Seidenweich

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von Gefreiter Rascaal Ohnedurst
Online seit 26. 03. 2000
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Vor der Assassinengilde findet ein Aufruhr statt, einige aufgebrachte Frauen fordern die Aufnahme in die Gilde.
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Dafür vergebene Note: 14

Es war ein schöner und relativ gestankfreier Morgen in Ankh-Morpork, was soviel heißt, als daß die durch die Gassen ziehenden Dunstsschwaden nur eine blaßgelbe Färbung hatten und nur leicht nach Schwefel und Fäulnis rochen.
Gefreiter Knut, der Große, seines Zeichens Werwolf und Gefreiter Rascaal Ohnedurst, vegetarischer Vampir schlenderten gemeinsam zum Wachgebäude am Pseudopolisplatz, um den Frühdienst in der Tagschicht der Stadtwache anzutreten. Beide waren nicht gerade bester Laune: Rascaal schon aus Prinzip nicht um diese Uhrzeit, da es der Natur eines Vampir widerstrebt, nach dem ersten erstickendem Röcheln des Hahnes ( zum Krähen bräuchte der Hahn frische Luft, die aber in Ankh-Morpork nur selten vorkommt ) aufzustehen und Knut, weil in der letzten Nacht Vollmond war und ihn wieder seine Wolfshaar-Allergie plagte. Die beiden Wächter teilten sich im Moment eine 2-Zimmer Gruft im Keller Frau Alptraums und kannten somit die Gewohnheiten und Probleme des Anderen.
"Es wird der Tag kommen, da werde ich Kommandeur Rince zwingen, diese dienstlich gelieferte, elendig stinkende Sonnencreme zu fressen. Es wäre so einfach, mich in die Nachtschicht zu stecken, aber nein ... !" murmelte Rascaal immer wieder.
" Schniiiiiief !!!" war Knuts einzige Antwort kurz bevor er wieder in ein riesiges, blutrotes Taschentuch nieste.
Sie traten in den Vorraum der Wache, wo Oberfeldwebel Ptracy hinter dem Empfangstresen stand und die ersten Beschwerden von Frau Amalie Willichnicht entgegennahm.
" ... diese jungen Dinger schreien die ganze Nachbarschaft zusammen und dann erst die Kleidung: ganz ordinäres Schwarz. Das paßt doch überhaupt nicht zu den Pflastersteinen in unserer Straße. Schon schlimm genug, daß die anderen geschmacklosen Irren mit ihren schwarzen Gewändern dauernd über unsere schönen, mit Taubenkot bedeckten Dächer klettern müssen. !!!", meckerte Frau Willichnicht, ohne zwischendurch erkennbar Atem holen zu müssen.
Frau Willichnicht lebte für das Meckern. Es verging kaum ein Morgen, an dem sie nicht zu nachtschlafender Zeit in der Wache aufkreuzte, die erste Beschwerde ablieferte und den Wachhabenden in den Wahnsinn trieb. An Tagen, an denen Frau Willichnicht zu ihrer Cousine Fräulein Ganzbestimmtnicht nach Sto Lat reiste, ging es wesentlich entspannter in der Wache zu.
Rascaal und Knut gingen durch die Trennklappe hinter den Tresen und trafen in der Pausenecke auf die Gefreite Swires und Feldwebel Rettich Sensenschmied, die gerade versuchten, in Ruhe ihr zweites oder drittes Frühstück einzunehmen.( Eigentlich sollte die Ecke Kaffeeecke heißen, doch Kaffee war das einzige, das in der Wache nicht gefragt war. Es gab Gemüse, Blutkonserven, kalte Ratten mit Ketchup, und Rascaal hatte es sogar gegen den Willen der Anderen durchgesetzt, daß Rote-Beete bereitlag.)
" Wie lange ist die Meckerziege denn schon wieder in Gange, Swires ?" fragte Rascaal, griff nach einem Stück Rote-Beete, schlug seine Reißzähne hinein und fing an zu saugen.
Das Wichtelfräulein stand auf dem Tisch zwischen den Erfrischungen, hatte die rote Zipfelmütze neben sich abgelegt und knabberte an einem Karottenstück.
" Sie war schon hier, als wir vor einer halben Stunde ankamen. Na, Knut, ist schon wieder Vollmond?" fragte Swires mitfühlend.
" Tscha, leider. Die Monate vergehen immer schneller. Isch hätte misch doch krank melden schollen. Um wasch geht esch denn heute morgen ?" schniefte Knut und holte sein Taschenlaken ( von Tuch konnte keine Rede mehr sein ) hervor.
" So richtig haben wir das auch noch nicht mitgekriegt, aber auf alle Fälle schwitzt Ptracy schon länger! Tja, ist eben nicht leicht, Feldwebel vom Dienst zu sein, wenn Frau Willichnicht in der Stadt ist!", stellte Feldwebel Rettich mit einem leichten Zittern in der Stimme fest und sprach aus eigener Erfahrung.
" He, ihr! Kommt doch mal eben rüber!" rief Oberfeldwebel Ptracy in diesem Moment.
" Ich wußte doch, daß wir später hätten losgehen sollen!", zischte Rascaal und warf die trocken gesaugte Rote-Beete in den Mülldämon, der die Reste mit einem leichten Rülpsen verschlang.
Betont langsam gingen die vier Wächter zum Tresen. Swires hatte sich bei der Zwergin Rettich auf die Schulter gestellt, was aber nur begrenzte Größenvorteile schaffte.
" Hör mal, Rettich," sagte Ptracy, erleichtert darüber, daß sie die Sache abgeben konnte," nimm' die drei hier und geh' mal rüber zur Assassinengilde. Dort scheint irgendeine Art Tumult in Gange zu sein. Sieh' mal zu, ob Ihr nicht für Ruhe sorgen könnt."
Feldwebel Rettich nickte und das Quartett verließ das Wachgebäude. Im Rausgehen hörten sie noch, wie Frau Willichnicht wieder zu sprechen begann und Ptracy unter dieser erneuten Springflut von Worten polternd zusammenbrach.
Im Entgegengesetzten Breiten Weg angekommen, sahen die vier Wächter die Bescherung : Eine Gruppe von ca. 15 Frauen in mehr oder weniger schwarzer Kleidung marschierte vor der Assassinengilde auf und ab, trugen sebstgemalte Schilder in den Händen und riefen im Chor: " Frauen in die Gilde!".
Auf den Schildern standen Slogans wie: 'Schwarzes Recht für Frauen!' und 'Dem Weibe die Seide!'.
" Was geht hier vor?", fragte Rettich, der Swires noch immer auf der Schulter saß, während Knut und Rascaal - verunsichert durch so viele aufgebrachte Frauen - versuchten, vollkommen unbeteiligt zu wirken. Selbst den beiden Torwachen der Gilde klebte bereits die Seide vor Angst am Körper fest.
Einen Moment lang schaute die Anführerin des Aufruhr verwirrt umher, bis sie schließlich nach unten schaute und zu ihrer Erleichterung die Zwergin entdeckte. " Puh, einen Moment dachte ich schon, ich halluziniere! Nun, wir verlangen, in die Assassinengilde aufgenommen zu werden."
" Lächerlich !!!" ertönte mit einem Mal Lord Witwenmachers sonore Stimme hinter der Gruppe. Der Präsident der Gilde hatte sich lautlos wie immer an die Gruppe herangeschlichen , als sich alle Aufmerksamkeit Rettich und seinen Wächtern zugewandt hatte. "Es hat noch nie Frauen in unserer Gilde gegeben und das wird auch während meiner Amtszeit nicht vorkommen. Frauen haben einfach nicht das Zeug dazu! Basta!"
" Blödsinn! Meine Schwester in Sto Kerrig hat ihren versoffenen Mann auch um die Ecke gebracht und die Leute denken immer noch, daß er rückwärts ins ...äh Messer ...äh gefallen ist! Äh, äh ... 3 mal!", sprach eine Frau mit einem pechschwarzem Kopftuch aus grobem, kratzigem Stoff und wandte sich nun an die Wächter: "Äääh ... Ihr seid doch für Sto Kerrig nicht zuständig, oder?"
" So, so," sagte Lord Witwenmacher mit einem süffisantem Grinsen im Gesicht
" Dann wollen wir doch mal etwas ausprobieren! Du, Triffinsziel, komm' doch mal bitte eben her!" Mit diesem Worten winkte er einen der Wächter heran, der sofort gehorchte ( Die Assassinengilde war kein Platz für Ungehorsam ).
" Dann wollen wir doch mal sehen ." fuhr er fort und zeigte dann auf eine etwas untersetzte Frau mit einem schwarzem Kleid aus Sackleinen, welches sehr unbequem und kratzig wirkte." Du, tritt vor und töte diesen Mann !"
" Äääh, ich weiß' nicht ! Jetzt, so auf offener Straße, vor all' den Leuten? Außerdem wäre ich ihm sehr dankbar, wenn er aufhören würde, sich im Staub zu wälzen und mich auszulachen ! Bitte !"
" Soviel zu Eurem Killerinstinkt. Also gut, Du, klettere an der Regenrinne bis zum Dach und dring dort ins Gebäude ein !", befahl Witwenmacher und wandte sich zu Triffinsziel um." Und Du kannst dann wieder auf deinen Posten gehen."
Tränen lachend stolperte Triffinsziel zu seinem Kameraden zurück und versuchte zu Atem zu kommen.
Die aufgeforderte Frau war inzwischen an die Regenrinne getreten und schaute skeptisch an ihr empor.
" Habt Ihr keine Regenrinne, die nicht so steil und so hoch ist ? Ich könnte doch einfach die Treppen zum Eingangstor hinaufsteigen und die Gilde so betreten. Man muss es ja beim ersten Mal nicht gleich übertreiben !"
Man hörte ein Poltern, als Triffinsziel vom nächsten Lachkrampf gebeutelt die eben genannten Treppen hinunterfiel.
Selbst Lord Witwenmacher konnte sich ein Grinsen nun nicht mehr verkneifen.
" Das war's dann wohl !" sprach er und wandte sich ab, um in die Gilde zurückzukehren und den von Lachkrämpfen geschüttelten Triffinsziel zu beruhigen.
"Einen Moment noch !" dröhnte Swires von Rettichs Schulter herunter. "Worum geht es euch denn nun wirklich ?"
Die Anführerin der Frauen scharrte verlegen mit den Füßen auf dem Kopfsteinpflaster.
"Wir wollten nur Seide haben !" sagte sie zögernd.
" ...Schnief...Dasch war allesch ?" fragte Knut ungläubig und mußte prompt wieder niesen.
"Deswegen wolltet Ihr zu Mördern werden ?", schloß sich Rascaal der Ungläubigkeit seines Kollegen an.
Auch Witwenmacher schaute nun interessiert zur Anführerin.
"Schaut uns doch mal an! Wir können uns nur dieses Sackleinen leisten und das kratzt, als wenn man eins von Schnappers Würstchen gegessen hätte. Also haben sich die Frauen aus unserem Viertel zusammengetan und dieser Plan ist dabei herausgekommen. Wer konnte denn ahnen, daß man wirklich jemanden töten muß ? UND WENN DIESER SCHWACHKOPF NICHT GLEICH AUFHÖRT ZU LACHEN, DANN PASSIERT HIER WIRKLICH NOCH EIN UNGLÜCK !!!"
" Außerdem ", schaltete sich eine andere Frau ein "haben die Assassine immer diese schicke, schwarze Arbeitskleidung aus Seide und sämtliche Vorräte für ihre Arbeitskleidung aufgekauft."
Die Wächter wandten sich grinsend zu Lord Witwenmacher um, der versuchte, vollkommen unbeteiligt zu wirken.
" Ist das wahr ?" fragte Rascaal.
" Ihr könnt uns nichts beweisen !" sagte Witwenmacher sofort.
"Ach nein ???" kam es von Rettich und Swires wie aus einem Munde "Und wie wäre es, wenn wir mal eben mit dir hineinkommen würden und uns ein wenig umschauen würden ? Jetzt sofort !"
" Oder sollten wir vielleicht die Näherinnengilde bitten, dieses zu übernehmen. Ich bin sicher, daß eine solche Menge Seide sie bestimmt interessieren würde !" betonte Rascaal.
Jegliche Farbe wich nun aus Lord Witwenmachers Gesicht, und Panik glänzte in seinen Augen.
" Nein, nur nicht die Näherinnen !!! Wir können uns doch bestimmt einigen !" rief er.
Er hatte in seinen jungen Jahren , am Anfang seiner Karriere einmal die Tür eines seiner Opfer mit der Tür verwechselt, hinter der das Treffen der Näherinnen mit Tee und Gebäck stattfand und wurde gezwungen zu bleiben. Er wußte also, wovon er sprach.
" Also gut, ich gebe nach ! Kommt mit herein und sucht Euch soviel Stoff aus, daß jede sich ein Kleid nähen kann !"
"Und danach kommt Ihr zur Wache und wir kontrollieren, daß alle wieder rausgekommen sind aus eurer Gilde.", fügte Rettich hinzu und ging mit den anderen Wächtern zurück zur Wache.
Noch weit entfernt hörte man Lord Witwenmacher schimpfen :" Treten sie ein, meine Damen. TRIFFINSZIEL, DU HÖRST JETZT SOFORT AUF ZU LACHEN UND MELDEST DICH NACHHER IN MEINEM BÜRO !"
Knut wandte sich lächelnd an Rascaal : " Hättest Du wirklich die Näherinnen geholt ?"
" Niemals, " lachte Rascaal " das hätte sogar Witwenmacher nicht verdient! Ich bin vielleicht untot, aber nicht verrückt !"
Die vier lachten und traten ins Wachhaus ein, in dem Frau Willichnicht sich inzwischen gesetzt hatte. Oberweldwebel Ptracy hing verschwitzt über dem Tresen und wünschte sich, niemals geboren worden zu sein.



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