Der Fall Rosa

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von Wächter Vico van Vermeer (GRUND)
Online seit 25. 06. 2002
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Verflixt und zuge"näht" ! In der letzten Woche gab es zwei ominöse Mordfälle in der Näherinnengilde. Gildenpräsidentin Rosemary Palm hat total den "Faden" verloren.....

Dafür vergebene Note: 12

Staub wirbelt auf und ein paar Katzen ergreifen fauchend die Flucht, als eine Personenkutsche um die Ecke prescht. Vor einem eisernen, rostigen Gitter bleibt sie quietschend stehen. Die Pferde schütteln schnaubend den Kopf und scharren mit den Füßen auf der Stelle. Der Kutscher hält die Zügel fest in der rechten Hand und beugt sich zur Seite. Er ballt seine linke Faust und klopft fest an die Oberseite der Tür.
"Wir sind da, Euer Gnaden.", ein leises Stöhnen ist vom Inneren der Kutsche zu hören und danach ein erleichtertes Seufzen. Der Kutscher hängt die Zügel neben sich an einen Haken und steigt vom Kutschbock. Er greift nach der Klinke, drückt diese hinunter und öffnet die Tür. Leicht senkt er den Kopf, aber immer darauf bedacht, die Rückseite seines Körpers vom Eingang weit genug wegzudrehen. Eine braungebrannte Hand mit weißlackierten Fingernägel greift nach der Stange, die neben der Tür angebracht ist. Auf dem kleinen Finger prangt ein goldener Ring mit einem Rosenquarz besetzt. Ein weißer, eleganter Schuh mit einer rosaroten Marabu auf der Oberseite tastet nach der kleinen Eisentreppe, die den Weg nach draußen erleichtern soll. Eine zweite Hand kommt aus dem Dunklen und hält sich an dem Holz der Tür fest, wo sich das Loch für das Fenster befindet. Die weißen Gardinen, besetzt mit eleganten Spitzen, flattert leicht im Wind. Zwischen Daumen und Zeigefinger hat die wohlmanikürte Hand einen zusammengefalteten, weißen mit rosa Fäden durchsetzten Fächer eingeklemmt. Der Kutscher hält mit einer Hand dagegen, damit die andere nicht den Halt verliert. Schüchtern lugt ein braungebrannter Kopf mit langen, seidenbraunen Haaren und einer weißen Sternchenbrille mit rosa Gläsern heraus. Besorgt schaut er gen Himmel und bemerkt die gleißende Mittagssonne. Augenblicklich schnellen der Kopf und die Hände wieder zurück unter das schützende Dach.
"Ruupert.", eine jammernde Männerstimme, mit jedoch sonderbar hoher Stimmlage erklingt. Der Kutscher bläst genervt Luft zwischen den Zähnen hindurch, lässt die Tür los und geht näher an den Eingang. Er streckt seine Hand mit der Handfläche nach unten in Brusthöhe angewinkelt aus. Die Fächerhand des Insassen greift vorsichtig und lüstern nach dieser und stützt sich ab, während der Körper sich mühevoll aus der engen Türöffnung schiebt. Die beringte Hand hält nun einen aufgespannten, rosa Minisonnenschirm umklammert. Graziös springt der Mann auf Zehenspitzen von der Stiege etwas nach vorne, um die kleine Pfütze unter ihm nicht zu erwischen. Der Kutscher fühlt sich mitgerissen und zieht schnell seine Hand weg. Der Mann kommt dadurch etwas ins Taumeln, fängt sich aber rasch wieder ab.
"Ruupert, ein wenig mehr Feingefühl, wenn ich bitten darf.", empört entfaltet er den Fächer und gönnt sich kühlere Luft. Der kleine Schirm spendet seinem Haupt etwas Schatten, lässt aber den Rest des Körper unbedeckt.
"Tut mir leid, euer Gnaden.", mit unbeteiligter Mine dreht er sich zur Kutsche, nimmt die zwei Taschen von der Sitzbank und stellt sie neben sich ab.
"Ach, was du nur für einen knackigen Popo hast.", der Mann klatscht ihm mit dem Fächer lüstern auf den Hintern. Schlagartig dreht sich der Kutscher wieder um und wirft die Tür hinter sich zu.
"Soll ich die Taschen ins Haus bringen, euer Gnaden?", etwas verlegen schaut er zur mitgenommenen Villa. Sie befindet sich zwar im Nobelviertel von Ankh-Morpork, doch sie scheint Jahrhunderte hinweg nicht mehr renoviert worden zu sein. Die dreckig-orange Fassade bröckelt von den Außenwänden ab, ein paar Fensterscheiben der oberen Stockwerke sind zerbrochen und nur notdürftig zugenagelt worden, damit der Wind nicht durchbläst. Die Farbe an den Fensterrahmen blättert ab und die Dachziegel hängen eher schlecht als recht an ihrem Platz, oder fehlen stellenweise sogar. Im rechten, äußersten Teil der Hauswand prangt in Dachgeschoss-Nähe ein Loch. Im Gras darunter liegt ein kleiner Schutthaufen, auf dem sich Ratten ihre wohlverdiente Pause gönnen. Nur das Erdgeschoss scheint von außen her gepflegt zu werden. Die Fenster sehen neu aus, weiße Gardinen verhindern den Blick ins Innere, die Eingangstür hat neue Farbe abbekommen und unmittelbar daneben stehen zwei steinerne Blumentöpfe mit gutgenährten Rosenstöcken.
"Ja, und dann kümmere dich bitte um das andere Gepäck.", der Kutscher sieht zum Taschenberg hinauf und schüttelt den Kopf.
"Sofort, euer Gnaden.", er wartet, bis der Fahrgast etwas Vorsprung erhalten hat und trottet dann mit eiserner Miene hinterher. Während der Mann jeder Pfütze und jedem Schmutzhort auf dem Weg zur Eingangstür graziös ausweicht, stampft der Kutscher missmutig hindurch und verdreckt somit sich und die ersten beiden Taschen. Als der Mann die Spritz- und Matschgeräusche hört, dreht er sich ruckartig um und wirft die Hände vorm Mund zusammen.
"Ruupert! Wie kannst du nur, du Schmutzfink!", trippelnd rennt er zurück und schlägt ihm mit dem zusammengelegten Fächer leicht auf den Hinterkopf.
"Was hast du nur gemacht? Das schöne Rauleder. Sieh dir die Flecken an. Das braucht Stuuunden, um wieder rein zu werden.", wütend entreißt er dem Kutscher eine Tasche, holt ein kleines, rosa Samttäschchen hervor und hängt es sich über das Handgelenk. Dann holt er ein Seidentaschentuch aus genau diesem und steckt den Fächer im Gegenzug hinein. Provisorisch wischt er den Matsch von der großen Tasche weg und schnieft niedergeschlagen.
"Tut mir leid, euer Gnaden."
"Ach, du Tölpel. Nichts kannst du richtig machen.", der Kutscher lässt leicht den Kopf hängen und seufzt. Der Mann sieht auf, drückt dem Kutscher die Reisetasche wieder in die Hand und gibt ihm einen kleinen Klaps auf den Hintern.
"Offler sei Dank hat meine Mutter einen Butler. Das sollte also bald behoben sein. Nächstes mal pass aber bitte auf, du kleiner Schlingel.", er kneift ihm vergebend in die Wange und schlendert Hüfteschwingend zur Tür.
"Einen Toifel werde ich tun, du Schwuhchtäl.", flüstert der und setzt dann seinen Weg fort.
"Hast du etwas gesagt, Ruupert?", wie immer zieht er das U in die Länge und wie jedes Mal verzieht der Kutscher kurz das Gesicht.
"Nein, euer Gnaden."
"Gut, dann stell das Gepäck im Vorraum ab und hol den Rest. Ich werde jetzt meine Mutter begrüßen. Du kannst die Kutsche dann wieder zurückbringen."
"Jawohl, euer Gnaden.", er wartet, bis der Mann durch die Tür geht und im Inneren verschwindet. Dann tritt er ein und wirft die Taschen lächelnd in eine Ecke. Ein Scheppern erklingt und deutet darauf hin, dass Glas soeben zerbrochen ist.
"Was war das, Ruupert?", erklingt es sorgenvoll von drinnen.
"Nichts, euer Gnaden.", schreit er der Stimme entgegen. Dann geht er zurück und holt zwei weitere Taschen. Zehn Minuten vergehen, bis er alle gemächlich ins Haus gebracht hat. Die Taschen stapeln sich kreuz und quer in der Halle und versperren den Durchgang. Der Fahrgast hingegen hat es sich inzwischen auf einem Sessel im Wohnzimmer bequem gemacht und liest mit übereinandergeschlagenen Füßen die neueste Ausgabe der bebilderten Zeitung "Mode und Mehr", die auf dem kleinen Ecktisch gelegen hatte.


"Baron? Eure Mutter ist jetzt bereit euch zu empfangen.", der Leser schlägt die Zeitung zusammen und legt sie vorsichtig zurück an ihren Platz.
"Siegfried, würdest du dich bitte um meine Taschen kümmern? Sie stehen im Vorraum.", er nimmt sein Samttäschchen und den Stab mit Stoff, den man im ausgereiften Stadium einen Sonnenschirm nennen würde, und steht auf.
"Ich werde sie in euer Zimmer bringen, Sir Gernot.", mit einem spotischen Unterton versetzt, betont Siegfried das Wort "Sir" und deutet eine Verbeugung an. Dann dreht er sich um und geht aus dem Zimmer.
"Wenn du schon dabei bist, sei so nett und beseitige den Fleck aus dem Leder..", der Besucher hebt seine Stimme und blickt dem Butler nach, doch dieser zeigt keine Reaktion. Achselzuckend geht er den Gang entlang, aus dem der Butler gekommen war. Nach ein paar Metern endet diese an einer Tür. Zaghaft klopft der Mann, den der Butler Gernot nannte, an das Holz. Ein leises "Herein" ist zu vernehmen. Gernot drückt die Klinke und schiebt die etwas schwere Tür nach innen. Sie knarrt und bleibt in der Hälfte des Weges stehen.
"Noddy, mein Liebling.", eine Frau in den späten Sechzigern und ergrauten, langen Haaren liegt in einer altrosagefärbten Bettwäsche und sieht aus dem Fenster. Zumindest hätte sie es getan, wenn sie nicht blind gewesen wäre.
"Hallo, Muttii.", vorsichtig geht er näher an ihr Bett, setzt sich an die Kante und nimmt ihre Hand in seine. Das Zimmer ist spärlich eingerichtet und über ihrem Kissen hängt eine Art Kordel, mit dem sie Siegfried rufen könnte. Das Fenster lässt den Blick auf den Garten zu. Früher mochte er prächtig und schön gewesen sein, jetzt ist er nur noch groß und verwildert. Ein Brunnen steht in der Mitte der Fläche. Er ist aus Stein und Blätter und anderes Grünzeug verstecken die Figur, die sich darauf befindet. Die Hinterseite des Hauses ist wohl noch mitgenommener als die Vorderseite. Obgleich man von dieser nicht viel sehen kann, denn Efeu erstreckt sich von einer Seite zur anderen. Nur manche Fenster sind ausgeschnitten, um Licht in den Raum fallen zu lassen; wie dieses hier.
"Wie geht’s dir?", er streicht der Frau liebevoll über das Gesicht.
"Viel besser, wenn du da bist, mein Kleiner.", kraftlos versucht sie die Hand ihres Sohnes zu drücken.
"Was hat der Arzt denn gesagt?", verlegen sieht er aus dem Fenster. Noch nie hatte er seine Mutter so schwach gesehen.
"Er meinte, wenn alles gut geht, kann ich das Bett bald wieder verlassen."
"Das freut mich zu hören. Kümmert sich Siegfried auch gut um dich?", ein Lächeln huscht ihr über das Gesicht, verschwindet aber gleich wieder.
"Oh ja, er ist der beste Butler, den man sich wünschen kann. Schade, dass ich keinen solch fürsorglichen Sohn habe.", in Gernots Herz zuckt es und er versucht, das eben gehörte zu verdrängen.
"Aber Mutter, ich schicke dir doch monatlich Geld."
"Was nutzt mir das Geld, wenn niemand da ist, der sich um mich kümmert? Ein Butler ist kein Ersatz für einen liebevollen Sohn.", wiederum drückt die eine Hand die andere, doch diesmal ist es nicht so kraftlos. Leicht erschrocken zuckt der Mann zusammen.
"Aber, ich muss doch arbeiten. Du weißt doch, die Schauspielerei. Die guten Rollen muss man sich erarbeiten, ich kann doch nicht.."
"Papperlapapp. Dein Vater war Dirigent und er war immer da für seine Familie.", der Sohn scheint immer weiter zu schrumpfen und sucht nach einer Ausrede.
"Aber gut, ich verstehe, dass du nicht immer bei deiner armen, kranken Mutter weilen willst."
"Aber..."
"Wie lange willst du uns diesmal beehren?", der Mann schluckt darauf.
"Weißt du, ich hatte da einen Auftritt. Es war in Klatsch.."
"Bei den Handtuchköpfen? Aber Häschen, wie kannst du dich nur in solche Gefahr begeben. Was ist passiert? Haben dir diese Barbaren etwas getan?"
"Muttii, es sind genauso Menschen wie wir..."
"Fang erst gar nicht damit an. Wenn diese vermaledeiten Handtuchköpfe nicht gewesen wären, würde dein geliebter Vater noch leben.", der Mann seufzt.
"Aber Mutter, Vater ist doch vom Dach gefallen, als er wieder einen seiner Ich-Kann-Fliegen-Anfälle hatte."
"Willst du deiner sterbenskranken Mutter wiedersprechen?", die Stimme der Frau wird wieder zart und gebrechlich.
"Nein, Mutter, natürlich nicht.", schuldbewusst senkt er seinen Kopf.
"Also, was war los, dass du wieder einmal nach Hause kommst?"
"Also, da war dieser Mann..."
"Was hat er dir getan? Dich geschlagen? Bestohlen?"
"Nein, Mutter. Lass mich doch erst mal ausreden.", die Frau reißt ihre Hand aus der seinen und setzt sich empört auf.
"Wie redest du mit mir?"
"Tut mir leid, Mutter.", seine Stimme vibriert. Die Frau beruhigt sich wieder und tätschelt dem Mann das Gesicht.
"Nun gut, mein Baby. Sag schon, was hat er getan?"
"Er hat mich verspottet.", seine Augen werden feucht und er dreht verlegen den Kopf.
"Dich verspottet? Hat er deine adlige Herkunft nicht respektiert?"
"Ich habe ihn geliebt..", eine einsame Träne schlüpft aus ihrem Versteck.
".. ich hätte alles gegeben, um bei ihm zu sein..", schluchzend wischt er sie weg.
".. mein Herz - und noch andere Sachen", fügt er leise hinzu.
"- haben sich nach ihm verzehrt.. aber er hat mich verspottet.. mich vor allen blamiert.. meine Kleider zerrissen und auf ihnen herumgetrampelt..", er sieht an sich herunter und wischt bedächtig ein paar Staubkörner weg.
".. und dann meinte er, ich wäre kein Mann und dass ich verschwinden sollte...", kurz herrscht Stille in dem Raum.
"Oh, mein armes Kind. Mein Liebling.", sie tastet nach seinem Körper und drückt diesen an ihren.
"Es tut so weh, Mama. Keiner mag mich, alle spotten nur über mich.", er lässt seinen Tränen freien Lauf und tränkt das Nachthemd seiner Mutter damit.
"Mein armer, kleiner Windelpupser. Keiner wird dir was tun, solange deine Mutter dich beschützt. Hörst du jetzt auf mit der Schauspielerei auf und bleibst bei deiner Mama, mein Nesthäkchen?", Hoffnung wird laut in ihrer Stimme und Gernots Tränen verstummen plötzlich.
"Äh, Muttii, die Schauspielerei ist mein Leben. Natürlich werde ich mir hier noch einen anderen Tschob suchen, damit ich uns erhalten kann, bis ich auch hier meinen Durchbruch geschafft habe. Aber.."
"Was soll das heißen, die Schauspielerei ist dein Leben? Was bin ich denn? Nur die Frau, die dich in die Welt gesetzt hat?"
"Ich werde natürlich weiterhin hier wohnen und nach dir sehen."
"Ja? Tust du das?"
"Natürlich."
"Na dann bin ich ja beruhigt.", erleichtert lehnt sie sich wieder zurück.
"Welchen Beruf willst du denn ausüben nebenbei? Dirigent?", sie tastet nach dem Gesicht ihres Sohnes und strahlt. "Genauso straff wie vor zehn Jahren. So wie in meiner Jugend. Ich bin stolz auf dich, mein Schatz."
"Danke, Mama. Ich habe deine Tipps stets eingehalten. Also, wegen dem Tschob. Ja, also, weißt du. Ich wollte es dir eigentlich erst morgen sagen, damit du dich noch ausruhen kannst. Es ist nämlich so, dass ich.. weil.. na ja.."
"Rück schon raus mit der Sprache, was ist es?"
"Also ich, äh, ich werde der Wache beitreten."
"Du tust WAS? Der WACHE? Bist du denn..."
"Mama, ich.."
"... übergeschnappt? Dieser verlauste..."
"... habe mich..."
"... Haufen von Nichtstuern? Diese Verleumder..."
"... entschieden. Muttii..."
"... allen Ehrenhaften. Dieser..."
"... bitte, reg dich..."
"... Abschaum!"
"... nicht auf.", wieder herrscht Stille, wo die jeweils andere Partei versucht, der gegnerischen ein schlechtes Gewissen einzureden.
"Muttii..."
"Komm mir nicht mit Muttii. Was glaubst du, werden die anderen reden, hm? DICH muss das ja nicht stören. DU wohnst ja nur peripher hier."
"Aber, du gehst doch schon eine geraume Zeit nicht mehr aus dem Haus."
"Ja, ich nicht, aber Siegfried. Er ist mein Auge und mein Ohr. IHM entgeht nichts."
"Aber.."
"Nichts aber. Was glaubst du, welche Leute dort sind? Die werden dich genauso verspotten, deine Künstlerader nicht verstehen und dich rumschupsen wie sie wollen. Das geziemt sich nicht für einen Baron!"
"Mama, bitte.."
"Nichts da, du wirst jetzt rausgehen in die Stadt und dir etwas Vernünftiges suchen. Von mir aus, auch im Theater. Kunst bleibt Kunst, Wache bleibt Abschaum. Hast du das verstanden?"
"Aber..."
"Gernot Zungenspiel! Du sollst deiner Mutter nicht immer widersprechen!"
"Ja, Muttii.", geschlagen senkt er den Kopf.
"Du wirst sofort gehen. Vielleicht kann dir Siegfried weiterhelfen."
"Ja, Muttii."
"Und du kommst mir nicht wieder, bevor du etwas hochwertiges gefunden hast."
"Ja, Muttii."
"Gut, und jetzt gib deiner armen, kranken Mutter einen Kuss und lass sie allein."
"Ja, Muttii.", er drückt der alten Frau einen Kuss auf die Wange und steht auf. So schnell, wie sich die Frau als rüstige Gegnerin entpuppte, so schnell verwandelt sich ihr Zustand wieder zurück in ein siechendes hin und her. Mit gesenkten Kopf geht er aus dem Raum und bleibt kurz in der Tür stehen. Mit verzweifeltem Blick sieht er auf den schlaffen Körper seiner Mutter.
"Hast du etwas vergessen, mein Liebling?", ihre Stimme klingt schwach.
"Gute Nacht, Muttii.", er schließt die Tür und tritt auf den Gang. Ein paar Schritte entfernt lehnt der Butler an einer Wand und begutachtet seine Nägel. Ein breites Grinsen ziert sein Gesicht.
"Es geht ihr also wieder besser?"
"So gut wie eh und je.", Gernot nickt seufzend, er hätte es wissen müssen.
"Aber diesmal wird sie mir nicht in mein Leben pfuschen. Ich bin alt genug, ich werde zu meiner Sache stehen. Ich werde zur Wache gehen und mich als richtiger Mann behaupten. Ich...", der Butler sieht den Mann mit unbeeindruckten Augen an und wartet.
"Ähm, Siegfried?"
"Ja, Sir Gernot?", diesmal bleibt der Spot in seiner Stimme aus. Anscheinend hatte er gelauscht.
"Könntest du vielleicht? Du weißt schon..", der Butler streckt grinsend die Hand aus. Gernot öffnet seufzend sein Samtbeutelchen, das noch immer um sein Handgelenk baumelt, und holt ein paar Münzen heraus. Langsam steckt er sie in die offene Hand. Der Butler hebt eine Braue, rührt sich aber sonst kein bisschen. Seufzend holt Gernot noch mehr Münzen hervor und legt sie zu den anderen. Lächelnd senkt Siegfried seine Hand wieder.
"Ich wäre für den Beruf als Privatlehrer für die Sprösslinge der gehobenen Gesellschaft. Ihre Mutter wird begeistert sein."
"Danke."
"Noch dazu Aushilfsdirigent bei festlichen Anlässen.", wieder streckt er seine Hand aus. Betrübt sieht Gernot in sein Beutelchen. Kurz blickt er in die Augen des Butlers, dann dreht er das Täschchen um und lässt den Inhalt in die Hand fallen.
"Ihre Mutter wird sich nicht beklagen können."
"Danke. Ach ja, Siegfried?"
"Ja, Sir Gernot?"
"Tu mir bitte einen Gefallen, und nenn mich Vico. Aber kein Wort zu meiner Mutter von alledem.", der Butler fängt noch breiter an zu grinsen.
"Wie sie wünschen, Sir Vico. Soll ich ihnen ein Bad einlassen, damit sie ausgeruht zur Wache gehen können? Als richtiger Mann?", nur sporadisch verkneift er sich ein Lächeln.
"Das wäre nett, danke Siegfried.", mit diesen Worten und 10 Dollar weniger schreitet er in sein Zimmer. Erst kurz davor merkt er den süßlichen Duft, welcher den Raum erfüllt. Überrascht begutachtet er seine Taschen und bemerkt den großen, nassen Fleck. Er führt seinen Finger zu dieser Stelle, reibt ein wenig daran und bewegt ihn dann weiter zu seiner Nase.
"Verdammt! Das gute Duftwässerchen! Und die Kleidung!!!"


Vergnügt sitzt Vico im Aufenthaltsraum und betrachtet die hereinkommenden Leute. Sein Gespräch mit dem Abteilungsleitergnom hat er erfolgreich bestanden und auch die eine Rekrutin, die er beim Eintreffen in die Wache belagert hatte [siehe Charakterisierung], scheint keinen Groll gegen ihn zu hegen. Ein sehr guter Anfang, wie er empfindet. Noch hat niemand versucht, ihn zu verprügeln oder ihn rauszuschmeißen. Und da er leidenschaftlicher Optimist ist - in gewissen Situationen - versucht er auch gleich, neue Bekanntschaften zu pflegen. Immerhin ist heute Wächtertreffen, ein guter Start ins neue Leben.
"Ah, werte Madame. Schön, sie auch hier zu sehen.", Vico nimmt sich seinen edlen Wein, den er sich extra kommen hat lassen, und geht zu seiner Ausbilderin, Irina Lanfear.
"Hallo, Vico. Hast du dich schon eingelebt?", sie sitzt in einer Schar von neuen Rekruten und nippt fröhlich an ihrem Glas.
"Nun, ich bin gerade dabei, Madame.", er sieht sich im Raum um. Sein Blick schwankt zwischen den Herrlichkeiten hin und her, bleibt dann aber an einer kleben.
"Ah, wie es scheint, hast du Vinni schon bemerkt. Wenn du willst, stell ich euch einander vor."
"Es wäre mir eine Ehre.", sein Blick bleibt an dem Mann heften. Plötzlich geht die Tür auf und ein stattlich junger Herr kommt herein. Vico dreht den Kopf.
"Und wer ist dieser nette Herr?"
"Wer? Oh, das ist Herr Johnson, BS. Er ist zwar kein Wächter, kommt aber gelegentlich vorbei."
"Aha.", ein Lächeln schmiegt sich auf die Lippen des neuen Rekruten.
"Könnt ich vielleicht..?"
"Oh ja, geh nur. Ich bin mir sicher, er ist froh, über ein wenig Gesellschaft.", aus dem Lächeln wird ein breites Grinsen.
"Da bin ich doch glatt behilflich.", Vico trennt sich von seiner Ausbilderin, welche sich wieder zu ihren anderen Rekruten setzt, und stellt sich neben den Zivilisten.
"Guten Tag, Herr Johnson.", er deutet mit seinem Glas einen Gruß.
"Guten Tag, Herr?"
"Vico van Vermeer, aber sie können mich schlicht und einfach Vico nennen. Wollen sie einen edlen Tropfen probieren?", er nippt an dem Wein und leckt sich genüsslich mit der Zunge über seine Lippen.
"Nein danke, Vico, ich bin bedient. Bist du neu hier?"
"Oh ja, Herr Johnson. Ich bin gerade eben erst eingetreten und versuche, neue, nette Leute kennen zu lernen.", seine linke Hand schlängelt sich langsam zu Johnsons Gesicht und streichelt sanft darüber.
"Schön, ich freue mich immer, neue Gesichter zu sehen."
"Und ich erst.", Vico legt behutsam die Hand um seine Schulter.
"Kommen sie oft her?"
"Ja, öfters.", er scheint die fremde Hand auf seinen Schultern nicht zu bemerken.
"Das freut mich zu hören, Herr Johnson.", sein Blick gleitet an dem Mann herab.
"Und welch prachtvolle Statur."
"Wie meinen?"
"Ach nichts, ich bewundere nur ihren prächtigen Körperbau.", er beugt seinen Kopf nach hinten und verspeist mit seinen Augen gedanklich Johnsons Hinterteil.
"Ach so.", seine Gleichgültigkeit spornt Vico noch mehr an und er lässt seine Hand über dessen Rücken, hinunter zu dem Ort seiner Begierde wandern.
"Äh, Vico? Ich glaube, deine Hand hat sich da etwas verirrt."
"Wie? Oh, ja. Das tut mir aber leid. Das hab ich doch gar nicht gemerkt.", theatralisch langsam zieht er die Hand zurück. Cirka zur gleichen Zeit hört er ein Lachen von der anderen Seite des Raumes. Er dreht sich um und sieht seine Ausbilderin lachend näherkommen.
"Ähm, Vico. Ich glaube, du solltest unseren lieben Johnny etwas in Frieden lassen, bis er sich auskennt, was hier vor sich geht. Lerne doch mal den Rest der Leute kennen."
"Wie sie wünschen, werte Dame.", etwas enttäuscht verlässt er die beiden, welche beginnen, sich angeregt zu unterhalten. Der Zivilist schaut verwundert und leicht geschockt zwischen seiner Gesprächspartnerin und dem Rekruten hin und her. Vico hingegen erforscht den Raum, um den Herren, den seine Ausbilderin vorhin Vinni nannte, wieder zu erblicken, oder sonst einen freistehenden Mann, als ihn jemand von hinten anredet.
"Hallo, Vico. Ich habe deine Bewerbung gelesen. Ich wollte dir nur sagen, dass sie mir sehr gefallen hat.", der Rekrut dreht sich um und sieht in das untote Gesicht einer Zombie.
"Oh, hallo, Madame Atera.", Frau Lanfear war schon vorhin so nett gewesen, ihm die Ausbilder der Wache von weitem zu zeigen.
"Es freut mich, dass es ihnen gefallen hat."
"Du brauchst nicht so förmlich sein. Hier in der Wache ist das nicht so üblich.", sie streckt ihm ihre Hand hin und er ergreift sie.
"Das ist aber nett, Herzchen. Es ist immer schön, wenn man in seinem Arbeitsgebiet jemanden hat, mit dem man reden kann. Du scheinst ein nettes Mädchen zu sein. Nur..", er sieht skeptisch an ihr herunter.
".. nur an deiner Kleidung würde ich etwas ändern, Liebes. Etwas, wie soll ich sagen, Lebendigeres, Aufmunterndes. Zartrosa würde dir gut zu Gesicht stehen..".
"Eh, nein, danke, Vico. Es ist zwar sehr nett von dir, aber ich glaube, ich bin mit meiner Garderobe voll und ganz zufrieden.", sie schenkt ihm ein Lächeln und scheint über seine Sprachgewohnheiten nicht verärgert zu sein. Auch er strahlt. Die Entscheidung, zur Wache zu gehen, ist eindeutig die richtige gewesen.
"Wie du meinst, Liebes. Solltest du aber irgendwann einen guten Schneider benötigen, ich kenne da jemanden, der kann mit Stoffen exzellente Ware herstellen. Ich kann ihn nur weiter empfehlen.", er holt aus einer Seitentasche einen zusammengelegten Fächer heraus.
"Vielleicht werde ich einmal darauf zurückkommen, danke."
"Langsam wird es warm hier drin, findest du nicht auch?", mit einer eleganten Handbewegung öffnet er diesen und fächert sich langsam und andächtig Luft zu.
"Hast du dich schon mit ein paar Leuten bekannt gemacht?", sein Blick scheint in die Ferne zu gleiten und ihre Worte prallen scheinbar ungehört ab.
"Hm? Oh ja, ein paar nette Zivilisten laufen hier herum, muss ich sagen.", seine Augen bleiben starr gerichtet beim Reden.
"Suchst du jemanden?"
"Hm? Nein, nein. Ich sehe mich hier nur so um.", Atera folgt dem Blick des Rekruten und landet bei Vinni, der alleine steht und gerade etwas aufhebt. Innerlich verzehrt Vico sich an dem Anblick, während ein Lächeln auf Ateras Lippen huscht.
"Soll ich euch vielleicht bekannt machen?", auch diese Ausbilderin scheint sehr um Vicos Wohlergehen bedacht zu sein. Ja, er könnte es sich vorstellen, hier länger zu verweilen. Noch dazu ist er eine so nette Behandlung nicht mehr gewohnt. Entweder wird er rumgeschupst, beleidigt oder getreten. Hin und wieder zweifelt er sogar daran, ein selbstständig denkendes Wesen zu sein. Doch so ein Leben härtet einen ab. Wie, das werden manche armen Opfer noch zu spüren bekommen. Er kann hartnäckig und nachtragend sein. Ganz nach der Mutter, wie der Butler öfters zu sagen pflegt.
"Das wäre eine nette Geste von dir, Liebes.", glücklich hängt er sich leicht bei der Ausbilderin ein und trippelt mit ihr zu der Stelle, an der sich Vinni noch gerade eben so schön gebückt hatte.
"Vinni? Darf ich dir den neuen Rekruten von Rina vorstellen? Das ist Vico. Vico, das ist DNT Vinni."
"Hallo, Herr Vinni.", er setzt ein zuckersüßes Lächeln auf.
"Hallo, Vico. Na, wie gefällt es dir bei uns?"
"Och, zur Zeit recht gut. Es könnte aber besser gehen.", er zwinkert dem Mann zu.
"Ja, das kenn ich. Weißt du eigentlich schon, wo du nach deiner Ausbildung hin willst?"
"Nun ja, Frau Lanfear hat mir die Abteilung RUM empfohlen."
"SEALS ist auch eine sehr schöne Abteilung.", Atera bleibt der Gruppe treu und redet lächelnd mit.
"Aber DOG braucht ein wenig frisches Blut. Es ist eine sehr schöne Abteilung mit sehr netten Kollegen."
"Wie viele Männer?", die Ausbilderin lächelt wissend aufgrund der Frage.
"Einige.", Vinni scheint die Anspielung nicht zu verstehen.
"Das freut mich.", er tritt ein paar Schritte näher und legt seine Hand um Vinnis Schulter. Auch dieser scheint nichts dagegen zu haben. Vico grinst.
"Wir haben kaum Nachwuchs bekommen, obwohl wir eine der besten Abteilungen sind."
"Vinni, lass ihn doch. Er hat ja noch Zeit, um sich zu entscheiden."
"Man kann nie früh genug anfangen.", er scheint sich in dieses Thema festgebissen zu haben. Mittlerweile haben sich ein paar Gruppen aufgelöst und treffen nun zu dieser hinzu. Mit dabei Irina Lanfear und Humph Meckdwarf.
"Lass den Jungen in Frieden, Vinni. Das ist Manipulation.", Herr Meckdwarf mischt sich missmutig in das Gespräch ein, während Madame Lanfear an Vinni näher tritt und ihm etwas ins Ohr flüstert. Vico lässt dabei seine Fingerchen spielen.
"Aha.", Vinni sieht zwischen Vico und Irina Lanfear hin und her, doch es hat den Anschein, als verstände er nicht so ganz, was diese ihm erzählt.
"Wie schön. Es kann nicht schaden, wenn wir ein paar gefühlsbetonte Wächter haben. Vielleicht sollte ich etwas freundlicher zu ihm sein, dann kommt er später einmal zu DOG."
"Nein, Vinni. Ich glaub, du verstehst nicht ganz, was ich meine."
"Ach, Madame Lanfear. Überfordern sie den armen Jungen doch nicht so.", Vico streichelt ihm sanft übers Ohr.
"Er wird schon wissen, wie es im Leben abläuft. Wenn nicht, ich kann es ihm gerne beibringen.", lüstern klimpert er mit seinen scheinbar gefärbten Wimpern.
"Hm? Was meinst du?", der Wächter scheint wohl auf der Leitung zu stehen, oder zumindest noch nicht in so einer Situation gewesen zu sein.
"Vico, sei sanft zu ihm. Er soll nicht vor Schock aus den Wolken fallen. Er braucht heut wohl etwas länger.", die Ausbilderin zwinkert ihm zu und Johnson, der nun auch näher getreten ist, lacht.
"Aber immer doch, werte Frau Lanfear. Ich werde gaaanz sanft und lieb zu ihm sein.", Vico nutzt seine Chance, auch wenn sie von mehreren Leuten beobachtet werden, packt Vinnis Körper, drückt ihn fest - zumindest für Frauenverhältnisse - an sich und presst seine Lippen an seine. Nicht genug der Hinterlistigkeit, nutzt Vico den Überraschungsmoment aus und stößt seine Zunge in den Mund des Opfers. Vinnis Atem stockt und seine Augen weiten sich. Sein Kopf färbt sich rot und ehe er sich’s versieht, schlängelt sich ein klitschiges Etwas an seine Zunge. Ohne Nachzudenken stößt er Vico heftig von sich, spukt mehrmals auf den Boden und funkelt Vico an, während er seine Lungen energisch mit Luft füllt. Der Rest schmunzelt oder kann sich ein Lachen nicht verkneifen.
"Du.. Du.. Bist du verrückt geworden???"
"Vinni, fühlst du dich nicht gut?", nach der etwas intimeren Berührung scheint Vico auf die Förmlichkeiten zu verzichten.
"Du bist plötzlich so blass geworden.", er streichelt ihm sorgevoll über die Wange, doch dieser schreckt empört zurück.
"Greif mich nicht an! Bleib weg von mir!", Vico scheint Vinnis Ausbruch nicht ganz zu verstehen und versucht, sanft auf ihn einzureden.
"Vinni-Herzchen, was ist denn los mit dir? Wolltest du nicht, dass ich zu DOG komme? Wir können doch drüber reden. Bei einem kleinen Gläschen Wein. In einem romantischen Lokal bei Kerzenschein.", Vico versucht, Vinni wieder etwas näher zu kommen, doch dieser blockt ab.
"Ich sagte, du sollst weg bleiben!", er schupst den Rekruten unsanft weg.
"Au! Vinni, sei doch nicht so grob, du Schlingel du."
"Wolltest du nicht freundlicher zu ihm sein, Vinni?", Johnsons Schadenfrohe ist kaum zu übersehen.
"Wie soll ich’s dir noch beibringen? Ich will nichts von dir. Lass mich in Ruhe. Hau ab. Geh jemanden anderen verführen, aber lass mich allein.", noch immer leicht geschockt stampft er davon, gefolgt von Frau Lanfear, die versucht, ihn zu beruhigen.
"Aber, Vinni.. Du kannst doch nicht.", einzelne Tränen rinnen über Vicos Wagen.
"Vinni, bitte..", nur unsanfte Worte kommen aus der Richtung, aus der Vinni verschwunden ist.
"Ich bin doch so einsam.. nie ist jemand nett zu mir.. immer ist mein Bett leer und kalt.. ich wollte doch nur etwas Zuneigung.", Stille und dann ein leichter Schimpfausbruch.
"Sei doch nicht so hartherzig. Ich brauche dich.", seine Lippen fangen an, etwas zu zittern. Seine Augen füllen sich mit Tränenflüssigkeit. Betont langsam holt er ein Seidentaschentuch aus der Hose und schnäuzt sich hingebungsvoll. Leises Gezischel ertönt. Vinni kommt missmutig zurück gedackelt und funkelt Vico an.
"Das einzige was du brauchst, ist ein Betthaserl.", er dreht sich wieder um und geht.
"Na gut, wie du willst!", Vico wischt sich seine Tränen aus dem Gesicht.
"Das war nicht sehr nett von dir. Du hast mich verletzt. Hast du mich gehört? Jawohl, verletzt hast du mich. Das macht niemand mit mir. Ich kann mich wehren. Ich.. ich.. ich werde dir unseren Familienanwalt auf den Hals hetzen! Du hast es nicht anders gewollt. DAS wird ein Nachspiel haben! Ich werde dich verklagen!"
"Pah!", Vinni tritt wieder etwas näher.
"Na gut, ich werde jetzt gehen."
"Na geh schon. Dann bin ich wenigstens vor dir sicher."
"Ich bin schon so gut wie weg."
"Ich warte."
"Ich, ach was soll's. Meine Herren, meine Damen, ... Vinni, ich wünsche ihnen eine angenehme Nachtruhe.", ein letzter flehender Blick huscht zu Vinni, welcher nur ein "Pfff" von sich gibt. Kurz wartet er, lässt die Verabschiedungen der anderen über sich ergehen, sieht noch mal kurz zu Vinni, dreht sich dann auf den Absätzen um und verschwindet. Wieder muss er allein ins Bett gehen, doch so eine Beleidigung muss er sich nicht bieten lassen. Nein, nicht länger.


Kleine Regentropfen sammeln sich unaufhörlich auf Vicos seidigem Haar. Den Versuch, schmutzigen Pfützen auszuweichen hat er nun schon längst aufgegeben. Seine lederne Hose ist durch und durch mit Schlamm durchnässt, das Hemd weist an mehreren Stellen Löcher auf, da er vorhin ausgerutscht und bei einem Zaun hängengengeblieben war. Seine sonst so gepflegten Haare hängen verwahrlost an ihm herunter. Seine Augen.. sollten zwar geschwollen sein, doch er weint nicht. Nein, eigentlich weint er selten. Er findet zwar, dass ein Weinausbruch zu jedem dramatischen Ausbruch dazugehört, doch nur als Showeinlage. Er ist nicht schwach, nicht in diesem Sinne. Er ist Schauspieler und mit diesen Waffen hat er auch zu kämpfen. Und er tut es auch. Eigentlich ist er nicht einmal wütend. Er ist es ja gewohnt, noch dazu findet sogar er es für unhöflich, sich gleich am ersten Tag jemanden an den Hals zu werden. Aber trotzdem, diese Behandlung hat er sich nicht bieten zu lassen. Vor all den Leuten. Vor Atera, seiner neuen Freundin, vor Madame Lanfear, seiner Ausbilderin. Es waren Leute, die in seinem Leben sicher noch wichtige Rollen einnehmen werden. Was sollen die bloß von ihm denken? So eine Szene für nichts und wieder nichts. Es gehört zum guten Ton, sich zu wehren. Ein Mann, der sich nicht wehrt, ist kein richtiger Mann, und er ist ja auch auf dem Weg, einer zu werden. Vinni ist höher als er, vielleicht sogar sein Vorgesetzter. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, sich gleich am ersten Tag mit einem anzulegen. Doch er hatte ihn verletzt. Sein Herz, seine Seele und vor allem seinen Stolz.
"Noooddyyyy!", in Gedanken ist er bei der Villa eingetroffen und öffnet die Tür. Das erste was er hört, ist die aufgeregte Stimme seiner Mutter.
"Oh, nein.", er ist drauf und dran die Tür wieder zu schließen, als der Butler ins Licht rückt.
"Sir Vico, ihre Mutter möchte sie sprechen."
"Was, warum?"
"Sie hat einen Zettel ihrer Aufführung gefunden."
"Einen Zettel, wo?"
"Bei ihren Sachen. Sie wollte sich ein wenig körperlich betätigen und hat ihre Sachen durchstöbert."
"Aber, sie kann doch gar nicht lesen.", kurz denkt er nach, dann schenkt er dem Butler einen bösen Blick.
"Siegfried!"
"Ihre werte Frau Mutter hat den Zettel gefunden und wollte ihn vorgelesen bekommen. Ihr hat es nicht sonderlich gefallen, dass sie ihren Namen leugnen. Sie ist erzürnt."
"Aber, wie konntest du nur. Ich habe dich bezahlt!", Verzweiflung keimt in ihm hoch.
"Ich habe nur vorgelesen, was auf dem Stück Papier stand."
"Noooddyyyy!"
"Ich.. kann nicht. Ich.. muss sofort weg. Ich muss zu unserem Anwalt. Sag ihr, dass ich.. dringende Geschäfte tätigen muss."
"Ich werde es ihr ausrichten.", Vico schließt eilig die Tür, ohne auf eine Antwort zu warten, als ihm etwas einfällt. Schnell öffnet er diese wieder.
"Sag mal, Siegfried? Wo wohnt der eigentlich?", der Butler dreht sich um, sieht ihn mit einem "Das-habe-ich-erwartet"-Blick an und reicht ihm eine Karte.
"Oh, danke. Ach ja, sagen sie meiner Mutter, ich komme morgen wieder. Ich bleibe bei Freunden.", der Butler nickt und dann verschwindet Vico wieder.


"Sie wollen also, dass ich rechtliche Schritte gegen ihren Vorgesetzen wegen Schändung einleite?", Vico hat das Haus mit dreimaligen verlaufen gefunden. Es scheint seit seinem letzten Aufenthalt neu errichtet worden zu sein. Liegt vielleicht daran, dass sich die Alchimisten in der näheren Umgebung befunden haben.
"Nun ja, nicht unbedingt Schändung.", er hat es sich in dem Büro bequem gemacht, nachdem er sich gewundert hat, warum um diese Uhrzeit noch jemand hier ist. Hat vielleicht mit der Tatsache zu tun, dass ihr Anwalt ein Vampir ist.
"Wie wäre es mit sexueller Nötigung?"
"Nun, nicht unbedingt.", verlegen spielt er mit seinen Fingern. Erstens fühlt er sich unwohl, verdreckt und mit so einer Aufmachung irgendwo reinzuschneien, zweitens weiß er nicht direkt, wegen was er Vinni verklagen sollte. Er hat ja nichts getan, außer zu schimpfen, da lag ja das Problem.
"Was genau ist ihr Anliegen, Baron Zungenspiel?"
"Er.. hat mich beschimpft. Abgewiesen, zutiefst gekränkt."
"Verstehe. Hm, nun gut. Sie sind also heute den ersten Tag bei der Wache?", Vico nickt.
"Gut. Also, wir könnten es als eine Art seelische Folter deklarieren. Weiteres haben sie ein püschologisches Trauma erlitten - welches wir durch einen Bekannten von mir ausgestellt bekommen, natürlich bei entsprechender Bezahlung -, da die unsanfte Abweisung zu einem seelischen Knicks, welches sie behindert, ihre Pflicht zutun, führt. Dass muss dann natürlich geldlich abgeglichen werden. Noch dürfen wir nicht auf die Folgen des.."
"Äh, wenn ich kurz unterbrechen dürfte. Ich will ihn nicht hinrichten lassen oder so. Eine, äh, kleine Strafe oder eine öffentliche Entschuldigung würde schon genügen."
"Wächter haben sozusagen Immunität. Wir kratzen ein wenig an seiner Schale, er muss ein wenig Geld bluten und das war's. Keiner kommt zu schaden."
"Aha, und was würde mich dieser Spaß kosten?", Vico fängt an, nervös an seinen Fingern zu kauen. Als er es realisiert, hört er sofort erschrocken auf.
"Nun, sagen wir, 300 für mein Verfahren, dann kommen noch die Spesen für den Kauf des püschologischen Gutachtens dazu. Weiteres noch die anfallenden Kosten, sollte der Angeklagte zurückklagen. Summersummarom.."
"Summerwas?"
"Also insgesamt würde ich so um die 600 bis 800 Dollar schätzen."
"DOLLAR?"
"Natürlich können sie sich auch einen billigeren Anwalt suchen, aber bitte bedenken sie, dass ihr Ruf dadurch ziemlich in Verruch gezogen würde. Noch dazu, wenn sie verlieren würden. Kaum auszudenken, was ihre Mutter dazu sagen würde."
"Oh. Ja. Stimmt. Meine Mutter. Da fällt mir ein, ich muss sofort zu ihr. Tut mir leid, dass ich sie aufgehalten habe."
"Kein Problem. Sie können mich jeder Zeit aufsuchen, um die weitere Handlungsweise zu besprechen."
"Äh, ja. Danke. Auf Wiedersehen."
"Es war mir eine Ehre, Baron Zungenspiel.", der Vampir streckt ihm seine bleiche Hand entgegen und bleckt die Zähne. Langsam wird es Vico unheimlich zu Mute und er überdenkt seinen Plan, Vinni zu verklagen, aufs neue. Es wird sich schon etwas anderes finden, als so eine unnötige Erregung öffentlichen Ärgernisses... und seines Geldbeutels.


Nun steht er mitten auf der Straße und sieht sich um. Der Regen hat aufgehört, doch dafür hat ein stetig ansteigender Wind eingesetzt. Leicht zittern ihm die Knie und er wünscht sich, er hätte eine Jacke mitgenommen. Schützend umklammert er seine Brust und denkt nach. Noch kann er nicht nach Hause, seine Mutter würde sicher noch eine Weile brauchen, bis sie sich abgeregt hat. Nur wo soll er um diese Zeit hin? In den letzten drei Jahren, die er nicht hier war, hat sich viel verändert. Seine meisten Bekannten, die er nur bedingt Freunde nennen kann, sind auf Tour, der Rest im Lande verteilt. In der Stadt hat er nie wirklich richtige Freunde gehabt, deswegen zieht er ein Leben als reisender Schauspieler auch vor. Wenn doch, dann waren sie meist zu beschäftigt, um sich um ihn zu kümmern.
"Wuff.", ein streunender Hund sitzt vor ihm und bellt ihn an. Er ist ziemlich verdreckt und zerzaust. Unter normalen Umständen hätte er den Köter einfach verjagt, doch er findet sich zur Zeit genauso dreckig wie er. Deswegen ignoriert er ihn nur.
"Wuff, Wuff!", Vico versucht sich zu konzentrieren und sich nicht von diesem Streuner ablenken zu lassen. Doch das Gebelle kommt ihm merkwürdig vor. Er sieht zu dem kleinen Knäuel auf den Boden und blickt in zwei bettelnde Augen. Dieser Anblick erinnert ihn an jene Sache, die er sich jetzt am meisten wünscht. Ein Bad. Ein schönes, heißes Bad. Und frische Kleider.
"Hm, Kleider, ja. Das ist es.", er geht weiter und achtet nicht auf den Hund. Unabsichtlich, oder besser, unbeeindruckt tritt er dem Tier auf die Pfote, welcher aufjault.
"Du Idiot! Pass besser auf, dass du nicht wieder in einer Duftflasche badet!", Vico vernimmt die Worte zwar, dreht sich aber nicht um. Er hat gelernt, sich in dieser Stadt nicht umzudrehen, egal was passiert.
Nach einer viertel Stunde bleibt er vor einem kleinen, aber schönen Haus in der Noblen Gasse stehen. Er blickt auf das Schild und nickt. Nicht alle Sachen haben sich verändert in seiner Abwesenheit. Er steigt die zwei kleinen Stiegen empor und klopft. Nichts rührt sich. Hinter ihm raschelt es. Diesmal klopft er energischer und lauter. Eine helle Stimme aus dem Inneren besagt, dass man warten solle. Vico drängt sich näher an die Tür und lauscht. Ein Klappern ist zu hören. Jemand kommt näher. Ein Riegel wird zur Seite geschoben und die Tür öffnet sich einen Spalt breit. Ein Kopf lugt nach außen, guckt kurz verblüfft in das Gesicht des Wartenden und schließt die Tür wieder. Ein Rascheln ertönt, aber diesmal von Innen. Dann fliegt die Tür ganz auf.
"Geeernooot, mein Süßer. Wie siehst du denn aus. Und was machst du um Hiiiimmelswillen zu dieser Nachtzeit auf der Straße.", ein Mann, mit einem weißen Seidennachtanzug und flauschigen Pantoffeln, steht in der Tür und hat die Fingerspitzen vor dem Mund gelegt.
"Hallo, Sunny.", das ist zwar nicht der Name, der an dem Schild draußen angebracht ist, aber er scheint trotzdem darauf zu reagieren.
"Na komm schon rein, du Bengel. Meine Güte, dein Outfit ist ganz versaut. Und deine Haare.", er packt Vico an der Hand und führt ihn ins Haus.
"Wie geht dein Geschäft?"
"Ach, wer wird denn jetzt an das Geschäft denken. Wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen? Monate? Jahre? Jahrzehnte? Aber du scheinst dich wenigstens halbwegs zu pflegen, deine Haut ist noch so straff wie eh und je.", der Mann streicht Vico über das Gesicht. Der Rekrut schließt die Augen und genießt es.
"Ach, wie hab ich das vermisst. Du hast nicht zufällig ein Plätzchen für die Nacht, Herzchen?"
"Für dich doch immer, mein Süßer. Aber zuerst gehst du ins Bad und machst dich frisch. So kann ich dich doch nicht rumlaufen lassen. Was würden meine Kunden sagen. Komm, ich lass dir ein Bad ein und hol dir derweil ein paar neue Sachen."
"Ich habe leider kein Geld dabei, Sunny."
"Ach, wer redet denn hier von Geld. Du kriegst sie gratis. Der alten Zeiten willen.", lächelnd klatscht er Vico auf den Hintern, welcher damit aufreizend hin und her wackelt.
"Huch, und genauso lüstern wie eh und je. Leider bin ich vergeben, sonst wäre es mir ein Vergnüüügen, dich hier und auf der Stelle zu vernaschen.", er haucht ihm einen Kuss zu und verschwindet dann in einem abgelegenerem Raum. Kurze Zeit später erklingt Wasserrauschen.
"Wie geht’s es Däniel? Wohnt ihr schon zusammen?", Vico stellt sich in eine Ecke und beginnt sich auszuziehen.
"Meistens. Er meint, er bräuchte seinen Freiraum. Ich würde ihn zu sehr einengen. Deswegen wohnt er jetzt bei seinen Eltern. Aber er kommt bald zurück, ich kenne meinen Schatz doch. Immer meckern, doch ist er mal ein paar Tage weg, kommt er angerannt wie ein kleines Hündchen. So ist er halt.", die Stimme kommt näher, bis Sunny wieder im gleichen Zimmer weilt.
"Und wie geht es dir, Süßer? Hast du die Schauspieler satt?", er nimmt die nassen und dreckigen Sachen entgegen und entsorgt sie in einem Sack.
"Ich versuche hier einen Neuanfang. Übermorgen habe ich ein Vorsprechen im Theater. Nebenbei tschobe ich bei der Wache, um genug Geld zu verdienen, damit ich meine Mutter erhalten kann."
"Bei der Wache? Ah, ich hörte, da laufen süße Jungs herum. Hast du schon einen ins Auge gefasst, hm?", Sunny zwinkert Vico zu, der verlegen zu Boden blickt.
"Ich bin noch auf der Suche."
"Verstehe, wollte er dich nicht?"
"Daaaas, hab ich nicht gesagt.", empört dreht er den Kopf.
"Schon gut, du musst ja nicht gleich empfindlich werden. Ab in die Wanne mit dir, dann sieht die Welt gleich rosiger aus."
"Danke, Herzchen.", ohne weitere Umschweifen torkelt Vico ins Bad und lässt sich wohlig seufzend ins Wasser plumpsen. Kurze Zeit später kommt Sunny nach, legt Vico zwei Gurkenscheiben auf die Augen, cremt sein Gesicht mit einer gelbgrünlichen Paste ein und streicht ihm honigartige, zähe Flüssigkeit ins Haar.
"Hast du wieder Gewand von deinen Reisen mitgebracht?", Sunny bemüht sich, auch jede kleinste Stelle einzucremen.
"Vier ganze Taschen voll. Leider ist in einer ein Duftfläschchen der Marke Spirit Noir ausgeronnen."
"Ach, das ist kein Problem. Ich habe eine gute Beziehung zu einem sehr guten Wäscher. Hm, sagen wir, zwei verunreinigte Kostüme für ein neues und drei völlig intakte für ein maßgeschneidertes. Was sagst du dazu, Süßer?"
"Aaaah. Was? Ja, natürlich, aaalles, was du willst, Sunny.", der Mann grinst und fängt nun an, auch den Rest des Körpers seines Bekannten einzucremen.


Die ersten Sonnenstrahlen streicheln samt über Vicos Augen. Lächelnd öffnet er eines und bändigt seine Haare. Nach dieser Nacht sind sie etwas zerzauster als sonst.
"Was machst du jetzt ?", Sunny ist genauso wie er ein begnadeter Frühaufsteher. Auch er wacht bei den ersten Sonnenstrahlen auf. Als Schneider sollte man jedes Fünkchen Sonne nützen, um des Nachtens seine Augen schonen zu können. Das ist sein Motto und als Schneider hoher Kundschaft ist er auch ein Verfechter seiner Prinzipien. Vico hingegen braucht einfach nur weniger Schlaf, da er Jahre hindurch einer fahrenden Gemeinschaft angehörte, die es sich nicht leisten konnte, den Tag zu verschlafen.
"Ich weiß es noch nicht.", er hat seinem Bekannten seine Geschichte erklärt. Immerhin braucht auch er einen Freund, bis er sich hier wieder heimisch fühlt. Sunny ist ein guter Zuhörer und gelegentlich auch ein guter Liebhaber, obwohl er meistens sehr oberflächlich ist. Er bezeichnet viele Leute als seine Freunde, er hilft auch gerne aus, doch sobald er den Kürzeren ziehen würde, steigt er aus.
"Jetzt geh ich mir zuerst einmal einen anständigen Schluck gönnen. Vielleicht kommt mir die Lösung in Form eines delikaten Glases Wein.", Vico ist der Meinung, kommt Zeit, kommt Rat. Wenn nicht, improvisiert man einfach. Er steht auf, geht in das Bad und schließt die Tür. Aus Erfahrung weiß Sunny, dass es nun Zeit wird, den Kaffee aufzusetzen, Frühstück zu bereiten und dann gemütlich Zeitung zu lesen. Immerhin braucht Vico länger als jede Frau im Bad. Während er den Kaffeedämonen nach erledigter Arbeit füttert, erklingt ein leichter Aufschrei.
"Honey, hast du dir weh getan? Soll ich dir helfen?", er setzt den Dämonen zurück und geht zu Tür. Gerade in diesem Moment kommt Vico aus dem Zimmer. Sein Gesicht ist schmerzensverzerrt und zitternd hält er seine Hand.
"Was ist denn los? Nun sag doch schon.", erschrocken hält er den Verletzen an den Schultern.
"Mein... mein... Daumen. Ich habe... mir in den Daumen geschnitten, als ich meine Nägel maniküren wollte. Es... rinnt Blut.", Vico öffnet seine Faust und ein blutverschmierter Finger kommt zum Vorschein. Ein paar Blutstropfen drängen sich aus der Wunde, die anscheinend nur oberflächig ist.
"Süßer, das ist ein kleiner Kratzer.", er sieht Vico in die Augen und merkt, wie dieser bleicher wird.
"Ich werde nie verstehen, warum du zur Wache gehst, wenn du kein Blut sehen kannst.", er schüttelt den Kopf, holt ein Tuch und wickelt es ihm um die Wunde.
"Setz dich erst mal hin, trink eine gute Tasse Kaffee und ruh dich ein wenig aus. Das Frühstück ist gleich fertig."


"Was willst du, Vogel?", der Barkeeper steht hinter der dreckigen Theke und wischt ein paar unsaubere Gläser. Das typische Ambiente einer Kneipe. Nur dass diese hier mit Wächtern gefüllt ist und sich sonst kein Bürger reintraut. Umso überraschter ist der Barbesitzer nun, als er einen Mann, wie er glaubt, in, mit in Blautönung gehaltener, Samtkleidung vor sich stehen sieht. Auf seinem Haupt sind ein paar kleine Straussfedern platziert, die anscheinend zu einer Art Haube geknüpft sind.
"Ein Glas besten Chateau Selachii bitte.", der Barkeeper putzt sein Glas ausdruckslos weiter bei diesen Worten. Dann holt er eine Flasche unter dem Tisch hervor, füllt das eben gereinigte Glas halbvoll und stellt es vor den Gast.
"Hier. Was besseres haben wir nicht. 5 Cent.", Vico verzieht ein wenig das Gesicht, nippt an dem Glas und zahlt die gewünschte Summe.
"Besser als Mäusepisse. Danke.", Vicos Meinung von Bier steht fest, seit eh und je.
Er sieht sich neugierig um, doch als er keinen Bekannten erkennt, setzt er sich an einen Tisch mit ein paar Rekrutenkollegen, die er noch nicht näher kennt. Doch sein Ruf scheint ihm auch hier schon etwas vorgeeilt zu sein - oder ist es nur sein Aussehen? Zumindest steht der Rest plötzlich auf und setzt sich um. Seufzend schaut er ins Glas und denkt nach. Wenn jemand nun sein Gehirn geöffnet hätte, würde er viele kleine Zahnräder sehen, die sich mühevoll drehen und langsam Rauch erzeugen.
"Ja, das könnte klappen."


Wieder gut gelaunt wackelt Vico zur Wache, als er bemerkt, das er eigentlich gar keine Uniform trägt. Nicht, dass er das hässliche Ding Metall hätte tragen wollen, doch es ist Vorschrift. Es schützt vor Angriffen, Dreck und Unfällen. Aber ob der Ton zu seinem Outfit passen würde? Er schaut an sich herunter.
"Hm, ich werde einfach sagen, ich habe darunter eine eigens angefertigte Weste aus Eisen. Sie werden mich schon nicht filzen. Wenn doch? Dann hab ich wenigstens eine Freude.", lächelnd geht er weiter, öffnet die Tür zum Wachhaus, grüßt die Kollegen, geht beim schwarzen Brett vorbei Richtung Aufenthaltsraum und bleibt stehen. Er dreht den Kopf, sieht erneut auf das schwarze Brett, geht zu dem Hort seines Interesses, schnappt sich den Zettel und reißt ihn von seiner Halterung.
"In der Näherinnengilde? Iiiiinteressant. Nach diesem Fall geh ich zu DOG. Dann werde ich es diesem Möchtegernhengst einmal zeigen, mit wem er sich hier anlegt.", er faltet das Blatt zusammen, steckt es in seine Hosentasche, bleibt an einem Faden hängen, reißt sich einen Nagel ab und fängt an zu wimmern. Er reicht den Finger zum Mund, beißt ein Stück des Rest des Nagels weg und dreht den Kopf. Ein Dutzend Augenpaare von anderen Wächtern in spe starren ihn fragend an.
"Vielleicht werde ich auch nur nett bitten, sich zu entschuldigen.", etwas Röte steigt in ihm auf, lächelt gekünstelt und eilt in ein anderes Zimmer. Er sollte sich wohl angewöhnen, nicht laut zu denken.


"Mein Name ist Vicky Verm. Ich würde mich gerne als Zusammenräumgehilfin bewerben.", die Vorzusprechende nimmt den seitlichen Rand ihres Rockes zwischen je zwei Fingern und hebt ihn leicht in die Höhe. Dann geht sie ein wenig in die Knie und macht einen graziösen Knicks. Die ehemalige Haushaltsgehilfin bei der Familie Selachii, wie es in ihrem Bewerbungsformular steht, trägt ein langes blau-weißes Kleid mit einem wallenden Rock. Auf ihren Augen glänzt ein hellblauer Lidschatten, ihr Mund wird von einem zartroten Lippenstift geziert und ihre Haare sind zu Zöpfe geflochten. Am linken, kleinen Fingern prangt ein silberner Ring.
Frau Palm nickt der Bewerberin zu, nimmt die Unterlagen und blättert interessiert durch.
"Die Referenzen sind an sich nicht schlecht. Doch die Handschrift scheint mir immer die selbe zu sein, auch wenn sie sich von Blatt zu Blatt etwas unterscheidet.", die Gildenoberhäuptin begutachtet ihr Gegenüber mit einem strengen Blick.
"Danke fürs Kommen, Frau Verm.", und mit lauterer Stimme fügt sie hinzu, "Die Nächste bitte."
"Aber bitte, Frau Palm. Sie können mich doch nicht sofort abweisen. Ich gebe zu, diese Blätter sind vielleicht etwas gefälscht. Aber ich kann ihnen schwören, bei meinem verstorbenen Ehemann, dass ich meinen Beruf beherrsche.", Vicky hat es sich auf dem Sessel bequem gemacht, schlägt die Beine übereinander, legt ihre Hand aufs Knie und klimpert mit den Wimpern.
"Wissen sie, meine Gute. Als mein Mann noch lebte, Offler sei seiner Seele gnädig, kam ich fast nicht aus dem Haus. Es war ein hartes Leben.", sie legt ihre flache Hand auf die Stirn und hebt andächtig den Kopf.
"Er war bettlägerig und ich musste den ganzen Tag putzen. Nie sah ich auch nur einen Funken von Geld.", sie sieht betroffen zu Boden und seufzt. Ihren Gesten zu urteilen, hat sie noch lange nicht vor, zu gehen.
"Jetzt, wo ich wieder allein bin, kann ich mich kaum an das Leben anbinden. Ich muss.."
"Bevor sie mir ihre Lebensgeschichte rezitieren, Frau Verm. Zeigen sie mir doch bitte ihre Hände.", Skepsis bahnt sich in der Putze an, doch, auch wenn recht zögern, spreizt sie ihre Finger und streckt sie Frau Palm entgegen. Diese nimmt sie in ihre und sieht sie vorn und hinten an. Dann streicht sie ein paar mal darüber.
"Ich will sie ja nicht verletzten, Frau Verm. Bei ihrem harten Leben, dass sie geführt haben. Aber ihren Händen zu urteilen, muss ihr Mann schon seit ein paar Jahrzehnten tot sein. Ihre Hände sind nämlich fast besser gepflegt als meine.", das freundliche Grinsen von Frau Verm verwandelt sich plötzlich in ein zaghaftes Lächeln.
"Anscheinend haben sie in ihrem ganzen Leben noch keine richtige Arbeit gemacht, kann das sein, Frau Verm?", das Lächeln verwandelt sich in ein stummes Schweigen.
"Aber ihr Auftritt, dass kann ich nicht leugnen, hat eine gewisse Art von - nennen wir es Neugier - geweckt.", das Lächeln der Gegenüber kommt zurück.
"Doch als Putzfrau kann ich sie hier nicht gebrauchen.", die Enden der Lippen sinken wieder.
"Aber...", Frau Palm winkt die versuchte Antwort ab.
"Wie wäre es, wenn sie als Näherin zu uns kommen? An ihrer Gepflegtheit und ihrer Aufmachung könnte sich noch manch eine ein Beispiel nehmen.", ein noch intensiveres Grinsen schleicht sich in Vickys Gesicht.
"Es wäre mir ein Vergnüüügen, Frau Palm.", die Gildenpräsidentin kann nicht einmal erahnen, wie ernst es Vicky, oder manche könnten auch Vico sagen, damit ist.


Vico hat sich wieder umgezogen und eilt zurück ins Wachhaus. Er hat die Aufnahme ins Gildenhaus bestanden und muss nun seiner Ausbilderin erklären, dass er für einige Zeit leider nicht zum Dienst erscheinen kann. Was er genau vor hat, will er ihr erst dann erzählen, wenn er genauere Hinweise über das Ableben der beiden Näherinnen gesammelt hat. Aber er hat auch nicht vor zu lügen, deswegen umschreibt er seinen Job ein wenig.
Da er es eilig hat, drückt er ihr einfach einen Zettel in die Hand, auf dem folgendes steht:
Werte Frau Madame Lanfear.
Mein künstlerischer (Neben-)Beruf entwickelt sich gerade in näherischen, obgleich toten Bahnen. Ich kann leider in unmittelbarer Zukunft nicht an den überragenden Aktionen der Wache teilhaben. Doch werde ich mich des öfteren melden, und ihnen mein Weiterkommen berichten. Sollte ich Erfolg haben, wird sich meine Karriere schlagartig ändern. Ich hoffe, sie haben Verständnis.
Gezeichnet, Vico van Vermeer, Rekrut ehrenhalber.

Dann dreht er sich um, ignoriert das laute Seufzen und das Rufen seiner Ausbilderin und rennt - ein Beobachter würde hier eher von trippeln reden - nach Hause. Auf dem halben Weg erkennt er, dass dies vielleicht nicht gerade das richtige wäre und schlägt die Richtung seines Schneiders Sunny ein. Vor seiner Tür bleibt er abrupt stehen und schlägt heftig dagegen. Kurz darauf ertönt eine Schimpftirade und Vico hält sich schmerzend die Hand.
"Warum können die Türen nicht überall aus Pappe sein.", meckert er.
"Ah. Komm rein, ich habe dich erwartet.", Sunny öffnet die Tür und lässt seinen Gast hinein.
"Du hast mich erwartet?", zärtlich streicht er über seine Hand und beäugt sie kritisch, um festzustellen, ob sich ein ungewollter, blauer Fleck bildet.
"Dein Butler war vorhin hier."
"Siegfried war was?"
"Er meinte, du solltest dich umgehend in der Villa einfinden. Deine Mutter wird sonst hysterisch."
"Das ist sie doch immer.", verstohlen blickt er sich um.
"Tja, solltest du vorhaben, länger bei ihr zu wohnen, würde ich auf seinen Rat hören. Du weißt doch, wie nachtragend die alte Schnepfe sein kann."
"Rede nicht so von meiner Mutter!"
"Ach Gernot, mein Süßer. Es kann nie ein Mann aus dir werden, wenn du dauernd nach ihrer Peitsche tanzt."
"Das habe ich auch gar nicht vor. Ich habe auch schon eine Idee, wie ich mich ihren Fängen entziehen kann. Aber vorher muss ich einen Fall lösen, damit ich mein Gehalt für die Zukunft sichere."
"Das klingt doch mal gut. Wie kann ich dir dabei helfen, Honey?"
"Deswegen bin ich eigentlich hier. Sag mal, Sunny, wie schnell kannst du mir ein passendes Outfit zusammenschneidern?", der Schneider nimmt eine Schere in die Hand, hält sie mit der Hand umklammert, führt den Zeigefinger dieser Hand an den Mund und denkt nach.
"Was soll es sein?"
"Also. Ich dachte da an ein halblanges Kleid mit seitlichem Schnitt bis zur Hüfte. Vorne mit eingenähten Stützkörbchen, in denen ich Wasserballons unterbringen kann. Du weißt schon, normale Größe. Kein Ausschnitt vorne, sondern hochgeschlossen bis zum Hals. Hinten darf das Kleid bis zum Ansatz meines knackigen Pos offen bleiben und nur durch Schnürchen gehalten werden.", Sunny hat mittlerweile Block und Stift gezückt und schreib mit. Beim letzten Satz verzieht er das Gesicht zu einem wissenden Grinsen.
"Welche Farbe hätte der Herr gerne?"
"Hm, ein schönes Rosa wäre schön. Der Rock sollte in einem dunkleren Ton sein, der sich dann nach oben hin verhellt."
"Wird gemacht. Das macht denn drei halb-neue Kostüme. Es ist zwar weniger Stoff, aber die Nääharbeiten, ist ja kaum auszudenken, wie lang ich dran sitze."
"Ich.. ähm .. bringe es.. ähm.. wenn ich.. ähm.. ja.. wenn.."
"Wenn du dich wieder nach Hause traust, schon verstanden.", ein leichtes, verschmilztes Lächeln liegt auf seinen Lippen.
"Wann könntest du damit fertig sein?", Sunny dreht die Notizen ein wenig hin und her.
"Na, ich schätze, fünf Stunden. Das ist aber nur für gute Freunde, damit du verstehst, was ich meine. Nun komm her und lass mal Maß nehmen.", er packt Vico, holt ein paar andere Sachen, wie Maßband und Nadeln, und begutachtet ihn von neuem.
"Sag mal, Honey. Wie willst du eigentlich dein.. bestes Ding verstecken? Oder willst du das gar nicht?", seine Augen starren auf das Gemeinte.
"Ich werde wohl.. noch Schnüre gebrauchen können.", Sunny verzieht bei den Worten schmerzerfüllt das Gesicht.
"Wie du meinst.", sagt er dann mit noch höherer Stimmlage.


Sein seidiges, frisch gewaschenes und deswegen duftendes Haar hängt im lässig über die Schultern. Sein ganzer Körper scheint frisch gewachst und eingefettet zu sein. Er trägt rosa Pumps mit mittelhohen Absätzen, die ihm das Gehen auf keinste Weise erschweren. Man merkt sein Talent - oder ist es Übung? Das Kleid reicht ihm bis zu den Knien, der Schlitz auf der Seite lässt tiefe Einblicke auf das Innenleben des unteren Teils der Kleidung und die Ärmel fehlen gänzlich. Die Rückseite lässt jedes Männerherz höher schlagen, wenn es nicht weiß, was genau in der Hülle steckt. Um sein rechtes Handgelenk baumelt ein rosa Handtäschchen, das mit ein wenig Kleingeld, einem Samttaschentuch, dem Zettel mit dem Auftrag und einem Fächer gefüllt ist. An seinem linken, kleinen Finger prangt ein goldener Ring mit einem Rosenquarz bestückt. Innerlich dankt er dem Butler seiner Mutter, dass er so bestechlich ist. Seine Wangen haben ein wenig mehr Farbe erhalten, seine Lippen bestechen in einem dunklen rose und seine Augen spiegeln die Farben des Kleids. Seine Wimpern sind schwärzer als sonst. Der Gesamteindruck veranlasst ein paar Passanten ihm nachzugehen und beim Vorbeigehen ihm unabsichtlich auf den Hintern zu greifen. Er jipst zwar nach Luft, aber nur Show-halber. Insgeheim steht dieses Outfit bei ihm nun auf Platz eins der Beliebtheitsskala.
"Hallo?", er klopft an eine Tür, doch es scheint niemand da zu sein. Er sieht sich um, doch das Büro und der Korridor sind leer. Er ist gerade auf dem Weg in den ersten Stock, als ihn jemand an der Schulter leicht festhält.
"Kann ich ihnen helfen, meine Dame?", Vico dreht sich um und ihm bleibt die Luft weg. Vor ihm steht Vinni und lächelt ihn freundlich an.
"Was..."
"Ich bin Lance-Korporal DNT Vinni. Sie befinden sich im Boucherie Rouge und wollen gerade die Treppe zum Wacheteil hinauf gehen. Da dort oben zur Zeit niemand ist, dacht ich mir, ich frage sie gleich hier."
"Ich... ist hier ein Mord passiert?", Vico zweifelt, dass er hier noch helfen könnte, wenn erfahrene Wächter hier hausen. Seiner Stimmer versucht er einen noch weiblicheren Ton zu verleihen.
"Ein Mord? Nein, nicht das ich wüsste. Zumindest nicht seit ich hier bin."
"Oh.", der Rekrut nimmt seinen Zettel aus dem Täschchen und liest nach. Das war ja wieder einmal typisch, er war im falschen Haus.
"Das tut mir aber leid. Ich habe mich wohl auf dem Weg zur Arbeit verlaufen. Ich werde wieder gehen.", gekünstelt lächelt er Vinni zu und trippelt von dannen. Fünf Minuten später trifft er am Ort des Geschehens ein.


"Ah, bist du Vicky?", ein junges Mädchen, Vico schätzt sie nicht älter als 20, kommt ihm lachend entgegengelaufen.
"Ja, und du bist?"
"Ich bin Dorothea. Man hat mir gesagt, ich soll dich einschulen, während du hier bist. Aber wie ich sehe, bist du schon ziemlich erfahren.", sie umkreist den Neuling und grinst.
"Nun.. ich war mal Visaschistin."
"Hm, dein Kleid ist auch sehr hübsch. So eins hätte ich auch gern. Wo hast du das her?"
"Ich.. hab's mir selber gemacht."
"Oooh. Wow. Und..", das Mädchen scheint sehr neugierig zu sein. Eigentlich ideal für die Wache, denkt sich Vico.
"Bevor du mir hier ein Loch in den Bauch fragst, wolltest du mir nicht das Haus zeigen, Herzchen?"
"Ach? Na gut. Komm mit. Du wirst vorerst in meinem Zimmer schlafen, da die anderen zwei erst untersucht und sauber gemacht werden müssen."
"Die anderen zwei? Was ist denn mit denen?", Vico wird hellhörig.
"Die sind tot.", ohne weitere Umschleife rennt sie rein und hinauf in den ersten Stock.
"He, warte doch.", das einzige, was Vico Unbehagen bereitet, ist das Laufen mit hohen Absätzen. Er versucht, ihr nachzukommen, hüpft über die Stiegen erst mal in das Gebäude und weiter zu den Stiegen, als er bei einem Teppich hängen bleibt und das Gleichgewicht verliert.
"Aaaaaaaaaaaaaah... Oh.", ein Mann mittleren Jahren - eigentlich ein recht kleiner Mann, ein Zwerg sozusagen - fängt Vico bevor er zu Boden fällt auf. Irgendetwas stimmt an ihm nicht, doch ihm fällt nicht ein was. Er verdrängt den Gedanken und macht sich bereit, sich zu bedanken, doch als er dessen grimmiges Gesicht sieht, steht er auf und läuft Dorothea hinter her.
"Was war denn los?", Doro hat den Verlust bemerkt und wartet nun oben auf Vicky.
"Ich bin wohl doch nicht über den Teppich, sondern über einen Zwerg gestolpert.", er sieht etwas verlegen zu Boden.
"Oh, das haben die gar nicht gern. Das hat was mit ihrem Minderwertigkeitsproblem oder so zu tun."
"Das hab ich gemerkt.", er schüttelt leicht die Hand, als wenn er sich verbrannt hätte. Doro lächelt.
"So, das ist unser Zimmer. Sag mir vorher Bescheid, wenn du Besuch oder Kunden hast. Dann sehe ich zu, dass ich wo anders hingehe.", sie öffnet die Tür zu einem mit rosa Wänden begrenzten Raum. Vico fühlt sich sofort heimisch.
"Was befindet sich eigentlich hinter der verklebten Tür?", Dorothea hält inne, dreht ihren Kopf und blickt auf die Sperrbänder, die wohl von der Wache stammen.
"Das ist das erste Zimmer, wo ein Mord passiert ist.", man merkt, wie sich Gänsehaut auf ihrer Haut bildet.
"Oh, wie iiinteressant.", er meint das ernst. Mord ist für ihn nichts fürchterliches. Er hat es oft nachgestellt. Nur kann er halt kein Blut sehen.
"Geschmackssache.", Doro will weiter ins Zimmer gehen, als Vico sie sanft an der Hand nimmt.
"Sag mal, Liebes, hast du einen Schlüssel?", die Kleine wird bei den Worten leicht nervös.
"Es ist offen. Hast du einen Hang für Makaberes?"
"Ach, ich hab da so ein paar Klicker gesehen. Willst du mir das Zimmer nicht zeigen?"
"Ich.. na ja.. weißt du, es wurde uns verboten."
"Von wem denn?"
"Von der Wache. Die meinten, es käme jemand, der die Spuren sichern will. Deswegen wurde nichts verändert."
"Ach, Papperlapapp. Das ist doch Gildengelände, oder?"
"Aber..."
"Immerhin will ich mein baldiges Zimmer sehen. Das wird doch meines sein, oder?"
"Ich denke schon."
"Gut, also sei so nett."
"Muss ich mitkommen?"
"Ist die Leiche noch drin?"
"Nein, aber.."
"Na siehst du, stell dich nicht so an.", Vico hängt sich bei der Frau ein, führt sie zur Tür, reißt die Absperrung weg und öffnet die Tür. Kurz starrt er auf das Bett und fällt dann um.


"Ich hab dir gesagt, du sollst da nicht rein.", Doro tränkt den Lappen wieder mit kalten Wasser und legt ihn auf Vicos Stirn.
"Du hättest mir ruhig sagen können, dass sich dort Blut befindet. Meine Migrääne.", er ist ziemlich bleich im Gesicht und massiert sich seine Schläfen.
"Wie wird man denn sonst ermordet?"
"Es hätte doch auch Gift sein können, oder?"
"War es auch, irgendwie."
"Ja?", er versucht gar nicht, seine Augen zu öffnen.
"Die Frauen haben aus allen Poren geblutet. Haben Blut gespuckt, hatten blutigen Stuhlgang und bald ist ihnen das Blut dann auch aus Ohren und Nasen geronnen. Dann sind sie umgekippt."
"Virus?"
"Kaum, bis jetzt sind nur zwei befallen gewesen. Eine im Erdgeschoss, eine eben hier oben."
"Aha."
"Die Leichen haben auch keinen Aufschluss gebracht."
"Die Wache war also schon hier?"
"Nein, wir haben die Leiche zu ihnen getragen. Ein Frau war dann hier, hat die Absperrung hingeklebt und meinte dann, wir sollen nichts verändern."
"Oh."
"Geht’s dir schon besser?" , noch einmal kühlt sie den Lappen und legt es ihm auf.
"Langsam. Seeeehr langsam."
"Willst du was essen?"
"Nein, blooooß nicht. Wer waren eigentlich die Toten?"
"Weiß nicht, hab sie vorher nicht so gut gekannt."
"Waren sie neu?"
"Nein, ich bin neu."
"Oh, ach so. Die andere hatte die gleichen Symptome?"
"Ja. So weit ich weiß, ja."
"Hm. Unten ist auch Blut?", bei diesen Worten kichert die Näherin.
"Ja, auf alle Fälle."
"Hm, schade."
"So, jetzt komm hoch. Unten gibt es was zu essen. Ich hab wegen dir das Abendessen verpasst, jetzt will ich mir aber einen Snack gönnen.", sie packt Vico am Arm und zerrt ihn hoch. Er bleibt schlaff und seufzt theatralisch.
"Nein, lass mich hier. Ich kann heut nichts mehr essen, das vor kurzen noch gelebt hat.", er versucht sich zu wehren.
"Nix da. Unten gibt’s auch Obst. Das kann dir nicht schaden. Also komm.", anscheinend ist die Näherin kräftiger als sie aussieht, oder im Gegensatz dazu, Vico schwächer, als man glauben könnte. Aber immerhin schafft sie es, ihn mitzuschleppen.


Beide "Frauen" sitzen auf dem Bett und spielen Karten. Zumindest versuchen sie es. Vico hat es auf seinen Reisen gelernt, als die Schauspieler sich den Abend verkürzen wollten. Doch Doro kommt aus einer sehr armen Familie und kennt dieses Spiel noch nicht.
"Nein, das ist eine Zwiebel. Wenn diese Karten hier nicht wären, dann...", die zwei haben sich’s gemütlich gemacht. Seit gestern sind sie nun Zimmergenossen und verstehen sich von Minute zu Minute besser. Vico gefällt es hier und er hat eigentlich gar keine Lust mehr, hier wegzugehen. Zum erstenmal hat er jemanden gefunden, mit dem er über Männer, das Leben und die Welt reden kann. Sie weiß praktisch schon alles über ihn, außer einer kleinen, bedeutenden Sache, die ihn und sie unterscheiden. Und mit dieser Sache er nie offiziell in die Gilde eintreten kann. Denn immerhin ist und bleibt er ein Mann. Auch sie hat ihm ihre geheimsten Träume erzählt, sowie, dass sie eigentlich schon Mutter ist, ihr Kind bei den Eltern wohnt und sie jetzt arbeiten geht, damit sie die Familie erhalten kann.
"Ach, Liebes, wenn du willst zeig ich dir dann später, wie...", es klopft an der Tür. Beinahe hätten sie ihren Job vergessen, doch er holt sie früher oder später dann doch ein.
"Ja?", Doro räumt schnell die Karten weg. Die Tür geht auf und ein ziemlich junger Bursche kommt herein.
"Ich.. man sagte mir.. eigentlich..", Vico sieht an dem Kleinen herunter und schüttelt den Kopf.
"Sag mal, Bübchen, wie alt bist du?"
"Ich.. werde nächsten Monat 14.", Doro grinst, während Vico aufsteht, ihn am Ohr packt und dieses etwas dreht.
"Bist du nicht ein weeenig zu jung?"
"Aber, mein Papa..."
"Wenn du so alt bist, wie dein Papa, dann komm wieder.", er bringt den Jungen vor die Tür und macht diese dann zu.
"Vicky, du kannst doch unsere Kunden nicht so behandeln."
"Er ist doch noch ein K..."
"Ob Kind hin oder her. Er bringt Geld. Noch dazu sind solche Burschen recht witzig. Hast du schon mal ihre Bi..", Vico hält seiner Freundin schnell die Hand vor den Mund.
"Also, Kleines. Schäm dich.", beide fangen an zu kichern. Dann macht Doro die Tür auf, schiebt diesmal aber Vico hinaus und ruft den Jungen wieder hinein.
"Sag aber nicht später, ich hätte dich nicht gew...", bevor Vico den Satz beenden kann, ist die Tür schon wieder zu und das Kichern von Doro erklingt von neuen. Seufzend sieht er sich um und blickt zu der ehemals verklebten Tür. Er überlegt, schüttelt kurz den Kopf und betritt den Raum erneut. Es bleibt ihm wohl nichts anderes übrig. Er legt eine Hand über seine Augen und tastet sich mit der anderen weiter. Die ersten paar Schritte gehen problemlos vonstatten, doch bevor er beim Bett ankommt, stößt er unabsichtlich eine Lampe um. Sie geht mit Krach zu Boden. Mit noch immer geschlossenen Augen lauscht er der Stille, doch keiner scheint es bemerkt zu haben, oder zu interessieren. Diesmal etwas vorsichtiger geht er weiter und haut mit dem Fuß gegen die Bettkante. Ein kleiner Aufschrei erklingt, doch schnell beisst er sich in die Unterlippe. Doch nicht allzu fest. Er könnte ja anfangen zu bluten. Mit der freien Hand tastet er nun widerwillig nach den Lacken, zieht fest daran und entfernt somit den Bezug. Noch immer blind versucht er das Knäuel zusammenzurollen und kniet sich aufs Bett. Nach Gleichgewicht angelnd robbt er weiter, steigt auf der anderen Seite wieder vorsichtig hinunter und öffnet das Fenster mit der anderen Hand. Seine Augen hält er dabei aber immer noch fest geschlossen. Mit einem leicht angewiderten Ausdruck schmeißt er das Ganze auf einmal auf die Straße. Dann dreht er sich um und öffnet ansatzweise das erste Auge. Es sind zwar noch immer Flecken auf dem Bett, doch nur mehr sehr leicht und nicht mehr so rot.
"Na gut, damit kann ich leben. Nur ob ich das überlebe?", ihm ist zwar noch etwas schlecht, doch kurz sieht er auf die Nebenstraße.
"Ob das noch unter unberührt fällt?", er zuckt mit den Schultern und sieht sich um.
"Immerhin weiß hier niemand, wer ich wirklich bin.", schnell durchforstet er alle Schubläden, Kästen und dergleichen. Doch leider findet er nichts interessantes. Bevor er doch endgültig geht, widmet er sich der Kommode. Viele Fläschchen und Puderdosen stehen hier und er ist immer schon Liebhaber besonderer Düfte gewesen. Er sieht sich die Bezeichnungen durch: Moschusextrakt, Rosenmischung, Eberfrisch, Männerlockruf, Ahornrot, unbeschriftetes Fläschchen, Erotische Sinnlichkeit, Harmonie der Welten. Ein, zwei Fläschchen kennt er noch nicht und riecht daran. Er entkorkt ein Fläschchen, schnuppert zu erst an dem Verschluss und dann am Hals der Flasche. Kurz setzt er das Duftfläschchen ab und schnuppert erneut.
"Man, riecht das gut.", er dreht das braune Glas, doch nirgends ist eine Beschriftung. Er versucht den Duft mit den anderen zu vergleichen, doch keine Chance. Fast verzweifelt spielt er schon mit dem Gedanken, es mitzunehmen, lässt es dann aber doch schweren Herzens hier. Immerhin ist er kein Dieb. Meistens zumindest nicht. Als er dann Schritte auf dem Flur hört, eilt er nach draußen, schließt die Tür, versucht bestmöglich die Absperrung wieder anzubringen und trippelt die Treppe hinunter.


"Ich bitte vielmals um Entschuldigung.", diesmal liegt Vico flach am Boden. Glücklicherweise konnte er sich mit seinen Händen noch rechtzeitig abstützen. Sonst hätte er jetzt vielleicht eine gebrochene Nase. Er hat im Erdgeschoss, als er das andere Zimmer suchte, einen Zusammenstoß mit einem Kunden gehabt. Er ist nicht sehr begeistert davon, der Kunde dafür umso mehr, wie es dein Anschein hat.
"Soll ich dir aufhelfen, Puppe?", vorhin so höflich, wird er jetzt dafür umso direkter.
"Das wäre ja wohl das Mindeste.", mit Leichtigkeit zieht er Vico hoch und drückt ihn an sich.
"Na, du hübsches Ding, bist du noch frei?", Vico ist sich nicht sicher, ober er diesem Rüpel einen Tritt verpassen, oder einfach nur geschmeichelt sein soll. Er entscheidet sich für zweiteres.
"Aber sicher doch. Für dich doch immer, du Prachtkerl.", er schmiegt sich an, reibt sein Bein an seinem und drückt ihm einen Kuss auf. Zum Unterschied als sonst erwidert dieser diesen sogar.
"Na, meine Perle, wollen wir nicht ein wenig die Puppen raus lassen?", er massiert ihm seine "Brüste", die seeeehr wasserhältig sind, und lässt dann seine Hand nach unten wandern. Genau in diesem Moment bemerkt er - unter anderem auch deswegen, weil ihm sein Höschen etwas zu eng wird - dass er sich nicht so gehen lassen darf. Vico drückt ihn von sich und lächelt.
"Aber leider erwarte ich bald einen anderen Freier. Komm doch später wieder.", er zwinkert dem Mann zu, doch dieser lässt nicht mit sich spielen.
"Der Typ kann warten. JETZT gehörst du erst mal mir, Puppe. Ob du willst oder nicht.", er reißt ihn an sich, umklammert sie mit seinen Händen und lässt seine Zunge in ihren Mund gleiten.
"Mhm.. hhm.. mhhmm.", zu einem anderen Zeitpunkt hätte er es vielleicht genossen, aber seine Deckung darf nicht auffliegen. Er versucht sich zu wehren, aber da hätte er gleich versuchen können, ein Haus zu stemmen. Er ist einfach nicht in seiner Gewichtsklasse.
"Hmm.. mmhmmm.. hhmmhh... ah, besser.", der Kopf des Mannes befindet sich nun in Bauchhöhe von ihm, auch wenn Vico nicht weiß, wem er diesen Umstand zu verdanken hat. Als er seinen Blick etwas senkt, merkt er, dass der Typ sich sein bestes Stück hält und rot im Kopf ist. Vico schaut nun wieder geradeaus und hinter den Mann.
"Oh."
"Das hättest du nicht erwartet, was?", der kleine Junge von vorhin hat dem Mann wohl gezeigt, wie man mit Frauen umzugehen hat.
"Was machst du denn schon hier?"
"Ach, ich hatte keine Lust.", er scharrt mit dem Fuß und sieht verlegen zu Boden.
"Eigentlich hat er keinen hochgekriegt.", Doro steht jetzt neben ihm und kichert.
"Blllll.", der Junge zeigt ihr die Zunge und rennt weg.
"Aber Doro, Liebes..."
"Ach, der Kleine ist einfach nur ulkig.", wieder kichern beide.
"Was war eigentlich los? Warum wolltest du den Kunden nicht?"
"Ach.. er.. war einfach nur grob.. so was mag ich nicht."
"Verstehe. Kommst du wieder rauf? Ich will weiterspielen. Die Partie war gar nicht so schlecht. Ein paar Runden, und ich hätte gewonnen."
"Ha, nie im Leben.", kichernd trippeln sie zurück ins Zimmer.


"Wann geschahen die Morde eigentlich?", sie sitzen nun schon wieder eine geraume Zeit im Zimmer und haben von einigen Bewohnern schon eine Rüge bekommen.
"Hm, die erste vor vier Tagen. Rino, von nebenan, vor zwei."
"Vor vier? Und ihr habt die Leichen einfach so im Zimmer liegen gelassen oder ist die Wache einfach so langsam?", er sieht sich bei ihrer Kommode ein wenig suchend um.
"Suchst du etwas?"
"Was? Oh ja, ich suche einen bestimmten Duft. Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf."
"Tja. Kann passieren."
"Was ist jetzt mit den Leichen, Herzchen?"
"Wir haben die erste beerdigt."
"Was?", er hört auf zu schnuppern.
"Wir dachten, sie wäre an einer normalen Krankheit gestorben. So was kommt vor."
"Aha."
"Als dann aber die nächste starb, dachten wir, wir bringen sie vielleicht zur Wache."
"Hm. Gut mitgedacht.", er schnuppert weiter.
"Ja ja. Bist du jetzt endlich fertig? Die Mädels warten.", heute soll eine kleine Party laufen für die Näherinnen. Sie wollen sich ein wenig ablenken von dem tragischen Ableben der beiden anderen. Er bessert kurz sein Make-up auf und schreitet ihr nach. Eigentlich findet er den Abend nicht so toll. Die anderen Damen behandeln ihn irgendwie wie einen Außenseiter. Zwar nicht so, wie der männliche Rest im richtigen Leben, aber fühlt er sich doch fehl am Platz. Deswegen verlässt er öfters den Stehraum am Gang und schreitet in ein paar nahegelegene Zimmer. Doch er findet sein gewünschtes Fläschchen einfach nicht.


Die ersten Sonnenstrahlen streicheln Vico über das Gesicht. Zumindest versuchen sie es.
"Vicky? Schläfst du noch?"
"Hm.", er hatte gestern als Frust ein wenig zu viel getrunken.
"Vicky? Alles OK mit dir?"
"Mhm."
"Komm, steh auf. Ich hab dir Kaffee gebracht.", mit einem Ruck zieht er die Decke über den Kopf.
"Stell dich nicht so an. Die fünf Gläser Sekt, die du intus hast.", sie versucht, ihm gut zuzureden.
"Mhhh."
"Na gut. Ich massier dir den Rücken und du stehst dafür auf, OK?"
"OK.", man muss nur wissen, wie man mit den Leuten umgeht.
"Du Schauspieltussi.", das kostet ihm nur einen Grinser. Bei Doro weiß er, wie es gemeint ist.
"Das tut gut.", er seufzt wohlig.
"Ich bin gespannt, wann ich einmal eine Massage bekomme."
"Ach, Liebes, du weißt doch. Meine Hände. Ich kann doch nicht schwer arbeiten damit."
"Ja ja. Das soll ich dir jetzt glauben, oder was?"
"Au.", sie knetet ein wenig fester, damit es diesmal etwas länger anhält.
"Ach ja. Heute bekommst du vielleicht dein Zimmer.", plötzlich wird Vico schlagartig wach.
"Was?"
"Ja, die Wächter kommen heute, alles untersuchen."
"Wann?"
"Mittags, oder so. Zumindest gründlich untersuchen. Letztes mal, als sie die Zimmer zuklebten, haben sie ja nur alles überflogen und das nahelegendste in Augenschein genommen."
"Verdammt."
"Was ist denn auf einmal los?"
"Oh.. ich.. weißt du, ich suche doch diese Duftfläschchen aus dem Zimmer. Und wenn sie jetzt alles durchsuchen, dann ist es weg und ich find diese Nuance nie wieder."
"Willst du es mitgehen lassen?"
"Ich.. na ja.. sie brauchen es jetzt ja nicht mehr, oder?", beide grinsen.
"Wohl kaum. Aber in das obere kommst du nicht mehr. Das wurde zugesperrt, als man die Verwüstung fand."
"Könntest du vielleicht?", es geht ihm nicht nur um das Fläschchen. Sonder auch um den Fall.
"Ich hab den Schlüssel nicht.", plötzlich ertönt ein Schrei aus dem unteren Stockwerk. Beide stürmen los, obwohl sie noch in ihren Nachthemden sind.
"Was ist passiert?", Doro ist wieder als erste angekommen und fragt die weinende Näherin, die vor einer Tür steht.
"Da.. da..", Doro lugt rein. Vico kommt nun auch dazu, doch Dorothea fängt ihn ab.
"Nein!"
"Was denn? Ich habe genau so ein Recht zu erfahren, was hier los ist, wie du.", er schiebt sich vorbei und Doro macht sich bereit, ihn abzufangen. Doch diesmal reagiert er schneller. Sofort dreht er sich um, und sieht auf die Kommode.
"Vicky? Ist alles in Ordnung? Ich hab dich gewarnt. Ich weiß doch, dass du kein Blut sehen kannst.", sie greift seine Schultern und hält sie fest.
"Mir.. geht’s gut." Er ist bleich im Gesicht, doch er kann sich halten.
"Wer ist sie?"
"Kor Greifenfels. Sie lebt schon seit ihrer Geburt hier, oder zumindest sehr lange.", Doro dreht sich zurück und blickt in die schmerzensverzerrte Fratze der Zwergenleiche. Ihr Körper ist mit Blut überdeckt.
"Warum hat man sie nicht schreien hören?"
"Sie konnte nicht schreien. Sie war stumm. Gestern ist sie wohl noch niemanden abgegangen."
"Die Arme.", leicht schluchzt er. Er findet, das es zur Situation passt. Er nimmt ein ihm entgegengestrecktes Taschentuch entgegen und schnäuzt sich. Dann sieht er hoch und erblickt etwas recht eigenartiges. Dort, auf der Kommode, zwischen vielen anderen, steht dieses Fläschchens. Es ist aus braunen Glas, hat einen Korkverschluss und - er öffnet das Fläschchen und schnuppert - hat den gleichen, verdammt gut riechenden Inhalt. Vorsichtig verschließt er es wieder und stellt es zurück.
"Gut, das die Wächter bald kommen.", sagt Dorothea und wird von Vico hinausgezerrt.
"Sag mal, Herzchen, haben die Toten alle etwas gemeinsam?", man sieht, wie Doro nachdenkt, doch dann lächelt sie.
"Ja, schon. Sie sind alle zwergisch".
"Komm mit.", er packt sie am Ärmel und schleift sie in Richtung der zweiten, versiegelten Tür.
"Du darfst hier nicht r..."
"Pass auf, das niemand kommt. Bitte. Ich erkläre es dir gleich.", er reißt das Klebeband herunter, öffnet die Tür, geht zur Kommode und.. stutzt. Unwillkürlich haben alle drei Toten noch eine Gemeinsamkeit. Ein überaus gutriechendes Parfum ohne Namen. Noch mal sieht er sich um und steckt das Fläschchen ein. Dann geht er aus dem Zimmer und.. prallt gegen eine andere Näherin.
"Ich.. kann das erklären, Herzchen.", fängt er an zu stottern.
"Ach ja, dann mach mal. Ich habe nämlich schon bemerkt, dass du auch das andere Zimmer verwüstet hast. Suchst du vielleicht etwas bestimmtes? Oder hast du nur etwas vergessen?"
"Was? Nein! Wo denkst du hin!"
"He, lass sie in Ruhe. Vicky würde niemanden etwas tun!"
"Ach ja? Seit wann ist diese Tussi dein hier, hm? Genau. Seid der zweite Mord passiert ist. Und wo schnüffelt sie rum? Genau, am Tatort!"
"Aber.. sie.. das ist sicher nur ein Zufall. Komm, sag's ihr Vicky!"
"Ich.. das kann ich leider nicht.", verlegen schaut er zu Boden."
"Na bitte! Ruf sofort die Wache, Dor!"
"Das ist auch nicht nötig, Herzchen.", er sieht wieder auf.
"Ich BIN von der Wache."
"Oh.", beide sehen ihn erstaunt an, wobei in Dorotheas Blick noch etwas Enttäuschung mitschwimmt.
"Ich bin zwar noch Rekrut, aber ich wollte mich beweisen. Ihr wisst schon, den Respekt der anderen und so.", noch immer blickt er zu Boden.
"Ja, ich kenn das. Frauen werden immer diskriminiert.", Doro stampft mit dem Fuß auf.
"Nicht mehr als ich. Ich..", er sieht seine Freundin tief an, "..bin eigentlich ein Mann."
Diesmal klappten beide Kiefer gleichzeitig nach unten.
"Du.. magst Männer?", fängt Dorothea wieder zögerlich das Gespräch an.
"Ja, du doch auch, oder?"
"Ja, aber.. ach egal. Immerhin sind wir Freunde, das ist das einzige, was zählt.", beide grinsen sich nun wieder lächelnd an.
"Moooment! Wer sagt uns eigentlich, dass das stimmt, was dieser.. diese.. ach was weiß ich.. sagt?"
"Ich habe meine Dienstmarke nicht dabei, aber.."
"Nichts aber. Bis die Wache nicht hier war, wird nichts entfernt!", die Näherin schnappt sich das Duftgläschen und stellt es zurück zu den anderen.
"Und nun. RAUS!", so schnell kann Vico gar nicht sehen, sitzt er vor der Tür.
"Dor, merkt dir das Gesicht gut. Egal, welche Rasse oder so das war. Du wirst es der Wache beschreiben. Ich bin mir sicher, er hat etwas mit den Morden zu tun."
"Aber.."
"Nichts, aber! Es ist für unser aller Wohl!"


Er sitzt am Ufer des Ankhs und denkt nach. Die blöden Anmachen der Passanten überhört er schon längst. Es ist nicht gerade ratsam, wie eine hübsche Frau auszusehen und dann noch mit nur einem Nachthemd bekleidet durch AM zu spazieren. Es ist gerade acht Uhr geworden und wenn er wartet, bis es Mittags wird, könnte vielleicht noch jemand in Gefahr geraten. Immerhin verkürzen sich die Abstände auch schon. Wer weiß, wer diese Fläschchen hinein schmuggelt.
Er könnte jetzt als Wächter zu den vielbeschäftigten SUSIs gehen, ihnen vorschlagen, den Fall früher zu untersuchen, vielleicht sogar zu stürmen und wegen eines Verdachtes das ganze Haus wegen des Fläschchen abzusuchen. Oder er könnte einfach zurück in das Haus gehen, sich verkleiden, wie es sich für einen Schauspieler gehört und das Fläschchen herausholen.
"Ja, genau das werde ich jetzt tun. Ich werde ihnen zeigen, dass ich auch allein klar komme.", er springt auf und stampft mit dem Fuß, bis er bemerkt, dass seine unbedeckte Sohle gerade Ankh-Schlamm berührt.
"Verdammte Sch..eibe."


"Ah, hallo, Süßer. Schön, dass du wieder einmal vorbeischaust.", Sunny gibt dem etwas unterbekleideten Vico je ein Küsschen auf beide Wangen.
"Sag, ist das die neue Mode bei den Näherinnen?", er grinst und lässt ihn eintreten.
"Ich will kein Wort hören."
"Nun sag schon, Honey. Was ist denn passiert? Spann mich nicht auf die Folter. Immerhin scheinst du sehr begehrt zu sein."
"Was?"
"Ja. Dein Butler war wieder hier und hat nach dir gefragt."
"Oh."
"Ja, und die Wache."
"Was?", erst jetzt fällt es ihm wieder ein, dass er eigentlich seine Ausbilderin auf den Laufenden halten wollte.
"Eine junge Frau. Trägt für meinen Geschmack viel zu dunkle Sachen. Wir sind draufgekommen, dass ich ihren Schneider kenne. Ist das nicht putzig?"
"Was wollte sie denn?"
"Ach, sie redete irgendetwas von wegen, du würdest die Wache vernachlässigen. Ohne Erlaubnis dem Dienst fern bleiben. Hast dich nicht gemeldet. Einen falschen Namen bei deiner Einstellung angegeben, so konnte sie nur durch Beziehungen ihrerseits deine Mutter finden. Bei der hat sie dann nachgefragt, wo sie dich finden könnte und landete dann hier."
"Oh.", Vico wird immer blasser, obwohl gar kein Blut in der Nähe ist.
"Gehst dir nicht gut, Honey?"
"Doch."
"Das freut mich. Ach ja, deine Mutter war nicht sehr begeistert. Schon gar nicht, eine Wächterin bei ihr zu haben. Sie soll getobt haben, hab ich gehört. Na ja, so ist die alte Schnepfe eben."
"Oh.", er schafft es, seinen blassen Teint sogar zu übertrumpfen.
"Da war doch noch etwas. Ach ja, genau. Ein gewisser Agent Ohnedurst sucht dich.", diesmal lässt Vico die Antwort gleich aus und schluckt nur mehr.
"Sunny, ich brauch einen schwarzen Anzug.", ist das einzige, was er krächzend hervorbringt.
"Einen Anzug? Schwarz? Hast du eine Aufführung?"
"Frag nicht, es soll einfach nur männlich aussehen, ja?"
"Ach, für mich siehst du männlich genug aus, Süßer.", er lächelt.
"Es eilt."
"OK, OK. Du bist auch iiimmer in Eile. Was soll's denn sein? Leder? Samt?"
"Einfach nur schwarzer Stoff."
"Nein, wie ordinäär. Aber gut, wie du willst.", er kramt in ein paar Sachen und hält es ihm hin.
"Ja, das sollte passen. Vielleicht müssen wir noch etwas bei der Taille korrigieren, und die Länge ist auch nicht richtig. Aber sonst, perfekt."
"Willst du schwarze Pumps dazu?"
"Nein, normale Herrenschuhe."
"Ach, du gönnst mir auch keine Freude. Hier, deine Größe", er wirft ihm schon getragene Schlüpfer hin.
"Aber vergiss nicht, jetzt schuldest du mir schon fünf Kostüme."
"Du bekommst es so schnell wie möglich. Gleich, wenn ich von zuhause ausgezogen bin."
"Ausgezogen?"
"Ja.", seine Bleiche wehrt sich hartnäckig dagegen, wegzugehen.
"Wie du sagst. So, ich muss jetzt aber. Mein Schatz kommt gleich, also bitte beeil dich, ja?", er hilft Vico in den Anzug, ändert schnell ein paar Details an diesem und setzt ihn vor die Tür.
"So, fertig. Bis bald, Honey.", er schickt ihm einen Kuss.
"Da..", die Tür fällt in die Angeln, "..nke.", er sieht an sich herunter. Es ist ein normaler, für gehobene Gesellschaft üblicher Anzug plus dazugehörige Schuhe. Seine Schminke ist abgewaschen, sein Schmuck liegt bei Sunny als Pfand. Seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er geht ein paar Schritte und hält dann inne. Vielleicht sollte er jetzt nur mehr versuchen, das Hüfteschwingen wegzulassen?


"Sie wünschen?", Vico hat Zeit zum Üben gehabt und schreitet nun schon sicheren Ganges über den Flur. Nur an die großen Schritte kann er sich noch nicht gewöhnen. Hin und wieder macht er Zwischenschritte, oder komisch aussehende gedehnte Schritte, oder stolpert fast über seine eigenen Füße.
"Ich möchte gerne zu Frau Dorothea.", seine Stimme versucht er einen tiefen Ton zu verleihen. Es kommt eher so ein Wechselton heraus, den manche Knaben im Stimmbruch erleiden.
"Sie befindet sich im ersten Stock.", die erste Hürde hat er überstanden und geht die Treppe hinauf, nicht ohne sich am Geländer anzuhalten. Er steuert auf die Tür seiner Freundin zu, als er abgefangen wird. Er dreht sich um und sieht in das Gesicht der Frau, die ihn vor kurzem erst hinausgeschmissen hat. Er schluckt.
"Hallo, Süßer. Na, hast du Lust auf ein wenig Gesellschaft?", sie streicht ihm zärtlich über den Rücken.
Es ist ihm über aus unangenehm, doch er darf sich nicht verraten.
"Ich..", er räuspert sich und fährt mit tieferer Tonlage fort, ".. habe mir schon eine Dame ausgesucht für heute."
"Wie schade.", sie streicht ihm übers Gesicht.
"Hm, du kommst mir irgendwo her bekannt vor.", sie überlegt, "Kenn ich dich nicht?"
"Nein, nicht das ich wüsste.", er weißt ihre Hände von sich.
"Wenn sie nichts dagegen haben, ich würde mich jetzt gerne amüsieren."
"Hm, wie du willst. Selber Schuld, ich bin eine der Besten.", sie dreht sich böse um und schwingt beleidigt die Hüften, als sie nach unten geht. Vico hingegen seufzt erleichtert.
"Von wegen Gesicht einprägen, du Schnepfe.", flüstert er in seinen nichtvorhandenen Bart. Er geht nun weiter zur Tür und klopft an. Als niemand öffnet, erhöht er wieder seine Stimme.
"Herzchen, ich bin's.", flüstert er etwas lauter.
"Vick...", die Tür wird aufgerissen und Doro stürmt mit freudestrahlendem Gesicht heraus, um dann mit offenem Mund stehen zu bleiben.
"Vico, eigentlich. Aber du kannst mich ruhig Vicky nennen, wenn es dir gefällt, Herzchen.", er grinst freundlich. Sie stockt, grinst aber erneut.
"Du hast also die Wahrheit gesagt?"
"Natüürlich hab ich das.", er greif in seine Jackentasche und zeigt ihr seine Marke, die er bei Sunny deponiert hatte.
"Ich wusste es doch!", sie zerrt ihn hinein und umarmt ihn.
"Du musst mir helfen, Herzchen."
"Was willst du denn?"
"Ich brauche eines der Fläschchen."
"Das geht nicht. Sie haben alle Zimmer zugesperrt. Warum zeigst du ihnen nicht deine Marke?"
"Das ist Gildengelände. Ich habe hier ohne Durchsuchungsbefehl oder Erlaubnis nichts zu suchen. Noch dazu.. kann es sein, dass ich Probleme mit der Wache habe. Ich weiß es noch nicht. Herzchen, du musst mir helfen."
"Hm.", sie mustert ihn nachdenklich.
"Hm. Beschaffst du mir einen besseren Job, damit ich mich um Svenja kümmern kann?"
"Natüürlich werde ich das tun. Das ist doch das Mindeste. Wenn ich’s von meiner eigenen Tasche zahlen müsste, aber du bekommst etwas besseres."
"Endlich.", sie fällt ihm wieder um den Hals.
"Na gut, ich hab zwar keinen Schlüssel, aber ich weiß, wer einen hat. Es gibt da nur ein Problem."
"Ja?"
"Du müsstest Katja solange betören, bis ich mir den Schlüssel geschnappt habe."
"Wer ist Katja?"
"Die eine, die dich vorhin rausgeschmissen hat."
"Oh.", tja, Mann macht halt Fehler und das stellt er jetzt auf schmerzliche Art und Weise fest.
"Geht es nicht anders?", sagt er ein wenig verzweifelt.
"Nein, leider. Aber keine Angst. Sie hat ein schlechtes Gedächtnis. So wie du jetzt aussieht, erkennt sie dich nicht."
"Vielleicht doch.", murmelt er wissend.


Vico reicht ein volles Glas mit Wein, das ihm Dorothea gegeben hat, seinem Gegenüber.
"Nein, danke.", ist die kurze, etwas schnippige Antwort.
"Vielleicht etwas zu naschen?", die Frau schüttelt den Kopf.
"War Dor wohl nicht gut genug, dass du jetzt zu mir angekrochen kommst, wie?", sie scheint noch immer beleidigt zu sein.
"MICH lehnt man nur sehr selten ab."
"Das.. versteh ich.", er versucht etwas näher an sie heran zu treten, doch sie weicht zurück.
"Dann halt anders.", er stellt das Glas zur Seite und versucht sich in seinem Element. Schauspielerei. Das gute darin ist, man kann damit glänzend Frauenrollen imitieren, aber, wenn es darauf ankommt, auch bescheuerte Männerrollen.
"Oh, was hab ich getan.", seine Stimme ist wieder tiefer und vibriert leicht. Er schlägt seine Hände vorm Gesicht zusammen und geht vor ihr auf die Knie.
"Ich Unhold. Ich Scheusal. Ich Verachter allen Schönes, habe die Perle, die sich mir offenbarte nicht gewürdigt. Meine Gedanken, getrübt von einer anderen Frau, nur später erkannt, welch Irrtum sie begangen.", fast liegt er schon vor ihren Füßen und auf den Lippen von Katja wächst ein kleines Lächeln.
"Nie sollen meine Qualen enden, mein Tun mich verfolgen auf alle Zeit. Euer Bild, meine Göttin des Herzen, soll sich auf ewig in mein Gedächtnis brennen und mich erinnern an den Verrat, ich begann.", er klammert sich an ihre Füße und küsst sie. Ihr Lächeln ist nun ausgewachsen und die Abfuhr längst vergessen.
"Nun ja, sie ist noch recht jung und kann manche Männerherzen am Anfang etwas höher schlagen lassen. Aber es freut mich, dass du zu einer richtigen Frau zurückkommst.", sie zieht ihn hoch und küsst ihn. Nicht, dass er ein schlechter Schauspieler wäre, aber das Küssen von Frauen ist nicht sein Geschmack. Doch er hat sich diese Rolle aufgezwungen und deswegen muss er sie bestreiten. Er drückt sie an sich und versucht, sich einen rassigen Mann vorzustellen. Doro hat die Szene heftigst schmunzelnd beobachtet und schleicht nun grinsend näher. Mit den Augen untersucht sie Katja, erblickt die Konturen des Schlüssels in ihrer Tasche, lässt behutsam ihre Hand hinein gleiten und fischt das Stück Metall heraus. Schnell tippt sie Vico leise auf die Hand, damit dieser seine nun erst begonnen Qualen beenden kann. Dieser erkennt das Zeichen und stößt Katja wieder von sich.
"Aber nun, meine Blüte der Oase, werde ich ein Opfer bringen. Ich werde, nur für euch, den höchsten Berg erklimmen und euch ein Zeichen meiner Liebe offenbaren. Solange ich nicht wieder in euren Händen weile, oh meine Venus, werde ich keine Frau nur eines Blickes schätzen.", er verbeugt sich vor ihr und Doro muss sich selbst ermahnen, Vico keinen Applaus zu schenken. Stolz schreitet er vor die Tür, gefolgt von einem Seufzen der Näherin.
"Was für ein Mann.", wer weiß, ob er das jemals wieder hören wird.


"Vick.. ähm.. Vico?", Dorothea hat das Parfum besorgt und wartet nun am besprochenen Treffpunkt.
"Ja, hier, Herzchen.", Vico steht an die Mauer gelehnt und spuckt des öfteren Schleim auf den Boden. Doro kichert.
"He, so schlimm kann's doch gar nicht sein."
"Es gibt keinen Vergleich.", er spuckt erneut aus und wieder kichert sie.
"Hast du das Fläschchen, Herzchen?"
"Ja, hier. Und vergiss dein Versprechen nicht, du Vollblutmann.", sie überreicht ihm das Parfum und lacht laut auf. Er findet das wohl nicht sehr komisch und schenkt ihr einen bösen Blick.
"Am besten du gehst gleich in diesem Outfit zur Wache, vielleicht sind sie dann so irritiert, dass du ohne Probleme in das Labor kommst.", er sieht an sich herunter und seufzt.
"Ich verabscheue schwarz. Aber du hast ja recht. Ich komme dann später zurück."
"Mach das.", kurz umarmt sie ihn noch und dann sprintet sie davon. Immerhin will sie mit dem Verschwinden des Schlüssels nichts zu tun haben.


"Wer bist du denn?", Lady Rattenklein schaut den Ankömmling musternd an. Wieder sieht Vico an sich herunter und seufzt.
"Ich bin neu.", er zeigt ihr seine Dienstmarke.
"Aha, und was willst du?"
"Ich hätte hier eine Substanz, die ich gerne auf giftige Su.. Sub.. Inhaltstoffe untersuchen lassen möchte.", er reicht ihr das Parfum. Sie nimmt es vorsichtig entgegen, öffnet es und schnuppert vage daran.
"Sehr intensiv.", dann stellt sie es weg, gefolgt von den verblüfften Augen des Rekruten.
"Aber.."
"Ich habe heute keine Zeit. Zuviel zu tun, verstehst du? Bei SUSI mangelt es an aktiven Laboranten. Ich habe noch andere Sachen mit höherer Priorität hier rumlegen. Komm später wieder."
"Aber.."
"Es geht heut wirklich nicht mehr. Sieh's doch ein."
"Aber..", kurz denkt er nach und dann fällt ihm etwas ein.
"Aber Herr Ohnedurst braucht den Befund."
"Ras? Oh, warum sagst du das nicht gleich. Ist dass das Mittelchen, dass in den Fässern gefunden wurde?"
"Ich.. denke."
"Gut. Komm in zehn bis fünfzehn Minute wieder, ich bin gleich fertig."
"Danke.", diesmal grinst er zur Abwechslung.

"Ah, da bist du ja wieder.", Vico hat die ganze Zeit draußen gewartet.
"Es ist wirklich ein Gift. Sehr stark sogar und wird über die Haut aufgenommen. Im Körper zersetzt es sich wohl schnell wieder und wird deswegen kaum nachweisbar sein, wie ich mir das so vorstelle. Die Inhaltsstoffe selbst sind nicht gefährlich, aber jemand hat bei der Zusammenstellung des Parfums wohl vergessen, die Interaktion der Stoffe miteinzuberechnen."
"Ähm.. was?"
"Es hat einfach miteinander reagiert."
"Oh."
"Was hat das eigentlich in den Fässern zu tun?"
"Fässern? Oh, keine Ahnung. Kann ich den Befund haben?"
"Ja, klar, hier. Und sag Ras einen schönen Gruß von mir."
"Mach ich.", schreit er, während er schon im Laufen ist.
"Hm, und mit so was vergiftet man Wein? Komisch, die Kunden müssen wohl geruchs- und geschmacksarm sein.", sie schüttelt den Kopf und macht sich nun weiter an ihre Arbeit.


Er bleibt vorm GRUND-Gebäude stehen und fragt sich, was er nun machen sollte. Er weiß zwar jetzt, wie die Näherinnen getötet werden, aber nicht von wem und warum. Eine Hausuntersuchung würde da nicht viel bringen. Die Näherinnen werden sich ihr Parfum wohl nicht selber brauen. Und wenn er jetzt da rein gehen würde und vielleicht dort bleiben muss als Strafe, wäre Doro möglicherweise in Gefahr.
"Nein, das kann warten. Die werte Madame muss sich wohl etwas später mit einer Ausrede begnügen.", er sieht auf das Fläschchen in seiner Hand, dass er auch wieder mitgenommen hat.
"Hm, ich könnte einen Händler fragen.", er steckt es wieder weg und läuft weiter. Kurze Zeit später kommt Irina Lanfear aus dem Gebäude gestürmt und schreit ihm nach. Doch es ist zu spät.


"Wo haben sie das gekauft?", der Händler beäugt das Fläschchen aus allen Seiten und macht es dann auf.
"Ich hab es gefunden. Aber bitte berühren sie es nicht, es enthält Gift."
"Oh.", er schnuppert daran.
"Es riecht wirklich gut und würde sich auch gut verkaufen lassen, aber leider kenne ich niemanden, der so etwas herstellt.", noch ein zweiter Riecher, doch dann schüttelt er den Kopf und gibt das Parfum zurück.
"Aber irgendwoher muss es doch kommen."
"Tja, es könnte auch selber gemacht worden sein. Es ist ja nicht einmal beschriftet. Das einzige was ich ihnen raten kann, ist, gehen sie mal zu der Glasergilde."
"Glasergilde?"
"Ja. Dieses Fläschchen ist sehr unüblich für ein Duftwässerchen. Ich habe es bis jetzt noch nicht sehr oft gesehen. Vielleicht können sie ihnen weiterhelfen. Es gibt sicher nicht sehr viele Kunden, die so etwas kaufen. Es scheint sehr teuer zu sein. Ich glaube, sogar unzerbrechlich.", Vico horcht auf. Es ist ein Hinweis. Vielleicht ein kleiner, aber immerhin existiert er.
"Danke, das ist sehr nett von ihnen.", er reißt dem Händler das Glas aus den Händen und läuft weiter. Der Mann schüttelt nur den Kopf und geht zurück in sein Geschäft.


Die Tür wird mit einem Knall aufgestoßen. Ein Mann mit einem schwarzen Anzug steht in der Tür, hinter ihm scheint die Sekretärin verzweifelt zu versuchen, ihn hier wegzubringen.
"Es tut mir sehr leid, aber ich habe ihm gesagt, dass er nicht hinein darf.", die Glaserinnung scheint gerade eine Sitzung abhalten zu wollen und werden unsanft gestört.
"Es tut mir furchtbar leid, meine Herren.", er sieht sich um und bemerkt zum ersten mal, welche hübschen Kerle doch in einer Glaserei tätig sind. Kurz schwelgt er in Träumen, als er aus diesen gerissen wird.
"Wer sind sie und was können wir für sie tun?", der Vorsitzende hat das Wort ergriffen und winkt die Sekretärin weg.
"Oh, tut mir leid. Ich bin von der Wache und bräuchte dringend eine Auskunft, woher dieses Glas stammt und an wen es geliefert wird.", er hält es vor die Augen der Mitglieder. Der Vorsitzende schüttelt den Kopf, spricht dann aber seinen linken Sitzpartner an.
"Hugo, wärst du so nett, diesem Herrn ins Büro zu führen."
"Das wird nicht nötig sein.", ein älterer mit weißen Haaren beäugt das Glas und nimmt es dann entgegen.
"Das ist Spezialglas. So etwas stellen wir bisher nur für die Alchimistengi..", mehr hört er gar nicht. Das Fläschchen hat er diesmal zwar vergessen, doch das braucht er auch nicht. Es passt alles so gut zusammen. Jetzt muss sich sein Verdacht nur mehr erhärten.


"Werte Frau Ausbilderin."
"Vico! Oder soll ich Gernot sagen??"
"Ich kann ihnen alles erklären, sie müssen nur kurz alle Wächter zusammentrommeln und mitkommen."
"Sag mal, geht’s dir noch gut? Zu erst lässt du dich eine Ewigkeit nicht mehr blicken, und dann stellst du Forderungen?"
"Aber Madame! Es geht um Morde und der Mörder könnte bald wieder zuschlagen."
"Von was redest du da eigentlich?"
"Ich habe verdeckt in der Näherinnengilde ermittelt. Ich bitte sie, werte Frau Ausbilderin. Sie müssen mitkommen."
"Glaubst du, du kannst ohne weiteres einen Notstand ausrufen? Wir brauchen BEWEISE!"
"Aber, ich kann alles beweisen, wenn wir den Verdächtigen finden."
"Wir können nicht einfach so in Gildengelände eindringen. Wir brauchen einen Durchsuchungsbefehl oder eine Erlaubnis, um dort mit mehreren Leuten reinspazieren zu können. Vico, das.."
"Ich flehe sie an. Es geht um Leben oder Tod..."


Irina Lanfear und ein paar Rekruten, samt Vico, haben sich vor der Näherinnengilde eingefunden und fragen sich nun, was sie hier sollen. Man hat ihnen gesagt, dass SUSI in einer Stunde kommt, also wären sie hier eigentlich sinnlos. Doch Vico lässt nicht locker.
"Madame, wir müssen hinein. Wir müssen den Alchimisten fangen."
"Wir werden ihn wohl auch sehen, wenn er ein oder ausgeht."
"Aber wenn er das Parfum wieder weitergibt."
"Vico, wie kommst du auf die Idee, dass er jetzt da drin ist?"
"Weil er weiß, dass die Wache in einer Stunden kommt. Bis dahin hat er die Möglichkeit, noch mindestens einmal zuzuschlagen. Dort drin ahnt doch niemand etwas. Frau Ausbilderin, bitte!", Frau Lanfear schüttelt den Kopf und murmelt etwas unverständliches.
"Rekruten? Wer hat Lust auf ein wenig Vergnügen? Gut, ich werde euch begleiten, damit ihr nichts anstellt. Also würdet ihr jetzt bitte eintreten?", genervt hält sie die Tür des Hauses auf und wartet, bis alle drin sind.


Auf Grund des neuerlichen Schocks haben sich die meisten Näherinnen auf ihr Zimmer zurückgezogen. Ein paar hartnäckige Freier warten im Vorraum und sehen die Wächter skeptisch an. Die ersten erheben sich von ihren Sitzplätzen und schleichen neben den Rekruten hinaus ins Freie. Die Wächtermarken sind kaum zu übersehen und Vico versucht bestmöglich, sich hinter den anderen zu verstecken und den Gesuchten zu erspähen.
"Was ist das hier für eine Versammlung?", Katja schreitet von die Treppe herunter. Vico schrumpft noch weiter.
"Ähm..", die Ausbilderin sucht gedanklich nach einer sinnvolleren Ausrede.
"Ich.. mache mit den neuen Rekruten eine Eckskursion. Ich dachte, ich.. zeige ihnen gleich die Orte, die sie während der Dienstzeit meiden sollten.", man merkt ihr zwar nicht so sehr an, dass sie lügt, doch die paar Pausen wirken verräterisch.
"Gut, ihr habt alles gesehen, jetzt verschwindet wieder."
"Wir hörten, hier gab es einen Mord?"
"Drei."
"Ja, sehr schön. Ähm, ich meinte, sehr bedauernswert. Die meisten hier sind SUSI-Anwärter, wäre es vielleicht möglich, den Tatort zu besichtigen, bis der Rest eintrifft?", sie versucht Zeit zu schinden.
"Hm. Wenn sie nichts anfassen."
"Natürlich. Sie werden in der Tür stehen bleiben, wie es sich gehört."
"Gut, ich werde euch im Auge behalten.", Katja geht voran und gefolgt von der schaulustigen Gruppe. Den anderen Rekruten macht ein wenig Abwechslung nicht viel aus. Vico wartet, bis die Gruppe weitergegangen ist und setzt sich dann zu den noch verbliebenen Freiern. Als Katja sich umblickt, bemerkt sie nichts Verdächtiges und sperrt die Tür der zuletzt Verstorbenen auf. Raunen und Murren geht durch die Reihe, als sie die Leiche sehen. Schnell haben sie genug und wollen wieder zurück. Vico hingegen nutzt die Ablenkung und eilt nach oben, nachdem er hier unten nichts gefunden hat.
Er schlendert durch die Gänge, öffnet ein paar Türe, doch die meisten Frauen sind allein. Dorothea scheint gerade nicht in ihrem Zimmer zu sein. Enttäuscht und sich bereits auf die Standpauke seiner Ausbilderin vorbereitend hüpft er nach unten und bemerkt, wie die Gruppe gerade das Haus verlassen will. Er bemerkt den bösen Blick, den die Frau Fähnrich ihm zuwirft und trippelt gesenkten Hauptes dem Ausgang entgegen. Genau in diesem Moment wird eine Tür zugeworfen. Der Schlag ist energisch und übertönt teilweise das Gemurmel der anderen Rekruten. Neugierig dreht Vico den Kopf und erstarrt.
Ein Zwerg ist gerade dabei, in den ersten Stock zu stampfen. Er hat einen grimmigen Gesichtsaudruck und trägt eine Axt am Rücken. Weiteres Metall fehlt.
"Das ist er! Das ist er!"
"Wer ist was?", die Ausbilderin stoppt in ihrer Bewegung, den Rekruten nach draußen zu folgen.
"Das ist der Mörder!!", der Zwerg sieht sich um und starrt Vico teilnahmslos an. Dann dreht er den Kopf ein wenig zur Seite und bemerkt die Wächter. Er scheint überrascht zu sein. Anscheinend hat auch er vermutet, dass die Wächter später kommen. Anstatt nun zur Tür zu rennen oder nach weiter hinten und einen Hinterausgang zu suchen, sprintet der Zwerg die Stiegen hinauf. Da dieses Verhalten höchste verdächtig ist, weist Frau Lanfear ihre Rekruten an, den Zwerg zu verfolgen. Sie versuchen, sich alle gemeinsam durch die Tür zu drängeln, besinnen sich dann eines Besseren und laufen einzeln die Treppe hinauf. Vico ist gleich losgerannt und hat nun einen kleinen Vorsprung zum Rest. Katja versucht, die irr gewordenen Wächter mit Schimpfen nach draußen zu befördern, scheitert aber kläglich.
Oben angekommen sieht Vico, wie der kleine Mann sich hektisch umsieht. Ein Fluchtweg ist nicht zu sehen. Er schaut dem Neuankömmling in die Augen und Vico sieht, wie glasig diese sind. Der Mann greift zu seinem Rücken, umfasst seine Axt und holt sie unter Kampfgeschrei hervor. Vico sieht schon den Sensenmann vorbeischreiten, als Türen aufgerissen werden und vom Lärm angelockte Näherinnen herauskommen. Der Rekrut will gerade eine Warnung schreien, als der Zwerg anfängt, wahllos zu metzeln.
Das war der Zwerg, über den er am ersten Tag gestolpert war. Sein grimmiger Ausdruck hätte Vico vielleicht warnen sollen, doch vielmehr verflucht er sich jetzt, dass er den anderen Aspekt nicht genauer überlegte. Der Zwerg roch nicht, so wie andere Zwerge, hauptsächlich nach Metall. Nein, er roch nach Parfum. Nach guten, sinnlichem Parfum.
"Sie sind alle Qualen für meine Augen!", ein Axthieb geht ins Leere und zerschmettert eine Vase.
"Sie tragen Kleider!", eine flüchtende Näherin stolpert über die Vase und wird am Bein verletzt. Schreiend wird sie von einer Kollegin weggezerrt.
"Sie verhöhnen ihre Herkunft.", eine weitere Tür öffnet sich und zwei Frauen treten heraus. Eine von ihnen hat Karten in der Hand.
"Sie...", mehr versteht Vico nicht mehr. Der Zwerg schlägt wild um sich, nicht schauend, wen oder was er trifft. Er scheint blind vor Hass zu sein. Ein traditioneller Zwerg also. Vielleicht nur hier, weil er etwas für seine Eltern holen sollte. Doch das ist Vico egal. Er sieht Blut, doch das ist es nicht, dass ihn schockiert. Viel mehr ist es der Körper, der von der Axt an der Schläfe getroffen, in Zeitlupe gegen die Wand prallt. Der zuvor noch um den Hals der gerade Getroffenen hängende Anhänger, welcher ein kleines Mädchen zeigt, wirbelt in der Luft herum, bevor er zu Boden fällt. Karten verteilen sich am Boden. Frauen stürzen auf die Treppe zu, drängen Vico an die Wand und verhindern das Weiterkommen anderer Rekruten. Vico versucht sich freizukämpfen, wird überrannt und fällt zu Boden. Hektisch versucht er, durch die Beine der Laufenden hindurch zu sehen. Der Kopf der auf der anderen Seite Liegenden ist zur Seite gedreht. Blut verklebt ihre Haare. Er starrt sie an, versucht sich aufzurappeln. Doch dann bemerkt er ihre Regung. Er bleibt liegen. Sie öffnet die Augen, welche hilflos in der Gegend herumsuchen, bis sie ihr Ziel gefunden haben. Eine zarte Hand schiebt sich sachte nach vorne. Kraftlos umklammert sie den dort liegenden Anhänger. Dann dreht sie mühevoll den Kopf. Ihr Gesicht ist eine einzige Schmerzensfratze. Doch dann erblickt sie Vico. Sie ballt die Hand mit dem Anhänger. Er nickt und deutet ihr, ruhig liegen zu bleiben. Doch sie lächelt nur. Dann senken sich die Lider über ihre Augen, welche für ewig geschlossen bleiben.
"Neeiin!", wie von einem Blitz getroffen springt Vico auf und torkelt auf den Körper zu. Er achtet nicht auf den noch immer wütenden Zwerg, oder die Rekrutenschar, die versucht, weitere Morde zu verhindern. Das einzige was für ihn in diesem Moment Bedeutung hat, liegt jetzt vor ihm. Er kniet sich hin, nimmt seine schlaffe Freundin das letzte mal in die Arme und weint - und diesmal ist es nicht gespielt.



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