Das falsche Blei

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von Wächterin Carisa v. Schloss Escrow (GRUND)
Online seit 29. 08. 2002
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Für Rekruten (zweite Mission):
Es ist zum Verrücktwerden! Ständig verschwinden auf müsteriöse Weise Stifte und Büroklammern von den Schreibtischen. Was steckt dahinter und wo tauchen sie wieder auf?

Dafür vergebene Note: 10

Die Wasserspeierin Carisa betrat das Wachhaus wie fast immer über ein Dachfenster und begab sich in den Wachraum.
Seit fast 3 Monaten war sie bei der Wache und hatte ihre Ausbildung so gut wie beendet. Vor etwa 15 Jahren war sie mit ihrem Vater nach Ankh-Morpork gekommen. Früher hatte sie mit ihren Eltern, einem Troll und einer Wasserspeierin, in den Spitzhornbergen gewohnt. Durch diese Verbindung kam es dazu, dass Carisa ein wenig trolliger war als andere Wasserspeier. Zum Glück war sie nicht zu groß geraten, ihr Aussehen hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Als sie 5 Jahre alt war, starb ihre Mutter bei einem tragischen Unfall. Das war der Grund, warum ihr Vater nach Ankh-Morpork ging. Dort hatte er arrangiert, dass Carisa bei einem befreundeten Wasserspeier eine gute Ausbildung in Stillsitzen und Beobachten bekommen sollte. Ab ihrem 10. Lebensjahr ging sie in die Lehre. Weil ihr die Fertigkeiten, die sie dort lernte, so viel Spaß machten, wollte sie sie auch beruflich nutzen. Carisa hatte gehört, dass die Stadtwache immer Leute suchte, besonders auch solche, die eine gute Beobachtungsgabe hatten. Deshalb hatte sie sich beworben und war genommen worden.
Auf Grund des Alters ihres Lehrers, er hatte schon keine Zähne mehr, war Carisa sehr früh daran gewöhnt worden, keine Tauben etc. zu essen. Ihr Lehrer aß nur breiig geschlagene Steine, sie aß diese am Stück. Das war der Grund, warum Carisa sehr gut mit Tauben umgehen konnte, ein weiterer Vorteil bei ihrer Arbeit in der Wache. Carisas einziges Problem, zu dem sie aber offen stand, war, dass sie im Sommer etwas Probleme hatte klar zu denken, was auf ihre Abstammung zurückzuführen war. Aber als Wasserspeier
musste man ja nicht immer gut kombinieren können und es gab ja genug Leute, die sie fragen konnte, wenn sie mal nicht weiter kam. Für Carisa war das Kommunizieren zum Glück kein großes Problem, da sie nicht den Sprachfehler der Wasserspeier hatte. Sie mochte es sogar sehr mit Leuten zu reden und Informationen zu sammeln.
Wegen ihres Handicaps war der Winter Carisas absolute Lieblingsjahreszeit, denn manchmal fand sie es nicht schön, wenn sie im Regen oder im Gestank saß und dann noch nicht mal klar denken konnte. Carisas liebste Gegend in Ankh-Morpork war dort, wo die Kühlhäuser waren, denn hier konnte sie sich auch im Sommer mal in eine kühle Ecke verziehen. An ihr Leben in der Wache hatte Carisa kaum große Ansprüche, hauptsächlich, dass sie genug Zeit beim Beobachten verbringen konnte, aber auch, dass sie freie Tage hatte, an denen sie ihren Vater besuchen konnte, der mittlerweile in einem Steinbruch in der Nähe seines Geburtsortes arbeitete, nachdem er den Schock verarbeitet hatte, dass Carisas Mutter nicht mehr lebte. In diesem Steinbruch war es seine Aufgabe, darauf zu achten, dass niemand aus Versehen einen Troll abbaut, denn das war ja in den letzten Jahrzehnten oft vorgekommen. Für Carisa wäre dieses Leben in der Wildnis, denn die Steinbrüche liegen ja nicht gerade nahe an großen Siedlungen, absolut nichts mehr, denn wo gäbe es mehr Möglichkeiten zu beobachten, zu sitzen und sich zu geheimen Missionen zu verstecken als in Ankh-Morpork, dieser tollen, lebendigen Stadt.
Im Wachraum wurde rege gearbeitet. Carisa sah sich kurz um und fragte dann laut in die Runde:
"Hat jemand mal zwei Büroklammern und einen Stift für mich?"
Auf diese Frage hin begannen alle Anwesenden zu räuseln, sogar in der hintersten Ecke des Raumes hörte man Suchgeräusche. Erwartungsvoll schaute Carisa in die Runde und dachte dabei, dass sie doch sehr hilfsbereite Kollegen hatte. Dann hörte man von Stump, der an einem Fenster saß, ein leises Fluchen:
"Alle Stifte weg und die Büroklammern auch! Was ist denn hier bloß los?"
Auch von den anderen anwesenden Wächtern kamen nur Kopfschütteln und "tut mir leid, ich hab keine Stifte mehr".
Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür zu Sidneys Büro. In der Öffnung erschien der Kopf von Carisas Ausbilder.
"Hat jemand Carisa gesehen? Ach, da bist du ja, komm mal rein!"
Carisa schaute ihren Ausbilder fragend an und dachte dabei, dass es sich ja nur darum handeln konnte, dass sie etwas falsch gemacht hatte und deshalb erst mal auf eine Beförderung verzichten musste. Blass, wenn man bei Stein überhaupt von blass reden konnte, ging Carisa in Sids Büro und schloss die Tür hinter sich.
"Was gibt es, Sir?"
"Es geht um deine Beförderung..."
Bestimmt klappt es nicht, verdammt, sagte eine innere Stimme in Carisa, was hast du denn falsch gemacht?
"..., deshalb musst du in diesem Fall, den ich vom Patrizier erhalten habe, die Ermittlungen vornehmen und ihn lösen", sprach Sidney weiter.
"Entschuldigung, Sir, warum soll ich den Fall lösen?"
"Sagte ich doch gerade", antwortete Sidney, etwas genervt über die Unaufmerksamkeit der Rekruten, "um demnächst befördert zu werden."
Die Stimme in Carisa fing an zu jubeln. Jipieh, es klappt doch.
"Um was für einen Fall handelt es sich, Sir?" fragte Carisa, jetzt sehr aufmerksam. Sie kramte aus ihrem Rucksack ihren Notizblock heraus.
"Wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, verschwinden hier Büroklammern und Stifte, besonders häufig übrigens Bleistifte."
"Ja, das habe ich mitbekommen, Sir."
"Weil nicht nur hier, sondern in der ganzen Stadt von Schreibtischen diese Dinge verschwinden, sind in der Wache schon unzählige Anzeigen wegen unlizensierten Diebstahls, eingegangen. Betroffen sind die Sekretäre im Palast, in den Gilden und sonst überall, wo Stifte und Büroklammern benötigt werden. Deine Aufgabe ist nun herauszufinden, wer oder was dahinter steckt und wo die Sachen hingelangen."
"Ist es sicher, dass die Diebesgilde nichts damit zu tun hat, Sir?"
"Ja, das würde dir auch klar werden, wenn du mal genauer nachdenken würdest, Rekrutin. Auch die Diebesgilde ist betroffen und außerdem wären dann Quittungen aufgetaucht, wenn sie etwas damit zu tun hätte. Es wäre gut, wenn wir den Dieb vor der Diebesgilde finden, du weißt, wie pingelig genau die Diebe sind, wenn es um unlizensierten Diebstahl geht, selbst wenn es nur Stifte und Büroklammern sind", antwortete Sidney in noch geduldigem Ton seiner Auszubildenden.
"Ich schlage vor, du hörst und schaust dich mal in der Stadt um. Beobachte Schreibtische und Büros, das kannst du ja besonders gut, dank deines früheren Lehrers. Wie geht es ihm eigentlich?"
"So weit ich weiß, hat er mittlerweile das Lehren aufgegeben und hat sich auf einem schönes Stadthaus mit Blick auf den Hide Park eingemietet, ihn könnte ich ja mal fragen, ob ihm etwas aufgefallen ist."
"Das ist keine schlechte Idee, Rekrutin. Ich erwarte, dass du mich ständig auf dem Laufenden hältst und mir mitteilst, wenn du Hilfe brauchst, gerade wenn du jemanden verhaften willst."
"Ist ok, Sir, vollkommen klar. Ich werde mich also umschauen und umhören", antwortete die Wasserspeierin, salutierte und verließ das Büro durchs Fenster. Hinter ihr hörte sie, wie Sidney rief:
"Das nächste Mal benutz bitte die Tür!"

Oben auf dem Dach verstaute Carisa zunächst das Notizbuch wieder. Recht nutzlos, ohne Stift, dachte sie. Wo fang ich denn jetzt an?
Nach einigen Minuten angestrengtem Nachdenkens kam die Halbtrollin zu dem Schluss, dass es auf dem Dach des Wachhauses zu dieser Jahreszeit eindeutig zu warm zum Nachdenken war.
Ja, manchmal schlagen die Gene durch, meldetet die Stimme sich wieder zu Wort.
Irgendwann muss ich wohl auch mal hinter dieser Stimme herforschen, naja, solange ich nicht so wie Insgesamt Ingobert werde, 8 Personen in einem Körper, so wie ich hörte. Ich hab ja zum Glück nur die eine Stimme. Mmm, obwohl, vielleicht war diese Aussage ja gerade ein Hinweis, die Gene. Wer weiß, vielleicht spricht ja Mama zu mir. Ja, das klingt eigentlich gut, mit dieser Erklärung könnte ich sogar leben.
Solchen Gedanken nachhängend begab sich Carisa langsam in Richtung Kühlhäuser, dort würde sie auf jeden Fall besser nachdenken können.

So, wie geh ich denn nun vor? Stifte, hauptsächlich Bleistifte, komisch eigentlich. Wer kann denn so ein Interesse an Bleistiften haben, dass er gleich in der ganzen Stadt welche stiehlt? Naja, ich werde wohl erst mal zu meinem guten, alten Lehrer Gigalith vom Oberen Weg [1]
gehen, der kann mir vielleicht ein paar Tipps geben, gerade was das Beobachten angeht. Wo kommen eigentlich die Stifte und Büroklammern her? Irgendwer stellt so was doch her. Der hat doch bestimmt auch eine Ahnung, wer besonderes Interesse an diesen Dingen haben könnte.
'"Wenn ich nur einen Stift hätte, dann könnte ich diese ganzen Gedanken mal im Notizbuch ordnen", sagte Carisa zu sich selbst.
Schau mal nach, ob es nicht was zum Ersatz gibt, ein Stück Kohle oder so, wies die Stimme Carisa an.
Suchend sah sich die Wasserspeierin um, tatsächlich, da lag ein spitzes Stück Kohle hinter einem Giebel.
Endlich, jetzt wird mein Kopf wieder leerer, Papier ist schon toll, aber irgendwann kauf ich mir so einen Aufnahme-Dämonen, dann muss ich nicht ständig Stifte kaufen, die zerbrechen in meinen Händen ja auch immer so leicht, dachte Carisa
Sie kramte ihr Notizbuch wieder heraus und schrieb:



  • Stifte und Büroklammern verschwinden überall

  • besonders Bleistifte verschwinden

  • Wer hat besonderes Interesse an Stiften und Büroklammern

  • Wer stellt diese Dinge her?

  • Was sehen die Wasserspeier?




  • Nachdem sie alles notiert hatte, sah Carisa sich noch einmal genau um, dann kletterte sie langsam in Richtung Ankh.

    In Ankh angelangt, drehte Carisa sich in randwärtige Richtung und ging auf ein Hausdach zu.
    Ja, hier war es, hier wohnt Gigalith, dachte sie.
    Leise klopfte sie an einem Mauervorsprung. Je älter Wasserspeier wurden, desto mehr zogen sie sich zurück, um möglichst allein ihren Gedanken nachhängen zu können.
    Von hinter der Mauer kam leise ein:
    "'er ist 'a?"
    Carisa dachte zum tausendsten Mal daran, dass sie sich wohl nie an den Sprachfehler der Wasserspeier gewöhnen würde, fürchterlich sowas. Wie gut, dass ich das nicht habe.
    "Hallo, hier ist Carisa", rief sie als Antwort.
    Einige Zeit hörte man kratzende Bewegungsgeräusche, wie sie bei alten Wasserspeiern schon mal vorkamen. Dann erschien an der Mauer der Kopf von Gigalith.
    "'arisa, 'ie schön 'ich 'u sehen", sagte er. Man merkte, dass er sich Mühe gab, klar und deutlich zu sprechen.
    "'omm 'och rein", fuhr er fort, "hab 'ich ja lang 'icht 'esehen. 'as führt 'ich zu 'ir?"
    Langsam folgte Carisa ihrem alten Lehrer in dessen 'Wohnung'.
    "Du weißt ja, dass ich jetzt schon einen Augenblick bei der Wache arbeite und heute habe ich meinen ersten Fall bekommen. Und dazu hab ich ein paar Fragen, bei denen du mir vielleicht weiterhelfen kannst", begann sie ihm ihre Situation zu beschreiben.
    "'a, 'ann frag mal", sagte Gigalith, "'ielleicht 'ann ich 'ir ja 'elfen."
    "Also", fing Carisa an, "zurzeit werden immer wieder Stifte, besonders eigentlich Bleistifte sowie Büroklammern gestohlen und das in der ganzen Stadt."
    "Ja, 'avon 'ab ich 'ehört", meinte Gigalith nickend.
    "Und jetzt wollt ich wissen, ob du vielleicht so einen Dieb mal zufälligerweise beobachtet hast und/oder ob du weißt, wer besonderes Interesse an Bleistiften etc. haben könnte bzw. hat", platzte Carisa heraus.
    "'o viele 'agen, naja, Diebe beobachte ich 'äufiger, aber ei'en 'leistift'ieb? Nein, 'ut 'ir 'eid. Besonderes Interesse 'aben alle 'eute, 'ie schreiben."
    "Schade, das hilft mir nicht weiter."
    "Aber, 'ielleicht 'eht es ja 'ar 'icht um das Schreiben, 'ondern um die 'estand'eile 'er Stifte."
    "Das ist eine Idee, ja vielleicht hast du Recht. Ich werde mal Jack fragen, ob er mal die Sachen analysieren kann. Danke dir, ich muss jetzt noch zu den Zauberern."
    "Ja, 'eh 'ur. Ihr 'ungen 'eute 'abt 'irklich nie viel 'eit", meinte Gigalith und brachte Carisa zum Eingang.

    Carisa seufzte. Das war ja nicht viel gewesen, was Gigalith ihr gesagt hatte. Also weiter zur Unsichtbaren Universität. Vielleicht war das alles ja kein Diebstahl, sondern irgendwas Magisches.
    Die haben am Ende wieder in diesem komischen Zeug rumgepfuscht, in ihrem Forschungszentrum für hochenergetische Magie oder wie das hieß. Ach nein, jetzt ist es doch gerade früh genug Jack Narrator eine Taube zu schicken und ihn um die Analyse von Bleistiften und Büroklammern zu bitten. Ich hoffe er hat noch etwas davon, um es zu analysieren. Und dann schick ich Sidney noch eine Nachricht, dass ich noch nichts herausgefunden habe.
    Carisa begann die zwei Nachrichten zu schreiben. Jack schrieb sie folgendes:


    Lieber Jack,
    könntest Du mir bitte den Gefallen tun, mal ganz normale Bleistifte und Büroklammern, auf ihre Bestandteile zu analysieren? Vielleicht hilft mir das in meinem Fall weiter.
    Grüße Carisa



    An Sidney verfasste sie:



    Lieber Sid,
    habe leider noch nichts herausgefunden. Mache mich jetzt auf den Weg zur UU. Komme später persönlich vorbei.
    Grüße Carisa (Rekrutin)



    Als sie fertig war, schnippte sie laut mit dem Finger. Sofort tauchten zwei Tauben auf. Leise sprach Carisa mit den Tieren und diese nickten mit den Köpfen. Eine Minute später waren sie unterwegs zum Wachhaus.
    Carisa begab sich auf den Weg zur UU.

    In der Universität lief Carisa nach 5 Minuten des Suchens dem Bibliothekar über den Weg. Von diesem Geschöpf ging ihrer Meinung nach eine große Faszination aus, schon allein deswegen, weil er zwar aussah wie ein Kartoffel-Sack, dahinter aber reines Muskelgewebe stand.
    "Hallo", sagte sie.
    "Ugh", antwortete der Bibliothekar.
    "Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich einen von euren Oberzauberern finde?"
    "Ugh", bekam Carisa zur Antwort, was soviel aussagte wie:
    "Im großen Saal beim Essen, dorthin bin ich auch unterwegs."
    "Oh, das trifft sich ja gut, gehen wir doch einfach zusammen."
    Langsam schlenderten die beiden in Richtung Großer Saal und führten dabei ein Gespräch, das hauptsächlich aus "Ugh" und "Was du nicht sagst" bestand.
    Im Großen Saal angekommen war Carisa dank des Bibliothekars über den neusten Tratsch informiert. Jetzt konnte sie sich wieder ausgiebig mit ihrem Fall beschäftigen. Langsam ging sie auf den Tisch des Erzkanzlers zu.
    "Guten Tag, Sir, guten Appetit erst mal. Darf ich Ihnen eine Frage stellen."
    Der Erzkanzler blickte auf.
    "Ein Wasserspeier, wie ich diese wundervollen Geschöpfe mag und noch dazu einer der wenigen von der Wache. Natürlich dürfen Sie mir eine Frage stellen, setzen Sie sich doch", rief der Erzkanzler.
    Carisa überlegte kurz, ob der Stuhl sie wohl aushalten würde, entschied dann aber, dass das wohl der Fall sein müsste, da ja einige Zauberer eindeutig schwerer waren als sie. Sie setzte sich.
    "Stellen Sie Ihre Frage", sagte der Erzkanzler mit vollem Mund.
    "Mm, ja, also, es geht darum, dass in der Stadt Bleistifte und Büroklammern verschwinden, und ich wollte wissen, ob da irgendwelche Magie dahinter stecken könnte."
    "Also vor einiger Zeit haben wir den Bleistiftfresser entdeckt, aber ich glaube nicht, dass der in der ganzen Stadt Bleistifte frisst, dann könnte er sich ja gar nicht mehr bewegen. Außerdem wäre damit die Frage der Büroklammern noch nicht geklärt. Also soweit ich weiß, haben wir auch keine magischen Zwischenfälle gehabt, noch ist mir sonst irgendwas Bleistifte betreffend bekannt. Tut mir leid."
    "Schade, Sie haben nicht vielleicht eine Idee, wieso und warum diese Dinge verschwinden? Also wer ein Interesse daran haben könnte", versuchte Carisa wenigstens Ideen zu sammeln, denn langsam wusste sie wirklich nicht mehr weiter.
    "Naja, vielleicht braucht ja jemand das Material zum Bauen oder so, Blei kann man dafür bestimmt gebrauchen", meldete sich ein jüngerer Zauberer zu Wort, "wer weiß, was heute alles gemacht wird. Ich weiß nur, dass sich hier alle beschweren, dass sie ihre Bleistifte 'verlieren' und keinen Ersatz bezahlt bekommen." Mit einem Seitenblick auf den Erzkanzler widmete er sich wieder seinem Essen.
    Der Erzkanzler zuckte mit den Schultern und meinte:
    "So weit ich weiß, wird hier nicht sorgsam mit Dingen umgegangen und deshalb ersetzen wir keine Bleistifte, wenn nicht nachgewiesen wird, dass der alte aufgebraucht ist. Tut mir leid, werte Wächterin, sonst ist mir nichts bekannt."
    Mit diesen Worten begann der Erzkanzler wieder zu essen und schien Carisa vollkommen vergessen zu haben.

    Zurück im Wachhaus begab Carisa sich zu Sidney, um ihm den Stand der Dinge mitzuteilen. Auf ihr Klopfen kam von drinnen ein "Herein".
    Carisa betrat den Raum und salutierte.
    "Ich komme, um den Stand der Ermittlung darzustellen, Sir", fing sie an, stockte dann aber, da sie erst jetzt bemerkte, dass Sidney nicht allein war. Der Kommandeur war ebenfalls im Zimmer. Schnell salutierte Carisa in dessen Richtung und fuhr dann etwas stockender fort:
    "Also..., em..., ja, ich komme um den Stand der Ermittlungen mitzuteilen."
    "Das sagtest du bereits, Rekrutin", fiel Rince ihr ins Wort, "atme erst mal durch und dann erzählst du schön langsam."
    Damit vollends verunsichert, blickte Carisa nur stumm in die Runde.
    "Also Carisa, jetzt tu einfach so, als ob der Chef nicht da wär und erzähl mir, was du rausbekommen hast", half Sidney ihr.
    Carisa atmete durch und sagte dann:
    "Also, eigentlich noch gar nichts. Gigalith wusste nichts, hat nichts beobachtet und die Zauberer sind auch nicht schuld. Den einzigen Tipp, den ich bekommen hab, ist, dass es möglich wäre, dass es um das Material geht, nicht um die Sachen als solches. Ich hab Jack schon gebeten, mal die Bestandteile von Bleistiften und Büroklammern zu analysieren."
    "Wächterin, teile mir doch bitte einmal mit, worum es eigentlich geht", meldete sich Rince wieder zu Wort.
    Carisa schluckte und gleichzeitig trat ihr die innere Stimme mental in den Hintern:
    Jetzt red schon, es ist nur der Chef, sonst hast du doch auch kein Problem mit Autoritäten.
    Ja, schon richtig, aber du musst schon zugeben, er ist eine imposante Persönlichkeit, immerhin wiegt er fast so viel wie ich und außer den Zauberern wüsste ich niemanden, der trotzdem isst, als würde er in seinem Leben nichts mehr bekommen.
    Ja, aber das ist doch kein Grund, jetzt hier stumm wie ein Fisch zu sein.
    "Also, Sir, es geht um das Verschwinden der Bleistifte und Büroklammern in der Stadt. Diese Diebstähle soll ich aufdecken, möglichst vor der Diebesgilde."
    "Ahja, na dann wünsch ich dir noch viel Glück bei deinen weiteren Ermittlungen, sei vorsichtig und wenn Sidney nicht da ist, dann kannst du ruhig auch zu mir kommen, ich hab jetzt ein Büro hier", teilte Rince ihr mit.
    "Also, viel hast du ja noch nicht rausgefunden, Carisa, dann mach dich mal wieder auf die Socken", sagte Sidney und sorgte mit diesen Worten dafür, dass Carisa schnell das Büro verließ, da sie das Temperament von ihrem Ausbilder kannte, wenn dieser in Ruhe gelassen werden oder ein Gespräch weiterführen wollte.
    Draußen lehnte sich die Wasserspeierin an die Wand. Puh, da kommt man ohne böse Vorahnungen in einen Raum und da steht der Chef und er fragt einen auch noch aus.
    Und Sidney mit seiner Laune, der mag es bestimmt auch nicht, dass der Chef ihm auf die Finger schaut, sagte die Stimme, irgendwann ist's dann wieder so weit, dass er Schießübungen anfängt.
    Langsam sammelte Carisa sich wieder und machte sich dann auf den Weg zu Jack. Da war es bestimmt ruhiger.
    Die Tür zu Jacks Labor stand offen. Vorsichtig steckte Carisa den Kopf in den Raum.
    "Hallo, wie geht's", begrüßte Jack sie.
    "Hallo, gut danke, der Nachfrage. Hast du meine Analyse gemacht?"
    "Dazu brauchte ich gar keine Analyse, das kann ich dir so sagen. Bleistifte bestehen aus Holz und Graphit, die Büroklammern aus einem Kupfergemisch."
    "Mist, das hilft mir auch nicht viel oder meinst du jemand hat Interesse an Graphit und Kupfer?"
    "Glaub ich nicht, ich hab damit nur aus Langweile mal ein Häuschen gebastelt", meinte Jack und hielt Carisa ein Modellhaus hin.
    "Hey, da fällt mir was ein. So ein Zauberer meinte, dass jemand vielleicht das Blei benutzen würde."
    "Welches Blei?" fragte Jack verwirrt.
    "Naja, das was in Bleistiften gar nicht vorhanden ist. Wenn jetzt jemand so dumm wäre und das mit dem Kupfer-Zeugs verlöten wollte, um Dächer zu decken."
    "Wenn du meinst, dass jemand so was glaubt", sagte Jack etwas abwertend, da ihm ja jede chemische Unwissenheit absolut fremd war und der eigentlich bei jedem dasselbe chemische Verständnis voraussetzte, das er auch hatte.
    "Ich könnte ja mal versuchen, herauszufinden, wer viel Blei fürs Dach braucht", versuchte Carisa ihren Fall wenigstens in irgendeine Richtung zu lenken.
    "Mach das, vielleicht bringt das ja was, Ich muss jetzt weitermachen, muss noch an meinem Fall arbeiten", sagte Jack und wand sich wieder seiner Arbeit zu.
    "Ja, mach das, vielen Dank für deine Hilfe, tschau."
    Carisa verließ das Labor. Wo bekomm ich denn das über das Blei raus? Ja klar, beim Bleihersteller in der Bleigießer-Gasse. Die Wasserspeierin verließ das Wachhaus in die entsprechen Richtung.

    Schon von weitem war das Arbeiten der Maschinen zu hören gewesen, hier im Herstellungsraum war es einfach nur laut. Schreiend versuchte Carisa sich den Weg zum Büro zu erfragen. Nach einer Viertelstunde stand sie endlich vor der Tür, an der 'Büro Bleigut' stand. Sie klopfte
    "Herein"
    "Guten Tag, Herr Bleigut, ich komme von der Wache und habe einige Fragen", sagte Carisa.
    "Guten Tag, hat einer meiner Arbeiter etwas angestellt?" fragte Bleigut.
    "Nein, ich arbeite an einem Fall, für den es wichtig ist, zu wissen, wer in der Stadt sehr viel Blei braucht."
    "Ach wenn es nur das ist, also unser größter Abnehmer ist eigentlich das Opernhaus. Da wird immer das Blei vom Dach gestohlen."
    "Kann es sein, dass die Aufträge von dort in letzter Zeit zurückgegangen sind?" fragte Carisa.
    "Da muss ich meinen Buchhalter fragen. HERR ZAHLENMÄßIG, KOMM MAL HER!"
    Eine Tür öffnete sich und ein kleiner Mann stand im Rahmen.
    "Ja, Chef?"
    "Kann es sein, dass die Aufträge von der Oper zurückgegangen sind?" fragte Bleigut.
    "Moment", sagte Herr Zahlenmäßig und blätterte in dem Buch, das er unter dem Arm gehalten hatte, "ja, das ist richtig, in letzter Zeit kam gar keiner mehr."
    "Danke, mehr wollte ich nicht wissen", sagte Bleigut.
    Carisa, die nur ruhig dagestanden hatte, bewegte sich nun, und erst jetzt bemerkte Zahlenmäßig sie.
    "Oh, guten Tag, Entschuldigung, ich habe Sie gar nicht gesehen. Dann geh ich nun wieder an die Arbeit", sagte er hastig.
    "Kleinen Moment", sagte Carisa schnell, "wer erteilt denn die Aufträge?"
    "Das ist Herr Rohrfassung, der Handwerker für alles im Opernhaus", antwortete der Buchhalter, "kann ich dann jetzt gehen."
    "Ja, herzlichen Dank für Ihre Hilfe, auch Ihnen Herr Bleigut. Ich muss jetzt dann auch wieder gehen, Sie sind mir eine große Hilfe gewesen", meinte Carisa.
    "Wir helfen so netten Leuten von der Wache doch gern", antwortete Bleigut und hielt Carisa die Tür auf.
    Draußen auf der Straße entschied Carisa sich, zum Opernhaus zu gehen und erst einmal mit dem Besitzer zu sprechen.
    Der muss ja wissen, wer wo was bestellt, dachte sie.

    Am Opernhaus ging Carisa zum Hintereingang, der weit offen stand. Sie fragte den erstbesten Schauspieler, dem sie begegnete, nach dem Weg zum Büro des Besitzers.
    "Da müssen Sie die Treppe da vorn rauf und dann die 2. Tür links", sagte der Schauspieler.
    Carisa bedankte sich und schlenderte in Richtung Treppe.
    An der Bürotür hing kein Schild, Carisa klopfte auf gut Glück an. Von drinnen kam keine Antwort. Versuchsweise drückte Carisa die Klinke nach unten. Die Tür ließ sich öffnen.
    Die Wasserspeierin betrat den Raum und sah nur das Hinterteil eines männlichen Menschen, der scheinbar etwas suchte.
    "Entschuldigung, sind Sie Herr Eimer?" fragte sie.
    Der Mann zuckte zusammen und ging mit dem Kopf nach oben.
    BOING
    "Autsch, verdammt", fluchte der Angesprochene und rieb sich den Kopf. "Wer sind Sie denn, nicht schon wieder jemand der Geld will. Moment mal, Sie hab ich hier noch nie gesehen, was wollen Sie?"
    "Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Ich bin von der Stadtwache und wollte wissen, ob Sie in letzter Zeit kein Blei fürs Dach mehr benötigen?"
    "Seit wann interessiert sich denn die Wache für so etwas?" fragte Eimer immer noch etwas gereizt.
    "Ja, wissen Sie, es geht um Diebstähle, die Blei betreffen."
    "Ach, kümmert sich endlich jemand um die Diebstähle von unserem Dach?" fragte Eimer, jetzt etwas freundlicher.
    "So ungefähr", antwortete Carisa.
    "Also, unser Bleibedarf ist immer noch so hoch, wie sonst auch, da hat sich nichts geändert. Unser Handwerker bestellt wöchentlich Blei bei Herrn Bleigut."
    "Dann haben Sie ihm also Geld für die Bestellungen gegeben?"
    "Ja, ja. Natürlich ich kann mich ja nicht um alles hier kümmern", bemerkte Eimer.
    "Danke Herr Eimer, Sie haben mir sehr weitergeholfen. Können Sie mir sagen, wo ich Herrn Rohrfassung, das ist doch Ihr Handwerker nicht wahr, finde?"
    "Ich glaube, er hat etwas von einer Bleilieferung gesagt, dann wird er wohl auf dem Dach sein", antwortete Eimer.
    "Ah ja, danke noch mal, auf Wiedersehen", sagte Carisa und verließ den Raum.
    Also wenn er eine Bleilieferung hat, woher? Nicht von Bleigut. Entweder hat er folglich einen anderen Lieferanten und hat Eimer nichts davon gesagt oder er wirtschaftet das Geld mit Diebstählen in die eigene Tasche. Da für wäre bestimmt seine Biographie interessant, aber wenn er wirklich der Dieb ist, muss sich da ja wahrscheinlich FROG drum kümmern.

    Carisa zog sich aufs Dach des Opernhauses zurück. Hinter einem Vorsprung sah sie Taubenschreck, einen befreundeten Wasserspeier.
    "Hallo, Taubenschreck, sag mal, hast du Herrn Rohrfassung gesehen? Du weißt schon, den Handwerker der Oper."
    "'allo 'arisa, 'a 'ab ich 'esehen. 'er versucht 'a üben 'leine Stangen zu schmel'en."
    "Oh, danke, da wird ich mal schauen."
    Vorsichtig sah Carisa um die Ecke und stellte schlagartig fest, wo die Bleistifte und Büroklammern abblieben und was damit geschah. Rohrfassung saß zwischen riesigen Haufen mit Bleistiften und Büroklammern. Die Bleistifte war er gerade am Spalten, so dass er die Graphitstangen herauslösen konnte. Daneber lagen bereits gerade gebogene Büroklammern. Vor Rohrfassung war ein Brenner, über den er die Graphitstangen hielt.
    Damit wäre der Fall wohl gelöst, sagte die Stimme, um den Rest muss sich FROG wohl kümmern.
    Langsam und vorsichtig schlich Carisa zu Taubenschreck zurück.
    "Sag mal, würdest du als Zeuge gegen Rohrfassung auftreten und aussagen, was du hier gesehen hast."
    "'a 'lar, 'er ver'agt uns immer vom 'ach."
    "Das ist gut, ich werde das meinem Chef ausrichten. Machs gut", verabschiedete sich Carisa.

    Langsam ging Carisa zum Wachhaus zurück. Jetzt musste sie nur Sid noch die gute Nachricht mitteilen und ihn bitten, alles Nötige in die Wege zu leiten.
    Am Bürofenster sah Carisa zuerst nach, ob Sidney allein war, dann klopfte sie.
    Sidney fuhr herum, öffnete dann mit grimmiger Miene das Fenster.
    Ups, da hab ich wohl was vergessen, dachte Carisa.
    "Die Tür, du sollst durch die Tür kommen!"
    "Sorry Sir, aber ich bin nun mal ein Wasserspeier, Türen sind mir suspekt. Aber ich hab den Fall gelöst. Der Dieb ist Herr Rohrfassung, der Handwerker der Oper. Er ist zurzeit oben auf dem Dach und versucht Graphit zu schmelzen."
    "Graphit?" fragte ihr Ausbilder.
    "Na, die Mienen aus den Bleistiften und daneben sind die Büroklammern. Außerdem hat er Gelder von Herrn Eimer unterschlagen, die dieser ihm für Blei gegeben hat. Ich werde das ausführlich in meinem Bericht schreiben. Ach ja, einen Zeugen hab ich auch, der Rohrfassung gesehen hat, wie er das 'Blei' schmelzen wollte. Er heißt Taubenschreck und ist ein Wasserspeier."
    "Gut, das klingt zwar alles noch etwas wirr, aber ich werde den zuständigen Abteilungen Bescheid geben, dass sie Rohrfassung festnehmen sollen", sagte Sid.
    "Danke Sir, brauchen Sie mich dann noch? Sonst würde ich jetzt mit meinem Bericht anfangen" fragte Carisa.
    "Nein, danke, Rekrutin, schreib nur deinen Bericht", sagte Sid, "Den Fall hast du übrigens erstaunlich schnell gelöst, gut gemacht."
    "Danke Sir, vielen Dank, auf Wiedersehen", sagte Carisa und salutierte.
    Draußen traf sie Jack.
    "Oh hallo, ich habe den Fall gelöst und du hast mir wirklich geholfen dabei. Komm, ich lad dich auf was zu trinken ein."
    "Hey Carisa, das freut mich. Danke für die Einladung, ich komm gern mit."
    Gemeinsam verließen Carisa und Jack das Wachhaus.

    [1] Gigalith vom Oberen Weg stammt aus einer altehrwürdigen Wasserspeierfamilie. Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem Wesen der Wasserspeier. Er weiß alles über diese Spezies und er ist der beste Beobachter unter ihnen. Das, was er seinen Schülern über das Beobachten beibrachte, war das Allerbeste und sie alle sind zu sehr guten Beobachtern geworden. Heute hat Gigalith sich zur Ruhe gesetzt, steht aber an Wasserspeiern interessierten Personen sowie Wasserspeiern zu Fragen immer bereit. Durch seine Beobachtungsgabe kann er der Wache beim Aufklären von Fällen häufig behilflich sein.




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