Springstrasse 21 und nicht zurück

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von Korporal Cim Bürstenkinn (SEALS)
Online seit 04. 08. 2003
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 Außerdem kommt vor: Pismire

Die Rache eines klatschianischen Wesirs folgt einem Jungen bis nach Ankh-Morpork. Doch das Überbringen von Botschaften ist auch vorher schon eine tödliche Aufgabe.

Dafür vergebene Note: 12

Mein Dank geht an Timara, die etwa 2 Millionen Beistrichfehler gefunden hat und Daemon, der mir viele Einzelheiten des DOG-HQ gezeigt hat, die ich bisher schmählich übersehen habe!
Sorry wegen der ... na Du wirst schon sehen.




Die Mission sei Atera gewidmet. Sie hat sicher am meisten unter ihm gelitten.




Dunkles Blut floss aus der Bauchwunde des am Boden liegenden Mannes , während der Soldat mit seinem Säbel zum letzten Streich ausholte und damit das Leben des Gejagten, sowie die Jagd selbst, beenden wollte.
"Bereust Du es wenigstens, Arwin?" Seit 12 Jahren verfolgte er ihn nun quer durch Klatsch. Er wollte es einfach nicht wortlos beenden.
Die Form des über ihm stehenden Soldaten verschwamm vor seinen Augen. Wahrscheinlich war die Milz gerissen, und es blieben ihm nur mehr wenige Minuten. Arwin gedachte nich,t sie mit Reue zu verschwenden.
"Schlag endlich zu, Semin! Töte Deinen besten Feind, aber quassle ihn nicht zu Tode. Was sollte ich den bereuen? Dass ich eine Frau liebte? Dass ich einem Sohn das Leben geschenkt habe? Bereust Du, was Du alles versäumt hast während Du mich jagtest?"
Die letzten Worte waren nur mehr ein Keuchen gewesen, er fühlte wie ihn das Leben langsam verließ.
Semin jedoch wurde zornig, und sein verzerrtes Gesicht wurde von seinen langen schwarzen Haaren eingerahmt wie ein böser Traum. Er trat auf den tödlich Verwundeten ein, den Säbel immer noch erhoben.
"Du hast die Frau des Wesirs verführt, und damit sowohl Dein als auch ihr Leben und das Deines Sohnes verwirkt. Sie wird in diesem Moment gesteinigt - ein hässlicher Tod wie Du zugeben wirst. Deinen Sohn werden wir ebenfalls noch finden. Der Wesir wird dann entscheiden, was mit ihm zu tun ist."
Die Brutalität in den Worten seines ehemaligen Freundes brachte den am Boden Liegenden noch einmal zu klarem Verstand. Er bemühte sich vergeblich aufzustehen.
"Jetzt wünscht Du Dir wohl, Du hättest mich getötet als Du die Chance dazu hattest! Keine Spielereien mehr. Leb wohl, Arwin!" Semin zielte auf den Hals des Verletzten. Zu oft war er entkommen "Wir sehen uns in den Kerkerd.."
Der Soldat gefror in der Bewegung. Seine dunkle Haut wurde hell und weiß, und endlich stand eine Salzskulptur an seiner Stelle.
Der Schatten eines hochgewachsenen Mannes fiel auf ihn.
"Gut, dass er so einen Hang zum Quasseln hat. Ich dachte schon, Du tauchst nie mehr auf!", presste Arwin zwischen schmerzverzerrten Lippen hervor, als der Mann sich neben ihn hinkniete und die Wunde untersuchte. "Bleibt er so?"
"Für ein paar Stunden wird er hoffen müssen, dass es nicht regnet."
Arwin nahm seine ganze Kraft zusammen und spuckte Semin ins Gesicht. Er traf die linke Wange, wo das Salz sich sofort aufzulösen begann.
"Es war eine sehr dumme Idee von Dir den Pfeil abzubrechen, Arwin. Du bist zu schwach um die Spitze herauszuholen, und das Gift arbeitet in Dir weiter und verhindert eine Heilung!".
Als würde er seinen eigenen Worte nicht glauben wollen, legte er eine Hand auf die Wunde und Arwin fühlte kurz wie neue Energie durch ihn floss - freilich nicht ohne zu spüren, dass sie ihn sofort wieder verließ.
Immerhin konnte er den Kopf heben und dem riesigen Priester mit dem feuerroten Haar und Bart in die Augen sehen.
Er klammerte sich an seinem Arm fest und sagte mit tiefster Verzweiflung in der Stimme "Du musst Levin retten! Bring ihn weg aus Klatsch. Zu seinem Bruder in Ankh-Morpork. Er soll auf ihn aufpassen! Versprichst Du es mir?"
Der Priester des Feuergottes zog ein Kraut aus dem kleinem Lederbeutel an dem Strick, der seine Kutte zusammenhielt, und zerbröselte es über der Wunde. Ein schwaches Zischen zeigte, dass es keine Wirkung mehr erzielte.
"Ich verspreche es, Arwin! Möge unser Herr mit Dir sein!", sprach er ernsthaft und sah zu wie sein Freund erschlaffte.
Ohne Umschweife nahm er ein Amulett vom Hals des Toten. Dann stand er, ohne die tote Hülle noch eines Blickes zu würdigen, auf und ging, um den Jungen zu holen.

Zwei Tage später saßen Jenegid und ein Knabe von etwa 10 Jahren auf einem Schiff, das sie nach Ankh-Morpork brachte. Mehr als einmal in der knapp zwei Wochen dauernden Überfahrt musste der Priester die Matrosen mittels der Macht seines Herrn beruhigen und vergessen lassen, dass sie Levin gerade noch "Kleiner hinterhältiger Dieb, jetzt wirst Du gekielholt" nachgerufen hatten.
Als sie anlegten, nahm er wortlos den Rucksack des Jungen und leerte ihn aus.
"Heee, was soll das, Alter?"
Doch neben ein paar recht übel riechenden Socken und anderen Kleidungsstücken fielen Ringe, Armreifen und Geldbeutel aus dem Rucksack, die für sich sprachen.
Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, verließen sie das Boot und bestiegen die wartende Kutsche, die sie in die Stadt bringen würde.


+ + + +


Ein paar Tage später

Der Knall ließ Cim und Timara im Bett hochfahren. Er war gerade aus der Nachtschicht heimgekommen und hatte sich erst vor knapp zehn Minuten an sie gekuschelt. Der Lärm hatte wie eine Explosion geklungen, aber so nahe als wäre es direkt im Nachbarhaus gewesen.
Müde rieb er sich den Sand aus den Augen, und ging zum Fenster. Er sah kurz hinaus, nickte ein paar mal und legte sich dann wieder hin.
"Und?" fragte Timara , immer noch entnervt ob der "Überraschung".
Ihr Verlobter drehte sich auf die Seite und sagte: "Die Seitenmauer von Darwins Haus ist in unseren Garten gefallen."
Eine kurze Pause folgte, in der Cim schon hoffte damit durchzukommen, und Timara nicht glauben konnte, dass er es versuchte.
"Du gehst natürlich rüber!", beschloss sie endlich, während sich der Wächter verspannte.
"Später?", kam der letzte klägliche Versuch etwas Schlaf zu bekommen. Der wurde aber unbarmherzig "Die Mauer ist auch nicht später umgefallen. Geh jetzt!" hinweggefegt.
Kurz überlegte er noch auf die SEALS-Streife hinzuweisen die in etwa 2 Stunden hier vorbeikam, zog sich schließlich aber doch an und ging nach draußen.
Ihr Nachbar Darwin war ein eigentlich recht netter, ziemlich introvertierter Mann mit einem starken klatschianischen Akzent und dunkler Haut. Nachdem Cim selbst nicht der Hellste war [1], hätten sie eigentlich ein gutes Einverständnis haben müssen. Tatsache war, dass sie kaum miteinander geredet hatten.
Just in diesem Moment stand er oben im ersten Stock , hielt sich die Hände an den Kopf und rief "Chätte ich diesen Kerl doch nie in mein Haus gelassen. Diescher Terrorist, diescher kleine Verbrecher, diescher..."
In diesem Moment kam ein Mann in einer leuchtend roten Kutte und ebensolchen Haaren zu ihm, nahm ihn bei den Schultern und zog ihn zurück. Er überragte ihn um mehr als einen Kopf und schien keine Probleme damit zu haben, sein Gewicht durch die Gegend zu schieben.
Der kleine Pferdestall, in dem Cim sein Ross Myriel sonst unterbrachte, war flach wie eine Flunder, und der Wächter dankte Om für die Entscheidung, das brave Tier heute auf der Wiese weiden zu lassen. Auch Eles , seine Hündin sprang munter herum und schnüffelte an dem Steinhaufen, der auf den Resten des ehemaligen Gebäudes lag.
Er kam wohl ohnedies nicht um einen Besuch herum und klopfte kurze Zeit später an der Eingangstür.
Lange war gar nichts zu hören, und Cim benutzte den Klopfer unverdrossen noch drei mal, bevor die Tür ohne Vorwarnung aufgerissen wurde. Der Rothaarige sah ihn von oben herab mit einem Blick an, der in etwa besagte "Du bist unwürdig und störst mich in Angelegenheiten, die wichtiger sind als Deine Existenz. Dennoch nehme ich Abstand davon, Dich zu vernichten".
"Ja?", fragte er ohne etwas derartiges zu sagen.
"Ich bin ... meine Verlobte....also ich wohne nebenan und es hat den Anschein, dass Darwins Hausmauer auf meinen Pferdestall gefallen ist. ", stotterte Cim daher und ärgerte sich über seine Unsicherheit.
"Tut mir leid, das mit der Mauer.", sagte der Mann kurz angebunden und wollte die Tür schon wieder schließen.
"Ja aber..", begann Cim zu protestieren, als der rothaarige Hüne inne hielt.
"Bist Du der Wächter?"
Irritiert nickte Cim. Woher wusste, er...
"Ich bin Jenegid!", er reichte ihm die Hand und Cim schüttelte sie verdutzt, "Vielleicht ist es besser, wenn Du mal kurz reinkommst. Wir müssen mit Dir reden!"
Einladend wurde die Tür geöffnet und das Chaos dahinter enthüllt. Das Haus war so gut wie abbruchreif. Darwin saß in der Eingangshalle am Boden und sah fassungslos ins Freie.
"Chätte ich ihn doch nie ins Chaus gelassen. Chätte ich doch bloß meinen Instinkten vertraut.", jammerte Cims Nachbar, während er neurotisch vor und zurück wippte.
"Was ist eigentlich passiert?", platzte es aus dem Wächter heraus, und nachdem aus Darwin derzeit nichts Vernünftiges zu holen war, richtete er den fragenden Blick auf Jenegid, der plötzlich die Augen aufriss und die Hand hob. Kleine leuchtende Partikel schossen aus seinen Fingern, hüllten Cim ein, schleuderten ihn durch den Raum und gegen die noch existierende Wand. Reflexhaft suchten seine Finger nach dem Griff des Schwertes, doch das lag unerreichbar in seinem Haus. Da bebte eine weitere Erschütterung durchs Haus. Dort wo er gerade noch gestanden hatte, lag ein erheblicher Teil des Daches, und hätte der Rothaarige ihn nicht irgendwie weggeschafft, hätte er mit dem ehemaligen Ausbildungsleiter frühstücken können.
"Vielleicht gehen wir besser zu mir. Da sind wir ", er hüstelte mit einem vielsagenden Blick, "etwas ungestörter!".
Der Rothaarige nickte einmal und gemeinsam trugen sie den nach wie vor unansprechbaren Darwin aus dem Haus.

"...leider konnte Arwin, dessen erste Frau Danira früh gestorben war, und der als Leibwächter des Wesirs spezielle Rechte genoss der Versuchung nicht wiederstehen und erkannte seines Herren Weib Sanara als sein eigenes!"
Cim tat sich etwas schwer den seltsamen Formulierungen des Priesters zu folgen, obwohl er beinahe ohne Akzent sprach. Jenegid stand nun auf und begann, mit der Teeschale auf Brusthöhe, weiterzuerzählen.
"Als sich der Bauch von Sanara sichtbar zu wölben begann, ohne dass der Wesir seinen Fuß auf den ihren gestellt hätte..."
Cim würgte an der Bemerkung, aber sie musste raus . "Mann, wieso sagst Du nicht einfach, dass sie lange nichts hatten!!", und erntete dafür einen bösen Blick von dem Priester.
"..flohen sie", fuhr er fort zu schildern, "und versteckten sich in den Bergen. Immer auf der Flucht, immer auf der Hut."
"Zwölf Jahre später - wir hatten schon gehofft der Wesir hätte die Sache auf sich beruhen lassen - haben sie Sanara erwischt. Arwin, der Bruder von Darwin, hat Levin zu mir gebracht und versuchte sie zu befreien. Leider vergeblich."
"Warum erzählst Du mir das alles, Jenegid?" Cim war bewegt, sah aber keinen Zusammenhang mit seinem Pferdestall.
Der Priester stellte die Teeschale wieder auf den Tisch.
"Du musst Dir vergegenwärtigen unter welchen Bedingungen der Junge aufgewachsen ist. Ständig auf der Flucht, immer ums Überleben kämpfend - er hat lernen müssen, jede Chance auf einen kleinen Vorteil zu nutzen."
"Mit anderen Worten:", war plötzlich von Darwin zu hören, "Er ist ein kleiner hinterhältiger Dieb, vor dem nichts sicher ist, und der wahrscheinlich gerade die Stadt unsicher macht."
"Er ist Dein Halbbruder und Dein einziger lebender Verwandter, also solltest Du vielleicht etwas vorsichtiger mit ihm umgehen." Und wieder an Cim gewandt
"Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis er mit der Wache in Konflikt kommt. Ich ersuche Dich hiermit mir zu helfen, ihn zu finden. Ich möchte verhindern, dass er im Gefängnis landet".
Aber Cim war bereits aufgestanden und legte sein Schwert an.
"Was weißt Du vom Gildenwesen in unserer Stadt, Jenegid?"
Nun hatte auch Darwin einen erschrockenen Gesichtsausdruck aufgesetzt
Der Priester sah verwirrt von einem zum anderen. "Was ist los?"
"Die Gefahr ist nicht, dass Levin eingesperrt wird, sondern dass ihn die Diebesgilde im Ankh versenkt, weil er ein illegaler Dieb ist. "
"Ja aber das wäre doch...", Jenegid sah ihn ungläubig an.
"Gehen wir?"


+ + + +



Levin glaubte unterdessen, im Paradies gelandet zu sein und sein Rucksack quoll über von Armbändern, Geldbeuteln und anderen Besitztümern.
Zweimal hatten ihn seine Opfer erwischt und ihm eine Quittung gezeigt. Levin hatte sich entschuldigt und war einfach weitergegangen. Es war beinahe schon langweilig, doch plötzlich hatte er das Gefühl beobachtet zu werden.
Auf einem sehr großen Platz schlängelte er sich durch die Massen und kletterte endlich auf einen Laternenpfahl. Es waren zwei Männer. Einer hatte einen glattrasierten Kopf und der andere fette , blonde Haare und zahlreiche Narben im Gesicht. Beide waren um die zwei Meter groß und sie rempelten sich den Weg hinter Levin frei. Zahlreiche Messer steckten in Scheiden, die direkt in die Hosen und Westen eingearbeitet waren.
Er war überzeugt, sie nicht kennen lernen zu wollen, um so weniger als er diese Stadt kaum kannte. Wenn sein Vater hier gewesen wäre, hätte er eine Konfrontation nicht gescheut. Aber sein Vater würde nie wieder... er zwang sich, nicht in sentimentalen Gedanken unterzugehen und lief weiter. Vor sich sah er eine hohe Mauer, die einigermaßen viel Sicherheit zu versprechen schien. Allerdings sah er auch die beiden näher kommen. Mit einem Satz sprang er hoch und hantelte sich nach oben.
"Heee Ihr beiden Verlierer", rief er herunter als er sicher war, dass sie ihn nicht gleich schnell einholen konnten. "Wenn Ihr glaubt, mich einholen zu können, müsst Ihr etwas früher aufstehen!"
Levin lachte fröhlich, als er sah, dass sie stehen geblieben waren und keine Anstalten machten, ihn zu verfolgen. Mit einer recht eindeutigen Handgeste wollte er sich noch verabschieden und auf der anderen Seite der Mauer auf den Rasen springen, als ihn plötzlich etwas packte und wieder zurück warf.
Sehr unsanft landete er vor seinen Verfolgern und sofort schloss sich eine Pranke um sein Genick.
"Mann, musst Du bescheuert sein. Man klettert nicht einfach über die Mauer der unsichtbaren Universität. Verstehste?", sagte der Blonde breit grinsend, während der Glatzkopf schnaufend lachte.
Beim Sturz war sein Rucksack aufgeplatzt, und ein paar Geldstücke waren herausgepurzelt.
"Gud, das wir gerade noch verhinderd haben, dass der Jung jemanden was gesdohlen had , was?", sagte der Glatzköpfige mit gierigem Blick.
"Ja", antwortete sein Kollege, "oder er hat es geschafft, das Diebesgut zu verstecken. Vielleicht bekommen wir ja noch raus, wo es ist."


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Cim , sein Nachbar und der Priester hatten sich unterdessen auf die Suche gemacht.
Am Pseudopolisplatz hatte er sich den Obergefreiten Gralon Banks geschnappt, der gerade nach Hause gehen wollte.
"Obergefreiter, Dein freier Tag verzögert sich leider etwas." Cim war sich unsicher gewesen, ob Gralon wirklich die richtige Wahl war, denn es hatte einige Male Probleme mit ihm gegeben, da er entweder unzuverlässig oder unehrlich gewesen war. Doch kein anderer SEALS-Wächter war zu diesem Zeitpunkt verfügbar, und er wollte die Aufgabe niemanden ausserhalb seiner Befehlsgewalt anvertrauen.
Hastig schrieb er einige Personenbeschreibungen und Erklärungen für die anderen Abteilungen und drückte sie Banks in die Hand.
"Was immer passiert, Du bist verantwortlich, dass diese Schreiben persönlich zu den Abteilungsleitern von DOG, SUSI und RUM kommen. Und das hier", er beendete einen letzten Brief, "bringst Du zum Ausbildungsleiter. Alles klar?".
Mit einem höchst gelangweilten Blick murmelte der Obergefreite "Klar" und wollte sich auf den Weg machen, aber Cim hielt ihn am Ärmel fest und sagte: "Wenn Du das vermasselst, und der Junge Deinetwegen zu Schaden kommen sollte, findest Du Dich in der gleichen Abteilung wieder wie Dein Freund Rugosch! Also streng Dich besser an!"
Kurz schauderte der Obergefreite. Rugosch war abteilungslos, das heißt niemand wollte ihn. Er wurde nur für niedrigste Dienste herangezogen und hatte keine Aussicht auf Spezialisierung oder Beförderung. Er würde diesen Auftrag ausführen, koste es was es wolle, aber bei dem bescheuerten Bürstenkinn würde er sich noch extra bedanken.

Es gab leider kaum Spuren, was wohl darauf zurückzuführen war, dass Levin zehn Jahre auf der Flucht gewesen und gewohnt war keine zu hinterlassen, wie Jenegid meinte.
Aber das war Cims Stadt, und er wusste welche Orte einen Jungen wohl am meisten interessieren würden.
Am Hier-gibt's-alles-Platz fanden sie endlich eine Spur von ihm und auch von den Häschern der Diebesgilde.
Während Jenegid als einziger bereit war, eines der Würstchen von Schnapper auszuprobieren, und nun interessiert an "was-immer-es-war" kaute, berichtete der fliegende Händler:
"Der Junge war wohl nicht von hier. Wollte einfach über die Mauer der Universität klettern, obwohl doch in der Times berichtet wurde, dass sie ein neues Abwehrsystem ausprobieren. Sie haben ihn wohl Richtung Ankh geschleppt, nehme ich an. Wieso fragt mich das heute eigentlich jeder?"
Der Priester erstarrte. Ohne jede Regung flüsterte er "Wer hat Dich das noch gefragt?"
Schnapper sah ihn misstrauisch an. "Was weiß ich. So ein schwarzhaariger Kerl, war gekleidet wie ein Söldner. Hatte eine furchtbar hässliche Narbe an der linken Wange, und hat mein Würstchen weggeworfen als er ging. Wieso?"
"Gute Idee!", sagte Jenegid, warf das kränklich-rote Ding auf den Boden und ging in die angewiesene Richtung. "Wir müssen uns beeilen. Semin ist da!", während ihm die anderen verwirrt folgten.


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Gralon Banks war zornig abgezogen und zu Oberleutnant Pismires Büro gegangen. Er klopfte einmal und riss die Tür auf.
"So ist es gut Rince. Ganz vorsichtig schütteln. Was zum...", hörte er Pismire sagen, bevor er verstand, was passierte und Gralon schrie.
Der Oberleutnant gab dem Kommandeur und neuerdings auch Laboranten, gerade ein paar gute Tipps wie man im SUSI-Labor doch alt wurde, als Gralon die Tür öffnete, das Fenster dem plötzlichen Luftzug nachgab und dem Kommandeur einen Schlag auf den Ellenbogen verpasste, flog die kleine Phiole vor Gralon auf dem Boden, und grüner Rauch stieg auf ,der ihn sofort einhüllte.
"Hilfeee!", rief der SEALS-Wächter hustend und panisch weil er glaubte zu ersticken, doch schnell verzog sich der farbige Dunst, und ließ ihn etwas eingefärbt zurück.
"Bist du jetzt bei den Frogs?", fragte Pismire breit grinsend, denn von der alten Farbe - dem beruhigenden farblos, verwaschenen schmutzig-grau war nichts mehr zu sehen. Gralon erinnerte in der Tat an eine algenverseuchte Lake, doch was noch schlimmer war....
"Das ist nicht komisch", piepste er mit einer Stimme, die man von einem kleinen Mädchen erwartet hätte und erschrak bei seinen eigenen Worten.
"Nicht weiter schlimm, Obergefreiter. Das gibt sich in ein paar Tagen. Deine Stimmbänder sind einfach etwas grüner als sonst. Und warum ist das so, Laborant?" er sah den Kommandeur streng an. In seinem Labor gab es keine Chefs ausser ihm.
"Weil Du das Rezept für das Alarmpaket mit dem Trank zur Stimmbandstraffung vermischt hast. Was denkst Du Dir eigentlich?"
"Weißt Du, wie lange ich an der Mixtur gearbeitet habe, Obergefreiter?", schimpfte der Kommandeur missmutig und wollte von seinem eigenen Missgeschick ablenken. "Jetzt kann ich von vorne anfangen! Was willst Du eigentlich hier?"
Wortlos zog Gralon nun das mittlerweile grün gewordene Schreiben aus der Brusttasche und reichte es Pismire.
"Mach eine ordentliche Meldung, Wächter. Sonst vergesse ich mich!", brüllte Rince nun. Er nahm die Sache nicht so locker und spuckte ziemlich stark beim Schreien.
Mit einem mittlerweile braunen Gesicht, das sich wohl aus der grünen Grundfarbe und einer aufsteigenden Röte ergab, piepste er "Sir, Obergefreiter Gralon Banks meldet: Korporal Cim Bürstenkinn schickt diesen Brief zur dringenden Berücksichtigung"
"Erwartet er eine Antwort?", fragte Pismire ruhig während er das Papier entfaltete.
"Nein, Sir", kam es zurückgepiepst.
"Dann kannst Du jetzt bequem das Zimmer verlassen!".
Erleichtert aber überhastet salutierte Gralon, rannte aus dem Zimmer und hoffte, dass Rina Lanfear gerade anwesend war. Hinter sich hörte er noch "Ich möchte wissen, wie oft Du das noch falsch machen wirst! Man könnte glauben, Du machst das absichtlich!".


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Die beiden Häscher hatten sich eine zeitlang damit unterhalten, Levin zu verprügeln. Aber sie wollten nicht, dass er das Bewusstsein verlor.
"Jedzd darfsd Du ein wenig baden gehen. Freusd Du Dich da Junge?", sagte Glatzkopf und winkte mit einem Seil, an dem ein schwerer Mühlstein befestigt war.
"Wenn Ihr mich laufen lasst, bekommt ihr das wertvollste das ich gestohlen habe.", keuchte Levon, dem das Blut aus dem Mund lief leicht benommen.
"Und wo wäre das?", fragte der Blonde.
"Nicht weit von hier, ich hab's in einer alten Mauer versteckt. "
Glatzkopf schüttelte den Kopf "Das isd doch sicher ein Drig. Lass ihn uns dödn!"
"Es ist ein Edelstein so groß wie meine Faust. Ich wollte eigentlich heute Abend nach Klatsch zurück, und ein Heer aufstellen, mit dem ich meinen Vater rächen kann. Er könnte Euch gehören."
"Zeig ihn uns!", forderte der Blonde.
Eifrig nickte Levin und stand auf. Sofort hatte er die Hand des Glatzkopfes wieder wie eine Klammer im Genick.
"Komm nichd auf dumme Ideen Junge, sonst sdirbsd Du soford!".
So gut es ging, führte er die beiden durch die Stadt und fragte sich panisch, wohin er eigentlich ging. Nur noch ein Wunder konnte ihm helfen.


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Sie war da. Und erfreut sah sie Gralon näher kommen.
"Ah Gralon Banks! Hilf mir mal bitte die Sachen da in das Regel zu räumen!", sie deutete auf 5 Schachteln voller Unterlagen, die noch im sonst fertig eingeräumten Büro standen.
Wortlos hielt ihr Gralon statt dessen einen Brief hin, den sie zwar nahm, aber "Na los, los. Fang an auszuräumen, aber gib bitte acht auf die Vasen, die unten in den Schachteln sind. Die hab ich schon so lange und ich hätte nicht gerne, dass sie kaputt gehen." Dann zog sie sich zum Studium des Briefes zurück und formulierte gleich darauf ein Rundschreiben für ihre Abteilung.
Gralon war einstweilen bei der zweiten Kisten angelangt und hatte es bisher vermieden ein Wort zu sagen. Lieber eine Weile Kisten ausräumen, als mit dieser Stimme etwas sagen.
"Und wie geht's dir?", fragte Rina, zum Schrecken des Obergefreiten plötzlich zum Plaudern aufgelegt.
So leise wie möglich sagte er "gut", doch Rinas adeligen Ohren entging der ungewohnte Ton natürlich nicht.
"Kannst Du vielleicht etwas lauter sprechen?"
"Gut", piepste er wiederwillig, und die RUM-Schäffin war plötzlich fasziniert von seiner Stimme. Zu allem Überfluss klopfte es an der Tür, und zwei Trolle schleppten eine große Kiste herein
"Das nun alles sein!", sagte eine Rekrutin und sie wollten bereits wieder gehen, als Rina die beiden aufhielt.
"Wartet mal. Wollt ihr was lustiges hören ? Zur Belohnung!" damit wandte sie sich an Gralon und sagte "Obergefreiter! Mach eine ordentliche Meldung!"
Der SEALS-Wächter brodelte vor Zorn, als er zwischen den Zähnen
"Obergefreiter Gralon Banks, Kommunkationsexperte der SEALS, Stadtwache von Ankh-Morpork" hervorpiepste.
Rina lag auf dem Bauch am Boden und klopfte lachend dagegen. Sogar die Trolle brüllten schallend los.
Gralon ließ alles stehen und liegen und rannte aus dem Zimmer. Er rannte bis das Lachen nicht mehr zu hören war.
"Bürstenkinn kann mir befehlen was er will.", dachte er sich, " Die weiteren Briefe lege ich jetzt einfach in die Büros und aus."
Doch sein Herz sank, als ihm klar wurde, dass er nun zum Pseudopolisplatz und dann zur Boucherie musste. Eigentlich wollte er längst zu Hause sein.


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"Dort vorne ist es!" Levin hatte schon ziemliche Kopfschmerzen, weil ihm die Pranke in seinem Genick die Blutzufuhr abpresste, er hatte zwar keine Ahnung wo sie waren, musste das aber beenden. "Mir wird ganz schwindlig. Kannst du mal die Hand weggeben?"
"Meinst Du das Loch in der Wand?", fragte der Blonde ungeduldig vorausgehend.
Doch da sackte Levin in sich zusammen.
"Du verdammter Idiot. Ich hab doch gesagt, ich will ihn bei Bewusstsein. Hast Du denn gar kein Gefühl?", dennoch ging er voraus und kniete sich vor das Loch, das allerdings zu dunkel war um hineinzusehen. Er streckte die Hand aus und versuchte etwas zu finden. Dieser Edelstein konnte ja nicht so klein sein, als er plötzlich ein Röcheln hinter sich hörte.
"Wie oft muss ich Dir noch sagen, dass Du .... oh." Da spürte er die Klinge zwischen seine Rippen schlüpfen, und wie als sich seine Lungen mit Blut füllten, brachte er noch "Ein Trick" hervor, bevor der Kopf zu Boden sank.
Der Glatzkopf hatte seine Bemühungen die Halsschlagader und seine Kehle die nur noch schwach pfiff, wenn der Atem dem Weg an Mund vorbei nahm, zuzuhalten und lag in einer großen Lache seines eigenen Blutes. Souverän ging Levin daran, die Kleidung der beiden Häscher zu durchsuchen und steckte Waffen, Gegenstände und Geld in seinen Rucksack.
Danach massierte er sein immer noch verspanntes Genick und sah zufrieden, dass die beiden kein Problem mehr darstellen würden.
Wahrscheinlich hatten sie Freunde, aber wenn kümmerte das.
"Arwin hat Dir viel beigebracht!", hörte er da auf klatschianisch eine Stimme, die ihm das Blut gefrieren ließ. Semin, der Todfeind seines Vaters hatte ihn gefunden.


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Gralon ging durch das Wachegebäude in der Kröselstrasse. Nach der Kantine rechts lag das Büro des Ausbildungsleiters, und er wollte auf jeden Fall vermeiden, ihn zu treffen. MeckDwarf war ein FROG und würde immer einer bleiben. Damit einher ging eine leise Abneigung gegen alle Seals. Der Hauptmann war zwar für seine Gutmütigkeit bekannt, würde die Tatsache seiner lächerlichen Stimme sicher voll ausnutzen. Gralon wollte eine Begegung um jeden Preis vermeiden, umso mehr als er ihn einige Male grob beleidigt hatte.
Verstohlen huschte er zur Tür des Leiters und horchte. Er war da und sprach mit jemandem. Vorsichtig schob der Obergefreite den Brief unter der Tür durch bzw. hatte er es vor, als sie aufgerissen wurde, er in den Raum fiel und gleich wieder von einem Trollfuss hinauskatapultiert und durch die (zugegeben nicht sehr stabile) Wand eines Ausbilderbüros in das selbige getreten wurde.
Löpoi war nicht der Schnellste: Eine Minute später versuchte der Troll - aber auch Gralon, dessen Gesicht wüst aussah und dem einige Zähne fehlten - immer noch zu verstehen, was passiert war.
Schließlich war der Troll es, der als erster die Worte wieder fand. Er drehte sich um und sagte zum Hauptmann. "Ich immer haben durchschlagenden Erfolg. HUHUHUHU"
"Das wäre dann alles Löpoi, Du kannst gehen!" MeckDwarf war nun zur Tür gekommen und sah Gralon zu, der sich gerade mühsam aus den Resten der Wand befreite.
"Ich hoffe Dir ist klar, dass die Reparatur der Wand von Deinem Sold abgezogen wird. Wieso schleichst Du eigentlich vor meinem Büro rum? Und warum bist Du so grün?" Er hatte die Hände vor der Brust verschränkt und sah zornig auf den zerstörten Wächter. Da fiel sein Blick auf das Stück Papier am Boden.
Alles, dachte Gralon, nur nicht reden, als er endlich wieder auf seinen Füssen vor den Resten des Büros am Gang stand, und gehen wollte.
"Schau!", brüllte plötzlich eine Trollenstimme, "Wächter mit lustiges Stimme!"
Madame Massiv hatte den gewaltigen Arm erhoben und zeigte auf Gralon.
Als ein plötzliches Verstehen über MeckDwarfs Gesicht huschte.
Eine halbe Stunde später bewies der Ausbildungsleiter, dass er doch zu Grausamkeiten fähig war. Gralon musste sich auf einen der Tische in der Kantine stellen und allen anwesenden Rekruten seine Lebensgeschichte vorpiepsen, während sein Gesicht aussah ... nun eben so aussah, als hätte ein Troll dagegen getreten. Von rot bis dunkelviolett gab es jede Farbe zu bewundern, alles auf grünem Untergrund versteht sich. Die Lippen waren mittlerweile so verschwollen, dass man die fehlenden Zähne nicht mehr sah. An diesem Tag überlegten es sich einige Rekruten dieser Generation letztendlich doch anders und wurden keine SEALS-Wächter - nur um nie in so eine demütigende Situation zu kommen, wie die, in der Gralon sich gerade befand [2].
Etwa 30 Minuten später beendete der Obergefreite endlich seinen Vortrag mit den Worten "Und eigenlisch scholle ich schon lange daheim schein" und durfte endlich das Wachhaus verlassen. Er machte sich schweren Herzens auf den Weg zur Boucherie, um den letzten Brief abzuliefern.


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Das Blut, in dem die beiden Diebesgildehäscher lagen, war bereits im Stocken als Cim und seine Nachbarn sie fanden. Erleichtert, dass es nicht der Junge war, den sie fanden, suchten sie aber nach Spuren von ihm, und der Vektor untersuchte die beiden noch ein letzten Mal, um sicher zu sein, dass sie nicht mehr zu retten waren..
Darwin sah schließlich wie hastig ein Fenster im dritten Stockwerk geschlossen wurde. "Wir haben einen potentiellen Augenzeugen!", stellte Cim erleichtert fest und wollte die Treppen nach oben nehmen. Doch Jenegid hielt ihn auf.
"Wir haben keine Zeit für diesen Unfug. Warte"
Er schloss die Augen und zeigte nach oben. Wenig später schoss ein Mann um die 50 durch die Glasscheiben des Fensters und schwebte mit entsetztem Gesichtsausdruck dem Boden entgegen.
"Was... was...", stammelte er einem Herzinfarkt nahe - über den Zustand seiner Hosen gar nicht zu reden.
"Nur die Ruhe, mein Guter!", sagte der rothaarige Hüne gleichmütig."Wir haben nur ein paar Fragen an Dich. In Ordnung?"
"Was? Ja, ja, welche Fragen?", kam zurück.
"Du bist ein guter Junge", tätschelte Jenegid, den Kopf des viel älteren Mannes.
"Was ist passiert, nachdem der Knabe die beiden Diebesgildenhäscher erledigt hat?"
"Habt Ihr das gesehen?", kam statt dessen eine Frage zurück." Der Kleine war vielleicht zwölf Jahre und hat die beiden Typen von der Diebesgilde eiskalt erledigt!
Nicht dass sie mir leid getan hätten. Das waren zwei üble Schläger. Aber man stelle sich vor.."
"Was ist danach passiert?", fragte Jenegid nicht überrascht, aber Cim und Darwin warfen sich eindeutige Blicke zu.
"Der Junge ist wie ein Pfeil davongelaufen. Wovor kann ich nicht sagen, weil das im Schatten des Daches war. Irgendwer hat aber vorher einen Kauderwelsch losgelassen, der nicht zu verstehen war."
"Wohin ist er gelaufen?", fragte Jenegid nun forscher und fasste den Mann bei den Schultern.
"Er ist dort vorne Richtung Springstraße abgebogen."
"Und los geht's!", rief Cim und sie ließen den verdutzten Mann einfach stehen. Doch der Wächter kehrte sofort wieder um , und informierte den Mann über seine Rechtssituation. "Theoretisch hast Du das Recht ihn wegen Sachbeschädigung anzuzeigen. Überleg Dir halt ob Du ihn verärgern willst. Seine Freunde haben ein halbes Haus auf meinen Pferdestall geworfen!", und rannte wieder dem Priester hinterher.
Als sie weg waren, rief er: "Wartet! Ich hab doch keinen Schlüssel mit! Dingst mich wieder rauf!"


Gralon war bei Hausnummer 21 angekommen und betrat die Boucherie. Eine Frau die beinahe seine Größe hatte sah ihn interessiert musternd an und kam auf ihn zu. Ihre roten Haare waren mit Nadeln aufgesteckt, die wie kleine Rapiere aussahen.
"Und wen suchst Du, mein großer, grüner Junge?", fragte sie mit soviel Timbre in der Stimme, dass Gralons Knie weich wurden und sein Gesicht wieder braun .
Unwillig jetzt zu reden, zeigte er das Stück Papier her auf dem groß "DOG / DAEMON" stand.
"Ach der, ist jetzt wieder Abteilungsleiter!", seufzte sie enttäuscht," Er sitzt ganz oben. Da musst Du im ersten Stock am Ende des Flurs.. ach was, ich zeig Dir's."
Und sie zeigte ihm einiges, als sie vor ihm herging und mit ihrer Hüfte beinahe die gesamte Breite des Ganges ausnutzte. Irgendwann blieb sie vor einer Tür stehen, ohne dass Gralon etwas vom Weg mitbekommen hätte.
"Du musst auf der Terrasse über Vintongos Treppe nach oben. Wenn du später noch Zeit hast, schau einfach in meinem Zimmer vorbei.", sie beugte sich vor, ganz nahe an Gralons Gesicht und konfrontierte ihn mit einer Einsicht in ihren Ausschnitt [3], die ihm Schweißausbrüche verursachte. Die Lippen geschürzt, sagte sie nur wenige Millimeter von seinen entfernt "Mein Name ist Mya! Ich hoffe Du vergisst ihn nicht!" Daraufhin schwebte sie wieder davon und war kurz darauf verschwunden.
Fünfzehn Minuten später war Gralon etwas besser gelaunt als der bisherige Tagesdurchschnitt versprochen hätte, durch die Tür auf die Dachterrasse gegangen und stand vor der wenig vertrauenserweckenden Außentreppe. Sollte er jemals wieder Gelegenheit bekommen, würde er Vinni erwürgen. Vorerst begnügte er sich aber damit, auf dem wackligen Ding nach oben zu gehen, ohne an unten zu denken.

Pigeon war an diesem Vormittag auf der Dachterrasse um die TK-Anlage neu zu justieren, nachdem sie aus Mückensturms Büro hierher übersiedelt worden war. Die Gefahr, dass im Fehlerfalle etwas nicht funktionierte, war einfach zu groß. Um den Taubenverschleiß gering zu halten übte sie mit einem Kissen, das sie nach oben gebracht hatte. Sie legte es auf die Schleuder und schoss es weg, als wäre es eine Taube. Unzufrieden sah sie wie es auf der Terrasse aufprallte und einen Mann traf, der vorne am Rand der Treppe stand. Da hatte sie den Salat. Die Justierung war total verstellt. Eine Taube hätte todsicher Schaden genommen, wenn sie so mit einem Wächter kollidiert wäre.
"Chilfeee", piepste es irgendwo und Pigeon fiel auf, dass der Mann nun weg war.
"Hallo? Ist da noch jemand?", die Wasserspeierin spähte über den Rand des Treppenabsatzes und sah , dass der Mann wohl von der Wucht des Kissens über den ungesicherten Rand der Treppe geworfen worden war. Er hatte es gerade noch geschafft sich am Rand festzuhalten. Leider auf Kosten der Stabilität der Konstruktion, die nun etwa einen Meter von der Wand weghing und nur noch am unteren Ende hielt.
"Ach du liebe Zeit, ich kann nicht glauben, dass ich dich nicht gesehen habe. Du mußt keine Angst haben, Gralon. Vintongo hat die Brücke sehr..."
Da gab die letzte Verankerung nach. "Bring mich zurück ins Leben" dachte er sich als er auf den Boden zuschoss, immer noch an die Treppe gekrallt.


Irgendwann wollte Levin nicht mehr laufen. Zuerst wurde er langsamer, dann zog er im Rennen zwei Messer aus seinem Rucksack und warf ihn weg.
Mit dem Rücken an die Mauer gepresst, erwartete er seinen Gegner, der auch wirklich ein paar Sekunden später fröhlich lachend vor ihm stand, seinen Säbel lässig auf der Schulter liegend.
"Gib die Messer weg, Junge, ich will Dir nicht weh tun. Wir fahren jetzt nach Klatsch zum Wesir, und der soll entscheiden was mit Dir zu geschehen hat."
"Erst musst Du mich holen!", sagte Levin und ließ die Messer kreisen wie er es bei seinem Vater gelernt hatte.
"Ich kann Dich auch ohne Arme und Beine nach Klatsch bringen. Der Wesir war in seinen Anweisungen da höchst ungenau." Ohne weitere Vorwarnung sauste seine Klinge vor und schlug ihm das Messer aus der rechten Hand.
Levin sah alarmiert auf die dünne Blutlinie die zurückgeblieben war. Es war ihm klar, dass Semin jederzeit die ganz Hand hätte nehmen können.
Der Knabe besann sich anders. "Du wirst Deinen Auftrag nicht ausführen können!" und rammte sich das Messer in die Magengrube.
Oder hatte es zumindest vor. Denn seine Hand hielt kein Messer mehr, und es gab keinen Daumen mehr, mit dem sie es halten hätte können, denn beides lag nun zu seinen Füssen. Schreiend umklammerte er seine linke Hand mit der anderen und sah den Soldaten voller Hass an.
"Du wirst nun mit mir nach Klatsch kommen, wo sich Dein Schicksal erfüllen wird!", sagte Semin bestimmt, erleichtert dass sein Auftrag.....
In diesem Moment krachte Gralon mit der Treppe auf ihn, schlug ihn zu Boden und den Säbel aus seiner Hand.
Semin schüttelte einmal den Kopf und richtete sich wieder auf. Er packte die Ursache für eine ziemlich ekelhaft blutende Schramme im Nacken beim Kragen und hob ihn auf Augenhöhe. Es war ihm egal, dass Gralon ihm eigentlich noch klar machen wollte, dass er eigentlich seit Stunden daheim hätte sein sollen, als er den Wächter mit einem verächtlichem Druck tötete, und seinen Körper auf die Reste der Treppe warf.
Er sah sich um, und nur eine dünne Blutspur gab einen Hinweis wo Levin sich versteckte.
"Ich komme jetzt, Kleiner! Es hat gar keinen Sinn sich zu verstecken. Es ist ..."
Kurz legte sich ein Schatten über den klatschianischen Soldaten, dann prallte die Bulldogge, ein ausgewachsener Wasserspeier, auf seinen Kopf, und drückte sein Gesicht mit 160 schwerkraftbeschleunigten Kilos in den blutigen Staub der Strasse.
Pigeon richtete sich auf, putzte den Staub von ihrer Uniform und sagte. "Ich hätte ohnedies nicht gewusst wie ich da ohne Treppe runterkommen soll"
Nun traten Jenegid, Cim, Darwin und Levin aus dem Hauseingang, in dem sie gewartet hatten.
"Das hast Du toll gemacht, Pigeon! Das hat eine Menge Arbeit erspart! Obwohl ich als Vektor natürlich...ach vergiss es. ", sagte Cim und untersuchte Gralon. Teile der Treppe hatten sich durch seinen Arm gebohrt und er schien nur mehr aus Hämatomen und Narben zu bestehen. Der Kommex musste unsagbare Qualen von den Händen des Klatschianers erduldet haben.
In diesem Moment sprang Semin auf, packte Levin bei den Haaren und den Beinen, hob ihn hoch und wollte sein Rückgrat wohl auf dem Knie durchbrechen.
Doch er wurde weiß, spröde und ein Ruck ging durch ihn als er jede Bewegung einstellte.
Nun wurde Levin endlich bewusst was passierte und er schrie seinen Zorn und Schrecken aus Leibeskräften hinaus.
Ohne ein weiteres Wort und ohne nachzudenken hielt Cim die Beine des Jungen fest und schlug die Hand der Salzsäule durch. Pigeon tat ähnliches am Kopf, sie hoben den Jungen vorsichtig herab und stellten ihn wieder auf die eigenen Füße. Schließlich warfen sie die Reste des Soldaten um und ein breiter Riss ging quer durch den Rumpf.
Längst waren alle gegangen, als ein sanfter Regen auch diese Reste aufweichte und wegspülte.
Am Dach des DOG-Hauptquartier stand ein Abteilungsleiter und schrie laut:
"Welcher Spaßvogel hat die Treppe abmontiert?
Hallo?
Das ist nicht lustig!"


E p i l o g


Das Haus und der dazugehörige Garten waren wunderschön und verdienten es nicht "Bauernhof" genannt zu werden. Dennoch stand das auf einem aus Edelholz geschnitzten Schild gleich neben dem Eingangstor. Die Geräusche der Stadt, die üblicher Weise fixer Bestandteil des Lebens in Ankh-Morpork waren, fielen hier durch ihre Abwesenheit auf. Es gab keinen Lärm von Rädern auf Kopfsteinpflaster, keine Händler, die schlechte Ware viel zu laut und teuer anpriesen, und es gab keine Streitereien und Raufhändel. Es gab nur Harmonie. Vögel zwitscherten, der Wind rauschte in den Blättern der hochaufragenden Laubbäume, und das Flüstern der vier Menschen die in dem Pavillon zwischen den Beeten und Sträuchern saßen war beinahe ein störender Lärm hier.
"Es ist unglaublich, dass wir immer noch in der selben Stadt sind." , sagte Jenegid und biss herzhaft in den Apfel, den er sich von einem der Bäume gepflückt hatte.
Levin sprang auf und rannte einem Hasen hinterher, der von einem Salatblatt genascht hatte.
"Vor allem seid Ihr hier sicher vor dem Wesir und seinen Truppen. Weißt Du schon ob Du Levin zu einem Akolythen machen möchtest?", fragte Cim, doch Timara antwortete, bevor der Priester es konnte.
"Ich glaube, der Junge muss erst mal einiges an Unbeschwertheit und Kindheit aufholen, bevor Ihr euch Gedanken machen müsst, was er mal werden soll. Seht ihn Euch nur an!"
Der Hase hatte sich fangen lassen, Levin hatte ihn auf seinen Bauch gesetzt und die Pfoten des Tieres gestreichelt. Verschwunden war der Junge, der vor kurzem noch zwei Häscher der Diebesgilde eiskalt erstochen und dann beraubt hatte, zugunsten eines 10-Jährigen, der es genoss Kind zu sein. Nur mehr ein Amulett an seinem Hals und ein fehlender Daumen an seiner linken Hand erinnerten an eine anstrengende Vergangenheit.
"Und Darwin?", fragte Cim genauso vom Schauspiel, das Levin bot, gebannt wie die anderen.
"Nun", sagte Jenegid grinsend, "ich hoffe er hat den Schutt mittlerweile weggeschafft. Sein Haus taugte ja wirklich nicht mehr viel!"
".....und war eine Gefährdung der Nachbarschaft!", ergänzte Timara.
"Ja eben. Gut dass es eingestürzt ist.", nickte Cim. "Hoffentlich wohnt er nicht ewig bei uns"




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Pigeon?
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Ich weiß, dass Ihr mich hört!
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Ich habe Hunger!
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Hallo?
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Wenn ihr nicht gleich mit einer Leiter kommt, dann....
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Ich hoffe Euch ist klar, dass man daran sterben kann!
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Jetzt haben wir den Salat.
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Lasst mich schon runter.





[1]  Was sich nun ausschließlich auf die Hautfarbe bezog und von seiner omnischen Herkunft herrührte

[2] nur ganz Hartnäckige wie Tyriel Parra liessen sich nicht einmal davon abschrecken. Ok, zugegeben, er war an dem Tag nicht in der Kröselstrasse

[3] Dekoltee sieht einfach blöd aus




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