Kochen für Anfänger?

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von Obergefreite Hatscha al Nasa (DOG)
Online seit 31. 05. 2003
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 Außerdem kommen vor: Leopold von LeermachRincePismireRobin PicardoIrina Lanfear

Hatscha wird dazu abgeordnet, bei GRUND eine Demonstration der Arbeit eines Verdeckten Ermittlers zu halten. Nichts, was im Interesse von jedem Rekruten liegt.

Dafür vergebene Note: 10

Gähnend betrat Hatscha ihr Büro im zweiten Stock des Boucherie Rouge. So früh am Morgen sollte kein Mensch – oder anderes Lebe- bzw. Untotenwesen – zur Arbeit müssen. Als sie die Vorhänge zurückzog, konnte man die Glocken der Gilden nacheinander zehn mal schlagen hören [1]. Es war also zehn Uhr. Eben viel zu früh zum Arbeiten, dachte sich die Obergefreite.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und machte[2] sich erst einmal einen Kapputschino – eine Eigenart vieler Wächter, die sie sich auch mit der Zeit angewöhnt hatte. Dann fiel ihr Blick auf den Schreibtisch, besser gesagt auf einen darauf befindlichen Zettel.

Bitte kommige so schnellig wie möglich in mein Büro,
Gezeichnet, Spiehß Ecatherina Erschreckja


Hatscha gähnte noch mal. Das bedeutete Arbeit. Sie trank noch ihren Kapputschino leer, dann stand sie langsam auf, um ihr soeben betretenes Büro wieder zu verlassen. Die Glocken schlugen, bzw. schlugen nicht, halb 11.
"Ah, da bist du ja!", erschallte die alles andere als verschlafene Stimme der Abteilungsleiterin, als Hatscha in ihr Büro watschelte.
"Ja, was gibt es?", sagte sie und salutierte.
"Ich habe von Rina erfahren, dass ein verdeckter Ermittler aus unserer Abteilung den neuen Rekruten mal seine Arbeit demonstrieren soll. Und du bist derzeit die einzige, die diese Spezialisierung ausübt", sagte Eca mit einem Lächeln.
"Ah ja. Und wann soll diese Vorführung sein?", fragte die Obergefreite entgeistert.
"So bald wie möglich. Am Besten gleich morgen."
"Ok, dann werde ich mich morgen auch darum kümmern."
"Gut, danke, Hatscha. Du darfst wegtreten." Hatscha salutierte und drehte sich um.
"Warte noch mal kurz. Sag den Ausbildern der Rekruten bescheid, damit sie ihre Zöglinge hinschicken können. Danke." Die Bürotür fiel zu und Eca lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
Hatscha hingegen machte sich schön brav und halb schlafend auf den Weg zur Kröselstraße, um die Ausbilder zu informieren. Dann ging sie zurück in ihr Büro und machte sich einen schönen Tag.[3]


***nächster Tag, Kröselstraße***

"Rekruten Kniebeißer, Nachtrose, Schwarzpelz und Zinopher zu mir!!!", schrie Leutnant Irina Lanfear in den Aufenthaltsraum des Wachhauses hinunter. Wenige Sekunden später standen die vier genannten Wächter in ihrem Büro.
"So, hört mal her. Heute findet eine Infiltrationsmanöverdemonstration statt. Geleitet wird diese von der Obergefreiten Hatscha al Nasa von DOG. Ich möchte, dass ihr dort erscheint, alle! Verstanden?"
"Äh, nein..."
"Was ist, Grobi?"
"Was ist ein Infiltra-Dingsbums?"
"Ein Infiltrationsmanöver ist die Durchführung einer verdeckten Ermittlung. Man versucht, mit einer Verbrechergruppe Kontakt aufzunehmen und deren Vertrauen zu gewinnen, ohne dabei als Wächter erkannt zu werden. Jetzt alles klar?"
"Ja, Ma'am!"
"Gut, weggetreten. Und wehe, irgendwer schwänzt die Demonstration!"
Die vier Rekruten verließen das Büro.
"Nun, hört sich doch ganz interessant an, oder?", sagte Zinopher.
"Hm, ich weiß nicht... ist irgendwie nichts für mich", ließ sich Nachtrose vernehmen. Syphar und Grobi zuckten mit den Schultern.
"Es ist Teil unserer Ausbildung, also, was sollen wir tun?", meinte der Zwerg.
"Ja...", stimmte Syphar zu.


***später am Tag***

Hatscha richtete noch ihre sieben Sachen zurecht, dann blickte sie auf die Rekrutenschar, die sich vor ihr versammelt hatte. Sie befanden sich auf dem Pseudopolis-Platz und die Obergefreite war bereits verkleidet. Als Dieb.
"Hallo erst einmal. Ich bin Obergefreite Hatscha al Nasa, aber da ich als Verdeckte Ermittlerin meist in Zivil bin, nennt mich einfach Hatscha. Ich wurde von euren Ausbildern gebeten, eine Anwesenheitskontrolle durchzuführen, sie gaben mir eine Liste mit den Teilnehmern. Also: Diopsid?"
"Hier ich bin."
"Zinopher?"
"Ja."
Hatscha fragte ihre Liste durch, wobei sich herausstellte, dass alle da waren, außer Nachtrose und Haagi.
"Gut, ich werde das dem Leutnant melden müssen, dass die Beiden nicht da sind. Die anderen passen jetzt bitte auf." Sie zog einen Zettel aus ihrer Tasche. Außerdem legte sie sich Verkleidungsstücke zureckt.
"Hier auf dem Pseudopolis-Platz befindet sich eine Gruppe von Dieben, die ihr jetzt vielleicht nicht gleich seht. Da drüben stehen sie." Sie zeigte auf ein paar Leute, die auf den ersten Blick ganz gewöhnliche Kleidung trugen. Dann sahen die Rekruten, wie sie einen Passanten überfielen und hinterher eine Lizenz zurückließen, was sie eindeutig zu lizensierten Dieben machte. Die Wächter nickten.
"Also, verteilt euch auf dem Platz, ich werde euch jetzt ein Infiltrationsmanöver demonstrieren. Ich werde mich unter sie mischen, mit ihnen reden und herausfinden, wen sie als nächstes überfallen werden." Mit diesen Worten machte Hatscha sich auf den Weg zu den Dieben, während die anderen Wächter sich gute Schauplätze suchten.
"Hey Kumpels, was geht so?" Die Gruppe aus Dieben drehte sich zu dem Neuankömmling um.
"Hm, wer bisn du?", fragte ein Mann mit struppigem Bart. Er war groß und relativ muskulös. Allerdings machte er einen recht wachsamen und intelligenten Eindruck. Ein Dieb hätte ihn als "Geldweg" Gustav erkannt. Klar der Anführer der Gruppe.
"Ich bin einer von euch, keine Sorge, Gustav." Auch Hatscha wusste, wer der Dieb war. Argwöhnisch wurde sie von den anderen gemustert.
"Hey Gustav, ich glaub, sie ist ok", sagte dann eine Diebin. Sie war dünn, aber nicht schmächtig. Ihr langes blondes Haar fiel ihr auf die Schultern herab. Mit einem Lächeln betrachtete sie die Wächterin.
"Na gut, du musst das wissen, Jenny. Du hast nen guten Blick für so was", erwiderte dann Gustav mit einem Nicken.
"Was macht so das Geschäft? Gute Beute?", fragte Hatscha.
"Geht schon, ich hoff, unser nächster Klient bringt gut was ein."
"Um wen handelt es sich denn?"
"Hm, aber sags nich weiter. Tassililio Habkröten. Ein recht Reicher in der Stadt", flüsterte Gustav mit rauer Stimme. Hatscha nickte wissend.
"Na, dann viel Glück. Ich werde mich dann mal um meine eigenen 'Freunde' kümmern. Macht's gut!" Mit einem Winken verließ sie die Gruppe und verschwand in der Menge. Dann trommelte sie die Rekruten wieder zusammen.
"Na, habt ihr jetzt gesehen, wie man so etwas macht?"
"Ja, Ma'am!", sagten die Rekruten.
"Gut, dann wäre die Demonstration hiermit auch schon beendet. Ich denke, eure Ausbilder verlangen einen Bericht darüber von euch, also macht euch an die Arbeit." Sie scheuchte die Wächter weg und machte sich dann selbst daran, ihren Bericht zu schreiben.


***Nächster Tag, Kröselstraße***

"Rekruten Nachtrose und Haagi zu miiiiir!!!", schrie Rina in den Aufenthaltsraum hinunter. Sofort erschienen die Beiden.
"Ich habe erfahren, ihr wart gestern nicht bei der Demonstration von der Obergefreiten Hatscha al Nasa?"
Die beiden Rekruten sahen bedrückt zu Boden.
"Als Strafe müsst ihr jetzt für einen ganzen Tag in der Kantine der Wache aushelfen. Die suchen dort eh des Öfteren etwas Hilfe. Ihr werdet auf Anweisung des Kochs dort für diesen Tag das Essen zubereiten. Wegtreten!"
Kaum waren die Rekruten weg, schon klopfte es wieder an der Tür von Irina Lanfear.
"Herein!", rief sie.
Die Tür öffnete sich, doch bevor der Leutnant irgendwen sehen konnte, hörte sie ein verhaltenes "Hatschiiieeee" von draußen.
"Ah, Hatscha, du bist's. Ich erinnere mich, ich wollte mit dir noch mal sprechen. Komm herein."
Jetzt endlich betrat die Obergefreite das Büro.
"Hallo Leutnant."
"Also, ich habe mir den Bericht von dir durchgelesen und denke mal, dass du deine Aufgabe gut erledigt hast. Die beiden fehlenden Rekruten haben von mir Küchendienst erteilt bekommen. Wärst du so gut und würdest später mal nach ihnen schauen? Ich ertrinke fast in Arbeit hier." Sie wies auf die Berge aus Papier vor ihr. Aufnahmebögen und –anträge, Rekrutentests und allerlei Rekrutenberichte waren die "Gesteinsschichten" der Berge.
"Kein Problem, ich habe derzeit eh recht wenig zu tun." Hatscha salutierte und verließ das Büro.


***Etwas später, Küche der Wachekantine***

Zaghaftes Klopfen an der Tür zur Küche ließ den Koch herumfahren.
"Ja? Was gibt's?", sagte er und öffnete. Er war recht klein, rund und trug eine große weiße Kopfmütze auf dem Kopf. [4] Im Speisesaal hinter der Tür stand ein Wächter, würde man auf den ersten Blick sagen. Nur jemand, der es gewohnt war, sah auch den Gnom auf der Schulter. Der Koch war es gewohnt, schließlich arbeitete er für Wächter.
"Was wollt ihr?"
"Wir sind Haagi und Nachtrose, beide Rekruten. Wir wurden hergeschickt, um für den heutigen Tag in der Küche auszuhelfen", erklärte Nachtrose und zeigte auf den Gnom und sich selbst.
"Ah, ihr seid das, ich habe schon auf euch gewartet. Mal sehen, habt ihr schon mal etwas gekocht?"
"Nun ja... ich habe es schon einmal versucht", ließ sich Haagi vernehmen. Was bei einem Gnom natürlich nicht viel heißen mag.
"Das ist gut, dann lass ich euch einfach einmal das Mittagessen zubereiten. Ich gebe euch ein Kochbuch für Anfänger, aus dem ihr euch ein Rezept heraussuchen könnt, das ihr zubereiten wollt. Viel Spaß. Alles Nötige findet ihr hier in der Küche", sagte er und verschwand, aber nur, um kurz darauf mit einem dicken und dreckigen Buch zurückzukommen. Es trug den schwer zu entziffernden Titel "Erste Kochkünste für Leute, die am Anfang einer Kochkariäre stehen". Der Umschlag war so fettig, dass Nachtrose erst einmal Probleme hatte, das Buch in den Händen zu halten, ohne dass es ihr gleich wie ein nasses Stück Seife [5] aus den Händen gerutscht wäre. Sie fing an, darin zu blättern.
"Das hat ja gar keine interessanten Rezepte. 'Nudeln mit roter Sohse, ähnlich im Geschmak von Tomahten' hört sich ja nicht gerade sehr verlockend an", murrte sie.
"Warte doch mal, ich glaub, du hast gerade eine Seite übersprungen", meinte Haagi etwas später, als sie schon eine Weile suchten. Der Vampir schlug die Seite auf, die der andre Rekrut meinte.
"Ich glaube, das Gericht trug einen interessanteren Namen als die anderen."
"Todessymphonie? Hört sich wirklich interessant an. Was brauchen wir dazu?"
"Wasser, etwas Salz, ein wenig vom Riechstarköl, Pappricka, Tomahten, Käse und viele, viele geschälte Kartoffeln", las der Gnom vor.
"Was ist Pappricka?"
"Ich glaube, der Name rührt vom Entdecker dieser Frucht, Ricka Pappe. Soll aus Wiewunderland kommen."
"Das hört sich recht lecker an. Lass uns das machen."
"Okay, dann müssen wir zuerst das Wasser aufkochen, Pappricka, Tomaten und Käse klein schneiden, und die Kartoffeln schälen." Sie machten sich an die Arbeit.
Etwas später legte Nachtrose erschöpft vom vielen Schälen ihren Kartoffelschäler aus der Hand und auf das Kochbuch.
"Kocht das Wasser schon?", fragte sie dann.
"Ja. Jetzt müssen wir das Riechstarköl, das Salz, das Kleingeschnittene und die Kartoffeln in das Wasser tun, in dieser Reihenfolge."
Gerade, als sie die letzte Kartoffel in den Topf geben wollten, fing das Wasser an, große Blasen zu werfen, ein starker Geruch entfaltete sich. Als die Kartoffel dann letztendlich das Wasser erreicht hatte, bildete sich eine große, sehr helle Wolke, die die beiden Rekruten verschlang.
Als die Luft wieder klarer wurde, war niemand mehr zu sehen. Nur das Kochbuch und der Schäler erinnerten daran, dass hier etwas gekocht worden war.


***Währenddessen***

Die Glocken der Gildenuhren wiesen darauf hin, dass es 12 Uhr war. Hatschas Magen knurrte wie eine Bulldogge beim Anblick eines Postboten. Also beschloss sie, heute mal in der Wachekantine zu essen. Außerdem sollte sie ja auch nach den beiden Rekruten schauen, ob sie auch brav ihre Aufgabe erfüllten. Also betrat sie den Speiseraum, der seltsamerweise leer war. Dafür wurde sie gleich von einem aufgebrachten Koch empfangen.
"Sie sind Wächterin, nicht wahr? Kommen Sie schnell!" Er packte die Obergefreite am Arm und zerrte sie in die Küche, in der immer noch ein leichter Nebel herrschte. Außerdem war sie sehr unordentlich, was ungewöhnlich für den Koch war.
"Hilfe, was ist denn geschehen?", sagte sie und schüttelte den Koch ab.
"'tschuldigung... Leutnant Irina Lanfear hat mir zwei Rekruten, die Strafdienst zu verrichten hatten, geschickt, dass sie das Essen zubereiten. Eben waren sie auch noch da... Aber jetzt sind sie urplötzlich verschwunden!" Er führte sie zum Ort des Geschehens.
Alles, was Hatscha erblicken konnte, war eine sehr unordentliche Küche, auf deren staubigen Boden ein aufgeschlagenes Buch lag, das sich als Anfängerkochbuch herausstellte. Darin fand sie einen Kartoffelschäler. Ihr fiel auf, dass der Boden seltsamerweise nur an dieser einen Stelle mit Staub bedeckt war.
"Hier waren sie eben noch, dann wurde es ganz hell in der Küche. Als man wieder etwas sehen konnte, waren sie weg!", sagte der Koch verzweifelt, den Tränen nahe.
"Hm, was sollten sie denn zubereiten?"
"Weiß ich nicht, sie sollten sich etwas aussuchen."
Hatscha nahm das Kochbuch und den Kartoffelschäler. Sie sah sich die Seite an, die gerade aufgeschlagen war. Viel konnte man nicht mehr erkennen, die Schrift war total verblasst.
"Ich werde das hier SUSI zur Untersuchung schicken. Um den Fall werde ich mich selbstverständlich auch kümmern", erklärte sie dem Koch.
"Setzen Sie sich erst einmal hin und trinken Sie einen Beruhigungstee. Oder noch besser, kommen Sie mit zu SUSI, Leutnant Pismire kann hervorragenden Tee kochen."
Den Koch mit der einen Hand stützend, das Kochbuch und den Schäler in der anderen, machte sie sich auf den Weg zum Pseudopolis-Platz.


***Wachhaus am Pseudopolis-Platz, Büro des Abteilungsleiters von SUSI***

"Herein?", rief Pismire zur Tür, als jemand daran klopfte. Hatscha öffnete diese und zog den Koch hinein.
"Hallo Leutnant. Ich wollte dieses Anfängerkochbuch und den Kartoffelschäler an eure Laboranten zur Untersuchung geben. Ach ja, und wenn möglich, können diese erreichen, dass man die Schrift des Buches wieder lesen kann?"
"Ja, ich denke doch. Ich werde es weiterreichen. Kann ich sonst noch was für dich tun?"
"Nein, für mich nicht, nur für diesen Herren. Er scheint einen deiner Beruhigungstees zu brauchen."
"Kein Problem. Ich schicke dir dann die Ergebnisse zu, in Ordnung?"
"Ja, danke!" Hatscha winkte, ließ den Koch in Pismires Büro zurück und machte sich auf den Weg zu ihrem eigenen.


***Boucherie Rouge, noch später am Tag***

4 Uhr am Nachmittag, ließen die Glocken der Stadt einen wissen.
"HATSCHA!!!", schallte es durch das Gebäude. Die Wächterin schreckte aus ihren Grübeleien hoch. "ZU MIR!!!" Sie gehorchte und ging in Eca's Büro.
"Ich hab hier einen Bericht von Pismire für dich", begrüßte die Abteilungsleiterin sie.
"Ah, danke!" Hatscha nahm den Zettel entgegen und las ihn sich durch. Die Laboranten hatten nicht viel des Rezeptes wiederherstellen können. Der Name und noch ein paar Zutaten waren lesbar, mehr nicht.
"Hm, ich muss mal zur Gilde der Köche."
Eca nickte. Dann verschwand die Obergefreite so schnell wie möglich.


***Gildengebäude der Kochgilde***

"Was willst du?", fragte der Pförtner forsch und verweigerte einer Wächterin den Eintritt. Er war kräftig gebaut und sturköpfig, erkannte Hatscha. Sie befand es für klüger, sich nicht mit diesem Mann anzulegen.
"Ich muss dringend mit dem Oberkoch reden!", sagte sie und schaute den Mann flehend an. Von dem Tonfall ihrer Stimme überrascht, ging er ihr aus dem Weg.
"Zweites Gebäude, erster Stock, dritte Tür rechts!", rief er ihr hinterher.
Hatscha eilte zu dem ihr beschriebenen Ort. An der Tür, die sie dort fand, stand Albrecht Bioschreck, Chefkoch. Sie klopfte an. Erst später fiel ihr die kleine Klappe auf, die unten an der Tür angebracht war.
"Herein, wer dort draußen sein mag", erklang eine dunkle Stimme von drinnen. Die Wächterin trat ein. Sie erwartete einen großen, dicken Mann, doch was sie erblickte, war eine kleine, runzlige Gestalt. Hatscha war überrascht. Sie hätte nie gedacht, dass ein Warzengnom die Gilde anführte.
"Was will die Wache von uns? Sollten wir etwas verbrochen haben, so weiß ich nichts davon", sagte Albrecht überrascht, als er die Uniform erkannte. Er war etwas dicklich, hatte nur noch wenig Haar. Eine weiße Kochschürze hatte er sich umgehängt, und natürlich trug er die weiße Mütze der Köche. [6]
"Keine Angst, ich will Sie nicht verhaften. Ich wollte nur etwas fragen."
Der Koch atmete erleichtert aus. "Na, frag schon."
"Gibt es ein Rezept, das bewirkt, dass die zubereitende Person verschwindet? Es müssten auch Kartoffeln oder andere zu schälende Zutaten in das Gericht hineinkommen."
"Hm, ein Rezept, bei dessen Zubereitung man verschwindet? In was für einem Kochbuch steht das?"
"Ein Anfängerkochbuch."
"Dazu fällt mir kein Gericht ein, außer 'Bronsorius' Wegbistdu-Kartoffeln'. Aber das in einem Kochbuch für Meisterköche – und Magierköche."
"Dann kann es das nicht sein."
"Scheint so. Um was geht es denn?"
"Zwei unserer Rekruten sind verschwunden, während sie Küchendienst hatten. Laut unserem Koch hatten sie ein Gericht zubereitet... ich glaube, es hieß 'Gevattermenuett' oder so."
"Von diesem Rezept habe ich noch nie etwas gehört. Tut mir leid." Der Warzengnom zuckte mit den Schultern.
"Na gut, trotzdem vielen Dank."
"Bitte, bitte. Kein Problem. Möchtest du noch ein Stück Marmorkuchen? Ich hab ihn von Herrn Müller, ein ausgezeichneter Bäcker."
Hatscha blickte auf das Gebäck herab. Es erinnerte sie stark an Zwergenkuchen.
"Nein, danke, ich habe schon gegessen, sehr nett."
"Dann eben nicht", sagte Albrecht Bioschreck und biss von einem Stück ab.
Hatscha nickte ihm zum Abschied noch einmal zu. Dann verließ sie langsam und in Gedanken versunken das Büro. Wer konnte ihr jetzt noch weiterhelfen? Am Besten, sie suchte noch nach Spuren am Tatort, wenn SUSI nicht schon vor Ort war.
Auf dem Weg zurück regnete es. Ausnahmsweise war Hatscha froh, bereits verschnupft zu sein, sonst würde sie das spätestens jetzt werden. Die wenigen Leute, denen sie unterwegs begegnete, hielten ihre Jacken, Taschen oder andere Habseligkeiten über ihre Köpfe. Hatscha ließ den Kopf hängen, als sie durch den Matsch der Straßen stapfte.
Es hätte so gut zusammengepasst, überlegte sie. Ein Rezept, das sich geheimnisvoll anhörte, reagierte irgendwie magisch und die Zubereiter verschwanden. Man hätte sie so leicht durch Magie zurückholen können. Allerdings – was hatte so ein Rezept in einem Anfängerkochbuch verloren? Ihr war klar, dass ihre Theorie nicht stimmen konnte. Verdrossen kramte sie in ihrer Manteltasche.
"AUTSCH... HATSCHIE!" fluchte sie und förderte dann das zutage, was ihr Schmerzen zubereitet hatte. Sie hielt den Kartoffelschäler wieder in der Hand. Sie untersuchte ihn genauestens, ob vielleicht irgendwelche Rückstände daran zu finden waren.
"Hey, pass doch auf!" Sie erschrak. Mittlerweile befand sie sich fast in den Schatten, ganz in der Nähe der Kröselstraße. Beinahe wäre sie über eine kleine Gestalt am Boden gestolpert. Sie senkte den Blick. Ein Gnom in Wächteruniform stand vor ihr.
"Oh, tut mir leid,...?"
"Rekrutin Haagi, Obergefreite."
"HAAGI? Dich such ich! Wo ist Nachtrose?", erwiderte Hatscha überrascht und hob die Gnomin hoch, um ihr ins Gesicht sehen zu können.
"Ach ja, ich bin Obergefreite Hatscha al Nasa."
"Wieso suchst du uns? Achso, wegen der Strafe wahrscheinlich. Nun, Nachtrose zu finden wird nicht so leicht sein."
"Wie kommst du da drauf?" Hatscha blickte die andere Wächterin in ihren Händen interessiert an.
"Nun, sie ist ein Vampir. Und diese vertragen bekanntlich keine großen Lichtquellen, weißt du das nicht?"
Da fiel Hatscha wieder der Staub auf, der auf dem Boden in der Küche lag.

"Natürlich! Nachtrose ist zu Staub zerfallen, als das Essen losging. Jetzt geht es nur noch darum, den Staub aufzusammeln. Hoffentlich hatte es niemand für nötig gehalten, die Küche zu putzen", dachte sie sich.
"Vielen Dank für diesen Tipp", sagte Hatscha, drückte Haagi an sich und setzte sie dann auf ihre Schulter.
"Äh, könntest du mich bitte absetzen, ich wollte jetzt eigentlich nach Hause gehen. Ich habe Dienstschluss", protestierte diese.
"Tut mir leid, du wirst mir jetzt helfen müssen. Wo warst du überhaupt? Als ich in die Küche kam, war niemand außer dem Koch anzutreffen."
"Ich bin weggelaufen, als das Gericht reagierte und habe mich unter einem der Schränke versteckt."
"Achso. Trotzdem, du kommst jetzt mit, wir werden uns noch einmal um den Tatort kümmern müssen – vielleicht haben die Tatortsicherer von SUSI was gefunden." Zum Beispiel die Asche von Nachtrose, setzte Hatscha in Gedanken dazu. Da hörte sie die Gildenglocken läuten. Sieben mal. Auch sie hatte Feierabend.


***Küche***

Gefreiter Leopold von Leermach erhob sich vom Tatort, als Hatscha mit der Gnomin auf der Schulter eintrat. "Hallo!", begrüßte er seine kurzzeitige Kollegin.
"Hallo Leo. Ich wollte fragen, ob ihr irgendwelche Spuren gefunden habt." Hatscha hatte es eilig, sie machte nicht gern Überstunden.
"Nun, eigentlich nichts. In dem Staub, der hier am Boden war, waren nicht mal irgendwelche Fußabdrücke oder Ähnliches zu finden."
"Wo habt ihr den Staub hin?"
"Warum interessierst du dich so für den Staub? Den haben wir aufgewischt..."
"Verdammt! Weißt du, Haagi hat mir berichtet, dass Nachtrose zu Staub zerfallen ist, als es plötzlich so hell wurde."
"Ach, sie ist auch ein Vampir?" fragte Leopold überrascht.
"Ja. Kann man irgendwie ihre Asche finden? Es wäre nämlich ganz praktisch, wenn wir sie mit allen Körperteilen wieder haben könnten. Oder was auch immer passiert, wenn etwas davon fehlt. Ich kenn mich nicht so sehr mit Vampiren aus, weißt du."
"Also, einen Teil von dem Staub hat Gnomen ins Labor zur Untersuchung gebracht. Der Rest... der müsste irgendwo im Mülleimer sein, fürchte ich. Aber ich habe davon gehört, dass die Zauberer irgendein Mittel oder Gerät erfunden haben, das den Staub wieder zusammenrufen kann. Ich weiß nicht, ob es funktioniert, aber wer weiß?" Er zuckte mit den Schultern. Dann wandte er sich wieder seinen Spuren zu.
"Danke für deine Hilfe, Leo. Läufst du mal ins Labor von SUSI und fragst nach dem Staub, der gefunden wurde?", fügte sie zu Haagi hinzu.
"Kann ich machen. Setzt du mich bitte ab?" Doch dazu kam Hatscha nicht mehr.
"HAAAA--" Haagi angelte vergeblich nach Hatschas langen Haaren, konnte jedoch keine erwischen. "TSCHIE!" In hohem Bogen flog sie durch die Küche. Hilflos schlug sie mit den Armen um sich. Noch drei Meter bis zur Wand. Irgendwas musste sie tun, wenn sie nicht als ein Etwas dort kleben bleiben wollte. Hektisch sah sie sich um [7]. Schließlich erblickte sie etwas längliches grünes aus einem der vorbeirauschenden Regale herausragen. Sie griff danach und hatte Glück. Wenig über ihrer kleinen Hand ragte ein Dorn heraus. Sie umklammerte den grünen "Rettungsstrick" und hoffte, nicht abzurutschen, denn auch da waren einige Stacheln.
Plopp - Erschrocken verwandelte sich Leo in eine Fledermaus.
"Oh, tut mir Leid", sagte Hatscha, nach einem Taschentuch suchend. Vor ihr in der Luft flatterte eine leicht verwirrte Fledermaus und an irgendeiner Gemüsepflanze hing die kleine Gnomin.
"Hol mich bitte hier runter, ok?" Die Gefreite kam der Bitte nach und setzte Haagi am Boden ab.
"Ist dir was passiert?" fragte sie besorgt.
"Nein, zum Glück kam diese... Pflanze rechtzeitig vorbei." Sie schielte zu dem Gewächs hinauf.
"Gut. Also, mach dich auf den Weg, ich bin in der UU, wenn mich jemand sucht."
Leopold, der sich mittlerweile wieder zurückverwandelt hatte, verabschiedete sie noch.
Hatscha stapfte hinaus auf die Straßen von Ankh-Morpork. Noch war es hell, doch die Dunkelheit kroch sich schon langsam und heimlich in die Gassen. Sie musste sich beeilen, wenn sie noch rechtzeitig vor dem Nachtmahl in der Universität sein wollte. Zauberer wurden nicht gern beim Essen gestört.


***Unsichtbare Universität***

Dong... Dong... Dong... Dong... Dong... Dong... Dong... Dong...

Das hörte Hatscha nicht. Sie stand vor der Universität, der Alte Tom schlug acht Uhr – oder eben nicht. Die Wächterin war gerade in eine Diskussion mit dem Pförtner verstrickt.
"Und die Zauberer wollen eben doch ihre Ruhe beim Essen." Geduldig versperrte der Mann der Gefreiten den Eintritt.
"Es geht hier aber um Menschenleben... äh, Vampirdasein! Das werden die Zauberer ja wohl noch verkraften, wenn sie mal Helden sein dürfen." Mittlerweile rot angelaufen vor Zorn und Ungeduld stand Hatscha auf der – für sie falschen – Seite des Tores. Das nächste Mal würde sie doch wieder den Hintereingang nehmen, beschloss sie.
Nach ein paar weiteren anstrengenden Minuten war der Pförtner dann schließlich dennoch bereit, die Gefreite hineinzulassen. Diese rauschte an ihm vorbei in den prall gefüllten Esssaal. Es war erstaunlich, dass die Tischplatten den marmornen Boden des Speisesaals nicht berührten, aber sie waren knapp davor. Hektisch schaute Hatscha sich um, bis sie schließlich die gesuchte Person fand. Sie lief zu ihm.
"Was willst du?", fragte Mustrum Ridcully die Wächterin.
"Ich habe gehört, ihr habt eine Möglichkeit gefunden, die Asche von Vampiren zu versammeln", erklärte Hatscha. Ein etwas schmächtiger – in Zauberermaßstäben gemessen, versteht sich – Herr mischte sich in das Gespräch ein.
"Ja, haben wir, aber das Gerät ist noch in der Prüfungsphase. Das heißt, eigentlich wurde es noch nie ausprobiert. Wir wissen bisher nur, dass es als Ölteppichauffangnetz sehr guten Erfolg hatte. Wir haben es einfach etwas umgeändert und hoffen, dass es so funktioniert, wie wir es gedacht haben."
"Entschuldige ihn, er ist gerade erst aus dem Studium heraus gekommen. Daniel Drüsensieb ist sein Name. Er hat allerdings auch schon einige nützliche Dinge entwickelt. Ich denke auch, dass sein Gerät durchaus funktioniert", erklärte der Erzkanzler.
Hatscha betrachtete Daniel genauer. Ein großer Mann von etwa 30, schätzte sie. Der Bartwuchs ließ noch zu wünschen übrig, aber etwas war schon da. Ein Stift ragte aus einer Tasche an seiner Brust heraus. Sie nickte. "Ich bin bereit, das Ding auszuprobieren."
"Dann komm mit." Der Zauberer erhob sich und führte Hatscha in ein Labor im Trakt für Hochenergetische Energie. Dort zeigte er ihr ein großes schwarzes feinmaschiges Netz, dessen Seile ein wenig klebrig erschienen. Hatscha hütete sich davor, eines anzufassen.
"Und wie funktioniert das?", fragte sie stattdessen.
"Oh, ganz einfach. Man streue etwas von der Asche des Vampirs in das Netz und spreche einen bestimmten Zauberspruch. Keine Angst, das werde ich schon erledigen", fügte er hinzu, als er den skeptischen Gesichtsausdruck der Wächterin bemerkte. Sie lächelte verlegen.
"Dann komm mit, wir sollten nicht zu viel Zeit verlieren, ich hätte normalerweise eh schon Dienstschluss."
Gemeinsam gingen sie zurück zur Kantinenküche.


***Labor von SUSI, zu selben Zeit***

"Hallo!" Kommandeur Rince drehte sich langsam um, sein Körper folgte kurz darauf, konnte jedoch niemanden erblicken. Also wandte er sich wieder seiner Arbeit... nunja, eher seinem Butterbrot zu.
"HALLO! HIER UNTEN!" schrie Haagi wieder.
Rince drehte sich abermals um, senkte diesmal aber seinen Blick. Er sah die Gnomin in der Tür stehen.
"Was willst du?", fragte er und versuchte, das Brot verschwinden zu lassen.
"Äh, haben Sie mit dem Fall in der Küche der Kantine zu tun?", fragte sie schüchtern.
"Ja, habe ich, warum?"
"Ich bräuchte den Staub vom Tatort, der gefunden wurde. Es ist dringend."
"Aber der Staub wurde noch gar nicht analysiert! Den kannst du nicht haben, tut mir Leid." Rince wollte sich wieder umdrehen.
"Das Analysieren können Sie sich sparen, es ist die Asche eines Vampirs. Und deswegen brauche ich sie. Damit der Vampir wiederbelebt werden kann."
"Oh, wenn das so ist." Er überreichte ihr das Päckchen, wobei sich herausstellte, dass es größer als die Gnomin war. "Mist. Sieht so aus, als würde ich mitkommen müssen. Nun ja, was soll's." Er erhob sich und nahm die Tüte in die Hand. Dann fiel sein Blick auf die Rekrutin.
"Wer bist du?"
"Rekrutin Haagi, Sir." Sie salutierte.
"Seit wann hast du Dienst?"
"Ich hatte heute Strafdienst in der Küche, bin Zeugin von dem Fall. Aber eigentlich ist meine Dienstzeit schon um", fügte sie mit einem hoffnungsvollem Schimmer in den Augen hinzu.
Der Kommandeur murmelte etwas vor sich hin, dann sagte er laut und deutlich: "Ok, dann darfst du nach Hause gehen."
"Danke Sir!" Die Rekrutin lächelte und machte sich auf den Heimweg.
Rince hingegen ging den Weg, der heute schon so oft gegangen wurde. Zur Küche.


***wiedereinmal Küche***

Jetzt war es bereits neun Uhr. Hatscha hasste Überstunden. Sie erreichte gerade gemeinsam mit Daniel die Küche, wo Leo immer noch an der Arbeit war. Sie fragte sich langsam, nach was für Spuren er überhaupt suchte, wo es hier doch eindeutig keine gab.
"Ich bin wieder da, Leo. Das hier ist Daniel Düsensieb, ein Zauberer", begrüßte sie ihren Kollegen und deutete auf ihren Begleiter. Dieser nickte nur, was für ihn wohl Begrüßung genug war.
"Und wo ist jetzt die Asche, die wir komplettieren sollen?", fragte er stattdessen.
"Die wollte Haagi aus dem Labor holen. Sie müsste eigentlich bald da sein. Als Gnomin ist sie natürlich nicht so schnell", erklärte Hatscha und suchte sich eine Sitzgelegenheit. Zu guter Letzt fand sie eine Ablage aus Marmor und machte es sich dort bequem. Mit den Beinen baumelnd schaute sie sich um. "Wisst ihr, was ich mich langsam frage? Wieso der Kochtopf überhaupt in die Luft geflogen oder ähnliches ist. Ich meine, vom Pulver Nr. 1 stand gar nichts im Rezept."
"Vielleicht irgendeine chemische Wirkung der Zutaten", vermutete Daniel. Er inspizierte die Küche nach einem geeigneten Platz für sein Zauberkunststückchen.
"Vielleicht können die Alchimisten weiterhelfen", ließ sich Leo vernehmen. "Mein Kumpel Robin ist Experte für diese Gilde. Fragt ihn doch mal."
"Hm, da hast du eigentlich recht. Keine schlechte Idee, den werde ich morgen mal aufsuchen", beschloss Hatscha und fing an, mit einem ihrer Taschentücher Hütchen und Schiffchen zu falten. Nach einer Weile erhob sich Leopold von Leermach.
"Ich mache dann endlich Feierabend. Ich wünsche euch noch viel Erfolg. Habe leider nichts mehr gefunden."
"Was hast du überhaupt gesucht?", fragte Hatscha.
"Ach, ich hab einfach noch geschaut, ob ich was finde. Sonst nichts."
"Achso. Na ja, danke für deine Hilfe. Mach's gut", verabschiedete sie sich von ihm und spielte mit ihrem Taschentuch weiter. Der Vampir verließ den Raum.
"Er kann froh sein, dass in dieser Küche seltsamerweise fast kein Knoblauch vorhanden ist", meinte Daniel irgendwann. Hatscha nickte nur.
"Weißt du, wie man einen Hund aus einem Taschentuch macht? Ich habe leider die Faltreihenfolge vergessen." Sie zog die Mundwinkel nach unten. Der Zauberer schüttelte den Kopf.
"Na gut, was soll's."
Die Küchentür öffnete sich, es war inzwischen kurz vor zehn. Die ersten Glocken der Stadt läuteten schon. Jemand kam keuchend in den Raum. Das erste, was die Wächterin sah, war der Schatten einer recht runden Person, relativ klein. Sie erkannte sofort den Kommandeur und salutierte.
"Guten Abend, Sir, was führt Sie hierher?"
"Ich wollte nur die Asche des Vampirs vorbeibringen, sonst nichts", sagte er schwer atmend und stützte sich an einem Schrank ab.
"Oh, herzlichen Dank. Wollen Sie noch da bleiben, um den Zauber mitzuerleben?"
"Nein, danke, ich geh jetzt nach Hause zu meiner Frau." Er wandte sich zum Gehen.
"Gute Nacht, Sir." Die Obergefreite salutierte abermals und nahm noch schnell das Päckchen entgegen. Nachdem der Kommandeur verschwunden war, überreichte sie es dem Zauberer. Dieser streute die feinen Partikel über das ausgebreitete Netz. Von dem Staub, der kurze Zeit in der Luft war, geriet etwas Hatscha in die Nase.
"HAAATSCHIE!! Oh Mist." Sie betrachtete die einzelnen Teilchen, wie sie sich im ganzen Raum verteilten. Der Zauberer seufzte.
"Nicht weiter schlimm, zum Glück hat sich schon etwas davon auf dem Netz abgesetzt. Der Zauber müsste also trotzdem wirken. Tritt am Besten ein Stückchen zurück", brummte er vor sich hin. Dann folgten noch ein paar andere gemurmelte Worte, die wohl eine Zauberformel ergaben. Das Aufleuchten des Netzes und die von überall her anwirbelnden Staubkörnchen bestätigten das. Als der Zauber beendet war, wurde das Netz langsam wieder schwarz und stieß die Asche von Nachtrose – oder das, was sie hoffentlich darstellte – auf den Boden zu einem kleinen Haufen ab.
"Hast du etwas Blut übrig?", fragte Daniel erschöpft und setzte sich auf den Boden. Schwermütig holte sie ihren Dolch aus der Scheide und schnitt sich kurz in den Finger.
"Autsch", fluchte sie. Dann ließ sie den Bluttropfen, der sich gleich bildete, auf das Aschehäufchen fallen. Kurz darauf stand ein Vampir vor ihr. Sie betrachtete ihn genauer. Er schien ganz zu sein.
"Bist du Nachtrose?", fragte sie schließlich.
"Ja, die bin ich. Und du?"
"Ich bin Obergefreite Hatscha al Nasa, und das hier ist Daniel Düsensieb, Zauberer seines Ranges."
Nachtrose salutierte hastig, als Hatscha ihren Dienstrang nannte.
"Dann würde ich sagen, Feierabend für heute. Das wichtigste wäre geklärt, der Rest hat bis morgen Zeit. Ach ja, Nachtrose, du meldest dich sobald wie möglich bei Rina, ok?"
"Ja, mach ich." Sie sah zu Boden und ging dann aus der Küche. Auch die andere Wächterin und der Zauberer gingen.
"Danke für deine Hilfe, ohne dich hätte die Wache wohl jetzt eine Rekrutin weniger."
"Keine Ursache. War nicht weiter schwer." Er lächelte.
"Mach's gut, wir sehen uns sicher noch mal", verabschiedete sich Hatscha und schlug den Weg in eine Nebengasse ein, um nach Hause zu kommen.
"Mach's gut", murmelte der Zauberer ihr hinterher. Dann ging er zurück zur UU, wo er sich wohl wieder an seine Studien machte. Er erfand ein Gerät, mit dem er sich in ein Huhn in Übergröße verwandelte, behielt sein Genie aber bei. Als Huhn erfand er dann noch skurrilere Dinge, bis er dann schließlich, als er dem reichsten Mann der Scheibenwelt ein Sicherheitssystem entwickelte, eben diesem zu Opfer fiel. Das Ergebnis war das größte geröstete Hühnchen von ganz Ankh-Morpork. Von all diesem vermutete er aber zu dem Zeitpunkt, an dem der Fall spielte, noch nichts.


***Boucherie Rouge, nächster Morgen***

Es pochte, als Robin Picardo mit der Stirn auf den Schreibtisch aufschlug. Benommen schüttelte er seinen Kopf und blickte wieder auf seine Berichte und Bücher hinab. Eben noch ist er in seinem warmen, weichen, kuschligen Bettchen gelegen... Er seufzte. Es pochte abermals, was Robin dazu veranlasste, das Kopfschütteln zu wiederholen. Als das Pochen jedoch nicht endete, entschied er, dass er nicht wieder auf die Tischplatte aufgeschlagen war, sondern dass die Störung eine andere Ursache haben musste. Er schaute sich um, bis sein Blick auf die Tür fiel.
"Herein!", sagte er schließlich. Ein weiblicher Wächter betrat langsam das Büro des Hauptgefreiten.
"Ah, guten Morgen, Hatscha", begrüßte er die Kollegin.
"Hallo Robin", erwiderte die Genannte und versteckte ein Gähnen hinter ihrer Hand, das den Mund so unaufhaltsam verließ wie ein Zug, den man dringend erreichen muss, gerade aus dem Bahnhof fährt.
"Was gibt's? Kommst du mit deinem Fall voran?", erkundigte er sich.
"Nun, er ist im Grunde schon fast gelöst. Mir fehlt nur noch die Ursache, also warum diese Helligkeit entstanden ist. Und deswegen bin ich auch zu dir gekommen. Du kennst dich doch mit alchemistischen Angelegenheiten aus. Könnte es vielleicht sein, dass die Zutaten irgendwie reagiert haben?" Hatscha sah ihn fragend an. Robin legte die Stirn in Falten.
"Grundsätzlich ist es möglich. Kommt eben auf die Inhaltsstoffe an. Hast du das Rezept?"
"Moment." Sie kramte in einer von vielen Taschen in ihrer Uniform herum und förderte schließlich den Bericht von SUSI zutage. "Ah, hier ist es ja. Also:

Todessymphonie

Keineh Bangä, bei disem Gerichd wirt sicher nimand zu tode kommigen.
Zutahten: Wasser, etwas Salz, ein wenig Riechstarköl, eine Pappricka, Tomahten, Käse und viele Kartoffeln.


Der Rest konnte von SUSI nicht mehr entziffert werden, aber ich denke, die Zutaten reichen, oder?" Sie überreichte ihrem Kollegen den Zettel.
"Lass mir eine Stunde Zeit. Bis dahin werde ich hoffentlich etwas Brauchbares herausgefunden haben." Er wies auf den Stapel Bücher auf seinem Schreibtisch. Bei näherem Betrachten erkannte Hatscha mehrere Alchimistischen Lexika darunter.
"Ok, vielen Dank. Mach's gut." Robin nickte nur und senkte dann den Blick auf den Bericht. Dann holte er sich ein besonders dickes Buch vom Stapel mit der Aufschrift Reagzionen von Gemüsen mit Öhl. Leise verlies die Obergefreite das Büro und ging zu ihrem eigenen.

Es klopfte dreimal, kurz darauf setzten auch die Glocken von Ankh-Morpork ein, sie bimmelten jeweils zehnmal. Hatscha legte den Stift und den Bericht zur Seite, den sie gerade schrieb und sah auf. "Komm rein."
Robin trat ein und überreichte der Kollegin einen Bericht.
"Hier, das ist das einzige, was ich finden konnte. Das Riechstarköl scheint mit der Pappricka reagiert zu haben. Genaueres im Bericht." Hatscha lächelte.
"Vielen Dank, ich denke mal, dass es das gewesen sein wird. Danke für deine Mühe."
Er nickte nur und ging dann in sein Büro zurück. Hatscha seufzte und nahm ihren Bericht wieder zur Hand. Viel zu schreiben, fürchtete sie. Aber das war ihr immer noch lieber, als in irgendwelchen gefährlichen Gilden wie der Assassinengilde ermitteln zu müssen.
Mit einem leisen Kratzen fuhr der Stift über das Papier. Dann plötzlich fiel ihr Robins Bericht wieder ein. Sie las ihn sich einmal durch und nickte zufrieden. Der Fall war gelöst. Sie schrieb weiter.
Dann erinnerte sie sich noch an etwas anderes. Sie nahm einen weiteren, unbeschriebenen Zettel zur Hand.

Sehr geehrter Herr Bioschreck,

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass möglichst alle Rezepte, die Riechstarköl und Pappricka enthalten, von Alchimisten geprüft werden sollten.

Mit freundlichen Grüßen,

Obergefreite Hatscha al Nasa


Zufrieden nickte sie, steckte den Brief in einen Umschlag und schickte ihn zur Gilde der Köche. Jetzt war der Fall entgültig erledigt.
[1] mit Ausnahme natürlich vom Alten Tom

[2] das heißt, sie ließ ihn sich machen, nach dem üblichen Streit mit dem Dämonen, der auch im Boucherie nicht ausblieb.

[3] Nun ja, was man auch immer unter einem schönen Tag verstehen will. Für Hatscha war ein schöner Arbeitstag das, was andere unter Papierkram verstanden. Sie schrieb ihre Berichte.

[4] Er machte den Anblick, den ein typischer Koch eben machte

[5] Sie kennen das bestimmt: Man will sich die Hände waschen, nimmt die Seife und muss erst einmal hinter ihr herhechten, um sie in die Hand zu bekommen. Verletzungen wie Prellungen an der Hüfte, weil man sich am Waschbecken gestoßen hat, sind dabei nicht auszuschließen.

[6] All das natürlich in Miniaturformat

[7] Was sehr seltsam ist, wenn man nebenher noch vor dem inneren Auge sein Leben gezeigt bekommt




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