Die verweigerte Formel

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von Obergefreiter Robin Picardo (DOG)
Online seit 30. 12. 2002
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Nach seiner Zeit bei GRUND beginnt Robin seine Ausbildung zum Dobermann. Aber wo befindet sich im Moment die Gilde der Alchemisten und wie bringt der Gefreite etwas über das menschenscheue Volk in Erfahrung?

Dafür vergebene Note: 11

Die Single spielt vor der Beförderung zum Oberstgefreiten. Ich bitte um Verständnis.

Obscurem per obscurius, ignotum per ignotius
(Dunkles durch noch Dunkleres, Unbekanntes durch noch Unbekannteres erklären)
"Erklärungsmethode" der alchemistischen Literatur


Das Schneefest war vorbei und der Rekrut Picardo war befördert worden. Mit ein wenig Wehmut räumte er seinen Spind im Wachhaus in der Kröselstrasse aus, packte seine sieben Sachen und verabschiedete sich von seinen Kameraden.
"Leo, ich warte auf dich bei DOG! Pass auf dich auf und lasse dir mit dem Nachkommen nicht zu viel Zeit.", klopfte er seinem Kollegen auf die Schulter.
"Jawohl Herr Gefreiter!", sagte der Vampir augenzwinkernd.
"Neferchen! Dich werde ich ganz besonders vermissen!" Robin umarmte die Mumie freundschaftlich.
"Du sollst mich doch nicht........ach was soll's! Machs gut Robin! Wir sind ja nicht ganz aus der Welt und wir treffen uns ja nach Dienst öfters, hoffe ich!", sagte die Mumie mit traurigem Blick.
Robin löste sich von der untoten Prinzessin und ging auf Leo zu und umarmte auch ihn.
"Mein Hasensauger!"
"Robin! Man könnte uns sehen!", brummelte Leo peinlich berührt und ergänzte, "Ich beeile mich mit der Grundausbildung, versprochen!"
"Leute! Wir sind mehr als Kollegen! Wir sind ein Team und gute Freunde!" Robin wollte die Verbundenheit ausdrücken, die er zu den beiden Wächtern empfand.
Als er in Ankh-Morpork ankam, kannte er niemanden und war ziemlich abgerissen. Die Wache hat ihm ein neues Zuhause gegeben und als besonderen Bonus auch zwei richtig gute Freunde, auf die er jederzeit zählen konnte.
Nur schwer konnte er sich von den beiden losreißen und verlies langsam das dunkle Gebäude in der Kröselstrasse. Immer wieder blickte er sich zu seiner 'alten Heimat' um, bis das dunkle Gebäude nicht mehr zu sehen war.

***


Irgendwo in Ankh-Morpork

"Wenn er das Rezept nicht freiwillig rausrückt, dann lasst Euch was einfallen!", sagte der Mann hinter dem großen Eichenschreibtisch.
"Und was sollen wir uns einfallen lassen?", erwiderten zwei körperlose dunkle Stimmen.
"Trefft ihm mitten ins Herz!", ergänzte die Gestalt in dem mit Samt bezogenen Ohrensessel. "Im metaphorischem Sinne natürlich!"
Die zwei grobschlächtigen Alchemisten erhoben sich von ihren Plätzen und verließen das Büro.

***


Schüchtern betrat Robin die neue Stätte seines Wirkens.
Die Boucherie Rouge war DAS Etablissement der Näherinnengilde, in dem sich in den oberen zwei Stockwerken die Diensträume der DOG's befanden.
"He Süßer! Komm doch mal her!", raunten zwei hübsche 'Angestellte', die in den Zimmern arbeiteten, die dem Eingang am nächsten waren, Robin zu.
"Ich bin leider dienstlich hier!", entgegnete der Wächter den Näherinnen mit gespielter Traurigkeit.
"Ohhh! Frischfleisch für die DOG's.", ergänzten die Damen kichernd.
Robin bog zum Treppenhaus ein und machte sich daran, den Aufstieg zum Büro der Schäffin zu beginnen.
Seine Beine wurden von Stufe zu Stufe schwerer. Er war nervös, denn heute traf er zum ersten Mal auf die Abteilungsleiterin von DOG. Sein Bewerbungsgespräch hatte er mit Fähnrich Mückensturm durchgeführt und am Abend hatte er eine Brieftaube der Abteilungsleiterin erhalten, dass er bei DOG aufgenommen worden war. Das war bis jetzt sein einziger Berührungspunkt mit der Abteilungsleiterin gewesen.
Robin war nervös! Er war sogar sehr nervös! Viel hatte er über Ecatherina Erschreckja noch nicht gehört, aber das würde sich in wenigen Augenblicken sicher ändern.

Einige Sekunden später stand der DOG-Novize vor der Bürotür der Abteilungsleiterin. Flüchtig überprüfte er den Sitz seiner Uniform, wischte den Schweiß seiner Händen in seinem Hosenbeine und klopfte zaghaft.
"Herein!", drang es leise aus dem Büro.
Der Gefreite öffnete zögerlich die Tür und trat in das leicht abgedunkelte Büro. Die schwarzen Vorhänge stachen ihm als Erstes in die Augen. Niemand war zu sehen und Robin entschloss sich, tiefer in den Raum vorzudringen.
"Hallo Picardo! Ich habe dich schon erwartet!" Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter.
"AAAAAHH!.....", Robins Herzschlag setzte für einen kurzen Moment aus.
"Ups, entschuldige! Ich habe dich doch nicht erschreckt?", lächelte seine neue Schäffin kühl.
"Ähhm...Nein Mä'äm! Kaum!", sagte Rob, während sein Herz noch immer nicht den richtigen Takt gefunden hatte.
"Setz dich." Die Abteilungsleiterin deutete auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
"Danke Mä'äm", der Wächter nahm das Angebot dankend an, da seine Knie vor Aufregung zu zittern begonnen hatten.
"Wie mir Mücke erzählt hat, kennst du dich in der Stadt nicht sonderlich gut aus.", begann Erschreckja sachlich.
"Naja, ich bin kein Einheimischer, aber von Tag zu Tag kenne ich mich besser in dieser großen Stadt aus.", gab Robin leise zu.
"Hm.. na gut. Was weißt du von der Alchemistengilde schon?", fragte Eca leicht resignierend.
"Ebenso viel wie von Ankh-Morpork, Mä'äm, also.... nicht viel. Ich weiß zum Beispiel, dass die Gilde ständig ihren Standort wechselt und das Oberhaupt ein gewisser Thomas Silberfisch ist.", versuchte der Gefreite sie ein wenig zu beeindrucken.
"Wenigstens etwas.", brummte der Spieß etwas zufriedener. "Hier! Da hast du ein paar Bücher über Alchemie und die Gilde. Lies dich ein und danach findest du den derzeitigen Standort der Gilde raus und erstattest Bericht. Nutze die Gelegenheit gleich um Kontakte zu der Gilde zu knüpfen." Eca schob dem angehenden Gildenexperten vier schon etwas zerlesene Bücher über den Schreibtisch, die der Wächter dankend entgegen nahm. "Dein Büro wird das himmelblaue Knahbenzimmer im zweiten Stock dieses Hauses sein. Machs dir dort gemütlich!"
Ecatherina warf Robin einen rostigen Eisenschlüssel zu, den er behände auffing.
"Danke Mä'äm! Ich melde mich ab.", entgegnete Robin seiner Vorgesetzten, stand auf und verließ das Büro.
'Hehehe, ich hätte ihm aber auch den Raum der gelben Froide zuteilen können.', dachte die Abteilungsleiterin bei sich und lächelte wissend.

***


"Wann werden wir losschlagen?"
"Bald! Bald, mein Bruder!" Die Augen des Mannes glitzerten bösartig.
"Sollen wir ihm weh tun?"
"Ein wenig, nur ein wenig." Das Glitzern der Augen ging in ein grausames Glänzen über.

***


Robin betrat das blaue Zimmer, besser gesagt den himmelblauen Raum, der auch Knahbenzimmer genannt wurde. Die Bedeutung verschloss sich dem schlichten Gemüt des Wächters und er machte sich keine weiteren Gedanken über diese Benennung.
Er warf die vier Bücher, die Erschreckja ihm gegeben hat, auf das Bett und setzte sich auf den Rand der - ebenfalls in Himmelblau - gehaltenen Schlafstätte.
Vorsichtig sank er nach hinten, blieb auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke.
Von wo ihn sein Selbst zurück anstarrte. Irgend ein Scherzbold hatte einen Spiegel an der Zimmerdecke, genau über dem Bett, befestigt.
'Für was soll der den gut sein? Wer zieht sich den schon im Liegen an?', war der erste Gedanke der Robs durch den Kopf schoss. Als er noch mal über das Ganze nachdachte, wurde er rot - sehr rot!
Schwerfällig setzte er sich wieder auf und betrachtete die Bücher.
'Entschleierte Alchemie - ein Grundwärg führ den Anfähnger', Johann Esiponlox,
'OPUS-MAGO-CABBUMMSTICUM', Georg von Zersetz
'Der Ankhstein der Weisen' , Karl Knaller
'Das Blut der Scheibe - Rätzel der modärnen Alchemie', Anonymus von Schwarzhaar

Die Bücher waren schon des öfteren gelesen worden, daran bestand kein Zweifel. Manche von ihnen mussten sogar schon einmal im Besitz echter Alchemisten gewesen sein, das verrieten verschiedene Säureflecken auf den Buchrücken und -einbänden.

Robin räumte seine Habseligkeiten in eine kleine Kommode, die im Raum stand, und setzte sich alsdann an einen alten Sekretär, der in der hinteren Ecke des Zimmer seinen Platz hatte, um sich die Bücher genauer anzusehen.
Er schmökerte ein wenig und lernte, dass die Gesellen der Gilde über Wissen verfügen sollten, die sie vor anderen und Nicht-Alchemisten geheim hielten [1]. Sie waren von der Umwandlung von Materie ineinander überzeugt. Das Hauptinteresse der Alchemisten stellte sich dem Wächter immer deutlicher dar. Sie wollten Eisen und Blei in Gold umwandeln. Diese Umwandlungsaussage wurde später auch der sogenannten Stein der Weisen genannt.

Mit brummenden Schädel erhob sich Picardo Stunden später von den Büchern und beschloss, sich nun der 'Praxis' zu zuwenden.
Was hatte Fähnrich Mückensturm ihm bei seinem Bewerbungsgespräch gesagt? Ach ja, DOG muss immer über den genauen Standort der Gilde informiert sein, waren seine Worte.

***


Robin verließ das verruchte Gebäude, in dem die Näherinnengilde heimisch war, um sich auf die Suche nach 'seiner' Gilde zu machen.
Ein paar Meter nach Verlassen seiner neuen Wirkungsstätte, fiel ihm ein, dass wenn er Kontakte knüpfen wollte und dann in Wächteruniform antanzte, seine Chancen auf verwertbare Informationen gleich Null sein würden. Er beschloss, sein Büro noch einmal aufzusuchen und sich in Zivil umzukleiden.

Kurze Zeit später stand der Wächter, diesmal in seiner etwas schäbigen Zivilkleidung wieder vor der Boucherie Rouge und entschied, seine Suche nach der Gilde am Hier-gibt's-Alles-Platz zu beginnen.

***


Auf dem Hier-gibt's-Alles-Platz herrschte wie üblich reges Treiben. Verkäufer boten vollmundig ihre Waren an und jeder behauptete von sich, die niedrigsten Preise zu haben.
Die verschiedenstartigen Gerüche umspielten die Nase des umherstreifenden Wächter, von denen manche nicht unbedingt also Wohlgerüche eingestuft werden konnten.

Robin fühlte sich ein wenig allein und einsam. Während seiner GRUND-Zeit war er nie als "einsamer Wolf" in den dunklen Straßenschluchten von Ankh-Morpork unterwegs gewesen. Nefer, Leo oder ein Ausbilder begleiteten ihm beinahe immer und so waren oftmals gute Gespräche und so manche Freundschaft mit seinen Mitrekruten zustande gekommen.
Jetzt stand er allein auf dem beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit überfüllten Platz und fühlte sich trotz der Menschen, Trolle, Zwerge und anderen Spezien sehr alleine. Das Einzige, was ihm in diesem Moment Sicherheit verlieh, war die metallische Kälte auf seiner Haut, die von seiner Dienstmarke stammte. Er trug seine Marke an einer Lederschnur um den Hals und war sich gar nicht so sicher, ob er überhaupt in Zivilkleidung ermitteln durfte, hielt es aber für eine dumme Idee, die menschenscheuen Alchemisten mit seiner Stadtwachenuniform zu verschrecken. Er wollte Kontakte knüpfen, den Standort der Gilde ausfindig machen und seine zukünftigen "Kameraden" ein wenig beobachten. Danach wollte er einen kleinen Bericht schreiben und ihn seiner neuen Schäffin geben. Vielleicht würde er sich nach Dienstschluss auch ein wenig mit den anderen 'Bewohnern' der Boucherie Rouge widmen [2].
Jetzt aber beobachtete er die geschäftige Menge aufmerksam und suchte nach einem 'Klienten'. Seine Augen streiften über dicke, dünne, schmutzige Menschen und andere Stadtbewohner, die ihre Tätigkeit nachgingen.
Sein Blick blieb an einer hageren Gestalt in einem mehr oder minder weißen Laborkittel hängen. Das Bemerkenswerte an dem Hageren war, das er sehr kurzes Haar hatte und augenscheinliche keine Brauen besaß. Auch verschiedene Säureflecken auf seinen Händen verrieten dem noch unerfahrenen, aber dennoch nicht dummen Wächter, den Berufsstand des Beobachteten. Robin entschloss sich dem vermeintlichen Alchemisten in einem Abstand, der tunlichst nicht zu groß, aber auch nicht zu klein werden durfte, zu folgen.

Der Wächter folgte dem Mann bis in die Kaufmannsstrasse, wo der dünne Alchemist einen kleinen dunklen Laden betrat. Robin blieb vor dem Laden stehen und betrachtete das Schaufenster. Mit dicken, blauen geschwungenen Lettern stand an der Scheibe geschrieben 'Salpeter Sulfat - Zündende Ideen - Alchemistischer Kleinhandel.
Langsam öffnete Robs die alte Ladentür. Kleine Farbpartikel blätterten ab, was ein untrügliches Zeichen für die Renovierungsbedürftigkeit des kleinen Ladens war, oder auf einen finanziellen Engpass des Besitzers hinwies.
Muffige und von verschiedenen Chemikalien durchsetzte Luft schlug ihm entgegen. Neugierig betrachtete der DOG-Wächter die verschiedenen Auslagen. Von Zündhölzern, über verschiedene Glasfläschchen und verschiedene Röhrchen, die mit Pulver Nr. 1 gefüllt waren, alles was sich ein Junge zum 'Basteln' wünscht, konnte man hier erstehen. In einer verschlossenen Glasvitrine standen auch Fläschchen mit der Aufschrift Quecksilber und Arsen. Die Fläschchen waren säuberlich mit kleinen gelben Totenköpfchen versehen, was untrüglich auf die Giftigkeit der Substanzen hinwies.
"Kann ich Ihnen behilflich sein?", erschreckte ihn eine Stimme, die aus dem hinteren Teil des Ladens kam.
"Ähhm.., ich schaue mich nur ein wenig um.", entgegnete Robin der, bis jetzt noch, gesichtslosen Stimme.
"Wir haben ein paar wunderschöne Knallkörper im Angebot. Die explodieren da, wo Sie sie hinwerfen, und nicht in der Hand, wie bei so vielen Produkten, die von der Gilde kommen."
"Ach", sagte der Dobermann jetzt ziemlich interessiert. "Sie gehören nicht der Gilde an?"
"Nein! Mit diesen Quacksalbern und alchemistischen Nichtskönnern will ich nicht in Verbindung gebracht werden.", spie die Stimme aus.
"Finden Sie diese Aussagen nicht sehr gefährlich?", wunderte sich Robin.
"Ich sage dies jedem, der in meinen Laden kommt! Ich lasse mich nicht von dieser Gilde unterdrücken!", erklang es stolz aus dem Dunkel.
"Trotzdem würde ich vorsichtiger mit diesen Erklärungen sein! Ihre Aussagen grenzen ja an Selbstmord! Haben Sie eine Todessehnsucht?", fragte der Gefreite, während er sich beinahe den Hals verrenkte, um irgendetwas erkennen zu können.
"Außer Bedrohungen und ab und zu mal eine eingeworfene Scheibe, machen die eh nichts! Ich bin im Besitz von etwas.....aber lassen wir das!", erwiderte der Hagere, der nun aus den Schatten im Geschäft trat.
"Sie sind also lebend für die Gilde nützlicher?", bohrte Robin nach.
"Ja, wie gesagt, wenn sie mich umbringen, dann werden sie nie in den Besitz von der von mir entwickelten Formel kommen!"
Gerade als Salpeter seinen Satz beendet hatte, schwang die alte Ladentür auf und zwei bullig aussehende Gestalten traten ein. Sie trugen, wie Herr Sulfat, weiße Arbeitskittel. An den Muskulösen sahen sie aber ein wenig deplaziert aus. Robin konnte schwören, dass sie ihre Augenbrauen sogar abrasiert hatten um echten Alchemisten ähnlicher zu sehen.
"Herr Salpeter! Der ehrenwerte Thomas Silberfisch schickt uns, um mit Ihnen über Ihre Wiederaufnahme in die Gilde zu unterhalten.
Der andere wandte sich an Robin. "Für Sie ist es jetzt Zeit zu gehen, werter Herr!"
"Das glaube ich nicht!", erwiderte der Gefreite etwas forscher, als er beabsichtigt hatte.
"Sagt wer?", sagte der eine.
"Sagt Gefreiter Robin Picardo von der Stadtwache!" Robin nestelte an seiner Kleidung um an seine Dienstmarke zu gelangen.
Das Nächste, was der Wächter erkennen konnte, war eine auf sein Gesicht zurasende Faust und danach Schwärze, die ihn gefangen nahm.
"......err Wächt.....Herr Wächter....!", drang es schwach zu Robin durch.
Langsam öffnete Picardo seine Augen.
"Das waren irgendwelche Schläger der Gilde!", sagte Sulfat, auch noch leicht benommen.
"Warum bekomme eigentlich ich immer eins drauf?", murmelte Robin und bemerkte, dass Salpeter wohl auch die Bekanntschaft mit den Fäusten der Alchemisten gemacht hatte. Sein linkes Auge war blutunterlaufen und machte sich daran, in wenigen Minuten in allen erdenkbaren Farben zu schimmern.
"Sie haben meine Tochter entführt!", wimmerte Sulfat leise.
"Was?!" Robins Benommenheit war wie weggeblasen.
"Ich habe mich gewehrt, aber sie schlugen mich auch nieder. Ich hörte noch, wie sie sagten, dass sie ihr Leben gegen das Rezept eintauschen und sich zu gegebener Zeit mit mir in Verbindung setzten würden." Salpeter kniete wie ein Häufchen Elend neben dem Wächter, der gerade beim Aufrappeln war.
"So! Jetzt habe ich einen Fall!", verkündete der Wächter "Kennen Sie den derzeitigen Standort der Alchemistengilde?", fragte er den sichtlich gebrochenen Mann und hoffte inständig, dass Salpeter es wusste.
"Klar kenn ich den! Sie ist zur Zeit wieder an ihrem angestammten Platz in der Alchemistenstrasse! Natürlich nur so lange, bis sie wieder von irgendeinem Pfuscher in die Luft gesprengt wird!"
"Ich werde ihre Tochter zurückbringen Herr Sulfat und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen!", versicherte Robin, wenngleich er auch noch keinerlei Ahnung hatte, wie er das bewerkstelligen sollte.
"Das hoffe ich!", wimmerte der Ladenbesitzer.
"Wie ist der Name ihrer Tochter?"
"Abdorossa! Abdorossa Sulfat!", entgegnete Salpeter traurig.
Der Wächter ließ sich die Tochter genauestens beschreiben und notierte alles fein säuberlich in seinem schwarzen Notizbüchlein, bevor er sich von dem 'abtrünnigen' Alchemisten verabschiedete und den Laden verlies.

***


"Schneller, oder ich mache dir Beine!", zischte eine dunkle Stimme.
"Aua! Du tust mir weh! Zerr nicht so an meinem Arm und sag deinem Freund, er soll mich nicht so anstarren!", keifte eine eindeutig weibliche zurück.
"Halt das Maul, Schnepfe!", kommentierte der 'Starrende'.
"W.. Was?!"

***


Robin schlug den - seiner Meinung nach - kürzesten Weg zur Gilde ein und ging über den Oberen Breiten Weg zum Drehwärtigen Breiten Weg, am Patrizierpalast vorbei, um zur Alchemistenstrasse zu gelangen.
In der Alchemistenstrasse waren viele der Gilden Ankh-Morporks ansässig.
Die Gilde der Alchemisten lag eingebettet zwischen der Klempnergilde und der Anwaltsgilde. Gegenüber stand das Gebäude der Spielergilde, welches mehr einem Kasino glich als einem traditionellen Gildenhaus.
Das Haus der Alchemisten verkörperte die reinste Baukunst. Noch nie hatte der Wächter ein Gebäude gesehen, bei dem das Dach mit Scharnieren am Dachfirst versehen war. Dies diente zweifelsohne dazu, den Explosionsdruck abzuleiten, damit das Bauwerk nicht wie ein Luftballon zerplatzte. Ihm fielen auch viele geöffnete Fenster auf, wobei viele nicht mit Absicht offen standen, sondern es ganz einfach an Fenstern an sich mangelte.
Dies war also die Gilde, der er ab heute seine ganze Konzentration widmen musste.
Er entschloss sich in einer dunklen Ecke gegenüber zu warten, bis die oder wenigstens einer der Kidnapper, hier auftauchte. Er setzte sich auf den kalten Boden und fing an zu beobachten.
Es herrschte ein reges Treiben in und um die Gilde. Beladene Eselskarren wechselten sich mit Boten und Kurieren ab, die allerlei Materialien anlieferten. Hin und wieder erkannte der Dobermann auch Golems, deren Augen rot glühten und die das Haus der Alchemisten betraten und verließen. Robin meinte, dass sie bestimmt für die sehr gefährlichen Arbeiten in den Laboren der Gilde eingesetzt wurden. Untermalt wurde das Ganze von kleineren Explosionen, sowie vereinzelten Schmerzensschreien. Ab und zu drang auch farbiger Rauch durch eines der vielen Fenster, begleitet von Scheppern und Hilferufen.
Langsam brach die Dämmerung an und die kleinen verschiedenfarbigen 'Selbstentzündungen' erhellten das Gildenhaus in bemerkenswert lustiger Weise.
Ein Robin bekanntes Gesicht eilte in das Gebäude der Alchemisten. Es war einer der bulligen Schläger, welcher dem kahlen Pförtner kurz zunickte und in dem dunklen Eingang der Gilde verschwand.
'Showtime', dachte der junge Dobermann und freute sich, dass er doch ein paar Wächterinstinkte besaß. 'Mal sehen, wohin er anschließend geht', waren seine nächsten Gedanken.

***


In einer dunklen Lagerhalle in Ankh-Morpork

Abdorossa saß auf dem von Schmutz bedeckten Boden und schaute verzweifelt zu ihren Peinigern auf. Ein paar neugierige Ratten huschten durch den großen Raum, verharrten kurz um die 'Eindringlinge' zu begutachten.
"Was wollt ihr denn?", schluchzte das Mädchen.
"Ich will das Rezept deines Vaters. Du bist nur ein Mittel zum Zweck!", lachte der Brauenlose hämisch.
Das Mädchen verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte herzerweichend.
"Aber ich habe doch damit gar nichts zu tun!", weinte Abdorossa.
"Die Verhandlungstour dauerte dem Boss zu lange, also machen wir es auf die schnelle Weise!", grinste ihr 'Wärter' schmierig.
Mit einem altersschwachen Knarren öffnete sich das Tor der Halle und der zweite Entführer trat ein.
"Und? Was meint der Chef?", fragte der Anführer der Kidnapper.
"Wir sollen ihren Alten noch ein wenig zappeln lassen, damit er mürbe wird!", entgegnete der Neuankömmling.
"Wie lange sollen wir ihn seiner Meinung nach schmoren lassen?"
"Zwei bis drei Tage."
"So lange müssen wir in diesem Dreckloch ausharren!?"
"Sieht so aus mein Bruder, sieht so aus!"

***


Mit einem triumphierendem Grinsen schälte sich der Gefreite aus dem Schatten.
Dies war also das Versteck der Entführer, blieb nur noch die Frage offen, wie er die Geisel befreien könnte, ohne von den Alchemistenschlägern zu Hackfleisch verarbeitet zu werden.
Robin notierte sich die Adresse des Lagerhauses und fragte zur Sicherheit noch einen Passanten nach dem Straßennamen, denn er wollte vermeiden, dass er nicht an diesen Ort zurückfand. Das wäre Wasser in den Mühlen des stellvertretenden Abteilungsleiters von DOG gewesen, der im Bewerbungsgespräch schon bemängelt hatte, dass sich der Gefreite nicht gut in Ankh-Morpork auskannte.

Der Wächter eilte zurück zu Sulfat's Lädchen.
Der Ladeninhaber war immer noch dabei, die Spuren des 'Überfalls' zu beseitigen. Einige Fläschchen, in denen sich Säure befand, waren bei der Auseinandersetzung wohl auch zu Bruch gegangen. Schwarze Flecken und kleine Löcher zeichneten den Holzboden des Geschäftes.
"Ich weiß wo ihre Tochter gefangengehalten wird!", verkündete der Dobermann.
"Wirklich? Geht es Abdorossa gut?", sorgte sich der Vater.
"Ihre Tochter habe ich zwar nicht gesehen, aber die Entführer halten sich beide in einem alten Lagerhaus auf. Ich bin mir sicher, dass dies das Gefängnis ihrer Tochter ist."
"Mein Augenstern gefangen in einer schmutzigen Lagerhalle..." Tränen blitzten in den Augen des alten Alchemisten. "Hätte ich ihnen nur die Formel überlassen!"
Das blaue Auge des Alchemisten war nicht mehr zu sehen, aber Robin maß dieser Tatsache keine besondere Bedeutung zu und registrierte diese Information nur unbewusst.
Der Gefreite schaute sich im Lädchen von Sulfat um. Ein bösartiges Grinsen zeichnete sich auf den Lippen des Wächters ab.
"Herr Sulfat! Sie haben hier doch sicher einige Dinge, die sehr unangenehm wirken können auf den menschlichen Organismus, oder?"
"Ähhm... natürlich.", erwiderte dieser erstaunt.
"Das ist seeehr gut!", rieb Robin sich freudig die Hände.

***


Ein offensichtlich klatschianischer Kräuterteehändler verlies nach einiger Zeit Sulfats alchemistischen Kleinhandel. Der Mann war in einen braunen Umhang gehüllt und trug einen lilafarbenen Turban. Vor sich her schob er eine messingfarbene Teemaschine auf einem kleinen mit Rollen versehenen Tischchen. Die Teegläser klirrten leise, als der verkleidete Wächter die Apparatur über das unebene Kopfsteinpflaster schob.

***


In einer Ecke kauerte Abdorossa auf dem kalten Hallenboden. Ihre Bewacher saßen an einem grobgezimmerten Tisch und spielten 'Leg Herrn Zwiebel rein'. Nur manchmal bedachten sie ihre Geisel mit einem abschätzendem Blick.
Leises Glasklirren und Geschepper am verriegelten Eingang des Lagerhauses lies die Kidnapper von ihrem Spiel aufsehen.
"TÄÄ! Ächter klatschianischer TÄÄ!!", drang es leise zu den brauenlosen Entführern.
"Was?! Der will doch nicht etwa vor unserem Tor seine klatschianische Brühe verkaufen."
"Ich sehe mal nach dem Rechten.", erwiderte der Anführer.
Der grobschlächtige Alchemist erhob sich von seinem Stuhl, öffnete das Tor und spähte nach draußen.
Der Teehändler wandte sich zu dem Weißkittel um.
"Verschwinde hier!", zischte der Alchemist.
"Abär, ich will doch nur hier meinäm Gäschäft nachgähän, werter Härr." Robin wusste nicht wie Klatschianer redeten, hoffte aber wenigstens ein bisschen ausländisch zu klingen.
"Wir können hier aber niemanden gebrauchen, der soviel Krach macht und Leute anlockt! Wir müssen uns bei unserer Arbeit konzentrieren!", log der Grobschlächtige ohne mit der Wimper zu zucken.
"Machän wir einän Kompromiss, Härr! Ich bleibe noch zwanzig Minutän hier und verkaufä meinän kostliche Tää, dafür bekommt ihr meinä Sondermischung für speziellä Kundän. Ich sagä dir, dass ist ein Geschmacksärläbnis sondärgleichen. Schon Königä aus dem alän......"
"Schon gut.", unterbrach ihn der bullige Alchemist. "Gib mir zwei Tassen von dem Gesöff und dann verschwindest du! In spätestens fünfzehn Minuten!"
"Dankä, Härr.", erwiderte der verkleidete Wächter und goss zwei Tassen 'Spezialmischung' ein.

***


In einem schnellen Zug leerten die Bewacher den geschenkten Tee.
"Ich hoffe, der verschwindet bald!"
"Ich hab ihm fünfzehn Minuten gegeben, wenn er dann nicht weg ist müssen wir halt mit schlagenden Argumenten vorgehen.", freute sich der Anführer schon insgeheim.
Ein leises Grummeln war aus den beiden Magengegenden der Entführern zu hören.
"Urgs..!", war eine der ersten Äußerungen des Anführers.
Schweißperlen bildeten sich auf den Stirnen der Beiden und sie begannen unruhig auf ihren Stühlen hin und her zu rutschen. Das Geräusch in den Darmtrakten steigerte sich zu einem unüberhörbaren Crescendo [3].
Fast gleichzeitig sprangen die Bewacher von ihren Sitzgelegenheiten auf und rannten zu dem einzigen 'Klohäuschen' in der Lagerhalle. Die Entführer drängelten sich an dem schmalen Eingang des Ortes ihrer Erleichterung. Der Anführer stieß seinem Gehilfen den massigen Ellbogen ins Gesicht. Dieser hielt für einen Moment inne......und stand dann vor der geschlossenen Toilettentüre. Verzweifelt blickte er sich um. Der stechende Schmerz im Bauchbereich trieb ihn beinahe zum Wahnsinn und der Druck schien ihn beinahe zu zerreisen.
Der Verlierer der Toilettenschlacht sprintete verzweifelt los. Eine Hand auf dem Bauch die andere am Hosenboden warf er sich gegen die Ausgangstüre der Lagerhalle. Mit einem Ächzen gab das Tor dem Begehren des Mannes nach. Der Entführer sprintete ins Dunkel der Nacht.
Mit einer eleganten Handbewegung warf Robin seinen Umhang von sich und entfernte den störenden Turban. Der Wächter betrat vorsichtig die dunkle Halle und erkannte das kauernde Mädchen.
"Stadtwache von Ankh-Morpork!", flüsterte er leise "Bitte folgen Sie mir!"
Verwirrt schaute das Mädchen auf, gab jedoch dem Wächter ihre Hand. Dieser zog sie auf die Beine und beide verließen das Lagerhaus.

***


Der Wächter begab sich auf dem schnellsten Wege zu Sulfats Lädchen und überredete ihn, Anzeige zu erstatten.
Er begleitete die kleine Familie zum Wachhaus am Pseudopolisplatz, wo ihre offizielle Anzeige aufgenommen wurde.
Abdorossa konnte ihre Entführer genau beschreiben.
Robin war sich sicher, dass dieser Fall in nächster Zeit wieder bei DOG landen würde.
"Danke, Herr Wächter!", sagte Salpeter.
"Ich habe zu danken, Herr Sulfat! Durch Sie habe ich die Gilde gefunden!", lächelte dieser.
"Ja! Wobei sie sich ja im Moment an ihrem angestammten Platz befindet. Ich halte dich aber auf dem Laufenden.", erbot sich Salpeter dankbar.
"Das ist sehr nett Herr Sulfat! Aber noch eine Frage! Um was für ein Rezept oder Formel handelt es sich denn?", fragte Robin neugierig nach.
"Das willst du gar nicht wissen junger Freund!" erwiderte Salpeter und zog mit einem Finger sein wieder unversehrtes Unterlid herab.

Nachdem alle Formalitäten erledigt waren begab sich der Wächter wieder in die Boucherie Rouge. Müde und geschafft setzte er sich auf das Bett und verfasste auf seinen Knien einen Bericht über die heutigen Ereignisse. Er vergaß auch nicht den derzeitigen Standort der Gilde zu erwähnen.
[1] wahrscheinlich aber eher gegenüber anderen Alchemisten

[2] rein aus medizinischer Sicht und Interesse natürlich!!

[3] weiter Ausführungen und Beschreibungen erspare ich euch lieber




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