Faules Spiel

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von Wächter Rib (GRUND)
Online seit 11. 06. 2003
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Für Rekruten (zweite Mission):
Du bist beim Tresendienst eingeschlafen, als du wieder aufwachst liegt ein Kopf auf den Tresen. Wie kommt er da hin und hat er vielleicht sogar etwas zu sagen? (Anmerkung: bitte keinen Mordfall daraus machen!

Dafür vergebene Note: 10

Für Atera, die sich einem echten Kriminalfall wünschte.
Ich hoffe, Du bist mit dem zufrieden, was ich aus deinem Vorschlag machte.


--- Prolog ---


Rib duckte sich, während er an der Mauer entlang kletterte, wie immer nur in einem Lendenschurz bekleidet. Er hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass Unauffälligkeit das Sicherste in diesem Viertel war, das ganz eigene Gesetze zu kennen schien. Doch weiter vor ihm schien jemand sich nicht an diesen Grundsatz zu halten: Wie Rib durch seinen Lendenschurz offen zeigte, dass er nichts zu Stehlen besaß, so zeigten die rotgoldenen Gewänder einen gewissen Reichtum. Zu reich, befürchtete der Kobold.
Rib fluchte und rannte los, doch kaum war er gestartet, hörte er auch ein wässeriges Gurgeln aus der dunklen Lücke zwischen den Häusern.
Da kam jede Hilfe zu spät, wusste der Schattenbewohner aus Erfahrung. Er drückte sich an die Mauer, denn das Sterben war für die Schatten viel zu laut gewesen.

In der Gasse stieg eine Seele, verwirrt durch kürzliche Ereignisse, aus den rotgolden gekleideten Überresten empor.
Sie sah ihren Mörder, der immer noch die Taschen eines ehemals teuren Kleidungsstücks durchwühlte. Blut hatte es ruiniert. Der Tote erschien ihr irgendwie bekannt, wenn man von einer gewissen Unpässlichkeit absah. Nach kurzer Überlegung kam sie darauf, wer das sein musste.
"Habe ich mich wirklich so angezogen? War ich farbenblind?" fragte sie sich.
Sie beobachtete, wie ein zweiter Mensch sich aus einer finsteren Ecke schälte wie ein finsteres Mahnmal ihres frühen Todes, wie er sich verwandelte, einem wahr gewordenen Alptraum gleich.
Lautlos fletschte der Werwolf die Zähne und machte sich zum Sprung bereit. Irgendwo bemerkte die Seele das Schlagen von Flügeln, vielleicht eines Raben.
Sie lächelte.
"Mordopfer..." murmelte sie. "Sind wir das nicht alle?"

Rib hörte das Rascheln, als die Leiche durchsucht wurde und dann das wölfische Knurren hinter dem Meuchler. Er nickte, als der Schrei kam. Die Schatten besaßen ihre eigene Gerechtigkeit.


--- Kapitel Eins: Träume und Tote ---


Ich starre durch das schwach beleuchtete Fenster. Im dunklen Schatten, halb verborgen, zeichnen sich mehrere Gestalten ab:
Zwei reiche Männer, in obskuren Gelüsten gefangen. Ein Kind, dessen Gesicht ich nicht sehen kann ist an einen Stuhl gefesselt. Doch ich bin sicher, Schmerz und Entsetzen zeichnen sein Antlitz. Unter den gierigen Blicken der Männer tritt eine vierte Gestalt aus dem Schatten, in Lumpen gehüllt, mit einer Klinge bewaffnet. Die Gestalt tritt auf das Kind zu. Mir bleibt keine Wahl. Ich hebe die Armbrust, ziele und drücke ab.
Das Geschoß dringt durch die Scheibe wie durch gläsernes Papier, trifft das Gesicht unter den Lumpen. Durch einen Regen aus Scherben sehe ich das zerstörte Antlitz meines Ausbilders. Es war nur ein Test gewesen, den ich nicht bemerkt habe, dessen Regeln ich nicht verstanden habe. Ich habe ihn getötet.


Rekrut Rib schreckte aus dem Alptraum empor, die letzte versuchte Verhaftung weigerte sich beharrlich, seinen Kopf zu verlassen. Natürlich war es nicht so abgelaufen, denn in Wirklichkeit war er nur mit vier Nägeln bewaffnet gewesen. Hätte der Kobold die Armbrust dabei gehabt, hätte Rib ohne zu zögern geschossen. Stattdessen hatte er einen Sprung durch das Fenster gemacht und ein leichter Schlag hatte Humph dazu zu gebracht, seine Dienstmarke zu zeigen. [1]
Einem Täter keine Chance: In den Schatten tötete man, wenn man nicht getötet werden wollte.
Nach dem angeblichen Einsatz hatte ihn Humph auf Fehler aufmerksam gemacht, die mangelnde Rückendeckung des Rekruten bemerkt. Rib hatte nur seinen Ausbilder angesehen, denn die Kritik war berechtigt gewesen.
Das war wichtig. Er hatte nicht geschossen, da er keine Armbrust dabei hatte.

Rib schüttelte den Gedanken ab, er war jetzt nicht in den Schatten. Hier, in der Welt außerhalb, gab es Leute wie ihn, Wächter, die für die Schwachen da waren. Es war wie ein Mantel, den Rib anzog, wenn er die Schatten verließ und abstreifte, wenn er zurückkam. Nur viel tiefer.
Gut, es war verbunden mit einer Menge "Sirs" und "Eurers", die anzeigten, dass mit der geistigen Gesundheit der Menschen hier nicht zum Besten stand. Im Dienst benutzte er sogar ihre Sprache. Wer wusste schon, was diese Leute taten, wenn man sie darauf hinweisen würde, dass man glaubte, eine Person nur vor sich zu haben? Die dazu sonst wie hießen, nur eben nicht "Sir" mit Vornamen...
Aber vielleicht war das notwendig, um einen solchen Beruf auszuüben. Rib war sich nicht sicher. Er jedenfalls spielte mit, im Austausch für das Wort Sicherheit. Und ein paar Ankh-Morpork-Dollar, selbstverständlich.
Auch ein Kobold musste etwas essen.

Der Rekrut Rib versuchte langsam zur Besinnung zu kommen. Diese Sonderstunden im Siechenhaus des Tempels der hoffnungslosen Götter, die er zusätzlich zur Ausbildung ableisten musste, schafften ihn langsam.
Extradienst im Tempel, extra Lehrstunden unter Humphs Anweisung. Wann sollte er, verdammt noch einmal, schlafen?
Warum konnte er auch nur nicht seinen Mund halten?
"Ich hoffe, sie denken daran, wenn ich mich bei den FROGS bewerbe, Sir!"
Ausgerechnet zu Humph musste er das loswerden, dessen Herzblut immer noch an der Abteilung hing. [2]
Derzeit hatte FROG jedenfalls kaum jemanden, der ihn ausbilden konnte, keinen Gift- und Gasexperten und außerdem nur einen weiblichen Igor als feste Sanitäterin.
Dass der Sanitätsdienst nicht zur üblichen Stellenbeschreibung der Späher gehörte, verwirrte den Kobold nicht.
Wie sollte sich auch, fand er, ein professioneller Türsteher sich in Heilung auskennen?

Heute hatte er aufgrund anderer Bemerkungen, die ebenso gut überlegt gewesen waren, Tresendienst, sogar den allseits gefürchteten 'Fünf-vor-sieben-Dienst'. Die anderen Rekruten sprachen hierbei von "Willichnicht", was wohl nach Ribs bisherigen Schlussfolgerungen eine Art regelmäßig ausbrechender Naturkatastrophe oder Notstand sein musste.

"Na du", erkundigte sich Rekrutin Bastet, "aufgewacht?"
Rib stellte fest, das Letzte, das Allerletzte, was man beim Aufwachen sehen wollte, war ein wissendes Lächeln. Und das nicht nur, wenn es von einem Menschen stammte, der ein Messer an die eigene Kehle drückte. Immerhin stand ein Becher Kaffe für ihn bereit, in den sich der Kobold stürzen konnte. [3]
Bastet hatte ihn ruhen lassen, als Ausgleich dafür, dass er bei dem Einsatz mit dem vermummten Ausbilder Rückendeckung in der Nachbesprechung gegeben hatte.
"Frau Willichnicht war hier", erzählte die Rekrutin, "und beschwerte sich über den Zustand der Straßen. Überall würden die Leute ihren Müll dalassen. Wie du dabei schlafen konntest, ist mir schleierhaft."
'Meine Güte,' dachte Rib und kletterte aus der Schublade, in der er eingenickt war und auf den Tisch, 'wo lebte die Frau eigentlich? Sie kann froh sein, keine Leichenteil...'
Weiter kam der Kobold nicht. Ein Kopf, der abgeschlagen auf dem Tresen liegt, kann einen manchmal schon erschrecken. Besonders, wenn er noch mit den Augen rollt. Der Aufprall des Koboldkörpers einen Meter tiefer war eher überraschend als schmerzhaft. Rib hatte gar nicht gemerkt, dass er zurückgesprungen war. Zumindest die ersten neunzig Zentimeter Fall über.
Auf dem Boden liegend fing er an zu stammeln: "Wie ... wer ... warum ... Was ist DAS?"
"Das ist der Müll." erklärte sie fröhlich und verschwieg dadurch wie ihr zumute gewesen war, als der abgetrennte Kopf auf den Tresen gewuchtet wurde.
Der Kopf, mit einer blaugräulichen Färbung, schien widersprechen zu wollen, bekam aber keinen weiteren Ton heraus. Als Zombie (besser gesagt, als Teil dessen) hatte er immerhin noch die Möglichkeit dazu. Es blieb ihm also nichts weiters über, als weiterhin eindrucksvoll mit den Augen zu rollen.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Rib. "Es dauert noch etwas, bis Firma König kommt..."
"Das...", erklärte Bastet mit einem Grinsen, während der blaue Kobold empor kletterte, "ist nicht mein Problem. Ich hab den Tresen besetzt, während du ein Nickerchen machtest, also kümmerst DU dich darum. Sag mal, warum macht der Kopf immer den Mund auf und zu? Das zerrt an den Nerven."
Der Kopf, der Teil des Anwaltes Herr Schräg gewesen war, wirkte etwas beunruhigt. Das mochte an Bastets Katze liegen, die ihn mit einem abschätzen Blick betrachtete. Sie wirkte sehr hungrig.
Rib betrachtete ihn kritisch: "Schätze, das Stückchen versucht uns was zu sagen. Na, Alter, rück schon raus damit... spann uns nicht auf die Folter."
Schrägs Mund klappte auf und zu, dann weiteres Augenrollen.
"Du", vermutete die Rekrutin, "ich glaube, das klappt nicht. Er gibt keinen Ton von sich. Ich hab alles versucht, selbst eine Feder unter der Nase hat nicht geholfen."
'Reden... Was hab ich übers Reden gelernt. Da war doch was, mit diesem heiseren Dürren und etwas Honig...' fragte sich Rib, dann plötzlich, fiel es ihm wie Schuppen von den Haaren.
"Ich hab's!" meinte Rib, ergriff den Kopf beim Ohr, hüpfte vom Tisch und rannte Richtung Holzofen. Verzweifelt versuchte sich der Kopf irgendwo festzubeißen. Das Pochen direkt hinter ihm fiel Rib kaum auf. Bastet schaute nur noch würgend aus dem Fenster, als der Kobold mit dem Ohr am Ofen ankam. Der Rest war beim Stuhlbein geblieben.

Was immer die Rekrutin auch gedacht hatte, Rib nahm nur den herumstehenden Blasebalg und suchte im Hals die richtige Öffnung.
Dann stopfte er das metallene Endstück hinein und pumpte Luft durch Kehlkopf und Mund. Bastet, inzwischen mit grüner Gesichtsfarbe, schien derweil einen Entschluss gefasst zu haben und lief hinaus.
"Gnahadee..." kam es über die blassen Lippen. "Gnaade. Nihich breennnen."
Der Rekrut klopfte beruhigend auf den Haaransatz und pumpte weiter: "Binhin ühühüberfaaalen wohorden. Iiigor."
Rib schüttelte den Kopf: Wie sollte man einen Ton verstehen, wenn Bastet so einen Lärm machte?


--- Kapitel Zwei: Wer fragt, gewinnt ---


Rib klopfte eine halbe Stunde später an Rogis Dienstraumtür und wurde hereingebeten.
"Ja?" fragte die Frau hinter dem Tisch, die damit beschäftigt war, menschliche Finger zu sortieren. Kleine Narben durchzogen ihr Gesicht und sie hinkte leicht, was Rib feststellte, als sie aufstand und den Tisch umrundete. "Waf gibt ef?"
"Ich habe ein Problem, und es betrifft einen deiner Kollegen." und weil er sich nicht sicher war, ob auch ein Türsteher nicht schon höher war als ein Rekrut fügte er hinzu. "Euer Kollegen, Mäm. Ein Diebstahl, von einem Igor."
Rib betrachtete die Sammlung Finger auf dem Tisch und fragte sich, ob es klug gewesen war ausgerechnet, sie zu fragen. Irgendjemand lief hier finger los durch die Gegend.
"Ausbilder Humph meinte, ihr wärt die richtigen Personen, um mir Auskunft zu geben und ich sehe schon warum. Herr Schrägs Körper wurde gestohlen."
"Fein Körper?"
"Über Qualität will ich nicht urteilen, Mäm."
"Waf ift paffiert?"
"Ein Sack über den Kopf in einer dunklen Ecke, dann ein mehr oder weniger sauberer Schlag. Eindeutig eine Igorhand, meinte er. Er wollte gerade zu einer Verhandlung bei der Schlachtergilde. Der Gerichtsmediziner ist gerade dabei, die Tatwaffe herauszufinden. Junge, hat sich der Schräg angestellt, als ich ihn dahin brachte...hat wohl Angst vor Ärzten, nehme ich an."
"Und waf willft du fon mir?" fragte Rogi.
"Ich würde gerne wiffen...äh...wissen, wozu ein Igor einen Körper braucht. Wozu zum Beispiel die Greifer dort?"
"Fu allererft brauchen wir die Teile zur Heilung. Wenn waf kaputt ift."
"Aha..." Rib erkannte, dass der Job eines Igors mit einigen Gefahren verbunden sein musste.
"Aber Herr Ffräg ift ein Fombie, oder nicht? Untotef Fleiff nüfft unf nichtf. Man müffte felber untot fein, und felbft daf wäre dann noch fraglich. Auferdem brauchen wir Igor nicht Fleiff ftehlen."
"Warum?"
"Ef gibt da fo eine Art Kleinhandel. Oder man leiht einander waf."
Zustimmend senkte der Rekrut den Kopf. Und sei es auch nur um keine Einzelheiten des Handels erfahren zu müssen. Von anderen Personen Einzelteile an den eigenen Körper nähen? Das hörte sich sogar für ihn eklig an. Rib versuchte auch erst gar nicht, auf die vier Daumen zu sprechen zu kommen.
"Aber keiner von euch ist Zombie? Und ein Zombie könnte so einen Körper gebrauchen?"
"Könnte fein... genügend verlieren tuen fie ja."
Rib strahlte: "Danke, ich glaube, jetzt hab ich eine Spur. Ihr habt mir sehr geholfen, Mäm. Danke an alle. Ich geh' mal jetzt."

Der nächste Halt war die Gerichtsmedizin von SUSI. Es gab Fragen an den Herrn Schräg. Als Rib eintrat, beugte sich ein hellbrauner Ledermantel gerade sezierend über eine rotgolden gekleidete Gestalt. Der Magen war geöffnet.
Jack Narrator hielt gerade ein Stück aus dem Magen der Leiche nach oben als Rib grade neugierig auf den Seziertisch sprang. Noch bevor der Rekrut etwas sagen konnte, hielt Jack ihm das Teil unter die Nase.
"Was meinst du? Ist das wohl eher mal Hünchen oder Hummer gewesen?"
Rib rupfte ein Stückchen davon ab und kostete.
"Eindeutig kein Hühnchen." stellte er fest. "Hallo, bin Rib, Rekrut, und suche so einen Zombieschädel. Schräg, sag ich nur, ganz schön Schräg. Muss noch ein paar Fragen stellen."
"Rib also." stellte sein Gegenüber fest. "Der Schädel befindet sich hier drüben, hinter dem Vorhang. Aber mach nichts kaputt, hab ihn grade erst wieder zusammen geflickt. Und nicht einmal dabei hat er den Mund gehalten. Scheußlich, so ohne Ton..."
Ein weißer Vorhang an einem Regal wurde gelüftet, Herr Schräg hatte auch kaum neue Narben dazu bekommen. Sogar das Ohr war wieder angenäht, ebenso wie die Nase, die er auf dem Weg verloren hatte. Er lag auf der Seite, damit man den Blasebalg nicht hinausziehen musste.
"Na dann", meinte der Kobold und fing wieder an zu pumpen, "an die Arbeit."


--- Kapitel Drei: Verdachtsmomente ---


Herr Nackenstück war über Herrn Schräg beklagt worden, als Frau Willichnicht einen Knochensplitter in ihrer Blutwurst fand.
Dummerweise war der Schlachter kein Zombie, im Gegensatz zu Friedrich Faul, seinem Anwalt. Faul besaß sogar einen Igor.
Dies führte Rib direkt hierher, in Fauls Wohnzimmer.
Rib ging hier nervös auf und ab, während er wartete. Er wollte sich einem Anwalt in den Weg stellen. Das konnte nicht gut gehen. Blaue Gnome wussten um die Macht der Anwälte und vor nichts hatten sie mehr Angst. Sie kannten Wörter und Wörter hatten Macht. Ein genau formuliertes Wort konnte, ihre Meinung nach, wenn es laut vorgelesen wurde, einem das Schrecklichste antun. Es konnte einen töten, oder schlimmer noch, in Haft stecken. Besonders wenn es der eigene Name war, der auf Rechnungen, Vorladungen und 'Gesucht'-Plaketen stand. [4]
Rib blieb abrupt stehen.
'Moment', dachte er plötzlich. 'GESUCHT-PLAKATE? Was denke ich hier eigentlich? Ich nehme Leute in Haft, nicht umgekehrt.'
Plötzlich lächelte er. Was würden seine Brüder sagen, wenn er einen Anwalt verhaften konnte? Vorausgesetzt, sie ließen ihn solange in einem Stück, um das zu erzählen, selbstverständlich.
Das Zimmer war aufwendig tapeziert und in Holz gehalten. Deutlich zeigten viele Verzierungen in den Möbelstücken den Reichtum des Stellvertretenden Gildenleiters. Stuckarbeiten an den Wänden unterstützten diesen Eindruck. Dieses Zimmer war zum Beeindrucken geschaffen worden. Und bald würde Friedrich Faul mehr als genügen Gelegenheiten, dieses Zimmer zu nutzen. Schrägs Verschwinden würde die Spitze der Gilde freimachen.
Allerdings waren hier zu viele Spinnweben für Ribs Geschmack, auch Staub sollte mal wieder gewischt werden.
Kommandant Rince hatte sich nach Humphs Fürsprache zwar dazu entschlossen, den fast fertig ausgebildeten Rekruten mit den Ermittlungen zu betrauen, hatte dem Rekruten allerdings einen dreistündigen Vortrag darüber gehalten, was der Rekrut durfte, und wann. Rib hatte nicht viel davon verstanden, aber im Endeffekt sollte er wohl nur höflich fragen. Sogar die Nägel musste er in der Wache lassen.

"Einen wunderrschönen guten Tag wüsche ichh, Wächterr!" trat der Verdächtige ins Zimmer. "Igorr, hol etwass zzu trrinken fürr den Gast."
Rib salutierte. Salutieren konnte nie falsch sein. Hinter ihm stand plötzlich eine vernarbte Gestalt.
"Scheckensaft, bitte." erwiderte er auf die überwaldisch klingende Rede. "Bin im Dienst."
Friedrich Faul betrachtete die Tätowierungen, die dem Kobold seine blaue Hautfarbe gaben. Sie schienen ihm etwas zu sagen, von dem Rib gerne wüsste, was es war. Oder auch nicht, wenn er genauer darüber nachdachte...
Der Anwalt deutete auf Stühle und machte es sich selbst bequem. Es knisterte leicht, als sein vertrocknete Körper Platz nahm.
"Nun, wass kann ich fürrr den Hüterr dess Gesetzzess tun? Welcherr meinerr Kunden isst ess?"
Vertrocknete Lippen formten diesen Satz. Rib blieb sprungbereit, falls eine davon abfiel. Dann schaute er sich um, erblickte eine große Kiste, aus der Wasser tropfte und ein fast unmerkliches Rinnsal bildete, das bald von dem Staub aufgesogen wurde.
"Herr Schräg wird vermisst." fing Rib an. Das war nicht gelogen, am meisten vermisste er wohl sich selbst. "Ich dachte, vielleicht kannste mir weiterhelfen."
"Nun ich wüssste nicht, wie, jungerr Wächterr."
"Vielleicht haste ja Hinweise drauf. War ja dein Kumpel, sagt man."
"Hinweisse? Welcherr Arrt?"
"Keine Ahnung, vielleicht führste mich herum, zeigst, woran ihr beide gearbeitet habt. Kann ja sein, dass mir was auffällt."
Fauls stahlblaue Auge verzogen sich zu einem Lächeln, dem jede Freundlichkeit fehlte: "Tut mirr leid, aberr dass kann ich nicht gesstatten. Verrtrrauensverrhältniss. Im übrrigen muss ich noch arrbeiten. Sschönen Tag noch."
"Wieso, es regnet?"
"Ich meinte, ssie können jetzzt gehen."
Rib salutierte zum Abschied.
"Ach ja", sagte er noch, "wir befürchten, dasselbe was dem Schräg passiert ist, könnte auch dir widerfahren. Daher werden ich und meine Kollegen ein besonderes Auge auf dieses Haus werfen."
"Das wirrd nicht notwendig ssein." versicherte der Zombie.
"Sicher ist sicher. Keine Bange, man wird uns nicht sehen."


--- Kapitel Vier: Rib wird bestohlen ---


"Ich bin noch immer nicht überzeugt davon", unterhielt sich Kommandant Rince mit Ribs Ausbilder, "das Rib eine kluge Wahl für diesen Fall gewesen ist. Er hat keine Erfahrung mit so etwas. Er begreift ja meistens noch nicht mal die Unterschiede zwischen Recht und Unrecht."
Wie manchmal, wenn es etwas zu bereden gab, trafen sich die Beiden nach Dienstschluss zu einem Glas im 'Eimer', der Kneipe, in der die meisten Wächter verkehrten.
"Zumindest in diesem Fall begreift er es schon. Und wenn er zur Einsatztruppe versetzt werden sollte, wird er dort ja genaue Anweisungen bekommen. Außerdem ist er ziemlich weit in der Ausbildung und an den Leistungen habe ich ansonsten kaum etwas zu kritisieren gefunden. Abgesehen davon, dass er die Tendenz hat, fast in Ohnmacht zu fallen, sobald jemand etwas zitiert."
"Wenn ich mir überlege, er in der schnellen Eingreiftruppe... Davor graut es mir heute schon. All dieses Zeug aus der Alchimistengilde, was er anschleppt. Hast Du gesehen, was er heute mitgebracht hat? Eine Wünschelrute für Wasser und Metall... was soll das nutzen?"
"Keine Ahnung, zur Verfolgung von Trollen vielleicht? Wo liegt das Ding eigentlich, du hast das doch bis zur Untersuchung beschlagnahmt..."
"Ich hab's in meinem Raum eingeschlossen." knurrte der Kommandant. "Hoffe er steht nachher noch. Dennoch, um noch einmal zu Rib selbst zurückzukommen: Weißt Du was für einen Ärger wir uns einhandeln können, wenn der Rekrut ausrastet?"
"Ach, das wird er schon schaffen..."

Der Gast am Nebentisch, ein Zwerg, zahlte. Für heute hatte er ein Ziel. Es war eine gute Idee gewesen, ab und zu den Wächtern bei ihren Arbeitserlebnissen zuzuhören.
Was man mit einer solchen Wünschelrute anfangen konnte, besonders in Ankh-Morpork...
Er musste sich beeilen, zum Glück hatte er schon sein Werkzeug dabei.
Bis vor kurzem hatte er noch in einem alten Turm geschlafen, doch in der derzeitigen Aufmerksamkeit, in welcher das abrissfällige Gebäude schwebte, erschien ihm das nicht mehr ratsam. Nun musste er sein Werkzeug mit sich tragen. Eine große Tasche war ein Muss für einen unlizensierten Einbrecher.
Er schlich zum Pseudopolisplatz zur Hauptwache, umrundete sie, bis er eine schattige Stelle fand. Grimba, so hieß der Zwerg, lächelte. Es war so einfach, aber wer rechnete schon mit einem Einbruch in die Wache? Er würde diese Woche viel Geld nach Hause schicken können.
Der mit Stoff umwickelte Wurfhaken fand fast lautlos den Schornstein als Ziel. Füße, von Lumpen umhüllt, stiegen an der Wand entlang, bis sie zu einem Fenster kamen. Sogar in dem richtigen Raum war er gelandet.
Grimba schwang sich hinein und sofort fiel sein Blick auf einen Karton, der deckellos auf dem Tisch stand und die Aufschrift "RIB" mit dem heutigen Datum trug. Darin lag ein Zylinder, wie der Mittelfinger eines Trolls groß, mit vielen Löchern, zwei Drähten am Ende und einem Knopf versehen.
Der Zwerg konnte seiner Neugier nicht mehr standhalten. So ein Knopf musste gedrückt werden, wie sollte der Dieb sicher sein, dass Richtige zu stehlen?
"PIEP...INITIALIDINGSBUMSPHASE...WAS SUCHEN SIE?" ertönte es.
Sofort brannte Licht auf dem Flur. Den Erschütterungen nach zu urteilen, ein Troll mit einer Kerze in der Hand.
"Verdammt!"
"PIEP...VERDAMMT...UNBEKANNTE METALLART...BITTE GENAUER"
Grimba sprang aus dem Fenster und rutschte an Seil herunter. Ohne seine Handschuhe hätte er sich die Finger ausgerissen, stellte Grimba fest und lobte sich selbst.
"PIEP...NEUE EINGABE?"
"Sei leiser!"
"Eingabe erfolgt...Mittlere Lautstärke."
"Geht es noch leiser?"
"Piep...Leisemodus"

Grimba rannte um ein paar Ecken.
"So", sagte er. "nun teste ich dich"
Er drückte den Knopf: "Finde Wasser"
"Piep...größtes Vorkommen...Straße heruntergehen und dann neue Anweisungen abwarten."
Grimba stimmte in Gedanken zu. In dieser Richtung lag das Meer.
"Suche kleiner Menge, in der Nähe."
"Piep...Pfütze... unten"
Griba fluchte. Diese Schuhe waren so billig, dass er es alleine hätte bemerken müssen.
"Gut. Apparat, zeig mir Gold."
"Piep...größtes Vorkommen...Straße entlanggehen und dann neue Anweisungen abwarten."
Grimba folgte den Anweisungen ebenso wie den folgenden. An den Brücken musste er vorsichtig sein, aber auch da schien ihn niemand zu sehen.
Heute würde er sein Meisterstück machen. Schließlich landete er vor einem großen Haus.
"Apparat, bin ich hier richtig?"
"Piep...ja...großes Vorkommen im Erdgeschoß"
Der unlizensierte Dieb griff in einen Beutel und holte einen Glasschneider heraus. Vorsichtig schnitt er ein Loch in die Scheibe neben der Tür. Dann griff er durch das Loch und öffnete den inneren Riegel. Leise stieß er die Tür auf.
Grimba betrat den Vorraum und musste sich beherrschen, nicht zu anerkennend pfeifen. Hier war er richtig. Allein die Bilderrahmen mussten ein Vermögen wert sein. Doch zuerst musste er sich einen Überblick verschaffen, zumal die Tür zu einem weiteren Raum offen stand.
Dieser Raum war noch prächtiger. Im Licht der Sterne und des Mondes prickelten geradezu Kristallkaraffen am Fenster ein magisch wirkendes Licht über Ebenholzmöbel und Sesselgarnituren aus feinstem Leder. Silberne Schreibfedern blinkten auf einem Schreibtisch. Und unter dem Schreibtisch war eine Truhe mit Beschlägen, die zwar teuer aussahen, aber keine Sicherheit versprachen. Grimba suchte sich einen passenden Dietrich aus und fasste das Schloss an. Es war extrem kühl.
Der Zwerg sprach ein Gebet an die Götter und beschwor sie, für den Fall, dass es eine magische Sicherung gab, ihn zu schützen.
Dann drehte er den Draht herum und stieß den Deckel auf.
Sein Schrei war noch hundert Meter weit zu hören, als er eine Leiche erblickte. Die Leiche strampelte im Eis, gefesselt. Und hinter dem Zwerg ertönte eine Stimme.
"Dummerrr Dieb. Dass hättesst du nicht ssehen ssollen..."
Grimba drehte sich um und blickte in das Gesicht eines Zombies, in einem edlen Anzug gekleidet. Neben dem Zombie stand eine buckelige vernarbte Gestalt. Zu seinen Füßen knackte es und aus dem Apparat ragte ein Arm heraus.
Es knackte noch einmal und Rib war aus seinem selbst gewählten Gefängnis befreit. Er trug zwar seine Marke nicht, aus Platzgründen, dafür aber eine einhändige Armbrust, mit der er umzugehen gelernt hatte. Sie war gespannt. Allerdings fühlte er sich etwas taub durch das beengte Stehen.
"Ich verhafte die Anwesenden", sprach er in einem fast flötenden Ton, "teils wegen Diebstahls, teils wegen Entführung. Bei Widerstand ist von der Schusswaffe Gebrauch zu machen."
"Wass willsst Du mit diesem kümmerrlichen Ding? Macht nurr ein Loch bei mirrr, weissst Du dass nicht? Wass sollte mich davon abhalten, dich zzu töten? Na, kleinerrr Kobold, ssoll ich Dirr die Macht des Worrtess zzeigen?"
"Die da." grinste der Kobold weiter und zeigte an dem Anwalt vorbei. Im Eingangsflur standen vier Rekruten und ihr Ausbilder, allesamt bewaffnet mit Armbrüsten und Brandbolzen. "Soweit ich weiß, brennt Deinereiner gut. Meine Worte der Macht heißen 'Hände hoch'!"


--- Epilog ---


"Gratuliere, Rekrut." meinte Humph, nachdem die drei Verbrecher abgeführt worden waren. "Deine erste Festnahme."
"Ach", winkte der Kobold ab, "wenn Sie und der Kommandant meine Idee nicht unterstützt hätten, hätte ich das nie geschafft, Sir.
Er hatte richtig gute Laune. Endlich hatte jemand diesen Anwälten gezeigt, wessen Name irgendwo geschrieben stehen sollte.
Sie müssen Wunder versprochen haben. Dieser Grimba hat mir ja fast aufs Wort gehorcht. Trotzdem hätte ich es einmal fast vermasselt, wenn ich nicht durch die Luftlöcher die Pfütze gesehen hätte."
"Das Faul noch nicht einmal überrascht gewesen war, hatte den Ausschlag gegeben. Zumal für Faul mit dem Verschwinden Schrägs der Weg zum Gildenmeister geebnet worden wäre. Die Idee mit dem Einbruch..."
"Kam nur von Grimba, Sir. Ich habe mit keinem Wort davon gesprochen, dass er sich das Gold beschaffen soll. Wie abgesprochen."
"Ich will einen Bericht. Ebenso wie der Kommandant. Haargenau."
"Ja, Sir." salutierte Rib.

Dann, als alle gegangen waren, zündete der Kobold sich eine Zigarette an und blies mit ihrem Rauch Kringel in die Luft: Mochten die Schatten auch eine eigene Gerechtigkeit haben, diese hier gefiel ihm weitaus besser.

[1] Nachzulesen in "Humph, der Lump", Livemission

[2] Rib wunderte sich immer über diesen oft gehörten Ausspruch: Machten die nie sauber? Doch darüber schwieg sich der Ausbilder aus.

[3] Zum Glück war er nicht besonders heiß.

[4] An diesen Vorstellungen konnte man gut erkennen, auf welcher Seite des Gesetzes diese Clans meistens standen.




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