Frauensachen

Wütend und frustriert saß Lord Witwenmacher, Oberhaupt der Assassinengilde, an seinem Schreibtisch aus echter Lancre-Eiche und schaute mit starrem Blick durch die schlecht geputzten Fenster seines Büros. Sie mußten schlecht geputzt sein, da er sonst ein zu klares Ziel für seine zahlreichen und einfallsreichen Feinde, die zweifelsohne draußen lauerten, abgeben würde.
,,Wie hatte es bloß soweit kommen können ?" fragte sich Lord Witwenmacher nicht zum ersten Mal an diesem Tag.
Dabei hatte er so schön ruhig angefangen.
Witwenmacher hatte die Berichte über die erledigten Aufträge der letzten Nacht kontrolliert und die dementsprechenden Rechnungen seinem Sekretär diktiert. Kurz darauf bat eine Abordnung von 3 ranghöheren Assassinen um ein dringendes Gespräch.
Nachdem er die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, ( kein Assassinenoberhaupt, daß länger als 2 Tage im Amt bleiben will, läßt jemanden in sein Büro ohne alle Fallen aktiviert und die Falltüren entriegelt zu haben.) bat er die 3 einzutreten.
Mit versteinerter Mine und sich der Fallen um ihn herum durchaus bewußt (schließlich ändert sich die Hierarchie in der Assassinengilde genau wie in der UU), begann Felix Kimmeundkorn ihre Beschwerde vorzutragen.
,,Mylord Witwenmacher, es ist ein Skandal. Eine Frau soll von dem Komitee für Neutötende als Lehrassassine aufgenommen werden! Niemals zuvor ist eine Frau zur Assassinin ausgebildet worden und das aus gutem Grund! Frauen können einfach nicht sauber und effektiv töten und was noch viel wichtiger ist: Ihnen steht die schwarze Seide viel besser!"
Mit wachsendem Unbehagen hatte Witwenmacher dem Vortrag gelauscht und sich gefragt unter welchem Ablagestapel er den Aufnahmeantrag wohl verlegt hatte. Hinzu kam noch, daß die Erfahrung mit seiner Frau ihn gelehrt hatte, daß Frauen durchaus in der Lage sind, kaltblütig zu sein und sauber effektiv vorzugehen. Nicht umsonst war er schon ziemlich lange Oberhaupt der Gilde, denn er genoß zu Hause ein ausgezeichnetes Überlebenstraining und demzufolge hatte er auch eine etwas andere Meinung zu diesem Thema.
,,Ist sie denn nicht qualifiziert genug ?" fragte er vorsichtig an.
,,Nun ja, die Einstellungstests hat sie bestanden und wahrscheinlich könnte sie sich auch ihre Kleidung selber nähen (Schneiderkosten fressen die Hälfte des Monatsbudgets eines Assassinen auf)!" antwortete Jo Schlitzihnauf.
,,Also, wo ist dann das Problem?" fragte Witwenmacher.
,,Frauen haben hier nichts zu suchen! Es ist Trida... ääh Trodita..., na es ist eben schon immer so gewesen! Außerdem spreche ich im Namen aller Gildemitglieder" betonte Kimmeundkorn.
,,Ach was, hört auf mir zu drohen!" gab Witwenmacher schroff zurück ,,Die Frau bleibt und ihr könnt euch dort hinscheren, wo der Ankh wieder anfängt zu fließen!" (Was nicht möglich ist, da der Ankh, nachdem er Ankh-Morpork passiert hat, nie wieder anfängt zu fließen!)
Kurz danach hatten alle Assassinen geschlossen den Streik ausgerufen und alle laufenden Aufträge auf Eis gelegt.
Nun saß Witwenmacher also an seinem Schreibtisch und erwartete eine Abordnung der Wache die er gerufen hatte. Schließlich galt es darum, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn gewisse Leute nicht termingerecht inhumiert werden würden. Womöglich fingen die Leute selber an zu inhumieren. Von da an war es bis zum Chaos nicht mehr weit und so dopendes Chaos fiel in die Zuständigkeit der Wache.
Im Wachhaus am Pseudopolisplatz waren der Werwolf Knut, die Gefreite Reet, der Vampir Rascaal Ohnedurst und die Zwergin Rettich gerade dabei, ihre wohlverdiente Mittagspause anzutreten, als sie in Leutnant Ptracys Büro gerufen wurden. Die frischgebackene, selbstbewußte Offizierin war außer sich vor Wut und erzählte ihnen von den Vorfällen in der Assassinengilde.
,,Rettich, Reet, ihr marschiert sofort zu diesen arroganten Idioten und macht denen unmißverständlich klar, daß Frauen genauso viel könne wie Männer! Rascaal, Knut, ihr begleitet die beiden. Untote machen Assassine immer ein bißchen nervös, da sich Untote nur sehr schwer inhumieren lassen." befahl Ptracy vor Wut schäumend.
Als die Wächter die Gilde betraten und sich durch die aufgebrachte Menge Assassinen den Weg zu Witwenmachers Büro bahnten war ihnen schon etwas mulmig zumute. Ein Haufen aufgebrachte Assassine in schlecht sitzende schwarze Seide gehüllt, waren auch für Untote ein nicht zu unterschätzender Faktor. Der eine oder andere könnte ja einen angespitzten Eichenstock oder einen silbernen Dolch in der Tasche haben.
Die Wächter traten in Witwenmachers Büro und fanden ihn in ein Gespräch mit einer wunderhübschen, in das traditionelle dunkelgraue Seidenkostüm eines Assassinenlehrlings gekleideten Frau vertieft.
,,Aaah, die bestellten Wächter. Ich habe Donja Machmichplatt gerade offiziell zum Lehrling gemacht. Hätte ich es nicht, dann hätte ich mich heute Abend nicht nach Hause zu trauen brauchen. Ich überlasse euch nun die ehrenvolle Aufgabe, es der Menge draußen schmackhaft zu machen."
Die Wächter schauten sich kurz an und zogen sich dann in eine Ecke zurück, um sich zu beraten.
,,Was machen wir jetzt ?" fragte Korporal Rascaal Ohnedurst ,,Er hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt!"
,,Ich weiß." sagte Feldwebel Rettich und spielte nachdenklich mit ihrer Zwergenaxt ,,Ich frage mich, wie viele Knie ich noch zertrümmern kann bevor die uns in Stücke reißen?"
,,Und Witwenmacher ist fein raus und kann auch noch ohne Angst zu seiner Angetrauten nach Hause gehen !" gab Knut mit einem wölfischem Knurren zu bedenken.
,,Himmel, du altes Pelzgesicht, das ist die Lösung!" jubelte Rascaal und wandte sich an Lord Witwenmacher. ,,Wer sind die 3 einflußreichsten Streikführer?"
Nachdem Rascaal die Namen erfahren hatte, redete er kurz mit seinem Freund Knut, welcher danach aus dem Fenster kletterte und mit dem Versprechen, sich zu beeilen, verschwand.
Rettich und Reet sahen sich fragend an.
,,Wartet nur ab. Es wird nicht allzu lange dauern." sagte Rascaal zufrieden mit sich, holte aus seinem Umhang die unvermeidliche Rote-Beete Knolle, schlug die Fangzähne hinein und fing an zu saugen. Jeder im Raum wandte sich angewidert ab.
30 MM (Morpork Minuten) später hörte man ein kurzes geheultes Zeichen von unten und Rascaal trat vor die Bürotür, um die 3-köpfige Abordnung hereinzurufen.
Kimmeundkorn und Schlitzihnauf waren auch wieder mit dabei. Als sie eintraten und die in grau gekleidete Frau sahen, die links und rechts von weiblichen Mitgliedern der Stadtwache flankiert war, fingen alle 3 sofort empört an zu rufen.
,,Das werdet Ihr bereuen, Mylord, wir werden so lange streiken, bis Du uns anflehst, sie wieder zu entlassen. Das ganze Inhumierungssystem wird zusammenbrechen, wenn wir Frauen aufnehmen !" schimpfte Felix Kimmeundkorn.
,,Und warum sollte das passieren, Felix ?" fragte eine strenge weibliche Stimme.
Die Abordnung drehte sich um und sah sich ihren Frauen gegenüber , die sie, von Knut auf dem Weg zu Gilde aufgeklärt funkelnd anstarrten.
,,Äääh, Liebes, das ist doch rein geschäftlich und...!" begann Schlitzihnauf, doch er sollte diesen Satz nie zuende sprechen. Seine Frau trat auf ihn zu, bis sich ihre Nasen fast berührten.
,,Stell dich diesem jungen Mädchen in ihren beruflichen Weg und ich zeige dir heute Abend, daß Frauen wesentlich effizienter und effektiver töten können, als Männer. Und glaub mir, du wirst es als erster erfahren." drohte Frau Schlitzihnauf.
Nachdem die gesamten Abordnung derart eingeschüchtert worden war begaben sie sich nach draußen, um den anderen Assassinen zu drohen, notfalls auch ihre Frauen und Freundinnen zu benachrichtigen, sollten sie der neuen Kollegin keinen freundlichen Empfang bereiten.
Auf dem Weg zurück zur Wache bestürmten seine Kollegen Rascaal mit der Frage, woher er denn gewußt habe, daß die Frauen der Assassinen so resolute Frauen wären.
,,Püschologie ! Habt Ihr euch denn nie gefragt, warum Menschen Assassinen werden? Wo sonst kann man seine Wut über häusliche Probleme so gewinnbringend abreagieren, als in der Assassinengilde? Als Witwenmacher seine Frau erwähnte, war mir alles klar" antwortete und blieb stehen.,,Kommt ihr noch mit in die Bahre ? Ich gebe einen aus : Rote-Beete Saft für alle!" Rettich, Reet und Knut sahen sich wissend an, drehten sich um und ging mit schnellen Schritten zum rettenden Wachhaus.