welch ein Zufall, seniora, dass wir hier noch eine brindisianische Adlige heute Abend hier haben."
Er ging kurz weg und kam kurz darauf mit einer Dame im Arm wieder. Sie trug ein purpurnes Ballkleid.
"Bonn tschourno, sie sinde Graf und Gräfin Vasconcella?" fragte die Dame.
"Si", antwortete Kolumbini mit seiner Kratzstimme.
"Das ist die Gräfin de Nasa", stellte Witwenmacher die Frau vor.
Als sie Inspäctor ansah meinte sie, ihn irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Fred erging es da nicht anders.
"Die Damen, der Herr ich würde gerne...", begann der Oberassassine, wurde jedoch von einem Diener unterbrochen, der ihm etwas zuflüsterte.
Kolumbini versuchte zu horchen, aber es gelang ihm nur das Wort "Eindringling" zu verstehen.
"Entschuldigen Sie mich, aber ich muss einigen wichtigen Angelegenheiten auf den Grund gehen", verabschiedete sich der Gildenchef von der kleinen Gruppe aus angeblichen Adligen.
Bald entfernte sich die "Gräfin de Nasa" und Ivonne und Inspäctor beschlossen noch eine halbe Stunde zu warten, bevor sie den Plan durchführen würden.
Die Ordnung der einzelnen Menschentrauben war wohl eher zufällig gewesen, denn wie der Zombie bemerkte, hatten einige Herren ein so gezwungenes Lächeln, dass sie nur neben jemandem stehen konnten, den sie nicht mochten und dennoch höflich zu ihm sein mussten.
Intrigant und heuchlerisch zu sein war sozusagen eine Voraussetzung für den Adelsstatus.
"Ivonne", flüsterte der zwangsbeurlaubte Wächter seiner Begleiterin zu.
"Was iste denn?"
"Witewenmacher hate von irgendeeine Eindringling gesproken und außerdeme bine ich mire sicher, dass die Gräfin de Nasa keine Gräfin ist und dass ich sie irgendewo schon einemal gesehen habe."
"Nun, ja. Bald führen wir unseren Plan durch. Wir sollten die Zeit, in der wir nacheinander den Abort aufsuchen um fünf Minuten verkürzen."
Dann ging die "brindisianische Dame" langsam in Richtung Toilette.
Nach zehn Minuten beschloss Kolumbini einen nahe bei ihm stehenden Mann nach dem Weg zu fragen.
"Äh, scusi, senior?"
Als sich der Mann umdrehte, wurde Kolumbini klar, wen er da gerade angesprochen hatte.
Der zwangsbeurlaubte Ermittler kannte das Gesicht des Mannes nur allzu gut. Er sah es immerhin jeden Tag auf Münzen und Geldscheinen.
"Ja? Was kann ich für Sie tun, Herr Vasconcella?" fragte Lord Vetinari, der Herrscher der Stadt Ankh-Morpork.
"Ah, senior Vetinari. Wels Ehre Sie zu äh wie sagene sie, erschießen? ah si treffen. Iche wollte Sie nure fragen, ob Sie wissen Wege zu nächste Abort."
"Natürlich", antwortete Vetinari und beschrieb den Weg in perfektem Brindisianisch.
"Grazie, grazie."
Der Patrizier drehte sich wieder zu seinem Sekretär Rufus Drumknott und dem restlichen Teil der kleinen Gruppe, die sich um ihn versammelt hatte um.

"Das war einfacher, als ich dachte", meinte Kolumbini, als er und seine Cousine den zweiten Stock der Gilde erreicht hatten. Beide trugen inzwischen schwarze Kleidung, um nicht zu sehr aufzufallen, falls sie jemand sehen sollte.
"Das glaubst auch nur du. Wenn ich nicht Pläne mit sämtlichen Fallen und anderen Apparaturen hätte, wären wir schon längst schwer verletzt."
"Schwer verletzt?"
"Ja, die tödlichen Fallen gibt es erst ab dem Archiv."
"Das war ein Scherz, oder?"
"Natürlich. Sieh nur, wie ich lache."
"Oh. Und woher hast du diese Pläne?" hakte der zwangsbeurlaubte Wächter skeptisch nach.
"Ich hatte mal einen Fall, der mit den Assassinen zu tun hatte und...ja gut ich hab sie nicht selbst besorgt, sondern ein Freund in der Gilde hatte das für mich getan."
"Du hast viele Freunde, wie?"
"Ja. Warum auch nicht? Es ist ja nichts Schlimmes dabei, oder?"
"Natürlich nicht."
Kolumbini war froh, dass die private Ermittlerin sein hämisches Grinsen in der Dunkelheit nicht bemerkte.
Fackeln waren nur alle fünfhundert Meter angebracht worden und sie reichten nur aus um die Dunkelheit in ein unheimliches Zwielicht zu verwandeln.
"Du wartest hier, Schätzchen", meinte Ivy und schritt weiter nach vorne.
Und so blieb Fred alleine in dem unheimlichen Gang zurück. Die Fackeln nahe bei dem Zombie flackerten kurz, bevor sie ganz ausgingen. Anscheinend hatte da jemand ein Fenster nicht geschlossen.
Wenn es dem Zombie möglich gewesen wäre, so wäre in dem Augenblick, in dem er die Schritte auf dem Gang hörte das Herz stehen geblieben.
Er presste sich ganz nah gegen die Wand, in die schützende Dunkelheit und hörte langsam, wie das Tapp-tapp von Schuhen immer näher kam.
Eine Flucht nach vorne oder hinten war unmöglich, denn die Fallen, die seine Cousine erwähnt hatte, hätten ihn schneller in kleine Scheiben geschnitten, als er "Igor" rufen konnte.
Als die Schritte direkt vor dem Zombie verharrten machte selbiger zum ersten Mal von der Fähigkeit Gebrauch, nicht mehr atmen zu müssen.
Doch genau in diesem Moment verabschiedete sich eine Fingerkuppe von Kolumbinis rechter Hand. Sie knallte auf den Boden und verursachte in der Stille ein merkwürdig lautes Geräusch.
Dann traf ihn ein heller Lichtschein, der offensichtlich von einer Laterne mit Klappe stammen musste, die der Fremde bei sich gehabt hatte.
"Was für eine Über...äh Uber...ach zum Teufel damit! Was machst du hier, Graf?"
"Ah. Die Gräfin de Nasa. Iche wusste, dass due biste keine echte Gräfin. Du nichte haste diese Akzent gut hinbekommen."
"Du bist Kolumbini! Ich wusste, dass ich dich kenne."
"Hatscha al Nasa, nicht wahr?"
"Ja. Was machst du hier? Du hast kein Recht dich hier einzuschleichen, du bist..." Sie konnte den Satz nicht zu Ende führen, da ihr jemand etwas mit voller Wucht auf den Kopf schlug und sie langsam zu Boden sackte.
Fred fing die Wächterin noch rechtzeitig auf, damit sie keine lauten Geräusche verursachte.
Hinter der Bewusstlosen stand Ivonne und schwang lässig ihre Handtasche.
"Ein Ziegelstein ist eben doch ganz nützlich, oder?"
"Bist du Irre? Das war...ist eine Wächterin."
"Umso besser, dass sie dich vorerst nicht mehr verpfeifen kann, oder? Lass sie uns in den Besenschrank dort drüben schaffen, damit man sie nicht sofort findet."
Nachdem sie die ohnmächtige Nasa im Wandschrank eingesperrt hatten, sagte die Detektivin, dass sie den Weg ins Archiv nun geebnet hätte.
Als sie vor der Tür standen merkte Kolumbini, was die private Ermittlerin damit meinte. Zwei größere, stämmige Assassinen lagen bewusstlos auf dem Boden.
"Also, Fred, du hast zehn Minuten Zeit, dich da drinnen umzusehen. Besser, du schaffst es in fünf. Wir müssen so schnell wie möglich zum Ball zurück."
Der zwangsbeurlaubte Ermittler trat ins Archiv und blickte sich um.
Der gesamte Raum war mit Aktenschränken zugestellt. Ein kleiner Gang führte durch die einzelnen Abteilungen und für die höheren Schubladen gab es sogar eine Leiter. Hier waren angeblich alle Inhumierungen von der Gründung der Gilde an notiert.
Freds schnelle Schritte hallten durch den großen Raum, als er sich zielstrebig den Schubladen der Abteilung "N" näherte.
Er öffnete die Schublade mit den entsprechenden Buchstabenanfängen und durchsuchte sie rasch.
Alle Karteikarten, das fiel Inspäctor sofort auf, waren fein säuberlich und ohne irgendwelche Kleckse, oder gar verschmierte Tinte geschrieben.
Die Karte von Frau Nimmerfroh bildete da eine Ausnahme. Sie war in einer krakeligen Schrift verfasst und die Tinte war stark verwischt, als hätte jemand diese Nachricht unter höchster Anstrengung geschrieben.
Man konnte nicht mehr erkennen, wie hoch das Honorar war, aber der Rest ließ sich gut erkennen.
Zeitpunkt wann der Auftrag angegeben wurde
Auftraggeber
zu Inhumierender/de
Auftrag ausgeführt von
am
um Uhr
Kolumbini schrieb folgendes auf seinen Notizblock:
Auftraggeber: Herr Hans Nimmerfroh
Auftrag erledigt von Bruder Schwarzlich
...
Der Assassine, der tot in der Gasse aufgefunden worden war, stimmte also mit dem Mörder von Frau Nimmerfroh überein.
Inspäctor dachte an den Mann auf dem Dach und überlegte, dass dieser vielleicht etwas mit der Gilde zu tun haben könnte.
Er untersuchte vorsichtshalber das Fach "K" und fand, was er suchte.
Eine verschmierte und krakelig geschriebene Karteikarte, die ihn betraf.
Ein großer, roter Stempelabdruck, der das Wort "annulliert" verkündete prangte über der Karte und verdeckte leider den Auftraggeber bis auf den Anfangsbuchstaben.
es war ein V.
Dieser Auftrag war ebenfalls von dem Assassinen Rogler Schwarzlich angenommen worden, bevor er annulliert wurde.
"Mach hin, Fred", rief Ivonne von draußen herein.
So langsam kommt Licht ins Dunkle, dachte Inspäctor bei sich, schrieb einige Notizen auf seinen Block und öffnete wahllos zwei andere Schubladen, um dort schnell die Karteikärtchen zu durchblättern und dann hinauszurennen.
Als er draußen bei Ivonne war, merkte der halbe Brindisianer, warum seine Cousine zur Eile gerufen hatte. Leiser, aber immer lauter werdend hörten sie Schritte im Gang.
Sie schlichen los und als die Person, die den Gang hinaufkam schneller zu gehen begann, rannten sie los.
Ihre Flucht wurde von einer Wand, in der sich ein einladendes Fenster befand gestoppt.
Als die Detektivin nach unten blickte bemerkte sie einen Eselskarren, an den ein Pferd gespannt war. Das Heu, mit dem er beladen war, ließ eine Idee in ihr reifen.
"Toll!", äußerte sich Kolumbini sarkastisch. "Ein toller Fluchtplan, den du da hast."
Inzwischen hatte der Verfolger zu rennen begonnen und war schon dicht auf. Die Schritte hörten kurz auf, als er die beiden bewusstlosen Assassinen entdeckte und sie aufweckte.
"Sei still und spring", forderte Ivonne ihren Cousin auf.
"Bitte? Ich soll da runter springen?"
"Du kannst doch sowieso nicht mehr an dem Sturz sterben."
Dieses Argument verfehlte seine Wirkung nicht und Kolumbini sprang, dicht gefolgt von seiner Cousine aus dem Fenster.
Gerade, als beide aus dem Fenster gesprungen waren, erreichten ihre Verfolger das Ende des Ganges.
Die Landung im Stroh war nicht so weich, wie die beiden Kriminalisten es erwartet hatten, aber sie hatten sich keine Verletzungen zugezogen.
Leider scheute jedoch das Pferd auf, als etwas auf seinen Wagen knallte und es galoppierte, zusammen mit dem Wagen in die Nacht.
Ivonne nahm ihre Handtasche und schlug damit auf die hölzerne Verbindung ein, die zerbarst und das Pferd in seinem Galopp alleine ließ.
Der Rest des Karrens rollte gegen eine Wand und sowohl Räder, als auch Achsen brachen.
Die beiden Mitglieder der Familie Kolumbini krochen aus dem Stroh, klopften sich ab und schlichen wieder zum Abort.

Nachdem sie sich umgezogen, bei der Menschenmasse vor dem Abort entschuldigt hatten und wieder in den Ballsaal gegangen waren, blickte Kolumbini auf die Uhr und stellte fest, dass die gesamte Aktion gerade mal eine halbe Stunde in Anspruch genommen hatte.
Lord Witwenmacher kam auf die beiden "Adligen" zu und verbeugte sich vor ihnen.
"Aber mein Herr und meine Dame, wo waren sie denn die ganze Zeit?"
"Verestopfung", erklärte Ivonne.
"Si", stimmte der "Graf de Vasconcella" zu.
Witwenmacher bedachte die beiden mit einem sehr skeptischen Blick und wollte gerade etwas sagen, als er wiederum von einem der unteren Schüler, die am heutigen Abend als Diener fungierten, unterbrochen wurde.
"Was?" fragte er nach der Erklärung ungläubig. "Gefasst? Entschuldigen Sie mich erneut. Es gibt wichtige Angelegenheiten, die meine Anwesenheit erfordern."
"Ich mochte nikte in Nasas Haut stecken, wenn sie sie finden. Möglikerweise verzichten sie auf eine Anklage, aber wer weiß..."
"Wir solltene besser von hiere..."
"Verschwinden?"
"Verpiss dich, Walter, du schleimiger Kriecher", gab Ivonne dem Reporter, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte, als schroffe Antwort.
"Woher du diese ganzen Sachen über mich weißt, Ivy...Ich habe was über diesen Schwarzlich rausgefunden. Mein Bericht ist so gut wie fertig, wir können also gehen."
"Zu mir?" fragte Kolumbini.
Die beiden anderen nickten.

"Keine schlechte Hütte", meinte Walter Krummbach, als die Dreiergruppe in die Villa im Bachlosen Weg 12 eintrat.
"Hütte?" fragte Inspäctor empört. "Das hier ist mein Haus."
"Ist ja schon gut, Herr Schnüffler. Wollt ihr nun wissen, was ich rausgefunden habe, oder nicht?"
"Natürlich wollen wir das, Herr Krummbach. Also was gibt's neues?"
"Nicht viel. Ich habe herausgefunden, dass am selben Tag wie dieser Schwarzlich tot aufgefunden wurde ein anderer Assassine aus der Gilde geschmissen wurde."
"Wer?" fragte Ivonne aufgeregt.
"Ist ja schon gut, Ivy. Ich hab bei einem Gespräch von ein paar Mitgliedern der Meuchler gelauscht und den Namen des Typen habe ich leider nicht verstanden. Dafür aber, dass er im Archiv tätig war und wohl einige Aufträge durcheinandergebracht hat und deshalb rausgeschmissen wurde. Einer von den Typen meinte, es sei aufgrund seiner Krankheit, die er an dem Tag gehabt habe verständlich. Anscheinend sind an diesem speziellen Tag nur zwei Aufträge eingetragen und ein anderer meinte, unter diesen Umständen sei es überhaupt nicht verständlich, warum er das durcheinandergebracht habe. Selbst wenn er krank gewesen wäre.
Danach haben sie mich wohl bemerkt, denn sie führten ihre Diskussion leiser fort."
"Das ist gut. Es bestätigt meine Theorie. Danke, Herr Krummbach", äußerte sich Kolumbini nachdenklich. "Sie haben uns wirklich sehr geholfen. Sie können dann gehen."
Der Reporter zuckte mit den Schultern, meinte, er müsse nun sowieso Heim und seinen Bericht schreiben und verließ das Haus.
"Du hast eine Theorie, Fred?"
"Ja, aber lass uns ins Wohnzimmer gehen und uns setzen."
Nachdem beide auf dem Sofa Platz genommen hatten begann Inspäctor seine Erklärung.
"Zunächst einmal gibt es da eine Person X, deren Identität ich nicht feststellen kann, da mir Anhaltspunkte fehlen. Diese Person X bezahlte die Assassinen, dass sie mich umbringen. Am selben Tag gab Herr Nimmerfroh die Inhumierung seiner Frau in Arbeit, damit er das Haus, das er bei ihrem Tod erben würde als zusätzlichen Platz für seine Erfindungen nutzen könnte. Ob er getrunken hat und dadurch auf diese absurde Idee kam weiß ich nicht. Als Nimmerfroh sich anders entschied und den Auftrag annullierte passierte der entscheidende Fehler. Der Archivar der Gilde vertauschte, vermutlich aufgrund seiner Krankheit die Karteikärtchen und nahm nicht die Karte von Frau Nimmerfroh, sondern meine vom "schwarzen Brett". Als Person X davon erfuhr, beschloss er..."
"Oder sie."
"Ja oder sie, denn das Geschlecht von X kenne ich nicht. Er oder sie schob die Schuld Ronald Schwarzlich zu und brachte ihn um; vermutlich auf dieselbe Weise, wie er..."
"...oder sie..."
"...mich umbringen wollte. Danach beschloss Mr. ..."
"...oder Mrs. ..."
"...X mich verfolgen zu lassen und später umzubringen. Der Verfolger war ein Kerl in einem dunkelgrünen Kapuzenmantel, der auch in das Haus von Frau Nimmerfroh einbrach, um zu sehen, ob ich noch dort sei. Außerdem hat dieser Kerl die Quittung von Schwarzlich vermutlich gestohlen...er kann also nicht sehr helle sein, denn dadurch hat man ja erst den Fall bearbeitet. Nachdem mich Mr. oder Mrs. X versucht hatte umzubringen verließ er oder sie anscheinend Ankh-Morpork, denn ansonsten hätte ich schon längst einen weiteren Anschlag am Hals."
So schloss der zwangsbeurlaubte Ermittler seine Erzählung.
"Das ist schon recht gut, aber ohne Walter wärst du ziemlich aufgeschmissen gewesen, oder?"
"Oh nein, nicht wirklich. Herr Krummbach bestätigte nur meine Theorie. Im Archiv ist mir nämlich eine Sache aufgefallen. Sämtliche Karteikarten, die ich sah, waren fein säuberlich geschrieben und nur meine und die von Frau Nimmerfroh waren unsauber."
"Ja, aber das könnte auch an einem schlechten Federkiel liegen, oder so."
"Die Assassinen? Einen minderwertigen Federkiel? Wohl kaum. Selbst wenn die Geschäfte nicht so gut liefen, hatten sie mit Sicherheit genug Geld, um sich gute Schreibutensilien zu kaufen. Nein es muss am Schreiber gelegen haben. Entweder war es ein Neuer, oder er stand unter Druck. Und durch eine Krankheit, könnte man sicher so geschwächt sein, dass man zwar zur Arbeit gehen, aber diese nicht befriedigend ausführen kann."
"Und das ist deine Theorie?"
"Im großen und ganzen, ja. Die verschmierte Tinte kommt, schätze ich vom Niesen."
"Du bist wirklich ein sehr guter Detektiv."
"Und ab morgen bin ich ein sehr toter Detektiv. Wenigstens habe ich meinen MANTEL wieder. Und den gebe ich nicht mehr weg. Jedenfalls nicht heute und auch nicht morgen. Was danach kommen wird weiß ich nicht."
"Geh besser zu Bett."
"Selbst die Toten brauchen etwas ruhe, eh?"
Der zwangsbeurlaubte Wächter beließ es dabei und ging die Treppen hinauf.
an einer Stelle duckte er sich und wartete ein dumpfes Pochen ab.

Kapitel 4: Tot macht erfinderisch

Am selben Abend standen Igor und David Dunkelkrähe vor ihrem Werk.
"Wir haben ef tatfäflif gefaft, Herr Dunkelkrähe", rief der Diener begeistert aus.
"Ja...Das war wirklich eine seltsame Woche. Erst dieser komische Fremde, dann Ihr Herr und nun...dies."
"Feltfamer Fremder?"
"Ich habe diese Woche eine Erfindung abgeschlossen, eine Art Reisesystem und gerade, als ich fertig war, kam dieser Fremde in der schwarzen Robe in meinen Laden. Er sprach mit überwaldianischem Akzent und hatte eine leicht kratzige Stimme. Er wusste irgendwie von meinem Reisesystem und wollte es als erster ausprobieren. Ich habe ihn in einen Ort nach Überwald geschickt, aber etwas ging schief. Er dürfte zwar dort angekommen sein, aber nicht direkt."
"If glaube, da haben Fie fif einen mäftigen Feind gemacht, Herr Dunkelkrähe. Aber daf erkläre if ihnen fpäter."
"Bitte?"
"Ef ift nift fo wiftig. If erkläre ef Ihnen morgen oder übermorgen. Fie follten etwaf flafen. Mein Bett fteht fwei Räume weiter."
"Und was machen Sie?"
"If gehe auff' Dach und rifte die Antennen auf. Wollen wir hoffen, daff ihr Wetterdingfbumf Reft hatte."

Die Nacht verging wie eine Welke Blume und machte der strahlenden Pracht des Tages Platz.
Nun vermutlich gab es irgendwo eine strahlende Pracht des Tages. Vermutlich lag dieses irgendwo weit weg von Ankh-Morpork.
Doch es gab noch etwas, das den Tag nicht gerade prachtvoll erscheinen ließ. Eine riesige Gewitterfront zog langsam über die Ebene und in den finsteren Wolken blitzte es hin und wieder auf.
Langsam aber sicher zogen die Wolken nach Ankh-Morpork.

Inspäctor "Fred" Kolumbini saß wieder einmal im Wohnzimmer seiner Villa auf dem Sofa, als Ivonne den Raum betrat und ihn begrüßte.
Sie schwiegen, denn zu sagen gab es nichts und für "small talk" war dieser Tag einfach zu groß. Dann kam Igor freudestrahlend in den Raum.
"Guten Tag, Herr. If habe gute Nachriften."
"Wie kann es an dem heutigen Tage gute Nachrichten geben, Igor?" fragte der Zombie betrübt. "Es ist mein letzter Tag auf Scheiben."
"Oh, daf muff nift fein."
"Was?" rief Inspäctor aus.
"Komm mit herunter. Madame Ivonne kann mitkommen, wenn fie möfte."
Plötzlich donnerte es in nicht allzu weiter Ferne und Ivonne und Fred zuckten zusammen.
Der Bucklige hingegen lächelte wie ein kleines Kind (vorausgesetzt das kleine Kind war in einen schweren Autounfall verstrickt gewesen) und humpelte in Richtung Keller.
Die beiden Schnüffler folgten, trugen jedoch verwunderte Blicke zur Schau.
Die Tür zum Keller wurde mit einem grausam klingenden Quietschen geöffnet und Igor ging vor in die Dunkelheit dahinter.
Im Treppenhaus waren Fackeln angebracht worden und sämtliche zur Verfügung stehenden Dekorationsmittel schienen Spinnweben und Staub gewesen zu sein.
Kolumbini hatte Igor erlaubt, dass er seinen Keller so gestaltete, wie er es wollte, vorausgesetzt, der Diener würde auf die Spinnweben im gesamten Haus verzichten.
Im Gang, von dem drei Türen ausgingen setzte sich das düstere Ambiente fort und schließlich öffnete der Bucklige die dritte der Pforten, die ebenfalls furchterregend knarrte.
Die kleine Gruppe schritt hindurch und sehr bald bemerkte Ivonne, dass es sich bei dem dahinterliegenden Raum um ein Labor handelte.
Die Wände waren mit Tischen zugestellt, auf denen mehrere Chemikalien in Glaskolben blubberten, hier und da stand eine mit Nieten versehen Stahlkiste und aus manchen von ihnen kroch Dampf. Wenn Ivy gewusst hätte, dass darin abgehackte Körperteile aus Überwald waren, wäre sie vermutlich sofort hinausgerannt, um sich zu übergeben.
Doch das Hauptaugenmerk der Detektivin galt einem verhüllten Gegenstand in der Mitte des Raumes. Mehrere Kabel und Drähte gingen zu diesem hin und schienen vom Dach zu kommen, dass über eine Leiter mit diesem Keller verbunden war.
David Dunkelkrähe stand bei dem Gegenstand und schien das weiße Tuch zu bewachen.
Igor ging zu dem ominösen Ding und zog den Stoff mit einem Ruck zur Seite.
"If präfentiere euf...den Revitalifator!"
Als er das letzte Wort ausgesprochen hatte erschallte ein Donnerschlag und zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich wie zu Hause.
"Was...?" fragte Kolumbini erstaunt.
"Es ist wirklich sehr schön", meinte Ivonne.
Was da so beeindruckend war, war ein Stuhl aus purem Silber, der mehr Verschnörkelungen und Verzierungen aufwies, als eine königliche Einladung.
Neben dem "Silberstuhl" stand ein Kasten mit mehreren Anzeigetafeln und Messapparaten.
"Daf hier ift die letfte Erfindung deinef Vaterf, Herr. Die erfte Verfion wief einen gravierenden Fehler auf, den if aufgemerft habe. Er funktfioniert jetft fiferlif Einwandfrei."
"Nein, Igor. Nein, nein und nochmals nein. Nie und nimmer steig ich auf diesen Höllenstuhl. Er könnte mich verkohlen."
"Fo...und waf würde daf ändern? Tot bift du fo oder fo...if wollte ihn nie wieder bauen, aber da dein Leben gefährdet ift, habe if mif umentfieden. Du haft niftf fu verlieren und auferdem wird er funktfionieren, denn if habe, wie gefagt, den damaligen Fehler befeitigt."
"Not macht erfinderisch, wie?", meinte Fred.
"Tot, Herr. Nift Not."
"Also gut, Igor."
Dieser Satz wurde erneut von Donnerschlag untermalt.
"Wie bekommt er Energie?" fragte Kolumbini, aber als der Diener nach oben deutete war alles klar.
"Den MANTEL..."
"...behalte ich an, Igor."
"Äh, es könnte aber, äh, Probleme mit dem morphischen Feld geben, Herr Kolumbini", meldete sich der Zauberer zu Wort.
"Ich lege den MANTEL nicht ab", beharrte der zwangsbeurlaubte Gefreite auf seinem Entschluss.
"Wie du wünft, Herr."
Es folgte erneutes Donnern und diesmal klang es näher als je zuvor.
Kolumbini stieg auf den Revitalisator und Igor legte ihm silberne Fuß- und Handschellen an und setzte ihm eine silberne Kappe auf den Kopf, die über einen Draht mit dem Suhl verbunden war.
Danach hantierte der Diener etwas an den Schalttafeln und wies die anderen an, sich mit ihm auf die Gummimatte zu stellen, die er bereitgelegt hatte.
Sie warteten eine Minute, in der abgesehen von dem tobenden Gewitter draußen angespannte Stille herrschte.
Dann schlug der Blitz ein.

Mehrere tausend Volt rasten durch die silbernen Leitungen und wurden transformiert. Dann raste die Spannung durch die silbernen Leitungen über den silbernen Stuhl in den ganz und gar nicht silbernen Kolumbini.
Fred spürte, wie er zuckte und dann glitt er in das tiefe, schwarze Loch der Bewusstlosigkeit.

Als er erwachte, fand sich Inspäctor auf dem gleichen schwarzen Sand liegend wieder, den er schon einmal gesehen hatte.
Er war wieder in der Welt zwischen den Welten.
Seine Beine brachten ihn in eine aufrechte Position und er blickte sich nach dem hellen Licht um.
Er fand es nicht.
"Hallo?" rief er in die Unendlichkeit der schwarzen Wüste. "Bin ich den ganz allein an diesem Ort?"
Es kam keine Antwort, zumindest nicht sofort.
ICH BIN BEI DIR, HERR KOLUMBINI.
Die Worte erschienen sofort in Freds Kopf und er erkannte dies sofort.
"Ah, du bist es. Ich bin tot, oder?"
Es folgte keine Antwort.
"Du weißt das nicht?"
NEIN.
"Also sterbe ich?"
JA.
"Hm. Werde ich sterben?"
JA.
"Moment. Das war nicht logisch. Du sprichst in Widersprüchen."
NEIN.
"Ah, ich verstehe. Da du ewig lebst stirbt aus deiner Sicht jeder gerade und jeder wird einmal sterben."
JA.
"Du bist keine besonders gesprächige Person, was?"
NEIN.
Es herrschte eine kurze Pause.
"Ich hätte da noch eine Frage..."
Es folgte nur Stille.
"Warum hat mir dein...Kollege damals geholfen?"
Es dauerte eine ganze Weile, bis Tod antwortete.
ER HATTE GERADE IN DER GEGEND ZU TUN UND HATTE WOHL SO ETWAS WIE MITLEID. VERMUTLICH WAR DAS GERADE SEIN HILFSBEREITER TAG. AUSSERDEM WÄREST DU DOCH SOWIESO ENTKOMMEN, HERR KOLUMBINI.
"Ja, das stimmt vermutlich. Aber es muss doch irgendeinen Grund geben, warum er mir half."
VIELEN DINGEN FEHLT ES AN BEGRÜNDUNGEN, HERR KOLUMBINI. AM BESTEN IST ES WOHL, WENN MAN DIE DINGE EINFACH SO NIMMT, WIE SIE KOMMEN.
"Woher weißt du das?"
ICH HABE VIEL MIT MENSCHEN ZU TUN UND ICH KOMME...EIN WENIG HERUM, UM ES MAL SO AUSZUDRÜCKEN. DIE UNBESCHWERTESTEN MENSCHEN, DIE ICH TRAF WAREN ALLESAMT PERSONEN, DIE SICH VON RÜCKSCHLÄGEN NICHT ENTMUTIGEN LIESSEN UND MANCHE SACHEN EINFACH AKZEPTIERTEN, OHNE EINEN SINN HINTER ALLEM ZU SUCHEN.
"Das ist also der Sinn des Lebens?"
VIELLEICHT.
"Das Leben ausleben. So was in der Art? Du sagst mir solche Sachen...also bin ich doch nicht tot und kann zurückkehren, um nach diesen Weisheiten zu leben?"
Keine Antwort.
"Antworte mir! Äh, bitte."
Tod hob seine linke Knochenhand und die Sense, die bis dato darin geruht hatte, blieb in der Luft stehen. Oder was auch immer den Raum in dieser Wüste füllte.
In seiner Hand erschien ein Stundenglas, dessen obere Hälfte vollkommen leer war. Auch der Tod muss sich gewissen Regeln beugen und durch den Revitalisator war eine neue hinzugekommen.
Dann hob der Schnitter die andere Hand und schnippte mit den Fingern, worauf er alle Knochen der Hand ausstreckte.
FÜNF JAHRE, sagte er und schnippte.
Um das Stundenglas herum erschienen blaue Funken und in dem Zeitmesser begann der Sand nach oben zu rieseln bis die obere Hälfte zu einem großen Teil wieder gefüllt war.
Kolumbini verstand und lehnte sich zurück, als ihn ein blendendes Licht umgab und er begleitet von seinem eigenen Pulsschlag im Hintergrund langsam zurück in die Welt der Lebenden glitt.

Als er aufwachte blickte der zwangsbeurlaubte Gefreite in das Gesicht von Igor, der gerade festgestellt hatte, dass das Herz seines Maifterrf wieder schlug.
"Mai....Herr du bift furückgekehrt", umarmte er seinen Dienstherrn, der ebenfalls die Arme um den Buckligen schloss.
Als Fred aufstand ging er zu David Dunkelkrähe und umarmte den Zauberer ebenfalls und bedankte sich tausendfach, wie er es schon bei Igor getan hatte.
Dann ging er zu Ivonne und umarmte sie genauso herzlich wie die beiden anderen.
Zu Inspäctors großer Überraschung küsste seine Cousine ihn auf die Wange. Diese Prozedur wiederholte sie auch bei Igor und David, wobei danach aus dem Zauberer für den gesamten Tag kein Wort mehr herauszubringen war außer "Miep".
"Ihr habt mir das Leben gerettet und dafür werde ich euch ewig dankbar sein", meinte Kolumbini und lud alle in den Pferdestall zum feiern ein.
"Eine fehr gute Idee."
"Ich komme mit."
"Miep!"
"Herr, könnteft du kurf ftehen bleiben?"
"Wieso, Igor?"
"Fieh dif einmal an."
Und da bemerkte Fred erst, dass seine Haut nicht mehr so blass war wie vorher und das seine Haare leicht verkokelt waren. Es gab jedoch noch eine Veränderung. Der MANTEL hatte sich verändert. Das Material aus dem er bestand war nun nicht mehr feines Leder sondern ein hellbeiger Stoff. Der halbe Brindisianer griff in die Innentasche und holte zu seiner Erleichterung sowohl Teekanne, als auch den restlichen Inhalt heraus.
"Daran hat sich also nichts verändert", lächelte er.
Danach ging ein lächelnder Kolumbini durch die Straßen von Ankh-Morpork und wünschte jedem, dem er über den Weg lief einen wunderschönen guten Morgen.
Den restlichen Tag verbrachten Fred, Ivonne, David Dunkelkrähe, Igor, sowie Humbertolini als auch BAM mit ausgelassenem Feiern.
Der Diener war sich sicher, dass sein Herr gealtert war.
"Ach, Igor?" fragte Inspäctor.
"Ja, Herr?"
"Denk daran, dass wir irgendwann fünf Geburtstage nachfeiern, ja?"
"Fiferlif, Herr."

Am nächsten Tag klopfte an die Doppeltür der Villa im Bachlosen Weg 12.
Als Igor die Tür öffnete begrüßte ihn eine lächelnde Myra Schwertschleifer.
"Hallo, Igor. Dürfte ich wohl deinen Herrn sprechen?"
"Was gibt es Myra?"
"Ich soll dir von Oberleutnant Humph sagen, dass du ab morgen Tresendienst hast."
"Oh, was hat ihn denn dazu veranlasst?"
"Wir haben mal Herrn Nimmerfroh überprüft. Er ist ein Trunkenbold und war zu...jenem Zeitpunkt ziemlich betrunken."
"Ich dacht, ihm wäre eine Laus über die Leber gelaufen."
"Nun, wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen wäre, so wäre sie an einer Alkoholvergiftung gestorben. Und Humph meinte, dass von diesem Saufbold keine Anklage ausgehen könne."
"Nun, gut. Ich erscheine morgen. Richte dem Oberleutnant meine besten Grüße aus."

"Was? Alles?" fragte Hauptmann Daemon die vor ihm liegende Obergefreite Hatscha al Nasa.
Er befand sich in der Krankenstation des Wachhauses und Nasa war in Gips eingebettet.
"Ja, Sir. Ich kann mich an gar nichts mehr erinnern, das während der Zeit zwischen dem Ball und meiner Flucht passiert ist."
"Dann können wir den Fall wohl zu den Akten legen. Glücklicherweise bist du noch entkommen. Aber dir bei einem Sprung alle Beine und Arme, sowie einige Rippen zu brechen."
"Was kann ich dafür, wenn der Eselskarren mit dem Stroh entfernt wurde?"

In den Gängen des Wachhauses lag noch immer der kleine Zettel auf dessen Vorderseite die Anweisung des Kommandeurs an den Oberleutnant Humph MeckDwarf stand.
Ein kleiner Windstoß fegte durch das Haus und drehte den Zettel dadurch um.
Auf der anderen Seite stand: BALDERSKI ENTKOMMEN

Am nächsten Tag ging Kolumbini, nachdem er seine Dienstmarke wiedererhalten hatte, aus dem Wachhaus in Richtung Bachloser Weg. Auf der sentimentalen Brücke blieb er stehen und blickte auf den Ankh.
Er nahm das Glasauge aus Wahrsagerglas hinaus und warf es in den Ankh.
Vor meinem Tod werde ich dich nun nicht mehr sehen, dachte er und ging weiter.

Es war wieder einmal Nacht in Ankh-Morpork und Inspäctor "Fred" Kolumbini saß auf einem Stuhl vor seinem Fenster und blickte auf die Metropole.
Die Tür öffnete sich.
"Hallo, Igor."
"Woher wuffteft du, daff if ef bin, Herr?"
"Weil ich nicht die Tür zu Ivonnes Räumen habe Knarren hören und weil du sonst der einzige bist, der weiß, an welcher Stelle man sich bei der Treppe ducken muss. Andernfalls hätte ich einen lauten und kurzen Schrei gehört."
"Oh."
"Aber eigentlich weiß ich es, weil ich dein Spiegelbild im Fenster gesehen habe. Setz dich, Igor."
"Ja, Herr."
"Worüber wolltest du mit mir sprechen, Igor?"
"Mir ift ein kleinef Malör paffiert, Herr. Der Revitalifator ift ferftört."
Eine kurze Pause folgte.
"Mit dem Revitalisator könnte man über Leben und Tod herrschen, Igor."
"If weif, Herr."
"Niemand würde mehr sterben. Wir hätten eines der Naturgesetze sozusagen eliminiert."
"If weif, Herr. Fum Glück haft du noch die Pläne."
"Oh, ich fürchte nicht. Sie sind mir wohl aus Versehen in das Kaminfeuer gefallen. Du weißt ja, wie ungeschickt ich manchmal bin."
Der Tonfall der Unterhaltung war monotoner, als ein schlechtes Computerspiel.
Fred überlegte einige Zeit.
"Du hast gesagt, du hättest einen großen Fehler bei der Erfindung ausgemerzt. Was für einer war es?"
Der Diener holte tief Luft.
"Viper, Herr... If habe lange gefwiegen, Herr, aber die Feit ift gekommen, da if reden muff."
Und Igor begann seinem Herrn die Geschichte der von Vipers zu erzählen.
Die von Vipers waren eine der ältesten Vampirfamilie und Edmund war der jüngste Spross, der mächtiger war, als alle seine Vorgänger. Aber die Macht dieser Familie war an etwas gebunden. An ein kleines Ding, das bereits lange Zeit als verschollen galt.
Als Edmund von einer wütenden Meute gepfählt wurde, blieb kein Nachkomme übrig, der über das Schloss wachen konnte. Aus diesem Grunde nistete sich die Familie von Drachenstein in der anscheinend leeren Burg ein.
Alles lief glatt bis Edmund durch einen Zufall wieder zum Leben erweckt wurde, aber wie das geschah, wusste niemand.
Er wollte nach Ankh-Morpork reisen, um dort an der Unsichtbaren Universität seine Magiekenntnisse aufzufrischen. Um einen Diener zu haben ging er in den nächsten Ort und versprach dem jungen Dimitri Balderski ewiges Leben, wenn dieser ihm dienen würde.
Als er nach Jahren wieder nach Kurzbach zurückkehrte beschloss Viper die momentane Familie von Drachenstein zu töten, aber dies konnte nur geschehen, wenn er es still und heimlich tat, denn wenn offensichtlich wäre, dass er die Herrscher umgebracht hätte, wäre baldigst eine neue wütende Meute erschienen.
"Auf diefem Grund befloff er, ef wie einen Unfall auffehen fu laffen und manipulierte die Erfindung deinef Vaterf, um unf fo alle inf Jenfeitf fu befördern. Alf if bemerkte, daff er nun daf Floff von dir kaufen wollte, befloff if einige Tonnen Pulver Nummer einf an beftimmten Ftellen def Floffef fu plafieren, um den verdammten Vampir endgültig inf Jenfeitf fu befördern. Leider hat ef wohl nift geklappt", beendete Igor seine Erzählung.
"Er kam hierher und versuchte mich zu entführen und zu töten und als das nicht klappte beschloss er einen Assassinen auf mich anzusetzen. Er war also Mr. X..."
"Wer auch immer daf ift."
"Und Balderski hat mich verfolgt und ebenso versucht die Spuren des Assassinen zu verwischen. Mein Gott was für ein Trottel. Er glaubt wohl, eine Beseitigung von Beweisen macht den Mord ungeschehen."
"Ef feint fo, Herr."
"Aber ich habe gesehen, wie mächtig Viper sein kann. Wenn er so stark ist, warum versucht er nicht über die Welt zu herrschen?"
"Weil er trotf allem nift gröfenwahnfinnig ift. Er ift irre und will über feine Heimat herrfen aber er ift trotf allem realiftif. Auferdem fehlt ihm fu feiner kompletten Macht noch ein kleinef Ding. Daf Ding, daf if bereitf erwähnt hatte. Aber ef ift verfollen und er macht fif nift die Mühe danach fu fuchen. Vermutlif defhalb, weil er davon niftf weif."
"Ich glaube, ich verstehe allmählich."
"Gut, Herr."
"Aber warum hast du mir das alles nicht vorher schon gesagt und woher weißt du das alles?"
"Erftenf bift du nift der einfige, der hier ermitteln kann und fweitenf...if wollte nift, daff du verfuchft gegen ihn anfutreten, oder fo. If wollte dif nift auf dem Gewiffen haben, Herr."
Dann schwiegen beide eine lange Zeit.
"Igor?"
"Ja, Herr?"
"Erinnerst du dich noch an Melinda?"
"Ja, Herr. Ihre Familie war mir fehr fympathif."
"Sie hat nie auf meine Briefe geantwortet, weißt du."
"If weif, Herr."
Und dabei beließen sie es für diesen Abend. Kolumbini blieb still und bald ging Igor hinunter.
Inspäctor hingegen stand von seinem Stuhl auf.
Er blickte in den nächtlichen Himmel und fragte sich, was ihn wohl in Zukunft erwarten würde.
Seine Gedanken kreisten um Viper...um seine Eltern...und zum ersten Mal seit Jahren auch wieder um Melinda.
"Gute Nacht, dort draußen", flüsterte er zu den Sternen empor, "wo immer ihr seid."
[1] Dass dieser oftmals Schrauben in seinem Körper trug störte sie nur wenig.

[2] Der Wissenschaftler verwendete immer noch seinen alten Nachnamen, obgleich er mit der Heirat Elisas' angenommen hatte.

[3]  Egal wo man lebt, es gibt immer etwas, ohne das man nicht besser ist, als Tiere oder gewisse Menschen, die wiederum etwas haben, das sie (angeblich) über niedere Lebensformen stellt, die wiederum...

[4] Was niemals mit einfacher Seife geschah

[5] Nun, zumindest konnten so jene Teile des Körpers beschrieben werden, für die sich Herr Potchons Libido derzeit interessierte.




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