Traum und Wirklichkeit

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von Gefreiter Pyronekdan (RUM)
Online seit 31. 03. 2003
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Pyronekdan hat seinen ersten Arbeitstag bei RUM. Obergefreiter Thymian Pech soll ihm beibringen, wie man Nachrichten von Informanten abholt. Eigentlich ganz einfach. Oder wird das doch wieder ein Alptraum?

Dafür vergebene Note: 10

Anmerkung:
Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit lebenden oder untoten Charakteren aus "Die vierte Regel", "Joyride" oder "Harte Zeiten" sind absolut nicht zufällig, sondern gewollt!


Wie zu jedem Frühlingsanfang war der Speisesaal der Unsichtbaren Universität prächtig geschmückt. Die Tische bogen sich unter dem Gewicht der leckersten Speisen und Getränke, die es auf der Scheibenwelt gab. Pyronekdan konnte es kaum erwarten zuzugreifen. Doch vor dem Festmahl wollte der Erzkanzler noch eine kurze Rede halten. Er hob sein Glas und tippte mit seinem Zauberstab dagegen:
DING DING DING DING DING DING!

Pyronekdan erwachte aus seinem Traum, doch das Geräusch blieb.
DING DING DING DING DING DING!
Es kam von den beiden kleinen Holzschachteln, in denen seinen Tele-Dämonen lebten.
"Was ist denn los?", fragte er in Richtung Nachttisch, auf dem die beiden ihre Glocke betätigten.
"Du hast uns gesagt, dass wir dich um halb-sieben wecken sollen", erwiderte Woakie. "Weil du an deinem ersten Tag bei RUM nicht zu spät kommen wolltest."
"Ist es denn schon so weit?", fragte er die Dämonen, weil der glaubte, gerade erst eingeschlafen zu sein.
"Nein, aber uns ist eingefallen, dass wir keine Uhr haben", meinte Toakie.
"Dort an der Wand hängt eine", erwiderte Pyronekdan träge, und zeigte auf die vom Mond beschienene Wanduhr in seinem Zimmer der Universität.

Pyronekdan rannte durch eine Händlerstraße von Ankh-Morpork. Zahlreiche Passanten machten ihre Einkäufe. Er hatte Mühe, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Plötzlich fiel ihm eine Frau auf, die eine goldene Uhr an einer Halskette trug. Als er sie sich näher ansah, erkannte er diese wieder. Es war die Uhr seiner Mutter gewesen. Endlich hatte er eine Spur zu den Mördern seiner Eltern gefunden! Aber als er die Frau fragen wollte, woher sie die Uhr hatte, fing sie plötzlich an zu schlagen.

DING DING DING DING DING DING !

"Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte er ärgerlich, nachdem er wach geworden war. "Es ist doch erst Mitternacht!"
"Wir können auch keine Uhren ablesen", sagten die Dämonen kleinlaut. "Für unseren eigentlichen Job ist das nicht notwendig."
"Es ist halb-sieben, wenn der kleine Zeiger zwischen der fünf und der sechs steht, und der große nach unten zeigt", erklärte Pyronekdan, und legte sich wieder hin.

Eine Karawane zog langsam durch die Nacht der Sto-Ebene. Quirm war nicht mehr weit. Da die Händler nicht noch eine Nacht außerhalb einer schützenden Stadt lagern wollten, fuhren sie das letzte Stück in der Dunkelheit. In einem der Wagen versuchte Pyronekdan zu schlafen. Die holperige Straße und zwei Töpfe, die bei jedem Schlagloch gegeneinander schlugen hinderten ihn daran.

DING DING DING DING DING DING!

Der Zauberer erwachte erneut durch das Klingeln der Dämonen. Da der Mond inzwischen untergegangen war, war es stockdunkel.
"Wir können die Wanduhr nicht mehr sehen", begründete Woakie ihr Tun.
"Ja, und wir wollten sichergehen, dass wir dich nicht zu spät wecken", fuhr Toakie fort.
"Wenn ihr die Uhr nicht sehen könnt, ist es noch nicht halb-sieben", erklärte Pyronekdan. "Weckt mich nicht, solange ihr die Uhr nicht sehen könnt!"

Der Unterrichtsraum war bis auf den letzten Platz besetzt. Pyronekdan zeigte den Studenten, wie man ein Stück Kreide zum schweben brachte. Er ließ es zur Tafel fliegen und schrieb das Wort Levitation darauf. Die Studenten applaudierten. Doch was war das? Verbarg sich dort in der vorletzten Reihe nicht eine junge Frau? Doch bevor er näher hinsehen konnte, läutete die Pausenglocke, und die Studenten verließen den Raum.

DING DING DING DING DING DING!

Pyronekdan erwachte erneut durch das klingeln der Dämonen.
"Wir können die Uhr jetzt sehen", sagte Woakie.
"Ist es denn schon halb-sieben?"
"Das wissen wir nicht, weil wir die Zeiger noch nicht erkennen können", erklärte Toakie.
"Um halb-sieben könnt ihr die Zeiger sehen! Wenn ihr mich bis dahin noch einmal weckt, bringe ich euch zur Magieendlagerstätte!", drohte er und legte sich zurück in sein weiches Bett.

Es war Hochsommer. Die Sonne brannte. Da er nach einem langen Arbeitstag durstig war, ging Pyronekdan in eine Kneipe, setzte sich an einen Tisch, und bestellte zwei Krüge Bier. Als die Kellnerin das Bier brachte, schlugen die Krüge mehrmals aneinander.

DING DING DING DING DING DING!

Pyronekdan erwachte erneut durch das Klingeln der Dämonen.
"Es ist jetzt halb-sieben", verkündeten sie stolz.
DING DING DING DING DING DING!
"Ihr könnt jetzt aufhören zu klingeln. Ich bin ja wach", sagte er ihnen, obwohl er noch todmüde war.

Er stand auf, wusch sich, zog sich an, und machte sich auf den Weg zur Wache. Unterwegs traf er Schnapper, der ihm merkwürdiger Weise ein Würsten schenkte. Verwundert über die Großzügigkeit, biss er hinein. Es schmeckte tatsächlich nach Fleisch! Als er sich zwickte, um zu sehen, ob er wach war, tat es nicht weh. "Mist", dachte er. Ich muss wieder eingeschlafen sein. Im Traum ging er zurück zur Universität, um sein Zimmer zu entgnomen, [1] und sich dann zu wecken. [2] Dabei stieß er gegen die Glocken, die an deren Behausungen befestigt waren.
DING DING DING DING DING DING!

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er vier Stunden geschlafen hatte.
"Warum habt ihr mich nicht geweckt?", beschwerte sich Pyronekdan bei seinen kleinen Zimmergenossen.
"Du hast doch gesagt, dass du wach bist, und wir mit dem Klingeln aufhören sollen", sagten diese.
"Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Godo euch loswerden wollte", brummte Pyronekdan, und stand auf.

Um elf Uhr klopfte er an Humphs Bürotür.
"Herein!", antwortet Humph mit einer Stimme, die darauf hindeutet, dass es vielleicht ratsamer war der Aufforderung nicht nachzukommen.
Pyronekdan tat es trotzdem, und sah außer einem Berg von Akten, der größer war als Thymians Büro, diesen und den Abteilungsleiter.
"Guten Morgen", begrüßte er die Anwesenden.
"Guten Morgen", erwiderte Thymian.
"Guten Tag! Wir hätten dich eigentlich ein wenig früher erwartet", zischte Humph ärgerlich.
"Ich hatte ein kleines Problem mit meinen Tele-Dämonen", versuchte der Zauberer zu erklären. "Ich habe versucht sie zum Wecken zu benutzen."
"Was offensichtlich nicht geklappt hat", unterbrach ihn der Abteilungsleiter. "Da es schon so spät ist, komme ich gleich zur Sache. Thymian wird dir heute zeigen wie der Gemüsewagen, äh die Nachrichten-Übergabe bei Frau Leeb funktioniert. Danach könnt ihr euch auch auf die Suche nach weiteren möglichen Briefkästen machen. Noch Fragen?"
"Nein", erwiderten die Angesprochenen, um das Büro schnell wieder verlassen zu können.
"Ich habe aber noch Antworten!", stoppte der Abteilungsleiter die schon fast in der Tür stehenden Wächter. "Ich möchte, dass ihr möglichst unauffällig vorgeht. Am besten geht ihr in Zivil. Ich möchte schließlich nicht der letzte in Ankh Morpork sein, der über die toten Briefkästen Bescheid weiß. Wegtreten!"

Sie verließen die Wache und hielten sich randwärts. Da es um die Mittagszeit war, kamen aus den Häusern angenehme Gerüche, die Pyronekdan jedoch daran erinnerten, dass er nicht mehr dazu gekommen war etwas zu essen.
"Frau Leeb müsste jetzt am Gänsemarkt sein", meinte Thymian. "Wenn du früher gekommen wärst, bräuchten wir jetzt nicht so weit zu laufen."
"Entschuldigung, aber meine Tele-Dämonen haben mich nicht schlafen lassen."
"Was sind Tele-Dämonen eigentlich?", wollte Thymian wissen, der immer noch nach Möglichkeiten suchte, Dämonen für seine Arbeit einzusetzen.
"Es sind zwei Dämonen, die ihre Gegenseitigen Gedanken lesen können, da sie Eineiige Zwillinge sind", erklärte Pyronekdan. "Man kann Nachrichten mit ihnen Übertragen."
"Kann man sie vielleicht zur Kommunikation mit Informanten einsetzen?"
"Ich glaube das wäre für Informanten zu auffällig."
Sie gingen weiter in Richtung Gänsemarkt, begleitet von Pyronekdan's Magenknurren, und einem Bettler, der wegen des Zauberers etwas mehr Abstand zu Thymian hielt, als sonst.
"Was müssen wir bei der Gemüsefrau machen?", erkundigte er sich, als sie sich dem Zielort näherten.
"Nur etwas kaufen", meinte Thymian. "Wenn sie eine Nachricht für uns hat, steckt sie sie unauffällig in die Tüte." [3]

Als Thymian und Pyronekdan den Gemüsekarren von Dolores Leeb erreichten, musste Thymian zweimal hinsehen, um die Gemüsefrau wieder zu erkennen. Sie trug nämlich ein farbenfrohes Kleid, das auch noch Spagettiträger hatte.
"Sie sehen heute aber gut aus", begrüßte er sie. "Wo haben sie denn das schöne Kleid her?"
"Guten Tag die Herren und vielen Dank für das Kompliment", erwiderte sie den Gruß, und legte das Stück Kreide weg, mit dem sie auf einer kleinen Tafel die Preise geschrieben hatte. "Das Kleid habe ich bei Herrn Stoffgut gekauft. Frau Immerschön von der Hausfrauenselbsthilfegruppe hat mich dabei beraten. Sie meinte, es macht Eindruck auf die Männer. Haben sie heute einen Kollegen mitgebracht?"
"Ja, und ich heiße Pyronekdan", bestätigte der Zauberer.
"Hat sich Herr Flöckli endlich getraut, sie anzusprechen?", fragte Thymian neugierig.
"Ja, heute morgen. Er hat mir ein paar Brötchen gebracht, allerdings habe ich irgendwie keinen Hunger. Wollt ihr sie vielleicht haben?"
"Ich nehme sie", meinte Pyronekdan, und suchte ein paar Münzen zur Bezahlung heraus. "Ich habe heute nämlich noch nicht gefrühstückt."
"Ich nehme ein halbes Pfund Tomaten", fügte Thymian hinzu, und suchte ebenfalls nach Kleingeld.
Nachdem Pyronekdan die Brötchen und Thymian die Tomaten erhalten hatte, verabschiedeten sich die Wächter von der Frau, und gingen zurück in Richtung Zentrum. [4]

Thymian durchsuchte die Tüte mit den Tomaten nach einer Nachricht eines Informanten, fand aber keine. Als Pyronekdan ein Brötchen aus seiner Tüte nahm, fiel aber ein Zettel heraus.
"Du musst aufpassen, dass du die Nachrichten nicht verlierst", meinte Thymian, der das gesehen hatte, und hob sie schnell auf.
"Was steht denn darauf", wollte Pyronekdan wissen.
"Lies ihn am besten selbst, damit ich sehen kann, ob du wenigstens das kannst", meinte Thymian, und reichte ihm den Zettel. [5]
"Komm bitte um halb-sechs zur Vertragsbrücke", las Pyronekdan vor. "Sollen wir die Botschaft jetzt zur Wache bringen?"
"Nein, wenn uns ein Informant treffen will, bist du dafür zuständig. Ich werde aber mitkommen, weil sie dich noch nicht kennen."
"Das schmeckt aber salzig", meinte Pyronekdan, nachdem er von einem der Brötchen abgebissen hatte.
"Herr Flöckli scheint vor Nervosität zuviel Salz in den Teig getan zu haben", meinte Thymian, und fing an zu kichern.
"Da habe ich ja noch mal Glück gehabt, dass sich nicht Schnapper in Dolores verliebt hat", sagte Pyronekdan erleichtert.

"Möchten sie zu den Brötchen nicht ein leckeres Würstchen Herr Pyronekdan?", fragte ihn dieser plötzlich, nachdem er sich scheinbar neben ihm materialisiert hatte.
"Nein Danke", meinte Pyronekdan, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er diesmal nicht träumte, und drehte sich zu Schnapper um. "Ich könnte eher etwas zu trinken gebrauchen."
"Das habe ich leider nicht im Angebot", erwiderte Schnapper. "Sie hätten sonst sogar einen Sonderpreis bekommen, weil sie mir damals meinen Bauchladen wiederbeschafft haben."
"Wozu dient dann dieser dicke Strohhalm in ihrem Sortiment, wenn sie nichts zu trinken verkaufen?", fragte der Zauberer, und zeigte auf den ca. 50 cm langen und 2 cm dicken röhrenförmigen Gegenstand. [6]
"Das ist eine Taucherausrüstung. Man kann damit unter Wasser atmen!", erklärte Schnapper.
"Muss man dazu nicht den Kopf ständig nach oben halten?"
"Nein, nein, mein Herr, an einem Ende kann man das Gerät abknicken, ohne dass es bricht. Ich hoffe bei dem wachsenden Tourismus in Ankh-Morpork diesen Sommer ein großes Geschäft damit zu machen."
"Wenn das mal kein Ankhschlamm-Wetttrinken [7] wird", meinte Pyronekdan. Dann erinnerte sich wieder an seinen letzten Traum, in dem Schnapper tatsächlich etwas Brauchbares zustande gebracht hatte. Konnte das ein Zeichen gewesen sein? War das Gerät vielleicht doch nützlicher als eine tragbare Sonnenuhr?

Thymian hatte nicht bemerkt, dass Pyronekdan aufgehalten wurde, und war schon 100 Meter weiter gegangen, als er sich nach ihm umdrehte. Da Pyronekdan und Schnapper durch Passanten verdeckt wurden, war dass einzige, was er fand ein paar Münzen auf der Straße, die er dem Bettler gab, der vergeblich so auszusehen versuchte, als sei er rein zufällig in der Nähe.
"Hast du dich unsichtbar gemacht Pyronekdan?", fragte er ängstlich in eine andere Richtung, da dass nach seiner Auffassung viele Zauberer konnten. "Droht etwa Gefahr?"
Da das fluchtartige Davonlaufen des Bettlers die einzige Reaktion darauf war, ging er vorsichtig ein Stück zurück. Schließlich fand er ihn im Gespräch mit Schnapper.

"Da bist du ja, Pyro. Ich dachte schon, ich hätte dich verloren", meinte Thymian. "Du willst dir doch nicht etwa ein Würstchen kaufen?"
"Es sind genug für euch beide da", warf Schnapper hoffnungsvoll ein.
"Ich habe eine Idee," sagte Pyronekdan schließlich, und vergewisserte sich, dass sonst niemand zuhörte. "Können wir nicht Schnapper zum Weiterleiten von Nachrichten an die Wache einsetzen?"
"Soll er sie etwa in die Würstchen stecken?", fragte Thymian.
"Nein, aber diese Neuentwicklung scheint mir sehr geeignet zu sein", sagte Pyronekdan und zeigte auf das Tauchutensil. "Zusammengerollte Nachrichten müssten da gut hineinpassen."
"Gut, aber woran sollen wir erkennen, dass eine Nachricht da ist, ohne auffällige Fragen zu stellen?", bemerkte Thymian.
"Ganz einfach", meinte Pyronekdan, und knickte das Gerät ab. "Daran!"
"Daran, daaa es kaputt ist?", fragte Thymian unsicher.
"Die Stelle zum Abknicken ist an der anderen Seite!", erklärte Schnapper verärgert. "Ich hoffe, sie kommen für den Schaden auf!"
"Oh, selbstverständlich", meinte der Zauberer verlegen. "Aber was halten sie davon die Nachrichten unserer Informanten an die Wache weiterzuleiten?"
"Wenn ich sie richtig verstehe, würden sie mit jeder Nachricht auch eines meiner neuen High-Tech-Produkte kaufen?", fragte Schnapper, der ein gutes Geschäft witterte. "Ich mache ihnen auch einen guten Preis: Nur 1 Dollar pro Stück! Und damit treibe ich mich selbst in den Ruin."
"Abgemacht", meinte Thymian, und besprach mit Schnapper die Einzelheiten.

"Ich dachte schon, du wärst überfallen worden", meinte Thymian, als sie weitergingen.
"In gewisser Weise bin ich das ja auch", meinte Pyronekdan. [7a] "Richtige Überfälle passieren mir allerdings nur selten. Die meisten Diebe machen einen großen Bogen um Zauberer, weil sie sich an die Anzahl ihrer Gliedmaßen zu sehr gewöhnt haben."
"Ich habe gehört, dass du in der Grundausbildung einmal überfallen wurdest."
"Ja, ich war auf dem Weg zur Kröselstraße und hatte meine Wächteruniform an. Da hat ein unlizensierter Dieb mich nicht als Zauberer erkannt. Er schlich sich von hinten an, und plötzlich spürte ich etwas Hartes im Kreuz."
"Eine Messerklinge?"
"Nein, es war nur ein Stock. Aber das hat er mir erst gesagt, nachdem er mein Schwert genommen hatte."
"Er hat dein Schwert gestohlen?"
"Es war nur das Theaterschwert, das ich als Wichtelgeschenk bekommen hatte. Als ich den Dieb darauf aufmerksam machte, ließ er es fallen und lief schnell davon."
"Hast du ihn verhaftet?"
"Da ich nicht zu spät zum Unterricht kommen wollte, habe ich ihn laufen lassen. Irina wollte nämlich einen Vortrag über Pünktlichkeit halten."
"Das kann ich verstehen."
"Was hältst du von einer kleine Pause, und einem großen Bier?", fragte der Zauberer, der inzwischen so durstig war, wie ein Yeti in der Wüste.
"Ich glaube nach dem Erfolg bei Schnapper haben wir das verdient."
"Es wäre aber besser, wenn uns kein Wächter dabei erwischt, der es Humph erzählen könnte. Außerdem sollten wir ja unauffällig vorgehen, oder?"
"Mein Onkel Jesko hat eine Kneipe in der Weilandgasse, wo nur selten Wächter vorbeikommen."

In der Kneipe "Zum" war um diese Zeit nur wenig Betrieb.
"Hallo Jungchen", begrüßte der Wirt seinen Neffen. "Hast du einen Kollegen mitgebracht?"
"Ja, das ist Pyronekdan, Onkel", erwiderte dieser. "Ich soll ihm zeigen, was er bei der Wache zu tun hat."
"Darüber musst du mir mehr erzählen", meinte Jesko stolz. "Bildest du jetzt etwa Rekruten aus?"
"Nein", er ist ein neuer Kollege in unserer Abteilung.
"Und sehr durstig!", warf dieser ein, und wunderte sich, wieso ihn jeder gleich als Wächter erkannte, obwohl er in Zivil war.
"Wenn ihr mir ein wenig helft, bekommt ihr ein Bier umsonst", bot Jesko an.
Da Pyronekdan Jesko noch nicht kannte, nahm er das Angebot an, und nach dem Bier halfen beide in der Küche. Dort konnten sie auch nicht zufällig von einem Wächter gesehen zu werden.
Nach zwei Stunden harter Arbeit sah Pyronekdan auf die Uhr.
"Wenn wir nicht zu spät zum Treffen zu kommen wollen, müssen wir jetzt los", meinte er dann.
"Eigentlich müsste ja noch der Abort gereinigt werden", sagte Jesko. "Aber wenn ihr dienstlich zu tun habt, muss das wohl warten."

"Die nächste Kneipe suche ich aber aus", meinte Pyronekdan, nachdem sie gegangen waren. "Wen treffen wir den überhaupt an der Vertragsbrücke?"
"Steht das nicht auf dem Zettel?", fragte Thymian zurück.
"Hier steht nur Hilarius. Ist das einer unserer Informanten?"
"Hilaius Flöckli! Ach du meine Güte. Dann war die Nachricht für Frau Leeb bestimmt. Ich hoffe wir erreichen sie noch rechtzeitig."
Beide Wächter liefen, so schnell sie konnten, zum Hier-gibt's-Alles-Platz, wo die Gemüsefrau jetzt sein musste. Das war allerdings nicht sehr schnell, da sie sich in Schlangenlinien um die Passanten bewegen mussten, was nicht nur den Weg verlängerte, sondern auch das Tempo bremste. Außerdem wurden sie beinahe von dem Karren eines Haushaltswaren-Händlers angefahren, der gerade noch rechtzeitig anhalten konnte.
"Könnt ihr nicht aufpassen!", schimpfte dieser, was aber durch das Geklapper seiner Töpfe und Pfannen übertönt wurde.

Als Pyronekdan die Gemüsefrau sah, schlug eine Uhr fünf, und er erschrak. Ihm war, als hätte er das vor kurzem schon einmal erlebt. Völlig außer Atem überreichte er ihr den Zettel.
"Diese Nachricht haben wir in der Brötchentüte gefunden", erklärte der Zauberer, der so schnelles Laufen nicht mehr gewohnt war.
"Vielen Dank", meinte sie. "Aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich habe die Nachricht schon gelesen, und sie nur in der Tüte vergessen. Jetzt muss ich aber los. Ich will Herrn Flöckli doch nicht warten lassen."
"Dabei wollen wir natürlich nicht stören", [9] sagte die Wächter, und machten sich erschöpft auf den Weg zurück zur Wache.

Wie zu jedem Frühlingsanfang war der Speisesaal der Unsichtbaren Universität prächtig geschmückt. Die Tische bogen sich unter dem Gewicht der leckersten Speisen und Getränke, die es auf der Scheibenwelt gab. Pyronekdan konnte es kaum erwarten zuzugreifen.
"Wie war dein Tag?",fragte ihn Henry Putter, der neben ihm saß, nachdem der Erzkanzler seine kurze Rede beendet hatte.
"Frag bloß nicht", antwortete Pyronekdan, und ließ es sich schmecken.

-ENDE-

[1] Da Pyronekdan keine Formel zum Verbannen von Dämonen kannte, war das die beste Alternative.

[2] Diese Reihenfolge hielt er für einen guten Kompromiss, um sowohl seine Aggressionen abzubauen, als auch seinen Besitz zu bewahren.

[3] Das entspricht natürlich ganz und gar nicht den Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Nachrichten, aber die hat Thymian natürlich nie gelesen.

[4] Wobei sie nur dem Geruch des Ankh folgen brauchten.

[5] Um davon abzulenken, dass er es selbst nicht konnte.


[6] Was genau die seinem Durst entsprechende Größe war

[7] Dieses Wort ist zwar erst im Juni dran, aber ich konnte nicht widerstehen.

[7a] Er hatte drei Dollar für den angerichteten Schaden bezahlen müssen, weil Schnapper meinte, daß er mit der Demonstration potentielle Kunden abgeschreckt habe.

[9] Deshalb erfuhren sie auch nicht, dass der Musiker, den Thymian als Informant angeworben hatte, für die beiden musizierte.




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