Inkubus

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von Hauptgefreite Lady Rattenklein (SUSI)
Online seit 03. 08. 2003
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In Ankh Morpork treten gehäuft seltsame Fälle von komaähnlichen Anfällen auf - was steckt dahinter?

Dafür vergebene Note: 13

Die Mutter sang in einer sanften leisen Stimme, wie es nur eine liebende Mutter kann, ihrem Sohn ein Schlaflied. Sie strich ihm dabei mit den Fingerspitzen die wirren Haare aus dem glücklichen Gesicht und lächelte.
Ein alter Kater nahm vor dem Fenster in der schon dunklen Pfirsichblütenstraße Platz, es sah fast so aus, als lausche er der gedämpften Stimme, die heimisch mit einem warmen gemütlich schimmerndem Licht aus dem Fenster auf die Straße drang.
"Gute Nacht, mein kleiner Prinz. Schlaf jetzt und träume schön", flüsterte die Mutter als sie leise zur Tür gegangen war und auf ihr eingeschlummertes Kind zurückblickte.
Der Kater putzte sich friedlich und ohne Hast. Doch erschrocken fuhr sein Kopf hoch und seine Haare stellten sich auf, als er plötzlich aus seiner Ruhe gerissen wurde. Mit schmalen Augen wich er einem unsichtbaren Schatten, der sich aus nördlicher Richtung auf die Straße zu bewegte. Nein, es war kein einzelner Schatten, es wirkte eher wie ein Geschwader, ein bedrohlicher Nebel, der sich zäh in die Straße schlängelte.
Das Tier kam zum Schluss, dass es wohl besser wäre, schnell das Weite zu suchen und eine Zehntelsekunde, bevor er sich dies überlegt hatte, fingen seine Beine schon an, sich von selber gen Süden zu bewegen, sein Körper wurde gar nicht erst zu Rate gezogen. Zurück blieben ein paar Haare, die sich kurzfristig dazu entschlossen hatten, dass sie heute keine Lust auf wahnwitzige Geschwindigkeiten hatten.

~~~**~~~


"Schlaft jetzt, schlaft und träumt!
Dinge sind nicht mehr wie sie scheinen!
Dieser kleine Tod, würd ich meinen,
Auch tausend wache Leben grausam, zärtlich,
Mir willkommen
Aus dem Wege räumt!"


Kann man Nebelschwaden grausame Verzweiflung ansehen? Bei diesem konnte man es.

~~~**~~~


Im Wachhaus war alles still. Die Wächter, die nachts nicht schliefen, hielten sich am Wachetresen auf und unterhielten sich leise über dies und jenes. Hauptmann Ohnedurst war auf Knollenjagd oder ging anderen geheimnisvollen Dingen nach, von denen er der Meinung war, dass sie niemanden etwas angingen.
Auch Lady Rattenklein schnorchelte leise in ihrem kleinen Bettchen vor sich hin, ab und zu kam ein lauter zufriedener Schnarcher aus ihrem Mund. Es war 4:00 Uhr. Sie träumte von Verfolgungsjagden, von übel riechenden Substanzen. Plötzlich trat ein kleines Männchen in ihren Traum... es war waldgrün und hatte unzählbar viele Furchen im Gesicht. Riesige spitze Ohren säumten seine Schläfen und seine schwarzen Augen quollen leicht hervor, sie hatten etwas Wissendes inne. Die knorpeligen Hände, die einen eben solchen knorpeligen Stock hielten, waren mehr wie Krallen, dreigliedrig und fleischig. Sein Umhang war genauso grau und ausgefranst wie sein lichtes fusseliges Haar, was den weise anmutenden Kopf umrahmte.
Es sagte: "Furcht ist der Weg zur dunklen Seite der Sonne..."
"Doch nicht, wenn man eine Muse wie mich dabei hat!!", trällerte es operettengleich unter dem Überwurf von dem Männchen.
Der Umhang bewegte sich wogend, als ob ihn ein leichter Windstoß angestoßen hätte... zerfetzte Wurzeln rankten aus ihm heraus, das Männchen explodierte mit einem bauschigen baff und zersplitterte in eine blaue Welt mit vielen grellen Sternen: Geheimnisvolle Vögel flogen glitzern und majestätisch um einen ungeahnten Mittelpunkt herum. Das Zentrum wurde immer dichter und fester, es drehte sich um seine eigene Achse, schimmerte in den schönsten Farben. Ein greller hoher Ton erklang aus ihm, zu grausam um hinzuhören, zu lieblich um wegzuhören! Es sah jetzt aus wie ein wirbelndes Gewand aus bunter Seide, flauschig wie Zuckerwatte, so real wie rauer Leinenstoff. Es manifestierten sich Hände, so zartgliedrig, wie die der Elfenkönigin, Beine, weiß wie Milch und ein Gesicht so schön, wie ein rosaroter Sonnenuntergang am Rand der Scheibenwelt. Langsamer nun drehte sich diese unbegreifbare Schöne im Mittelpunkt dieses Szenarios... Ihr Mund schmeichelte dem Gesicht mit einem unendlich gutherzigem Lächeln. Er öffnete sich und...
"Üs ist Züit aufzustühün, du altür Langschläfür!!!" Wieso kam so ein verzerrter Ton aus einem solchen Mund? Und dann noch mit einer solch tiefen Stimme?? Diese Fee schritt mit gesenktem Kopf auf Lady Rattenklein zu. Als sie keinen halben Meter vor ihr stehen blieb, hob sie den Kopf... und...
"Larius??" Hauptgefreite Ratti schoss aus ihrem Bett hoch, wie ein Pfeil und kreischte und strampelte wild.
"Hüyyyyy! Ganz ruhig! Was um Himmüls Willün hat dich dünn güstochün?", grinste Larius de Garde ihr ins Gesicht.
"Ich...du...wo, warum bist du hier??? Ich hatte eben einen Alptraum .... und DU kamst drin vor!!", plapperter die Lady aufgeregt.
"Aha...und du bist dir sichür, dass du nicht krank bist?" Ihr Kollege sah sie skeptisch an.
"Da! Da war es wieder!!", schrie die Hauptgefreite.
"Was dünn...achsoo, ja ich übü", erklärte Larius.
"Üben? Wieso ist es übenswert, sämtliche Es durch Üs zu ersetzen?"
Larius beugte sich bedeutungsvoll zu der Lady hinunter: "Lupos!", flüsterte er, [1] und richtete sich zufrieden mit seiner Erläuterung wieder auf. Er lächelte lieb und nett, als ob alles ganz logisch wäre.
"Aaha... ich glaube ich träume doch noch." Irgendetwas von Spinner murmelnd und sich aus dem Bett quälend, stand Lady Rattenklein auf... hielt aber inne als ihr etwas Wichtiges einfiel:
"Willst du mir beim Umziehen zugucken? Wenn ja, dann mach die Tür zu, wenn nein", jetzt knurrte sie, "dann schließe die Tür ebenfalls... aber HINTER dir!" Sie lächelte plötzlich übertrieben freundlich: "ich würde dir dringend zu letzterem raten, lieber Kollege, wenn dir dein bestes Stück lieb ist, und damit meine ich nicht deinen Helm."
Larius verzog das Gesicht. Aber bevor er ging wollte er noch riskieren, der Lady von dem neuen Fall zu berichten.
"Heute früh kam eine Meldung herein. Wir..."
Rattenklein warf ihm einen steinernen Blick zu. Sie war wirklich aufgebracht... hielt sich jedoch zurück. Immerhin war Larius ihr Vorgesetzter und wenn sie noch weiterging als eben, würde zwar er mit Schmerzen und lautem Gejammer aus dem Raum schlurfen, doch würde sie wahrscheinlich genauso jammernd eine Woche später aus der Wache austreten müssen. Schade aber auch.
Larius fuhr fort: "Wir sollen uns das mal angucken, meint Pismire. Eine Frau ist heute Morgen völlig aufgelöst zur Wache gekommen und sagte, dass ihr Sohn nicht aufwacht, aber er lebe noch."
"Warum hat sie keinen Arzt geholt?"
"Hat sie, sogar mehrere, aber die konnten alle nichts feststellen. Zieh dich an und komm dann in Oberleutnant Pismires Büro, ja?" Damit ging Larius zur Tür raus... er hatte ganz vergessen, zu üben, was ihm jetzt bewusst wurde und er mit der Faust ärgerlich in die Luft schlug.
"Aye, Sir." Sagte die Lady. Und zog sich immer noch müde grummelnd ihre Dienstkleidung an.

~~~**~~~


"Wo Bist du
Mein Engel
Mein Leben
Meine Liebe?
Musst doch, so schön du bist
In schöner Menschen
Träume wandeln!
Wie einst bei mir!"


Der schattige Nebel zog wild durch die Träume des schlafenden Kindes. Er zerwühlte die Wünsche, trampelte Phantasietiere tot, brannte wundervolle Blumenwiesen nieder.

~~~**~~~


"Eh, Alter! Was zum Henker war das denn? Das war ja saumäßig abgefahren! Was ist passiert??"
"Könntest du dich vielleicht etwas besser artikulieren, Kommilitone Magnus? Ich werde dir sagen was passiert ist: Wir haben versucht einen freundlichen Dämon zu beschwören und dann... und jetzt sind wir gerade aufgewacht. Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen."
Der Erklärende, Korbinius sein Name, rappelte sich nach diesem anstrengenden Versuch, das Geschehene wiederzugeben auf und guckte sich blinzelnd um.
Der Ritualplatz war geziert mit weiteren sechs Personen, die allerdings noch nicht so wach waren wie Korbinius und Magnus; Rabatz, ein Lehrling von der Beschwörergilde; Schookii, ebenfalls ein Lehrling der jedoch aus Djelibeby nach Ankh Morpork kam; der Lehrling Hagen; Narf, ein Student der UU und seine Kommilitonen, die gleichzeitig Brüder waren, Thunfisch und Koni. Sie alle lagen auf dem kleinen Platz wie Mikadostäbchen. Etwas Furchtbares musste geschehen sein, dachte sich Korbinius, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wen oder was sie heraufbeschworen hatten. Er blickte gedankenverloren auf das mit Kohle hingekritzelte Oktogramm auf dem Boden und erinnerte sich an eine Wette... eine ziemlich dumme Wette, so befürchtete er. Hatten nicht die Beschwörerlehrlinge gesagt, das Zauberer nicht zum Beschwören taugen? Oder war es andersherum und die Studenten hatten gewitzelt, dass alles nur fauler Zauber bei der Gilde war? Hm. Irgendwie ist es dazu gekommen, dass sich alle acht Heranwachsenden letzte Nacht auf diesem Ritualplatz trafen, der sich im letzten Raum des Kellers unter dem Keller der Beschwörergilde befand und irgendetwas Tolles, Noch-nie-da-gewesenes, von allen Bewundertes beschwören wollten.
"Es gab... Magnus? Gab es einen lauten Knall oder so was ähnliches?"
"Kein Plan, Alter. Ich weiß nur das ich so gut gepennt hab', wie schon lange nicht mehr.
Haben wirs denn geschafft?" Magnus lächelte fröhlich und dümmlich zugleich. Korbinius seufzte.
"So wie es aussieht, werter Kommilitone, ja. Doch ich frage mich nur gerade, was genau wir geschafft haben."
Ein schmerzerfülltes Ächzen ertönte von dem menschlichen Mikadohaufen. Und daraufhin ein leises aber stetiges Fluchen.
"Mistverdammtundzugenäht, wasn das hier fürn Dreck? Saustall! Und wie verfluchtnocheins sehn meine Kleider aus? Son Mist. MistMistMist!"
Eine absolut perfekt manikürte Hand streckte sich aus dem Haufen heraus und wedelte unkoordiniert in der Luft herum, tastete umher, piekte mal hier vorsichtig mit dem Zeigefinger in einen Oberarm, mal dort in einen Bauch hinein. Bis sie schließlich wieder verschwand und kurz daraufhin der ohnmächtige Schookii zur Seite gerafft wurde und sich Rabatz unter ihm emporstemmte. Genervt blickte er umher, als ob er schon zum zehnten mal einen Kaffee und ein Eibrot bestellen musste, weil irgendwer es immer wieder vergaß ihm zu bringen.
"Was zum Henker ist hier los? Ham wirs ge..."
"Jo."
"Ja."
"Und was..."
Schulterzucken.
Rabatz atmete tief durch, massierte sich mit geschlossenen Augen seine Schläfen und sagte:
"Gehn wir frühstücken."

Nacheinander schafften sie es, die anderen von Ohnmacht in den tiefen Schlaf gefallenen wieder auf die Beine zu bringen. Alle standen mit Stöhnen und Kopfschmerzen auf, immer mit der gleichen Frage ob sie es denn nun geschafft hätten oder nicht und wenn ja, was. Es wusste keiner von ihnen. Aber alle spürten genau, dass sie bis zum Hals im Ankh steckten, wenn sie es nicht schleunigst in Ordnung bringen würden.

~~~**~~~


Gewaschen und angezogen stapfte Lady Rattenklein durch das Wachhaus. Sie war auf dem Weg zu Oberleutnant Pismires Büro. Unterwegs machte sie einen Abstecher in die Küche und holte sich einen Fingerhut Kaffee ab, um richtig munter zu werden. Der Traum beschäftige sie immer noch. Wieso träumte ausgerechnet sie als weibliches Wesen von so einer Schönheit die ihr schier den Atem raubte... sollte sie sich über ihre sexuelle Gesinnung Gedanken machen? Sekunden später verwarf die Lady diesen Gedanken kopfschüttelnd wieder. Nein, das war sicher nur irgendein blödes Hirngespinst, ein Fetzen ihres Unterbewusstseins, unbewusster Wunsch, in schönen Kleidern Operetten zu trällern... so was in der Art. Hey der Gedanke war gar nicht mal schlecht. Lady das Operettenwunder. Kleine Gnomendame ganz groß. Rattenklein, eine...
"Verflixt, Lady!! Das war meine frisch gewaschene Uniform! Du sollst nicht an Männer denken, sondern zu Pis ins Büro kommen!", zeterte Sillybos von oben herab und wischte energisch über den braunen Kaffeefleck an seinem Hosenbein, wodurch er garantiert verschwinden würde.
Die Lady murmelte irgendwas von Entschuldigung, salutierte unmotiviert als sie sich an ihm vorbei drückte mit ihrem leeren Kaffeefingerhut. Ihr Kollege sah ihr stirnrunzelnd und missbilligend nach. Sie war einfach nur ein kleiner Tollpatsch! Schon letztes mal war sie bei dem Versuch, eine Mutter davon zu überzeugen, dass ein 38 jähriger Mann kein Verbrechen begeht, wenn er sich mal ordentlich einen auf die Glatze kippt, so unglücklich ins Gespräch geplatzt, dass alle philosophischen Überredungskünste umsonst gewesen waren!

"Herein!" erwiderte Pismire auf das Klopfen der Lady hin.
Die Hauptgefreite öffnete die Bürotür und trat ein. Sie salutierte zackig und schlug sich dabei mit einem dumpfen Klatschen den Kaffeebecher an den Kopf.
"Ach verdammter, sch..." Rattenklein besann sich noch einmal rechtzeitig und schloss mit: "... Fingerhut... den.. ich jetzt aus der Hand... ähm lege. Ja."
Hastig drehte sie sich von einer Seite zur anderen um einen geeigneten Platz zum Abstellen zu finden. Sie sah dabei aus wie ein dümmlicher verwirrter Köter, der nicht weiß wo er sich zuerst kratzen soll. Pismire betrachtete amüsiert und und geduldig zugleich das zierliche Persönchen bei seinem Schauspiel. Als die Hauptgefreite beschlossen hatte, den Becher einfach in ihre Tasche zu stecken, salutierte sie noch einmal, ignorierte die schmerzhafte Beule an ihrem Kopf und sagte fest: "Hallo Sir. Es gibt einen neuen Fall?"
Hinter ihr hörte sie ein zweites Klacken der Stiefel.
"Sir, da bin ich", sagte Larius de Garde.
"Fein. Wir haben heute früh Meldung bekommen, dass ein kleiner Junge nicht mehr aus seinem Schlaf erwacht. Die Mutter... Frau ähm.." Pismire blätterte wirsch in seinen Unterlagen, "...Frau Jakobait hat zwar schon Ärzte geholt, aber die können nichts feststellen. Sie hat Verdacht auf eine Vergiftung oder etwas ähnliches. Pfirsichblütenstraße 7, überprüft das bitte und nehmt Alice mit. Wegtreten." Damit sah er noch kurz und eindringlich zu den beiden Wächtern und beugte sich wieder über den Papierkram auf seinem Schreibtisch. Die beiden salutierten und gingen aus dem Büro.

Alice saß in der Kantine und aß ihr Frühstück. Der Geruch von Rührei, Kaffee, aufgebackenen Brötchen und Haferbrei stieg Ratti und Larius in die Nasen und erinnerte sie daran, dass sie noch gar nichts gegessen hatten. Also setzten sie sich zu Alice und besprachen bei einem kurzen Frühstück den bevorstehenden Fall.
"Ein flafendes Kind? Vergiftet? Hmpf...", brachte Alice zwischen Butterbrot und Rührei hervor.
"So ist es... ich frage mich schon die ganze Zeit, was für ein Gift dazu in der Lage wäre, jemanden in einen komaähnlichen Zustand zu versetzen, den nur Hexen bei sich... wie sie es selber bei sich können... hab da mal so was gehört, meine ich." Rattenklein schlürfte ihren neuen Kaffee. Larius schmatzte bedächtig seinen Haferbrei und sagte gar nichts, er ging in Gedanken durch, wie er den Tatort am besten absichern konnte... eigentlich war das ja nicht nötig... es würde wohl kaum Menschenmassen geben, vielleicht eine Art Quarantäne...
"Wir müssen los, würde ich sagen. Sonst wird der Leutnant böse. Aufi, Leute", sagte er entschlossen", und vergesst eure Ausrüstung nicht, und Lady, denk an deine Dienstmarke, du weißt wie oft du sie schon vergessen hast..."
"Aye, sir.

~~~**~~~


"Was ist das denn, Alter? Spürt ihr das auch?" Magnus war vorausgegangen. Er und die anderen Studenten und Lehrlinge waren auf dem Weg in die Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Sie hatten zunächst den Plan geschmiedet, noch vor dem Frühstück [2] in eines der schlauen Bücher zu schauen. Ob sich da eine Lösung ihres Beschwörerproblems fand, wussten sie auch nicht genau. Niemand von ihnen war jemals dort gewesen.
"Wasn? Bleib doch nich einfach stehn. Mist. Jetzt bin ich gegen dich gegengelaufen! Nen Körperkontakt wollt ich eigentlich verhindern, Mann." Rabatz zeterte mal wieder wirsch los, bevor er merkte, was Magnus meinte. Schookii schnüffelte mit erhobener Nase in der Luft herum.
"Ürgändwie komiisch richtt. Aiisän...sso ödää."
"Oh, bitte. Schookii, ich akzeptiere, dass du ein Ausländer bist, dennoch möchte ich dich darauf hinweisen..."
In Korbinius Ausführungen über die richtige Sprechweise platzten die Brüder gleichzeitig: "Magie! Das muss Magie sein. Wir haben mal was darüber gehört... je böser, desto mehr riecht es nach altem Eisen... oder war es verbranntes Eisen?...oder so... ähnlich?!" [3]
"Ich hab echt voll kein gutes Gefühl bei der Sache, Alter."
"Sollen wir nicht doch den Dozenten oder wenigstens den Lehrern Bescheid sagen?" fragte Hagen zaghaft; er war der Sensibelste von allen und hatte von Anfang an Bedenken bei der ganzen Sache. Doch er war eben auch nur ein Opfer des Gruppenzwangs.
"Biste blöde? Dann werden wir alle rausgeschmissen, Alter!", raunzte Magnus, woraufhin Hagen den Kopf senkte und anfing zu weinen.
"Ich hab doch nur Angst das es noch schlimmer wird...", wimmerte er leise. Narf meldete sich nun zu Wort: "Ich teile Hagens Meinung, wir haben doch keine Ahnung was wir überhaupt angestellt haben. Und ich habe keine Lust in die Geschichte einzugehen als 'einer der Gruppe die magischen Blödsinn angestellt haben, der Ankh Morpork tausend Jahre in Angst und Schrecken versetzte, damals im Jahr soundso'. Auch auf die Gefahr hin, das wir alle geschmissen werden. Lasst uns doch einfach abstimmen." Er blickte in die besorgten und unschlüssigen Gesichter seiner Mitleidenden. Sie sahen ein bisschen wie kleine Kinder aus, die Mamas beste Vase beim Spielen zerschlagen hatten und genau wussten das Ärger auf sie zukam.
"Dafür", sagten Koni und Thunfisch schließlich.
"Wofür? Fürs Abstimmen oder das wir beichten gehn?", fragte Rabatz entnervt und versuchte dabei seine Haare zu ordnen.
"Beides."
"Gut, ich werde auch pro stimmen, und zwar für den Plan, dass wir den Dozenten Bescheid sagen. Magnus? Was sagst du?" Korbinius schaute seinen Freund ernst an.
"Ja... man, meinetwegen. Is ja eh alles fürn... Komposthaufen."
"Gut, ich zähle also sechs. Schookii, was ist mit dir? Und Rabatz? Ihr seid sowieso schon überstimmt..." mit hochgezogenen Augenbrauen sah Narf zu den beiden, die daraufhin ihr Zustimmung murmelten. Einige Zeit standen sie schweigend beieinander.
"Lasst uns einen Eid sprechen..."
"Och nööööö, Alter. Fang blos nicht an wie in den Klickern!"
"Wollt ja nur mal..." Korbinius verstummte als er in missbilligende Gesichter blickte. Langsam setzten sie ihren Weg zur Universität fort.

~~~**~~~


"Pfirsichblütenstraße 7? Das muss es sein! Ist ja ein Traumhaus. Echt schön, oder?" Lady Rattenklein war begeistert von diesem schnuckeligen Haus. Kleine putzige Fenster, mit weissen Spitzengardinen, eine kleine putzige Tür, mit kleinem putzigen Türknauf, der restlos verschnörkelt war. Das Haus war in hellrosa und pastellblau gehalten und sah aus wie aus weichem, süßen "Marschmello", der im Winter auf dem ankh-morporkianischen Weihnachstmarkt verkauft wurde. Komischer Weise kam immer jemand auf die Idee das Zeug übers Feuer zu halten, woraufhin nicht viel mehr als ein schwarzer Klumpen übrigblieb... naja manche nannten das Tradition.
"Und das Dach! Erinnert mich ein bisschen an 'ne Wolke...", freute sich Ratti.
"Ja, Lady. Vergiss aber über diesem Traum in Rosa nicht unseren Fall, ja?", ermahnte Larius. Er war kein bisschen von diesem Haus begeistert und fand es einfach nur kitschig... doch die Tür sah so schön weich aus, das er sich beherrschen musste, sie nicht einrennen zu wollen. Er klopfte angestrengt an diese Tür, sie war aus Holz. Sekunden später wurde sie geöffnet. Man erwartete eigentlich ein sanftes flauschiges Geräusch, was entsteht, wenn man ganz sachte ausatmet, doch die Tür machte nur ein ernüchterndes... Türgeräusch.
"Oh, endlich sind sie da! Kommen sie doch bitte herein... mein Junge... er..." Weiter kam die Frau nicht, denn sie fing an zu weinen und zu schluchzen und schnäuzte laut in ihr rosa Taschentuch. Statt noch etwas zu sagen, ging sie voran und bedeutete den Wächtern mit einer schwachen Geste, ihnen zu folgen.

~~~**~~~


"Sie ist nicht hier
Fort, fort
An einen anderen
Schlafenden, träumenden
Ort"


Der Schatten zischte aufgeregt. Wie eine Schlange züngelte er seine Verse, drehte dem letzten hellgrünen Kaninchen den Hals um und hastete zu seinem nächsten Opfer.

~~~**~~~


Rattenklein betrat das Kinderzimmer. Rosa und hellblau. Was sonst? Die Lady fand's toll! Larius war im Vorflur geblieben und fühlte sich etwas fehl am Platz... er wusste nicht genau, wie er seinen Plan mit der Quarantäne umsetzen sollte. Alice war mit der Frau in die Küche gegangen, wo sie anfing, sie zu befragen, was sich bei Frau Jakobait als sehr schwierig gestaltete, da sie immer wieder anfing zu weinen und schließlich bekam sie vor Aufregung Schluckauf. Alice kam zu dem Schluss, dass sie erst einmal die Hand der Weinenden halten und sie mit den üblichen Floskeln beruhigen sollte.
Die Lady schaute sich im Zimmer um. Es war ein stinknormales Kinderzimmer, viele Spielsachen lagen herum, ein Schaukelpferd in der Ecke, sämtliche Tierarten in Plüschausgabe. Ein kleines Bettchen, ein kleines Schreibpult und eine kleine Kommode. Im Bett schlief der Junge. Seine Augenlider flimmerten unruhig und man sah die stetige Bewegung seiner Augäpfel unter ihnen. Die Hauptgefreite legte eine Hand auf seine Stirn, sie war schweißnass aber normal temperiert. Der kleine atmete recht normal, bis auf ein-zweimal tiefes Einatmen ab und an. Die Lady schaute sich seinen Mund näher an und versuchte ihn zu öffnen. Sie holte einen Papierstreifen aus ihrem Koffer hervor, machte einen Abstrich aus dem Mund und schaute ihn an. Es geschah nichts mit dem Streifen. Sie runzelte die Stirn. Kein Gift... jedenfalls keins was durch den Mund eingeführt wurde, sonst hätte sich das "Lakkmuuspapier" sich verfärbt. Die Lady steckte den Papierstreifen in eine kleine Tüte und verstaute sie in ihrem Chemiekoffer. Sie atmete tief ein... stutzte... und atmete noch einmal tief durch die Nase.
"Was ist das denn für ein Geruch?" murmelte sie, "Irgendwie... kalt, beißend, eisenhaltig... oder wie..." Die Obergefreite schnippte mit den Fingern und blickte einige Sekunden mit zusammengezogenen Augenbrauen und schnüffelnd ins Leere. "Angelaufenes Silber!"

In diesem Augenblick riss das Kind die Augen auf. Es fuhr mit einem erstickten Schrei hoch, als ob es seit vielen Minuten nicht atmen konnte und sog heftig und schnell, keuchend, die Luft ein. Ein verstörter Blick huschte durch das Zimmer. Der Junge zitterte am ganzen Körper und konnte weder sprechen noch weinen. Tiefe,verzerrte Züge furchten sein kleines ängstliches Gesicht. Die Lady hätte ihn am liebsten in die Arme genommen und ihm sanft den Rücken getätschelt, leider konnte sie lediglich seinen Handrücken tätscheln, der nun kalt wie Eis war.
"Frau Jakobait!", rief sie vorsichtig, um den Kleinen nicht noch mehr zu erschrecken.
"Kommen sie her! Schnell!"
Die Frau lief sofort in das Kinderzimmer, sah ihr waches Kind und nahm ihn mit einem leisen Wimmern fest in die Arme. Er war schlaff wie eine Puppe und starrte ins Leere.
"Ihr Götter..." schluchzte sie leise in sein Haar, löste sich von ihm und blickte ihm ins Gesicht. Sie nahm das Gesichtchen in ihre Hände und wischte mit mit den Daumen über seine kalten Wangen.
"Sag doch was, mein Schatz! Sag doch was...", flüsterte sie erstickt und schüttelte ihn leicht. Alice, die auch ins Zimmer gekommen war, wisperte zur Lady: "Ich glaube, jetzt sollte ein Püschologe übernehmen... sag wir jemandem von FROG Bescheid..."
"Ja ich denke auch, aber wir sollten uns trotzdem noch etwas umschauen, eigentlich habe ich noch eine Frage an die Frau. Sag mal riechst du das auch? Es riecht nach angelaufenem Silber..."
Alice roch in der Luft herum, verzog aber dann die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf.
"Eigenartig, ich hätte schwören können das es hier so roch. Ich kenne das doch aus dem Labor. Frau Jakobait?", wandte sie sich vorsichtig an die weinende Frau. Die legte den Jungen sachte in sein Bett zurück und drehte sich um, dabei wischte sie eifrig ihre Tränen weg und schniefte herzhaft.
"Ist ihnen ein eigenartiger Geruch aufgefallen, vielleicht schon in der Nacht in der... ihrem Jungen das passiert ist?"
"Nein, nicht das ich wüsste schnüff. Das ist ihm noch nie passiert... was soll ich nur jetzt mit ihm machen? Er ist völlig starr vor Angst." Wieder fing sie an zu weinen.
"Wo ist ihr Mann?", hakte Rattenklein nach.
"Er hatte Proben in der Oper... Julius kommt meist nicht nach Hause wenn größere Auftritte bevorstehen, er schläft dann dort und kommt erst Mittags wieder heim." Frau Jakobait schaute während sie antwortete die ganze Zeit ihren Sohn an. "Jetzt wo wir ihn brauchen...", flüsterte sie.
"Gut, Frau Jakobait. Wir schicken jemanden her, der sich um ihren Sohn kümmern wird. Keine Sorge, das wird schon wieder. Ist ihnen sonst irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?"
Als die Frau aufrichtig den Kopf schüttelte, wussten die Laborantin und die Spurensicherin auch nicht weiter. Obergefreite Alice hatte während des Gesprächs kurz die Türen und Fenster überprüft und den Boden und Ecken abgesucht, doch es war absolut keine Spur zu finden. So beschlossen sie, erst einmal wieder zur Wache zurückzukehren und bei Pismire Meldung zu machen.

~~~**~~~


Die acht Studenten und Lehrlinge befanden sich inzwischen in der großen Halle der UU, sie gingen nur langsam. So, als schöben sie eine große Last vor sich her... was im Grunde auch so war. Immerhin war ihr Gang zu den Obersten der Universität ein Risiko. Erstens wollten Fakultätsmitglieder möglichst wenig mit den Studenten zu tun haben, und wahrscheinlich noch weniger mit keinen Studenten, sprich den Beschwöhrerlehrlingen. Zweitens sagte man über die alten Zauberer sie seien ignorant, faul und hätten Nikotinflecken im Bart. Na gut, letzteres war nicht unbedingt ein Risiko im Bezug auf den Blödsinn den die jungen Männer angestellt hatten, aber es war ekelig.
"Und wenn wir doch erst in der Bibliothek nachgucken? Vielleicht kann man das ganze irgendwie unbemerkt aus der Welt schaffen. Ich hab mal echt keinen Bock auf Stress mit den Chefs!" Magnus war immer noch nicht recht überzeugt von der Idee, den Dozenten darüber Bescheid zu geben, dass irgendetwas Magisches ausgebrochen war. So nannten die Jungen jedenfalls diesen Vorfall.
"Iin Bibliiotääk? Passiiertt habään schliimmääs doortt daa...!!", sagte Schookii mit aufgeregter Mine, es hatte zwar niemand verstanden was genau er gesagt hatte, aber alle verstanden was er meinte.
"Ja." Begann Narf. "Die Bibliotheksführung haben wir noch nicht hinter uns, die soll erst im achtundvierzigsten Semester kommen[4]. Das erstens, und zweitens habe ich auch gehört das schon manche Studenten da nicht mehr rausgekommen sind, Gerüchte besagen, dass es Bücher dort gibt, die mit Eisenplatten zugenagelt sind... außerdem ist mir der Bibliothekar unsympathisch. Es heißt er wird recht cholerisch, wenn man ein bestimmtes Wort sagt. Frage mich wie man so ausrasten kann..."
"Man wie kann man nur so feige sein? Was soll in ner schnöden Bücherei denn großartig abgehn? Alter, ich geh dahin und werd' das Problem beseitigen, Gerüchte hin oder her... stimmen eh nie. Wer kommt mit? Korbinius?" Magnus blickte seinen Freund fragend an.
"Mein alter Freund, du weißt das ich immer zu dir stehe. In guten wie in schlechten..."
"Schwafel nicht!"
"Ja, ich komm mit."
"Gut, gehn wir."
Somit trennten sich die Wege, Korbinius und Magnus gingen in Richtung Bibliothek und die restlichen sechs gingen in Richtung Speisesaal. Sie blickten den beiden sorgenvoll hinterher und hofften darauf, dass Bücher und Bibliothekar gnädig sein würden.

Vor der Bibliothek:


"So, Alter, da sind wir. Man die Tür sieht ja echt schweinedick aus, als ob jemand Bücher klauen würde!", sagte Magnus und versuchte dabei möglichst seine steigende Unsicherheit zu vertuschen.
"Ja, da sind wir. Reich der Bücher! Wissen gebündelt! In goldenen und silbernen Lettern ge...", begeisterte sich Korbinius, als er wirsch unterbrochen wurde: "Korbinius! Wann hast du dir eigentlich angewöhnt so zu labern? Is ja nicht auszuhalten, Alter! Komm, mach die Tür auf."
"Wieso ich denn? Ich bin nur dein treuer Wegbegleiter. Die wichtigen Schritte musst du tun, tapferer Freund!"
Magnus verzog das Gesicht, verkniff sich jedoch eine Bemerkung, fasste den gußeisernen Türknauf an und drehte ihn herum. Es knirschte leise und als der Student die schwere Tür aufzog machte sie ein sattes Geräusch, als ob etwas schweres über einen Teppich gezogen wurde. Die beiden gingen langsam hinein, es war dunkler in dem Raum als draußen. Zwar gab es keine Fenster, doch das hier und da schimmernde Oktarin reichte, um die Bibliothek in ein schummriges Licht zu tauchen. Man stellte sich automatisch Rascheln von Blättern vor und leise eingängige Musik von Streichinstrumenten. Vielleicht existierten diese Geräusche wirklich...
Korbinius und Magnus nahmen wieder den eigenartigen Geruch war, der sie geradezu in ihre Nasen biss. Die beiden dachten bei sich, wie unglaublich groß dieser Raum war. Die Wände waren über und über voll mit Büchern jeglicher Breite und Größe, sie reichten bis an die Decke... wo war die Decke überhaupt? Als Magnus und Korbinius nach oben blickten, sahen sie nur ein schwarzes kleines Loch, wie am Ende eines langen Tunnels. Ihnen wurde schwindelig und sie sahen sich weiter um. Dieser Raum hatte sehr viele Treppen und Gänge, an deren Ende sich eine Tür befand, die von hier aus viel zu klein aussah, als das ein Mensch dort hindurch gepasst hätte. Der Bibliothekar war nirgends zu sehen und auch sonst war die Bücherei leer.
Korbinus ging ganz langsam vorwärts während er sich umschaute. Er merke, wie etwas seine linke Schulter berührte und wendete den Kopf. Er blickte in das Gesicht eines Buches, es grinste fies.
Bevor es nach Korbinus schnappte, hatte dieser schon seine Gefahreninstinkte eingeschaltet und war mit einem Schrei zurückgesprungen. Dieses Buch erinnerte verdammt noch mal an einen bissigen Hund!
"Pass doch auf, man! Renn mich nicht um, nur weil du wieder Gespenster siehst! Komm, wir müssen anfangen zu suchen."
"A-aber... das B-buch ha... hat, da, dies d..da!" Korbinius zitterte am ganzen Körper, er war sich plötzlich überhaupt nicht mehr so sicher, dass er und Magnus schon so ewig lange befreundet sein sollten.
Magnus beachtete ihn nicht weiter. Er hatte sich an die Suche gemacht und beugte sich gerade neugierig über einen Glaskasten mit kleinen Eisstücken... was hatte so etwas hier zu suchen?
"Die Freuden des tantrischen S...oh" er wurde rot und blickte schnell woanders hin. Als er sich wieder gefasst hatte, las er murmelnd vor sich hin. Korbinius stand ängstlich hinter ihm.
"Hm na wollen wir mal sehen... was ist das? Ungeheurer Spaß und seine Geheimnisse...nein nicht wirklich. Und hier? Schoiderig Heißbluts Kompändium über sechssuelle Magieh arghl...Malefizius' Entdeckung der Dämonologie das ist es doch, Korbinius, hier, halt mal!" Mit einem Ächzen hob er das schwere Buch Korbinius entgegen und suchte dann weiter. Er fand noch solche praktischen Bücher wie Gartenarbeit unter schwierigen Bedingungen, diverse Geschichten über mißgebildete Tiere und Mathematik, aber auch Dämonolgie und Kaspar Keiners Follschtändiges Leksikon der Magieh mit Richtliniehen für den Kluhgen.
Sie trugen die drei Bücher zu einem Tisch. Und blickten sie an... ab und zu starrten sie auch unschlüssig.
Nach einer Weile sagte Magnus: "Ich tus jetzt." Er schlug das mit Eisen beschlagene Buch der Dämonologie auf und gab kurz darauf ein Geräusch von sich, wie das laute Knacken eines Lagerfeuers.
Er war fort. Nur seine Sandalen hatten es überlebt und standen qualmend dort, wo ehemals seine Füsse waren. Korbinius überlegte nicht lange und rannte los.
Er rannte in die falsche Richtung und wurde nie wieder gesehn.

Im Speisesaal:


"Was suchen diese Jungspunde denn hier im Speisesaal? Na husch husch...wieder an die..äh Arbeit, oder so. Was auch immer Studenten so tun!", erboste sich einer der Dozenten als die sechs jungen Männer schüchtern den Speisesaal betraten, im Grunde hatte er nur Angst das ihm etwas weggessen wurde, was den Studenten und Lehrlingen die Sorgenfalten ins Gesicht trieb, interessierte ihn herzlich wenig. Der Dekan freier Studien schaltete sich mit ein; er schwang dabei theatralisch eine Hühnerkeule:
"Ja! Genau! Und ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir jetzt plötzlich Beschwörerlehrlinge studieren lassen![5] Habe gehört die können gar nicht richtig beschwören!"
"Das wirste ja sehn, Alterchen!!", platzte es aus Thunfisch heraus, eine Sekunde später tat es ihm schon leid, denn er sah wie sich die linke Augenbraue des Dekans hob.
"Wie bitte??" Der alte Mann biss erstmal herzhaft von der Keule ab und rief mit vollgestopftem Mund: "Ein Mitglied der Befwörergilde wagt ef tatfächlich einen mächtigen Fauberer herauffufordern?" Bei dem Wörtchen "mächtigen" hörte man verhaltenes Gehüstel aus den hinteren Ecken des Speisesaals.
"Ahem... wenn ich was sagen dürfte, Dekan freier Studien? Wir haben da nämlich ein Probl..." versuchte Narf sich, doch er wurde unterbrochen.
"Problem!! Aha! Na das ist mal wieder typisch! Ich habs immer gesagt: Wir sollten keine Studenten mehr aufnehmen, die machen nur Probleme, jetzt haben wir den Schlamassel."
"Nur die Ruhe, Dekan, verschluck dich nicht."
Die neue Stimme kam vom Erzkanzler persönlich, der sich soeben erhoben hatte um das "Problem" persönlich in Augenschein zu nehmen.
"Es ist ungewöhnlich, das Studenten mit Lehrlingen verkehren... aber in gewisser Weise durchaus löblich... nie den Feind aus den Augen lassen, hmmmm?" Ein tiefes grollendes Kichern folgte dieser Einleitung zur Problembewältigung, darauf folgten jedoch durchaus streng gestellte Fragen: "Was ist passiert? Wer ist der Schuldige und wo habt ihr meinen Ersatzhut versteckt? Ich habe gehört, dass Studenten sich damit öfter einmal Scherze erlauben..."

~~~**~~~


Die drei Wächter waren inzwischen wieder zum Wachhaus zurückgekehrt, es war Mittagszeit und bevor sie Pismire Meldung machen wollten, gingen sie in die Pause. Alice machte sich auf den Weg zu F.R.O.G. und gab Bescheid, dass ein Püschologe in die Pfirsichblütenstrasse geschickt werden sollte.

Die drei wussten sich bei dem Fall auch keinen Rat; es gab weder Anzeichen einer Vergiftung, noch eines Einbruchs. Weder Diebstahl noch versuchter Mord noch sonst irgendein Hinweis auf ein Verbrechen. Die Lady, Larius und Alice kamen zu dem Schluss, dass es ein unglücklicher Zufall gewesen war, ein Kreislaufproblem oder etwas in die Richtung... Ärzte waren sie ja alle nicht. Vielleicht fand der Püschologe etwas anderes heraus.
Ratti bekam die Aufgabe den Bericht zu schreiben und ihn Pismire vorzulegen.
"Hm... sehr seltsam, das alles. Ich wüsste im Moment auch keinen medizinischen Rat bei der Sache. Vielleicht gehst du mal zur Oper und redest mit dem Vater. Die Frau schien ja so aufgebracht zu sein, dass sie vielleicht etwas wichtiges vergessen hat." Pismire blätterte in dem Bericht. "Julius Jakobait? Von dem habe ich gehört... er soll ein vielversprechendes Talent sein. Geh zu ihm und versuche was rauszufinden, danach hast du frei, ansonsten ein ordentlicher Bericht, Lady. Wegtreten."
Ratti salutierte und machte sich auf den Weg zur Oper.

~~~**~~~


Die Sonne schenkte der Scheibenwelt einen bezaubernden nachmittäglichen Orangeton, als Lady Rattenklein an der Oper ankam. Sie hatte es nicht weit zu gehen, da sich das Opernhaus direkt am Pseudopolisplatz befand.
Sie nahm die Gelegenheit wahr und schlüpfte durch die Haupttür, als sie von einem Bühnenhelfer, so nahm Ratti an, geöffnet wurde und er einen riesigen Leinensack raus trug. Drinnen schmückten die hoch ausgebaute Eingangshalle Säulen mit sorgfältig eingemeißelten Mustern aus Blatt-, Frucht- und Tierreliefs. Überall hingen Stoffe aus schwerem roten Tuch an den Wänden, die am Boden zu riesigen Schleifen gebunden waren. Zwischen den einzelnen Schleifen bildeten sich geheimnisvolle Nischen, die zu Phantastereien einluden, genauso wie die von Alter und dem künstlerischen Flair schwangeren Luft in dem Gebäude. Die Lady stellte sich die mit festlich gekleideten Menschen volle Halle vor. Alle fieberten der Aufführung entgegen; die Männer in Ihren schwarzen Anzügen, die Frauen in ihren ausladenden Kleidern, mit rosa Rüschen dran... rosa Rüschen... mmmh.
"Kann ich ihnen helfen, kleine Lady?" riss eine tiefe Stimme Ratti aus ihren Tagträumen. Erschrocken zuckte sie zusammen und sah auf. Vor ihr stand ein waschechter Opernsänger!! Jedenfalls entsprach sein Aussehen genau dem Klischee; dick, schwarze zurückgekämmte Haare, Schnurrbart...
"Ähem, ja allerdings guter Mann. Ich suche Herrn Julius Jakobait, mein Name ist Lady Rattenklein, Hauptgefreite der Stadtwache. Ist er hier?"
"Oh, eine Wächterin? Entschuldigen sie bitte! Ich hätte sie gleich an ihrer Uniform erkennen können." Der Mann schnalzte aus Ärger über sich selber mit der Zunge und bedeutet Ratti, ihm zu folgen, was sich als sehr schwierig herausstellte und sie ihn schliesslich bitten musste , sie zu tragen.
Herr Jakobait war mitten in den Proben und schmetterte gerade lauthals eine Arie in Alt. Die anderen Sänger und Statisten machten gerade eine Pause und hatten sich zurückgezogen.



~~~**~~~


"Ich schlaf, ich wach, ich geh, ich steh,
Ich kann dein nicht vergessen;
Mich deucht, dass ich dich allzeit seh,
Du hast mein Herz besessen!
Besitzt es noch!
Wie hübsch war dein Gebärden!
Weil du warst, vielleicht noch bist,
Hab ich doch gar keine Ruh
Auf dieser Welt und Erden!"


Die Augen der Statistin flatterten unruhig hin und her, als sie ein Alptraum überrannte. Heftig wurde ihre Seele erschüttert, denn sie konnte sich nicht gegen die ekelerregenden Obszönitäten wehren, die sie in Ihrem Schlaf mit sich selber sah! Was ihr in diesen Sekunden angetan wurde, sollte sie nie wieder in ihrem Leben vergessen, ihre Seele, ihre Sinne, ihre Gefühle starben in diesem scheußlichen Moment der Vergewaltigung.

"Du bist nicht die,
Die ich besaß!
Deine Seele stirbt!
Ich suhle mich
In dem herrlichen Blut
Deines Herzens;
Und schenke es der,
Die mich wirklich umwirbt!"


~~~**~~~


Herr Jakobait stand nun schweigend und schwitzend mit weit ausgebreiteten Armen auf der Bühne und atmete heftig. Er hielt die Augen geschlossen, als ob er einen imaginären tosenden Beifall genoss, seine schmalen Lippen formten ein Lächeln. Unsensibel wie sie manchmal war, rief Lady Rattenklein: "He, Maestro! Hauptgefreite Rattenklein, ich habe einige Fragen an sie!"
"Wer stört?" fragte Herr Jakobait verärgert blinzelnd.
"Das ist eine Lady von der Stadtwache, Julius, komm von der Bühne herunter und begrüße unseren Gast anständig", schaltete sich der dicke Herr ein, der Lady Rattenklein vorhin ebenso aus ihren Träumereien gerissen hatte.
"Gut, gut." Julius sprang behände von den Brettern und ging zu dem Tischchen auf dem Ratti stand.
"Was gibt es denn? Aber bitte adagio und nicht agitato!", näselte er.
Ratti runzelte die Stirn, aber erzählte ihm mit wenigen Sätzen was sich bei ihm zu Hause zugetragen hatte. Woraufhin Herr Jakobait theatralisch ausrief: "Bei den Göttern! Ich.. ich bin... concitato und dabei so con dolore!! Was? Wie infermale!! Warum kann eine Berceuse con calore so etwas anrichten?"
Als der andere Mann sah, dass Lady Rattenklein kein Wort verstand, flüsterte er ihr die Übersetzungen zu.
Ihr Gesicht erhellte sich ein wenig und sie sagte: "Aber ihre Frau hat keine Schuld daran, Herr Jakobait. Und genau das ist es worauf ich hinaus will; wer hat Schuld an diesem Hergang?"
"Ich habe keine Vorstellung... nie hatten wir Probleme mit so etwas..." Kurzzeitige Nachdenklichkeit wich aus Julius Gesicht und machte "risoluto" Platz: "Das wird ein Postludium haben! Al Fine!"[6] mit diesen Worten packte der Opernsänger seinen Mantel und stapfte aus dem Operngebäude.
"Wenn er erregt ist, dann würfelt er immer einige Fachausdrücke mit in seine Wortwahl", erklärte der Mann aus der Eingangshalle.
"Hmhm, verstehe. Er war aber die ganze letzte Nacht hier?", fragte die Lady nach.
"Ja, ich habe seine Proben beaufsichtigt. A propos, wir müssen unsere Unterhaltung nun beenden, werte Lady. The Show must go on, wie man so schön im Ausland sagt, nicht wahr?" Lachend entfernte sich der dickliche Mann und scheuchte die kichernden, buntberockten Hintergrunddarstellerinnen auseinander, wobei die eine oder andere einen Klaps auf den Hintern bekam, was ein pubertäres Quietschen nach sich zog, was wiederum nach sich zog, das der Mann noch grollender lachte.
Ratti macht sich auf in Richtung Ausgang, hinter sich hörte sie, wie der Regisseur, so dachte sich Ratti nun wenigstens seine Rolle in diesem Schauspielhaus, einige Namen rief. Doch einen am Ende immer wieder und immer lauter...
"Dafne! Daaafneeeeeeeee! Verdammt wo steckt sie?", grummelte der Regisseur.
"Hier Herr Monteverdi, sie schläft", gackerte ein Mädchenstimme hetzerisch.
"Sie tut was? Dafne, steh jetzt auf! Komm schon. Los, aufwachen. Dafne?" Herr Monteverdi rüttelte das Mädchen sanft, aber es half alles nichts. Er drehte sich rasch um und rief sorgenvoll: "Lady Wächterin! Hätten sie die Güte noch einmal kurz her zu kommen?"

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"Nun gut. Oder auch nicht, genau genommen ist es schrecklich!", ließ sich der Erzkanzler erschüttert vernehmen, als Narf ihm alles über das Ritual erzählt hatte.
"Was ihr da getan habt, war nicht nur dumm, sondern auch... recht... ohne... naja dumm eben! Lasst uns das in die Hände nehmen. Und für euch werden wir uns noch eine angemessene Strafe im Ältestenrat überlegen, bis dahin dürft ihr die Toiletten putzen. Hinfort!" Das Oberhaupt der Unsichtbaren Universität deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Tür, sein Kopf abgewandt, die Augen zugekniffen.
Die sechs jungen Männer schlurften niedergeschlagen aus dem Speisesaal, ihrer abstoßenden Aufgabe entgegengehend. Draußen ereiferte sich Rabatz: "Was hab ich gesagt? Wir sind nu alle echt am A...bgrund unserer Karriere! Wir Beschwörer bekommen nich nur ne Strafe von den Zauberern, sondern wahrscheinlich noch von unseren Ausbildern! Gut gemacht, Jungs!"
"Ja, aber du weißt ja nicht, was das Ausmaß von unserer Beschwörung ist! Sei froh das wir das nicht aus dem Weg räumen müssen. Ich habe jedenfalls keine Lust, vielleicht ewig in Angst und Schrecken vor irgendeinem Dämon zu leben. Da wähle ich lieber die Arbeitslosigkeit, oder irgendetwas anderes", fauchte Narf zurück.
Schookii klatschte freudig in die Hände. "Nunn wir Tolättn genn puttsn! Feinlich feinlich! Mak itsch daas!"
Die anderen schauten ihn voller Unverständnis an, schauten sich untereinander an und schauten dann wieder Schookii an.
"Schookii, mein Freund", begann Thunfisch und legte freundschaftlich den Arm um seine ausländischen Kumpanen, "wäre es nicht toll, viele viele Toiletten ganz für sich alleine zu putzen? Ich meine, wir wollen dir den Spaß ja nicht verderben wenn du das gerne tust! Nein, das wäre nur unfair."
Schookii grinste dümmlich, wobei er eine Zahnlücke entblößte, wie sie bei Kleinkindern vorkommt, die gerade ihre vorderen Zähne verloren hatten.
"Dahinten ist die Kammer mit Lappen und Besen... und so was, draußen im Gartenteich findest du Wasser. Wir wünschen dir alle Spaß dabei, schade das wir nicht in diesen Genuss kommen!"
Mit diesem Worten und einem Klapps auf die Schulter gingen die anderen fünf davon. Alle hatten ihr freundlichstes Gesicht aufgesetzt, Hagen wurde mit einer Hand auf dem Mund strampelnd davon gezogen.
Zurück blieb ein überglücklicher Beschwörerlehrling aus Djelibeby.

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"Schon wieder solch ein Fall von plötzlicher Ohnmacht?", fragte Oberleutnant Pismire noch einmal nach.
"Ja, Sir. Ich verstehe das nicht. Die Frau ist genauso verstört aufgewacht wie der Junge. Haben die Püschologen schon etwas herausgefunden?", antwortete Ratti.
"nefer sagte nur das der Junge kein Wort herausbringt und die ganze Zeit mit leeren Augen herumsitzt, völlig apathisch. Sie hat sich vorhin auf den Weg zu dem Statistenmädchen gemacht und müsste eigentlich bald wiederkommen, warten wir ab, was sie da herausgefunden hat."
"Und dieser eigenartige Geruch, Sir. Wie angelaufenes Silber. Ich habe ihn in der Oper wieder gerochen, aber nur ganz kurz bevor das Mädchen aufgewacht ist, dann gar nicht mehr. Genauso wie bei dem Jungen. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu..."
"Da wir offensichtlich an die Gedanken der Opfer nicht herankommen und auch nicht hundertprozentig wissen, dass das alles etwas mit diesem Geruch, was auch immer das ist, zu tun hat, können wir nur abwarten. Offensichtlich ist weder der Vater des Jungen noch die Mutter schuldig. Man hat ja absolut keine Spuren gefunden und Herr Jakobait hat ein wasserdichtes Alibi. Ich sage es ungern, aber wir müssen einfach abwarten wo und ob ein nächster Fall auftritt."
"Wie du meinst, Sir. Dann gehe ich jetzt schlafen. Gute Nacht, Sir."
Ratti salutierte und machte sich auf in ihr Zimmerchen.
Während sie in ihrem Bett vor sich hin dämmerte und noch halb dem Geschehen draußen lauschte, waren fünf junge Männer in bunten Roben auf dem Pseudopolisplatz unterwegs und stolperten von einer in die nächste Kneipe.
Ihre gröhlenden Stimmen drangen zu Lady Rattenklein herauf als sie an dem Wachhaus vorbei kamen, so dass sie ärgerlich wurde. Sie hasste es beim Einschlafen gestört zu werden, vor allem nach so einem Tag.
"Wischt ihr, Freunde. Eigentlisch ist die Schache doch gar nischt so schschlimm wie schi auszuschehen schscheint hicks, immerhin haben WIR etwasch beschworen! Und isch bin schtolz auf misch. Jawohl!", lallte Rabatz und kippte mit erhobenem Zeigefinger nach hinten um.
"Er verträgt nie den Knieweich, dass sagt er sich vorher jedesmal..." Sorgenvoll betrachtete Hagen seinen Kollegen der laut zu schnarchen anfing und sich gemütlich an den Asphalt kuschelte.
"Japp, japp, japp", sagte Koni. "Eigentlisch schind wir scho etwasch wie magischsche Hicksn...äh Helden! Der Dämon wird schon wieder eingefangen werden...i ch wüsste nur gerne wasch dasch überhaupt fürn Ding ischt! Roch ja wirklich ganz schschön eigenartig!"
"Pschschschscht! Nicht so laut, Koni! Lass uns weiter gehn, wir stehen ja genau vorm Wachhaus", warnte Narf, packte sich den schnorchelnden Rabatz und sie gingen fort in Richtung Universität, bzw. Beschwörergilde.
Ratti war inzwischen mehr als wach. Sollte sie ihnen folgen? Das klang alles sehr verdächtig, obwohl sie von Dämonen und magischen Zeug eigentlich nichts verstand und eigentlich auch nur Laborantin war und kein Beschatter, doch es wurde ein Geruch erwähnt und die Beschwörung von der sie sprachen konnte auch nicht allzu lange her sein. Sie musste einfach aufstehen und hinterherlaufen, hoffentlich war es noch nicht zu spät, aber über die Dächer könnte sie es schaffen!
Die Gnomendame schnappte sich ihren kleinen Wurfhaken und ihr Seil und schlüpfte im Nachthemd durch das Fenster. Schnell warf sie den Haken aufs nächste Dach. Sie rannte und sprang und kletterte, wie sie noch nie gerannt und gesprungen und geklettert war. Es war jedoch nicht sehr schwer die betrunken Jungen einzuholen, weil einige von ihnen sehr doll schwankten und die anderen sie immer wieder hochzerren mussten. So hatte Ratti wenig Mühe Schritt zu halten und konnte in Ruhe weiter lauschen was die Kerle von sich gaben.
Die Obergefreite hörte eine Menge Schwachsinn darüber, dass die Roben der Zauberer wie Kleider aussahen, über (eher erlogene) Mädchengeschichten und das irgendsoein Typ aus Djelibeby Toilettenreinigungsfetischist war.
Als die fünf jungen Männer an der Stelle angekommen waren, wo sie sich trennen mussten, blieben sie kurz stehen und sagten einige Minuten gar nichts. Alle waren wieder etwas nüchterner, außer Rabatz den man auf eine Bank in der Nähe gelegt hatte.
"Und wie sollen wir jetzt weitermachen? Mir ist nicht gut bei dem Gefühl das wir jetzt ganz raus aus der Sache sind, vielleicht benötigt man genau die gleichen Personen für die Verbannung, wie für die Beschwörung... so ist es doch immer bei Ritualen. Irgendetwas geht außerdem immer schief... das hab ich mal gehört...", sagte Hagen.
"Ja, das haben wir ja nun gesehn. Ich hoffe nur das das Ding was wir da freigelassen haben nichts anstellt", bemerkte Narf bedenklich. "Naja, wenn merkwürdige Dinge geschehn, dann werden wir es ja in der Times lesen. Ich bin hundemüde, ich muss ins Bett. Gute Nacht Jungs."
Narf entfernte sich. Mit ihm kamen Koni und sein Bruder Thunfisch, Hagen blieb zurück und traute sich in dieser Dunkelheit keinen Meter weit. Er starrte auf Rabatz, der seelenruhig auf der Bank schlief. Das war doch die Gelegenheit! Ratti kletterte vom Dach, sprank auf die Bank und rief: "He du da!"
Hagen fuhr erschrocken zusammen, lies sich fallen und kauerte sich heulend auf den Boden.
"Hey, heul doch nicht gleich, Jungchen." Ratti sprang von der Bank und lief zu Hagen. Sie berührte ihn an der Schulter, woraufhin er zusammenzuckte, sich blitzschnell umdrehte, aufsprang und schreiend davonlief.
"Na, das hab ich auch nicht erlebt bei einem Mann, wenn ich ihn berührte...", murmelte die Lady und blickte zu dem Kerl auf der Parkbank. Kurzentschlossen riss sie ihm ein Haar aus, drückte seine Finger gegen den Wurfhaken und nahm einen Fussel von seiner Robe an sich. Dann verschwand sie auf leisen Sohlen.

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"Hallöchen! Wer bist du denn, Süße? Dreh dich doch mal um, damit ich in dein schönes Gesicht gucken kann. Na los, nicht so schüchtern, Baby."

"Schläfst du, Geliebter?
Ist süsser als mein Kuss dein Traum?
Hör nur, ein kleines Vögelein
Singt dort im Lindenbaum!"


"Oh, was willst du denn mit solchen Handschuhn? Ist das nicht ein bisschen gefährlich für eine so schöne Dame? Ähem... und jetzt? Was..?"
"Ich lieg in ewigem Schlummer.
Nun klagst du, Mann. Was ist dein Kummer?
Liebe ohne Leid mag wohl nicht sein,
Und keines ist so groß wie mein!"


Blut spritzte nach allen Seiten. Aus den weit aufgerissenen Augen des schönen Mauritius quollen seine Augäpfel hervor und ein blubberndes Gurgeln zeugte von einem bluterstickten Hilferuf. Die grausame Schönheit sang engelsgleich im Rhythmus ihrer Schlitzerei weiter:

"Da sprach die schöne Frau aus Tränen:
Du rittest fort und ließest mir das Sehnen.
Ach, du entführtest mir Freude und Glück!
Wann kehrst du wieder zu mir zurück?"


Vom blütenweißen Kleid der Muse triefte dunkelrot der Saft des Lebens. Kristallklare Tränen rannen über ihre weichen weißen Wangen und sie lächelte befriedigt und doch konnte man ihre verzweifelte Sehnsucht nicht übersehen. Sie wirbelte um die eigene Achse und verschwand. Majestätische Vögel mit weißem Gefieder blieben zurück und schwangen sich erhaben in die Lüfte.

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"Was suchen diese Bücher aufgeschlagen hier?" Der Erzkanzler blitzte wütend in die Runde seiner Kollegen, die aber nur mit den Schulter zucken konnten. Sie waren nach einer kurzen Beratung in die Bibliothek gegangen.
"Bibliothekaaaaar!", rief das Oberhaupt der UU. In der Ferne hörte man ein leises Ugh und klatschende Laufgeräusche, die sich in ihrer Lautstärke immer mehr verringerten.
"Dann eben nicht. Dieser Feigling...", grummelte der Erzkanzler in seinen Bart und fing an, vorsichtig in einem der Bücher zu blättern, wobei er ab und an wispernde Geräusche von sich gab, manchmal nickte und öfter ein zustimmendes Hmhmmmmm verlauten ließ.
Die anderen Zauberer drömelten derweil in der Gegend herum, staksten an den Regalen vorbei, wischten geschäftig tuend ein Staubkörnchen mit spitzem Finger ab oder versuchten wissend auszusehen.
"Nun", begann ihr Oberster, "das könnte behilflich sein. Hier steht: Bruder Strengmeisters wirkunsvoller Natterbann und andere Nützlichkeiten: ...Nun also, da man den dämonischen Dämon, oder Geist, oder Untoten, oder gar nichts von alledem heraufbeschworen gehabigt hat, ist es kein Leichtiges ihn wieder zu verbannigen. Man benötiget mindestigens einen der Beschwöriger, der ein Herz aus Mut hat und nicht sehr an seinem Leben hängigt. Zweitigstens sieben andere Verrückte, die das Oktett bilden, was es um das Oktogramm sich zu stellen gildigt. Des Weiteren ein paar Kerzen für die Athmosphäre und genügigent zu essen, falls etwas FURCHTBARES UNVORHERGESEHENES zu passieren es sich anzuschicken tut..."
"Sehr hilfreich", meldete sich der Dekan Freier Studien spottend. "Und das soll uns weiterhelfen?"
"Abwarten, Dekan, hier steht ganz klein geschrieben der Spruch. Deine Aufgabe ist es, ihn sieben-plus-einmal-du weißt-schon auf kleine Zettel zu schreiben, aber hüte dich ja davor ihn laut auszusprechen! Und du, Quästor, sorge dafür das wir einen dieser Studenten bekommen, oder einen der Lehrlinge! Ich weiß zwar selber nicht was die jungen Hosen da beschworen haben, aber ich möchte es so schnell wie möglich beenden. Oberster Hirte, du besorgst die Kerzen und das Essen... schließlich dürfen wir kein Risiko eingehen."
Damit klappte der Erzkanzler das Buch zu, steckte es sich unter seinen Mantel und schritt ehrwürdig zu den frischgeputzten stillen Örtchen.



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"Der Junge, das Mädchen und jetzt noch ein männlicher Statist", stellte Oberleutnant Pismire am nächsten Morgen fest, als Larius De Garde ihm Bericht erstattete, dass sich ein dritter Fall von dieser seltsamen Ohnmacht ereignet hatte.
"Meinst du, Sir, die Reihenfolge ist absichtlich?", fragte der Chief-Korporal.
"Ich bin mir nicht sicher. Wenn es so wäre; was würde denn dann als nächstes kommen? Und außerdem wissen wir auch noch gar nicht ob wir es hier mit einem Täter bzw einer Täterin zu tun haben, oder nur mit einer ominösen Krankheit, die noch völlig unbekannt ist. Auffällig ist es zwar schon, dass erst der Sohn eines Opernsängers, dann zwei Leute aus der Oper selbst zum Opfer werden. Wir stehen vor einem sehr schwierigen Rätsel habe ich das Gefühl; die Püschologen bekommen nichts heraus, es gibt keine Spuren, außer einen seltsamen Geruch, den aber auch nur Lady Rattenklein bisher wahrgenommen hat und dieses Indiz somit auch nicht verwertet werden kann und auch die besten Ärzte wissen sich keinen Rat."
Pismire stützte sich auf seine Hände und blickte Gedankenverloren ins Leere. Larius wusste auch nicht weiter. Es klopfte an der Tür.
"Herein", sagte Pismire, woraufhin sich die Tür öffnete und Pyronekdan ins Büro trat.
"Sir." Er salutierte, auf seiner Schulter saß Hauptgefreite Rattenklein und salutierte ebenfalls.
"Gefreiter Pyronekdan? Was führt dich denn hier her?", stutzte der Schamane. Ratti antwortete schnell: "Das ist auf meinem Mist gewa... ähem, ich meine, ich habe ihn hergebracht, Sir! Letzte Nacht habe ich nämlich etwas gehört, was uns vielleicht weiterhelfen könnte. Es ist nur so eine Idee, aber eventuell klappt es und..."
"Haptgefreite Rattenklein?"
"Ja?"
"Würdest du bitte aufhören um den heißen Brei herumzureden und mir endlich berichten, was du erstens letzte Nacht außer Dienst getrieben hast und zweitens, was Pyronekdan, der eigentlich bei R.U.M ist, mit unserem Fall zu tun haben soll?"
Langsam wurde Pismire ungeduldig. Ihn wurmte es, wenn er bei einem Fall vor so einer Mauer stand wie bei diesem.
"Äh ja, natürlich, Entschuldigung, Sir. Also ich habe letzte Nacht Leute vor meinem Fenster gehört, die sich über Beschwörung und so Zauberkram unterhalten haben. Sie erwähnten auch einen Geruch und das sie etwas freigelassen hätten. Ich bin ihnen nachgerannt und fand heraus das es Lehrlinge der Beschwörergilde und Studenten der UU waren. Doch ich kam nicht dazu, sie zu befragen. Habe aber sicherheitshalber die Fingerabdrücke eines betrunkenen Kumpanen von ihnen genommen und noch ein Haar und eine Stoffprobe seines Umhanges. Man weiß ja nie..." Sie sah die hochgezogenen Augenbrauen ihres Vorgesetzten und fuhr hastig fort: "Jedenfalls dachte ich, da unser guter Pyronekdan hier ja auch ein Zauberer oder so was ist, und dazu noch Informantenkontakter, dass er sich mal in der UU umhören könnte, ob diese Beschwörungssache etwas mit unserem Fall zu tun hat. Und gegebenenfalls... diese Sache wieder zurück... beschwören... könnte..." Ratti stockte, als sie sich selber reden hörte. War das nicht eine Nummer zu groß für die Stadtwache?
"Ich denke, Lady, dein Einsatz ist zwar lobenswert, aber ich bin mir nicht sicher, ob so etwas nicht eine Nummer zu groß für die Stadtwache wäre", wiederholte der Schamane ihre Gedanken.
"Aber wir hätten Gewissheit, dass kein normaler Täter hinter den Ohnmachtsanfällen steckt und ich würde das gerne in die Hand nehmen, ich war lange nicht mehr in der UU", schaltete sich Pyronekdan eifrig ein.
Pismire sah ihn lange an. Er war erst Gefreiter, konnte sie das Risiko eingehen und ihm dabei freie Hand lassen? Andererseits sollte er ja nur bei ein paar Bekannten nachfragen ob sie irgendetwas über eine Beschwörung wussten.
"Na gut. Du hast zwei Tage Zeit, Gefreiter, danach lässt du S.U.S.I. daran weiter arbeiten."
"Wenn das überhaupt nötig ist", rutschte es Pyro vorlaut heraus, er presste sich sofort die Lippen aufeinander und quetschte ein: "Natürlich, Sir", hervor.
Pismire achtete nicht weiter darauf und sagte zu Lady Rattenklein: "Du sagst Sillybos Bescheid, ich werde mit ihm die Oper von oben bis unten durchsuchen und alle Mitarbeiter, Statisten und was da sonst noch rumläuft befragen. Ich will entweder hundertprozentig ausschließen können, dass ein jemand an den Anfällen Schuld ist, oder hundertprozentig sicher sein, das es einen Täter gibt. Wegtreten!"

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"Ihr rosenfarbener Mund,
Und ihre schönen, lichten Augen,
Ihr reizgeschaffner, zarter Leib,
Die machten manche Stund,
Dass Lust mir nimmermehr wollt taugen.
Das bedenk, du schönes Weib,
Und mach mir erneut leicht das Leben!
O reich mir bald die zarte Hand,
Sonst muss ich stets im Dunklen schweben."


Der Schatten schluchzte bitterlich.

"Denk der Treue,
Die wir uns weihten,
Löse mir das schwere Band!"


Doch erneut wich die Verzweiflung über seinen Verlust der Wut über die Vergangenheit...

"Lachend hat mein Leben dich gewonnen,
Doch ich war so dumm!
Ich liebte Sang und Tanz bald mehr als dich!
Und mein Talent...
Du dachtest ich ging fort von dir,
Doch, Wahrheit! Seine Gier
Die nahm kein End.
Und endlich
Brachte er mich um...
Und meine Seele, du, warst mir entronnen."


Er eilte vorbei an den alten Gemälden, die einen stattlichen Mann zeigten, an seiner Seite eine wunderschöne Frau. Beide strahlten vor Glück...

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Schlaftrunken wanderte Narf zur Tür. Wer konnte bloß so früh stören? Er öffnete sie, drehte sich wieder um und wankte wieder zu seinem Bett.
"Lass mich noch ein Stündchen schlafen, ich hab heute eh keine Lust auf lernen. Außerdem ist Samstag und..." weiter kam er nicht mit seinem müden Gebrabbel, denn ihm wurde so heftig die Decke weggezogen, dass er mitgerissen wurde und unsanft auf den schartigen Holzdielen landete.
"Student! Was fällt dir ein, ein hohes Universitätsmitglied derart zu begrüßen??", empörte sich der Quästor, "Es ist zwölf Uhr mittags! Und wie du aussiehst! Des weiteren stinkst du wie ein ganzes Fass Bier! Steh gefälligst auf, wenn ich mit dir rede! Und... meine Güte! Zieh dir etwas an!"
"Oh, Quästor...ich bitte um Entschuldigung." Beschämt zog Narf an der Decke und bedeckte seine nackten Stellen.
"Du, oder jemand anders von euch, die ihr an dem Ritual teilgenommen habt, sollst morgen Abend mit uns das Rückführungsritual veranstalten. Einigt euch schnell. Und ihr solltet wissen, dass es dieses Mal noch gefährlicher werden wird; ihr könnt eigentlich froh sein, dass ihr vorgestern nicht gestorben seid! Und jetzt wasch dich und geh zu deinen Freunden von der Beschwörergilde!" Mit diesen Worten und ziemlich viel Wut im Bauch verließ er das karge Zimmer des Studenten, der nicht wenig ängstlich und mit aufgerissenen Augen zurückblieb. Er konnte sich schwerlich nach einige Minuten fassen, zog sich doch dann hastig an und rannte zur Tür heraus und in das Zimmer der Brüder.

Etwa eine Stunde später waren alle sechs Jungen vor dem Gebäude der Beschwörergilde versammelt und hatten zunächst einmal nur Angst.
Hagen brach das Schweigen: "Wer soll gehen?"
Die anderen guckten ihn nur betreten an. Das war die Frage, die sich keiner zu stellen wagte.
Rabatz rief aufgebracht: "Wegen diesem blöden Mist haben wir vermutlich schon zwei Leute verloren! Oder habt ihr Korbinius und Magnus schon irgendwo wiedergesehn?? Ich hab keine Lust, dass noch jemand von uns draufgeht..."
"Es besteht das Risiko, dass man draufgeht, aber hundertprozentig ist das nicht...", sagte Narf, "Aber trotzdem: Wer soll gehen? Wie können wir das entscheiden? Wenn sich niemand freiwillig meldet..." Er blickte ernst in die Runde und wartete einige Sekunden. Dann fuhr er fort: "...dann muss das Los entscheiden. Oder wir gehen alle. Wer ist für alle?"
Narf und Rabatz hoben die Hand.
"Wer ist für das Los?"
Niemand gab Handzeichen.
Beherzt sprach Narf weiter: "Ich fände es nur gerecht, wenn wir uns alle dem stellen würden. Schließlich haben wir diesen Unsinn auch verzapft!"
"Der Meinung bin ich auch", sagte Rabatz ernst. Er wagte kaum es sich einzugestehen, aber mittlerweile betrachtete er diese jungen Männer als Freunde und hätte nur schwer darauf verzichten können, einen von ihnen zu verlieren.
"Nun sagt doch etwas dazu!", schrie Narf die anderen an; er hasste verfahrene Situationen.
Koni, Thunfisch, Schookii und Hagen nickten fast unmerklich mit dem Kopf und Koni sagte ängstlich: "Gut... gehen wir zum Erzkanzler."

~~~**~~~


Mittlerweile waren Pismire und Sillybos schon seit zwei Stunden dabei, die Oper zu durchforsten und Mitarbeiter zu verhören. Sie hatten noch keinen Anhaltspunkt gefunden und der Oberleutnant wurde zunehmens nachdenklicher. Wieso gab es bloß absolut keine Spur? Die Püschologen wussten nichts, die Ärzte wussten nichts und die Ermittler wussten auch nichts. Niemand benahm sich auffällig in dieser Oper oder verhaspelte sich in seinen Aussagen.
Der Schamane war dabei, eine Freundin des letzten Opfers zu befragen, während sich Sillybos in den älteren Räumlichkeiten des Schauspielhauses umsah. Er war in Begleitung von Herrn Monteverdi.
"Wer ist dieser Mann auf diesen ganzen Gemälden? Es sind hier recht viele von ihm zu sehen."
"Das ist, soweit ich weiß, Monsieur Nellivier. Es ist schon lange lange her, dass er an dieser Oper sang. Ich weiß aus den Chroniken der Oper, dass er ein großes Talent war und die bedeutendsten Schauspiele aufführte. Man sagt, dass er eine Stimme aus Gold hatte... zu gerne hätte ich ihn einmal gesehen! Es werden viele Geschichten erzählt, Herr Sillybos. Legenden, könnte man schon fast sagen."
"Wieso hängen die Bilder hier und nicht im Festsaal? Oder in der Eingangshalle?"
"Nun, das ist wohl wegen einer Begebenheit so, die heutzutage sehr viele Löcher aufweist. Es steht nicht einmal in den Opern-Chroniken was genau mit ihm passiert ist. Er war auf einmal verschwunden. Die Vermutung lautet, dass er an einer anderen Oper im Ausland weitergemacht hat, ohne jemandem davon zu berichten. Aber es gibt Spekulationen über Spekulationen. Ein... Märchen möchte ich beinahe behaupten, berichtet davon, dass er aus Neid um sein immenses Talent umgebracht wurde und seine damalige Versprochene - eine wunderschöne Frau übrigens, wie sie auf den Bildern sehen können - aus Gram und Trauer über sein Verschwinden gestorben ist, weil sie dachte, er hätte sie verlassen. Ein anderes besagt, dass er immer noch in den Gewölben der Oper als Geist herum irrt und seine Liebste sucht, sie aber in den oberen Räumen als bösartige Hexe auf ihn wartet um sich an ihm zu rächen oder ihn wieder in ihre Arme zu schließen, wer weiß das schon? Alles Hirngespinnste, die von romantischen Köpfen erdacht wurden, wenn sie mich fragen."
"Umgebracht? Wer soll ihn umgebracht haben?" Sillybos fand diese Geschichte spannend.
"Sehen sie auf diesem Bild..." Der dicke Regisseur deutete auf eine Art Gruppenbild in der Reihe, "...den Mann mit dem Vollbart? Zweite Reihe, dritter von Links."
"Ja, den sehe ich, ziemlich blass der Gute", witzelte der Wächter.
"Allerdings", grinste Monteverdi. "Doch er, ein Mann aus dieser Gegend, sein Name war Chakrobeit, wurde den Geschichten nach verdächtigt ihn bestialisch umgebracht zu haben. Sie kennen ja diese Stories: abgehackte Köpfe, Gliedmaßen ins Moor geworfen, den Rest aufgegessen. Ich halte nichts von alledem. Ich glaube fest, dass er an einer größeren Oper oder irgendwo anders sein Glück versucht hat."
"Wie hieß die Frau?", interessierte sich der Korporal.
"Hm... lassen sie mich einen Moment überlegen. Die Schönheit... sie war doch wirklich eine Fee nicht wahr? Hmmmm." Er schnippte mit den Fingern und streifte mit der anderen Hand über sein Kinn, dann hob er lächelnd den Kopf und fuhr fort: "Sie hieß Isabella Martiné. Doch über sie weiß ich so gut wie nichts. Ich habe ihnen schon alles erzählt was ich über sie weiß, aber wenn sie möchten können sie gerne einen Blick in die Chroniken werfen, dort stehen Familiengeschichten sowie Stammbäume drin. Sie scheinen sich sehr für diese Geschichte zu interessieren", bemerkte Monteverdi amüsiert aber keinesfalls abwertend. Er freute sich, wenn er über sein Metiér erzählen konnte.
"Ja, wenn ich diese Bücher auch mitnehmen kann, das wäre sehr nett. Noch eine Frage: Wann ist denn diese ganze Sache passiert? Wann verschwand Monsieur Nellivier?"
"Im Jahrhundert des schweigenden Schmetterlings."
"Das ist ja ewig her!" Sillybos rechnete nach: "Das sind ja über zweihundert Jahre!"
"Richtig. Diese Oper ist sehr alt. Und nun hier entlang ich gebe ihnen die Bücher mit", sagte sein Begleiter.

Pismire wartete schon auf seinen Kollegen und zog die Augenbrauen hoch, als er die Bücher sah.
"Hast du was gefunden? Das sind ja riesen Wälzer!"
"Ja, die Chroniken der Oper, ich... naja ich nehme sie einfach mal mit", antwortete Sillybos etwas peinerfüllt, er hätte vielleicht doch noch mehr nach Spuren suchen sollen... wo gar keine waren, vermutete er.
"Nun gut", grummelte der Schamane, "Ich bin hier fertig, wir werden diesen Fall wohl bald ablegen müssen, wenn wir in der Richtung der Zauberer auch nichts herausfinden."
Er verabschiedete sich bei Herrn Monteverdi und ging hinaus, Sillybos tat es ihm gleich.

~~~**~~~


"Hallo Kollege Pyronekdan! Und auf Wiedersehen, ich habe im Moment keine Zeit..." Der Quästor wollte an dem Gefreiten vorbeieilen.
"Warte! Wo kann ich den Erzkanzler finden? Ist er in seinem Zimmer?", hakte dieser nach.
"Nein, wir haben jetzt eine wichtige Besprechung. Komm doch morgen früh wieder... ich muss nun auch dorthin." Wieder beschleunigte der Zauberer seinen Schritt.
"Aber es ist wichtig!", rief Pyronekdan ihm hinterher. Doch der Quästor hob nur winkend den Arm und lief weiter.
"Na gut, dann muss ich wohl ungebeten zum Erzkanzler kommen", dachte der Wächter bei sich und schlich ihm nach zum Konferenzraum der Universität.

Dort angekommen sah er noch, wie sich die schwere Tür hinter dem Quästor schloss. Pyronekdan ging vorsichtig hinüber, stellte sich an die Tür und versuchte zu lauschen. Er hörte zunächst nur gedämpfte Stimmen, die einen ernsten Unterton inne hatten. Aber er konnte kaum die Worte verstehen, also beugte er sich hinunter zum Schlüsselloch und presste sein Ohr dagegen. Jetzt ging es etwas besser.

Im Konferenzraum:

Der Erzkanzler stand am Kopfende eines ovalen Tisches. An dem Tisch saßen noch der Quästor, der Dekan Freier Studien, der Oberste Hirte und die sechs jungen Männer.
"Nun," setzte der Erzkanzler an, "wie ihr alle wisst, haben wir uns hier versammelt um das Ritual für morgen Abend zu besprechen. Ihr sollt euch alle darüber im Klaren sein, dass es sehr gefährlich werden kann." Er machte eine Pause um seine Worte etwas wirken zu lassen, dann fuhr er fort: "Wie ich sehe sind sechs der Beschwörer dazu bereit, an dem Ritual teilzunehmen, sehr löblich. Ich schlage vor, dass ihr auch alle daran teilnehmt. Dazu werden ich und...", er blickte nachdenklich in die Runde, "der Quästor stoßen." Der genannte öffnete den Mund, sagte aber nichts, sondern nickte nur.
"So, nun zu den Einzelheiten unseres Vorhabens; Dekan, hast du die Zettel?"

Vor dem Konferenzraum:

Also findet doch eine Beschwörung statt, dachte Pyronekdan aufgeregt. Und die jungen Männer, von denen Lady Rattenklein erzählt hat, sind anscheinend auch mit von der Partie.
"Das muss ich sehen", sagte er halb laut zu sich selber.
"WAS MACHST DU HIER??", schrie ihn von hinten jemand an, so das der Wächter heftig zusammenzuckte und sich erschrocken umdrehte. Hinter ihm stand ein Brüller.
"Ich...ichichich...", stammelte Pyronekdan und schaute besorgt zu der Tür, in Angst, dass ihn jemand gehört hatte. "Ich habe mich etwas verirrt", log er und versuchte sich etwas von der Konferenzraumtür zu entfernen und den Brüller auch aus der Gefahrenzone zu drängen.
"WAS SUCHTEST DU DENN, BEI DESSEN DU DICH VERIRRTEST??", schrie der Brüller.
"Ich wollte eigentlich mit dem Erzkanzler sprechen, aber er scheint beschäftigt zu sein", erwiderte der Gefreite.
"WARUM WOLLTEST DU DEN ERZKANZLER SPRECHEN, DEN DU SUCHTEST BEI DESSEN DU DICH VERIRRTEST??", schrie der Brüller.
"Psst nicht so laut, Mann. Ich komme wohl besser morgen wieder." Der Informantenkontakter machte sich rasch aus dem Staub, bevor der Brüller noch die ganze Universität auf ihn aufmerksam machte, er hatte genug gehört.

Wieder auf dem Weg zum Wachhaus dachte Pyronekdan nach; Ein Ritual? Er hatte schon von einigen Ritualen gehört, und fand die ganze Sache unheimlich spannend. Könnte er den freigelassenen Dämon nicht versuchen, selber zu verbannen? Dann hätte er bei Kommandeur Rince und womöglich auch bei der Unsichtbaren Universität ein Stein im Brett! Nur musste er den richtigen Zauber anwenden. Und den galt es bis spätestens morgen Abend zu finden, sonst kämen ihm die Zauberer zuvor...
Er eilte also so schnell es ging zum Wachhaus und setzte sich dort über seine Bücher. Für die nächsten paar Stunden würde er erst einmal beschäftigt sein.

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Sillybos saß in der Wanne, nahm sein abendliches Bad und genehmigte sich einen Blick in die Chronik der Oper. Er war etwas aufgeregt, denn dieses Buch war schon sehr alt. Und wenn er sich vorstellte, wie irgendein alter Autor mit zittrigen Fingern diese Tinte aufs knittrige Papier damals niederschrieb, was jetzt er in den Händen hielt, bekam der Wächter doch eine leichte Gänsehaut.
"Na dann wollen wir mal sehen", murmelte er und schlug vorsichtig das Buch auf. Es fing an mit Beschreibungen der Oper und einer Abhandlung darüber, welche Stücke zu der Zeit aufgeführt wurden. Dann folgte eine ellenlange Reihe von Personen und dessen Beschreibungen und Stammbäumen.
Sillybos suchte nach den Namen, die er heute von Monteverdi erfahren hatte. Er las halblaut mit: "Monsieur Jaques Nellivier, Acteur, verlobt mit Isabella Martiné [siehe unten], geboren am achzehnten Mai i.Jh.d.s.S. verschollen am sechsten Gruni i.Jh.d.s.S. verherrlichter Künstler...
Olivier Chakrobeit, Acteur, verheiratet mit Isabella Martiné...er war mit der Frau verheiratet??"
Der Wächter las weiter unten: "Isabella Chakrobeit, geb. Martiné, Actreuse, verlobt mit Monsiur Nellivier, verheiratet mit Olivier Chakrobeit [siehe unten], geboren am dritten März i.Jh.d.s.S., gestorben am achten Spuni i.Jh.d.s.S., Nebendarstellerin, häufig mit Nellivier zusammen aufgetreten, drei Kinder; Franziska de Martiné, Josef de Martiné und Dante Nellivier...
Tatsächlich, und ein Kind hatte sie von Nellivier und zwei von Chakrobeit." Sillybos dachte einen Augenblick nach, runzelte die Stirn und schlug das Protokoll ihres Falles auf, was er sich neben die Wanne gelegt hatte.
"Hanjo Jakobeit...Jakobeit, Chakrobeit..klingt ziemlich ähnlich." Er blätterte weiter zu den nächsten Opfern. "Dafne Martin und Mauritius Nelli. Nelli-Nellivier; Martin-Martiné...ist das Zufall?" Der Korporal blinzelte mit den Augen.
"Heureka! Dann wären Dafne Martin und Hanjo Jakobeit ja verwandt! Und Nelli wäre der Nachfahre von dem großen Opernsänger, und auch er wäre mit den beiden verwandt... meine Güte."
War es wirklich so? Und wenn ja, wie passte das mit dem Fall zusammen? Er war ganz verwirrt und versuchte seine Gedanken zu ordnen; der angebliche Mörder von Nellivier war Chakrobeit, hatte Monteverdi erzählt. Es wurden zwei fast direkte Nachkommen von Chakrobeit "krank" und ein indirekter. Nelli stammte direkt von Nellivier ab, wenn Sillybos Vermutung über die Verwandtschaft richtig waren. Aber solange er nichts über die Familiengeschichte der einzelnen Opfer wusste, half alles Spekulieren nichts. Er müsste die Stammbäume über mindestens vier Generationen zurückverfolgen lassen um Gewissheit zu haben. Ob er Pismire jetzt noch stören konnte? Ja, es war wichtig! Korporal Sillybos hüpfte aus der Badewanne, zog sich blitzschnell an und hastete mit dem Buch unterm Arm zu Pismires Büro, vielleicht war er ja noch dort.

In Pismires Büro:

Es klopfte heftig an der Tür, als Pismire gerade seine Unterlagen geordnet hatte und fertig war zum nach Hause gehen. Er zuckte ein wenig zusammen, denn um diese Zeit erwartete man eigentlich niemanden mehr in den Büros, sondern am Wachetresen.
"Ja?", sagte er und herein stürmte Korporal Sillybos.
"Oberleutnant! Guck dir das mal an!", rief er aufgeregt und vergaß, zu salutieren.

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Etwas ermattet trudelten nach und nach Larius de Garde, Alice, Pyronekdan und Lady Rattenklein in Pismires Büro ein. Auch wenn der Schmane nicht an etwas Übersinnliches bei diesem Fall glaubte, teilte er immerhin Sillybos Meinung darüber, dass der Aspekt mit der Verwandtschaft in dem Fall wichtig sein könnte. Es war einfach zu auffällig.
"Und wir sollen jetzt zu den Familien der Opfer gehen und nach den Stammbäumen fragen?", fragte Lady und rieb sich die Augen. Sie hatte mal wieder einen komischen Traum gehabt kurz vorher... Larius in einem rotglänzenden Abendkleid, noch etwas verwirrt warf sie einen verstohlenen Seitenblick auf den Chief-Korporal.
"Ja, denn nur so haben wir hundertprozentige Gewissheit, ob das auch wirklich stimmt, dann können wir dann weiter darauf aufbauen. Wenn alle verwandt sind, dann muss etwas dahinter stecken. Da bin ich mir sicher. Das wäre schon ein enormer Zufall", gab Pismire zur Antwort. Dann fiel ihm noch etwas ein: "Pyro, hast du eigentlich schon etwas herausgefunden bezüglich dieser Beschwörungssache?"
Der Angesprochene hüstelte verlegen; sollte er es sagen, oder sollte er nicht? Er wandt sich geschickt aus der Sache heraus mit der Antwort: "Ich bin dabei, alles für die Lösung des Falls zu tun, was ich kann", was Pismire in dem Augenblick reichte, denn um genauer darüber nachzudenken, war er jetzt doch zu müde.
Der Schamane verteilte noch schnell die Aufgaben für den nächsten Tag; Lady sollte mit Alice zu Familie Jakobait gehen und nach der Familiengeschichte fragen, Sillybos zu der Familie von Mauritius Nelli und er selber wollte sich um den Stammbaum der Martins kümmern, wobei Larius de Garde ihn begleiten würde.
Somit gingen alle Wächter etwas erschlagen von den Neuigkeiten wieder in ihre Betten; sie hatten eine ziemlich trockene Aufgabe vor sich.

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"Alle mein Gedanken, die ich hab,
Die sind bei dir!
Du Auserwählter, du einziger Trost;
Bleib stets bei mir!
Du sollst an mich gedenken.
Hätt ich die Macht aller Wünsche,
So wollt ich nie von deiner Seite weichen.
Du Auserwählter, du einziger Trost,
Gedenk daran!"


Die himmlische Fee wischte den Staub von dem Bild. Es zeigte einen Mann und eine wunderschöne Frau. Doch das Gemälde verschwamm gleich wieder hinter ihren Tränen und der Schmerz des Verlustes schnürte ihre Kehle zu.



"Meine Auserwählte, mein einziger Trost;
Ich sehe sanftes Licht
Nur mit deinen Blicken,
Mit meinen eigenen Augen
Bin ich blind,
Nur mit dir im gleichen
Schritte wandelnd,
Sind mir alle Lasten leicht,
Meine Auserwählte, mein einziger Trost"


Die starken Hände strichen zärtlich über die weiß gezeichnete Fläche des anmutigen Gesichtes. Auch dieses Bild wurde durch die Tränen undeutlich und der Schatten kauerte sich verzweifelt zusammen und vergrub sein Gesicht in seine Arme.

~~~**~~~


"Oh weh, oh weh. Ich hoffe wirklich das das ein gutes Ende nimmt mit uns...", bemerkte Koni.
Die sechs jungen Möchtegernbeschwörer saßen bei Narf im Zimmer, die "letzte Nacht" wollten sie nicht alleine verbringen.
"Habt ihr alle den Spruch schon auswendig gelernt? Lang ist der ja nicht...", fragte Hagen.
Die anderen nickten nur, sie hatten keine rechte Lust über Morgen zu sprechen. Doch wenigstens würden sie dann endlich alle wissen, was genau dieses Ding war, was sie da Beschworen hatten. War es böse oder gut? War es ein Dämon oder etwas ganz anderes? Nicht einmal die Zauberer konnten ihnen das genau sagen bei der Besprechung heute Mittag. Sie sagten, mit dem Beschwörungsspruch, den die acht angewendet hatten könne man nicht viel anfangen, es käme darauf an, wie das Oktagramm gezeichnet war und mit welchen Farben, wer und in welcher Verfassung die Beschwörer waren, wo das Ritual stattfand... es spielten so viele Faktoren dabei eine Rolle, dass es in umgekehrter Richtung, also das Beschworene wieder zu verbannen wirklich sehr schwierig werden würde, zumal es ja nun ein anderer Ort und zwei neue Personen dabei waren.

Ab dann schwiegen sie nur noch. Langsam dämmerten die jungen Männer vor sich hin; Narf und Hagen hockten auf dem Bett, Koni und Thunfisch auf dem Boden vor dem Schrank, Rabatz hing in dem alten Sessel und Schookii saß im gemütlichen Schneidersitz auf dem Tisch; schlafen konnten sie jetzt sowieso nicht.

Sie sagten immer noch nichts als schon der Morgen angebrochen war.

Eine Straße weiter klopften eine Gnomin und eine Menschenfrau in Uniformen an der Tür der Nummer 7. Genauso wie ein weiterer Wächter, begleitend von seinem eigenen Philosophen, in der Holofernes-Strasse 11 und ein Oberleutnant plus Wächter mit Helm in der Königsstrasse 5.
"Guten Morgen Frau Jakobait", grüßte Lady Rattenklein, als jene die Tür aufmachte, "Wie geht es ihnen und ihrem Sohn?"
Frau Jakobait stand etwas verdutzt und im Morgenmantel in der Tür, antwortete aber zügig: "Guten Morgen. Es muss ja gehen, mein Sohn hat seit dem Vorfall nicht mehr geredet, und alle seine Kuscheltiere rührt er nicht mehr an. Es ist zum Verzweifeln... der.... der arme..." Sie musste sich schon wieder auf die Lippen beißen um nicht anfangen zu weinen. Sie atmete tief durch und bat die Wächter herein.

Auch Sillybos war mit Hegelkant schon in dem Haus der Nellies und unterhielt sich angeregt mit dem Vater von Mauritius über den Stammbaum. Herr Nelli war ein sehr auf Familientradition bedachter Mann und konnte dem Wächter einiges über die Geschichte der Nellis erzählen... unter anderem auch, was Sillybos schon geahnt hatte: Die Nellies waren Nachkommen von Isabella Martiné und Monsieur Nellivier. Deren gemeinsamer Sohn Dante der Urururururgroßvater von Mauritius war. Daher komme natürlich auch Mauritius immenses Talent. Der Name Nellivier habe sich im Laufe der Zeit geändert, wie so viele Namen verkürzt und vereinfacht worden waren in den Jahrzehnten. Herr Nelli zeigte Sillybos und Hegelkant mit Stolz den riesenhaften Stammbaum. Er war wunderschön verbildlicht in einer Zeichnung einer majestätischen Eiche in goldbrauner Farbe auf einem vergilbten Papierbogen. Der Stammbaum hing gerahmt im Esszimmer des Hauses und zeigte, wer wen wann geheiratet hatte, wann geboren und gestorben war, welche Nachkommen er mit wem gezeugt hatte bis zur Geburt von Mauritius, der nun ganz oben in der Krone stand.

"Für weitere Eintragungen wird auf diesem Bild einfach kein Platz mehr sein, meine Herren Wächter. Ich hatte mir immer so sehr gewünscht, das Mauritius einen neuen Baum anfängt. Doch nun ist mein einziger Sohn nur noch ein Stummer, der Tagaus Tagein in seinem Zimmer sitzt und nichts tut", rief der graubärtige Nelli Senior.
"Ich bin mir sicher", sagte Sillybos beschwichtigend, "dass er es auch eines Tages tun wird. Sie müssen ihm nur Zeit lassen, den Schockzustand zu überwinden. Wir stellten ihnen ja auch Püschologen zur Seite und in Ankh Morpork gibt es zusätzlich noch Unterstüzung dieser Art."
Herr Nelli zog abwertend eine Augenbraue hoch; geistige Krankheiten gab es in seiner Familie nicht, basta.
Der Korporal hatte nun aber genug gehört, er machte ein Ikonographenbild von dem Stammbaum und verabschiedete sich mit besten Genesungswünschen von dem Familienoberhaupt.

Pismire und Larius hatten es da nicht so einfach wie Sillybos und Hegelkant...
"Welche von der Stadtwache?? Sie sind wohl irre, hier aufzutauchen was?? Erstens hatte ein Mitglied ihrer Wache dafür zu sorgen das unsere Dafne nicht so etwas Schreckliches passiert, da diese Lady in der Nähe war... wa... wa... was auch immer unserem Schatz da angetan wurde Und zweitens: Was denken sie sich dabei, so lange für die Lösung des Falles zu brauchen?? Ich jedenfalls habe mein Vertrauen in diese Stadtwache verloren Was wollen sie überhaupt hier??", begrüßte man freundlich den Oberleutnant und den Chief-Korporal.
Pismire ignorierte diesen Ausbruch und erwiderte: "Guten Morgen gute Frau, wir wollten uns in erster Linie vergewissern, wie es ihrer Tochter geht, das gehört zu unserem Service und zweitens sind wir der Lösung des Falles sehr nah, aber um die ganze Sache noch besser voranzutreiben, können sie der gesamten Stadt einen immensen Dienst erweisen und uns noch ein paar Fragen beantworten." Larius und Pimire lächelten ihr schönstes Lächeln so wunderbar synchron, dass sie wenigstens schon einmal brummelnd hereingebeten wurden.
Als sie nach der Familiengeschichte der letzten vier Generationen fragten, schaute man sie nur überrascht an. Doch nach einigem misstrauischem Zögern wurde ihnen eine dünne Ledermappe präsentiert. Dort stand zwar nichts von Isabella Martiné und einem Olivier Chakrobeit drin, doch es fielen ihre Nachnamen. Frau Martin erzählte, dass der Stammbaum erst seit der vor-vor-letzten Generation geführt wurde und es somit schon möglich sein konnte, dass sowohl Isabella als auch Olivier die Ahnen sein konnten. Auch wurdewieder erwähnt das ja die Namen der Einfacheit halber zu Martin und - oh Wunder - zu Jakobait verkürzt worden waren.
"Dann kennen sie Julius Jakobait? Er arbeitet auch in der Oper", fragte Larius de Garde.
"Oh ja, natürlich Durch ihn hat unsere Dafne die Stelle als Actreuse bekommen. Gut, wenn man Verwandte in solche einer Branche hat."
"Sillybos hatte also recht...", murmelte Pismire.
"Wer hatte was? Also, wenn sie mit solchen Informationen den Täter finden wollen, meine Herren, dann kann ich ja nur für sie beten", empörte sich Frau Martin erneut.
"Danke, tun sie das." antwortete Pismire gleichgültig und verließ eilig mit Larius das Haus.
Sein Gehirn war bereits dabei, die Fakten in einen logischen Kontext zu setzen - zumindest versuchsweise.

Alice und Lady Rattenklein hatten Ähnliches wie Pismire und Larius gehört; die bestehende Verwandtschaft zu den Martins und die Enttäuschung, dass die Lösung für diesen mysteriösen Fall noch nicht gefunden war. Jedoch hatte Familie Jakobait einen tabelarischen Stammbaum der immerhin bis zu Franziska - und Josef de Martiné zurückreichte und somit einmal mehr bewies, dass alle Opfer etwas miteinander zu tun hatten.

~~~**~~~


Es war um die Mittagszeit und die Sonne der Scheibenwelt strahlte auf Ankh Morpork herab. Doch war da nicht etwas anders? Eine dunklere Nuance als sonst? Die schwüle Hitze, deren dicke Luft schon fast greifbar war? Das elekrisierende Knistern im stickigen dunklen Ritualsaal der Unsichtbaren Universität?

Die geöffnete Tür ließ einen schwachen Lichtstrahl hinein, in dessen Bahn aufgewirbelter Staub sichtbar wurde. Die Schritte des Erzkanzlers hallten gespenstisch von den hohen Wänden wider und verstummten als der Zauberer in der Mitte des Saals stehenblieb.
"Nun, alter Freund. Dann wollen wir uns für heute Abend vorbereiten", flüsterte er.

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Diesen Gedanken hatte auch Pyronekdan, dem, nachdem er alle nötigen Zaubersprüche und Fetische zusammen gesammelt hatte, nur noch ein geeigneter Ritualplatz fehlte. Es müsste eigentlich irgendwo sein, wo viel Magiepotential herrscht, also die Unsichtbare Universität, dachte er und schlenderte stirnrunzelnd durch die Abteilung.
"Na, was macht die Kunst, Kollege?", begrüßte ihn nefer-pa-Isis, wodurch er sich etwas erschreckte, "Ich habe gehört, du bist auch an dem Fall mit den Komaanfällen beteiligt? Sehr seltsam das alles, ich habe zu keinem der Opfer Zugang bekommen"
"Äh, nun ja, ich... ähem, ja ich bin dabei den Fall auf meine Art zu lösen, nefer... aber bitte erzähl es keinem, soll eine Überraschung werden"
"Oh, das hört sich ja gut an, na, da bin ich mal gespannt... so ich hab jetzt noch was zu tun, stecke mitten in der Arbeit so zu sagen. Gehab dich wohl, Kollege", und weg war die ehemalige Prinzessin.
Sekunden später wollte Pyro sich in den Allerwertesten beißen, hätte er ihr bloß nicht davon erzählt Aber er würde das schon schaffen, ihm war auch endlich eingefallen wo er sein Ritual durchführen konnte: Hinten Eine kleine Gasse direkt neben der Universität. Er wusste, dass dort abends nichts los war und die Restmagie der UU würde schon reichen. Er eilte in sein Zimmer und begann, die nötigen Utensilien zusammenzupacken. Immerhin war es schon nach Mittag.

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Zu der gleichen Zeit hatten sich die SUSI-Mitglieder schon eine Stunde versammelt und beredeten den aktuellen Fall. Dadurch, dass nun die Opfer alle miteinander verwandt waren, wie Sillybos geahnt hatte, wusste man lediglich, dass es einen Zusammenhang zwischen den auftretenden Anfällen und allen Opfern gab. Es konnte sich um eine Art Erbkrankheit handeln, was einen kriminellen Akt somit ausschloss - und der Fall erledigt wäre. Davon hätten aber die Angehörigen der Opfer gewusst und erzählt. Doch an diesem Punkt liefen die Wächter wieder gegen eine Wand; warum sollte jemand diesen Leuten etwas einflößen was einen solchen Zustand hervorrief? Alle waren nicht besonders wohlhabend, Geld konnte somit auch keine Rolle spielen. Eine Art verwurzelter Streit? Eine Fehde, wo aus reinen Rachegelüsten solche absurden Spielchen getrieben wurden? Das war noch die wahrscheinlichste Variante des ganzen. Doch wo ansetzen? So wie die drei Familien angaben, hatten sie keine potenziellen "Feinde". Blieb nur noch diese mysteriöse Geschichte mit dem Mord an Monsieur Nellivier...
"Dann muss jemand aus einer Familie gelogen haben oder wir haben denjenigen noch nicht vernommen", bemerkte Hauptgefreite Lady Rattenklein.
"Richtig", sagte Pismire, "Also müssen wir weitermachen. Hat eigentlich irgendeiner von Euch je ein Bild von diesem Dreiergespann zu sehen bekommen? Also von Nellivier, Chakrobeit und Martiné?"
"Ja, einige Zeichnungen. Die Bilder hängen im Keller der Oper. Und der Operndirektor hat auch noch etwas davon gesagt, dass es im Obergeschoss der Oper spukt, weil angeblich Isabella dort verzweifelt herumgeistert... vielleicht sollte man sich das auch mal näher betrachten. Und Pismire, das hatte ich beinahe vergessen: Ich habe hier ein Ikonographenbild von dem Stammbaum der Nellies", sagte Sillybos.
"Oh, gute Arbeit, Korporal!" Der Oberleutnant nahm das Bild und sah sich besonders die letzten Eintragungen an.
"Was steht hier oben? Lady kannst du diesen beiden Namen lesen? Ich kann nur erkennen dass die beiden jetzt in dem Alter von Mauritius sein müssen... aber Wohnhort und Namen kann ich absolut nicht erkennen."
"Hm, nein ich kann es auch nicht richtig lesen, aber ich kann versuchen das im Labor etwas zu kontrastieren und aufzuhellen, vielleicht lässt sich da was machen." Die Gnomendame war schon halb unterwegs als Pismire sagte: "Gut, du ins Labor, wir in die Oper! Ich will den verfluchten Fall endlich abschließen!"

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Der Feuerball senkte sich so langsam dem Rand entgegen als die Uhr zur vierten Stunde schlug. Weich floss der weiße Stoff der schönen Hexe über den schartigen Holzboden des Oberstübchens der Oper. Sie saß mit gesenktem Kopf am Boden, warmes Licht fiel sanft auf die weiche Haut des schlanken Halses. Sie trauerte.



"Weder möcht ich Strophen singen,
Leben, weder Dich verstehen,
lieber auf gar schweren Schwingen
durch die dunklen Täler gehen


Meine Sehnsucht ist ja doch kein Trost."

Ihr Gesicht verhärtete sich und wurde zu einer hässlichen Fratze voller Abscheu und Hass, sie musste sich ein Opfer suchen um ihren Schmerz in ihrer Blutrunst zu vergessen!

~~~**~~~


In der Oper:

"Hier ist noch eins von ihm, was ziemlich deutlich ist." Alice deutet auf ein mittelgroßes Gemälde wo Nelliviers Portrait abgebildet war.
"Gut, damit haben wir schon von Isabella und von ihm eins. Jetzt fehlt nur noch ein gutes von Olivier", sagte Larius de Garde."Herr Monteverdi, wissen sie nicht zufällig, wo noch ein gutes von dem angeblichen Mörder hängt?"
"Naja, ich könnte ihnen ein ganz spezielles Ausleihen, wo Isabella mit ihm und ihren drei Kindern abgebildet ist... es liegt in meinem Schreibtisch. Aber ich gebe es ihnen wirklich nur sehr sehr ungern, meine Herren Wächter, ich bitte sie pfleglich damit umzugehen! Folgen sie mir bitte."

Im Labor:

Lady Rattenklein war eifrig dabei die zwei Einträge im Stammbaum zu entziffern. Sie probierte, das Bild mit "Etharnööl" zu behandeln, was nicht wirklich etwas brachte. Auch Hüdrogeehn Pärochzit, Ätznatronn mit Wasser, Pätrolatuum und und und brachten nichts... bis Ratti schließlich eine Lupe zur Hand nahm und die Einträge schlussendlich, wenn auch mühsam, lesen konnte.
"...Brüder? Aus Ankh Morpork...?" Sie notierte sich die Namen und lief so schnell es ging zur Oper. Mittlerweile war es halb sechs.

Eine halbe Stunde später in der Oper:

"Pismire! Ich hab die Namen! Es sind Brüder, etwa 20 Jahre alt und sie wohnen in Ankh Morpork!", rief sie schon von weitem durch den Saal und fuchtelte wild mit ihrer Notiz. Die anderen Wächter waren gerade dabei, mit den Gemälden Richtung Ausgang zu gehen und blieben nun verdutzt stehen.
"Zeig her,Ratti!" Pismire schnappte sich den Zettel: "Koni und Thunfisch Nelli? Dürfte nicht schwer werden, die beiden ausfindig zu machen..."
Die Lady schaute sich neugierig die Bilder an und runzelte die Stirn, als sie das Bild von dem jungen Dante Nellivier sah.
"Oberleutnant Pismire, ich glaube, ich weiß nicht recht, aber... ich habe diese Gesichtszüge schon einmal gesehn... wenn ich mir nicht so sicher wäre... das kann fast nicht sein, aber ich glaube zwei der Studenten, die ich letztens nachts verfolgt habe... die sahen diesem hier sehr sehr ähnlich!" Sie tippte auf das Bild.
"Naja, wenn es direkte Nachkommen von ihm sind, dann kann das ja durchaus sein. Dann lass uns direkt zur Unsichtbaren Universität gehen und sie verhören!" Der Schamane war nun ganz versessen darauf diesen Fall zu lösen, er war sich sicher das dies die richtige Spur war.

~~~**~~~


"Ich kenn eine Farbe, der bin ich so hold,
Die achte ich höher als Silber und Gold,
Ich seh sie so gerne an Stirn und Gewand,
Und habe sie Farbe der Wahrheit genannt.
Bald ist es verdunkelt, das blendende Kleid:
Gleichwohl trüben auch Hass, Verleumdung und Neid."


Die himmlische Fee zückte ihren blitzenden Dolch.

"Warum ich, so fragt ihr, der Farbe des Blutes so hold,
Dem guten Namen der Wahrheit gezollt?
Weil flammender Schimmer von ihr sich ergießt,
Und zähe Dauer sie schützend umschließt.
Will die Zeit nie wieder kommen,
Wo mir mein Herz in Wahrheit schwamm
Wo alles Leid war mir entnommen,
So seh ich mich nun auch dieser Welt entronnen...
Den güldenen Dolch in die Brust mir nun ramm."


~~~**~~~


"Man sagt, die Liebe hemme nichts,
Sie kenne nicht Tür noch Schloss
Und dringe durch alles sich,
Sie sei ohne Anbeginn, schlüge ewig ihre Flügel
Und schlägt sie ewiglich."


Einen Säbel ziehend, sang der trauernde Schattenmensch vor sich hin.

"Strebt tapfer, meine Geister,
Mir ist der Mut entwichen!
Bin nicht mehr des Lebens Meister."


Sie wussten beide nicht, dass sie sich nicht mehr ihr Leben nehmen konnten und trotzdem ewig mit der Qual der hoffnungslosen Sehnsucht leben mussten.

~~~**~~~


"So, liebe Mitglieder der Unsichtbaren Universität. Nun ist es soweit. Ich sehe ein Oktagramm und acht Beschwörer an der Zahl. Möge uns das fast Unmögliche gelingen!", schwang der Erzkanzler theatralisch seine Rede und fuhr etwas leiser fort: "Auch wenn dieser Verbannungsspruch kein besonderer ist, so wird er doch der wirksamste sein. Seid ihr bereit? Dann stelle sich bitte jeder an seine Position! Quästor! Zünde die Kerzen an..." Er ignorierte die ängstlichen Gesichter in die er blickte.
"Aber was wird passieren, wenn wir es nicht schaffen das Ding zu verbannen?", rief plötzlich Koni in die Runde.
"Psst, sei still, Mann!!" knurrte Rabatz.
"Ist doch wahr!", meldete sich Thunfisch eifrig zu Wort.
"Ihr werdet alles nur noch schwerer machen, wenn ihr euch jetzt nicht konzentriert verdammt nochmal!", raunzte Narf sie an, woraufhin sie brummelnd Ruhe gaben.

~~~**~~~


"Dumdidum, jetzt verbanne ich das Monster mit Kawumm! Tüdeltüüü und alle haben ihre Rüüh", sang Pyronekdan vor sich hin als er den Ritualkreis auf den Boden malte und an jeden Ecke ein Kerze aufstellte und sich selber an die achte Ecke des kleinen Oktagramms. Er hatte überhaupt keine Angst vor dem was da kommen würde und freute sich auf seine Beförderung. Der Gefreite rieb sich die Hände und breitete sich dann so aus als ob er einen riesigen Ball auffangen wollte, holte Luft und begann zu sprechen, wobei es leicht in seinen Fingerspitzen kribbelte:
"Ein Tropfen gift'ger Dünste voll an einem Horn des Mondes blinkt!
Den fang' ich, eh' er niedersinkt!
Der, destilliert mit Zauberflüchen, verbannt Geister,
Die mit list'gen Sprüchen ihn mächtig täuschen möchten!
Dass Beschwörung ihn trieb, in Wahnwi....."
"Heee Pyro!! Was machst du denn hier???"
Pyronekdan zuckte heftig zusammen und duckte sich sicherheitshalber; nicht, dass der Dämon schon da war! Doch als er nach links blickt, sah er seine Wächterkollegen von SUSI vorbeilaufen. Ratti war stehen geblieben und winkte ihm zu.
"Komm! Du kannst uns helfen, wir kennen uns in der UU nicht aus! Na loos steh da nicht so rum, nimm die Arme runter und KOMM!", schrie sie gebieterisch. Ihm blieb nichts anders übrig als ihnen mächtig wütend zu folgen.

~~~**~~~


Endlich waren alle Zauberer und Lehrlinge soweit, sie falteten die Hände vor ihren kapuzenüberzogenen Gesichtern und warteten auf das Kommando vom Erzkanzler; ein lautes Einatmen von ihm ließ sie mit dem Spruch beginnen.
Synchron sprachen sie (wobei es so schien, als ob ihre Stimmen plötzlich drei Oktaven tiefer und zweimal so langsam geworden war):

Dreh dich, dreh dich, dreh dich rum!
Das Wasser ist die Luft ist die Wärme ist die Gruft!
Und der Kreis dort und dieser Kreis hier...


Die Luft in der Mitte des Oktagramms schien lila zu werden und wechselte über Blaupink nach Rot und dann ins Oktane. Sie wirkte unwirklich transparent und war absolut lautlos...

Sind die gleichen, sei's drum!
Dort ist die Vergangenheit jetzt bei mir
Und die Zukunft nie passiert, du Schuft!


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Monsieur Nellivier wollte gerade ins Leere stechen, als er eine seltsame Veränderung bemerkte. Es fühlte sich an wie das Geräusch wenn man einen Luftballon zerknautscht. Und es wurde unerträglich heiß. Er hatte das Gefühl das er gleich zerquetscht würde und konnte sich keinen Millimeter mehr bewegen... Und doch war das Einzige woran er denken konnte seine geliebte Isabella.

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Ein warmes Funkeln umgab die Frau, die mit ihrem Leben abgeschlossen hatte. Es wurde immer heißer und die Luft schien sie zu erdrücken... Und doch war das Einzige woran sie denken konnte ihr geliebter Jaques.

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Beide sahen auf ihre schmerzenden Hände herab, die in einem grellen Gefunkel immer blasser und blasser wurden... Und doch dachten sie mit ganzem Herzen aneinander... Und als sie beide hoch schauten sahen sie in das geliebte Gesicht des anderen...

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"Bei den Göttern... Es ... es sind zwei...", flüsterte Hagen.
Die acht Personen um das Oktogramm betrachteten fasziniert und voller verschiedener Gefühle das Spektakel was sich in der Mitte abspielte; sie sahen eine wunderschöne Frau, stillstehend vor einem stattlichen Mann und in der gleichen Sekunde eine ekelerregende Hexe die mit ihren scharfen Krallen den Bauch eines kreischenden Dämons aufschlitzte, doch hörte man kein einziges Geräusch! Es war so unheimlich und ekelerregenden das man nicht einmal die Augen davon abwenden konnte und gleichzeitig so furchtbar schön und schaurig das man sich am liebsten weinend abgewendet hätte... Der Dämon und die Hexe, der Mann und die Zauberfee glitzerten und funkelten in den schönsten und schrecklichsten Facetten, schrien sich an, lagen sich in den Armen, weinten, kauerten sich zusammen und ihre Körper vereinten und zerstörten sich in absoluter Ekstase bis beide sich erschöpft umschlungen und plötzlich immer blasser wurden... das einzige was man nun hören konnte, war die zärtliche Stimme des Geliebten:

"Frau, du schöne,
Nun komm mit mir.
Liebes und Leides,
Das teile ich mit dir
Fühle das ich dir ergeben bin,
Nun lächle wieder Herzenskönigin!"


Noch Minuten nach dem Verschwinden der beiden Gestalten war alles mucksmäuschenstill.
Die acht Beschwörer standen mit offenem Mund da und verkrampften ihre Hände ineinander.
Auch die Wächter hatten alles mitbekommen, sie waren in den Ritualsaal gekommen, weil sie dort Koni und Thunfisch vermuteten... und nun wussten sie nicht wie sie reagieren sollten... sowas hätten sie nie für möglich gehalten und Lady Rattenklein war den Tränen nahe, weil sie so gerührt war.
"Herzenskönigin", schluchzte sie so leise das es niemand hören konnte.
Die Wächter wussten nicht recht, wie sie mit dem was sie gesehen hatten umgehen sollten, sie waren sich ja nicht einmal der Gefahr bewusst, die ein solches Ritual barg, deswegen ergriff Oberleutnant Pismire zuerst das Wort: "O... kay... wir warten einfach hier... bis sich... das hier... alles ein bisschen ... äh abgekühlt hat."
"Nun, liebe Mitglieder der Universität...", fing der Erzkanzler mit erschöpfter Stimme an... wurde jedoch überraschenderweise von Koni unterbrochen: "Wir haben's gewusst! Unsere Familienschande sollte gerächt werden! Und jetzt ist unser Urahn wieder mit dieser Verräterin vereint!"
Die anderen schauten die beiden verwundert an. Narf begriff als erster: "Was?? Dann hattet ihr das alles geplant?? Die Herausforderung? Das Ritual? Obwohl ihr wusstet, dass man dabei draufgehen kann? Ich fasse es ja nicht..." Er schaute die beiden mit Abscheu an, spuckte ihnen vor die Füße und verließ den Saal, Rabatz, Hagen und Schookii gingen hinterher, nicht ohne zu vergessen, den Brüdern einen abwertenden Blick zuzuwerfen. Hagen rief ihnen an der Tür zu: "Dafür solltet ihr eingesperrt werden!"
Das war das Stichwort für die Wächter, doch sie wollten lieber keinen weiteren Schritt in den Saal setzen und warteten, bis Koni und Thunfisch zu ihnen kommen würden, bzw. von dem Quästor und dem Erzkanzler zu ihnen gebracht wurden.
Die beiden Zauberer sprachen kein Wort mit den beiden Studenten, drückten die quasi in die Hände von Larius und Pyronekdan und verschwanden schnurstracks in Richtung Büro des Erzkanzlers; sie musste zwei Exmatrikulationen, Verweise der UU und eine neue Regelung für die Aufnahme von Studenten entwerfen.

Die beiden Nelli-Brüder wurden abgeführt und eingehend auf der Wache vernommen. Zwar verstand niemand so richtig das Prinzip von etwas Magischem, aber sie wussten, dass etwas Unrechtes vor sich gegangen war, und es stellte sich heraus, das die beiden sich eingehend mit ihrer Familiengeschichte befasst hatten kurz nachdem sie Zauberlehrlinge wurden.
Sie waren empört über die Geschichten die sie da hörten und verachteten Chakrobeit und alles was aus dem Schoße Isabellas entsprungen war und suchten nach einem Weg, ihren Urahn zu rächen...
Das jemals ein Verbannungsritual stattfinden, geschweige denn klappen könnten; daran hatten die Brüder nie gedacht.
Die beiden wurden schließlich vom Patrizier zu lebenslanger Haft in seinem Folterkeller verurteilt wegen Gefährdung der Stadt Ankh Morpork.

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Hätten wir nicht eingreifen sollen?
Nein.
Warum?
Dazu war die Gefahr zu gering.
Die gesamte Opernriege von Ankh Morpork war in Gefahr!
Es ist doch gut gegangen.
Aber nur knapp. Wenn sie es nicht geschafft hätten...
Mein Freund, wer macht die Geschichte?
Wir, aber...Oh
Richtig
sagte der Geschichtsmönch, streifte seine Kapuze über, nahm seinen Kollegen bei der Hand und sie verschwanden tief in der geheimen Höhle.

Nachwort:
Ich habe mich für diese Single von einigen Gedichten inspirieren lassen, vieles selber geschrieben, aber teils Gedichte von Gottfried von Strassbourg, Michelangelo, Dietmar von Eist und auch englischen Gedichte so umgeschrieben, dass sie meinem Stil entsprachen. Also falls irgendjemandem irgendeines der Gedichte leicht bekannt vorkommen sollte, bitte nicht wundern. Doch ich versichere, dass ich keines der Gedichte originalgetreu übernommen habe.
[1] Larius versuchte Lupos manchmal mit solchen überaus witzigen Dingen zu veräppeln, zum Beispiel diesmal war es so, dass er eine Krankheit vortäuschen wollte. Wahrscheinlich war dieses gar nicht mal so abwägig... denn er war wirklich krank, ...im Kopf.

[2] Was für Zauberer wirklich ungewöhnlich war, irgendetwas vor irgendeine Mahlzeit zu schieben.

[3] In Pratchetts Büchern steht meines Wissens nichts über den Geruch der Magie, doch da ich gelesen habe, das Gnome magische Lebewesen sind, habe ich geschrieben das auch Lady Rattenklein den Geruch wahrnimmt... wer es besser weiß, bitte im Kritikforum korrigieren!!

[4] Das Universitätsjahr ist in acht Semester aufgeteilt, die je etwa eine Woche dauern.

[5]  Man erkennt Beschwörerlehrlinge an ihren Roben und Aufnähern

[6] Übersetzungen:
Adiago=langsam, ruhevoll
Agitato= schnell, unruhig
Al Fine= bis zum Schluss
Berceuse, con calore= Wiegenlied, mit Wärme
Concitato= erregt
Con dolore= schmerzerfüllt, mit Schmerz
Infermale=teuflisch
Postludium=Nachspiel
Risoluto=entschlossen




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