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Der Kommandeur plant schwerwiegende Veränderungen in der Wache. Unter anderem will er Leutnant Pismire und die halbe Abteilung S.U.S.I. aus Altergründen in den Ruhestand schicken. Ist da noch irgend etwas zu retten?
Dafür vergebene Note: 13
Pismire arbeitete sich systematisch durch die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. In der letzten Zeit hatte sein täglich Brot in der Regel aus Routinetätigkeiten bestanden - keine komplizierte Obduktionen und dafür um so mehr Papierkram. Offensichtlich schienen seine Aufgaben immer langweiliger zu werden und seine Arbeit immer mehr Verwaltungstätigkeiten zu umfassen. Er seufzte leicht, dann wandte er sich dem Schichtplan für die nächste Woche zu, als es an der Tür klopfte.
"Komm rein, Larius", meinte er, denn er hatte seinen Stellvertreter am Klopfen erkannt. Larius Angewohnheit, Türen so zu behandeln, dass danach häufig ein Tischler in der Wache gebraucht wurde, hatte - vor allem wegen der Abzüge bei seinem kargen Sold - ihn dazu gebracht, nunmehr übervorsichtig, fast zaghaft an Pismires Tür zu klopfen.
"Was gibt es Neues?"
Larius machte eine Geste, die nur bei sehr wohlwollender Betrachtung noch als lässiges Salutieren hätte durchgehen können.
"Nicht viel, Pis", entgegnete er.
Die Umgangsformen bei SUSI waren in der letzten Zeit ein wenig informell geworden.
Larius fuhr fort: "War 'ne ruhige Nacht. Lediglich Rince, äh, der Kommandeur, hatte jede Menge zu tun. Im "Fass der Weisen" hat es gestern einen erregten Disput unter ein paar Ephebianern gegeben. Angeblich wurde es handgreiflich. Eine Streife von SEALS hat versucht, das Ganze zu schlichten, weil der Wirt wohl um seine Möbel besorgt war. Auf jeden Fall gab es hinterher ein Riesengeschrei bei den Sensibelchen wegen 'überflüssiger Härte' durch die Wächter. Also hat Rince die Zeugen verhört, ob da was dran sei."
"Und?", fragte Pismire gespannt.
"Nö, war nix. Hätte ich mir bei Cim und Ombia auch nicht vorstellen können."
Pismire nickte. "Sonst nichts? Keine spektakulären Fälle?"
"Fehlanzeige", meinte Larius. "Weißt du was, Pis? Ich finde, es ist zu ruhig. Fast schon langweilig." Er zuckte bedauernd mit den Achseln.
"Nun, bevor du dich langweilst", meinte der Schamane grinsend, während er einen nicht unerheblichen Aktenstapel ergriff, "kannst du ja mit der Aktenablage weiter machen. Ich geh in die Kantine und hol mir einen Kräutertee. Soll ich dir was mitbringen?"
Larius verzog das Gesicht. "Danke, zu liebenswürdig, aber das hier", und er griff seufzend nach dem Stapel, "ist mehr als ein einfacher Korporal braucht."
Als Pismire gerade den Raum verlassen wollte, meldete sich das Rohrpostsystem der Wache und Aaps, der für diesen Bereich zuständige Dämon, schob sein hässliches Köpfchen aus dem Rohr.
"Da, für dich, Alter." Er ließ Pismire einen Zettel auf den Tisch flattern.
Der Leutnant nahm kommentarlos das Papier und überflog kurz den Text.
"Heute Nachmittag ist eine Versammlung für alle Wächter im Innenhof. Rince schreibt, dass auch diejenigen zu erscheinen haben, die Nachtschicht, Frei, Urlaub etc. haben."
Larius pfiff durch die Zähne. "Scheint ja was dringendes zu sein. Vielleicht ein ganz großer Fall", spekulierte er.
Pismire zuckte leicht mit den Schultern. "Kann schon sein. Kümmer dich bitte darum, dass auch alle, die zur Zeit in der Stadt sind, erscheinen. Auch die, die heute eigentlich frei haben."
"Fein, wird sofort erledigt", meinte Larius, legte den Stapel mit Akten grinsend zurück auf den Schreibtisch seines Vorgesetzten und machte sich gut gelaunt auf den Weg.
Am Nachmittag war wirklich fast die gesammte Wache versammelt und im Innenhof des Gebäudes am Pseudopolisplatz aufgestellt - vom jüngsten Rekruten bis zu den Leitern der einzelnen Abteilungen.
An einer der Innenwände war ein improvisiertes Rednerpult errichtet worden. Überall standen kleine Grüppchen und spekulierten aufgeregt darüber, was das alles zu bedeuten habe.
Pismire grüßte knapp und gesellte sich zu Rascaal, der mit Venezia auf seiner Schulter, Atera und Humpf MeckDwarf zusammen ziemlich weit hinten im Hof stand.
"... die längst überfällige Solderhöhung, sage ich euch", vollendete die Gnomin eben ihren Satz.
"Das kann ich mir nicht vorstellen", meinte Atera pessimistisch. "Wahrscheinlich kriegen wir noch irgendeine weitere Aufgabe auf's Auge gedrückt."
"Und du weißt auch nichts?", fragte Pismire Rascaal gespannt.
Der hoch gewachsenen Vampir schüttelte den Kopf. Da Veni auf seiner Schulter saß, fiel Achselzucken als Geste aus.
"Keine Ähnung, Pismire. Das Memo von heute morgen kam für mich genau so überraschend wie für euch auch."
Ein Stück von ihnen entfernt erspähte Pismire Larius, der es nicht nur geschafft hatte, sämtliche verfügbaren Mitglieder von SUSI aufzutreiben, sondern darüber hinaus auch bemüht war, die Abteilung in etwas ähnlichem wie einer geordneten Formation zu gruppieren und der ihm hektisch zuwinkte.
"Ich glaub, da will wer was von mir", brummte Pismire und schob sich durch die Menge.
Larius salutierte zackig vor seinem Vorgesetzten - ein Verhalten, das Pismire mit Verwunderung zur Kenntnis nahm.
"Melde: In Ankh-Morpork anwesende Mitglieder von SUSI vollzählig angetreten."
"Schon gut, Larius, ich hab's gesehen." Mit einem Nicken und einer freundlichen Geste begrüßte Pismire seine Mitarbeiter. "Gibt es irgendeinen Grund, warum wir hier en bloque stehen?", fragte er seinen Stellvertreter.
"Nun, Sör, der Kommandeur hält Ordnung für angemessen, Sör. Habe heute Mittag mit ihm gesprochen."
Pismire seufze innerlich, dann ließ er es dabei bewenden.
Hier und da in der Menge waren aufgeregte Laute zu hören, als der Kommandeur der Stadtwache das improvisierte Rednerpult betrat.
"Männer, Frauen, Wesen", schmetterte er in ungewohnt militärischem Tonfall. "Ich habe euch heute hier zusammen gerufen, um wichtige Veränderungen bekannt zu geben."
Stille herrschte im Innenhof und auch Pismire hörte aufmerksam zu.
"Die Wache ist an einem Wendepunkt angekommen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir weiter im alten Trott gehen ober ob wir gemeinsam in eine neue Zeit marschieren wollen. Vieles muss sich verändern. Wir sind zufrieden geworden, ruhen uns auf unseren Lorbeeren aus, routineartige Verhaltensweisen haben sich eingeschlichen. Viele von uns sind alt und bequem geworden. Sie suchen nicht mehr die Herausforderung."
Pismire fragte sich misstrauisch, was das bedeuten sollte. Gerade in dem Teil des Hofes, in dem die Rekruten standen, wurden erste Begeisterungslaute laut, bei Pismire hingegen schwand mit jedem weiteren Wort der sich anschließenden Rede die anfängliche Aufmerksamkeit. Bald hörte er nur noch: "blablabla" und viel von "Erneuerung", "neue Methoden", "Kosten-Leistungs-Rechnung", "veränderte Abteilungsstruktur", "strategische Bestandsaufnahme" und "angepasste, moderne Dienstleistungsangebote für die Bürger und Steuerzahler".
Bei vielen Wächtern jedoch merkte er, dass das, was auch immer der Kommandeur ihnen sagen wollte, in fruchtbaren Ohren landete.
Aufgeschreckt wurde er jedoch, als Rince gegen Ende der Rede einen "zeitnahen Besuch in den Abteilungen, um bestehende Defizite aufzudecken" ankündigte. Nach einigen abschließende Floskeln waren sie entlassen und durften wieder an die Arbeit gehen.
In seinem Büro angekommen, ließ Pismire sich nachdenklich und übellaunig auf seinen Stuhl sinken. Larius, mit immer noch vor Begeisterung glühenden Wangen, war ihm gefolgt.
"Kannst du mir sagen, was der Zirkus sollte?", knurrte der alte Schamane missgelaunt. "Das wahr ja wohl nichts als eitle Zeitverschwendung."
Larius riss die Augen auf. "Aber", stammelte er, "das war eine wichtige Rede, fand ich."
"So, fandest du", entgegnete sein Vorgesetzter sarkastisch. "Was war denn da so wichtig dran? Hast du ein Wort verstanden? Kannst du mir erklären, worum es ging."
Larius schüttelte den Kopf wie jemand, der aus einer Betäubung erwacht.
"Ich meine ja auch eher den Geist der Rede", verteidigte er sich.
"Soso, der Geist der Rede." Pismires Stimme enthielt ätzenden Spott. "Das war doch alles nur heiße Luft, schlecht verbundene Floskeln, allgemeines Blabla und irgend so ein bedeutungsloses Gefasel."
"Du bist doch nur sauer, weil der Kommandeur bei "altem Eisen" immer in deine Richtung geschaut hat", schnappte Larius zurück. "Und eins kann ich dir sagen: Morgen bei der Besichtigung von SUSI wirst du das so nicht zu Kommandeur Rince sagen."
"Ach, er kommt morgen?", fragte Pismire scheinbar teilnahmslos.
"Worauf du dich verlassen kannst", meinte Larius schnippisch. "Du wirst es ja erleben."
An nächsten Tag erwartete die Abteilung gespannt die Inspektion durch den Kommandeur. Pismires Laune hatte sich nicht gebessert, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Als sei er noch nie bei SUSI gewesen und kenne dort weder die Mitarbeiter noch ihre Aufgaben, ließ sich der Kommandeur die einzelnen Labore und ihre Funktionsweisen zeigen, fragte die Mitarbeiter nach Alter, Ausbildung, Dienstgrad, Funktion und ihren sonstigen Interessen, begutachtete die gelagerten Akten, inspizierte den Zustand der Spezialdämonen und bat dann abschließend Pismire zu einem "vertraulichen" Gespräch unter vier Augen in dessen Büro.
"Setzt dich ruhig", meinte er und ließ sich nachdenklich auf Pismires Stuhl nieder. Dieser nahm sich einen freien Stuhl und setzte sich seinem Vorgesetzten gegenüber.
"Ich denke, ich weiß jetzt, was das Problem deiner Abteilung ist, Leutnant", fuhr der Kommandeur fort.
Pismire beäugte ihn misstrauisch, da ihm bisher Probleme in der Abteilung nicht zu Ohren gekommen waren.
"Du bist alt, Pismire. Viele deiner Männer, äh, Frauen und Wesen sind alt."
Er zog die Notizen aus der Tasche, die er sich unterwegs gemacht hatte. "Schau mal: Du selbst bist ja nicht in der Lage, dein Alter genau anzugeben. Aber sieh dich an: Du hast - wenn man dich mit einem Menschen vergleicht - sechzig, vielleicht auch mehr Jahre auf dem Buckel. Und dann dieser Sillybos. Er sagt zwar, dass er 39 Jahre alt ist, aber das nun auch schon seit einer ganzen Reihe von Jahren. Keiner deiner aktiven Tatortsicherer ist unter 30. Und der letzte Spurensucher, den du eingestellt hast, geht auch auf die vierzig zu. Deine Laborantinnen haben ein Durchschnittsalter von 89 Jahren." Er seufzte und blätterte weiter durch seine Notizen.
Pismire nutzte die Gelegenheit um heftig zu widersprechen.
"Mit Verlaub, Sör, du redest Blödsinn. Gut, mag sein. Oberflächlich betrachtet bin ich ein alter Mann, aber ich kann dir versichern, dass ich noch eine ganze Weile Zeit habe, bis zu meiner letzten Verabredung mit dem Schnitter. Und das Durchschnittsalter meiner Laborantinnen - mit allem gebotenen Respekt - resultiert daraus, dass Isis eine 150 Jahre alte Mumie ist. Und wenn Sillybos seit zwölf Jahren seinen 39. Geburtstag feiert, dann ändert das weder an seinem Scharfsinn noch an seinen Leistungen auch nur das Geringste. Und für einen Troll, denn darum handelt es sich bei einem meiner Tatorsicherer, sind 224 Jahre überhaupt kein Alter. Und darüber hinaus ist das hier eine Abteilung, bei der es in hohem Maße auf Fähigkeiten ankommt, die man erst im Laufe der Zeit erwirbt. Und keiner meiner Leute hat jemals schlechte Arbeit geliefert." Pismire hatte sich immer mehr in Rage geredet.
In ungewohnt milden Ton entgegnete Rince: "Ich kann dich ja verstehen, Pismire. Und es ehrt dich, dass du dich so vor deine Leute stellst. Aber du must ganz einfach den Tatsachen ins Auge sehen. Ihr seit zu alt. Sozusagen reif. Ihr seid - lass mich ein einleuchtendes Bild verwenden - das Fallobst der Wache. Eure Zeit hier ist um und das beste wäre es, wenn ihr euch freiwillig in den Ruhestand begebt. Und jüngeren, effektiveren Leuten Platz macht."
Wütend starrte der Schamane den Kommandeur der Wache an: "Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe, Sör, bei allem schuldigen Respekt. Und wenn du mich jetzt entschuldigen willst, ich habe zu tun."
"Nun, wer hier was zu tun hat, das bestimme ja wohl immer noch ich."
Rince sagte das erstaunlich ruhig, was Pismire insgeheim verwunderte.
"Ich habe ja nicht gesagt, dass ihr alle sofort gehen sollt. Natürlich könnt ihr noch bis zum Ende der Woche bleiben. Und es wäre mir lieber, wenn ich hier niemanden entlassen muss, sondern wenn ihr einseht, dass ihr jüngeren Kräften Platz machen müsst. Wie gesagt: Vor Ende der Woche werde ich keine Entscheidung treffen. Ich appelliere an deine Vernunft. Und ab nächste Woche könnt ihr euch dann endlich euren anderen Interessen widmen. In den wohlverdienten Ruhestand gehen - so zu sagen. Ich denke mal, dass damit alles gesagt ist."
Er erhob sich und schritt zur Tür. Mit schlecht unterdrücktem Zorn salutierte Pismire. Damit war die Inspektion beendet.
Als der Kommandeur gegangen war, ließ er einige Mitglieder seiner Abteilung zu sich rufen: Sillybos und Hegelkant, ebenso Charlie Holm, Gnomen est Nomen, Isis und Lady Rattenklein.
In kurzen Worten fasste er das Vier-Augen-Gespräch mit dem Chef der Wache zusammen. Als er geendet hatte, sah er in fassungslose Gesichter.
Dann brach der Sturm los. Zuerst waren die Wächter entsetzt, dann empört und fassungslos. Wild durcheinander debattierten sie, ohne dass jedoch etwas Brauchbares dabei herausgekommen wäre.
Streiken wurde ebenso als Möglichkeit verworfen wie eine Petition an den Patrizier. Mehrfach musste Pismire den genauen Wortlaut des Gesprächs wiedergeben, aber auch das half ihnen nicht weiter.
Eine ganze Weile bereits hatte Charlie Holm sich nachdenklich zurück gelehnt und saugte schweigend an seiner Pfeife. Dann lehnte er sich vor.
"Woher wissen wir überhaupt, dass es der Kommandeur ist?", fragte er vernehmlich in die Runde.
Sechs Augenpaare sahen ihn an. "Was meinst du damit?", fragte Sillybos.
"Nun, das Verhalten, die Art zu reden, der Inhalt der Rede, all das, was er über unser Alter und unsere angeblich mangelhafte Effizienz bei SUSI gesagt hat, alles das scheint nicht zu Kommandeur Rince zu passen. Eine logische Erklärung wäre, dass jemand, der nicht redet, denkt und sich verhält wie der Kommandeur auch nicht der Kommandeur sein kann."
"Ein bisschen weit hergeholt, oder?", entgegnete Pismire skeptisch.
"Ich finde nicht", meinte Charlie. "Man sollte immer versuchen, die verschiedenen Aspekte eines Falles logisch zu analysieren und die Fakten zu einer Theorie zu verbinden. Daraus ergeben sich Hypothesen, die man verifizieren oder falsifizieren kann. Und das hier erscheint mir eine plausible Erklärung, die wir mit unseren Mitteln relativ einfach überprüfen können."
So ungewöhnlich die Idee auch schien, in ihrer derzeitigen Lage war es der Strohhalm, nach dem die Mitglieder von SUSI, wenn auch zögerlich, griffen.
Sillybos nickte: "Wir sind hier bei SUSI. Immerhin steht uns das Fingerabdrucksystem der Wache zur Verfügung und auch die technischen Möglichkeiten, Fingerabdrücke zu nehmen und zu vergleichen."
In Lady Rattenkleins Augen funkelte es: "Nun, ich weiß, dass der Kommandeur heute Nachmittag bei DOG ist, somit in seinem Büro eigentlich niemand sein kann. Ich schleich mich da rein und besorg einen Gegenstand, auf dem seine Fingerabdrücke sind", meinte sie eifrig. "Dann können wir feststellen, ob der Kommandeur überhaupt der Kommandeur ist und nicht jemand, der sich für ihn ausgibt."
"Und wie willst du ungesehen in sein Labor kommen?", fragte Sillybos skeptisch.
"Nicht jeder hier in der Abteilung hat Probleme mit dem Rohrpostsystem", meinte die Gnomin mit einem maliziösen Lächeln. "Und wenn man mit Aaps und Co. freundlich redet, dann - denke ich mal - sollte das auch funktionieren."
Pismire schaute zwar wenig begeistert, meinte aber dann: "Nun gut, wenn du meinst, dass das geht, dann probieren wir es."
"Wenn es nicht klappt, können wir ja weiter überlegen", entgegnete die Gnomin.
Einige Stunden später saßen sie wieder in Pismires Büro und warteten gespannt auf Lady Rattenklein, als sich der Deckel des Rohrsystems hob und die Gnomin mit einem Erfolg versprechendem Grinsen auf ihrem Gesicht wieder auftauchte. In einer Tüte hatte sie einen Gegenstand, den sie triumphierend auf Pismires Schreibtisch platzierte.
"Voilá", meinte sie. "Der originale "Schreibtischplattenpoliturlappen des Kommandeurs."
"Wie bitte sollen wir denn von einem Lappen Fingerabdrücke nehmen, verehrte Lady", meckerte Pismire. "Wir können doch bei Stoffen meist nichts feststellen."
"Genau. Wäre ein Gegenstand, den der Kommandeur täglich benutzt, nicht sinnvoller?", ergänzte Sillybos und runzelte die Stirn.
"Wie wäre es erst einmal mit: "Herzlichen Dank, Lady Rattenklein, dass du den Auftrag durchgeführt hast?" Und mit ein wenig Nachdenken, bevor ihr alle auf mir rumhackt", schnappte die Gnomin zurück.
Sie fuhr ruhig fort: "Schaut mal mal hin: Das Ding ist in schönes, glattes Seidenpapier eingeschlagen. Jeder bekommt so ein Ding, wenn er sein Büro bezieht. Und zwar originalverpackt. Und dann verstaut man es in der untersten Schreibtischschublade und rührt es nie wieder an."
"Im Ernst?", meinte Pismire und öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches. "Ah ja, ich erinnere mich dunkel." Er zog ein identisches Exemplar heraus.
Lady Rattenkeins Grinsen wurde breiter.
"Und, Sör, hast du ihn jemals verwendet?"
Pismire verdrehte die Augen. "Nein, hab ich noch nie. Wozu auch!"
"Eben", entgegnete die Gnomin zufrieden. "Du nicht, ich nicht, der Kommandeur nicht. Niemand. Und Rince kann ja nicht schon vor Jahren sein eigener Doppelgänger gewesen sein. Wenn es diesen Doppelgänger wirklich gibt, dann hat er zwar mit Sicherheit überall im Büro seine Fingerspuren hinterlassen, aber nicht auf der Verpackung des Lappens."
Sillybos pfiff anerkennend durch die Zähne. "Genial."
Die Gnomin strahlte. "Und zum Vergleich können wir die Fingerabdrücke nehmen, die hier auf diesem Blatt sind - das hab ich ganz von oben vom Schreibtisch mitgehen lassen. Die nehmen wir zuerst, damit ich es wieder zurück bringen kann. Der Lappen hat Zeit."
Eine gute Stunde später waren die Fingerabdrücke des Blattes und die der Schreibtischplattenpoliturlappenverpackung genommen, ikonographiert, vergrößert und dann erneut ikonographiert worden. Damit lagen zwei Graphiken vor, die die Wächter vergleichen konnten.
"Hmm", brummte Pismire enttäuscht. "Ich glaube, von der Vermutung können wir uns hiermit verabschieden. Die Fingerabdrücke stimmen haargenau überein."
"Nun", meinte Charlie gelassen, "dann können wir wenigstens eine Hypothese guten Gewissens ausschließen."
Der Leiter der Abteilung seufzte. "Schade, das wäre so schön einfach gewesen. Nun, immerhin haben wir bis zum Ende der Woche Zeit - also noch genau drei Tage. Wenn wir bis dahin das Problem nicht gelöst haben, dann mag man mich meinetwegen mit einem "Gestell-mit-zwei-Reifen-dran-zum-durch-die-Gegend-rollen" aus der Wache schieben. Dann bin ich nämlich wirklich zu alt."
"Mit einem was bitte?", fragte Isis.
"Das ist eine Erfindung von Leonardo da Quirm", erläuterte Pismire. "Eine Art fahrbarer Stuhl mit zwei großen Reifen hinten und zwei kleinen Rollen vorne, mit denen man sich relativ leicht aus eigener Kraft durch die Gegend bewegen kann, wenn man Beine hat, die nicht mehr in der Lage sind, einen zu tragen. Gonzo, der ja mit Leonardo befreundet ist, hat zwar versucht, ihm das Wort "Rollstuhl" dafür vorzuschlagen, aber Leonardo meinte, das sei eine viel zu unpräzise Bezeichnung. Ursprünglich wollte er es "Stuhlartiges-Gestell-mit-vorne-zwei-Rollen -und-hinten-zwei-großen-Reifen-dran-zum-eigenhändig-durch-die-Gegend-rollen" nennen, aber Gonzo konnte ihn dazu bringen, den Namen ein wenig zu kürzen."
"Nun, dahin sollten wir es auf keinen Fall kommen lassen", meinte Charlie Holm trocken.
Damit war die Besprechung beendet.
Am nächsten Morgen begann der Leutnant pünktlich seinen Dienst. Immer noch war ihm keine Lösung für sein Problem und das von SUSI eingefallen.
Den Vormittag über beschäftigte er sich mit Routinetätigkeiten, die ihn nicht am Nachdenken hindern. Die ganze Abteilung machte einen stillen, geschäftigen und bedrückten Eindruck. Hin und wieder begegnete Pismire Wächtern auf den Fluren, die ihn entweder mitleidig oder aufmunternd anblickten, während andere seinen Gruß und seinen Blick mieden - offensichtlich waren erste Gerüchte schon im Umlauf.
Am Nachmittag machte er sich daran, seinen Schreibtisch zu ordnen. Aus Erfahrung wusste er, dass ihm dabei manchmal gute Ideen kamen.
Er hatte bereits über eine Viertelstunde damit verbracht, als ihm über die Rohrpost ein Memo des Kommandeurs auf den Tisch flatterte. Er hoffte, dass sich damit vielleicht alles aufklären werde und las es eifrig.
Als er den Text gelesen hatte, begann er verwirrt noch einmal von vorne. Aber wie häufig er den Text auch durchging, wie er den Inhalt auch drehte und wendete, die Worte schienen keinen Sinn zu ergeben.
Er schreckte ein wenig hoch, als Larius sein Büro betrat.
"Haben wir eine neue Art von Dämon in der Wache oder einen Apparat oder so was?", fragte er seinen Stellvertreter.
Larius schaute ihn unsicher an. "Wieso?", fragte er erstaunt.
"Weiß nicht", meinte sein Vorgesetzter kurz und reichte ihm das neueste Memo des Kommandeurs. "Schau dir das mal an. Vielleicht haben wir so eine Art "Memo-Vervollständigungs-Dämon", dem du nur noch ein paar Stichwörter gibst und der macht das Memo dann eigenhändig fertig - und dieser hier", er wies auf den Zettel, den Larius gerade versuchte zu lesen und zu verstehen, "muss noch ein wenig üben."
Während sein Stellvertreter bemüht war, den Sinn hinter den Worten zu finden, spekulierte Pismire weiter.
"Das wäre eigentlich gar nicht so unpraktisch. Und es spart eine Menge Zeit. Ich gebe dem kleinen Kerlchen nur noch die Stichworte "Lupos", "reinigen" und "Labore" und - schwuppdiwupp - erhält Lupos das Memo, dass er alle Labore reinigen muss. Oder: "Lady Rattenklein", "Büro", "kommen" und - voilá - zwei Minuten später weiß sie, dass ich sie sehen will und macht sich auf den Weg. Die meisten Memos, die wir hier jeden Tag verschicken, sind Routinesachen: Leute sollen bestimmte Aufgaben übernehmen, irgendwohin kommen und so weiter. Das könnte man einfacher haben, ohne dass ich jedesmal das selbe schreiben muss. Oder denk mal an die Gespräche unter Eheleuten: Auch da fallen Tag für Tag die selben Sätze - auch das könnten eigentlich Dämonen übernehmen. Die haben nämlich keinerlei Phantasie, und die braucht man für derartige Äußerungen ja auch nicht."
Er brach ab, als Larius eine ungeduldige Bewegung mit der Hand machte.
"Ist ja schon gut, Pismire. Ich kann entweder versuchen, hinter den Sinn dieses wirren Textes zu kommen oder deinen - äh - Ausführungen lauschen."
Erneut glitt sein Blick über den Text. Dann meinte er: "Also, ich versteh hier nur noch Überlandkutschenhalteplatz."
In diesem Moment betraten Sillybos und Hegelkant, der den Gefreiten Gnomen est Nomen auf seiner Schulter trug, den Raum.
"Überlandkutschenhalteplatz?", fragte der Lance-Korporal. "Ist da was passiert?"
"Da nicht", knurrte Pismire. "Aber im Oberstübchen des Kommandeurs scheint einiges in bedenklichen Schieflage geraten zu sein. Schaut euch das mal an."
Hegelkant nahm den Text und hielt ihn so, dass sowohl sein Herr als auch Gnomen ihn lesen konnten. Die beiden Ephebianer schauten kurz auf den Zettel.
"Ach du große Schildkröte", entfuhr es Gnomen. "Weißt du, was das ist?", fragte er Sillybos. Dieser nickte betrübt. Pismire und Larius schauten die beiden fragend an.
"Tja, Sör", meinte Sillybos erklärend, "das ist ein klarer Fall von Pronomenitis." Gnomen nickte und Hegelkant schloss mit einem bedauernden Seufzen die Augen.
Pismire runzelte die Stirn. "Was, bitte, ist das?", fragte er in barschem Ton.
"Schau dir den Text doch einmal an", meinte Sillybos und las ihn laut vor:
Das Zeit ist gekommen.
Der neue Wache erhebt mir.
Die alte muss nun verschwinden.
Eine Fallobst der vom Stamm das Wache lösen.
Geht mit eine in sich neue Zeit.
Gezeichnet: sich Kommandeur."
Er schaute Pismire an. "Das ergibt nur einen Sinn, wenn man die Pronomen in die richtige Reihenfolge bringt", fügte er hinzu.
"Pronomen?", fragte Larius. "Was sind das denn?"
"Das ist eine Wortart", erläuterte Sillybos.
Pismire, der sich hier auf unsicherem Terrain bewegte, grub verzweifelt in seinem Gedächtnis.
"Äh, Pronomen", meinte er zögerlich, "das sind die Dinger, die du für Dings, äh, Nomen einsetzen kannst, nicht wahr?"
"Nomen?", fragte Larius ungläubig, "was hat denn Oma Morkie mit der Sache zu tun. Und warum sollte man was für sie einsetzen? Sie macht doch gerade einen längeren Urlaub, oder hab ich da was überlesen in letzter Zeit?"
Sillybos ging nicht weiter auf Larius Bemerkung ein. "Wenn du die Wörter "das", "der", "mir", "die", "eine", "der", "das", "eine" und "sich" in die richtige Reihenfolge bringst, dann ergibt das den folgenden Text:
"Die Zeit ist gekommen. Eine neue Wache erhebt sich. Das alte muss nun verschwinden. Das Fallobst sich vom Stamm der Wache lösen. Geht mit mir in eine neue Zeit. Gezeichnet: der Kommandeur."
Damit ist der Text zwar nicht viel sinnvoller als vorher, aber wir haben nun einen ersten Anhaltspunkt: Der Kommandeur hat einen schweren Anfall von Pronomenitis."
"Pronomenitis?", fragte Pismire skeptisch. "Wollt ihr beide einen alten Mann vera... äh, veralbern und mir erzählen, es gäbe eine "Ersatz-für-das-Hauptwort-Entzündung" - wenn ich mein Alt-ankhianisch noch richtig im Kopf habe? Und wenn, dann handelt es sich ja wohl eher um Metaphoritis."
Er äffte Rince Stimme nach: "Das Fallobst sich vom Stamm der Wache lösen. Meine Güte. Das Fallobst hat sich bereits vom Stamm der Wache gelöst. Ansonsten wäre es zukünftiges Fallobst." Er brach ab.
"Naja", meinte Larius trocken. "Wie es heißt, ist ja letztendlich auch Wurscht. Was ist das für eine Krankheit?"
"Das ist eine seltene Krankheit, die manchmal unter ephebianischen Philososphen auftritt", hub Gnomen est Nomen zu einer Erklärung an. "Ausgesprochn rar und nur unter denen verbreitet, die sich zu intensiv mit postomnianischer syntaktischer Sprachdekonstruktion befasst haben." - "Die sich vor allem in den Schriften von Henri Laber-Stuss und dem Autorendou Deridada und La-Cancan finden läßt", warf Sillybos ein.
"Ja, aber im Frühwerk von Heidgräber und beim späten Niesche finden sich bereits die Vorformen und vergiss nicht die Werke von Ly Gen und deTektor", bemerkte Gnomen.
Während des nun folgenden und vor allem langen Disputs zwischen den beiden über die verzweigten Formen ephebianischer Philosophie begann Pismire zu ermüden.
Da jedoch jeglicher Versuch von ihm oder Larius, die von Hegelkant weidliche Unterstützten wieder auf das ursprüngliche Thema zu bringen, zum Scheitern verurteilt war, ließ er seine Gedanken schweifen und entschied sich nach einer guten Stunde, die Ohren auf Durchzug zu stellen.
Worte wie "Gnominalismus", "präomnianische Dualepistemiologie", "metaphysische Transintegration" oder "präcognitale Intefisimalspekulation" rauschten wie ein sommerlicher Dauerregen an seinen Ohren vorbei.
"Meine Güte", dachte er, "vielleicht hat Rince recht und ich bin wirklich zu alt für meinen Posten", während er versuchte, die beiden Ephebianer, die nicht mehr zu bremsen waren, zu überhören.
Auch Larius Lider wurden schwer und sein Kopf sank nach unten.
Erst als sein Stellvertreter mit lautem Poltern vom Stuhl fiel und Sillybos, Gnomen und Hegelkant, der immer mehr sein Schärflein zu diesem Gespräch beigetragen hatte, auf diesem Wege merkten, dass ihre Zuhörer ihnen längst entglitten waren, raffte sich Pismire auf, dieses Gespräch energisch zu beenden.
"Äh, schön und gut und danke für den Vortrag", meinte er grimmig und fuhr fort: "Ich bin hier nur der einfache Pathologe. Kommen wir noch mal auf das wesentliche zu sprechen. Rince ist kein Philosoph und kommt auch nicht aus Ephebe. Zumindest das kann man ihm nicht vorwerfen. In einfachen, klaren Worten: Wie holt man sich Pronomenitis? Was sind die Symptome? Wie wirkt sich die Krankheit aus? Und - das ist der entscheidende Punkt: Wie kriegt man es wieder weg?"
Ein wenig verlegen zuckte Gnomen mit den Schultern: "Nun, normalerweise befällt die Krankheit ja keine Nicht-Philosophen. Von daher ist es schwierig vorherzusagen, wie sich die Krankheit auf den Kommandeur auswirken kann."
"Bei Philosophen verläuft die Krankheit in drei Stadien", ergänzte Sillybos. "Im ersten Stadium ist der Befallene von Veränderungssucht geprägt. Auch zeigen sich bereits die ersten Anzeichen von Megalomanie - also Größenwahn. Der Patient will vor allem etwas verändern - sein Lehrgebäude, jemandes anderen Lehrgebäude, sein Leben, das Leben, seine Welt, die Welt - was auch immer. Dabei schreckt er auch nicht vor grundsätzlichen Einschnitten in alle seine bisherigen Theorien zurück. Zusätzlich ist der Befallene kaum noch in der Lage, einen verständlichen Text zu verfassen. Das kann man beispielsweise bei Ho Logos oder im Spätwerk von Jubilar Kichererbse verfolgen." - "Nun, ich hätte eher B. Kloppt und Verlustohr Leid als Beispiel genommen", mäkelte Gnomen fröhlich.
Aber diesmal Pismire schnitt die aufkeimende Diskussion mit einer energischen Geste ab.
"Oder eben das Memo unseres Kommandeurs", riss Gnomen sich am Riemen. "Aber rhetorisch ist der Kranke - wie man so sagt - voll auf der Höhe. Genau das führt ihm viele Anhänger zu. Gerade der junge und leicht zu beeindruckende Mensch kann den echten Philosophen oft nicht vom Pronomenitiker unterscheiden."
Hegelkant - ob aus eigener Erfahrung oder nur vom Hörensagen geschult - nickte ernst und traurig.
Sillybos fuhr fort: "Im weiteren Verlauf der Erkrankung nimmt die sprachliche Fähigkeit erschreckend ab - die Äußerungen werden dunkler und kryptischer, aber die rhetorischen Fähigkeiten des ersten Stadiums führen häufig dazu, dass sich die treuen Anhänger auch dann weiter um ihn scharen, wenn der Größenwahn außergewöhnliche Maßstäbe bekommt. Der Befallen ist in diesem Stadium häufig so weit, dass er alles ändern will - beispielsweise das Multiversum. Und vor allem häufen sich Anfälle von "Praktikanismus". Der Kranke äußert immer häufiger den Wunsch, etwas praktisches oder echtes, wahres, richtiges zu machen. In diesem Stadium wenden sich einige endgültig von der Philosophie ab und versuchen einen Neuanfang, zum Beispiel als "Unternehmungsberater". Sie suchen die mittwärtigen Helden in ihren Tavernen auf und versuchen, sie bei ihren Unternehmungen zu beraten. Oder sie flüchten in ein Handwerk - Rohrlegerei, Tischlerei, Stickerei, jedes Metier scheint ihnen recht zu sein."
Gnomen schauderte ersichtlich und auch Sillybos seufzte voller Mitleid.
"In diesem Stadium kommen viele um. Sei es, dass sie von den Helden bereits in der Kneipe getötet werden, damit diese wieder in Ruhe zechen, raufen, spielen und 'rum-Nährerinnen' können, sei es, dass sie bei den absurden und schlecht geplanten Unternehmungen selbst ihr Leben lassen. Die anderen haben entweder schreckliche Arbeitsunfälle im Handwerk, die sie dauerhaft verstümmeln, oder sie erleiden 'Arbeitsunfälle der etwas anderen Art'. Häufig scheint ein Kollege dahinter zu stecken, der die ausufernden Tiraden über "Die Verbesserung der Rohrlegerei" nicht mehr ertragen wollte", ergänzte Gnomen traurig.
"Und wie sieht dann das dritte Stadium aus?", fragte Larius neugierig.
"Nun, man sagt - aber bitte, versteht mich nicht falsch", schaltete sich Sillybos wieder ein, "das ist natürlich nur ein Gerücht, weil die wenigsten das zweite Stadium überlegen - man sagt also, dass am Ende sich der Zwölffingerdarm zu einer Hand formt und durch den Hals versucht, das Gehirn zu erwürgen. Aber das gehört wohl in den Bereich der vielen Ammenmärchen über diese schreckliche Krankheit."
"Nun, das würde ich auch hier mal vermuten", bemerkte Pismire trocken. "Dafür dass es so eine seltene Krankheit ist, wisst ihr bemerkenswert viel darüber. Wie häufig tritt sie nun eigentlich auf? Ich kann mich da an einige genannte Namen erinnern."
"Man sagt", erwiderte Gnomen kühl, "dass jeder zehnte ephebianische Philosoph davon befallen wird. Allerdings gibt es manchmal auch spontane Heilungen."
"Grundgütiger", meinte Larius, "jeder Zehnte?", und rechnete er kurz nach: "Der Kommandeur hat gestern mit mindestens 15 Augenzeugen aus dieser Taverne, in der es zu dem Handgemenge zwischen den Ephebianern kam, verhört. Da könnte er sich angesteckt haben."
Pismire nickte. Dann sah er Gnomen und Sillybos an. "Was gibt es für Heilmittel?", fragte er die beiden.
Sillybos schüttelte bedauernd den Kopf und Gnomen schaute betreten auf den Schreibtisch: "Darüber ist leider nichts bekannt. Die Krankheit ist so gut wie nicht erforscht."
Pismire verzog das Gesicht, hütete sich aber, seine Gedanken auszusprechen.
"Nun, Herr, verzeiht, wenn ich mich einmische", sagte Hegelkant, "aber man sagt, dass eine Behandlung mit den vier Elementen helfen kann. Der Kranke muss sozusagen wieder auf den Boden der Scheibenwelt gebracht werden."
"Hegelkant, dass sind genau die Ammenmärchen, die ich vorhin meinte. Nur weil diese Art der Behandlung hin und wieder Erfolg gehabt haben mag – oder meinetwegen auch: In der Regel, sind sowohl die Herangehensweise und als auch die ihr zu Grunde liegende Theorie dennoch völlig unphilosophisch." Sillybos schaute seinen Sklaven ärgerlich an.
"Nun, manchmal enthalten diese sogenannten 'Ammenmärchen' - zumindest was die Heilkunst angeht - ein Körnchen Wahrheit", meinte Pismire gelassen. "Ich würde gerne mehr darüber hören."
Hegelkant sah von seinem Herrn zu dessen Vorgesetzten und wieder zurück. Dann begann er zu berichten: "Das einzige - so sagen die Nicht-Philosophen, Herr Leutnant - was helfen kann, ist eine so genannte Kneipp-Kur, auch kneippen genannt."
"Oh, das kenn ich", meinte Larius gut gelaunt. "Nach einem ordentlichen Besäufnis sieht die Welt am nächsten Morgen oft ganz anders aus."
"Dann wäre der Kommandeur schon so gut wie geheilt", meinte Pismire mit einem schlecht zu deutenden Grinsen.
"Äh, nun, es handelt sich hier nicht um Kneipe im Sinne von "Eimer", das Kneip-pen", und Hegelkant bemühte sich nun, beide "P" in dem Wort deutlich getrennt auszusprechen, "ist eine Kur, die Sebalthus Nothnagel, genannt der Kneipper, entwickelt hat. Der Kranke verbringt zuerst eine vorgeschriebenen Anzahl von Stunden in einen Baum gebunden zu, diese Phase heißt "Nackt im Wind". Dann wird er gründlich gewaschen, wozu man ihn in ein fließendes Gewässer legt. Das nennt man "Nass im Wasser". Die dritte Zeitspanne über vergräbt man ihn bis zum Hals in der Erde - "Im Schoß der Mutter" genannt - und dabei bekommt er eine bestimmte Kräutermischung zu rauchen. Genannt "Freudenfeuer". Danach ist er geheilt. Oder auch nicht."
Pismire wirkte nach diesem Vortrag nicht weniger skeptisch als vorher. "Eigentlich wäre es praktischer, ihn erst zu verbuddeln und dann zu waschen und anschließend im Baum zu trocknen. Und beim Kommandeur kann es nicht häufig genug "Freudenfeuer" geben. Und das soll helfen?"
Gnomen est Nomen, Sillybos und Hegelkant vermieden seinen Blick.
"Ah ja, dann schon mal vielen Dank für die Hinweise", bemerkte Larius sarkastisch.
"Das fließende Gewässer in Ankh-Morpork können wir gleich knicken. Ich bin absolut dagegen, einen kranken Mann im Ankh zu vergraben. Und meinen Kommandeur möchte ich auch nicht nackt in einem Park anbinden - nicht nur das Ansehen der Wache könnte darunter leiden. Wie wäre es mit einem Spaziergang und diesem Rauchzeugs?"
Hegelkant schüttelte bedauernd den Kopf. "Wenn schon, dann müssen alle Schritte der Kur gemacht werden."
"Nun, dann gibt es nur noch eine Möglichkeit", meinte Pismire mit grimmigem Frohsinn. "Wir entführen den Kommandeur und probieren die Kur. Oder sieht hier irgend jemand eine andere Lösung?"
"Vielleicht sollten wir besser noch einmal in Ruhe darüber nachdenken, Sör", warf Sillybos ein.
"Gute Idee", sagte Pismire und riskierte einen Blick auf den Zeiterfassungsdämon an der Wand. "In ein paar Stunden ist Feierabend. Um acht Uhr erwarte ich euch bei mir zu Hause. Ich will eine derartige Besprechung nicht unter den anderen Wächtern im "Eimer" führen. Und damit das klar ist - alles, was wie hier heute besprochen haben, ist mehr als nur streng vertraulich."
Die Männer nickten. Mit einer Handbewegung hieß er sie gehen. Als Hegelkant sein Büro verlassen wollte, hielt er ihn auf.
"Nein, Hegelkant, du bleibst hier. Ich hab da noch einige Fragen."
Um acht Uhr waren ein größerer Teil der Mitglieder seiner Abteilung bei ihm zu Hause versammelt. Pismire hatte zusätzlich zu Larius, Sillybos, Hegelkant und Gnomen est Nomen auch noch Isis, Lady Rattenklein und Charlie Holm zu sich gebeten. Er hatte einen kleinen Imbiss für seine Mitarbeiter vorbereitet sowie reichlich Wein und Knieweich besorgt.
Den dreien, die am Nachmittag nicht dabei gewesen waren, berichtete er erst von dem Memo und dann von der Vermutung, die Sillybos, Hegelkant und Gnomen est Nomen geäußert hatten.
Drei Augenpaare sahen die vier anderen Wächter skeptisch an.
"Von der Krankheit hab ich noch nie gehört", meinte Isis ablehnend. "Und ich kann sie mir - ehrlich gesagt - auch nur schlecht vorstellen. Wie sicher seid ihr euch dabei eigentlich?"
Pismire schaute in sein Weinglas: "Ich war anfangs auch skeptisch - aber ich würde den Versuch wagen. Allerdings - das Risiko ist hoch. Wir werden keine Möglichkeit haben, den Kommandeur freiwillig dahin zu bewegen, dass er diese Kur auszuprobiert. Und wenn wir uns dazu entschließen sollten, dieses Mittel an ihm auszuprobieren, haben wir keine Garantie, dass es wirkt. Und wenn wir dabei erwischt werden, dann haben wir uns der Entführung des ranghöchsten Mitglieds der Wache schuldig gemacht und könnten als Begründung lediglich eine nicht gestützte und überaus fragwürdige Diagnose und ein ebenso windiges wie ominöses Heilmittel vorweisen. Mit anderen Worten: Wer bei diesem Unternehmen mitmacht, ist schon so gut wie gefeuert. Nein", schloss er mit einem Seufzen, "ich glaube nicht, dass ich das von einem von euch verlangen kann."
"Immerhin ist das eine Sache, die uns allen angeht", entgegnete Sillybos. "Gnomen und ich sind uns bei der Diagnose sicher. Wir kennen diese Krankheit und das, was der Kommandeur bisher gemacht hat, ist nur ein Vorspiel zu dem, was noch kommt. Wenn ein ephebianischer Philosoph davon betroffen ist, dann ist das schon schlimm genug. Nicht auszudenken, was der Kommandeur der Wache in diesem Zustand anrichten kann."
"Aber - ich gebe Isis recht: Wie sicher könnt ihr euch bei der Diagnose sein. Leutnant Pismire ist immerhin Pathologe und hatte vorher noch nie was davon gehört - ihr aber seid, mit Verlaub, nicht einmal in dem Metier tätig", meinte Charlie Holm und sog an seiner Pfeife.
"Philosophie ist immerhin die Mutter aller Wissenschaften", meinte Gnomen est Nomen ärgerlich. "Von daher ist der Philosoph zugleich in allen anderen Disziplinen bewandert - also auch in diesem Metier."
Charlie schaute weiterhin misstrauisch. Auch Isis wirkte wenig überzeugt.
"Naja, wir können es ja trotzdem mal probieren", versuchte Larius, des aufkeimenden Streit zu beenden.
"Na klar. Probieren wir es. Was kann uns schon passieren - außer einem riesigen Problem mit IA, der unehrenhaften Entlassung aus der Wache und der kompletten Blamage ist ja nichts weiter zu befürchten," bemerkte Charlie Holm scheinbar gleichmütig.
"Ich seh dennoch zur Zeit keine andere Lösung", ließ sich nun Lady Rattenklein vernehmen. "Wenn wir nichts machen, dann sitzt die Hälfte von uns Anfang nächster Woche auch auf der Straße."
"Ja, aber es ist schon ein Unterschied, ob man entlassen oder im hohen Bogen gefeuert wird - und das auch noch aus objektiv guten Gründen." Pismire schenkte sich erneut noch Wein nach.
Die Wächter schwiegen und tranken nachdenklich.
Nach einer Weile sah Pismire seine Untergebenen an. "Ich kann auf der einen Seite zur Zeit keine andere Möglichkeit erkennen. Andererseits kann ich niemanden von euch dazu verleiten, bei einer derartigen Sache mitzumachen. Um eines jedoch möchte ich alle Anwesenden bitten: Dieses Treffen hat es nie gegeben, dieses Gespräch wurde nie geführt. Darum allein möchte ich bitten. Von daher würde ich vorschlagen, dass wir das hier beenden." Er sah in die Runde.
Auch seine Mitarbeiter schauten ihn ernst an, doch niemand erhob sich.
"Also, auf mich kannst du dich verlassen, Pismire", meinte Larius kurz, während er sich nachschenkte.
Sillybos sah seinen Vorgesetzten direkt an. "Ich stehe zu meiner Diagnose und in einer Wache, in der Erfahrungen nicht gewürdigt werden, möchten Hegelkant und ich auch nicht Mitglied sein. Von daher kannst du auf mich zählen. Auch wenn ich - und das möchte ich betonen - von der vorgeschlagenen Therapie nichts halte."
Gnomen nickte. "Sillybos hat recht. Niemand von euch kann euch vorstellen, wohin diese Krankheit führen kann. Morgen könnte es weibliche Wächter treffen, übermorgen irgend jemand anderes. Außerdem ist nicht bekannt, wie Pronomenitits übertragen wird. Weitere Wächter könnten sich anstecken. Und dann wäre bald niemand mehr sicher."
"Übertreibst du jetzt nicht ein wenig?", fragte Charlie Holm skeptisch.
Sillybos, Hegelkant und Gnomen schüttelten synchron die Köpfe.
"Also gut - probieren wir es aus. Wenn ihr recht habt, dann haben wir sowieso nichts zu verlieren."
"Genau", meinte Lady Rattenklein. Sie blickte zu Isis, die unauffällig nickte und ruhig meinte: "Aber ihr werdet jede Hilfe brauchen. Und vor allen ist das mal was anderes, als diese langweilige Arbeit im Labor - ich war immerhin noch nie an einer Entführung beteiligt." Die beiden Laborantinnen sahen in die Runde.
"Also gut - ich akzeptiere eure Entscheidung", meinte Pismire. "Jetzt sollten wir und überlegen, wie wir die Sache am besten angehen."
Ihnen allen war klar, dass sie diese Angelegenheit nur außerhalb der Stadt veranstalten sollten und möglichst dort, wo es keine Zeugen geben konnte. Wo, das mussten sie noch herausfinden. Auch hatte zu Anfang niemand einen richtig überzeugenden Plan, auf welche Art und Weise sie den Kommandeur entführen sollten.
"Das ist eine verdammt harte Nuss, die wir da knacken müssen", meinte Pismire und gab ein weiteres Mal den Wein herum. Die anderen Wächter nickten. Dann setzten sie ihre Planungen fort. Langsam zeichnete sich ein erster Plan ab.
Sie debattierten ihn hin und her und leerten dabei eine nicht unerhebliche Anzahl an Flaschen Wein. Ihre Aussprache wurde breiter, weicher und am Ende des Abends lallender - mit anderen Worten: sie befanden sich an der Grenze zum Vollrausch. Allerdings wäre es einem unbeteiligten Zuschauer schwer gefallen, zu sagen, auf welcher Seite sie sich dabei befanden. Dafür wurde der Plan, wie sie den Kommandeur entführen konnten, immer präziser.
Nun ja, zumindest hielten sie es für eine immer bessere Idee und den Plan für immer ausgefeilter.
"Alscho- hick - guuut", lallte Pismire. "Wir ham die schwere Nuss geknackt."
"Geeenau, duachgebissn ham wir uns, fleisig wieh - hick - die kleinen Eichdingsbumser. Hick", bemerkte Larius, und griff zielstrebig nach den beiden Weinflaschen, die er vor sich auf dem Tisch erahnte.
Lady Rattenklein kicherte albern, dann versuchte sie zu sprechen. "Duhu mainß Aaaich-hick-hörnchen. Eichhörnchen, meinte ich, 'schullige."
Charlie Holm, der seit einiger Zeit das Reden eingestellt hatte, nickte mit schweren Lidern.
Auch Gnomen, der im Verlauf der Nacht hin und wieder versuchte hatte, Lady Rattenklein schöne - wenn auch verschwommene - Augen zu machen, nickte.
"Lllass unss ain Eid schwörn", meinte Isis, "dassis 'ne guude Sache, son Eid. Sollde man imma dabeiham."
"Den "Wir-entführn-den-Kommandeur-und-kommen-damit-durch-Eid" könn'n wir schwörn", kommentierte Sillybos mit schwerer Zunge.
"Du bischon wie Leodingsbums", entgegnete Lady Rattenklein. "Du bissu vielosowisch - hick- oda wie das heißt."
"Was kurzes", meinte Pismire und schaute glasig in die Runde. "Wir brauchen was kurzes."
Nun erhob sich Charlie Holm mit einem leichten Schwanken. Dann hob er den Arm zum Schwur und sprach: "Dann schwören wir den", er überlegte kurz, "den Eichhörncheneid. Alle Mann, äh, Frau zum Eichhörncheneid. Was imma dassein mag." Er unterdrückte das Aufstoßen. "Und wir sollten früh ßu Werk gehn. Ich hau mich hin. Pismire? Hassu Deggn - hick - Dek-ken da? Wir schlafn alle bei dir."
So weit es noch ging, erhoben sich alle.
"Eichhörncheneid", gellte aus ihren Kehlen durch die Nacht.
Kurze Zeit später war alles ruhig.
Das Aufstehen am nächsten Morgen war zwar mühselig, aber der in der letzten Nacht gefasste Beschluss brachte die Mitglieder von SUSI recht zügig auf die Beine. Allerdings war Pismires Haushalt nicht auf eine Masseninvasion vorbereitet gewesen. Das Frühstück holten sie sich unterwegs, dann begannen sie - aus Gründen der Tarnung - in kurzen Abständen ihren Dienst in der Wache.
Um zehn Uhr ließ Pismire den Komandeur zu sich bitten, denn er habe eine dringende Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Kurze Zeit später war Rince in seinem Büro.
"Ich wollte mich für meine vorgestrigen Worte entschuldigen", meinte der alte Schamane, nachdem er den Kommandeur begrüßt und dieser Platz genommen hatte. "Ich habe gestern Zeit gehabt, um gründlich über deine Worte nachgedacht."
Erwartungsvoll und mit einem aufmunternden Lächeln sah Rince ihn an.
"Ich denke, dass du Recht hast. Ich bin zu alt. Und ich sollte meinen Platz räumen und Platz für einen jüngeren und besseren machen", fuhr Pismire fort.
Obwohl er wusste, dass er nicht mit dem Kommandeur, den er kannte und respektierte, sondern mit einem kranken Mann sprach, fiel es ihm schwer, seinen Vorgesetzten in dieser Form zu belügen. Aber er riss sich zusammen.
Er griff zu einer Kanne, deutete leicht auf eine vor ihm stehende Tasse, stellte dann umständlich vor Rince eine Tasse hin und meinte: "Tee, Kommandeur?"
Artig akzeptierte Rince das Getränk. "Äh, danke."
"Du hattest vollkommen recht mit deinen Worten", griff Pismire den Faden wieder auf. "Jüngere Leute sollten hier das Sagen haben. Nun denn, du kannst meine Entlassung vorbereiten. Mit den anderen meiner Abteilung habe ich das schon besprochen. Auch sie werden im Laufe des Tages auf dich zutreten, denke ich."
"Das war ein weiser Entschluss. Und ich bin so froh, dass ich nicht zu den letzten Mitteln greifen musste", entgegnete Rince. Dann griff er nach dem Tee und leerte das Glas - auf eine entsprechende Geste von Pismire hin - zügig. "Also, Leutnant, auf deinen Ruhestand."
"Tja", meinte Pismire gelassen, "das wäre also erledigt."
Rince merkte mit einem Mal, wie seine Augen schwer wurden. "Was hast du...", weiter kam er nicht, dann sank er besinnungslos auf seinem Stuhl zusammen.
"Entschuldige, Sör", sagte Pismire leise und nahm ihm die Tasse aus der Hand. "Es war notwendig."
Dann klopfte er an die Tür zum Zimmer seines Stellvertreters. Auf dieses Signal hin kamen die restlichen 'Eichhörncheneidler' in den Raum.
Larius hatte einen zusammengerollten Teppich über seiner Schulter. Diesen zu entrollen und den Kommandeur dort hinein zu wickeln, war ein Werk weniger Minuten.
"Die Kutsche wartet zwei Querstraßen weiter", meinte Charlie. "Wir müssen uns beeilen."
Lady Rattenklein und Isis hatten dafür gesorgt, dass der Teppich mit eingearbeitete Latten verstärkt und so präpariert war, dass er wirklich wie eine Teppichrolle wirkte.
Pismire, der zur Not über außergewöhnliche Körperkräfte verfügte, schulterte den vorderen Teil, Larius den hinteren der Rolle. Dann ging es zügig zur Wache hinaus.
In der Zwischenzeit hatte Gnomen einen vorbereiteten Zettel, den Sillybos gefälscht hatte und auf dem zu lesen war, dass der Kommandeur in einer wichtigen Angelegenheit zum Gildenrat gerufen worden sei, auf dessen Schreibtisch platziert. Nachdem Lady Rattenklein mit Aaps geredet hatte, funktionierten die Rohrpostdämonenwie geschmiert und ließen Gnomen die Röhren benutzen.
Zehn Minuten später war eine Kutsche in Richtung Stadttor unterwegs.
"Wie lange wirkt das Mittel?", fragte Larius neugierig.
"Mindestens acht Stunden. Ich hab gestern lange mit Hegelkant geredet und dann alles so weit vorbereitet", meinte Pismire gelassen.
"Von den Phasen "Nackt im Wind" und "Nass im Wasser" wird der Kommandeur nichts mitbekommen", fuhr er fort. "Er wird erst dann wach, wenn er schon eingegraben ist. Dann muss ich ihn nur noch dazu bekommen, dass er diese präparierte Zigarre raucht. Es ist die Mischung, die Hegelkant mir genannt hat. Man bekommt sie übrigens bereits fertig in ephebianischen Lebensmittelläden. Das Rezept scheint dort bekannt zu sein", meinte er mit einem Blick auf Gnomen und Sillybos.
"Nun, Nicht-Philosophen glauben halt an diese Kur - aber was können Laien auch schon wissen", entgegnete Gnomen mit einem Achselzucken.
Den Rest der Fahrt schwiegen sie die meiste Zeit über.
Larius hatte eine Karte der Umgebung von Ankh-Morpork besorgt, auf der er ein versteckt gelegenes Wäldchen mit einem kleinen Bach in der Mitte ausfindig gemacht hatte, wohin die Kutsche sie bringen sollte.
Am Zielort angekommen, brachten sie den Kommandeur vorsichtig in den kleinen Wald, wo sie ihn mit Pismire allein zurück ließen. Der Abteilungsleiter hatte darauf bestanden, die Kur allein durchzuführen, und nach langer Gegenrede hatten sich alle gefügt. Er war sich sicher, dass der Kommandeur am Ende der Kur wenig Lust verspüren würde, in viele Gesichter zu blicken.
Als sie wieder in der Kutsche saßen fragte Isis: "Wie kommen die beiden eigentlich wieder zurück in die Stadt?"
"Das ist kein Problem", meinte Larius. "Immerhin habe ich mal im Hafen gearbeitet. In zehn Stunden erwartet die beiden da vorne eine Kutsche. Und der Kutscher wird keine Fragen stellen. Dafür schuldet Pis mir fast einen halben Monatslohn", fügte er grinsend hinzu.
"Und die Kur wirkt auch dann, wenn der Kranke nicht bei Bewusstsein ist?", fragte Lady Rattenklein skeptisch.
"Ja, Mäm, da bin ich sicher. Es gibt Beispiele in den Erzählungen von Leuten, die ...", begann Hegelkant, als Gnomin ihn unterbrach.
"Ist schon gut, Hegelkant, so genau will ich es auch nicht wissen. Aber eins wollte ich schon die ganze Zeit fragen: Warum heißt das Ganze kneippen?"
"Nun, der Erfinder, Sebalthus Nothnagel, wurde auch Der Kneipper genannt", meinte Gnomen mit einem Grinsen zu Lady Rattenklein und machte dabei eine kneifende Handbewegung in ihre Richtung. "Seiner Ansicht nach werden Frauen schöner, wenn man sie, äh, in den Hintern kneift. Allerdings hat die Kur sich nicht durchgesetzt", fügte er hastig hinzu, als er das Gesicht der Laborantin sah.
Als der Kommandeur sieben Stunden später erwachte, schnaubte er vor Wut als er feststellen musste, dass er senkrecht stehend bis zum Hals in der Erde vergraben war.
Er blickte sich um und sobald er den alten Schamanen bemerkte, fuhr er ihn wütend an: "Was soll das denn hier? Bist du wahnsinnig, Pismire?"
"Weißt du, Sör, das mag jetzt auf dich sehr eigenartig wirken, aber du hast eine schwere Krankheit, man nennt sie Pronomenitis. Und so bizarr das hier alles wirken mag - es ist die einzige Möglichkeit zur Heilung. Vertrau mir, immerhin bin ich Schamane", versuchte er seinem Vorgesetzten das Vorgefallene zu erklären.
"Hauptsächlich bist du Gerichtsmediziner, wenn mich nicht alles täuscht. Deine Erfahrung mit Krankheiten beschränkt sich doch auf die Fälle, in denen der Patient tot ist, oder?" knurrte Rince. "Ich will sofort wissen, was der Scheiß hier soll. Und glaub mir, es sollte eine gute Begründung geben."
"Zigarre?", fragte Pismire liebenswürdig.
"Ich hab nicht mal 'ne Hand frei und du bietest mir 'ne Zigarre an?" Rince wenig gute Laune verschlechterte sich im Millisekundentakt.
"Ich glaube, ich kann sie für dich halten und dir während dessen alles erklären", bot Pismire weiter seine Hilfe an.
"Das solltest du auch, denn sonst bist du schneller gefeuert, als ich "Rrraus" brüllen kann", kam als Antwort.
Im Stillen bewunderte Pismire Rince Haltung. Allerdings hütete er sich, das heikle Thema zu vertiefen.
Dann erklärte er dem Kommandeur, was in den letzten drei Tagen alles passiert war.
"Wenn du mir nicht glaubst, dann ließ dir einfach dein Memo durch", meinte er dann, kramte den Zettel aus seinem Umhang und hielt ihn Rince vor die Nase.
Dieser überflog den Text kurz und schaute Pismire erstaunt an.
"Das ist meine Handschrift", gab er zu, "aber ich erinnere mich nicht genau an die letzten Tage. Alles ist ein wenig verschwommen."
"Das ist krankheitsbedingt", entgegnete Pismire knapp.
Dann beendete Pismire seine Erklärung und die Schilderung des Vorgefallenen, wobei er es allerdings vermied, einen seiner Mitverschworenen zu nennen. Als er damit fertig war und die Fragen des Kommandeurs beantwortet hatte, war dieser völlig beruhigt.
"O.K., dann mal her mit dem Stumpen", knurrte Rince.
Pismire brannte die Zigarre an, ein süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase und er musste husten.
"Gib schon her", meinte der Kommandeur ungeduldig. "Ich will das hier hinter mich bringen."
Pismire hielt die Zigarre, während der Kommandeur nachdenklich an ihr zog.
"Wer weiß eigentlich alles von der Sache?", fragte er, als er zu Ende geraucht hatte.
"Nun, die Wächter natürlich. Aber um deren Loyalität würde ich mir keine Sorgen machen. Wenn sie erfahren, was los war, werden sie schnell wieder zum Tagesgeschäft übergehen."
"Aber du hast mich doch nicht alleine hierher verfrachtet, oder?"
"Ich hatte meine Helfer, aber die haben alle einen Eid geleistet."
Rince schloss die Augen und nickte. "Na gut. Ich bin schon sehr, sehr auf deinen Bericht gespannt."
"Kein Problem, Sör", meinte Pismire fröhlich und griff zum Spaten.
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