Eine geldbezogene Streife

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von Wächterin Mindorah Giandorrrh (GRUND)
Online seit 04. 06. 2003
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Die Rekrutin Mindorah Giandorrrh wird mit Dunkler Wolf auf Streife geschickt. Es sieht nach einem gähnend langweiligen Tag aus, doch dann...

Dafür vergebene Note: 11

Ein nichtssagendes Grau zog sich über den Himmel Ankh-Morporks. Vereinzelte Sonnenstrahlen kämpften sich durch die Wolkenschicht und malten kleine, helle Flecken auf das schmutzige Pflaster. Müde nach dem anstrengenden Weg schienen sich die Sonnenstrahlen erleichtert ein Plätzchen zwischen dem Dreck zu suchen und sich auszuruhen. Ohne Rücksicht darauf durchbrachen zwei Gestalten den matten Lichtschein. Missmutig stapften sie durch das Gewühl, das tagtäglich die Straßen der Stadt füllte. Sie trugen die Uniform der Stadtwache und blickten drein, als wären sie gerade auf dem Weg zur Hölle. [1]

Es handelte sich um eine junge Frau, der die vollen schwarzen Haare auf die Schultern fielen. Sie starrte mit ihren grün blitzenden Augen auf die Straße. Ein Schwert baumelte an ihrer Seite. Der Mann neben ihr überragte sie um etwa 10 cm. Kurze, dunkelblonde Haare bedeckten seinen Kopf. Auf dem Rücken trug er ein großes Schwert. Sie beide waren Rekruten und sie waren dazu verdammt, an einem Tag wie diesem Streife zu gehen. Die junge Frau namens Mindorah Giandorrrh kickte wütend in einen Blätterhaufen, der am Rand der Straße aufgetürmt war. Trostlos segelten die Blätter über die Pflastersteine. Ein lautes Knirschen ertönte, als ein Troll seinen großen Fuß auf eins der trockenen Blätter setzte. Millimetergroße Teilchen blieben auf dem rissigen Stein zurück und verschwanden in den dunklen Ritzen, die jeden der Steine säumte. Eine Schicht aus Dreck bedeckte die Straße, wodurch die Schritte der vielen tausend Füße und Pfoten, die kilometerlange Wege durch die Stadt zurück legten, gedämpft wurden. Auch der Zusammenstoß Mindorahs Fußes mit der Straße gab nur ein dumpfes Pochen von sich. Die Besitzerin eben dieses Fußes fuhr zusammen, als Dunkler Wolf, der Rekrut neben ihr, den unglücklichen Versuch machte, eine Konversation in Gang zu bringen. "Scheißwetter, stimmts?"

Sie antwortete mit einem unverständlichen Grummeln.

Allerdings musste sie feststellen, dass Dunkler Wolf nicht so schnell aufgab. "Vielleicht passiert ja noch irgendwas. Oder die Sonne kommt raus!"

Mindorah war entsetzt über solchen Optimismus. Ihr wäre im Moment ein stiller, genügsamer Partner deutlich lieber, der sie mit ihrer schlechten Laune in Ruhe ließ. Sie ignorierte den fragenden Blick, den Wolf ihr ohne Pause entgegen sandte. Stattdessen versank sie in ihre Gedanken, in der sie Verbrecher über schneebedeckte Dächer jagte, auf denen die pralle Sonne blitzte, die vom Himmel schien - und in denen sie diese dann natürlich auch erwischte und erfolgreich hinter Gitter brachte.[2]

Dunkler Wolf verdrehte die Augen. Er verlegte sich darauf, die Bewohner Ankh-Morporks zu studieren, die immer einen Blick wert waren. Ihm entwich ein leises Kichern, als er eine Zwergin erblickte, die sich rosa Schleifchen in den Bart gebunden hatte und unsicher umher lächelte. Kurz darauf beanspruchte eine Meute Zombies seine Aufmerksamkeit, die um einen Haufen Körperteile versammelt waren und lautstark stritten, welcher Zombie Anspruch auf welches Körperteil hatte. So trotteten die beiden Rekruten gedankenverloren nebeneinander her, inmitten des stetigen Stromes von Leuten, die sich die kurze Straße entlang bewegten.

***


Ein mittelgroßer Mann mit braunen Haaren trat nervös von einem Bein auf das andere. Eine Kerze in der Mitte des Raumes sendete schummriges Licht aus, das die kleine Kammer mit der niedrigen Decke nur zum Teil ausfüllte. Staubkörner segelten über der Kerzenflamme und warfen kleine Schattenpunkte auf den Schreibtisch aus altem, verwittertem Holz, auf dem die Kerze in einem goldfarbenem Halter postiert war. Ein emsiges Rascheln war zu hören. Das Geräusch stammte von einer hüfthohen Kiste, die direkt neben dem Schreibtisch stand [3]. Sie spuckte laufend bemaltes Papier aus einer kleinen Öffnung. Der Mann namens Marek näherte sich der Kiste und nahm eins der handlich zurecht geschnittenen Blätter von dem Stapel, der sich mittlerweile unter dem Schlitz gebildet hatte, und sich rege vermehrte. Seine Hand zitterte merklich, als er das Papier aufmerksam musterte. Er hielt eine perfekte Nachbildung eines 20 AM $ - Scheines in den Händen. Plötzlich weiteten sich seine Augen entsetzt und er fing an zu zetern: "Was machst du denn da? Die Linie ist ja total krumm! Wenn du so weitermachst, sind wir aufgeschmissen!"

Marek fuhr sich durch die strähnigen Haare und atmete in heftigen Stößen. Eine Klappe an der Oberseite der Kiste öffnete sich einen Spaltbreit und der Dämon Kimo lugte mit vor Wut blitzenden Augen heraus. "So?", meinte er schnippisch, "Gut! Dann hör ich eben auf. Du darfst gerne selbst weitermalen!"

Mit diesen Worten zog sich Kimo zurück und die Klappe fiel mit einem lauten Knall zu. Der Mann verdrehte stumm die Augen. Ein eingeschnappter Dämon hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt! Er hatte auch so schon genug Probleme. Schließlich nahm er sich zusammen und öffnete mit einem Seufzen die hölzerne Klappe. Kimo saß mit verschränkten Armen auf einem dreibeinigen Hocker. Vor ihm stapelten sich Berge von leerem Papier. Seine Malermütze hing etwas schräg auf seinem Kopf und den Pinsel hatte er demonstrativ von sich geschmissen. Ein trotziger Gesichtsausdruck schmückte seine Züge und er würdigte Marek keines Blickes. Neben dem Höckerchen lag eine Palette mit Farben. Bunte Farbspritzer zogen sich über alle Möbel, zu denen ein durchwühltes Bett, ein Schrank und ein Tisch gehörten, auf dem kreuz und quer Stifte und Skizzen verteilt waren. Marek beugte sich über das Heim des Dämonen und schenkte ihm einen entschuldigenden Blick.

"Entschuldigung! Ich wollte dich nicht verletzen", leierte er so überzeugend wie möglich herunter. "Du machst das gut, wirklich", versicherte er und fügte nach kurzem Überlegen noch hinzu: "Ich hatte nicht vor dich anzugreifen. Aber ich bin so schrecklich nervös!"

Endlich hob Kimo den Kopf und sah den Mann misstrauisch an. Dieser schaute dem Dämon flehend in die Augen.

"Bitte mal weiter", bat er eindringlich.

Grummelnd richtete der Dämon sich auf und sammelte seine Arbeitsutensilien wieder ein. Er ließ alles auf dem unaufgeräumten Tisch fallen. Geräuschvoll zog er den Hocker zu sich und setzte sich. Er warf Marek noch einen bösen Blick zu und nahm dann mürrisch einen angefangenen Geldschein zur Hand, um lustlos daran herumzupinseln. Der Mann sah noch kurze Zeit dabei zu, wie Kimo das Papier Strich für Strich in einen Geldschein verwandelte. Als er sich davon überzeugt hatte, dass der Dämon nun tatsächlich mit der Arbeit fortfuhr, schloss er erleichtert die Klappe. Doch sofort drängte sich ihm sein altes Problem wieder auf. Die Nervosität machte sich gemein grinsend in seinem Gehirn breit. Marek biss sich auf die Lippe. Immer wieder sah er nervös zu der Holztür am Ende des Raumes. Seine Hand klammerte sich um das Holz des Schreibtisches und seine Finger trommelten einen komplizierten Rhythmus [4].

Wann kommt er denn endlich wieder? Langsam wird es doch Zeit. Der Mann schluckte. So lang dauert es doch nicht, ein bisschen Geld unter die Leute zu bringen...oder?

Marek starrte konzentriert auf die Kerzenflamme und versuchte seine nervösen Gedanken zu verdrängen, aber es tauchte immer wieder vor seinem mentalen Auge auf: Was, wenn er erwischt wurde? Was, wenn schon jemand auf dem Weg hierher ist, um mich festzunehmen?

***


Tondo schlenderte durch die Straße. Obwohl ein kühles Lüftchen wehte, bildeten sich Schweißtropfen auf seiner Stirn. Sein kleines Gehirn arbeitete fieberhaft. Allerdings kam er zu keinem brauchbaren Ergebnis, nur die eine, klare Aufgabe hämmerte mit einem lauten Pochen auf sein Bewusstsein ein: Bringe das Falschgeld unter die Leute!

Allein das Verstehen dieser Worte bedeutete für ihn große Konzentration. Doch die Ausübung dieser stellte ihn vor ein auf den ersten Blick beinahe unlösbares Problem. [5] Wie er da so grübelnd einen Fuß vor den anderen setzte, riss ihn plötzlich ein lautes Knurren aus seinen Gedanken. Er sah erstaunt auf. Nach einem erneuten Knurren, stellte er fest, dass das Geräusch aus seinem Bauch kam und kurz darauf entdeckte er auch seinen Ursprung: Ein riesiges Hungergefühl übermannte ihn.

Scheinbar sah man ihm das meilenweit an, denn keine Sekunde später, drang eine allseits bekannte Stimme an sein Ohr: "Hey, wie wärs mit ein paar Würstchen? Sie sind aus echtem Schweinefleisch!" Bevor Tondo etwas erwidern konnte, fügte sie schnell hinzu: "Ja, na gut, aus fast echtem Schweinefleisch. Aber sie kosten nur fünf Ankh - Morpork - Dollar, ein echtes Angebot, weil Sie es sind! Und damit treibe ich mich selbst in den Ruin!"

Erwartungsvoll streckte TMSIDR-Schnapper Tondo ein Würstchen unter die Nase.

Da, wie ja schon erwähnt, Tondo mit keiner großen Intelligenz gesegnet war, hielt er es für keine schlechte Idee, seinen Hunger mithilfe eines von Schnappers Würstchen zu stillen.

Also ertastete er mit seiner Hand die Tasche seiner Hose und suchte nach Geld. Er fischte ein paar Scheine aus der Tasche. Langsam ließ er seinen Blick über das Papier schweifen, das nun in seinen rauen und von Furchen durchzogenen Händen lag. Der frisch bemalte 5 AM $ -Schein stach ihm in die Augen. Ein Geistesblitz durchfuhr ihn. Sofort hellte sich seine Miene auf. Er konzentrierte sich auf den Gedanken, der sich in seine Aufmerksamkeit geschlichen hatte.

Du bezahlst das Würstchen mit dem gefälschten Geld! So ziehst du mit einer Hand zwei Münzen gleichzeitig aus dem Geldbeutel! [6], stand da wie in mentalen Leuchtziffern in der weiten Leere Tondos Gehirns.

Einige Sekunden verstrichen, bis er auch den Sinn des Gedankens verstand und er Schnapper endlich mit einem überlegenen und leicht dümmlichen Grinsen den Geldschein hinstreckte.

Dieser war sichtlich erleichtert, er hatte schon befürchtet, dass er sein Geld nie mehr sehen würde, als er Tondo in seiner Art Trance, in der er sich während des Überlegens befand, betrachtet hatte. Nun nahm er den Schein und verstaute ihn sorgfältig in einem Beutel, den er bei sich trug. Schließlich legte er Tondo eins seiner Würstchen in die speckigen Finger.

"Ich hätte hier noch einen vorzüglichen Schutz vor Taubendreck", redete Schnapper gleich wieder auf ihn ein, "für nur 8 AM Dollar! ....und damit treibe ich mich selbst in den Ruin!"

Er holte einen gewöhnlichen Hut mit breiter Krempe hervor. "Größtmöglicher Schutz zu kleinstem Preis!"

Ohne auf Schnappers Geschwätz zu hören, führte Tondo genüsslich das Würstchen zum Mund und biss kräftig hinein. Ihm liefen schon die Sabbertröpfchen aus dem Mundwinkel. Zum Glück waren seine Geschmacksnerven vom örtlichen Essen schon soweit abgetötet, dass er nur einen leicht pelzigen Geschmack wahrnahm, was ihn kaum störte. Schmatzend sein Würstchen verspeisend, drehte er sich um und lief glücklich die Gasse entlang. Stolz klopfte er sich mit dem Fingerknöchel an den Kopf.

"Bist ja doch zu was gut", murmelte er seinem Gehirn ein Lob.

Schnapper wedelte mit dem Hut und rief hinter ihm her: "So gute Qualität bekommt man selten in die Hände!"

Doch Tondo war zu selbstzufrieden, um sich die Arbeit zu machen, auf das Geräusch zu achten, das leise an sein Ohr drang...

***


Mindorah und Dunkler Wolf gingen währenddessen schweigend nebeneinander her. Sie starrten jeder für sich auf die Straße und musterten gelangweilt die Struktur des Bodens. Schwerfällig setzten sie einen Fuß vor den anderen. Plötzlich spürte Mindorah ein leichtes Tippen auf ihrem Rücken. Sie zuckte zusammen. Sofort legte sie ihre Hand auf den Schwertknauf und drehte sich um. Dunkler Wolf bemerkte die plötzliche Nervosität seiner Partnerin und sah ebenfalls nach hinten.

"Oh nein! Nicht das noch...", seufzte Mindorah, was allerdings in dem Redeschwall von TMSIDR-Schnapper unterging.

"Ihr seid doch sicher hungrig! So ein Wächter hat doch immer viel zu arbeiten und eine kleine Zwischenmahlzeit ist doch nie verkehrt! Da ist doch ein leckeres Würstchen genau das Richtige! Und dann auch noch für nur fünf Ankh - Morpork - Dollar! So ein Schnäppchen sollte man sich nicht entgehen lassen!"

"Und mit diesem Preis treibst du dich selbst in den Ruin, ich weiß...", schnitt ihm Dunkler Wolf das Wort ab. Genervt verdrehte er die Augen und sah Mindorah vielsagend an.

Um weiteren langen und ermüdenden Redeschwällen Schnappers aus dem Weg zu gehen, zog diese einen Geldschein aus ihrer Uniformtasche und reichte ihn dem erwartungsvollen Würstchenverkäufer. Sie erhoffte sich, ihn dadurch schneller loszuwerden. Freudestrahlend nahm er das Geld entgegen.

"Ich wusste doch, dass Sie Geschmack haben!"

Mit diesen Worten zückte er ein wabbeliges Würstchen und gab es Mindorah, ohne auf deren angewiderten Gesichtsausdruck zu achten. Er öffnete seinen Leinenbeutel und wühlte darin herum. Schließlich erspähte er einen 5 AM $ -Schein, den er sogleich herausfischte und ihn als Wechselgeld ebenfalls der Rekrutin in die Hand, die von einem faltigen Handschuh aus Leder bedeckt war, drückte. Bevor Schnapper anfangen konnte, von sonstigen Waren zu schwärmen, die er heute in Angebot hatte, entfernten sich die Wächter schnell. Eilig schlüpften sie zwischen ein paar Leuten hindurch und gingen schnellen Schrittes die Kurze Straße entlang. Als sie sich schließlich in Sicherheit wägten, beförderte Mindorah das Würstchen mit spitzen Fingern und gerümpfter Nase in den Randstein. Sie atmete erleichtert auf. "Endlich bin ich das widerliche Ding los!"

Dunkler Wolf grinste, was die Wächterin mit einem verächtlichen Blick kommentierte.

Doch plötzlich veränderte sich der Gesichtsausdruck ihres Partners. Er riss ihr das Wechselgeld aus den Händen und betrachtete es mit zusammengekniffenen Augen. Schließlich schüttelte er den Kopf und schaute Mindorah entgeistert an. "Das kann doch nicht wahr sein! Das Geld ist gefälscht! Die Linie hier ist doch eindeutig verwischt, schau mal."

Dunkler Wolf deutete mit dem Finger auf den Bogen der "5" auf dem Schein. Die Rekrutin beugte sich über das Papier. "Tatsächlich", stellte sie verblüfft fest.

Wolfs Gesicht bekam einen grimmigen Ausdruck. "Wo ist Schnapper?", fragte er mit fester Stimme.

***


Mit einem lauten Knarren schwang die alte Holztür der kleinen Kammer auf. Marek zuckte zusammen. Seine Züge spannten sich. Schwere Schritte brachten die Holzbohlen hinter ihm beinahe zum Bersten. Durch und durch angespannt und mit Angstschweiß auf der Stirn drehte sich der Mann um. Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm, als er den vor Freude strahlenden Tondo sah, der schnaufend vor ihm stand. Schnell wischte er sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht und nahm einen ernsten Gesichtsausdruck an. Er wollte sich schließlich nichts anmerken lassen. Misstrauisch sah er Tondo an, der selbstzufrieden losplapperte: "Ich bin das Geld losgeworden, wie du gesagt hast! Und - stell dir vor - ich hab es Schnapper gegeben!"

Freudig erwartete Tondo ein Lob von Marek. Das stand ihm durchaus zu für diese grandiose Idee, fand er. Sein Gegenüber schien allerdings anderer Meinung zu sein. Mareks Kinnlade klappte nach unten. Die Augen quollen beinahe aus ihren Höhlen. Entsetzt begann der Mann zu flüstern: "WAS hast du?"

Tondo staunte. "Ich hab es Schnapper gegeben! Wie du gesagt hast..."

Mareks Stimme schwoll an: "Ich sagte du sollst es unter die Leute bringen!"

"Ja, aber...", Tondo kratzte sich verwundert am Kopf. Er wusste nicht, was er falsch gemacht hatte. Außerdem war er enttäuscht, dass Marek seinen tollen Einfall nicht würdigte.

"Von Schnapper kann man das Geld doch sofort zurückverfolgen! Niemand in Ankh-Morpork ist so dumm und kauft Schnapper etwas ab...außer dir natürlich!" Inzwischen brüllte Marek regelrecht und sein Kopf hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen.

Tondo runzelte die Stirn. Noch immer verstand er nicht.

Seinem Gegenüber entwich ein Seufzer. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, der am Schreibtisch stand und atmete tief durch. Schließlich versuchte er langsam, Tondo den Sachverhalt zu erklären: "Also. Nehmen wir an, das Falschgeld wird bei Schnapper entdeckt und er wird von der Wache verhört. Soweit klar?"

Er sah Tondo fragend an. Dieser nickte, immer noch mit tiefen Furchen in der Stirn.

"Da kein einigermaßen intelligenter Bewohner dieser Stadt etwas bei Schnapper kauft, wird er sich gut an den einzigen Käufer in letzter Zeit erinnern können und der Wache ein detailgetreues Bild von dir liefern. Und damit werden sie uns früher oder später finden und gefangen nehmen! Verstanden?", beendete Marek seinen Vortrag. Er sah Tondo an, dessen Augen nun auch entsetzt geweitet waren.

"Du meinst, wir werden eingesperrt?", fragte er stotternd.

Marek nickte. "Genau..." Resigniert lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und guckte hilflos auf den Boden. Die Nervosität war verschwunden und hatte stattdessen einer lähmenden Kraftlosigkeit Platz gemacht.

"Äääh...", meldete sich Tondo zögernd zu Wort, "dann holen wir uns doch den Geldschein zurück!"

Zweifelnd blickte Marek auf. Es war ihm anzumerken, wie er den Satz in seinem Gehirn nachklingen ließ. Seine Miene erhellte sich. Er sprang auf und eilte mit schnellen Schritten zur Tür. "Du hast Recht. Lass uns keine Zeit verlieren", rief er Tondo im Vorbeigehen zu.

Dieser staunte immer mehr. Verwirrt wegen der plötzlichen Stimmungsschwankungen Mareks, stolperte er hinter ihm her.

***


Mindorah und Dunkler Wolf hetzten derweil durch die überfüllten Straßen und hielten Ausschau nach Schnapper. Sie stießen mitleidslos Leute zur Seite [7] und hasteten ohne Rücksicht über gut befahrene Straßen, womit sie den Anwohnern der Straßen meist einen Stau inklusive lautem Blökkonzert bescherten. Doch ihre Schritte verlangsamten sich bald und ihr Atmen wurde zu einem Hecheln. Trotzdem war weit und breit kein Schnapper in Sicht. Die beiden Wächter lehnten sich an eine dreckige Häuserwand und machten eine Verschnaufpause. Sie sahen sich in der kleinen Gasse um.

"Ist ja ne ziemlich üble Gegend hier...", kommentierte Dunkler Wolf.

Die Rekrutin neben ihm wollte eben zustimmen und darauf hinweisen, dass sich eine handtellergroße Spinne mit einem unheilvoll aussehenden Zeichen auf dem Rücken auf Wolfs Kopf zu bewegte, als gegenüber eine kleine Holztür aufgestoßen wurde und zwei Gestalten an ihnen vorbei rasten, ohne ihnen auch nur einen Blick zu schenken. Mindorah schüttelte den Kopf.

"Die haben es aber eilig", bemerkte sie und sah den beiden Männern nach. Diese stürzten sich geradezu ins Getümmel und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Der eine, er war mittelgroß und hatte etwas ärmliche Kleidung, lief voraus, gefolgt von einem Großen, Kräftigen, der etwas dümmlich wirkte.

Dunkler Wolf schüttelte und streckte sich. "Komm, lass uns auch weiter gehen. Ich bin gespannt, was Schnapper uns zu sagen hat!"

Damit setzten sich die zwei Rekruten auch wieder in Bewegung.

Der kleine Spalt zwischen der morschen Holztür und der Hauswand, durch den ein leises Rascheln drang und durch den man bei genauem Hinsehen eine Kiste erkennen konnte, aus der in regelmäßigen Abständen ein Geldschein segelte, blieb unbeachtet...[7a]

Die beiden Wächter wanden sich geschickt durch die Menschenmasse und drängelten, was das Zeug hielt. Plötzlich hielt Mindorah inne. Sie starrte gebannt auf eine kleine, alte Frau, die mit einem geflochtenen Korb in der Hand dicht hinter einem Mann herschlich, der sich entschieden voran kämpfte. Dunkler Wolf prallte heftig gegen die Rekrutin, als diese stoppte, wodurch sie das Gleichgewicht verlor. Sie kippte bedenklich nach vorne und wedelte hilflos mit den Armen. Schließlich kam ihr der Stoff eines Kleides zwischen die Finger, die sich augenblicklich darum schlossen und sich festkrallten. Ein spitzes Kreischen entfuhr der blassen Besitzerin des Kleides. Augenblicklich hielt die Masse von Leuten an und scharrte sich in einem Kreis um das Geschehen. Alle Blicke waren auf die Rekrutin gerichtet, die sich inzwischen wieder aufgefangen hatte und verlegen um sich lächelte. Der Schrei hatte auch das Interesse der kleinen Frau geweckt, welche sich entsetzt wieder umdrehte und am Hemdzipfel des Mannes zupfte, als sie die Ursache erblickt hatte. Dieser drehte sich verärgert um.

"Was ist denn?", raunte er.

Demütig zeigte die Alte auf die Wächterin. Die Augen des Mannes weiteten sich.

"Mindoraaaah", schallte ein Schrei durch die Menge. Die Angesprochene wurde rot.

"Lass uns verschwinden", zischte sie Dunkler Wolf zu und zog ihn mit sich. Es war nicht einfach den Blicken der Schaulustigen zu entkommen, doch schließlich waren die Rekruten in einer engen Gasse verschwunden.

Wolf blickte Mindorah an: "Das musst du mir jetzt aber erklären!"

"Pssst", machte die Wächterin und legte einen Finger auf den Mund. Sie lugte vorsichtig um die Ecke. Als sie das Paar jedoch nirgends entdecken konnte, fing sie flüsternd an zu berichten: "Hör zu. Das waren meine Eltern. Ich hätte nie gedacht, dass ich die mal auf der Straße sehe. Die sind doch sonst nie aus dem Haus gegangen! Ich bin echt froh, dass ich sie los bin! Es war einfach schrecklich! Meine Mutter hat alles erduldet, was mein Vater ihr angetan hat. Alle seine Launen hat sie ertragen. Stand als stumme Dienerin immer bereit."

Mindorah schaute Wolf an, der nur verständnislos zurück guckte.

Erinnerungen keimten in ihrem Gedächtnis auf. Szenen aus ihrer Kindheit liefen wie ein alter Kinofilm vor ihren Augen ab. Sie wirkten verblasst, doch die Hilflosigkeit, die sie damals verspürt hatte, fühlte sie klar und deutlich. Es waren Erinnerungen, die sie lieber ganz und gar verdrängt hätte.



Mindorah, ein kleines Mädchen von etwa neun Jahren mit langen, ausgefransten Haaren befindet sich vor einer hohen Holztür. Sie trägt ein weißes Nachthemd mit rosa Blümchen über dem zierlichen Körper. Barfuss steht sie auf den kalten Holzdielen. Mondschein dringt zwischen den langen, roten Vorhängen hindurch und wirft fahles Licht auf das Mädchen. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie durch einen kleinen Spalt in das Zimmer hinter der Tür. Sie sieht ihren Vater, dessen vor Wut verzerrtes Gesicht der Mutter zugewandt ist, die unterwürfig vor ihm kniet.

"Was soll das heißen?", flüsterte der Vater durch die zusammengepressten Zähne.

Er bekam keine Antwort. Die Frau schlug nur die Augen nieder. Sie hatte die Hände gefaltet wie zu einem Gebet. In den Augen des Mannes blitzte Wut auf. Seine Züge verrieten Abscheu. Mit einem lauten Geräusch, das die Stille zerfetzte, bewegte sich eine Ansammlung von Spucke von den Lippen des Mannes und zerschnitt die Luft. Wie in Zeitlupe kam sie der Mutter immer näher und landete schließlich auf ihrem gebeugten Kopf. Sie rührte sich nicht.

Mindorah wendete sich ab. Stumm liefen ihr Tränen über die Backen.




Die Rekrutin presste fest die Lippen aufeinander. Hastig wischte sie sich über die feuchten Augen und drehte sich um.

Um die Tränen zu verbergen, spähte sie wieder um die Hausecke. Gleich darauf wandte sie sich wieder dem Wächter zu und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er solle kommen. Dunkler Wolf forschte nicht weiter nach. Er akzeptierte ihr Schweigen. Offensichtlich hatte sie Gründe dafür, nicht mehr erzählen zu wollen. Trotz seiner Neugier folgte er Mindorah also stumm.

***


Marek und Tondo eilten durch die Straße. Ihre Entschlossenheit flaute langsam ab. Schnapper war nirgends zu entdecken. Dafür waren umso mehr Leute unterwegs. Sie verstopften die Straßen, so dass es kaum voran ging. Und mittendrin die Beiden, die verzweifelt nach Schnapper Ausschau hielten. Marek schwelgte schon in Albtraum-Phantasien, in denen er von einer Truppe Wächter abtransportiert wurde, während seine Familie auf ihn einschimpfte, was er denn jetzt schon wieder falsch gemacht habe.

Tondo hingegen stapfte stumpfsinnig hinter ihm her und starrte nach links und rechts. Mühsam versuchte er, Schnapper zu erspähen, doch es gelang ihm nicht. Laut krachte Fuß um Fuß auf die Pflastersteine. Besorgt sah er das verkrampfte Gesicht von Marek, der inzwischen vor einem Gebäude stehen geblieben war. In dem Haus waren die Büros von einer kleinen, abhängigen Zeitung untergebracht, die sehr unregelmäßig erschien, und von allen möglichen Leuten gleichzeitig erpresst und bestochen wurde.[9] Unter diesen Umständen überlebte natürlich kein Unternehmen lange, was auch der Grund dafür war, dass die Zeitung dabei war, Bankrott zu gehen und versuchte, an allen Ecken einzusparen. Somit hatten sie auch Marek gekündigt, der den D.R.U.C.K.E.R. bedient hatte.

Mareks Unterlippe zitterte und seine Augen waren fest auf das Gebäude gerichtet. Er grub seine Fingernägel so fest in seine Hand, dass Rinnsäle von Blut seinen Arm hinunter liefen. "Ihr seid an allem Schuld", brüllte er aus vollem Hals. "Nur weil ich den blöden Tschob verloren habe, bin ich so tief gesunken!" Marek ging in die Knie und suchte auf der Straße nach einem geeigneten Stein[10].

Mit Tränen in den Augen kreischte er dem Haus entgegen: "Wegen euch hab ich kein Geld mehr! Und wegen euch hasst mich meine Familie! IHR - SEID - AN - ALLEM - SCHULD!"

Marek sackte zusammen. Gesichter erschienen an den Fenstern des Gebäudes und blickten mit großen Augen auf ihn herab. Staunen und Verwunderung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Zum Teil ließen sich auch ängstliche Züge erkennen. Marek hatte inzwischen einen Stein gefunden, der ihm passabel erschien. Er schloss die Finger um ihn und hob mühsam die Hand. Der große Kreis von Schaulustigen, der sich um den Mann gebildet hatte, wartete gespannt ab, ob er es schaffen würde, sich noch mal zu erheben und den Stein zu schmeißen. Marek holte mit fest zusammen gebissenen Zähnen aus und - eine fröhliche Stimme zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich: "Würstchen gefällig?"

Der Stein plumpste zu Boden und schlug eine kleine Macke in die Straße. Steinsplitter spritzten zur Seite und verloren sich in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Ungläubig sah Marek Schnapper an. "Da bist du ja", murmelte er überrascht.

***


Mindorah seufzte. "Ich fürchte, wir finden Schnapper heute nicht mehr..."

"Da könntest du Recht haben", stimmte Dunkler Wolf ihr unglücklich zu.

Die Rekruten tappten hoffnungslos die Straße entlang.

"Was ist das denn?", fragte Mindorah plötzlich und zeigte auf einen Pulk, der sich vor ihnen gebildet hatte.

Neugierig näherten sich die beiden dem Geschehen. Als sie an der Gruppe angekommen waren, versuchten sie vergeblich einen Blick auf die Ursache der Ansammlung zu erhaschen. Mindorah stieß einen großen Zombie an, der neben ihr stand. Sie war froh, dass sie Handschuhe trug und den verwesenden Körper nicht direkt berühren musste. Der strenge Geruch, der von ihm ausging, reichte ihr völlig.

"Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, was hier los ist?", fragte sie freundlich, als der Zombie sich ihr zugewandt hatte.

"Ach, irgend ein Mann ist ausgeflippt und will randalieren. Nach dem Wutanfall zu schließen, den er hatte, arbeitete er wohl mal da und wurde gekündigt oder so...", gab er mit gelangweilter Stimme Auskunft.

Der Zombie gehörte zu den Bewohnern der Stadt, die hauptberuflich Schaulustige waren, weshalb ihn die Sache wenig beeindruckte.

"Danke", erwiderte Mindorah und entfernte sich schon von dem Tumult, als sie Dunkler Wolf rufen hörte: "Hey! Das sind doch die Beiden von vorhin!"

Die Rekrutin gesellte sich mit fragendem Blick zu ihm und spähte durch einen Spalt zwischen einem alternden Vampir und einem Zwerg. Erstaunt stellte sie fest, dass Wolf Recht hatte. Es handelte sich tatsächlich um die zwei Männer, die sie früher am Tag beim eiligen Verlassen eines Hauses beobachtet hatten. Der eine kniete zusammengesunken auf dem Boden und hielt krampfhaft einen Gegenstand in der rechten Hand. Er gab wimmernde Laute von sich und zitterte merklich. Daneben stand sein Begleiter und sah hilflos auf ihn herab.

Da drängelte sich - Mindorah konnte es kaum glauben - Schnapper durch die Menge. Er hielt den Leuten seine Würstchen unter die Nase und beteuerte, dass er sich mit seinen Preisen natürlich selbst in den Ruin trieb. Die Wächter sahen sich ungläubig an. Dann stoben sie beinahe synchron durch die Masse von Schaulustigen und packten den Würstchenverkäufer, der ihnen staunend ins Gesicht guckte.

"Wollt ihr ein Würstchen?", fragte er versuchsweise.

Marek hatte sich nun auch aufgerappelt und stand hinter Schnapper. Tondo baute sich wiederum wie ein Leibwächter hinter dem Mann auf. Er hatte seinen Blick auf das Würstchen in Schnappers Hand gerichtet.

"Ich würde eins...", begann er, doch Mareks entsetzter Gesichtsausdruck ließ ihn verstummen.

Fassungslos starrten die Wächter, die beiden Männer und Schnapper sich gegenseitig an. Plötzlich fingen alle an durcheinander zu plappern, hin und wieder waren Worte wie "Was", "Warum" und "Hä" aus dem Stimmengewirr heraus zu hören.

"Ruhe", brüllte Dunkler Wolf irgendwann aufgebracht.

Stille breitete sich über die Personen wie ein flauschiger, alles schluckender Teppich. Nur ein leises Murmeln kam aus der Menge der Schaulustigen.

Mindorah ergriff das Wort: "Ihr beiden, wer seid ihr?"

Streng sah sie die beiden Männer an. Marek seufzte. Alle Energie war von ihm gewichen. Mit einem Ausdruck der Müdigkeit in den Augen stellte er sich vor: "Ich bin Marek Kriegnichtshin."

Mit dem Daumen zeigte er über seine Schulter hinter sich.

"Und das ist Tondo, mein Bruder."

Die Rekrutin nickte: "Und was wollt ihr von Schnapper? Wohl kaum ein Würstchen, oder?"

Misstrauisch zog sie eine Augenbraue hoch.

Resigniert und mit belegter Stimme antwortete Marek: "Wir wollten uns das Falschgeld zurück holen."

Staunend sahen sich die Wächter an. Nachdem sie ausreichend vielsagende Blicke ausgetauscht hatten[11], wendete sich Mindorah wieder an die beiden Männer, die unbeweglich und mutlos vor ihnen standen.

"Ihr seid vorläufig festgenommen. Über eure Rechte müsst ihr euch selbst informieren", leierte sie herunter.

Sie trat einen Schritt vor und nestelte an ihrem Gürtel herum, an dem ein zerfleddertes Seil befestigt war. Mit ihren dreckigen Fingernägeln fummelte sie an dem Knoten rum. Als sie es endlich geschafft hatte, ihn zu lockern, wenn auch unter Verlust zweier Fingernägel, forderte sie Marek und Tondo auf, die Arme auszustrecken. Mit Dunkler Wolfs Hilfe band sie die vier Hände der Männer zusammen und zurrte das Seil fest. Die beiden Brüder ließen es ohne Gegenwehr über sich ergehen. Mut- und kraftlos blickten sie auf den Strick, der fest in ihre Haut einschnitt.

"So, die Vorstellung ist beendet", erklärte Wolf laut der Menge und forderte die Schaulustigen auf, sich auf den Heimweg zu machen. Widerwillig zerstreuten sich die Leute. Allerdings folgten der kleinen Truppe, bestehend aus den beiden Rekruten, die beide ein Ende des Seils in den Händen hielten, an dem wiederum Marek und Tondo hingen und hinterher trotteten, trotzdem noch einige neugierige Stadtbewohner. Auch Schnapper war immer noch in der Nähe und hastete von einem zum anderen, um seine Würstchen anzubieten.

Mindorah warf den hartnäckigen Schaulustigen grimmige Blicke zu.

"Es gibt nicht zufällig ein Gesetz zum Verhaften von Neugierigen?", zischelte sie Wolf zu.

Der Wächter grinste. "Was hast du denn gegen die netten, freundlichen Leute?", erwiderte er mit einer gewaltigen Portion Sarkasmus in der Stimme.

"Ich? Hab was gegen meine lieben Mitmenschen und Nichtmenschen? Wie kommst du denn darauf?", gab sie nicht minder ironisch zurück.

Die zwei Gefangenen stapften stumm hinter ihnen. Die Fesseln hinterließen rote Spuren in der Haut. Tondo schickte seinem Bruder gelegentlich einen verwunderten Blick. Doch Marek ignorierte die unausgesprochene Frage und ließ seine Augen über die Pflastersteine wandern.

***


Durch einen kräftigen Schlag Mindorahs Hand schwang die Tür des Wachegebäudes auf. Mit schmerzenden Füßen trat sie ein. Dunkler Wolf folgte ihr und zog Marek und Tondo mit hinein. Die letzten Schaulustigen, die bis hierher durchgehalten hatten, bauten sich nun leise murmelnd vor dem Haus auf.

"Puh", schnaufte die Rekrutin, "endlich sind wir die los!"

Ihr Gefährte nickte: "Wurde auch langsam Zeit. Und dagegen, dass wir endlich da sind, hab ich auch nix."

Mindorah verzog das Gesicht und sah gequält auf ihre geschundenen Füße.

In diesem Moment kam Rina Lanfear den Gang entlang gelaufen. Neugierig und etwas misstrauisch musterte sie die Gefangenen.

"Wen habt ihr denn da angeschleppt?", erkundigte sie sich bei den Rekruten.

Hastig salutierten die beiden. Nach einem kurzen Blickwechsel, trat Mindorah vor.

"Das sind Marek und Tondo Kriegnichtshin. Sie stehen im Verdacht, Falschgeld hergestellt und unter die Leute gebracht zu haben", erstattete sie Meldung.

Unsicher blickte sie Rina an. War das jetzt richtig so?

"Aha", gab die Ausbildungsleiterin nachdenklich von sich.

Sie wendete sich an die beiden Brüder: "Ist das wahr? Habt ihr Falschgeld hergestellt?"

Streng sah sie ihnen in die Augen.

Marek blickte müde zurück. "Ja", stimmte er schlicht zu.

"Gut", entschied Rina, "ihr bringt sie ins Vernehmungszimmer und ich hol währenddessen einen Protokolldämon."

Mit einem Blick auf die Fesseln und einem Stirnrunzeln fügte sie hinzu: "Und bindet sie los, die werden uns schon nicht abhauen."

Sofort eilte sie den Gang zurück und verschwand in einem Zimmer. Langsam setzten sich auch Mindorah und Dunkler Wolf in Bewegung. Während dem Laufen entfernten sie den Strick. Auf der Haut der Gefangenen waren rote Abdrücke des Seils zu erkennen.

Kurz danach hatten sich alle im Vernehmungszimmer eingefunden. Rina und die beiden Rekruten auf der einen Seite des Tisches, den Protokolldämonen vor sich, und Marek und Tondo auf der gegenüberliegenden Seite.

Die Ausbildungsleiterin nickte dem Dämonen zu. "Hiermit beginnt die Vernehmung der Beschuldigten Marek und Tondo Kriegnichtshin. Anwesend sind Leutnant Rina Lanfear und die Rekruten...?", sie stockte und sah die Besagten fragend an.

"Mindorah Giandorrrh", erklärte die Rekrutin hastig.

Auch Dunkler Wolf beeilte sich, seinen Namen zu nennen.

Rina nickte und wendete sich an die beiden Männer: "So, jetzt erzählt mal. Am besten ganz von vorne mit Motiv und allem was dazu gehört"

Zögerlich und mit eintöniger Stimme begann Marek zu berichten, während sein Bruder nur stumm und mit Verwunderung im Blick neben ihm saß: "Seit meiner Kindheit werde ich vom Pech verfolgt. Egal was ich anfange, es geht schief. Da ich Tondos älterer Bruder bin, hätte ich ihm, laut meinem Vater, ein gutes Vorbild sein müssen. Das war ich allerdings nie. Eines Tages bekam mein Vater mal wieder einen Wutanfall, weil ich irgendetwas angestellt hatte. Er steigerte sich so in seinen Zorn hinein, dass er mich fortschickte. Tollpatschig stolperte ich durch die Stadt. Dass ich überlebte, hatte ich wohl einem kleinen leerstehenden Raum zu verdanken, den ich bei meinen planlosen Streifzügen entdeckte und in dem ich mich einnistete. Tagsüber hielt ich mich allerdings immer auf der Straße auf, in der Hoffnung auf ein Wunder, dass an meinem Zufluchtsort vielleicht ungeachtet vorbeispaziert wäre. Und ich traf tatsächlich auf ein solches Wunder. In Gestalt einer Frau."

Der Mann stockte. Mindorah hatte bis eben gespannt seiner Erzählung gelauscht. Auch Wolf und Rina waren natürlich nicht uninteressiert an dem Fortgang der Geschichte. Von einem aufmunternden Blick begleitet, forderte ihn die Ausbildungsleiterin auf, weiter zu erzählen.

"Sie sammelte mich auf", nahm Marek also den Faden wieder auf, "und gewährte mir Unterschlupf in ihrem Haus. Mit der Zeit entwickelten wir Zuneigung zueinander und heirateten schließlich. Es schien, als hätte das Glück mich doch noch gefunden, denn ich fand auch noch einen Tschob bei einer lokalen Zeitung. Auch meinen jüngeren Bruder Tondo traf ich, zu dem ich seit meinem Rauswurf keinen Kontakt mehr hatte. Seinen Erzählungen zufolge, war auch er von unserem Vater weggeschickt worden, weil er ihm nicht intelligent genug war. Er bekam ein kleines Zimmer in dem Haus von mir und meiner Frau. Alles war perfekt. Doch nach dieser kurzen Phase der Ruhe, holte mich das gewohnte Pech wieder ein, und ich wurde gekündigt."

Marek legte eine kurze Verschnaufpause ein.

"Natürlich wollte ich meiner Frau nichts davon erzählen, aus Angst, sie könne mich verstoßen, wie einst mein Vater", fuhr er langsam fort, "Ich versuchte, eine neue Arbeit zu finden, doch es war aussichtslos. Also musste ich mich wohl oder übel nach einer anderen Möglichkeit an Geld zu gelangen, umsehen. Mir kam ein schlichter Einfall. Wieso das Geld nicht einfach d.r.u.c.k.e.n.? Schließlich war es kein großer Aufwand, den D.R.U.C.K.E.R. aus dem Gebäude der bankrott gegangenen Zeitung zu entwenden, da ich an diesem gearbeitet hatte. Gedacht - Getan. Mit der Hilfe von meinem Bruder Tondo schaffte ich die Maschine in den kleinen Raum, der mir nun wieder in den Sinn kam. Nach einer kleinen Menge produzierten Geldes, beauftragte ich Tondo, er solle es unter die Leute bringen. Doch es kam, wie es kommen musste. Das Pech ließ mich nicht im Stich, und er gelangte ausgerechnet an Schnapper. Als er mit dieser Nachricht zurückkehrte, brachen wir sofort wieder auf, um das Geld zurück zu holen und damit in Sicherheit zu bringen. Letztendlich machten wir es Ihnen dadurch ja sogar einfacher, aber das ist eben mein Pech."

Seufzend endete er. Tondo nickte zustimmend, auch wenn er sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich die gesamte Geschichte anzuhören und auf ihre Wahrheit zu überprüfen.

Rina runzelte nachdenklich die Stirn.

"Warum wolltet ihr denn das Geld von Schnapper zurückholen?", fragte sie prüfend nach.

"Ich befürchtete, dass die Spur von Schnapper, wegen des Mangels vieler Kunden, leicht zu uns zurückverfolgt werden könnte", gab Marek matt Auskunft.

"Die Vernehmung ist vorerst beendet", gab Rina dem Protokolldämon die Anweisung, nicht mehr mitzuschreiben.

Dann wendete sie sich zu den mutlosen Gefangenen.

Sie versicherte ihnen in beruhigendem Tonfall: "Ich bin mir sicher, dass keine allzu langen Haftstrafen auf euch warten. Tondo ist allenfalls Beihilfe vorzuwerfen. Außerdem gilt es ja nur den Falschgeldverbreitungsversuch zu bestrafen. Gelungen ist es euch ja glücklicherweise nicht."

Nun drehte sie sich endlich zu den gespannt wartenden Rekruten. Freundlich lächelnd lobte sie: "Gut gemacht, ihr zwei! Auch wenn ich sagen muss, dass euch das Glück nicht unerheblich geholfen hat..." Ein Grinsen begleitete ihre letzten Worte.

"Danke, Mä`äm", freute sich Dunkler Wolf und salutierte.

Auch Mindorah bedankte sich stolz und erleichtert. Doch sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie den zweiten Satz ziemlich unnötig fand, im Hinblick auf den Einsatz ihrer Füße.

"Wegtreten, Rekruten. Den Rest übernehme ich," befahl Rina und salutierte ihrerseits.

Sogleich verließen die Beiden den Raum.

"So, jetzt aber ab in den Eimer", entschied Mindorah.

Wolf nickte zustimmend und schon waren sie auf dem Weg zu einem verdienten Schluck Knieweich.

***


Langsam aber sicher bewegte sich Bein um Bein vorwärts. Kleine Härchen bedeckten den ganzen Körper der etwa handtellergroßen Spinne, die auf dem staubigen Holzboden einer Kiste entgegenkrabbelte. Im flackernden Kerzenlicht warf sie lange Schatten. Als sie an ihrem Ziel angekommen war, bäumte sie sich auf und ließ ihre Vorderbeine an den Brettern entlang wandern, aus denen die Kiste bestand. Sie fokussierte mit ihren dunklen Augen die Beine, die von oben herunter baumelten. Diese stammten von einem Dämon namens Kimo, der mit verschränkten Armen auf dem D.R.U.C.K.E.R. saß. Tiefe Furchen durchzogen seine kleine Stirn. Ohne die Spinne zu bemerken, starrte er wütend durch die Gegend und grummelte: "Und was soll ICH jetzt machen?"

[1] Manche Wächter benutzen in dem Zusammenhang auch den Ausdruck "zum Tresendienst bei Frau Willichnicht", aber die Erzählerin zieht es vor, den Ärger der werten Frau nicht allzu sehr auf sich zu ziehen...

[2] Mindorah hat zeitweise etwas skurrile Tagträume

[3] Es handelte sich um einen D.R.U.C.K.E.R., einen "Dämon für Raffinierte Und Colorierte Kopien, Echt Rentabel"

[4] Es handelte sich um Heetbofens 5 1/2te Sinfonie, allerdings leicht vereinfacht für das nervöse Trommeln von Fingern auf Holz.

[5] An dieser Stelle sollte vielleicht darauf hingewiesen werden, dass Tondo keineswegs ein Troll ist, auch wenn das im Anblick auf seine mindere Intelligenz durchaus nahe liegen würde. Doch diese ist darauf zurückzuführen, dass Tondo mit einer ohnehin schon geringen Intelligenz zur Welt kam, was durch regelmäßige Schläge auf seinen Kopf noch verstärkt (bzw. verringert) wurde. Auch seine trollähnliche Statur ist angeboren.

[6] Da nach Paragraph 517, 13 Fliegen nicht mehr mit Klappen geschlagen werden dürfen ( Dieses Gesetz ist einem übertriebenem Tierschützer zu verdanken, der einmal auf dem Ankh-Morporkianischen Thron saß), einigte man sich als Ersatz auf diese Variante des Sprichwortes, dass seinen Ursprung in den Schatten hat, wo es sich unter Dieben schon lange eingebürgert hatte.

[7] Was ihnen mehrere mitleidlose Flüche, Beleidigungen und Androhungen auf Prügel einbrachte.

[7a]  Die Spinne übrigens auch, die ihrem Opfer verstört nachsah und sich nun auf den Weg die Wand hinunter machte und sich auf die Tür zu bewegte...

[9]  Was dazu führte, dass so gut wie kein Artikel mehr gedruckt wurde, um nicht gegen irgendwelche Bestechungsverträge usw. zu verstoßen.

[10] Geeignet bedeutete in diesem Fall groß, schwer, hart und einschlägig.

[11] Die Blicke sagten in etwa aus: "Gehen wir nachher im Eimer was trinken?"




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