Endlich Feierabend, den Schlagstock weglegen, einen Happen Essen. Und den hatte sich Rince, Kommandant der Wache auch bitter verdient, wirklich bitter. Verflixt, er musste langsam lernen, auch im Kopf Feierabendstimmung zu erlangen. Aber auf seinem Schreibtisch lagen Beschwerden über Beschwerden. Anscheinend hatte sich jeder in der Stadt beschlossen, gleichzeitig etwas zur Anzeige zu bringen und sich dabei sofort über die 'Untätigkeit der Wache' auszulassen.
Fast-schon-geschenkt Schnapper, Neffe des in Ankh-Morpork berühmtesten, oder besser gesagt für seine fast verdaulichen Nahrungsangebote berüchtigten Händlers T.m.s.i.d.R. Schnapper, beschwerte sich über den Mundraub an seinem Rein-biologisch-belegte-Brötchenstand.
Die Diebesgilde verweigerte die Anerkennung dieses nichtlizensierten Diebstahls mit der Begründung, dass niemand freiwillig solche Brötchen stehlen würde. Zumindest nicht mehrmals. Und selbst dann nicht, wenn die Räuber die Brötchen gekostet und trotzdem überlebt hatten.
Und das war noch die am wenigsten verwirrende Straftat des heutigen Tages. Heute war es besonders schlimm gewesen. Anti-Verbrechen kamen anscheinend in Mode. Anti-Verbrechen waren ein Spezialfall scheibenweltlerischer Naturgesetze. Diese kruden Zauberer in ihrer Hochburg des Wissens hatten es aus Versehen geschaffen, erzählte man sich. Aus
Versehen.
Irgendeiner dieser Schlaumeier hatte wieder mal an den Gesetzen des Universums herumgestochert, als ihn unvorbereitet ein Inspirationspartikel traf. Nachdem der zukünftige Forscher sich vergewissert hatte, das sein Seminarraum wie immer abgeschlossen und damit vor Studenten sicher war, fing er an, es sich gemütlich zu machen und zuzuhören.
Und so erklärte das Partikel ihm, dass zu jedem Element ein Gegenelement gehörte, Ein so genanntes Anti-Element, damit das Universum im Ausgleich blieb. Stabilität ist eine wichtige Eigenschaft für eine Welt, die auf dem Rücken von fünf riesigen Elefanten stehen, die ihrerseits auf dem Panzer einer noch größeren Schildkröte fußen. Und der Forscher nickte und notierte, er schrieb ein Buch für Studenten nicht ausleihbar.
Dummerweise spricht man im Zusammenhang bei Straftaten öfter von "kriminellen
Elementen", und so zog die Wirkung auch dort unbeabsichtigte Kreise. So jedenfalls soll es entstanden sein, das Anti-Verbrechen, und wenn nicht so, dann halt eben anders.
Egal wie, es machte jedenfalls Rince Probleme, und weil sich sonst niemand dafür zuständig fühlte, war es die logischerweise die Wache, die sich darum kümmern sollte. Zumal auch dabei Mitbürgern geschadet wurde. Entnervt schaute er aus dem Fenster, durch dessen ungewaschenes Glas sich das rote Licht des Morgens langsam, aber stetig einen Weg zu bahnen versuchte.
Kommandant Rince schüttelte sich bei dem Gedanken an die Liste der besonderen Anzeigen, die sich vor ihm türmte. Die Liste begann bei Personen, denen die Hose in Öffentlichkeit auf Knöchelhöhe rutschte, nachdem Anti-Diebe ihnen Backsteine zugesteckt hatten. Und sie hörte bei alten Frauen auf, die von jugendlichen Anti-Kriminellen gezwungen wurden, an deren Seite die Hauptstraßen hin und wieder zurück zu überqueren, bis sie der völligen Erschöpfung nah zusammenbrachen. Pfadverlierer nannten sich diese Chaoten. Jemand musste sich darum kümmern. Jemand, das hieß die Wache. Doch wer? Sie waren immer noch unterbesetzt. Rince seufzte, denn wenn er nicht bald jemanden fand, dann musste er das wohl selber erledigen. Als ob er sonst nichts zu tun hätte...
"N'Abend! Ist der Platz noch frei?"
Rince schaute sich um, doch niemand war zu sehen. Normalerweise setzte sich auch niemand zu einem Mitglied der Wache, es sei denn, er war selber einer dieser bedauernswerten Leute. Um genau zu sein, betraten die meisten nicht mal den Eimer, die Lieblingskneipe der Wächter. Wächter waren sozusagen der blinde Fleck im entzündeten sozialen Auge der Stadt. Die normale, mehr oder minder gewerblich tätige Bevölkerung hielt Abstand, gefangen in der Unsicherheit, vielleicht doch etwas angestellt zu haben.
Und der Rest der Bevölkerung war nicht unsicher, denn er wusste es.
Der Kommandant schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Bier zu.
"Wahrscheinlich wieder so ein Spaßvogel. Entweder das, oder der Urlaub ist dringender, als ich befürchtet hatte." murmelte er leise.
"Hallo? Biste taub?" ertönte es wieder. "OB DER PLATZ NOCH FREI IST?"
Diesmal hatte Rince die Richtung mitbekommen. Er blickte unter sich. Links neben seinem Bein befand sich ein Gnom.
Ungewöhnlich war nicht, das sich die Augen des Gnoms auf der Höhe der Stiefelkante befanden, denn bei den Jüngeren von ihnen reichte auch ein Halbschuh aus. Ungewöhnlich war, wie
nass er war. Die Feuchtigkeit haftete an ihm wie Moos an einem unhygienischen Troll, sie schien ihn geradezu zu durchdringen, um auf der anderen Seite der Körpers wieder hervorzuquellen. Ihn durchnässt zu nennen, war wie zu behaupten, das der Stinkende Alte Ron "etwas riecht". Mit anderen Worten: So etwas zu behaupten, konnte die eigene Seele in Gefahr bringen.
Rince nickte überrascht von dem Anblick dieser mit Lumpen verhüllten Figur mit dieser gelblichen Gesichtsfarbe, überrascht aber auch von der Überzeugung, nun die Antwort auf sein Problem vor sich zu sehen.
[1]Einer, dem Gesichtsausdruck zu schließen, im Moment sehr schlecht gelaunten Lösung. Erstarrt beobachtete Rince nach einem Nicken, wie der Gnom zur Tischfläche empor kletterte. Die glitschige Nässe schien ihm kein Hindernis zu sein, obwohl jeder Bewegung mit einem leicht schmatzenden Geräusch begleitet wurde. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Spur der Feuchtigkeit bis zum Ausgang reichte. Erst als er genau beobachtete, dass der kleine Mann da vor ihm atmete, schloss er aus, das es sich um eine Wasserleiche handelte.
"Regnet es draußen?" fragte Rince.
"Sehr witzig..." kam die verdrossene Antwort "Ich lach' mich tot, wenn ich Glück hab'. Wirt! Irgendwas Hochprozen...äh...halt, nein, lasse's stecken. Ein Literglas sauberes Wasser und einen Salat. Nur das verflixte Grünzeug, ohne Öl oder sonst'was."
__________________________________"Also", begann der Gnom, nachdem er sich in das bereitgestellte Glas gestellt hatte und einen Bissen von dem Salat
[2] genommen hatte. "Ich brauch' einen Job, und zwar dringend. Ich muss die Alchemistengilde vor 'nen Kader zerren. Anwälte sind alles Blutsauger."
Fassungslos genug, um nicht auf irgendwelche Anreden zu pochen oder den Winzling in seiner Rede zu unterbrechen, starrte Rince ihn an. Innerhalb des nur schwach bräunlich wirkenden Glases, in dem ein Bad in voller Kleidung genommen wurde, bildeten sich durchsichtige Schlieren.
"Fangen wir noch mal von vorne an", ordnete der Kommandant das Gespräch. "wie heißt du eigentlich?"
"Amchra'nai Ap Wys, aber in letzter Zeit nennen mich alle 'Rib'. Kannst dabei bleiben. Meine Eltern kommen von irgendwo aus der Mitte, aber ich erinnere mich kaum an sie. Sie war'n in der Milchindustrie tätig und hatten einen Arbeitsunfall, als ich noch lütt war."
"Arbeitsunfall, sagst du?"
"Nun, wir Gnome sollten beim Kuhmelken immer darauf achten, was von oben kommt. Von wegen alles Gute."
"Äh, ja ... und dann?"
"Hatten Sie Schwierigkeiten beim Luftholen, was sonst?"
Verwirrt schüttelte Rince den Kopf: "Nein, ich meine, was hast
du danach gemacht?"
"Ich schlug mich so durch ... mal dieses, mal jenes. Ich hab alles Mögliche versucht, ich war Gerbergehilfe, hab' auf dem Bau Nägel eingeschlagen und heruntergefallene Hämmer wieder nach oben geschafft, bei der Narrengilde als Zielscheibe für schwierige Tortenwürfe gedient, sogar auf einem Schiff hab' ich für kurze Zeit gedient, der UNSINKBAR, als Professioneller Daumen."
"Moment", unterbrach ihn Rince, "unter dem Rest kann ich mir ja noch etwas vorstellen, aber was ist ein Professioneller Daumen?"
"Naja, das ist relativ einfach. Jedes Schiff leckt irgendwo, und oft ist der Zimmermann woanders beschäftigt. Üblicherweise drückt man dann das Loch mit dem Daumen zu. Na gut, dafür war mein Daumen zwar zu klein, also hab' ich mich halt ins Loch gesetzt. Aber ich finde, Professioneller Daumen klingt besser als Professioneller Ar..."
"Schon in Ordnung." unterbrach ihn Rince hastig. "Ich verstehe, was Du meinst, aber warum dienst Du nicht mehr auf dem Schiff?"
"Es hatte seinen Namen nicht verdient. Nicht mal bis zum Hafenausgang. Vor ein paar Wochen fand ich eine eigene Wohnung, einen Vogelnistkasten, mit dem Nest darin relativ gemütlich, und ab und zu gibt mal Geflügel auf den Tisch, oder sogar Eier, wenn ich mal länger weg war. Wohne immer noch da."
"Im Nistkasten?"
"Alles was man braucht, ist eine gute Strickleiter..."
__________________________________Es war erst ein zwei Monate her, und dennoch erschien es Rib wie eine Ewigkeit.
Damit ist das Gefühl der Frischverliebten gemeint und nicht jener zähe, braune Fluss der Zeit, der manchen Eheleuten später in den Sinn kommt, wenn sie feststellen, das der andere sich nicht ändern lässt und sie nun zu lebenslänglicher Teilhabe an dem halbfertigen Produkt verurteilt worden sind.
Der kleine Gnom, der damals noch Amchra'nai hieß, kletterte aus seinem neugewonnen Versteck und fühlte sich richtig gut. Ankh-Morpork lag ihm zu Füßen
[3]. Sicher, in letzter Zeit war einiges schief gelaufen, aber das würde sich nun ändern. Zwar hatte Amchra'nai schon wieder einmal eine Einkommensquelle verloren, denn der Irre Arthur hatte ihm nahe gelegt, ziemlich deutlich nahe gelegt, in seinem Gebiet keine Ratten zu jagen, aber es würde sich schon was finden. Arthur war kein Gnom, den man verärgern sollte, denn der Name war Programm.
Dafür hatte Amchra'nai diese neue Wohnung, so hoch oben, das keine verdammte Katze es schaffen wurde, ihn im Schlaf zu überraschen. Und geräumig war die Box. Amchra'nai hatte gehört, dieser Nistkasten war dem Trauerfalken gewidmet worden, dem Wahrzeichen des Tempels, an dem er hing. Früher stand der Tempel Der Hoffnungslosen Götter in einem erlesenen Viertel, direkt schräg gegenüber von Ios Tempel, dem Herrn der Götter. Das war zwar metaphorisch richtig, fanden dessen Anhänger, aber dennoch kaum auszuhalten. Nicht nur, das einige dieser Götter und Oh!-Götter einem die wirklich schlechten Zeiten des Lebens vor Augen hielten, wie zum Beispiel Ballius, Gott-der-heimkehrenden-Trinker-die-hoffen-die-Ehefrau-wartet-nicht-mit-dem-Nudelholz-zuhause, viel schlimmer waren jene
Personen, die diesen Tempel besuchten.
Wer wendet sich um ein Trost spendendes Gebet an die, welche selber keine Hoffnung hatten? Der Phantasie sollen keine Grenzen gesetzt sein, aber falls es doch eine gab, überschritten einige der Kunden sie mit Sicherheit. Sie weiter zu beschreiben erscheint unmöglich. Auch Buchstaben haben ihren Stolz. So kam es wie es kommen musste: Unter der Führung von Hohepriester Ridcully zogen dessen Kollegen zum Palast, eine Beschwerde in der Hand, und forderten ... nagut, sie erbaten ... in Ordnung, sie erflehten eine Hilfe. Natürlich war der Patrizier Lord Ventari gerne bereit, unter den einzelnen Kirchen eine richterliche Funktion zu übernehmen. Doch als er dies den Hohenpriestern mitteilte, kam es zu einer Beratung, die mit dem Rückzug der Was-Auch-Immer endete. SO dringend sei der Fall auch nicht wurde ihm mitgeteilt, es wäre geradezu Zeitverschwendung für den Lord, und man würde das dann doch lieber unter sich erledigen. Wochenlange Kollekten, bei denen die Gläubigen gerne spendeten, führten zu einem verführerischen Angebot: Ein neuer Tempel für die Hoffnungslosen Götter, viel größer, nah bei ihren Kunden, in einer renommiertesten Straße des Ganzen Viertels, wo die Kreatoren edelster Parfüme ihren Sitz innehatten. Aber man müsste sich sofort entscheiden. Und die Priester griffen zu.
So stand Amchra'nai nun vor seinem Heim, eines der geräumigsten Vogelhäusern der Stadt, am Tempel Der Hoffnungsvollen Götter, in der Hinterbackenstraße, Ankh-Morpork. Der große Kasten hing direkt unter dem Dach, dort, wo nun die Wasserspeier fehlen würden, denen der neue Ort zu gefährlich war. Wenn man an der Strickleiter nach unten geklettert war, stand man direkt zwischen den Statuen von Herne, dem Gejagten, und Beliema, der Schutzgöttin der Untreuen Ehefrauen.
An den
Geruch allerdings mussten sich die meisten Priester allerdings erst noch gewöhnen. Die Straßen in diesem Teil der Schatten, wie man diesen Bezirk der Stadt unter der Hand nannte, zeichneten sich westlich von hier vor allem durch die Unzahl an Schlachtern aus, die den Straßen die Namen ihrer Produkte gegeben hatten. Östlich der Hinterbackenstraße lag das Gebiet der Gerber, jener Leute, die mit Hilfe von Exkrementen aus den Resten der Schlachtereien Leder und Seife herstellten. Was von den Gerbern verschmäht wurde, so erzählt man sich, kaufte Schnapper. Wie dem auch sei, der Geruchsgemisch aus Urin, Galle, teil verdauten Abfallprodukten und hoch erlesenem Parfüm, war etwas Einzigartiges: Sollte man ihn jemals auf eine flüssige Basis bekommen, würde man damit Stahl schmelzen können. Es war wie eine Nasenspülung mit dem Wasser des zähflüssigen, Notdurft einer Großstadt entsorgenden Morporkflusses: Riech's Du es einmal, willst (und kannst) Du nie mehr etwas anderes riechen. Amchra'nai jedenfalls erging es so. Viel Exquisites zu riechen gab es in den Schatten ohnehin nicht.
Die Schatten waren ein besonderer Ort, Heimat jener, für die ein solcher Tempel gebaut wurde. Das kriminelle Gildensystem, vom allgegenwärtigen Patrizier erdacht, ein Lizenzsystem, das über Quittungen und Bescheinigungen jedem Bürger eine Obergrenze von Überfällen und dergleichen sicherte, wurde hier nicht beachtet. Wenn man sich die Kriminalität der Stadt wie ein Meer vorstellte, waren die Schatten zu Eis komprimiertes Wasser, lauernd auf ein unerfahrenes Schiff auf seinem ersten Ausflug. Es gab hier sogar Verbrecher, die
Leibwächter engagierten, um Ihre Beute nach Hause zu bekommen.
Unglücklicherweise stammten die Leibwächter auch aus den Schatten.
__________________________________Rince nickte. Man bekam selten einen Bewohner der Schatten zu Gesicht, meistens nur einmal, ein allerletztes Mal. Sie, die zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig besaßen, konnten außerhalb der Schatten sich kaum etwas leisten und von außerhalb der Schatten zu besuchen, war auch eine vor Gericht anerkannte Form von Selbstmord. Auch und gerade für Mitglieder der Wache. Doch bei diesem in einem Wasserglas schwimmenden Gnom wunderte ihn überhaupt nichts. Zäh und ausdauernd genug erschien er dem Kommandant dafür. Schon jetzt wettete er innerlich darauf, die Zeche zahlen zu müssen.
Neben ihm auf dem Nachbartisch rumpelte es, dann klirrte es. Ein Zwerg, dessen Name er nicht kannte, hatte sein Glas umgeworfen. Wie es aussah, hatte er schon mehr als genug davon gehabt, so das der Verlust aus der Sicht seiner Umgebung zu verschmerzen war.
"Uppsch", lallte der Unglückliche, "hab mein Glasch umjeworfe, hihi. Wirt, 'nen Neuesch und 'ne Prische Schalz schum Über-tie-Schulter-werfen."
Salz-über-die-Schulter-werfen soll Unglück abwenden, behaupten zumindest die Salzverkäufer. Dieser Zwerg war anscheinend die Ausnahme der Regel.
"SALZ? Hast du gesagt, du willst mit Salz werfen?" Rince konnte gar nicht so schnell schauen, wie Rib aus dem Wasserglas gesprungen war, um an den Rand des Tisches zu rennen. Dort stieß der Gnom sich kraftvoll ab, um den Sprung festgekrallt am Bart des Zwerges zu beenden.
"Hör mal zu, Prinz Alkoholherz. Mir ist egal, ob du eine Fahne hast, die auf jeder noch so verdammten Parade eine Auszeichnung gewinnen würde." knurrte Rib ihn an, als er sich auf Augenhöhe gezogen hatte. "Niemand, hörst du, Niemand wirft hier mit Salz durch die Gegend, solange ich hier bin. Wenn Du Glück brauchst, bin ich gerne bereit, deinen Kopf dreimal gegen Holz zu klopfen.
Ist das klar?"
Viele der Gäste fassten den Bierkrug nun fester, eine Kneipenschlägerei schien nicht mehr aufzuhalten. Doch der Zwerg nuschelte nur etwas.
"ICH FRAGTE, ob das klar ist?"
Ein gelalltes JA kam als Antwort, und Rib kehrte auf seinen Platz zurück.
"Es gibt Dinge, die zu wichtig sind, um sie nicht zuzulassen. Ich muss mich schützen." grinste Rib Rince an: "Zum Glück sind Zwerge im Zweikampf nicht zu gebrauchen."
Der Kommandant schaute ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Sicher, dieser Gnom gehörte auf die Wache. Nur die Seite, auf der die Gitterstäbe standen war Rince noch nicht klar.
"Hast Du gerade gesagt 'im Zweikampf nicht zu gebrauchen'?" fragte er unsicher.
Rib nickte und führte grinsend weiter aus: "Zumindest gegen uns Gnome. Ein Zwerg versucht auf Augenhöhe Schaden anzurichten, was bei den meisten auf die Knie' hinausläuft. Frag mich nicht warum, aber sie kommen alle nicht damit zurecht, dass jemand diese Taktik mal bei ihnen versucht."
Das machte irgendwie Sinn, fand Rince. Gnome waren zwar nicht viel stärker als andere Wesen, aber sie konzentrierten ihre Wut auf eine kleinere Faust. Und jemand, der ständig in Gefahr läuft, unter die Schuhe selbst des kleinsten Zwerges zu geraten, barg meistens eine Menge schlechter Laune in sich. Eigentlich, soweit Rince sich erinnern konnte, waren Gnome fast immer schlecht gelaunt.
Rib warf noch einmal einen bösen Blick zu dem Zwerg hinüber und überlegte laut: "Wo war ich stehen geblieben? Ach ja..."
__________________________________Zufrieden mit sich betrachtete Amchra'nai sein neues Heim, um dann durch die Schatten zu ziehen. Die Schatten waren für Gnom ein relativ sicherer Ort, relativ zu anderen Spezies. Schließlich war ein Gnom so klein, das es auffiel, wenn er Wertvolles dabei hatte. Für Diebe war er deshalb offenkundig meistens wertlos, und für Mörder bot er einfach nicht genügend Trefferzone, um lange
Spaß zu machen.
"He, Kollegen, ich habe heute jemanden umgebracht, der mehr als zehn mal kleiner als ich war!" galt bei ihnen nicht als eine gute Möglichkeit anzugeben.
Er wanderte Richtung Norden, da er dort schon öfter gute Arbeiten oder überfahrene Tiere gefunden hatte, als er einen Schreckensruf hörte. Schnell drehte er sich um, und ging in die andere Richtung. Während der eine Teil seiner Gedanken nun ihm zu dieser gelungen und traditionell orientierten Entscheidung gratulierte, wurde der andere von einem Inspirationspartikel getroffen: Warum sollte er nicht mal ein neues Konzept probieren, das so genannte Helfen?
Der erste Teil beschränkte sich darauf, mit blanker Hysterie dem zweiten aufzuzeigen, das es für dieses Verhalten nur ein Ende gab. Eines das sich der erste Teil nicht wünschte.
Dennoch bog er in die Nebengasse der Paradiesstraße ein, wo er zwei weitere Gnom erblickte. Zuerst, an die Mauer gedrückt, nahm er eine Frau war, mit rotblondem Haar und ungewöhnlich sauber. Sie war, wie man sich hier in den Schatten auszudrücken beliebte, eine Wucht. Ihre großen, himmelblauen Augen nahmen Amchra'nai Herz gefangen wie der Adler eine vorüber fliegende Taube und ihr sinnlicher Mund schien Dinge zu versprechen, die der Rest des Körpers, wenn man die eng anliegende Kleidung zu berücksichtigen hatte, wohl zu erfüllen bereit war. Anscheinend weigerte sich, ihr Geld dem vor ihr stehenden Mann zu übergeben, der sich berechtigt fühlte es einzubehalten. Kein kluger Zug in den Schatten.
"Hey", rief Amchra'nai dem Mann zu, der sich nun langsam zu ihm umdrehte. Amchra'nai, der nun feststellte, das dieser Gnom, den er angesprochen hatte, nicht nur eine Brille mit dunklen Gläsern und ein halboffenes Hemd trug und eine undefinierbare Goldkette um den Hals geschlungen hatte, dass dieser Gnom auch noch unglaublich Muskel bepackt war, hob lieber eine Kiste mit Unrat hoch über den Kopf. "Belästige Sie nicht."
Der Kettenträger lachte und zog ein kurzes Messer: "Sonst was?"
Amchra'nai sah keinen Ausweg, er warf zielgenau, oder besser gesagt, er versuchte es. Ein Stolpern warf die Kiste meterweit über den Bewaffneten hinweg.
"Daneben", grinste es zurück. "So beeindruckst Du mich nicht."
Der Messerstecher machte sich nun bereit, die Straße mit Amchra'nais Einzelteilen zu verzieren, und in des potentiellen Opfers Kopf kreischte eine Stimme, die aller Welt vorwarf, es gewusst zu haben.
Beide hörten weder das Geräusch von der Kiste, die an der Wand abprallte, noch das Geräusch rollender Würfel, das über dem Ort sah. Grüne Augen, für alle unsichtbar, sahen zu, wie die Kiste mit Umweg ihr Ziel traf. Interdimensionale Wechselwirkungen schufen für einen kurzen Moment eine Art narrativer Resonanz zwischen den Welten, als Amchra'nai dem Arm, der unter der Kiste hervorschaute, die Brille entnahm. Langsam packte er sie auf der rechten Seite, und schob sie langsam, fast mechanisch sich ins Gesicht: "Hasta a' Kista, Baby!"
Wer wirklich geschrieen hatte, wurde nie geklärt, wie so oft in den Schatten.
Die Frau hieß Lar'a und war, zumindest behauptete sie es Amchra'nai gegenüber, Näherin. Seit ein paar Tagen arbeitete sie gleich um die Ecke bei der Frau Palm, weil, wie sich beeilte zu versichern, dort immer neue Kleider gebraucht würden. Es gab seit diesem Tage nichts, das er ihr abschlagen konnte. Und deshalb zog Lar'a, da sie nun nicht wusste, wo sie wohnen sollte, bei Amchra'nais Häuschen mit ein. Samt der acht männlichen Kinder, die Sie stillschweigend mitbrachte, als er den Einzug erlaubte. Doch auch dafür erntete sie ein stilles, verliebtes Lächeln. Er hatte Kinder noch nie gemocht, aber auf einmal erschien es ihm als tolle Idee...
__________________________________"Acht Kinder?" fragte der Kommandeur, dessen Mundwinkel mit stiller Gewalt dazu gezwungen wurden, ruhig zu bleiben. "Und was ist mit deren Vater?"
"War ein ganz seltsames Ding, das sag ich Dir." erklärte Rib. "Vor einem Jahr war er dabei Acht, sein jüngstes Kind zu füttern. Das schien üblich zu sein in Väterchens Familie, denn der hieß genauso. Das Zeug war so ein gepanschter Schleim, den niemand freiwillig heruntergebracht hätte. Lar'a wollte aus dem Nebenraum Zucker besorgen, und als sie wieder kam, war Acht senior verschwunden. Sie verstand weder wie er sich an ihr zum einzigen Ausgang vorbei schleichen konnte, vertraute aber darauf, dass er nur kurz Tabak holen gegangen war. Er kam allerdings nicht wieder, und wer in den Schatten wochenlang verschwunden ist, bleibt es auch.
Egal, jedenfalls zwei Wochen nach unserem Kennen lernen erklärte ein Priester der Beliema, sich bereit, uns beide zu trauen. Du ahnst gar nicht, wie überzeugend sie sein kann, nur ein kurzes Gespräch mit Lar'a war nötig. Unter vier Augen, versteht sich.
Dennoch hatten wir Probleme: Das Geld war immer knapp, vor allen Dingen wussten wir nie, ob und was es nächste Wochen zu beißen gibt. 'Nen ordentlichen Vater macht so was Sorgen. Und die Priester meinten, ein verliebtes Paar würde nicht zum Tempel passen.
Dann kam Lar'a an einem Plakat vorbei, auf dem stand:
Willst Du fiel Gelt verdienen?
Echsperimental-Anallüsathor gesucht!!
Ein halber $ die Woche!!!!
Melde dich bei der Gilde der Alchimissten!
- Daueranschtellunk !!! -
- Lebenslank !- Lar'a ist so klug, sie kann sogar lesen. Ich kann dieses Schild inzwischen auswendig, glaub' mir, auch wenn ich damals nicht wusste, was es bedeutete.
Aber das letzte Wort kannte Lar'a und es klang für ein Teil der Probleme wie eine Lösung. Und da Sie darauf bestand, begleitete Sie mich zur Gilde. Und glaub mir, seitdem habe ich jeden Tag meines Lebens diesen Gang verflucht. Es hätte mich schon stutzig machen sollen, das die Priester uns erlaubten, weiterhin dort zu wohnen, als sie von meinem neuen Beruf erfuhren. Ja, sie bestanden fast darauf..."
__________________________________Amchra'nai Ap Wys und die frisch vermählte Lar'a gingen die Alchemistenstraße hinunter. Eins, der alt genug war, passte auf seine jüngeren Geschwister auf. Bald schon war die Alchemistengilde zu sehen, prachtvoll im Anblick. Amchra'nai war sich sicher das die Alchemisten sehr reich sein mussten, denn sie hielten das Haus gut in stand. Es sah geradezu neu aus. Das Gerücht, das sie Blei in Gold verwandeln konnten, schien wahr zu sein. Nur so konnte sich die Gilde den Dollar am Tag leisten können.
Er trat gegen die Tür, und oben öffnete sich eine Klappe und ein langgezogenes "Jaahh? Wer if da?" ertönte es von dort oben. "Kommt her wo iff euff sehen kann."
"Hier unten", rief Lar'a, "wir sind Gnome und kommen wegen dem Anschlag für eine Arbeit."
Die Tür schwang auf, und wer immer das dem Menschen am Tor zugefügt hatte, was ihn so entstellt hatte, Amchra'nai Ap Wys wollte ihm nicht begegnen. Eigentlich wollte er in der Nacht nicht mal seinem
Opfer begegnen, um ruhig schlafen zu können.
Lar'a lächelte beruhigend, als sie das Entsetzen im Gesicht ihres Mannes sah.
"Igor", befahl sie, "bringe uns zu deinem Meister. Mein Mann will Ihn sprechen."
Während der Diener schlurfend davon ging, fragte Amchra'nai Lar'a, woher sie den Mann kennen würde. Er hätte in den Schatten ihn noch nie gesehen, daran könnte er sich erinnern. Mit absoluter Sicherheit!
"Dummerchen!" neckte Sie lächelnd. "Sie heißen alle Igor."
Belehrt vermerkte er in seinem Kopf, das anscheinend alle Türwärter Igor hießen.
Igor brachte sie in eine Halle in der sich unzählige Männer und Frauen der unterschiedlichsten Rassen versammelt hatten. Alle trugen einen weißen Kittel, der Ihnen was Uniformiertes gab, und alle waren aufgeregt. Sie legten Lar'a ein Papier vor, das sie ihm vorlas.
Einmal die Woche so der Vertrag, sollte er etwas, was einer von Ihnen hier herstellen konnte begutachten. Denn, so erklärten die Gildenmitglieder, die Meinung von Laien wäre ihnen wichtig. Amchra'nai wusste nicht was ein Laie
[4] war, aber wenn sie ihn für einen hielten, würde er versuchen einer zu sein. Doch eine Bedingung stellten Sie: Da sein Name ihnen zu schwer zum Aussprechen war, hätte er etwas dagegen, wenn man ihn anders nennen würde? Es wäre nicht unüblich mit der Arbeitsstelle den Namen zu wechseln. Einer schlug die Bezeichnung vor, die inzwischen auch die anderen hätten: R.i.B
[5]Rib stimmte zu, wenn alle Türwächter Igor hießen, können auch alle Exdingsbums seinen Namen tragen. Aber dafür wolle er das doppelte Geld. Stummes, aber eifriges Nicken kam ihm entgegen. Und dann wolle er wissen, für wen er arbeitete.
Die Alchemisten nickten abermals, baten ihn sich den Vertrag noch einmal durchzulesen, sie würden derweil eine Einigung erzielen.
Beim zweiten Mal hatte Rib Schwierigkeiten Lar'a zuzuhören, denn im Nachbarraum, wo die Einigung stattfand, wurde es ziemlich laut. Worte wie "robust", "zäh" fielen, und einige Dinge schienen zu Bruch zu gehen. Dann kamen sie wieder heraus, einer lächelnd, die anderen humpelnd.
"Ich denke", sagte der Lächelnde, "man kann mit Fug und Recht behaupten, ich habe die schlagendsten Argumente."
Murrend stimmte ihm der Rest zu. Dann, während er den Knüppel wegstellte, nickte er : "Mein Name ist 'Doktor Fast Perfekt'. Fast ist ein ausländisches Wort, und es bedeutet 'sehr schnell'. Du wirst meine Experimente zu beurteilen haben."
__________________________________"Heute", fuhr Rib fort und blickte Rince ernst ins Gesicht, "da weiß ich, dass der Name durch und durch heimatlich gemeint ist.
Den Vertrag gab es zweimal, einmal für Doktor Perfekt, und einen für mich. Als ich Zuhause war, waren plötzlich weitere Buchstaben aufgetaucht, zwischen den anderen Reihen von Buchstaben. Ich habe die Experimente und Tränke an mir auszuprobieren, einmal die Woche. Der verdammte Vertrag ist für die Dauer von dreihundert Jahren ausgelegt! Wer wird denn überhaupt so alt?
Und letzte Woche, da hab' ich geglüht wie ein Glühwürmchen, und das in den Schatten, mit einem Dollar in der Hand!"
"Du lebst noch." beruhigte Rince ihn. Inzwischen war er sich sicher, den Richtigen gefunden zu haben. Wer ein solches Leben führte, so verquer, schien für Anti-Verbrechen wie geschaffen. "Und wenn Du das Geld brauchst, habe ich einen Beruf, vielleicht sogar eine Berufung für dich. Willst Du wirklich klagen? Nur der Gildenvorsitzende oder Ventari können den Vertrag lösen. Immerhin leuchtest Du nicht mehr."
Ein trockenes Lachen entrann Ribs Kehle: "Machst Du Witze? Bisher hielt keine der Auswirkungen dauerhaft an. Tödlich waren sie auch bisher nicht. Doch das wird nicht so bleiben, denn die anderen Alchemisten meinten, die Chance, das dies, an dem "Test Dummie", so nennen sie mich, liegt, das wäre eine Chance von
eins zu einer Million. Das ist bestimmt eine Menge."
Rince fing an zu lächeln, als hätte ihm Rib etwas erzählt, was der Gnom selbst nicht wusste.
Währenddessen kletterte der zukünftige Rekrut aus dem Glas und fing an zu reden: "Aber heute, das heute setzte dem Ganzen die Krönung auf. Ich kam zur Gilde, und da stand so eine Maschine da: Zusammen mit einem Forschungstrakt hatten sie die entwickelt. Translokadingsbums sollte sie können. In die eine Kiste steige ich hinein, und Dingsbums, aus der anderen heraus. Mit einer Ratte hatten sie das schon ausprobiert, sagten sie mir. Nun sei ich dran. Es sei völlig ungefährlich, absolut sicher.
Irgendwas ging furchtbar schief, es zischte und knarrte, und die Kisten zerfielen in ihre Einzelteile. Dann kam Perfekt auf mich zu, seine Enschuldigungsmiene aufgesetzt, die er bisher immer trug, wenn etwas schief lief. Als die Kisten im Garten draußen standen, muss in die eine etwas hineingekommen sein, wahrscheinlich eine Fliege. Wenn dem so wäre, wär' sie mit mir verbunden, wir wären eins geworden. Einige Eigenschaften würde ich annehmen, andere halt nicht. Ich solle mir mal keine Sorgen machen und mich mal melden, wenn ich Flügel oder Hunger auf Kuhdung entwickele."
Noch einmal schüttelte sich Rib vor traurigem Lachen und zeigte auf die ehemals feuchte Spur, die er auf seinen Wegen hinterlassen hatte. Eine Art Schleim, erkannte Rince, der nun glitzernd und fest geworden war.
"Fliege?" knurrte Rib. "Ich hätte alles darum gegeben, wenn es heute eine Fliege gewesen wäre. Es war eine gottverdammte Schnecke!"
__________________________________Zögerlich bahnte sich Rib seinen Weg durch die Straßen Ankh-Morporks. Irrational erschien ihm die Welt, ein Chaos aus lärmenden, kommunizierenden Wesen. Und das seltsamste dabei war, sie versuchten gar nicht, unauffällig zu sein.
Selbst in den kleinen Gassen nicht, und das geschah ohne höfliche Bemerkungen wie: "Könntest Du bitte stillhalten? Garotten
[6] sind eine furchtbar komplizierte Sache!"
Auch das Wachhaus in der Kröselstraße überstieg die Vorstellungen des Gnoms innen noch mehr als außen. An einer Decke hing sogar ein Ausguck, um Gnomen einen Überraschungsangriff von oben zu ermöglichen. Er sah aus wie eine tote, auf dem Rücken liegende Spinne an einer Kette. Um dem Angegriffenen die Sicht auf den angreifenden Gnom zu erschweren, hatte man sogar
Kerzen angebracht, die den Verteidiger blenden sollten. Greife immer mit der Sonne im Rücken an, jawohl!
Hinter dem Tresen stand ein Troll, felsenfest und mit steinhartem Blick. Er knabberte an einem runden Stein, in dem ein Loch gebohrt war.
"Morgen" , sagte der Gnom, "fang heut' hier an. Kannst Du mir sagen, wo ich 'nen gewissen Humph hier finde?"
Monolitisch, einer Kontinentalverschiebung gleich ruckte der Arm eine horizontale Richtung. Rib beschloss der Richtung zu folgen, wo auch immer diese Gesteinsformation hinzeigte. Wahrscheinlich randwärts.
Viele Türen führten von dem Gang, dem er folgen sollte, ab. Neben den Türen befanden sich Schilder. Schilder, für die man lesen können müsste. Welche sollte Rib nun nehmen und wie an den Türknauf kommen? Oder waren die seltsamen Klappen für seinesgleichen gedacht?
"Huuumpph! Ausbilder Huuu-umph!" rief er, nachdem er sich für die einfachste Möglichkeit entschieden hatte.
Nach nur acht weiteren Rufen öffnete sich eine Tür. Humph MeckDwarf war in Ribs Augen riesengroß. Er war schlank, hat dunkles struppiges Haar und trug generell einen etwas missmutigen Blick nach außen. Doch jetzt war der Blick nicht nur missmutig, Zorn beherrscht ihn.
"Was willst du?" wandte er sich an den Schreihals. "Rib, nicht wahr? Kommandant Rince hat mich von deinem Kommen unterrichtet."
Er kehrte, ohne eine Antwort abzuwarten zu dem Schreibtisch mit den Papieren zurück. Der Gnom folgte ihm, während der Ausbilder in den Papieren wühlte, bis er etwas Entsprechendes fand. Was Rib nervös machte, ein der riesige stählerner Kasten, in dessen Loch in der Mitte ein Becher ruhte und der mit dem Logo der Alchimistengilde versehen war, stand in der Ecke.
"Bedräng' ihn nicht gleich," warf er sich selber vor. "Ach sei ruhig."
Bei Rib zogen sich unmerklich die Augenbrauen zusammen. Nun, Personen, die Zwiegespräche mit sich selber führten, kannte er. Sie gab es in den Schatten zuhauf, meistens, weil sie sich keine getrockneten Froschpillen leisten konnten.
Auch dass der Ausbilder sich immer wieder in dem leeren Raum umsah, beruhigte ihn keinesfalls. Wach war der Mensch jedenfalls, wahrscheinlich genügte das. Schließlich hieß dieser Ort die Wache.
Anscheinend hatte sich die Personen in MeckDwarf geeinigt, denn das Verhör ging weiter: "Kommandeur Rince hält Dich für geeignet, ICH bin nicht davon überzeugt. Ich werde Dich nach deinen Taten beurteilen. Merke Dir eins: Wer versucht, sich einzuschleimen, wird von mir zur Schnecke gemacht."
Dann fiel Humph's Blick auf die glitzernde Spur hinter Rib, dann zurück auf die Nachricht des Kommandanten.
An einer Notiz schien sich sein Blick festzubeißen: "Oh, Entschuldigung."
"Macht nichts. Dafür kannst Du nichts."
"DAFÜR KÖNNEN SIE NICHTS, SIR!" donnerte Humph zurück. "Vorgesetzte werden mit Sie und Sir angesprochen."
'
SIE?' dachte sich Rib. 'Warum sollte jemand darauf bestehen, angesprochen zu werden, als ob er nicht hier wäre. Und dann noch in der Mehrz... ach so... klar.'
"Natürlich, Sir" antwortet er hastig, denn solche Personen, das wusste er, die durfte man nicht reizen. Das hatte Arthur ihm beigebracht, mehr oder minder schmerzlich. "Wie SIE wünschen."
"Gut, du lernst schnell. Nun zur Ausrüstung."
Wäre Rib nicht mit einer gewissen Bodenhaftung ausgestattet worden, hätte er ausweichen können.
So türmte sich ein Berg von Ausrüstung auf ihm. Auf das Kettenhemd wurden ein Schlagstock, ein Schwert, eine Armbrust, die Dienstmarke und ein Notizblock gelegt. Augenblicke lang befürchtete der Gnom als zukünftiger Arbeitsunfall zu gelten. Dann entdeckte er ein Luftloch und wühlte sich empor.
"Leider", erläuterte der Ausbilder, "haben wir hier nur noch menschliche Große vorrätig."
Rib schnappte immer noch nach Luft, versuchte dennoch zuzuhören:
"Heute will ich einmal sehen, was du so kannst. Ein Bild von Dir machen, sozusagen. Wir werden gemeinsam durch die Stadt ziehen, und wir werden dann mal sehen, was sich ergibt. Ich denke, ich habe eine Idee... Mach dich fertig, Rekrut. Die Waffen kannst Du erst einmal hier in der Waffenkammer lassen, aber auf Rüstung muss ich bestehen. Vorschrift."
Wer schrieb hier wem was vor? Und wer schrieb ab? Oder nach? Sollte er jetzt schreiben lernen? All diese Fragen zogen Rib durch das Hirn, als er anfing, sich in das Kettenhemd zu wühlen. Lar'a hatte aufgegeben, ihm den Inhalt dieses Symbole beizubringen. Was hatten diese komischen, unverständlichen Bilder auch schon mit den Worten zu tun? So sehr der Gnom auch sein Ohr an ein Buch drückte, nicht der kleinste Ton war zu hören
[7].
Platzangst machte ihm non schnell verständlich: Das mit dem Kettenhemd hatte jedenfalls keinen Sinn. Nun, dann musste es anders gehen.
Er nahm sein Abzeichen und nickte dem Ausbilder zu: "Wenn Sie alle hier warten würden, Sir, bin sofort zurück."
Damit huschte er hinaus zu dem Troll, der unter seiner Angabe das Abzeichen etwas verbog. Vier Locher wurden mit einem herumliegenden Nagel hineingebohrt und eine Schnur hindurch gezogen. Dann kehrte der Rekrut zurück.
"Das", erklärte er, als er den wütenden Blick sah, den Humph auf das Abzeichen warf, "dürfte ein Brustharnisch passender Größe sein, oder? Der Troll am Tresen trägt auch einen.."
Dieser Erklärung war nichts entgegenzusetzen, wurde MeckDwarf bewusst. Das machte seine Laune nicht unbedingt besser. Er beschloss, dem neunmalklugen Winzling eine Lektion zu erteilen: "Folge mir!"
Zügigen Schrittes ging es durch die Stadt, Richtung Pseudopolisplatz. Rib rannte, um Schritt zu halten.
"Wie", wurde er gefragt, "bist du eigentlich darauf gekommen, dich bei Kommandeur Rince vorzustellen?"
"Oh, ein ehemaliger Wächter hat mich darauf angesprochen... Er meinte, er war hier mal Kommandant gewesen. Knöcherne Gestalt und eine Stimme, die irgendwie endgültig klingt."
"Kommandeur TOD?"
"Ja." erklärte Rib etwas zerknirscht. "Ich sehe ihn jede Woche, in der Alchemistengilde."
Schweigend gingen (beziehungsweise rannten) Sie weiter, bis Sie den Platz erreichten. Noch nie hatte Rib so viele Personen auf einem Ort gesehen, das mussten hunderte von Beinen sein, die er da sah. In unterschiedlichen Umfängen Der Anblick war überwältigend. Humph fielen sofort ein paar Zwerge auf, die einem Troll verstohlen ein Päckchen überreichten, nachdem sie ein paar Münzen empfangen hatten. Zeit, fand er, den Gnom zeigen zu lassen, in ihm steckte. Außer Schleim, versteht sich.
"Kümmere Dich darum, was in dem Päckchen ist!" befahl er. "Stell fest, ob eine Straftat vorliegt."
Rib nickte und machte sich auf den Weg. In barschem Ton - er stellte nun fest, dass er es liebte eine Respektsperson zu sein - befahl er, ihm das Päckchen zu zeigen. Nachdem er sich von dem Inhalt überzeugt und noch ein paar Nachfragen gestellt hatte, kehrte er zurück. Die Trolle packten schnell ihre Sachen zusammen und gingen.
"Alles normal, Sir.." stellte er fest. "Sie wollten nur Platte verkaufen. Jemanden zu strafen, lag ihnen fern."
Humph seufzte innerlich: Schattenbevölkerung. Zeit für Erklärungen.
__________________________________"Das nächste Mal", beendete er seinen Vortrag zwanzig Minuten später, "wenn jemand etwas Rauschförderndes verkauft, verhafte ihn. Nun kommen wir zu deiner ersten Aufgabe: Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht 'Schnapper - Früherkennung, verbaler Umgang, Vermeidung von Nahrungsaufnahme; Theorie und Praxis'. Dort drüben steht er. Wir gehen jetzt langsam an ihm vorbei und dann will ich mal sehen, was passiert."
Langsam schlenderten sie an dem Stand vorbei. T.m.s.i.d.R. Schnapper befand sich anscheinend wieder einmal in einer finanziellen Notlage. Vielleicht versuchte er immer noch die tausend Elefanten zu bezahlen, die er vor kurzem bei einer für ihn typischen unternehmerischen Katastrophe erstanden hatte. Sollte das der Fall sein, so konnte man sich sicher sein, das selbst die unverdaulichsten Teile in jene Würstchen gewandert waren, die er nun feilbot.
"Hab' ich Dich!" schrie der Gnom und rannte an der Kleidung des Händlers hinauf, um sich am Kragen fest zu hallten. Dann fügte er hinzu, um des Ausbilders Willen: "...Schurke! Sir, melde einen Straftäter. Die absonderlichsten Auswirkungen sollen dieses Essen haben! Wäre nicht überrascht, wenn ein Rausch auch dazu gehören würde."
"Rekrut Rib!" donnerte es von hinten. "lassen Sie den Bürger los! Würstchenverkauf stellt keine Straftat dar."
"Warum nicht, Sir? Haben Sie alle die noch nie probiert?"
"Weil sie nicht... weil der Inhalt... Akzeptieren Sie einfach, was ich sage! Gehorsam, Rekrut!"
Kaum das Rib abgesprungen war, klopfte Ruin seine Kleidung von den Spuren des Gnoms ab. Lange Schleimfäden zogen auf seiner Hand entlang, die er hastig zu verstecken suchte. Schließlich wollte er kein Beweismaterial liefern.
"Das will ich auch wohl meinen, meine Würstchen sind die besten in der ganzen Stadt, der Geschmack
perlt geradezu auf der Zunge. Möchten die Herren vielleicht nicht auch einen Happen essen, die geradezu ideale Mahlzeit für den hungrigen, arbeitswütigen Hüter des Gesetzes, nahrhaft und wohlschmeckend. Ein Genuss für den Gaumen. Glauben sie mir, und nur ein Dollar. Damit treibe ich mich geradezu in den Ruin. Versuchen Sie es nur. Sie müssen dieses Essen einfach kosten. Von dem Geschmack werden sie noch Ihren Enkeln berichten."
"Für mich nicht, danke." sagte Humph schmunzelnd, die Falle aufstellend. Sicher, davon würde man seinen Nachkommen erzählen, um sie zu warnen, sollte man wieder erwarten zeugungsfähig sein. "Aber unser neuer Rekrut hat Hunger."
Ruin stürzte sich wie erwartet auf die Gelegenheit. Ein hungriger Kunde. Eine Seltenheit in seiner Umgebung. Er war Schnapper, bei ihm kaufte jeder. Selbst Untote, wenn er lang genug auf sie einredete. Verdauen, fand Schnapper, war ein Aspekt des Essens, der überbewertet wurde.
Leuchten kam in seine Augen: "Nun, Rekrut, etwas besseres um den Hunger zu stillen, finden Sie nirgendwo. Und bei Ihrem Arbeitseifer ist es geradezu ein Zwang, sie geradezu etwas essen. Erhalten Sie Ihre Arbeitskraft. Ich kann ihnen versichern, meine Würstchen werden nur aus den aller..."
"Hallo?" unterbrach ihn Rib. "Ich bin's, Amchra'nai. Ich habe für deinen Neffen die Zutaten von dem, was du verkaufst, besorgt. Da fällt mir ein: Er schuldet mir noch Geld. Ihr seid ein Familienunternehmen, oder?"
"Nicht in den Abrechnungen," antwortete Ruin,
Verluste kommen sehend. "Oh. Oh! Ich sehe gerade einen Bekannten. Ich denke, wir sehen uns..."
'Nicht so schnell. So leicht kommt mir dieser Rekrut nicht davon.' dachte sich Humph erstaunt über diese Wendung der Ereignisse. "Klärt das außerhalb der Dienstzeit. Rib, wenn Du Hunger hast, bin ich gerne bereit, dir etwas zu kaufen."
Die natürliche Reaktion bestand aus blanken, reinem Entsetzen. Ein Rekrut, der einem Verhängnis entgegensah, dem er nicht entkommen konnte. Auf ein solches Angebot konnte es kein Entkommen geben.
Doch der Ausbilder sah sich
zwei gierigen Augenpaaren entgegen.
"Schön." erklärte Rib. "Solange ich nicht dafür aufkomme... wie viele Würstchen hast Du?"
__________________________________Zwei Stunden später sah MeckDwarf einem Gnom zu, der fast kugelrund ein letztes Stück Wurst in seinen Rachen stopfte. Unwillkürlich fühlte der Mensch sich an Sumpfdrachen erinnert. Und an einen Explosionskrater, von einem Verdauungsapparat ausgelöst. Bei jedem Aufstoßen des neuen Rekruten war er genötigt, nach einer Deckung zu suchen.
"Die zwei anderen pack bitte ein." seufzte Rib. "Soviel kann ich nach Hause tragen. Für die Kinder."
"Wie ... wie ... wie... " stammelte Humph, dessen Monatslohn nun Vergangenheit war. "Das waren
Schnapperwürstchen!"
Rib nickte begeistert und puhlte in seinen Zähnen, bis er etwas Weißes in der Hand hatte.
Verwirrt kaute er noch einmal darauf herum.
"Maden?" fragte er. "Dann war der Anteil an Fleisch größer als ich dachte... Sir?...Ist ihnen schlecht, Sir?"
Als Humph sich wieder gefangen hatte, beschloss er, den Rekruten nun die ganze Härte des Ausbildungsprogramms spüren zu lassen. Rache musste sein.
"Nun, Rekrut", führte er nun an. "Zeit für einen neuen Test. Stellen Sie sich vor, ich bin ein Verbrecher und sie müssen mich aufhalten, ohne Gewaltanwendung. Ihr Ziel ist es, mich in Gewahrsam zu nehmen, verloren haben Sie, wenn ich es zur Stadtgrenze schaffe."
Rib blickte an sich herab. Seine Füße waren nicht zu sehen. Derzeit war an Laufen nicht zu denken, höchstens bergab.
"Ich soll also dafür sorgen, dass Sie in ein Wachhaus gehen, Sir?" fragte der Gnom grübelnd nach. "Ohne das ich sie körperlich angreife?"
"Exakt, Rekrut"
Rib nickte und sprach dann mit lauter, deutlicher Stimme: "SAGEN SIE, SIR, FINDEN SIE ES SO EINE VERNÜNFTIGE IDEE, DASS SIE SOVIEL GELD MIT SICH HERUMSCHLEPPEN? ICH WILL NICHT RESPEKTLOS ERSCHEINEN, ABER VIERHUNDERT ANKH-MORPORK-DOLLAR SIND EINE MENGE GELD."
Es wurde still auf dem Platz...
__________________________________Nachdem Humph MeckDwarf sich (selbst vor Kollegen) sicher in einer Zelle der Wache auf dem Pseudopolisplatz eingeschlossen hatte, beschloss er für heute die Ausbildung des neuen Kadetten ruhen zu lassen. Und heute Nacht wach zu bleiben...
ENDE? WOHL KAUM...
[1] Dabei war das gar nicht so ungewöhnlich. Wie man an dem Beispiel mit Anti-Elementen und unvorsichtigen Zauberern sah. Denken ist halt nicht ungefährlich, nicht in einer Welt in der das narrative Prinzip ein Naturgesetz ist.
[2] Erstaunlich, was hinter dem Eimer wächst, das war dem Wirt noch gar nicht aufgefallen. Und das es ein beliebter Ort war, wo Straßenhunde sich trafen, schien den Gnom auch nicht geschmacklich zu stören. Ihn darauf hinzuweisen, erschien dem Wirt trotzdem keine gute Idee.
[3] Dieses Gefühl ist das Gegenteil vom freien Fall.
[4] Für die Sprachenkenner unter uns: Laie stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet nicht nur dort "Idiot".
[5] Das ist die Abkürzung für "Ruhe im Boden", ein Wunsch, der meist von Erben im Grabstein
[7a] verankert wurde. Erbrechtsstreitereien mit Untoten können kompliziert sein.
[6] Garotten sind wie Krawatten, nur fleischiger
[7] Man merkt, Rib hatte noch nie ein Buch der Unsichtbaren Universität zur Hand. Er besaß noch beide Ohren.
[7a] Überall, nur nicht in den Schatten. Es gab immer Leute die sich weigerten, gutes Essen verkommen zu lassen.
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