Irre Eselei

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von Wächterin Mindorah Giandorrrh (GRUND)
Online seit 06. 04. 2003
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Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Das Lenken eines Eselskarrens während einer Einsatzfahrt".
Na das klingt doch mal nach Spaß!

Dafür vergebene Note: 10

Verschlafen und noch mit halb geschlossenen Augen torkelte Mindorah Giandorrrh an ihrem ersten Ausbildungstag zum Wachhaus. Leicht schwankend kam sie zur Tür, die im momentanen Zustand der Rekrutin eine scheinbar unüberwindliche Hürde darstellte. Als sie sich mit ihrer ganzen verfügbaren Kraft gegen die Tür stemmte, was von Außenstehenden eher als ein müdes Drücken empfunden wurde, drang durch das heftige Pochen ihres Kopfes die Erkenntnis hervor, dass es vielleicht nicht so eine gute Idee gewesen war, ihren zwanzigsten Geburtstag grade gestern zu feiern. Eine verschwommene Gestalt, von der Mindorah nur einen etwa ein Millimeter großen Ausschnitt durch die Augenlider hindurch sah, machte sie dezent auf das zerkratzte Messingschild aufmerksam, das mit großen Buchstaben verkündete, dass diese Tür durch ziehen geöffnet werden musste. Mindorah machte zwei unsichere Schritte nach hinten und zog die Tür mit sich. Das Dröhnen in ihrem Kopf wurde schlimmer und ein Schwindel überkam sie. Eine große, unaufhaltbare Welle der Müdigkeit schwappte über sie herein und das letzte was sie noch mitbekam, war, dass sie das Gleichgewicht verlor und fiel... Wenige Sekunden später hatte die Eingangstür der Wache einen überdimensionalen Türstopper und die Wächter eine Etage weiter oben wunderten sich über einen lauten Knall. Doch sie kümmerten sich nicht weiter darum und gingen weiter ihrer Arbeit nach.

Irgendwann später drang ein strenges Räuspern ans Ohr der Rekrutin. Sie verspürte ein unangenehmes Drücken an ihrer Seite und sie fühlte sich, als hätte sie die Fußabdrücke sämtlicher Wächter auf ihrem Rücken. Sofort beschlich sie der dumme Gedanke, dass das durchaus der Realität entsprechen könnte. Bevor Mindorah weiter über diese Tatsache nachdenken konnte, blickte sie auf und sah direkt in das wütende Gesicht von ihrem Ausbilder Ikari Gernetod. "Was soll das?", fragte er leise, aber mit leicht drohendem Unterton, wobei der Rekrutin ein fauliger Mundgeruch entgegenschlug, was in ihr den Drang weckte, sich die Nase zuzuhalten oder, noch besser, irgendetwas gut isolierendes in die Nasenlöcher zu stopfen. Sie hielt sich allerdings diskret zurück, um den Zombie nicht noch mehr zu verärgern.
"Was soll das?", wiederholte er nun schon deutlich lauter.
Mit einem Schlag wischte Mindorah die ganze Müdigkeit beiseite und sprang auf. Die schlechte Aussicht schon am ersten Tag wieder entlassen zu werden, gab ihr Kraft. Sie salutierte und sagte mit zittriger Stimme: "Entschuldigung, Sir...", nervös strich sie sich eine Strähne ihres kräftigen schwarzen Haares hinters Ohr, "ich hatte gestern wohl etwas zu wenig Schlaf, aber jetzt bin ich für alle Befehle bereit!"
"Du hast 2 Stunden geschlafen!", brüllte Ikari aufgebracht, "mitten im Dienst!"
Mindorah versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen und setzte ein ernstes und unterwürfiges Gesicht auf. Sie sah ihrem Ausbilder fest ins Gesicht: "Es wird nie wieder vorkommen, Sir! Wirklich!"
Ikari warf ihr noch einen mürrischen Blick zu und wies sie dann an, ihm zu folgen.

Kurz darauf standen Ikari und Mindorah vor einem Eselskarren, mitten auf der Straße vor dem Wachhaus. Das bunte Treiben von Ankh-Morpork umströmte sie wie eine dickflüssige Masse. Die Rekrutin beobachtete interessiert, wie Ikari seine Augen über die Menge schweifen ließ. Plötzlich schnellte sein Arm vor. "Da! Siehst du diesen Mann dort?"
Mindorah spähte durch das Gedränge. Schließlich erblickte sie in einigen Metern Entfernung einen Mann in abgerissenen, schmutzigen Kleidern auf einem Esel. Mit gerunzelter Stirn nickte sie. "Ja, Sir!"
Ikari zog sie auf den alten Karren. "Los, verfolge ihn, Rekrutin!"
Nach einem kurzen Moment des verwunderten Innehaltens, schwang Mindorah auf gut Glück die Zügel und brüllte die Esel an. Doch die störrischen Tiere rührten sich nicht vom Fleck. Stattdessen fuhren sie damit fort, die undefinierbaren Essensreste vom Boden zu schlecken, was ihre Lebenserwartung drastisch senkte. Hektisch griff Mindorah auf einen alten Trick zurück. Sie kramte in ihren Hosentaschen und fand auch gleich, was sie gesucht hatte. Zwei bröckelige, leicht ergraute Zuckerstücke kamen zum Vorschein. Im Geiste dankte sie ihrer Leidenschaft, in unbeobachteten Situationen zur Beruhigung puren Zucker zu lutschen. Mit einem waghalsigen Unternehmen kletterte sie auf die zwei Eselsrücken und schwenkte den Zucker vor den Mäulern der beiden zotteligen Tiere hin und her. Sofort erwachten sie aus ihrer Trägheit und schnappten nach der Hand. Gerade noch rechtzeitig konnte die Rekrutin sie vor den gelben Zähnen retten. Um den Zucker zu erreichen, rasten die Esel mit einer Geschwindigkeit los, die man ihnen niemals zugetraut hätte. Die Hufe klackerten auf dem dreckigen Steinboden und das Maul hatten sie halb geöffnet, so dass zähflüssiger, braun-grünlicher Sabber auf die Straße tropfte. Mindorah bohrte die Finger ihrer rechten Hand tief in das Fell des einen Esels und musste sich Mühe geben, nicht von den Rücken zu rutschen, während sie nach dem Mann Ausschau hielt. Als sie ihn entdeckte, trottete sein Esel nicht weit entfernt. Man gewann fast den Eindruck, er hätte gewartet bis die beiden Wächter bereit zu einer Verfolgungsjagd waren. Sobald die Rekrutin auf ihn zu lenkte, trieb er auch seinen Esel an. Mindorah betrachtete die Erscheinung von oben nach unten. Sie war zwar allerhand seltsame Gestalten gewohnt, doch trotzdem überkam sie ein komisches Gefühl, während sie den Mann studierte. Vereinzelte braune Haare säumten die silbergrauen Stoppeln, die starr nach oben abstanden. Immer wieder drehte er sich um, so dass man das irre Grinsen sehen konnte, dass sein Gesicht zierte. Kleider verdeckten nur in Fetzen seinen ausgemergelten Körper, doch seine Haut starrte nur so vor Dreck und unterschied sich deshalb kaum von der Kleidung. Außerdem konnte man sogar auf diese Entfernung einen strengen Geruch wahrnehmen, der von ihm ausging. Mindorahs Beobachtungen wurden von einem unterdrückten Kichern gestört, dass Ikari hören ließ, als er seine Rekrutin erblickte, die mehr schlecht als recht auf den Eseln hing, den Arm mit der Hand, die krampfhaft den Zucker umklammert hielt, weit von sich gestreckt und den Blick fest auf die zerlumpte Gestalt gerichtet. Mindorah hätte ihm gerne einen grimmigen Blick zugeworfen, begleitet von einem bissigen Kommentar, allerdings bestand die Gefahr, dass sie sich dann erst Recht einem spöttischem Lachanfall auszusetzen hätte, weil sie sich wohl kaum auf den Eseln würde halten können, falls sie sich zu ihrem Ausbilder umguckte. Also ließ sie das Kichern über sich ergehen und fragte in betont freundlichem Tonfall: "Warum setzen wir uns denn überhaupt diesem Theater aus, wenn ich fragen darf?" Nach kurzer Stille fügte sie noch schnell ein "Sir" hinzu.
Worauf Ikari ernst antwortete: "Dieser Mann kommt alle zwei/drei Tage hier in der Gegend vorbei. Jedes Mal auf einem Esel, der beinahe genauso heruntergekommen ist, wie er selbst."
Bei diesem Kommentar inspizierte Mindorah den Esel und musste feststellen, dass ihr Ausbilder Recht hatte. Das Tier hatte ein paar kahle Stellen und selbst das Fell war so dreckig und verklebt, dass man es kaum als solches identifizieren konnte.
"Das allein ist natürlich noch kein Verbrechen. Doch in letzter Zeit gab es mehrere Anzeigen von verarmten Kaufleuten und Eselzüchtern, deren Tiere gestohlen wurden. Daher besteht der Verdacht, dass er der Dieb ist. Den Hinweis haben wir von einem dieser Bestohlenen bekommen, der in regelrechte Hysterie ausgebrochen ist, als er meinte seinen Esel erkannt zu haben", beendete Ikari seine Erklärung.
Mindorah stieß einen entsetzten Schrei aus, was ihr Ausbilder mit einem erstaunten Blick kommentierte. Er konnte ja verstehen, dass die Vorstellung eines hysterischen Ankh-Morporkianers entsetzlich war, aber das fand er nun doch leicht übertrieben. Da bemerkte er den tatsächlichen Grund des Schreis: ein über und über mit Obst beladener Wagen rollte langsam, aber unaufhaltsam vor den Eselskarren. Eine große, dicke Frau, die ihr altmodisches braunes Kleid mit großen olivgrünen Punkten mit ihren wulstigen Fingern hochhielt, rannte kreischend hinterher und versuchte ihr Obst zu retten. Mindorah starrte mit vor Schreck geweiteten Augen auf das Geschehen. Sie war wie gelähmt und konnte nur untätig beobachten, wie die Esel munter weiter auf den Obstwagen zurasten. Im Hintergrund ihres Bewusstseins kroch eine Wahrnehmung zielsicher auf ihre Aufmerksamkeit zu. Es stellte sich als Geräusch heraus, das immer lauter und durchdringender wurde. Schließlich war es am Ziel angekommen und Mindorah vernahm mit Schrecken die Worte ihres Ausbilders: "Weich doch aus, verdammt!"
Ganz aus dem Reflex heraus riss sie den Arm zur Seite und die Esel natürlich immer hinterher, den Zucker fest anvisiert. Um Eselfellhaaresbreite verfehlten sie den Wagen, nur ein paar unangenehme Quetschgeräusche entstanden, als die Räder des Eselkarrens über das Obst rollten, das vom Wagen gefallen war. Mindorah atmete erleichtert auf und wischte das Gesicht, das mit klebrigen Obstspritzern übersäht war, am Ärmel der Uniform ab, was Ikari mit einem Räuspern bedachte.
"Das war ja grade noch rechtzeitig, Rekrutin! Das nächste Mal hörst du gefälligst schneller auf mich!"
"Ja, Sir", erwiderte Mindorah kleinlaut und kaute auf ihrer Unterlippe. Aus dem Augenwinkel sah sie einen zerzausten Esel samt Reiter um eine Ecke biegen. Sie wunderte sich zwar, dass dieser nicht die Möglichkeit zur Flucht genutzt hatte, nahm aber trotzdem sogleich die Verfolgung auf.

Vor ihnen lag eine enge, dunkle Gasse. Ratten huschten umher und in den Schatten, die die Häuser warfen, schien es von finsteren Gestalten nur so zu wimmeln. Mindorah krallte sich noch tiefer in das warme Eselfell und lauschte auf das hohle Klappern der Hufe. Dumpfe Geräusche drangen aus den Häusern. Der Mann vor ihnen stoppte. Er glitt von dem Esel und tätschelte ihn an seinem kahlen Kopf. Aus seinen Kleiderfetzen zauberte er ein robustes Seil hervor und legte es dem Tier um. Dann verschwanden sie in einem Hauseingang. Auch der Eselkarren der Wache hatte inzwischen mit einem Knarren der alten Holzräder angehalten. Mindorah rieb ihren schmerzenden Arm und steckte den Zucker zurück in ihre Tasche. Dann guckte sie Ikari fragend an. Dieser nickte ihr zu. "Los, gehen wir." Mit diesen Worten setzte er seinen Fuß auf das Pflaster und ging schnellen Schrittes auf die Bruchbude zu, in dem der Mann verschwunden war. Die Rekrutin schaute sich noch einmal um. Den Gedanken an eine Falle wischte sie mit der Erklärung beiseite, dass es viel zu offensichtlich wäre. So was würde doch niemand planen! Ein Mann lockt die Wächter in eine dunkle Gasse. Nein, viel zu auffällig. Als sie ihrem Blick über den Karren schweifen ließ, stutzte sie. Mit spitzen Fingern nahm sie Ikaris Hand vom Sitz. Dann folgte sie ihrem Ausbilder, der schon die morsche Holztür aufgestoßen hatte, durch die sich ein großer Riss zog. Mit lautem Quietschen schwang sie auf. Ein strenger Geruch nach Eselmist schlug den Wächtern entgegen. Die Wände des großen Raumes waren mit Spinnweben überzogen. Der Boden war mit Stroh bedeckt und lautes, schräges Blöken war zu Hören. Mindorah merkte, dass sie immer noch die Hand des Zombies bei sich trug und hielt sie Ikari unter die Nase. "Sie haben was liegen lassen, Sir!"
"Mist", grummelte dieser und besah sich seinen linken Armstumpf. Er zog eine lose Hautschicht von seinem Bein und verstaute die Hand darin.
Plötzlich trat direkt vor uns der Mann aus dem Schatten ins matte Licht. Mindorah bekam fast einen Schock und war drauf und dran in Ohnmacht zu fallen, als ihr es doch zu interessant erschien, was der Mann zu sagen hatte.
"Na endlich...", sagte er mit krächzender Stimme. Ein langes, röchelndes Husten folgte. Die Hände hatte er wie zum Gebet gefaltet und das irre Grinsen umspielte wieder seine Lippen. Er sah einem nicht direkt in die Augen, man hatte das Gefühl seine Pupillen folgten einem unsichtbaren Insekt, das unablässig in der Luft herumschwirrte. Tiefe, dunkle Ringe betonten die kleinen, zusammengekniffenen Augen. Mindorah lief ein Schauer über den Rücken. Sie fühlte sich wie in einer Gruselgeschichte aus diesen Billigschundheftchen, die man sich in Zeltlagern vorlas und bei denen die Mädchen laut aufschrieen. Doch Ikari fasste sich, zog seine Dienstmarke hervor und machte einen Schritt auf den seltsamen Mann zu. "Es besteht ein Verdacht, dass Sie mehrere Esel entwendet haben, ohne eine Lizenz zu besitzen."
Der Mann zeigte seine fauligen Eckzähne. Mindorah begriff nicht gleich, dass es sich um ein Lächeln handelte. Sie schluckte. Nervös zwirbelte sie eine Haarsträhne. Ihr Gegenüber setzte sich mit langsamen, zittrigen Schritten in Bewegung. Er führte sie durch einen Gang zu einer Art Stall in dem Dutzende von Eseln standen. Der Raum war vom lauten Blöken der Esel angefüllt, so dass man kaum seine eigenen Schritte hörte. Der Mann machte eine einladende Handbewegung und zeigte stolz auf all die Tiere. Sie alle sahen krank aus, hatten zerfetztes Fell, waren abgemagert bis auf die Knochen und Mist klebte ihnen überall. Manche hatten Schürfwunden. Es war ein schauriger Anblick. Während Mindorah und Ikari sich umguckten, begann der Mann stotternd zu berichten: "Ja ja, die ganzen armen Tiere! Sie wurden so vernachlässigt, nur weil sie nicht so schön sind wie diese Zuchtesel", verächtlich spuckte er auf den dreckigen Boden. "Dabei können sie nichts dafür! Aber sie werden gequält und gequält! Von ihren Haltern ausgebeutet und geschlagen! So wie ich..." Es wurde still, sogar die Esel hielten mit dem Lärm inne, nur die Schluchzer des Mannes durchbrachen die Szene, wie Blitze in einer sternenklaren Nacht. Doch plötzlich brauste er auf: "Seit Jahren rette ich die armen Tiere und bringe sie hierher, aber niemand bemerkt es! Keiner in dieser ganzen, großen, schrecklichen Stadt! Aber jetzt! Jetzt habt ihr mich endlich gefunden! Jetzt ist das Warten vorbei, endlich kommt die Sache ans Licht und die Verbrecher werden bestraft!" Er brach in ein irres Gelächter aus, das laut durch das alte Gemäuer hallte.
Mindorah legte die Stirn in Falten, so dass sich tiefe Furchen durch das Gesicht zogen. "Aber hier geht es ihnen doch auch nicht besser", unterbrach sie vorsichtig das grässliche Lachen, von dem allein man schon Gänsehaut bekam.
Abrupt hielt der Mann inne. Mit noch geöffnetem Mund wendete er sich der Rekrutin zu. "Willst du damit sagen, ich würde sie nicht gut behandeln? Als ob sie sich hier nicht viel besser fühlen würden, als bei diesen grausamen Händlern! Bei mir, der doch als Kind selbst so schlimm behandelt wurde! Bei mir, der sie versteht! Hier sind wir alle beisammen, geschützt vor den Ausbeutern, die uns das Leben schwer machen!" Bei diesen Worten verklärte sich sein Blick. Mit seliger Stimme, als würde er von dem Himmelreich auf Erden sprechen, fuhr er fort: "Besser halten wir als geschundene Gemeinschaft den Qualen stand, als dass wir jeder für sich dem Bösen erliegen..."
Ikari ging still auf ihn zu und legte ihm Handschellen an. Die Rekrutin sah sich noch mal die Reihen von Eseln an, die sie alle mit traurigen Augen anguckten und folgte dann ihrem Ausbilder, der den Mann zur Straße führte. Sie war froh als sie sich zurück auf die Eselsrücken begeben konnte, auch wenn sie schon jeden Knochen im Leib spürte. Endlich machten sie sich auf den holprigen Weg zum Wachhaus zurück. Der Mann saß hinten bei Ikari. Seine Lippen bewegten sich und er brabbelte leise vor sich hin. Doch Mindorah bemerkte es nicht, ihr klang das irre Lachen immer noch laut in den Ohren. Wie in Trance lenkte sie die Esel die Straßen entlang. Als sie angekommen waren, verfütterte sie ihnen die Zuckerstücke. Die Esel machten sich währenddessen große Gedanken über ihren Entfernungssinn. Wenn sie gewusst hätten, dass der Zucker so weit weg war, dann hätten sie es sicher bei den Essenresten belassen...
Mindorah hingegen überfiel wieder die große Müdigkeit, die sie in dem Stress des heutigen Tages völlig verdrängt hatte. Sie torkelte zu Ikari und fragte mit matter Stimme: " Darf ich wegtreten, Sir?", dabei fiel es ihr schwer, den Blick auf ihm zu halten und nicht abzusacken.
Ikari nickte: "Erlaubnis erteilt, Rekrutin!"
Somit ließ Mindorah ihn allein, schritt schwach durch das Wachegebäude und kam sogar noch bis zur Tür, wo sie dann entgültig vom Schlaf übermannt wurde und die selbe Position einnahm wie am Morgen. Das letzte was sie hörte war das Aufstöhnen eines Wächters: "Oh nein, nicht schon wieder!"

Am nächsten Tag fand Mindorah sich an eine Hauswand gelehnt vor dem Wachhaus wieder. Sie rieb sich müde die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, sah sie einen alten, tattrigen Mann davon schlurfen. Er trug zerrissene Fetzen am Leib und hatte stoppelige, graue Haare. Mindorah sprang auf und wollte ihn aufhalten, da legte sich eine faulige Hand auf ihre Schulter und ein unverkennbarer Geruch kündigte ihren Ausbilder an. "Lass ihn, Rekrutin. Wir haben ihn freigelassen. Es ist doch nur ein armer Irrer, der seine schlimme Kindheit nicht überwunden hat!"
Ungläubig drehte die Rekrutin sich um und schaute Ikari mit großen Augen an. "Und was ist mit den Eseln?"
"Die Bestohlenen, die Anzeige erstattet haben, können sich ihre Tiere abholen. Die restlichen Esel werden der Obhut des Alten überlassen. Du kannst ja hin und wieder nach dem rechten sehen."
Mindorah grauste bei der Vorstellung, trotzdem nickte sie. "Ja, Sir!" Die Rekrutin wandte sich um und sah dem Mann nach, wie er durch die Menge verschwand. Bei Tageslicht besehen, sah er eigentlich ganz harmlos aus...



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