Es gibt zwei Sorten Ratten: Die hungrigen und die satten. Die satten bleiben vergnügt zu Haus, Die hungrigen aber wandern aus. (Heinrich Heine: Die Wanderratten)Hungrig erwachte das kleine braune Nagetier. Durch die schmalen Ritzen im Holz drang diffuses Licht in seine Behausung, dass von dem allgegenwärtigen Staub reflektiert wurde. Fast konnte man annehmen, dass kleine Nebelschwaden durch sein Nest zogen. Der Geruch von feuchten, modrigem Holz stieg in seine Nase. Der Nager räkelte sich noch einmal und begann mit seiner Morgentoilette. Die kleinen Pfoten fuhren über sein Gesicht, die Schurhaare und andere Körperstellen, die hier besser nicht beschrieben werden. Das Gefühl von Hunger regte sich, immer stärker mahnend, in dem kleinen Magen des Tieres und so beschloss es, mit Futtersuche zu beginnen. Gerüchteweise hatte er von einem Raum in der Wache gehört, in dem im wahrsten Sinne des Wortes Milch und Honig fließen sollen. Ein Schlaraffenland für seine Spezies, die sich mit den Menschen den Lebensraum teilte.
[1] Viele seiner Bekannten und Verwandten machten sich auf, dieses 'gelobte Land' zu finden, doch keiner kehrte zurück um näheres davon zu berichten.
Es wäre bestimmt ungefährlicher gewesen, seinen Hunger während der Nachtstunden zu stillen, aber man konnte es sich eben nicht aussuchen, wann einen dieses täglich wiederkehrende Gefühl übermannte.
'Jetzt gaaaaanz langsam und vorsichtig!', dachte das braune Nagetier, als er seinen Kopf aus dem kleinen Loch in der Bodendiele, nahe des Wachetresen steckte.
Viele Personen gingen in diesem seltsamen Gebäude ein und aus und gerade diese Tatsache machte die ganze Geschichte für ihn sehr gefährlich.
Ein ungenutztes Lagerhaus oder eine Scheune auf dem Land wäre zweifelsohne ein angenehmerer Lebensraum für die Ratte gewesen. Die Nahrungsbeschaffung wäre vielleicht nicht unbedingt einfacher, aber es wären nicht so viele Menschen anwesend gewesen, die ihm ans Fell wollten.
[2] Er war nun einmal eine Stadtratte! In den Abwasserkanälen der Stadt wäre das Leben für ihn vielleicht auch leichter gewesen, aber für einen Nager von Stand kam dies auf keinen Fall in Frage.
[3]. Aber selbst unter den Stadtratten gab es Unterschiede. Viele seiner Verwandten zogen in die Nähe eines Gebäudekomplexes, in dem sehr viele dicke und bärtige Menschen wohnten, die sich in seltsamen Gewänder kleideten und spitze Hüte trugen. Komischerweise veränderten sich alle nach einer Weile, kleideten sich wie Menschen und wollten nichts mehr mit ihren Artgenossen zu tun haben.
Es wurde auch immer schwieriger für Seinesgleichen unbeschadet den Tag (oder die Nacht) zu überstehen. Gerüchte von kleinen Menschen, die ganz wild darauf waren sie zu verspeisen, machten in seiner Gemeinschaft die Runde. Schauergeschichten von noch kleineren Humanoiden, die durch die dunklen Abwässerkanäle streifen und viele von ihnen töteten, wurden unartigen Rattenkindern erzählt wenn sie mal wieder nicht auf die Erwachsenen hören wollten.
[4]Mit einem kurzen Sprint überwand er die frei Strecke und drückte sich eng an den unteren Rand des Tresens. Die Ratte hielt kurz inne.
'Ich bin ein Meister der Tarnung, ich verschmelze mit meiner Umgebung. Keiner der Großen wird nach unten blicken', betete das Nagetier lautlos.
[5] "Guten Morgen, ich will mich beschweren!", ertönte es über ihm.
"Guten Morgen Frau Willichnicht, was können wir denn heute Morgen für sie tun?", entgegnete eine körperlose Stimme.
"Die Glocken der Gilden läuten nicht zur selben Zeit!", empörte sich die 'Geisel' der Stadtwache.
Ein feuchter brauner Fleck am Boden zog seine Aufmerksamkeit von dem Gespräch auf sich.
[6] Vorsichtig schnupperte er daran.
'Ahh, die Braune-Flüssigkeit-die-munter-macht!', schoss es ihm durch seinen kleinen Kopf.
'Vielleicht sogar mit Zucker drin, wenn ich Glück habe!'"Nein, da können wir überhaupt nichts machen. Das ist Gildenangelegenheit.", erwiderte die Stimme erneut. "Vielleicht unterbreiten Sie ihr Anliegen dem Patrizier."
"Gildenangelegenheit, ihr seid doch die Stadtwache, dass muss in eurer Zuständigkeit liegen......", erboste sich Frau Willichnicht.
Aus irgendeinem Grund waren plötzlich viel weniger Menschen in dem Vorraum und die Ratte entschloss sich, frisch gestärkt von dem geheimnisvollen Getränk, weiter durch das dunkle Gebäude zu streifen. Auch der mächtiger werdende Hunger trieb ihn der weiter.
Im schnellen Zick-zack-Kurs überquerte er lange freie Flächen, immer darauf bedacht, nicht zuviel Aufmerksamkeit zu erregen.
Gekonnt bewegte er sich durch das wiederentstehende Gewirr von Stiefeln und Füßen. Es herrschte nun wieder rege Geschäftigkeit in der großen Vorhalle, nachdem die geheimnisvolle alte Dame gegangen war. Manches Mal glaubte Ratte, ein Aufblitzen in den Augen einiger Wächter zu erkennen.
'War das möglich?', gesehen konnten sie ihn nicht haben.
'Und gerochen? Nein, normale Menschen hatten keinen so ausgeprägten Geruchssinn!', entschloss er sich und hoffte inständig damit richtig zu liegen.
Nach zwei weiteren Metern erreichte er einen rettenden Spalt in der Wand. Gedämpfte Stimmen drangen durch das Holz an seine spitzen Ohren. Vorsichtig schlich sich die Ratte voran, zu einem anderen Ausgang in der Wand.
"Irina, was hältst du davon, wenn wir nächste Woche ein paar Stunden waffenlose Selbstverteidigung in den Dienstplan einbauen?", sagte ein Mensch halb hinter den auf seinem Schreibtisch gestapelten Papieren und Gegenständen verborgent.
"Ich finde es gut. Wir könnten danach gleich eine Ausbildungsstunde Erste Hilfe ranhängen. Das würde sich doch anbieten, oder?", erwiderte Fähnrich Lanfear verschmitzt.
'Hunger, Huuuuunger!', hämmerte es in seinem Kopf.
Irgendwo in diesem vermaledeiten Haus musste es doch etwas Essbares geben!
"Wo hab ich nur meine handschriftlichen Aufzeichnungen über die Vernehmung des Zombies, der uns letzte Woche so viele Probleme bereitet hat. Rina hast du sie vielleicht?", fragte Daemon.
"Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum Suchen!", entgegnete Irina dem inzwischen völlig von Papier verdeckten Daemon. "Keine Ahnung, wo du ihn in deinem 'Bermuda-Dreieck für Berichte' hingelegt hast."
Der Nager musste es in den hinteren Bereich des Wachhauses schaffen, denn dort sollte das Büro sein in dem immer Nahrung zu finden ist. Die Ratte nahm all ihren Mut zusammen und setzte zu einem weiteren Sprint durch das vor ihr liegende Büro an. Sie musste des öfteren auf dem Boden liegenden Papieren und Gegenständen ausweichen. Das rettende Loch, dass durch die Wände in den zweiten Stock führte konnte nicht weit sein! Doch was war das? Kurz vor dem Eingang des Loches stand ein, zum größten Teil aus Holz bestehendes, Gebilde. Auf dem schmalen Holzbrett waren massive Drähte und eine gespannte Feder angebracht. Das Wichtigste war jedoch, dass jemand einen Krumen Brot auf dem zweiten Drittel darauf gelegt hatte. Das Wasser lief in ihrem Mund zusammen. Er hielt inne, beugte sich vor, schnupperte und.........
"Iiiiiihhhh, eine Ratte!", schrie Fähnrich Lanfear.
Erschrocken zuckte das Nagetier zusammen, überquerte die letzten Zentimeter, vorbei an der verlockenden Mahlzeit und verschwand in dem halbrunden Loch.
'Was für eine schrecklich schrille Stimme', dachte er sich. Dies war eigentlich eine der üblichen Reaktionen wenn ihn jemand zu Gesicht bekam, normalerweise folgte aber dem Schrei ein ziemlich schnell fliegender Stiefel oder anderer Gegenstand, der ihn in der Regel nur knapp verfehlte. Doch diesmal schien er Glück gehabt zu haben. Das 'Bumm' des dann aufschlagenden Gegenstandes blieb dieses Mal aus.
Auf Balken, die sich durch den Hohlraum in den Wänden zogen, machte sich Ratte daran seinen Weg, zum Ziel seiner Anstrengungen, zu beenden. Es war ein verwirrendes Durcheinander von Hohlräumen. Manche der Gänge endeten in Sackgassen, aber das Nagetier lies sich davon nicht weiter beirren. Eine durchscheinende Gestalt schwebte nahe seinem Gesicht vorbei und stoppt abrupt, bereits halb wieder aus der Wand getreten, inne. Ein farbloses, durchscheinendes Gesicht erschien direkt vor dem Seinen.
"Waaaaas! Jetzt sind die Ratten schon bis hier hinten vorgedrungen. Husch, husch! Weg mit dir!", sagte Feldwebel Steingesicht unfreundlich und seine substanzlose Hand fegte durch Rattes Körper hindurch. Ein kalter Schauer, der ihm seine Nackenhaare aufstellen lies, durchfuhr den Nager. Von Panik ergriffen setzte er zur Flucht an. Mit kurzen Sprüngen überquerte er einen diagonal nach oben verlaufenden Balken und trippelte, so schnell als möglich -direkt durch das überrascht schauende Gesicht des Geistes- weiter.
"Bäääähhh! ...Igitt! ...Widerlich!.... Eine fette Ratte ist gerade durch mich durchgelaufen!", konnte er die leise verklingenden Worte Steingesichts vernehmen.
'Heute muss hier wohl Hochbetrieb herrschen!. So vielen Leuten bin ich schon lange nicht mehr begegnet. Ich sollte unbedingt meine Streifzüge doch lieber auf die Nachtstunden verlegen!', überlegte der Nager.
'Ich muss in das Büro des geheimnisvollen Dicken gelangen, dass Paradies für eine hart arbeitende Ratte wie mich.'Er setzte seinen Weg durch die dunklen Zwischenräume der Wände fort. Staub und Schmutz bedeckte die morschen Holzbalken. Nach ein paar Metern wurde ihr Weg von halbdurchsichtigen Rohren behindert, die sich ab hier kreuz und quer durch das ganze Gebäude zu ziehen schienen. Ab und zu hörte Ratte ein langgezogenes Geräusch. Es hörte sich an, als ob etwas mit großer Geschwindigkeit durch das Rohr geschossen, dann abrupt gestoppt und ausgeworfen wurde.
[7] Mit dem Laut einhergehend, erkannte Ratte immer wieder ein schemenhaftes Ding, dass vor seinen Augen vorbeihuschte; -ja mit immenser Geschwindigkeit durch das Röhrensystem flitze-. Neugierig betrachte er die vor ihm liegende Szene, bis das Geschoss plötzlich anhielt, ein Türchen an der Röhre öffnete und schließlich dem Rohrpostsystem langsam entstieg.
'Ogottogottogott, dass ist der Rattenkiller aus dem Abwasserkanal!', war sein erster Gedanke. 'Ich bin unsichtbar, ich bin unsichtbar', fing der Nager anzubeten, unfähig dem Drang einer sofortigen Flucht nachzukommen.
Zu seinem Erstaunen schien seine Taktik aufzugehen. Die kleine, sehr drahtige Gestalt lies sich mit einem erleichterten Seufzer ,an einem senkrechtstehenden Balken auf den zerschlissenen Hosenboden sinken. In der Hand hielt das Männchen ein zu einer Rolle gedrehtes Stück Papier.
"So, Pause! Seit sie das Rohrpostsystem vom Pseudopolisplatz an dieses vermaledeite Wachhaus angeschlossen haben kommen wir gar nicht mehr zur Ruhe! Eine Memo von hier - eine Meldung nach da, so geht es den ganzen Tag!", stöhnte der kleine Dämon. "Wollen mal sehen, was diese Schwachköpfe wieder durch den 'Äther' schicken.", brummte der Meldedämon, als er damit begann das Memo zu entrollen. Seine Hand griff in die Brusttasche seines Hemdes und zog eine kleine Lesebrille hervor, die er mit der verspiegelten Sonnenbrille auf seiner Nase austauschte.
"Oh, wie wichtig!", brachte der Dämon hervor. Der ironische Unterton war selbst für die Ratte nicht zu überhören. "Schau dir das mal an!", rief das kleine Wesen aus und fuchtelte mit dem Memo vor Rattes Augen. "Korporal Sydney hat seinen Mondphasenkalender verloren und bittet den Finder ihn am Wachetresen abzugeben. Wegen solchen Lappalien wird unsereins durchs gesamte Rohrpostsystem gehetzt.", und der Meldedämon blickte nochmals zornig auf das Pergament, "Ja genau!!! Natürlich hat er den großen Verteiler verwendet!"
Mit einem weiteren tiefen Seufzer erhob sich der Melder wieder, rollte das Papier und begab sich missmutig wieder in Richtung der Röhre; stieg hinein und mit dem schon oben beschriebenen Geräusch verschwand er in den Tiefen des Systems.
Ein schwerer Stein fiel dem Nager, fast hörbar, vom Herzen.
'Uff! Ich hab gedacht mein letztes Stündlein hat geschlagen.', seufzte die Ratte und versuchte verzweifelt den Pulsschlag ihres kleinen Herzen wieder auf Normalgeschwindigkeit zu bekommen.
Immer noch heftig atmend setzte er seinen Weg durch die Hohlräume in den Wänden des dunklen Wachehauses fort. An einer der vielen Ritzen in der Wand hielt die Ratte inne und lugte in den dahinterliegenden Raum. Zwei Wächter und ein Hund mit violetten Augen waren in dem Büro und bereiteten ihre Ausrüstung vor.
"Du musst sie fester anziehen!", sagte die verärgerte Mumie zu Robin. "Wenn du zu lose wickelst, dann Rutschen die Bandagen!"
"Nefer! Ich ziehe ja, so fest ich kann!", erwiderte Robin. "Ich habe Angst, dass wenn ich noch fester anziehe, quetsche dir irgendwelche lebenswichtigen Organe!"
"Sag mal Robin! Du hast schon bemerkt, dass ich eine Mumie bin, oder?", fragte nefer ihren Helfer sarkastisch. "Mumien haben keine inneren Organe. Zumindest nicht in ihrem Körper. Ich zum Beispiel bewahre meine in vier schön verzierten Gefäßen auf meinem Nachttischschränkchen auf und jetzt zieh an! Ich will schließlich eine gute Figur beim Appell abgeben."
"Sooooo! Es hält und sitzt fest! Jetzt fehlt nur noch deine Dienstmarke und dein Anzug ist perfekt für den Beförderungsappell.", stöhnte Robin angestrengt und fügte hinzu "Ich frage mich, wann wir die Ausbildung endlich beendet haben! Nefer! nefer!!!! Du hörst mir ja gar nicht zu!"
"Dienstmarke! Wo ist meine Dienstmarke? Gerade habe ich sie doch noch gehabt! Robin, du hast doch gesehen, dass ich sie eben noch hatte"
"Also, wenn ich ehrlich bin nefer, hab ich nicht darauf geachtet."
"Ich verlege doch nicht meine Dienstmarke!", entgegnete sie ihm und nefers Stimme wurde dabei immer schriller.
"Bleib ruhi..."
"Ruhig! Ich soll ruhig bleiben! Jemand muss sie gestohlen haben! Ja, hier gibt es Diebe! Räuber!", nefers Stimme überschlug sich bei dem letzten Wort.
"Im Wachhaus wird nichts gestohlen nefer! Das solltest du doch wissen"
"In dieser vermaledeiten Stadt ist doch alles möglich! Sie klauen dir den Eselskarren unter dem Hintern weg, wenn du nicht aufpasst!", und nefer begann wie eine von der Tarantel gestochene Furie den Raum zu durchsuchen. Ein Beobachter hätte fast annehmen können, dass die Gesetze der Schwerkraft nicht in diesem Raum nicht galten Viele Gegenstände schienen plötzlich in der Luft zu schweben, als nefer wie wild begann das Büro zu durchwühlen.
"Nefer, geh doch ein wenig planvoller vor!", mahnte Robin.
"Planvoller! Ha! Ich schwöre dir, ich hab die Marke nicht verloren. Sie wurde gestohlen!"
Von dem wütenden Geschrei wurden einige Mit-Wächter angelockt. Die Türe des kleinen Büros ging auf und ein Kopf lugte hindurch.
"Was ist den hier los?", fragte ein schwarzhaariger Vampir.
"Nefer hat ihre Dienstmarke verlegt, Leo.", antwortete Robin.
"Verlegt?! Sie wurde gestohlen! Ich und meine Dienstmarke verlegen!", rief nefer, halb in einer Truhe verschwunden.
"Also ich würde mich beeilen! In 20 Minuten beginnt der Appell!", sagte Leo und schloss schnell wieder die Türe, bevor ihn einer der herumwirbelnden Gegenstände treffen konnte.
Robin hatte weniger Glück. Hin und wieder prallte ein Gegenstand an seinem Brustharnisch ab und er verfing sich in einigen Kleidungsstücken, denen er nicht so schnell ausweichen konnte.
"Wo hast du sie das letzte Mal gesehen?", fragte Robin, mit der Hand ein Kleidungsstück von seinem Gesicht nehmend.
"Heute morgen, als ich meine Wohnung verlies war sie sicher noch da!"
"Lass uns mal deinen ganzen Weg durch die Wacheräume bis hierher zurückverfolgen, vielleicht finden wir sie ja irgendwo."
Die beiden Wächter verließen das Büro und die braune Ratte wandte ihre Aufmerksamkeit auf eine Möglichkeit auch diesen Raum unbeschadet zu durchqueren. Die kleinen braunen Augen suchten in routinierter Weise den besten Weg. Gefahren wurden mit sicheren Stellen abgewogen und so der beste Kurs durch das 'feindliche Terrain' ermittelt. Die Muskeln des kleinen Körpers spannten sich und bester Sprintermanier raste die Ratte durch den Raum. Wie ein gut ausgebildeter Soldat nutzte der Nager jede Deckung in dem Raum um nicht die Aufmerksamkeit des Hundes zu erregen.
[7a] Ohne Zwischenfälle erreichte er wieder eine Lücke in der Holzwand. Er hatte sogar auf dem Weg ein paar Krümel von Keksen gefunden, die er gierig verschlang. Die kleinen Pfoten der Ratte huschten über kaltes Metall, als er in die Dunkelheit des Spaltes eindrang.
'Was ist den das?' Der Nager schnupperte an dem schildförmigen Abzeichen.
'Das muss die gesuchte Dienstmarke der Bandagenlady sein! Irgendeiner der großen Tollpatsche musste sie mit einem Tritt in den Spalt befördert haben. Die Marke schien ihr wirklich sehr wichtig zu sein', dachte er und kämpfte währenddessen gegen zwiespältigen Gefühlen in seiner Brust. Einerseits hatte er immer noch Hunger, andererseits konnte er ein gutes Werk verrichten und die Dienstmarke, aus dem Spalt wieder in das Büro ziehen, denn hier würde sie sicher niemals gefunden werden. Nach einigen Überlegungen kam die Ratte zu dem Schluss, die Dienstmarke in den Raum zurückzuziehen. Der Entschluss entstand aber nicht nur aus 'reiner' Menschenliebe, sondern hatte vor allem praktische Beweggründe. Die Marke versperrte einen Teil des Fluchtweges. Ein freier Fluchtweg konnte Leben retten wurde ihm schon seit seiner frühesten Kindheit eingebläut. Unter großen Kraftanstrengungen zog das Nagetier die Marke weit in den Raum. Die Nagezähne bissen auf die kupferne Marke und die Ratte erschauderte ein wenig, denn ein übeler metallischer Geschmack breitete sich in ihrem Maul aus.
Noch ein paar Zentimeter und ich hab es geschafft!', dachte Ratte euphorisch als plötzlich innehielt.
'Was war das für ein Geräusch?' , blitzschnell drehte die Ratte sich um und blickte in ein violettes Augenpaar.
Mit einem lauten Knurren hechtete Getier auf die Ratte zu. Die Ratte wich aus und flitze zwischen den Beinen des untoten Hundes hindurch. Getier wendete und setzte dem Nager nach, seine Krallen erzeugten ein schabendes Geräusch auf den hölzernen Bodendielen.
'Verdammt! Ich habe den hässlichen Köter vergessen!', waren die ersten Gedanken der Ratte. Immer wieder hörte sie das Zusammenklappen von zwei großen Kiefern hinter sich. Das Schlimmste an dem Geräusch war aber, dass es immer näher kam!
"Aus Getier!!", rief nefer mit fester Stimme und sofort bremste der Hund. Getier setzte sich auf seine Hinterbeine und wedelte mit dem Schwanz. "Was ist den schon wieder los?"
"He nefer schau mal!", sagte Robin, der kurz nach ihr den Raum betreten hatte. "Dein Hund scheint deine Marke gefunden zu haben!"
Und tatsächlich Getier saß schwanzwedelnd direkt neben der so langgesuchten Dienstmarke.
"Bist ein guter Hund! Ein richtiger Wächterhund!", sagte nefer und kniete sich neben den Hund, der sofort damit begann ihr das Gesicht zu lecken. Nefer hob die Dienstmarke vom Boden und richtet sich wieder auf.
"Ein erstaunlicher Hund, dass muss ich schon sagen! Aber lass uns schnell zum Appell gehen, sonst kommen wir noch zu spät!"
'Was für ein Tag! Das hat man davon, wenn man helfen will wird man zum Dank beinahe gefressen', und immer schwer atmend setzte er seinen Weg duch die Gemäuer des Wachhauses fort. Vorsichtig balancierte der Nager über verschiedene Holzbalken. Die Rattenanatomie erwies sich hierbei als unschätzbarer Vorteil. Balancefehler glich er durch geschicktes Gegenlenken mit dem Schwanz aus und erreichte so, unentdeckt, einen weiteren Raum im hinteren Teil des dunklen Wachhauses.
Angespannt spähte er in den düsteren Raum. Von Zeit zu Zeit hörte er ein schnarrendes Geräusch, dass eindeutig menschlichen Ursprungs war. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das gedämpfte Licht des Büros. Ratte erkannte einen dicken Menschen, der beide Füße auf den Tisch gelegt und die Augen geschlossen hatte. Der Dicke war offensichtlich die Quelle des unsäglichen Geräusches. Aufgeregt machte das Herz des Nagetiers ein Sprung, denn das musste der sagenumwobene Raum des Hauses sein. Ratte erkannte auf dem Schreibtisch einen Teller mit fetttriefendem Schmalzgebäck. Aus einer Tasche, die nahe am Schreibtisch stand, drang ein verlockender Geruch, der eindeutig von liebevoll zubereitenden Schinkenbroten stammte.
[9] Er legte sich bereits wieder gedanklich einen Plan zurecht, wie er die Distanz durch den Raum über die freie Fläche überwinden konnte. Doch was war das? Auch hier lag wieder so ein komisches Holz-Draht-Gebilde, genau vor dem Spalt in der Wand. Dieses Mal jedoch, war anstatt einer Brotkrume, ein saftiges, fettglänzendes Stück weißer Speck daraufgelegt worden. Vorsichtig schnupperte Ratte daran. Das Wasser lief ihm in seiner kleinen Schnauze zusammen und das Knurren in seinem Magen wurde fast hörbar.
'Für was soll dieses Teil denn gut sein?', fragte sich die Ratte.
Vorsichtig ging er einmal um das geheimnisvolle Ding herum. Auf dem Holzstück waren zwei unterschiedlich große u-förmige Stahldrähte befestigt. Eine Feder verband beide in der Mitte und eines dieser U-Stücke wurde zusätzlich von einem Häkchen festgehalten. Das Speckstück wurde verlockend auf einem flachen Metallstück im unteren Drittel des Holzbrettes präsentiert. Das Metallstück war wiederum ,mittels eines Drahtes, mit dem Haken verbunden. Auch ein Probebiss an dem flachen Brettchen ergab keine weiteren Aufschlüsse auf den Zweck der Konstruktion.
'Warum legen die Menschen unser Futter auf solch umständliche Apparaturen? Ich werde aus diesem Mechanismus einfach nicht schlau!'Beinahe bedächtig beugte er sich vor. Seine kleinen Pfoten berührten das unregelmäßig bearbeitete Holz. Er verlagerte sein Gewicht nach vorne und
Klack!!!!!!
"QUIEK!"
Erschrocken wandte sich die Ratte zu der Stimme.
'Was ist geschehen?', er erkannte eine kleine Gestalt mit spitzem Gesicht, ganz in schwarz gekleidet und sehr schlank. Man konnte beinahe sagen, knochig. In der rechten Hand hielt der Tod der Ratten ein kleine Sense und in der Linken eine Miniaturausgabe einer Sanduhr, deren Inhalt völlig in der unteren Hälfte des Glases war.
"QUIEK QUIEK."
Zögernd drehte sich der Nager wieder um.
Erst jetzt erkannte die Ratte, dass sie sich nicht mehr in ihrem Körper befand. Der Nager betrachtete seine leicht durchscheinende Pfoten und blickte, immer noch ein bisschen verwirrt, wieder zu der schwarzen Gestalt.
'Ich soll dir folgen? Wohin?'"QUIEK."
Nebeneinander gingen die Beiden auf ein weiches, helles Licht zu.
'........und du meinst, ich kann dort so viel essen wie ich will!'"QUIEK!"
'Das hört sich seeeehr gut an ...........'Die schlafende Person bekam von dieser ganzen Szene nichts mit. Das Geräusch der klackenden Falle unterbrach für kurze Zeit das Schnarchen, dass aber nach wenigen Sekunden wieder zu seinem alten Rhythmus fand.
[1] genaugenommen teilten die Menschen mit den Ratten den Lebensraum. Die Rattenpopulation in der Stadt überstieg um ein vielfaches die der anderen Spezies. Auch die Zuwanderung von Zwergen nach Ankh-Morpork verringerte das Rattenaufkommen nur unwesentlich. Ratten waren eine der evolutionären Erfolgsstorys in der Geschichte der Scheibenwelt
[2] In diesem Fall war dieser Ausspruch nicht sprichwörtlich, sondern buchstäblich gemeint
[3] Er war eine der wenigen Ratten, der seinen Familienstammbaum bis auf 4321 Generationen zurückverfolgen konnte
[4] Dies war der wahre Grund, warum er nicht in den Abwasserkanälen leben wollte
[5] Ratte kam es sehr entgegen, dass Tod bei der Ausgestaltung des Wachhauses überall seine Lieblingsfarbe miteinfliesen lies.
[6] die menschliche Rasse (und andere Subspezies der Scheibenwelt) geht auf Grund ihrer Arroganz davon aus, dass sie die Einzigen sind, die verbal kommunizieren können. Das lange Zusammenleben der Ratten mit den Menschen führte jedoch dazu, dass diese sehr wohl verstanden, was in ihrem Lebensraum geschah/gesprochen wurde. Außerdem sind Ratten intelligenter als manche glauben.
[7] Das Geräusch ist am besten mit nachstehendem Wort zu Beschreiben: WUUUUUUUUUUSCHschschscssss...........Plop
[7a] in diesem Fall war es nicht besonders schwer Versteckmöglichkeiten zu finden, den die Rekruten hielten anscheinend nicht viel von dem Wort 'Ordnung' und nefers Suchaktion trug einiges dazu bei
[9] Es war auch kalter Zigarrenrauch zu riechen, aber das störte Ratte nicht.
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