Ich und mein Schwert

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von Wächter Thymian Pech (GRUND)
Online seit 19. 11. 2002
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Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Umgang mit dem Schwert". Mit Schwertern konntest du noch nie umgehen. Überzeuge deinen Ausbilder, dass du dich in dieser Übung mit anderen Methoden behaupten kannst!

Dafür vergebene Note: 13



"Dies nennt man ein Schwert, es zeichnet sich durch eine breite gerade Klinge aus und einem Querstück, dem Griff, der- Thymian Pech, hörst du überhaupt zu?" Der Ausbilder wirbelte herum und deutete auf einen schmächtigen jungen Mann, der Mühe hatte sein eigenes neues Schwert hochzuheben.
"Jawohl, Korporal Sidney, Sir." Der Rekrut versuchte zu salutieren und hieb sich gegen den Kopf.
"Gut, dann wirst du nun die Grundübung Eins durchführen. Wächter, aufgepasst!" Die Gruppe Rekruten standen im Hof des Wachhauses und hatten sich in zwei Reihen aufgestellt, durch die der Ausbilder im Stechschritt hin und her marschierte. Einige murrten über die morgendliche Kälte, andere tuschelten oder lachten über den Jungen, der sein eigenes Schwert schleifend über das Pflaster zog. "Mach die Klinge nicht stumpf!", ermahnte der Korporal.
"Aber ich könnte mich dran verletzten, Sir.", gab der Rekrut kleinlaut zurück.
"Natürlich soll man sich daran verletzten. Dazu ist eine Waffe da! Aber wenn du den richtigen Umgang beherrschst, wird dir nichts geschehen." Der Wächter blickte zu den Männern und Frauen, die dabei waren einige Meter Abstand zu nehmen. "Und den anderen auch nicht.", fügte er hinzu. "Also, Thymian, hebe das Schwert!", befahl Sidney. Der angesprochene Rekrut umklammerte den Griff mit beiden Händen und hievte die Waffe in die Höhe, er mühte sich dabei das Gleichgewicht zu halten und sah ächzend zum Ausbilder.
"So-o?", schnaufte er. Der Korporal seufzte.
"So äh ungefähr, ja."
"Prima machst du das, Schätzchen, ganz prima.", flötete eine Stimme aus der Reihe und jemand klatschte in die Hände.
"Rekrut van Vermeer, du kommst auch noch dran." Der Rekrut, der sich schnatternd in einem riesigen dichten Pelzmantel verbarg, verstummte. "Und nimm diese lila Schleife von deinem Schwert!"
"Das ist ein geschmackvolles Violett mit einem Hauch von-"
"Mir doch egal, entferne einfach nur dieses.. Ding! Wir verzieren unsere Waffen nicht!", brüllte der Ausbilder zurück.
"Aber ich dachte-", fing der Rekrut von neuem an.
"Sir, ich.. äh.." Genervt drehte sich Korporal Sidney zu dem Hänfling in der Mitte, begann mit einem lautem "Was ist?!" und schrie danach auf, als der Schwertknauf prompt auf seinen Fuß donnerte.
"Tschuldigung.. es war einfach zu schwer.." Der Rekrut namens Thymian sah verlegen zu Boden. Der Ausbilder knurrte etwas Unverständliches und schüttelte dann den Kopf. Und das wollten Wächter werden...

Thymian sah sich betreten um, einige der anderen Rekruten lachten und das Gesicht von seinem Ausbilder war zu einer verzerrten roten Miene geworden. Aber wie sollte er auch mit einem Schwert umgehen können? Bisher hatte er nur die Holzvariante gehabt, die um einiges leichter gewesen war.
"Hat dir dein ehemaliger Ausbilder denn überhaupt nichts beigebracht?", schnauzte der Korporal in diesem Moment.
"Nur, dass man mit dem spitzen Ende zustößt, Sir." Darauf nickte der Ausbilder nur grimmig und deutete auf eine Stoffpuppe an einer Stange, die auf dem Hof aufgestellt worden war.
"Gut, dann zeige mal an der Puppe wie man das umsetzt.", befahl er.
"Was soll ich denn tun, Sir?", fragte Thymian zaghaft.
"Soll ich dir noch ne spezielle Einladung geben?! Greif die dämliche Puppe an, das wirst du doch wohl noch können!" Thymian nickte zögernd und hob sein Schwert auf. Seine Arme begannen zu zittern, als er es trug und auf die Stoffpuppe zusteuerte.
"Tut mir leid..", flüsterte er für niemanden hörbar, hob das Schwert in die Höhe, krächzte einen Kampflaut und stieß zu. Die Spitze des Schwertes drückte kurz gegen den Stoff, dann glitt Thymian der Griff aus den schweißnassen Händen und seine Waffe fiel erneut klappernd zu Boden.
"Toll, du hast ihn sicherlich erfolgreich zu Tode gekitzelt. Zumindest läge jeder Verbrecher danach vor Lachen am Boden." Der Korporal stapfte auf Thymian zu und hob das Schwert auf. "Tritt zurück, ich zeig euch wie man das vernünftig macht." Rasch eilte Thymian zu den anderen, die erwartungsvoll zum Ausbilder sahen.
"Hiaaaaaaaaaaah!!!!!!!", schrie dieser und stürmte auf die Puppe zu. Dann verschwand der Wächter in einem wahren Regen aus Staub, Stoff und Stroh, zwischendurch blitzte die Klinge gefährlich auf, Holz knackte. Als sich die Staubwolke legte, bot sich den verwunderten Blicken der Rekruten ein ruhig mit dem Schwert in der Hand spielender Korporal Sidney. Die Puppe gab es nicht mehr.
Zumindest nicht in dem eigentlichen Sinne, es sei denn man würde sich die Mühe machen, die in alle Winde verstreuten Bestandteile zusammen zu sammeln. Hinter dem Wächter erhob sich der abgebrochene Holzstumpf.
"So macht man das.", erklärte Sidney.
"Äh, sollte man den Verbrecher nicht immer nur kampfunfähig machen?", fragte Thymian vorsichtig nach. Der Ausbilder wies hinter sich.
"Er ist kampfunfähig oder etwa nicht?"
"Ich dachte nur-", begann der Rekrut von neuem, wurde aber sofort unterbrochen.
"Ach, du versuchst zu denken. Sind wir hier bei den S.E.A.L.S. oder was??" Er lachte, was ungefähr wie 'Harhar' klang. "Zehnminütige Pause!" Dann schritt der Ausbilder durch die Gruppe ins Wachhaus zurück.
"Ich hab gehört, er ist auf dem besten Weg eine rote Litze zu bekommen.", sagte ein anderer Rekrut. Ein weiterer schwang probeweise sein Schwert.
"Ich fand das cool. Ich hoffe, ich werd auch mal so gut im Schwertkampf wie der Korporal.", sagte er. Thymian seufzte leise und setzte sich auf einen umgestürzten Holzkasten. Er würde nicht mal annähernd so gut werden, er wollte das auch gar nicht. Schwerter waren so groß, schwer und unhandlich. Plötzlich tätschelte irgendjemand sein Knie und Thymian sah erschrocken auf. Vico van Vermeer hatte sich neben ihn gesetzt und lächelte ihm zu.
"Diese Waffen sind sooo fürchterlich.", fing er an zu jammern. "Findest du nicht auch?" Thymian nickte matt und versuchte Vicos Hand weg zuschieben ohne unhöflich zu werden.

"Und, wie machen sich die Rekruten?", fragte Irina Lanfear, Abteilungsleiterin bei G.R.U.N.D., als Sidney hereinkam und sich auf einen Stuhl fallen ließ.
"Abgesehen von zwei Problemfällen ganz gut." Rina sah von ihren Unterlagen auf.
"An wen dachtest du da?"
"Vico van Vermeer und Thymian Pech. Der eine will die Waffe noch nicht einmal anfassen und der andere bekommt sie stattdessen kaum hochgehoben." Sidney gab ein verächtliches Schnaufen von sich. Die Abteilungsleiterin zog die Stirn kraus.
"Nun, vielleicht sind die beiden ein Fall für die Spezialübung.", schlug sie nach einigem Überlegen vor.
"Du meinst 'Ich und mein Schwert'?" Rina nickte und Sidneys Mundwinkel zogen sich zu einem breiten Grinsen hoch.

Einen Tag später

"Rekruten Pech und van Vermeer! Hände auf!", befahl Sidney laut. Verwundert, aber gehorsam hielten die beiden Wächter ihre Hände hin.
"Sie sind sauber und wohl manikürt.", machte Vico aufmerksam. Doch den Korporal schien das nicht zu interessieren, er nahm einen Eimer von seinem Schreibtisch, tunkte einen Pinsel hinein und strich, noch ehe die Rekruten reagieren konnten, mit dem Pinsel über die Innenseite der rechten Hand. "Igitt!!", rief Vico und hielt seine Hand weit von sich. "Ich verstehe nicht, was das-" Der Ausbilder drückte dem Rekruten einfach kurzerhand sein Schwert in die beschmierte Hand und drückte seine Finger darum. Auf Sidneys Gesicht hatte sich ein breites Grinsen eingenistet, als er genauso beim verdutzten Thymian vorging.
"Ihr beide habt die Ehre unsere ganz besondere, ganz spezielle Spezialsonderübung zu absolvieren.", erklärte Korporal Sidney danach und legte den Pinsel zurück neben den Eimer.
"Was für eine.. Übung?", fragte Thymian, der versuchte das Schwert zu halten, aber er wurde immer wieder dem Boden entgegen gezogen.
"Ich und mein Schwert, eine Übung, die-", begann der Ausbilder, wurde aber von einem kreischenden Laut unterbrochen.
"Es hängt an meiner Hand fest! Es hängt an meiner Hand fest!"
"Ja, Rekrut van Vermeer, das ist der Sinn der ganzen Sache." Sidney seufzte resigniert. "Was ich euch eben auf die Hand gestrichen habe, ist Schnappers Spezialmischung. Ein sehr starker Kleber, der ausnahmsweise hält, was Schnapper verspricht. Ich vermute, er hat das Rezept irgendwo gestohlen.. na ja, wie auch immer. Es wird mindestens 24 Stunden halten, was euch einen wundervollen Tag mit eurem Schwert verschafft."
"Äh, warum?", startete Thymian eine weitere Frage, der sich inzwischen auf sein Schwert stützte, was ihn bei einem Kurzschwert zu merkwürdigen Verrenkungen zwang.
"Warum?? Weil ich das sage!", blaffte Sidney. "Ihr werdet eins werden mit eurem Schwert!" Er marschierte in abgehackten Schritten um die Rekruten herum und begutachtete sie streng. "Das Schwert ist euer verlängerter Arm! Und ich möchte nicht, dass ihr zu Hause rum sitzt und wartet bis der Kleber aufhört zu wirken, sondern, dass ihr Streife geht."
"Aber es ist so.. schwer.", wand Thymian Pech verzweifelt ein.
"Schwer? Dieses bisschen Stahl?" Der Korporal lachte wieder sein 'HarHarHar', packte dann Thymian an der Schulter und rüttelte ihn unsanft. "Eins werden mit deinem Schwert! Das Schwert bist du, du bist das Schwert! Und euer eigenes Gewicht spürt ihr ja nicht oder?"
Die Rekruten nickten folgsam mit den Köpfen.
"Ihr werdet das Schwert hinterher kaum mehr spüren. Es wird leicht wie eine Feder sein.", prophezeite der Wächter. "Also, ich erwarte, dass ihr nun da raus auf die Straßen geht und versucht eins zu werden."
"Oh, wir beide?"
"Nein, Vico, du und dein Schwert!", zischte Sidney. Der Rekrut zog eine enttäuschte Miene. "Wenn sich euer Schwert wieder gelöst hat, kommt ihr zurück. Ich erwarte über das ganze einen ausführlichen Bericht und abschließend eine Übung, wie sehr sich euer Umgang und Verhalten zum Schwert geändert hat." Er warf den beiden Rekruten noch einen mahnenden Blick zu und scheuchte sie dann mit einer Handbewegung raus. "Weggetreten!" Die Wächter salutierten umständlich mit der linken Hand und gingen dann aus dem Büro. Sidney grinste zufrieden. Gut, es waren Schwächlinge, keine Frage, aber vielleicht brachte sie der Tag einen Schritt weiter hin zu einem guten Wächter. Und wie sagte man so schön? Probleme löste man am besten mit einem Schwert in der Hand...

Nachdenklich verschloss der Korporal den Eimer wieder, dachte an die schönen Stunden, die dessen Inhalt sicher noch bringen würden und stellte ihn in den Schrank zurück. Sidney nahm den Pinsel und... der Ausbilder blickte auf seinen Schreibtisch hinunter. Er zog an dem Stiel, aber der Pinsel blieb unverrückbar am Holz kleben.
"Das darf doch nicht.." Mit aller Kraft ruckelte er an dem Pinsel. "Dämliches.." Er stemmte sich mit den Stiefeln gegen den Schreibtisch und zerrte an dem Stiel, bis sein Gesicht rot vor Anstrengung war.
"Jo, Mann, Alder, Ausbilder." Irgendein Rekrut schlurfte herein und nuschelte etwas. In diesem Moment knackte etwas und Sidney stolperte mit voller Wucht zurück gegen die gegenüberliegende Wand.
"Verdammt!", rief er und blickte auf den abgebrochenen Stiel in seiner Hand.
"Ey, coole Aktion, Mann.", sagte der Rekrut. Sidney versuchte sich an den Namen zu erinnern, um ihn ordentlich anzubrüllen. "Was sin denn das für Haare? Beweismaterial?" Der junge Bursche deutete auf die Pinselquaste. Der Korporal sah ihn finster an.
"Da habe ich mal 'nen Rekruten auf der Tischplatte festgeklebt.", knurrte er. Der Wächter verschwand so schnell wie er gekommen war.

"Bei den Göttern, das wiegt Tonnen.", jammerte Thymian und stemmte das Schwert in die Höhe. "Von wegen, verlängerte Arm und so. Weißt du, was ich glaube?"
"Was denn, Schätzchen?"
"Ich glaube, das Wort Schwert kommt vom Wort schwer. Das klingt doch beides genauso. Da fehlt nur ein äh äh." Er kratzte sich verlegen am Kopf.
"Ein Tee.", half ihm Vico aus. Thymian schüttelte darauf den Kopf.
"Nein, dann müsste es ja äh Schwer-tee heißen und so äh heißt es ja nicht." Der Rekrut strich sich nachdenklich die blonden, struppeligen Haare aus dem Gesicht und beachtete nicht weiter die schmachtenden Blicke seines Kollegen. Beide gingen den kürzesten Weg entlang hinaus aus den Schatten, mit dem festen Ziel den Hide Park aufzusuchen, um dort friedlich ihre Runden zu drehen. Doch noch ehe es dazu kommen konnte, gelangten sie in eine dunkle schmutzige Gasse. Soeben stolperten drei große Gestalten aus einer Kneipe, schubsten sich gegenseitig und grölten herum.
Beide Rekruten drückten sich ängstlich aneinander, aber schließlich streifte Thymian Vicos Hand ab, die sich erneut selbstständig gemacht hatte und trat vor.
"Wir äh gehen einfach ganz normal an ihnen vorbei, okay?", flüsterte er dem anderen Rekruten zu. "Dann wird uns auch nichts passieren." So hoffte er jedenfalls. Das Schwert fest in der Hand wollte Thymian erhobenen Hauptes an den Männern vorbei, als einer der drei plötzlich torkelte und so den Wächter anstieß. Ein Schwall an ekelhaftem Alkoholgeruch ergoss sich über den Rekruten.
"He, wills wohl Ärger, was?", lallte der Mann.
"Äh, nein, werter Herr, ich will nur ähm vorbei.", nuschelte Thymian rasch und wollte sich vorbei drücken, doch der große Hüne hielt ihn zurück.
"Auch noch frech werden, häh?" Er stieß Thymian vor die Brust, der keuchend nach hinten taumelte. "Da, Jungs, der hat scho sein Schwert gesogen, der will Ärger." Der Mann deutete auf Thymians Schwert in der Hand, das sich leider nicht verstecken ließ.
"Ich will keinen Ärger.", wiederholte der Wächter ruhig.
"Häh! Willst Ärger, häh? Willst dich schlagen, ja? Häh! Häh!" Bei jedem 'Häh' stieß er Thymian grob vor die Brust. Und dann brüllte er ein lautes "Uaaargh!" und ging auf den hilflosen Rekruten los. Thymian hob abwehrend die Hände und hoffte auf sein Glück...
Der Mann keuchte laut. Das Schreien übernahm Vico.
"Du hast ihn umgebracht!", rief er aus und wollte die Hände übereinander schlagen, doch sein Schwert hinderte ihn.
"Ich bin nich tot, du Trottel.", gab der angebliche getötete Mann zurück, aber bei den Worten atmete er ruckartig und sein Gesicht war fahl geworden. Thymian hatte mit zitternden Händen das Schwert umklammert und hochgerissen, in das der Hüne mit voller Wucht hineingelaufen war. Nun ragte die Spitze aus seiner Schulter heraus. Ganz langsam trat der Mann zurück und presste sich die Hand auf die Wunde.
"Ohhhh, das ganze Blut!" Rekrut van Vermeer taumelte, sein Gesicht wurde bleich, als er das Blut an der Klinge sah, für einen Moment rang er noch mit sich, dann ging er zu Boden. Thymian selber war zu schockiert über seine offensichtliche Tat, dass er nur dastehen und nach Luft schnappen konnte.
"Macht ihn fertig.", presste der verletzte Mann mühsam hervor. Ein weiterer stämmiger Kerl trat vor, packte Thymian am Uniformkragen und hob ihn langsam hoch, so dass der Rekrut hilflos einige Fußbreit über dem Boden baumelte.
"Lass das Schwert los.", befahl der Saufkumpane und seine Hand legte sich um Thymians Hals.
"Das äh geht leider nicht, weilurghs." Er röchelte und strampelte mit den Füßen, doch der Mann hielt ihn gerade so weit weg, dass er nicht getroffen werden konnte (was nicht weiter schwer ist mit baumstammdicken langen Armen).
"Du has meinem Freund wehgetan, also tu ich dir jetzt auch weh.", knurrte der Hüne und drückte weiter zu. Der dritte Mann trat hinter Thymian und versuchte diesem währenddessen vergeblich das Schwert zu entreißen. Das einzige Resultat, was er erzielte war ein schmerzhaftes 'Knack' in Thymians Hand.
Zu dem Schmerz gesellten sich schwarze Flecken, die vor den Augen des Rekruten tanzten und langsam an Dichte zunahm. Das war es also, fuhr es Thymian durch den Kopf. Man geht durch eine Gasse, wird angerempelt, danach erwürgt und schließlich eine weitere Zahl in der Statistik. Oder so...
"He, Freundchen, willst du dich nicht mit einem in deinem Format anlegen?", rief da plötzlich jemand. Thymian konnte nicht erkennen, wer es war, aber der Griff des Mannes lockerte sich ein wenig.
"Verschwinde, Püppchen.", schnauzte der verletzte Mann, hielt dann aber inne und schien nachzudenken. "Oder komm her und wir amüsieren uns etwas."
"Verdammt, da sind noch mehr von denen.", sagte der Kerl, der Thymian versucht hatte, das Schwert zu entreißen.
"Lasst ihn los oder dieser freundliche Troll hier wird euch zeigen, dass er auch sehr unfreundlich werden kann.", erwiderte eine weitere Stimme.
"Ja, wir euch machen zu Mus." Es klang wie gemahlener Stein. Schmerzhaft machte Thymian Bekanntschaft mit dem Straßenpflaster, als er fallen gelassen wurde. Er sah nicht einmal auf, war ganz damit beschäftigt seine Lungen mit neuer Luft zu füllen und den Schmerz in der Hand zu ignorieren. Das Klatschen von Schuhen, die sich schnell entfernten, verklang allmählich.
"Da habt ihr aber noch mal verdammtes Glück gehabt.", sagte eine weibliche Stimme. Jemand half ihm auf und Thymian bedankte sich eilig. Als er seinem Retter ins Gesicht sah, bemerkte er, dass es eine Elfe war. Einer Elfe in Uniform.
"Äh...", begann Thymian, weil er so etwas noch nie gesehen hatte. Weder eine Elfe, geschweige denn eine Elfe in Uniform.
"Ich bin Gold Moon. Und das da sind Zad, Kami und Mala." Sie wies hinter sich auf zwei Vampire und einen Troll, die mit gezogenen Waffen da standen und die Umgebung musterten. Einer der untoten Wächter beugte sich soeben über den ohnmächtigen Vico und rüttelte ihn wach.
"Junge, erst Rekruten und schon in solchen Schwierigkeiten.", brummte der Vampir namens Zad und trat zu Thymian. Mit einer Kopfbewegung deutete er zu dem Kurzschwert in Thymians Hand. "An deiner Stelle würde ich nicht mit der Waffe in der Hand durch die Schatten laufen. Mich würde ja eigentlich interessieren wie es dazu kam, aber wir sind auf dem Weg zu einem Einsatz."
"Wer ist wir?", fragte Thymian Pech nach und versteckte seine Hand mit dem Schwert hinter seinem Rücken.
"Wir sind die Elite.", antwortete der junge Mann und half Vico auf die Beine, der sich an den Wächter klammerte.
"Wir sind F.R.O.G.'s.", fügte die Elfe hinzu und zwinkerte Thymian verschmitzt zu. Und so schnell wie die Wächter scheinbar aus dem Nichts gekommen waren, genauso schnell verschwanden sie auch wieder in dem Dunkel der Gasse. Thymian blieb noch eine Weile stehen und sah ihnen nach. Das waren richtige Wächter... tapfer und draufgängerisch...
"Hast du dir schon Gedanken gemacht, wo du nach der Ausbildung hin willst?", fragte der ehemalige Narr.
"Oh ja.. zu Vin- äh D.O.G.", verbesserte sich Vico rasch und stellte sich neben Thymian, während er seine Kleidung mit wehleidigen Blick auf Schmutz und Dreck untersuchte.
"Ich glaube, ich möchte zu F.R.O.G.", gab Thymian mit einem verträumten Ausdruck im Gesicht zurück.
"Äh, bei allem Respekt, Engelchen, aber ich glaube nicht, dass du ähm so geeignet für F.R.O.G. wärst.", erwiderte Vico van Vermeer vorsichtig. Thymian sah ihn unschuldig fragend an.
"Warum nicht?"
"Nuuuuun... also, ich habe gehört, bei denen braucht man Nerven aus Stahl.", erklärte der Rekrut noch vorsichtiger.
"Aber ich habe Nerven aus Stahl." Thymian sah in das Gesicht seines Kollegen. "Ganz bestimmt.. irgendwo.." Er legte den Kopf nachdenklich schief. "Ganz kleine und dünne vielleicht?"
"Höchstens aus Baumwolle, Schätzchen, höchstens aus Baumwolle." Vico tätschelte aufmunternd Thymians Rücken und lächelte entschuldigend, während der ehemalige Narr enttäuscht die Schultern hängen ließ. "Aber Baumwolle ist nicht schlecht. Was für hübsche Pullunder man daraus machen kann. Und so warm und weich und.. Thymian? Herzchen?" Vico sah neben sich. Sein Kollege war verschwunden. "Lass mich hier nicht allein..", flehte er und blickte sich suchend um. Zumindest hatte er ein Schwert in der Hand. Wenn nur nicht dieser fürchterliche Kleber so jucken würde...
"Ich werd dir zeigen, dass ich Nerven aus Stahl besitze." Thymian stand vor der Türe der Kneipe aus der vorhin die drei Männer gekommen waren. "Ich werde jetzt hier reingehen.. und.. und.." Der Rekrut rang innerlich mit sich. "..ein Bier bestellen.", beschloss er endlich.

Die Luft war stickig, heiß und abgestanden, ranzig von Schweiß und Bier. Ein Dutzend grobschlächtige Männer sahen mit nur halb offenen Augen zu Thymian auf und wandten sich dann wieder ihrem Bier zu. Dumpfes Stimmengewirr hang in der Luft, an einem Tisch saßen drei Krieger mit riesigen Waffen und spielten Zigarren paffend Karten. Mit aller Vorsicht schlängelte sich der junge Wächter an den anderen Gästen vorbei zur Bar und winkte dem Wirt einige Male zu bis sich dieser dazu herab ließ zu ihm zu kommen. Kunde war schließlich Kunde.
"Ja?", brummte dieser.
"Äh.. ein, äh Bier." Thymian lächelte, fröhlich dass er es geschafft hatte, etwas zu bestellen. Ohne ihn weiter eines Blickes zu würdigen, ließ der Wirt einen großen Humpen aus Blech auf die Theke krachen.
"Dein Bier." Die Worte mehr ein Brummen in den dunklen Bart. "Aber steck lieber das Schwert weg, es sei denn du willst hier Ärger. Wächter sind hier sowieso nicht gern gesehen."
"Aber doch sicher Narren.", mischte sich eine andere Stimme ein. Thymian sah neben sich und bemerkte mit Erstaunen, dass dort ein Mitglied seiner allwöchentlichen Teegesellschaft stand: Der fröhliche Kurt.
"Ist mir egal, ob Narr oder nicht. Du hast ne Uniform, also biste nen Wächter. Sieh dich besser vor.", mahnte der Wirt und wandte sich wieder seinen anderen Gästen zu. Kurt sah grinsend zu Thymian.
"Das ist aber nett, dass du mich und das Unsichtbare Frettchen besuchen kommst.", begann er und setzte gleich an einem Witz zu erzählen.
"Besuchen? Bist du etwa oft hier?" Thymian schob den schweren Krug zu sich und nippte an dem Bier. Es schmeckte furchtbar, wie jedes Bier, das er bisher getrunken hatte. Besonders das letzte, er erinnerte sich nur ungern daran.
"Natürlich! Natürlich! Jeden Tag bin ich hier, ist doch keine Sache." Der fröhliche Kurt deutete in den Schankraum und kicherte leise. "Und du? Und du?" Er betonte dabei jede Silbe, als würde er gerade zur Pointe seines Witzes kommen.
"Ich.. ich wollte nur ein Bier bestellen." Der Rekrut wies zu seinem Krug und sah dann verlegen zu Boden. "Um zu beweisen, dass auch ich Nerven aus Stahl habe." Einige Männer drehten sich misstrauisch um, als Kurt lauthals zu lachen begann und sich vor Vergnügen auf die Schenkel klopfte.
"Ha! Was für ein großartiger Witz! Wenn den meine Untergrundorganisation erfährt!" Thymian wurde rot im Gesicht, als er sah, dass sich selbst der Fröhliche Kurt, einer seiner 'Freunde', darüber amüsierte. "Siehst du die Männer dort?", fragte Kurt plötzlich. Thymian schluckte und nickte. Die drei riesigen Krieger mit ihren Waffen und lautem Gegröle waren weder zu übersehen noch zu überhören. "Das wäre wirklich mutig, das würde beweisen, dass du Nerven aus Stahl hast."
"Äh, was?" Der Wächter sah ihn leicht nervös an und trank noch etwas von seinem Bier.
"Wenn du zu ihnen hingehen und mit ihnen Karten spielen würdest.", sagte Kurt und Thymian verschluckte sich so sehr an seinem Bier, dass ihm Tränen aus den Augen liefen.
"Das wäre purer Wahnsinn! Nie im Leben!", weigerte er sich und sah den Fröhlichen Kurt entsetzt an, der nur kicherte. Thymian sah zu den drei Männern am Tisch, dem einen lief soeben das Bier wieder aus dem Mund und er prustete es über den ganzen Tisch, während die anderen sich gegenseitig auf die Schultern klopften. Ihre breiten Oberarme waren deutlich zu sehen, sie strotzten förmlich vor Kraft, während Thymian immer noch Mühe hatte das Schwert zu halten. Seine Hand schmerzte höllisch. "Das wäre.. ich gehe nicht zu diesen, diesen.. Gestalten und spiele Karten.", beharrte der Rekrut leise.
"Natürlich, hihi, die Leistung ein Bier zu bestellen war ja schon riesig. Richtgehend phänomenal! Ein Kunststück! Eine Bravur!", ereiferte sich sein 'Freund'. "Nicht wahr, Frettchen? Wir können doch alle tüchtig stolz auf unseren ehemaligen Narrn sein." Thymian seufzte. Eines musste man Kurt lassen, wenn er wollte, konnte er noch direkter als Herr Kaninchen (ein weiteres Mitglied der Teegesellschaft, zu der Thymian jede Woche einmal hinging) sein. Aber im Grunde hatte er ja Recht. So würde nie ein richtiger F.R.O.G. aus Thymian werden. Noch nicht einmal ein Anwärter für F.R.O.G.. Lachend würden sie ihn wieder nach Hause schicken...
Er musste Mut beweisen. Er musste zeigen, dass er auch Nerven aus Stahl besaß.

Vico van Vermeer stand vor der Türe der Kneipe und vor einer schwierigen Entscheidung. Sollte er zu seinem Freund und Kollegen gehen und ihm, bei was auch immer, beistehen oder hier auf ihn warten? Allein.. und in der Kälte. Der Rekrut sah sich um, er war alleine in der Straße, würde er nun überfallen werden, wäre niemand da, um ihm zu helfen. In Gedanken maßregelte er sich schnell selber. Er war Wächter, er würde schon klar kommen. Außerdem hatte er ein Schwert.
Vico gab es ungern zu, aber damit fühlte er sich ein Stück sicherer. Wenn es nur nicht so unhandlich, hässlich, dreckig und schwer wäre. Ein letztes Mal versuchte der Wächter es vergeblich abzuschütteln, aber der widerliche Kleister in seiner Hand war stärker. Vico sah wieder zum Eingang der Schenke. Wer weiß, ob Thymian nicht in Schwierigkeiten steckte. Aber andererseits waren sicher lauter gefährliche Männer an diesem Ort. Schwitzende, sich prügelnde, rohe, starke... Männer...
"Schätzchen, ich helfe dir. Ich bin gleich bei dir." Vico van Vermeer kontrollierte noch einmal sein Aussehen und trat dann in die Kneipe, um sich dort gleich ein Seidentuch mit der freien Hand vor die Nase zu halten. "Dieser Geruch.." Der Rekrut reckte den Kopf und versuchte Thymian irgendwo in dem Gedrängel auszumachen, das sich um einen Tisch gebildet hatte. Vorsichtig trippelte er zu den hinteren Reihen und tippte zögernd einen Mann in der Nähe an. "Ach, entschuldigen Sie meine Manieren, aber wozu dieser Andrang?" Der Angesprochene sah zu Vico, betrachtete ihn von oben bis unten und verzog dann abschätzend das Gesicht.
"So nen Wächter wie du spielt bei Otte, Ump und Erbse mit. Wir wetten, wer am Ende gewinnt.", brummte er. Der Rekrut drängte sich durch die Umstehenden bis zu dem Tisch vor, wobei er sein Schwert dicht am Körper hielt. Otte, Ump und Erbse erwiesen sich als drei Barbaren, die allesamt Karten in den großen Händen hielten. In der Mitte des Tisches lagen bereits einige Spielkarten, sowie eine Menge an Münzen. Und ihnen gegenüber, zusammengesunken auf einem kleinen Hocker, saß Thymian Pech, die Stirn kraus ziehend und seine Karten studierend. Der größte Teil des Geldes lag bei ihm.
Aufgebracht zwängte sich Vico zu seinem Kollegen und zupfte ihm am Ärmel.
"Was tust du da?", flüsterte er mit hysterisch unterdrückter Stimme. Thymian aber nickte nur freundlich.
"Ich sitze hier und spiele Karok.", erwiderte er und als der entsetzte Ausdruck in Vicos Gesicht nicht verschwand, fügte er hinzu: "Keine Sorge, das Glück ist auf meiner Seite."
"Hör zu, ich glaub dir ja, dass du Nerven aus Stahl hast, aber wir wollen doch beide noch etwas länger leben, nicht wahr?", redete Vico in einem leisen beschwörenden Tonfall auf Thymian ein, der soeben seine Karten hinblätterte. Einer der Krieger grunzte etwas unverständliches, der andere hieb feste auf den Tisch.
"Warum gewinnste dauernd? Da stimmt doch was net.", sagte in diesem Moment einer der drei.
"Ich habe eben Glück.", erwiderte Thymian und griff mit der freien Hand nach dem Geld, doch er zuckte rasch wieder zurück, als ein Dolch zitternd im Holz stecken blieb. Vico zupfte eindringlich an Thymian, der aber anscheinend immer noch nicht den Ernst der Lage begriffen hatte.
"Du hast bisher jedes Spiel gewonnen, das is mir noch nie untergekommen.", fügte der dritte hinzu. Er hatte den Dolch geworfen und hebelte ihn nun wieder, nur ein Fingerbreit von Thymians Hand entfernt, aus dem Tisch. Misstrauisch beäugte er den jungen Rekruten, während Vico van Vermeer versuchte Thymian vom Hocker hoch zu ziehen.
"Ich denke, wir sollten jetzt gehen. Es war ein sehr netter Abend... Haben wir schon Abend? Die Zeit vergeht immer sooo schnell, meine Herren."
"Und ich denke, du spielst falsch, Bursche!" Der Krieger war aufgesprungen und deutete anklagend auf Thymian. "Niemand kann so viel Glück haben!"
"Aber, das stimmt nicht. Ich hab wirklich-", begann der Rekrut und hob hilflos die Hände.
"Da! Und was soll die ganze Zeit das Schwert in deiner Hand? Ist das ein hinterhältiger Trick oder ahntest du etwa schon, dass man dich enttarnen würde? Aber das Ding da nutzt dir jetzt auch nichts mehr." Die Männer um den Tisch herum wichen respektvoll beiseite, als zwei der Barbaren den Tisch umstießen. Spielkarten flatterten umher, Münzen rollten über den Boden der Kneipe, was einen kleinen Tumult auslöste, da die Hälfte der Personen sich auf das Geld stürzten und die andere Hälfte diese davon abzuhalten versuchten. "Wir haben hier einen Falschspieler unter uns!"
"Falschspieler!", rief auch der zweite Krieger erbost. Vico nutzte die chaosartige Situation und zog Thymian kurzer hand mit sich, der gerade zu einer weiteren Erklärung hatte ansetzen wollen. Sie wanden sich durch die Menge rasch zur Türe, irgendwo zersplitterte klirrend ein Glas.
"Los, nichts wie raus aus diesem schrecklichen-", begann Vico van Vermeer, als ihn plötzlich jemand unsanft am Kragen packte und herumriss. Er starrte genau in das schmutzige, ekelhafte Gesicht eines der Barbaren.
"Ihr kommt hier nicht so ungeschoren davon. Ein Wächter darf sich auch nicht vor den Gesetzen drücken."
"Unseren Gesetzen." Der zweite Barbar grinste breit und rieb mit der flachen Hand über seine geballte Faust.
"Aber, meine Herren-", versuchte es Vico ein zweites Mal.
"Ich versichere, ich habe nie falsch-", probierte es auch Thymian, doch beide wurden harsch unterbrochen.
"Jetzt zeigen wir euch mal, wie man in den Mittlanden mit Falschspielern umgeht."

"Ich glaube, ich weiß jetzt, warum mein Onkel nie wollte, dass ich mein Glück bei der Spielergilde versuche."
"Das freut mich ungemein für dich..." Eine Hand reckte sich aus dem Schlamm und eine von oben bis unten mit Ankh Schlamm beschmierte Gestalt zog sich zum Ufer. "Sieh dir das an! Diesen schrecklichen Geruch bekomme ich nieeee mehr raus." Mühsam robbte der Mann, mit einem Schwert in der Hand, weiter weg vom Fluss und strich dabei immer wieder hektisch über seine Kleidung. "Wenn sich das rum spricht! Dabei wollte ich dir nuuur helfen und das ist nun der Dank dafür." Der Mann sprang auf und sah mit schreckensgeweiten Augen an sich hinunter. "Wie furchtbar, sieh dir das an! Diese Kleidung ist ruiniiiert!" Er rieb sich mit der freien Handfläche über die Stirn. "Ich glaube, das ertrag ich nicht. Thymian, steh mir bei, es könnte sein, dass ich ohnmächtig werde."
Eine weitere schmächtige Gestalt saß hilflos auf der Ankhkruste und versuchte nicht weiter einzusinken (bzw. einzubrechen).
"Ich versuche es ja.." Der Mann patschte unbeholfen im Schlamm herum, sein Gesicht und auch seine Haare waren mit einer dicken Schicht Dreck bedeckt, so als hätte man ihn mit dem Gesicht zuerst in den Fluss gedrückt. Ein Teil der blonden Strähnen standen ihm zu Berge und er hatte ein blaues, zugeschwollenes Auge. Er zog mühsam eine Hand aus dem Schlamm, die ein ebenso dreckiges Schwert umklammerte. "Meine Hand pocht so komisch. Ist das normal?" Er versuchte zum Ufer zu gelangen, brach dabei aber nur mehr ein, stolperte, landete wieder mitten im Ankh und rührte sich nicht.
"Thymian? Engelchen?" Der Mann am Ufer sah nervös zum Fluss und rieb währenddessen an seiner Kleidung und jammerte bei jedem neuen Fleck, den er sah. Plötzlich fuhr der Junge im Ankh wieder aus seiner Starre und schrie laut auf.
"Mich hat irgendwas berührt!" Er wühlte sich hektisch durch den Schlamm und kroch in Panik auf das Ufer zu. "Irgendwas kleines, Bewegliches. Genau hier." Der junge Mann entblößte seinen dreckverschmierten Unterarm und der andere wich entsetzt zurück.
"Oh, das gaaaanze Blut!" Er griff sich an die Stirn und fiel dramatisch zu Boden.
"Nein, das ist noch von diesen Falschspieler Bestrafungsmethoden, die uns die Männer gezeigt haben, aber irgendetwas hat mich berührt und jetzt brennt und juckt es dort." Der junge Mann sah nach unten. "Vico? Vico, übertreib nicht. Ich glaub... ich.." Der Mann wankte kurz, fing sich aber wieder. "Ich..." Er kippte endgültig nach vorne und begrub den zweiten Mann unter sich. Eine Stille entstand, die weder peinlich noch unangenehm war, da betreffende Personen sie überhaupt nicht zu Notiz nahmen.

Nach wenigen Sekunden tastete sich Vicos verschmutzte Hand hervor und drückte den Körper seines Kollegen vorsichtig von sich.
"Thymian?" Der Wächter beugte sich über ihn und rüttelte an dem jungen Mann. Keine Reaktion. Mit zitternden Fingern strich Vico über die Brust von Thymian zu seinem Herzen und wartete. Nichts. Es war nicht zu leugnen. Thymian Pech, Freund und Kollege, atmete nicht mehr. Jetzt durfte er nur nicht in Panik geraten. Er musste die Ruhe bewahren. Andere Wächter verständigen. Nicht in Panik geraten...
Ein spitzer Schrei trieb laut und markerschütternd über den Fluss.

"Ist er tot? Ist er tot?"
"Nein, Vico, lass mich bitte nur meine Arbeit machen.", knurrte der F.R.O.G. Abteilungsleiter zurück. Sie hatten Thymian gemeinsam in eines der Betten im Schlafsaal gelegt, konzentriert beugte sich Humph MeckDwarf nun über ihn und murmelte leise etwas. Das Gesicht des Rekruten war bleich, die Lippen farblos und aufgeplatzt. Wie ein Untoter, dachte Vico und erschauderte. Überall lag der Schmutz und Dreck, den sie von draußen herein getragen hatten. Im Schlafsaal war es kalt und fröstelnd schlang er sich in die kratzige Decke. Er sehnte sich nach frischen Kleidern und einem ausgiebigen Bad.
"Er muss schon verdammtes Glück haben, um diese Vergiftung zu überstehen, was genau ist passiert?", fragte der Leutnant und hielt weiterhin seine Hand über das Gesicht von Thymian.
"Wir äh kamen in Konflikt mit einigen Kartenspielern, natürlich ungerechterweise, die drei netten Herren brachten uns ihre Strafen für Falschspieler näher und irgendwie.." Vico rümpfte die Nase, als er an seiner Kleidung roch. "landeten wir im Ankh. Fürchterlich, sage ich nur. Fürchter-lich!", rief er aus und dehnte dabei das Wort lange. "Und dann hat Thymian anscheinend irgendetwas im Ankh berührt, ich weiß nicht was und dann fiel er plötzlich um und ich war ganz allein und es war schrecklich.", schloss er seinen Bericht. Humph sah nicht zu ihm, er war vollends konzentriert, in seine Stirn hatten sich tiefe Furchen der Anstrengung gegraben. Der Rekrut saß nun verstummt neben ihm, beobachtete fröstelnd das Geschehen und hoffte, dass sein Kollege bald wieder eine Regung von sich geben würde. Endlich schien sich das Gesicht des Leutnants zu entspannen und er lehnte sich zurück.
"Er wird wieder gesund.", verkündete er, aber sein Lächeln war nur schwach. Der Heilungsprozess hatte ihn Kraft gekostet. "Ein Glück, dass du sofort Claudette getroffen hast und ihr ihn hierher gebracht habt, ein paar Minuten, vielleicht nur Sekunden und es wäre zu spät gewesen. Ich denke, ich weiß, was ihn so vergiftet hat."
"Ja, Sir?" Vico van Vermeer sah den ranghöheren Wächter neugierig an, doch dieser tippte nur auf sein Froschabzeichen an der Uniform.
"Der morporkianische Krustenbrecherfrosch.", erklärte Humph MeckDwarf auf die verwirrten Blicke des Rekruten hin. "Sehr schnell, sehr tödlich. Das Gift muss über die Verletzung an seinem Arm ins Blut eingedrungen sein. Ein Wunder, dass er es überlebt hat, ich kenne niemanden, der das tat." Er überlegte kurz. "Genau genommen kenne ich aber auch niemanden, der überhaupt von einem Krustenbrecherfrosch angegriffen wurde. Zumindest keine Personen." Der Leutnant stand auf und warf noch einen Blick auf Thymian, der nun flach zu atmen schien. "Ich hoffe, das ist euch eine Lehre."
"Aber Sir, diese drei Barbaren-", versuchte sich Vico zu verteidigen, wurde aber sofort unterbrochen.
"Bevor ihr in irgendwelche Kneipen geht oder an andere zwielichtige Plätze, würde ich euch raten euer Schwert nicht zu ziehen. Das ist doch schon beinahe eine Einladung für solche Möchtegernkrieger einen Streit vom Zaun zu brechen. An deiner Stelle würde ich mich nicht so sehr auf eine Waffe verlassen. Guck, du umklammerst sie jetzt ja noch." Mit einem Kopfnicken deutete der Abteilungsleiter auf das Schwert in Vicos Hand.
"Aber-"
"Ihr Rekruten verlasst euch zu sehr auf euer Schwert." Er schüttelte tadelnd den Kopf und ging durch den Schlafsaal. Kurz vor der Türe drehte er sich noch einmal um. "Denn wenn es dann soweit ist und ihr eure Waffe verloren habt oder sie euch im Kampf abhanden gekommen ist, dann steht ihr da und seid leicht zu Besiegen. Hab ein Auge auf deinen Kollegen, er soll sich auskurieren. Und stellt nicht schon wieder irgendwelche Dummheiten an. Ich bin nicht immer da, um euch zu heilen.", ermahnte er und verschwand irgendetwas murmelnd aus dem Raum [1].
Vico seufzte und verfluchte innerlich diesen Tag, diesen gewissen Korporal, diesen gewissen Kleber und auch dieses gewisse Schwert in seiner Hand. Er war sich mittlerweile sicher, dass Korporal Sidney ihnen das nur aus purer Bosheit aufgetragen hatte, denn die Übung war, jedenfalls in Vicos Augen, weder sinnvoll noch lehrreich. Er dachte kurz nach. Lehrreich vielleicht schon, mittlerweile schwor er sich, nie mehr ein Schwert in die Hand zu nehmen. Es brachte nur Unglück. Aber dafür müsste er es erst einmal abbekommen. Vico sah zu Thymian, der friedlich schlief, das Gesicht immer noch bleich und den Arm verbunden, aber er sah dafür halbwegs lebendig aus. Mit Ekel erfüllt, betrachtete Vico van Vermeer seine Kleidung und Grauen überkam ihm. Er spürte, er würde ein Bad brauchen, ein sehr sehr langes Bad. Und neue Kleidung. Und Parfüm. Besonders Parfüm, er musste irgendwie diesen Gestank überdecken. Probeweise versuchte der Rekrut seine Kleidung abzustreifen, um vielleicht notdürftig zu duschen, aber das Schwert an seiner Hand verhinderte sehr effektiv, dass er sich von der Kleidung befreien konnte. Im Gegenteil bei dem Versuch, riss er durch seine Ungeduld ein Loch in den Stoff.
Vico seufzte, er war schon am Boden zerstört, so dass es nicht einmal mehr für einen entsetzten Aufschrei reichte. In diesem Moment regte sich Thymian auf dem Bett, stützte sich auf und sah sich verwundert um.
"Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Korporal Sidney hat uns Kleber auf die Hände geschmiert und Schwerter an uns festgeklebt." Er sank zurück auf sein Kopfkissen und rieb mit der Hand über seine Stirn. Prompt stieß er sich mit dem Schwertgriff.
"Es ist leider kein Traum.", erwiderte Vico. "Wie geht es dir?", fragte er. Thymian nickte nur und richtete sich unbeholfen auf. "Äh, Schätzchen, Leutnant MeckDwarf hat gesagt, du sollst liegen bleiben und dich auskurieren."
"Mir geht es schon viel besser, ganz bestimmt. Der Abteilungsleiter von F.R.O.G. war hier? Bei mir?" Thymian strahlte.
"Ja und er war nicht sehr erfreut." Das Strahlen verschwand abrupt. Als Vico Thymians enttäuschte Miene sah, erzählte er rasch, was vorgefallen war.
"Ein Frosch? Der vom F.R.O.G. Abzeichen?" Vico nickte nur und stand auf, wobei die Decke nach hinten fiel und wie eine leere Hülle in sich zusammen sackte. "Ich glaube, uns bleiben nun zwei Möglichkeiten. Entweder wir bleiben beide hier sitzen, in dreckigen Kleidern, ungewaschen, mit einem Schwert in der Hand und warten bis der Kleber nachlässt.. oder" Thymian setzte ein gewinnendes Lächeln auf. "wir suchen einen Weg, den Kleber aufzulösen und uns endlich von diesen Schwertern zu befreien."
"Der Leutnant drückte sich sehr klar aus, du sollst dich hier auskurieren.", wand Vico ein. "Wir können doch einfach-"
"Es geht mir wirklich gut und draußen an der frischen Luft werde ich sicher noch mehr gesund." Der ehemalige Narr sah die zweifelnden Blicke seines Kollegen. "Äh, na ja, Hauptsache man kann atmen."

"Nein, ich denke, da kann ich euch nicht weiterhelfen." Jack Narrator schüttelte vehement den Kopf. "Für so etwas ist mein Labor nicht ausgerüstet, außerdem möchte ich lieber nicht an einer von Schnapper entwickelten Mixtur herumexperimentieren." Er lächelte entschuldigend. "Ich glaube auch nicht, dass Sidney es gut heißen würde, wenn ich aus Versehen dadurch das Labor und einen nicht unbeträchtlichen Teil des Wachhauses in eine andere, kurz nicht existente, Form bringen würde."
"Aber seit wann kümmert dich denn, was Sidney sagt?", versuchte es Vico und legte all seinen Charme in die Frage, die jedoch ohne Wirkung an Jack abprallte.
"Gar nicht.", gab er zurück. "Aber ich würde mein Labor gerne noch etwas weiter intakt halten. Versucht es doch einmal bei der Alchemistengilde, sagt einfach, Jack hätte euch geschickt." Er taxierte beide kurz. "Und äh ein Bad wäre empfehlendwert." Thymian murmelte etwas, nickte, dankte dem anderen Rekruten und beide Wächter gingen wieder aus dem Wachhaus Kröselstraße, gefolgt von eindeutigen Blicken, Kichern und lautem Lachen, was ihr Aussehen mit sich brachte.

Ein alter Alchemist namens Herr Farior hatte sie bei der Gilde mit einem Stirnrunzeln und anschließendem Nasenrümpfen empfangen und sie dann in das Labor gebeten. Soeben hielt er Vicos Hand, betrachtete kritisch den Schwertgriff und die darum gebogenen Finger, schnüffelte nach dem Kleber, verzog aber sogleich das Gesicht, da der Gestank des Flusses alles überdeckte. Schließlich ließ er Vicos Hand los und straffte sich.
"Keine Sorge, das kriegen wir hin.", versicherte er. Ihm fehlten seine Augenbrauen, aber sein Haar war grau, was ihn bereits als sehr guten Alchemisten qualifizierte: Er hatte überlebt. "Das kriegen wir wieder hin. Im Handumdrehn."
"Äh, Herr Farior, die Hand sollte möglichst dran und heil bleiben.", wand Thymian ein. Der Alchemist kommentierte dies mit einem weiteren Stirnrunzeln und er hätte sicherlich seine Augenbrauen nachdenklich zusammen gezogen, hätte er noch welche besessen.
"Dann dauert es etwas länger. Ich muss etwas zusammenmixen, aber ihr könnt mir dabei zur Hand gehen. Ähem, ähem.", machte Herr Farior, es sollte wohl ein Lachen darstellen.
"Wie lange wird das dauern?", fragte Vico.
"Nicht lange, nicht lange." Der Alchemist ging zu einem hohen Regal, wo eine Menge kleiner und großer Flaschen bereit stand. "Überhaupt nicht lange." Scheinbar wahllos nahm er eines davon, überlegte kurz, griff nach einem zweiten und dritten bis er mit einem wahren Berg an Fläschchen zurück zum Labortisch stapfte und sie dort weit weniger vorsichtig ablud, als man sich eigentlich wünschen würde.
"Meinst du, wir tun das richtige?", flüsterte Thymian zu seinem Kollegen.
"Er ist Alchemist, er wird schon wissen, was er-" Vico hielt inne und überdachte seinen letzten Satz. "Hoffen wir einfach das Beste, ich will nur endlich endlich dieses fürchterliche Schwert von meiner Hand haben."
"Ich verstehe mein Hand-werk. Ähem, ähem." Herr Farior kicherte leise, hatte einige Tropfen aus einer Flasche in einen Tiegel gegeben und träufelte nun eine weitere Flüssigkeit dazu. Es zischte kurz und der Alchemist rieb sich geschäftig die Hände an seinem grauen Kittel ab, der genau an diesen Stellen riesige Flecken und einige Brandlöcher aufwies.
"Möchte jemand einen Witz hören?", fragte Thymian und wartete nicht lange auf Antworten.
"Also eigentlich...", versuchte Vico noch ihm ins Wort zu fallen.
"Treffen sich zwei Pantomimen. Sagt der eine."
"Okay, was sagt er?", fragte der andere Rekrut zurück, als Thymian nicht weiter sprach.
"Nichts, er ist ja Pantomime.", schloss Thymian triumphierend. Eine kurze Stille machte sich breit, in der sich Vico zu einem gequälten Lächeln zwang. "Es ist ein amtlich genehmigter Witz.", verteidigte sich der ehemalige Narr.
"Ich glaube genau da liegt das Problem, Engelchen."
"Ups.", sagte in diesem Moment Herr Farior. Sofort fuhren beide Wächter entsetzt herum. "Äh, nichts passiert.. nur interessante Reaktion." Eine ocker-blaue Rauchwolke stieg über dem Tiegel auf und hüllte beinahe den gesamten Kopf des Alchemisten ein.
"Äh.."
"Mal sehen, was passiert, wenn ich etwas aus dieser Flasche dazu gebe.", war eine Stimme aus dem Dunst zu vernehmen, es zischte und brodelte, merkwürdig fluoreszierende Blasen bildeten sich und zerplatzten an der Decke. Die Rekruten sahen zur Decke, wo sich bereits überall seltsame Verfärbungen und Verwerfungen gebildet hatten, darauf hatten sie beim Eintreten nicht geachtet.
"Ich glaube, ich möchte diese Salbe nicht ausprobieren.", beschloss Vico.
"Salbe? Das muss getrunken werden.", entgegnete Herr Farior. "Habt ihr danach nicht händeringend gesucht? Ähem. Ähem." Es machte leise 'Flurp', als er augenscheinlich irgendein Blatt in dem übrigen Gebräu verschwinden ließ. "Und jetzt erhitzen, köcheln lassen, zehn Minuten ziehen, trinken."
"Äh.." Vico tat einen Schritt zurück. "Ich glaube.."
Der Alchemist trat mit dem brodelnden Gefäß durch den Raum zu einer Feuerstelle in der Mitte und schüttete die Flüssigkeit unter weiteren Qualmbildungen in einen Topf über dem knackenden und knisternden Feuer.
"Nur Geduld, gleich ist es fertig."
"Ist dieses äh Rezept erprobt?", hakte Thymian nach. Beide Wächter wichen respektvoll zurück zur Türe hin.
"Oh ja, mehrfach, mehrfach.", erwiderte Herr Farior und ging geschäftig um das Feuer herum. "Und ich spüre, dieses Mal stehe ich vor dem entscheidenden Durchbruch. Dieses Mal wird es funktionieren!!" Er wollte wohl ein verrücktes, markerschütterndes 'Hiaihahahahaha!!!!!' ausstoßen, aber es gelang ihm nur ein lautes Räuspern. Die Rekruten wichen nun nicht mehr respektvoll zurück; sie rannten.

In der Alchemistengasse war, wie schon so oft, ein lauter ohrenbetäubender Knall zu hören, gefolgt von einem Beben und Poltern. Die Leute in der Straße machten sich noch nicht einmal die Mühe aus dem Fenster zu schauen. Aus den Überresten des Gildengebäudes wankten einige zerrissene Gestalten.
"Ich glaube, wir können von Glück sagen, dass wir das überlebt haben.", sagte die erste. Die Kleidung hing in Fetzen an ihr herunter, das Gesicht war rußgeschwärzt, die Haare standen zu Berge, ein blaues Auge war zu sehen sowie ein verbundener Arm, dessen Bandagen ebenfalls wieder dreckig und zerrissen waren. In der Hand hielt die Person ein Schwert.
"Herr Farior, dein Rezept solltest du lieber noch einmal überdenken." Die zweite Person, sah ebenso verdreckt und abgerissen aus, nur legte sie besonders viel Wert in eine klagende Stimme und rief laut nach einem Bad und ihrem Schneider, in der rechten Hand umklammerte sie verkrampft ein Schwert.
"Ich denke, das ist nicht von der Hand zu weisen. Ähem, ähem." Der rußgeschwärzte Mann in den Überbleibseln eines ehemals grauen Kittels hustete und stieß einen kleinen Rauchkringel aus seinem Mund. Strafende Blicke ereilten ihn und rasch empfahl er den anderen beiden Personen neben sich, doch zu einem Schmied zu gehen. "Dort kann man euch sicher weiterhelfen."

'Tuk Klingenspalter, Meister seines Faches.', las Vico laut von einem Holzschild ab. "Schätzchen, das ist doch eine Zwergenschmiede. Lass uns lieber eine richtige suchen gehen."
"Ach, ich bin sicher, man kann uns dort genau so gut weiterhelfen. Das Glück ist auf unserer Seite.", erwiderte Thymian und sah zu dem Gebäude. Es gab anscheinend einen Vorraum für Kunden und daneben die Arbeitsstätte der Zwerge, eine kleine Hütte mit einem riesigen Schornstein, der Rauch und Qualm ausspuckte. Von innen waren Schleif- und Hammergeräusche zu hören.
"Ich weiß nicht so recht.. ich will doch nur ein Bad, ein schönes langes, vor allem langes Bad. Vielleicht eine Woche lang." Vico seufzte, aber Thymian ließ sich nicht beirren und trat durch die kleine, augenscheinlich nur für Zwerge gemachte, Türe. Im Inneren lehnten an jeder Wand riesige Streitäxte, zweischneidige Äxte, Wurfbeile, verzierte Äxte, und vor allem Äxte. In jeder Variation und Ausführung. Hinter einer Theke stand ein Zwerg mit einem langen gepflegten Bart und sah die Neuankömmlinge misstrauisch an.
"Ja?", hielt er sich nicht lange mit Höflichkeit auf. "Wenn ihr nur betteln wollt, dann verzieht euch wieder. Tuk Klingenspalter gibt nichts von seinem Gold her."
"Äh, wir sind von der Stadtwache.", erklärte Thymian. Der Zwerg lachte dröhnend.
"Hah, sehen so die neusten Uniformen aus?" Er hielt sich den etwas rundlichen Bauch und lachte und lachte, so dass zwei weitere Zwerge in den Raum traten, sie wechselten kurz in ihrer Zwergensprache einige Wörter und begannen dann auch lauthals zu lachen.
"Könnten wir vielleicht zum Geschäft kommen?", unterbrach Vico, der inzwischen auch eingetreten war. Das Wort 'Geschäft' ließ die Zwerge verstummen und Habgier leuchtete in ihren Augen auf.
"Möchtet ihr eine Waffe kaufen? Ich habe da sehr schöne Äxte.. auch für Menschen geeignet.", begann der Zwerg an der Theke.
"Nein, wir äh möchten eher etwas loswerden." Thymian hob seine Hand mit dem Schwert, die Zwerge zogen darauf ihrerseits sehr rasch sehr große Äxte und knurrten etwas, so dass Thymian gezwungen war hastig ihr Problem zu schildern, was weitere Lachanfälle bei den Zwergen hervorrief.
"Auf solche Ideen kommt auch nur ihr Menschen." Der Zwerg wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und strich seinen Bart wieder glatt. "Leg deine Hand auf die Theke.", forderte er Thymian auf. Etwas zögerlich befolgte der ehemalige Narr es, neugierig beugte sich der Zwerg über das Schwert und betrachtete es eingehend.
"Ah, es wurde schon mit Blut eingeweiht, wie ich sehe.", sagte er in einem anerkennenden Tonfall.
"Das war ein Versehen!", platzte es aus Thymian hervor, er hatte deswegen immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn dieses auch durch die Würgemale an seinem Hals geschmälert wurde.
"Gut, ich denke, Tuk Klingenspalter bekommt das hin, das Schwert lässt sich entfernen. Stemm dich mit den Füßen gegen die Theke, wenn ich 'Jetzt' rufe.", sagte der Zwerg.
"Äh.. moment.. ich-"
"Jetzt!!", schrie Tuk Klingenspalter und Thymian schrie gleichzeitig auf, als der Zwerg an dem Schwert zog. Er prallte gegen die Theke und beschränkte sich auf ein lautes Schreien, da sich seine Füße schmerzhaft gegen das Holz gedrückt hatten und er das Gefühl bekam, sein Arm würde ihm ausgerissen. "Halt still!", rief der Zwerg und keuchte unter der Anstrengung, die anderen Zwerge kamen zu ihm gelaufen und zogen beide wiederum an Tuk Klingenspalter, während Vico Thymian zu Hilfe kam und seine Chance sah ihn festzuhalten.
Bis schließlich etwas nachgab. Aber es war nicht das Schwert, sondern Thymian, der von der Kraft der Zwerge wortwörtlich über den Tisch gezogen wurde. Er stolperte auf der anderen Seite hinunter, den drei Zwergen entgegen und ein großer Pulk an Schwert, Zwergen und Menschen sammelte sich hinter der Theke. Tuk Klingenspalter stieß einen zwergischen Fluch aus, es klang wie ein Knurren.
"Nimm... deine.. Hand da weg.", gab Thymian gepresst hervor und richtete sich auf.
"Oh, entschuldigung, ich weiß gar nicht wie die da hingekommen ist.", erwiderte Vico und wurde von einem Zwerg beiseite geschoben.
"Wir könnten die Schwerter wieder einschmelzen.", schlug einer der beiden Gehilfen vor.
"Ich will meine Hand noch behalten.", fiel ihm Vico van Vermeer ins Wort. Die Zwerge machten darauf ein enttäuschtes Gesicht, als Tuk plötzlich aufsprang.
"Ich habs! Wenn es mit Hitze nicht gehen kann, dann sicher mit Kälte.", rief er aus. Die beiden Rekruten sahen sich fragend an, als sie auch schon von den Zwergen in den Hinterraum gebeten wurden. Zögerlich folgten sie den Zwergen, die sie durch einen Gang zur Schmiede führten. Hitze schlug ihnen entgegen, ein Blasebalg wurde von zwei weiteren Zwergen hoch und runtergedrückt, um das Feuer in Gang zu halten. Überall liefen geschäftig die Gehilfen herum, beschlugen Metall oder formten es. In einer Ecke stand ein großes Becken aus Stein, randvoll mit Wasser. Verwunderlich waren nur die kleinen Eisplättchen, die auf der Oberfläche trieben.
"Hier befindet sich das kälteste Wasser in ganz Ankh-Morpork.", verkündete Klingenspalter nicht ohne Stolz. "Wir benutzen es zum Abkühlen der heißen Waffen, aber es hat noch andere Verwendungszwecke.."
"Äh ja?", fragte Vico.
"Es ist so kalt, dass es oft zufriert, aber auch so klar und sauber, dass wir darin die Waffen reinigen und von jedem Schmutz befreien können. Ich bin sicher, der Kleber würde sich auch lösen.", erklärte der Zwerg.
"Äh ja-ahhhhhhhhhhh!!!" Vico kreischte laut, als Klingenspalter einfach seine Hand mit dem Schwert nahm und in das Eiswasser drückte. Panisch wollte er gleich darauf seine Hand wieder heraus ziehen, als er ins Stolpern geriet. Vico wollte sich noch an Thymian festhalten, aber riss stattdessen einen Fetzen aus dem Uniformhemd heraus und stürzte dann kopfüber mitten in den Bottich. Sein Aufkreischen ging in ein Blubbern und lautem Platschen unter, als er wild um sich schlug und sich herumwälzte. Weitere Zwerge kamen über den Tumult angelaufen und klagten lautstark über die Verschmutzung des Wassers. "Zieht mich raus! Zieht mich raus!", rief Vico. Thymian ergriff schnell seine ausgestreckte Hand, deren Finger sich verkrampft in Thymians Haut bohrten. Plötzlich kippte der Rekrut vorn über, zum Becken hin.
"Was machst du da?! Du ziehst mich mit rein!" Verzweifelt versuchte er sich zu lösen oder abzustützen, aber er hatte das Schwert in der anderen Hand und somit keine Möglichkeit dazu. Eisiges Wasser schwappte über den Rand des Beckens und bespritzte die umstehenden Zwerge, als auch der zweite Wächter schreiend, jammernd und kreischend im Bottich verschwand.

Ein Zittern und Beben war nun in der Schmiede zu hören, etwas klapperte. Schlotternd und frierend stand Vico da, die Zwerge hatten sie mit einigen Mühen heraus gezogen. Seine Zähne klapperten unkontrolliert und er zitterte am ganzen Leib, während das Eiswasser langsam auf den Boden tropfte. Neben ihm, nicht minder durchnässt, stand Thymian, der sich immer noch beschwerte, dass ihn sein Kollege mit hinein gezogen hätte.
"Mir reicht es jetzt!" Mit funkelnden Augen sah Vico zu Thymian und richtete dann anklagend seinen Finger, wenn auch dabei sehr zitternd, auf ihn. "Du bist an allem Schuld."
"Iiich? Aber wieso denn ich?"
"Du wolltest ja nicht friedlich im Wachhaus warten bis diese Übung vorbei ist, nein, du musstest unbedingt mitten durch die Schatten gehen und danach in diese Kneipe. Und nicht genug, du hast sogar Karten mit diesen.. diesen Verbrechern gespielt. Es ist nur deine Schuld, dass wir im Ankh gelandet sind. Sieh dir doch mal meine Kleidung an, meine Haare, meine Hände! Alles dahin. Da steckte wochenlange Arbeit dahinter!"
"Äh, beruhig dich doch, Vico." Thymian trat einige Schritte nach hinten, Richtung Ausgang, aber Vico folgte ihm.
"Alles ruiniert, meine schöne Kleidung und Maniküre.. nur wegen dir! Und du musstest ja auch noch zu den Alchemisten gehen und als wäre das nicht genug, auch noch in diese Schmiede. Jetzt bin ich nicht nur dreckig, stinke nach Ankh und wäre beinahe am lebendigen Leibe verkohlt, nein, jetzt bin ich zusätzlich auch noch klatschnass!", ereiferte sich der Rekrut weiter in einem hysterischen Tonfall.
"Ja, aber-", versuchte Thymian auch zu Wort zu kommen.
"Alles ruiniert.. alles ruiniert..", verfiel Vico in leises Jammern. Dann sah er zu dem Schwert in seiner Hand und schließlich wieder lange zu Thymian. Ein süffisantes Lächeln erschien auf Vicos Lippen.
"Oh nein, tu das nicht. Wir sind doch Freunde, Vico. Wir können doch über alles reden.." Thymian stolperte nach hinten und hob abwehrend die linke Hand. "Du wirst doch nicht.. lass das Schwert sinken, Vico."

Es war später Abend in Ankh-Morpork, auf dem Platz der gebrochenen Monde räumten gerade die letzten Marktverkäufer zusammen. Einige Passanten überquerten den Platz auf dem Weg nach Hause oder zur nächsten Kneipe. Die abendliche Ruhe wurde nur durchbrochen von zwei merkwürdigen Gestalten, die wie zwei schnelle Uhrzeiger um den äußeren Rand des Platzes ihre Runden drehten. Die erste Gestalt immer ein paar Schritte voraus.
"Und das ist für meinen seidenweichen Schal, der jetzt irgendwo im Ankh treibt!", rief Vico van Vermeer, der bereits lauthals keuchte und schnaufte. "Und bleib gefälligst stehen, damit ich dich treffen kann."
"Erst.." Thymian Pech japste nach Luft, bevor er weiter sprach. "wenn du dich wieder beruhigt hast."
"Ich will mich nicht beruhigen. Ich fange gerade erst an. Und das ist für meine eingerissenen Fingernägel!" Mit einem schwungvollen Streich fuhr Vico mit seinem Schwert in der Hand durch die Luft, verfehlte aber seinen Kollegen. Thymian blieb stehen und schöpfte nach Atem, als Vico weiter unbeholfen mit dem Schwert nach ihm schlug, genauso unbeholfen wehrte er es ab. Die Waffen krachten aufeinander, mehrmals hinter einander wiederholte sich das Hin und Her bis beide Wächter nur noch taumelnd und erschöpft angriffen und abwehrten.
"Und.. und das ist für.. für." Vico überlegte und hieb müde nach Thymian. "Für meine zerstörte Frisur!"
"Du.. wiederholst dich.." Dann hielt der Wächter plötzlich inne. "He, ich habe eine Idee."
"Genau, das ist für all deine Ideen, die mich von einem schrecklichen, furchtbaren Erlebnis ins nächste gebracht haben." Der Rekrut schlug halbherzig nach vorne, doch das Schwert glitt nur an der Breitseite des anderen ab.
"Nein, warte mal.." Thymian keuchte. "Der Korporal hat doch gesagt, der Kleber wäre von Schnapper hergestellt worden. Vielleicht hat er auch ein Gegenmittel.", schlug der Wächter vor. Vico hielt inne und schien nachzudenken. "Und äh schlimmer kann unser Zustand nun auch nicht mehr werden.", setzte Thymian nach. Nach einer Weile des Nachdenkens nickte Vico schließlich.
"Ich will doch nur ein Bad nehmen.. und neue Kleidung.. und diesen unglückseligen Tag hier für immer vergessen." Er schniefte leise. "Und wie finden wir nun Schnapper?"
"Ich glaube, er ist oft auf dem Hier-gibt's-alles-Platz.", antwortete Thymian und gemeinsam schlurften sie müde, in abgerissener Kleidung und immer noch nass, aber durch das Laufen zumindest nicht mehr frierend, dort hin. Sie hatten Glück, Treib mich selbst in den Ruin Schnapper war gerade dabei seinen Bauchladen zusammen zu räumen und aufzubrechen. Als er die beiden Wächter auf sich zukommen sah, beeilte er sich noch ein wenig schneller.
"Ich verschenke nichts.", sagte er hastig.
"Wir sind keine Bettler. Wir sind Rekruten der Stadtwache.", gab Vico zurück. Schnapper musterte sie kurz. Sein Blick sprach buchstäblich Bände [2].
"Oh, wenn das sooo ist. Wollt ihr ein Würstchen? Nur ein Dollar und damit treibe ich mich selbst in den Ruin.", verkündete er und öffnete seinen Bauchladen wieder. Der Geruch von alten, ekelhaften Würstchen trieb zu den Wächtern hinüber und schaffte es kurzzeitig sogar den Gestank des Ankh zu durchdringen.
"Äh, nein danke. Wir ähm haben da ein kleines Problem.", begann Thymian. Seit dem Erlebnis bei den Zwergen war er nicht sehr erpicht darauf, erneut ausgelacht zu werden. Schließlich erzählte er die Geschichte mit dem Schwert doch, wobei Schnapper seine Meinung davon für sich behielt. Vermutlich wollte er einfach seine möglichen Kunden nicht verärgern. "Und da du ja den Kleber hergestellt hast, dachten wir, du würdest vielleicht auch ein äh Gegenmittel dafür haben, etwas, dass ihn auflöst.", schloss Thymian. T.M.S.I.D.R. Schnapper schwieg kurz, man konnte förmlich das Rotieren seiner Räder im Kopf hören.
"Oh ja, natürlich habe ich das. Soeben erst fertig gestellt, ein einmaliges Angebot! Aber euch Wächtern gebe ich es zum Sonderpreis von nur 5 Ankh-Morpork Dollar und damit treibe ich mich selbst in den Ruin!", pries er seine Ware an, die Rekruten nickten darauf rasch. Hauptsache sie würden das Schwert endlich loswerden. "Gut, reich mir die Hand.", forderte Schnapper und zögerlich tat Thymian wie geheißen, auch hier hatten die Methoden der Zwerge einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen [3]. Der Händler und Unternehmer beugte sich vor und für einen kurzen Moment sah es so aus, als ob er dem Rekruten die Hand küssen wolle, aber er pustete nur einmal kurz darauf und zerrte dann an den Fingern, die das Schwert hielten. Und plötzlich, zur großen Verblüffung aller Anwesenden, lösten sich ganz langsam die Finger und gaben den Schwertgriff frei, nun nur noch mit einer zähen Masse verbunden. Schnapper zog weiter daran und begleitet von einem sehr merkwürdigen Geräusch [4] trennte sich die Waffe von der Hand.
"Ein Wunder!", rief Thymian erstaunt aus, reckte seine Hand empor und bewegte die Finger leicht.
"Oh ja.", pflichtete Schnapper schnell bei. "Ist es nicht unglaublich, was der Atem von T.M.S.I.D.R. Schnapper vermag? Und das alles nur schon für fünf Dollar."
"Thymian..", wand Vico ein, der die ganze Zeit über daneben gestanden hatte.
"Wirklich ein wahres Wunder, wenn wir da nur früher drauf gekommen wären. Ich fühle mich gleich viel leichter.", bestätigte der Angesprochene gerade. Hinter Schnappers Stirn schienen darauf weitere Räder ihre Aktivität aufgenommen zu haben.
"Thymian.."
"Ja, was denn?", fragte dieser zurück und kramte das Geld für Schnapper aus seiner dreckigen mit Schlamm gefüllten Uniformtasche hervor. Schnapper zögerte kurz und nahm dann doch eine Handvoll Schlamm, Gräser, Asche und weiteren Unrat an, nicht zuletzt, weil sich zwischen alldem ein paar Münzen befanden.
"Thymian, gehen wir.", sagte Vico und zog seinen Kollegen beiseite.
"Aber möchtest du nicht auch dein Schwert loswerden? Schnapper hat bei dir noch gar nicht-"
"Schnapper hat rein gar nichts damit zu tun." Vico sah den verwirrten Thymian an. "Herzchen, ich glaube, der Kleber hat einfach aufgehört zu wirken." Und nach diesen Worten zog der Rekrut langsam auch sein Schwert von der Hand und ließ es zu Boden fallen. "Siehst du."
"Oh.." Thymian wirkte ein wenig enttäuscht. "Dass heißt.. wir hätten einfach im Wachhaus sitzen und darauf warten können bis das Schwert von selber abgeht?"
"Das hab ich doch die ganze Zeit versucht dir klar zu machen!"
"Oh."

Sidney schritt prüfend durch die Reihen des frühmorgendlichen Appells. Die Rekruten standen stramm vor ihm, blickten gerade aus und bemühten sich Haltung zu bewahren.
"Da, was ist das? Die Schuhe sehen aber nicht gepflegt aus.", bemerkte der Ausbilder bei einem Rekruten und sah kritisch zu dessen Stiefeln.
"Oh, äh, ja, Sir."
"Morgen will ich da Einwandfreie sehen.", erwiderte Sidney und ging weiter. Ab und zu verteilte er Kommentare zu den einzelnen Uniformen und mäkelte daran herum. "Der Helm sitzt nicht richtig, der muss fester zugezogen werden."
"Aber das schnürt mir die Luft ab, Sir.", beklagte sich der junge Mann.
"Der Helm hat gefälligst zu sitzen! Was ist, wenn dir nun plötzlich ein Troll vom dritten Stockwerk auf den Kopf fällt? Da würdest du dir einen ordentlich fest gezurrten Helm wünschen."
"Ich glaube, da würde ich mir nicht mehr viel wünschen. Außer einem guten Platz auf dem Friedhof."
"Machst du etwa Witze auf meine Kosten, Rekrut?", blaffte der Korporal zurück.
"Nein, Sir, das würde ich niemals wagen." Ein leises Kichern war von irgendwoher zu hören.
"Wer war das??" Rasch schritt Sidney weiter aus.
Schließlich gelangte er zum Ende der langen Reihe... und stockte. "WAS BEI ALLEN HÖLLEN!!", konnte selbst der erste Rekrut ganz vorne noch deutlich vernehmen. "Wie seht ihr denn aus? Was fällt euch ein hier so aufzukreuzen? Was habt ihr bloß angestellt?", fing der Ausbilder an loszupoltern. Im Mittelpunkt seiner Wut standen zwei Wächter. Es mussten zumindest Wächter sein, sonst stünden sie wohl kaum im Hof des Wachhauses, aber ob sie auch etwas Vergleichbares wie Uniformen trugen, ließ sich nicht mehr sagen. Vielmehr wirkte es so, als würde ihre Kleidung nur noch aus Dreck, Schlamm, Ruß und Fetzen bestehen oder zusammen gehalten werden.
"Es blieb leider keine Zeit mehr zum Waschen und Umziehen, Sir.", sagte der erste Rekrut, seine Haare standen zu Berge.
"Leider, so gern ich mich nach einem schönen langen Bad sehne, aber wir hatten noch etwas wichtiges zu erledigen, lieber Herr Korporal."
"Das interessiert mich einen feuchten Kehricht! MARSCH, IN MEIN BÜRO!!", donnerte Sidney und ging mit zorniger Miene voraus. Er hatte gute Lust den beiden eine kräftige Standpauke angedeihen zu lassen und sei es nur, um seine Laune an diesem Morgen zu heben.

Im Stechschritt wanderte Sidney zwischen Thymian und Vico in seinem Büro hin und her und bedachte beide mit strengen Blicken.
"Ja, ich habe gesagt, dass ihr Streife gehen sollt, aber ich habe ganz sicher nicht gesagt, dass ihr euch von einem Abenteuer ins nächste stürzen sollt!! Was habt ihr euch dabei bloß gedacht?! Und wo sind eigentlich eure Schwerter?" Der Korporal verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah die Rekruten funkelnd an. "Und warum grinst ihr so? Was ist daran so komisch, häh? Und dieser Gestank ist ja fürchterlich." Er trat ein paar Schritte zurück. Von draußen waren gedämpft die Unterhaltungen der anderen Rekruten zu hören, sowie anscheinend das Stimmengewirr einer Menge, die sich wohl draußen auf der Straße vorm Wachhaus eingefunden haben musste. Mittendrin eine unverkennbare Stimme.
"Kauft Schnappers Wunderatem! In handlichen Tüten verpackt, für nur 7 Dollar und damit treibe ich mich selbst in den Ruin. Es hilft auch erstklassig bei Gewichtsproblemen, selbst die Stadtwache schwört auf dieses Mittel!"
Krachend schloss Sidney das Fenster und in dem Büro wurde es ein wenig stiller.
"Also, ich will, dass ihr euch jetzt erst einmal wascht und saubere Uniformen anzieht. Euer Anblick ist eine Schande für jedes Wachemitglied! Und danach will ich ausführlich hören, was ihr nun schon wieder angestellt habt. Ich bin sicher, das wird einige saftige Strafarbeiten geben." Er sah noch einmal zu den zwei Rekruten. "Weggetreten!"
"Ja, Sir.", erschall es wie aus einem Mund.
"Und grinst nicht so blöde!"
"Ja, Sir." Aber noch ehe Korporal Sidney etwas darauf erwidern konnte, drückten sich die beiden auch schon rasch aus seinem Büro. Der Ausbilder seufzte. Nur Flausen im Kopf diese jungen Tunichtgute. Wie sollten aus denen bloß mal vernünftige Wächter werden? Ächzend ließ sich der Korporal auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen... und erstarrte augenblicklich.

Auf dem Flur im Wachhaus war plötzlich ein lautes Gebrüll zu hören, gefolgt von einer erbosten Stimme.
"Thymian Pech und Vico van Vermeer, SOFORT in mein Büro!!!!"



[1] Es klang wie 'Schon das zweite Mal'

[2] Er besagte folgendes: Ist das nicht das gleiche?

[3] Daraus entstand folgendes Sprichwort: Biete Zwergen nie deine Hand an, sie ziehen dich damit nur über den Tisch

[4] Man stelle sich in diesem Zusammenhang Gummistiefel vor, mit denen man langsam durch zentimeterdicken Schlamm geht.




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