Ein Händler aus Ankh verschwindet. Die Gilde der Kaufleute wendet sich an die Wache.
Dafür vergebene Note: 14
Ich habe am 7. Januar die Ränge überprüft, bitte verzeiht, wenn der ein oder andere ungewollt degradiert wird, weil es mittlerweile zu Beförderungen kam.
Tag 0 - Träume
Grün. Hellgrün. Blitzt. Schwimmt vorbei in sich selbst. Musik. Welche? Suche die Antwort. Schneller. Dreht sich. Alles. Stroboskopartig hetzen Bilder. Jemand lacht. Rot. Frauen tanzen wild vorbei. Ein Armbrustbolzen. Harry schüttelt unmutig den Kopf. Wendet sich ab. Eine Taube zerreißt das Durcheinander und hinterlässt weiße Dunkelheit. "Dieses Mal werde ich Dir nicht helfen.", sagt die Lady. Das Auge wird weit aufgerissen. In der Pupille stampft ein Wächter mit dem Fuß auf und Blasen steigen purpurgelb empor. Mit geballten Fäusten kreischt er seinen Namen, der in den leisen Tönen eines Saxophons untergeht. Ein Rad rollt vorbei. Blau. Wirf Dich hin und her. Eine Million Billionen Stimmen sprechen den Eid der Wache, bis sie im Getöse dreier einzelner Regentropfen verstummen. Steh auf!
Regen plätscherte an die Scheiben des Büros. Daemon blinzelte. 'Ich bin doch nicht schon wieder an meinem Schreibtisch eingeschlafen?', dachten erste träge Synapsen vom Rest des schlummernden Gehirns unbemerkt, als der Wächter gähnend den Kopf von der Tischplatte hob. Verschlafen fuhr er sich mit den Fingern durch die fettig - glänzenden, dunklen Haare und sah sich desorientiert um. Da waren einige Dingsda auf dem Dings vor ihm. Eine goldene Dings auf dem Dingens an der Dings. Plätschernde Dingensda an der Dings. 'Wusste ich es doch.', triumphierten die Synapsen, noch immer von dem, sich nur widerwillig an die Präsenz von Aktivität gewöhnenden, Rest ihrer Art ignoriert. Daemon schüttelte den Kopf.
"Noch mal langsam.", ächzte er und kniff kurz die Augen zusammen. Vor ihm lag ein kleiner Haufen Papiere auf dem Tisch. Auf dem Regal links an der Wand grinste ihm Venezia Knurblich in massivem Gold entgegen. Vom Fenster auf der anderen Zimmerseite vernahm er das Geräusch fröhlich an der Scheibe zerplatzender Regentropfen. 'Oh. Ich muss im Büro eingeschlafen sein.', dachte Daemon. Er führte einige Tests zur Verifizierung und Justierung der optischen, akustischen und olfaktorischen Wahrnehmung durch, was soviel heißt, dass er sich die Augen rieb, mit einem Finger in seinem linken Ohr bohrte und ein, zweimal nieste.
"So ein Mist.", murmelte er, als ihm langsam verschiedene Tatsachen klar wurden, "Ich muss ja bis um 10 Uhr ins Boucherie eingezogen sein.", der Wächter beglückwünschte sich noch immer zu seiner Entscheidung, wieder zur Dienststelle zur Observierung von Gilden - Angelegenheiten zurückzukehren. Manche hielten die Internöl Affärs für einen Ort männlichen Entzückens, bis sie erfuhren, wo die DOGs ihre Büros hatten. Außerdem ging es dort verdammt lustig zu und genug zu tun gab es auch.
'Bis um 10.', dachte Daemon wieder, 'Dann mal los, damit es nicht sofort am ersten Tag Ärger mit Mückensturm gibt.' Einerseits hatte der Oberleutnant Mückensturm bei der Wache groß werden sehen. Andererseits war Mückensturm sein Abteilungsleiter. Einerseits wiederum war Daemon noch immer ein paar Stufen weiter oben auf der Dienstgradleiter. Keine unbedingt einfache Situation, die oft zu unangenehmen Problemen und Fragen führen konnte, zumal Daemon selbst Abteilungsleiter der DOGs gewesen war. Andererseits konnte der Fähnrich wesentlich besser mit allen Arten von Waffen umgehen, so dass viele dieser Fragen sehr einfach gelöst werden konnten, indem sie gar nicht erst gestellt wurden.
'Bis um 10.', der Oberleutnant runzelte die Stirn, 'Verdammt. Wie spät IST es?' ein Blick aus dem Fenster offenbarte ein schmutziges Schmuddelgrau am Himmel, ein Blick an die Wand die Erkenntnis, dass im Büro ein Zeitdämon fehlte. Einige hilfreiche Synapsen schoben vorsichtig einzelne Informationen in den logischen, doch immer noch müden, Logikbaukasten des Wächterhirns. – Zeit? – funkte es über winzige, biologische Leiterbahnen, Daemon brummte leise. – Wachhaus – blitzte es in einem kaum messbaren Raum-Zeit-Abstand danach, der Wächter runzelte die Stirn. – Oberleutnant – fügten vernachlässigbar kleine Ströme augenzwinkernd hinzu, die Mundwinkel des Oberleutnants zuckten nach oben.
Der Wächter am Tresen, ein Hauptgefreiter, dessen Name leider vergessen wurde, zuckte unwillkürlich zusammen, als ein wildes Tier einen urgewaltigen Schrei aus dem oberen Stockwerk des Wachhauses erschallen ließ. Erst aus den Echos konnte er menschliche Laute extrahieren. Der Wächter rieb sich nachdenklich das Kinn. Dort oben musste Jemand abscheulich gefoltert werden, aber dennoch schien er sich brennend für die Uhrzeit zu interessieren. Welche Vorgehensweise verlangten die Vorschriften? Musste er selbst nachsehen? Musste er einen Bericht schreiben? Musste er es seinem Vorgesetzten melden? Sollte er nicht sofort eine entsprechende Nachricht ans Schwarze Brett heften? Als er diesen Gedanken gefasst hatte, war er bereits die Treppe hoch- und den Flur hinuntergelaufen – Sein ehemaliger Ausbilder wäre stolz auf diese Wächter - Reflexe gewesen, auch, wenn sie aus irgendeinem Grund genau falsch herum zu funktionieren schienen und der Obergefreite auf die potentielle Gefahr zulief.
Zögernd klopfte er an Daemon's Tür.
"Herein!", hinter der Tür eröffnete sich dem Wächter eine Szene aus aufgewirbeltem Staub, Pappkisten verschiedener Größen und eines Offiziers, der Ersteren aufwirbelte und Zweite mit allerlei Kram füllte.
"Ah ja. Obergefreiter... ähm...?", sagte dieser, als der Wächter eintrat. Der Angesprochene nannte seinen Namen, "Ahja, werde es mir merken.", versprach Daemon, "Sag,... ähm... Hauptgefreiter, wie spät ist es?"
"Es ist Halb Zwei, Herr Oberleutnant.", antwortete der Wächter zackig.
"Ah ja.", machte Daemon, wandte sich ab und legte behutsam eine kleine, goldene Statuette in eine der Kisten, "Das hört man gerne.", fügte er hinzu, legte eine Lage Zeitungspapier über die Statue, fügte einige Berichtsmappen hinzu und hielt dann plötzlich inne.
"Welches 'Halb Zwei', Obergefreiter? Das Helle oder das Dunkle?", fragte er langsam.
"Nun, wenn wir Sonnenfinsternisse und Weltuntergänge außer Acht lassen und über die Vorkommen von Scheibenumläufen, Jahreszeiten und magischen Unfällen den Durchschnitt bilden,..."
"Obergefreiter!"
"Das helle 'Halb zwei', Sir.", endete der Wächter schnell und zog sich aus dem Büro zurück, in dem die Luft binnen weniger Augenblicke mehr hochgeschleuderten Staub als Kekskrümelwahrscheinlichkeitspartikel
[1] enthielt.
Tag 0 :: 16.00 Uhr – Umzüge und Einfälle
Gute zwei Stunden später stand Daemon mit sechs Kisten beladen vor dem
Boucherie Rouge. Unsicher, mit versperrtem Blickfeld, tastete er sich Schritt für Schritt durch die Tür und in das Haus hinein, in dem ihm freudig weibliche Stimmen begrüßten.
"Sollen wir Dir helfen, Dae-Putzi?", trällerte Charlette.
"Nein, nein.", rief Daemon hinter seiner Last hervor, "Es geht schon, macht euch keine Mühe.", er stolperte, sich und die Kisten an der Wand stützend, die Treppe hoch und balancierte vorsichtig durch den Flur an deren Ende. Fast hatte er den Knick nach links erreicht, als die Tür rechts von ihm aufgerissen wurde und Mückensturm in ihn hineinrannte. Fluchend stürzte der Oberleutnant zu Boden, gefolgt von einigen schweren Aktenordnern, kantigen Bilderrahmen und einem ausgewachsenen Fähnrich. Der hauptsächliche Schmerz kam allerdings erst bei der Landung einer massiven Goldstatue auf seinen linken Fuß.
"Daemon.", rief Mückensturm überrascht, nachdem er sich auf einem Berg Fallnotizen hervor gegraben hatte, "Was machst Du denn schon hier?"
"Verzeih, dass ich nicht salutiere, wenn ich mich zum Dienstantritt melde.", brummte der Angesprochene und rieb sich den Arm, auf den die Farbikonographie seiner ersten Schalmai samt Metallrahmen gefallen war.
"Ich meine:", der Fähnrich half ihm auf und beide rutschten beinahe ein weiteres Mal auf den Papieren aus, "Was Du jetzt schon hier machst. Du solltest doch erst morgen umziehen."
Daemon hatte sich, nachdem er eine glaubwürdige Ausrede für sein verfrühtes Antreten vorgebracht hatte – sie wird hier nicht genannt, wer weiß, wann man sie wieder gebrauchen kann? – seine Sachen wieder aufgesammelt und hatte sich mit ihnen die Treppe in den zweiten Stock hoch gewagt. Die Treppe hatten die Wächter selbst gebaut, beziehungsweise von den Mannschaftsdienstgraden der Abteilung bauen lassen, und führte außen an der Hauswand entlang auf eine Dachterrasse
[2], über die man den zweiten Stock des Gebäudes betreten konnte, in dem sich die neuen Büros der Dienststelle befanden. Frau Palm hatte den DOGs die obere Etage gerne überlassen, die aufgrund einiger 'Vorfälle' schon länger nicht mehr genutzt worden war. Dem Oberleutnant war eines dieser Zimmer zugefallen. Es trug die Bezeichnung 'Rosarothes Himmelbeth' und befand sich in der Mitte des ersten Teils des Flures. Daemon wankte über die Terrasse und trat durch die etwas baufällige Eingangstür. Schemenhaft nur die Wände rechts und links von ihm und die von ihm getragenen Kisten wahrnehmend, tastete er sich durch den düsteren Flur und fand schließlich sein Büro. Während über seinem Kopf das oberste der Pakete bedrohlich wankte und sein linker Arm zitterte, gelang es ihm schließlich, mir der rechten Hand den verrosteten Türknauf zu drehen und er fiel beinahe durch die sich öffnende Tür. Er macht einen schnellen Abfangschritt nach Vorne, stieß sich das Knie, stolperte vornüber, wurde von weicher Flauschigkeit umarmt und fiel in tiefen Schlaf.
Der Oberleutnant war über die Kante des riesigen Betts gefallen, das die einzige Einrichtung des Zimmers darstellte. Leise schnarchend lag er in den weichen Laken inmitten von abermals verstreuten Unterlagen. Staub rieselte vom Himmel des Betts auf ihn hinab.
Und während sich der Leser fragt, wie er mit dem eigenwilligen Stil der Einleitung umgehen soll, während er sich noch fragt, ob sich dies zu einer Komödie oder einer Achterbahn verwirrender Bilder entwickelt, in der Zeit, in der er noch überlegt, ob es sich lohnt, weiter zu lesen; Während all dieser Gedankengänge verschimmern die Farben aus der Szene, die Ränder verschwimmen, langsam ändert sich das Bild und Daemon träumt.
Tag 1 – Träume
Das Büro war dunkel. Der Schreibtisch stand allein in der Mitte des Raumes, ansonsten ein leerer Aktenschrank in der Ecke, ein Garderobenständer, an dem ein Mantel und ein Hut hingen, und der alte, zerschlissene Sessel. Durch das Fenster gegenüber der Tür flackerte rotes Licht der magischen Leuchtreklame des Bordells auf der anderen Straßenseite in die staubige, graue Luft des Zimmers. Die milchige Glasscheibe in der Tür bildete ein verschwommenes Rechteck. Spiegelverkehrt konnte man die darauf angebrachten Buchstaben lesen: DAEMON – Privatdetektiv.
Ich saß in dem Sessel, versteckt in der Düsternis des Büros, und blies Qualm in das rote Zucken. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster in den nächtlichen Regen auf der Straße. Wieder zog ich an der billigen Zigarette. Hierher hatte mich mein Leben also gebracht. Hell glühte das Ende des Stummels auf und verbrannte Asche fiel unbeachtet zu Boden. Das Leben war ein Mistkerl. Das Saxophon begann zu spielen. Lang gezogen tönte eine Melodie - Vielleicht ein Hauch von 'Summertime' ? – gerade außerhalb des Wahrnehmungsbereiches. Ich kniff die Augen zusammen, ließ langsam den Rauch des nächsten Zuges wabernd durch das Flackern ziehen und drehte den Sessel vom Fenster weg zur Tür. Und da war sie.
In einem roten Kleid schmiegte sie sich an den Türrahmen. Ihre Beine schienen bis zur Zimmerdecke zu reichen und dennoch Platz für das Wesentliche zu lassen. Ihr lang - gewelltes, rotes Haar fiel auf sanft gerundete Schultern und kitzelte mit seinen Spitzen zärtlich ihr Dekolleté. Als sie ihre blauen Augen aufschlug und langsam die vollen, roten Lippen öffnete, wusste ich: Diese Frau zerstörte keine Königreiche, sie zerstörte Ehen.
"Mister Daemon?", fragte sie mit einer Stimme zwischen samtig-weich und rauchig-tief, die mir schon mit der ersten Silbe klar machte, dass Männer in ihr ihr Verhängnis fanden.
"Wer will das wissen, Lady?", erwiderte ich. Man blieb nicht lange in diesem Geschäft, wenn man sich zu leicht ablenken ließ, und die Miete für das Büro war drei Monate im Voraus bezahlt worden. Dieses verdammte Saxophon ging mir nicht aus dem Kopf und es wurde noch lauter, als sie mit atemberaubend hohen Absätzen zwei Schritte auf mich zukam. Klack! Klack!
"Es geht um Hubert O'Ferris.", ihre Antwort bezog sich kaum auf meine Frage, aber ich hatte auch nicht mit einer Einladung zum Dinner mit Nachspeise gerechnet beim ersten Treffen.
"Ein ungewöhnlicher Name für eine Frau wie sie.", schnarrte ich und zog an der Zigarette.
"Bitte, Mister Daemon, sie müssen ihm helfen.", ihre Augen glänzten wie der letzte Tropfen Gin in einem Glas, als sie sich über den Schreibtisch beugte. Ich atmete langsam den Rauch aus, bis er uns in dem schummerigen Licht beide dünn umhing.
"Worum geht es genau?", fragte ich, doch in diesem Moment sah sie sich plötzlich zur offenen Tür um. Verdammt, dass ich nicht daran gedacht hatte.
"Sie müssen uns helfen!", flehte sie und lief zum Ausgang, "Es ging mir nur um meine Eltern. Ich habe das Alles nicht gewollt."
"Was tust du denn hier? Du hast Dir ja das richtige Büro ausgesucht!", Drei-Nervöse-Tapire Vinni stand in der Tür des 'Rosarothen Himmelbeths' und sah kopfschüttelnd auf den Oberleutnant hinab, der, Arme und Beine von sich gestreckt, inmitten von zerknüllten Papieren, vor ihm in einem riesigen und allem Anschein nach sehr gemütlichen Bett lag.
"Ich mache mich mit meiner neuen Arbeitsumgebung vertraut.", knurrte Daemon müde aus den Unmengen an Kissen, "Weggetreten, Hauptgefreiter.", er wollte in den nicht unangenehmen Traum zurückkehren und sich nicht weiter mit Vinni's Neid beschäftigen.
"Ich fragte mich nur, woher all die Flecken auf dem Laken kommen.", sagte Vinni mit zuckenden Mundwinkeln. Daemon stand plötzlich neben ihm und starrte angewidert auf seine Schlafstätte.
"Oh – Mein – Gott.", brachte er stockend hervor und versuchte einige Erkenntnisse zu verdrängen, dann fuhr er zu dem Hauptgefreiten herum, hob seinen Zeigefinger vor dessen Nase und zischte: "Kein Wort zu Niemanden, Vinni!"
"Sie hätten es aber auch wirklich mal waschen können, in all der Zeit der Benutzung.", grinste der, "Das müssen doch Jahre gewesen sein."
"Vinni!", warnte Daemon.
"Schon gut.", beruhigte ihn der Wächter, "Ich bin ja schon ruhig."
"Wenn mich Jemand sucht, ich bin beim Abteilungsleiter.", teilte der Oberleutnant entrüstet mit und stampfte über die Dachterrasse und wesentlich vorsichtiger die Außentreppe hinunter.
Tag 1 :: 7.30 Uhr – Rekruten und Aufträge
Mückensturm sah auf, als Daemon in sein Büro gestürmt kam. ein Rekrut, der vor dem Schreibtisch des Abteilungsleiters gesessen hatte, sprang vom Stuhl auf und warf sich blitzschnell in eine straffe Haltung. Den Arm zum Salutieren nach oben schleudernd rief er laut: "Aaaachtung!", und blieb regungslos stehen.
Diese höchst ungewohnte Reaktion auf sein Erscheinen nahm dem Oberleutnant den Wind aus den Segeln und auch Mückensturm war überrascht. Verwirrt sahen sich die beiden Wächter an und dachten angestrengt über die richtige Folgehandlung auf ein solches Verhalten nach. Vorsichtig erhob sich der Fähnrich und hob stirnrunzelnd die Hand zur Stirn. Fragend sah er zu Daemon herüber, der nervös nickte und es ihm gleichtat. Einige Augenblicke peinlicher Stille vergingen, in denen sich der Rekrut nicht einen Millimeter bewegte.
"Ääähm.", machte Daemon, während Mückensturm ihm nur unter Zuhilfenahme seiner Gesichtsmuskeln Hinweise zum weiteren Verlauf zu geben versuchte. Tiefe Falten bildeten sich auf der Stirn des Oberstleutnants.
"Weitermachen...?", sagte er schließlich vorsichtig, Mückensturm nickte erleichtert und setzte sich wieder, während der Rekrut die Hacken zusammenschlug und stehen blieb. Noch immer reichlich unsicher sah Daemon ihn an, wie er mit ernster Miene und ohne mit der Wimper zu zucken vor ihnen stand.
"Irgendetwas an deiner Einrichtung ist neu.", versuchte er, die Spannung zu lösen, und machte mit der Hand eine Bewegung in die Richtung des Rekruten, um jeden Zweifel auszuschließen, dass sich der Scherz auf dessen Verhalten bezog.
"Ja.", antwortete der Abteilungsleiter gedehnt und wandte sich an den Wächter, "Der junge Rekrut hier bringt mir gerade Nachricht aus der Kröselstraße, wo heute morgen ein Verbrechen gemeldet wurde, das wohl eher in unser Ressort fällt. Es geht um die Entführung eines Händlers in Ankh.", Mückensturm reichte Daemon einen kleinen Zettel, "Hier der Text der Anzeige." Der Oberleutnant nickte.
"Kein Problem.", versicherte er, "Ich werde sofort einen der Dobermänner darauf an... Oh.", er unterbrach sich, "Du meinst: ICH bin darauf angesetzt?" Mückensturm sah ihn irritiert an, schließlich räusperte er sich.
"Das ist dein Job, nicht?", fragte er rhetorisch. Daemon straffte sich.
"Natürlich.", er spielte mit dem Zettel in seiner Hand, "Ich war nur einen kurzen Moment etwas ..." Der Abteilungsleiter zuckte mit den Schultern.
"Der Rekrut war gerade dabei, weiter Bericht aus der Kröselstraße zu geben. Willst du noch ein paar Augenblicke bleiben und zuhören?", er zwinkerte dem Oberleutnant geheimnisvoll zu.
"Eigentlich würde ich da nicht Nein sagen.", antwortete der und warf einen flüchtigen Blick auf die Anzeige in seiner Hand, "Aber ich denke, ich werde mich sofort hier drum kümmern."
Der Fähnrich nickte. Daemon sah zu dem Rekruten, der noch immer reglos vor dem Schreibtisch stand, überlegte kurz, hob dann langsam die Hand zur Stirn, knallte die Hacken zusammen und verließ den Raum, nachdem er das Leuchten der Freude in den Augen des jungen Wächters über dieses Verhalten gesehen hatte. Im Rausgehen hörte er noch die Frage des Abteilungsleiters:
"Und was hat der Hauptfeldwebel dann mit der Rekrutin gemacht?"
Als er den Flur zur Außentreppe hinunterging, um seinen Mantel aus dem Durcheinander im Büro zu holen, las er zum ersten Mal genau den Text auf dem Blatt, das Mückensturm ihm gegeben hatte. Ein Händler für Importwaren aus Klatsch war am Tag zuvor nicht in die Residenz – Daemon hob wegen dieser Formulierung überrascht eine Augenbraue – der Familie zurückgekehrt und konnte auch in seinem Geschäftsgebäude nicht aufgefunden werden. Die Gilde der Händler und Kaufleute war deswegen beunruhigt, da der Geschäftsmann kurz vor einem wichtigen Vertragsabschluß stand. Der Oberleutnant brummte. Die Händler beharkten sich untereinander, solange es den Handel gab, und hatten mindestens genauso viel Dreck am Stecken, wie die Diebe und Assassinen. Aber gut. Er würde diese 'Familien-Residenz' aufsuchen. Unten auf dem Zettel hatte ein eifriger Rekrut die Adresse hingekritzelt. Daemon blieb abrupt stehen und starrte auf die Buchstaben.
[ Residenz O'Ferris. Kronstraße, Ankh, Ankh-Morpork ]Irgendwo im Erdgeschoss schien ein Saxophon anzufangen zu spielen.
Tag 1 :: 9.00 Uhr – Nebelschwaden und Ermittlungen
Noch immer lag dichter Nebel in den trüben und feuchten Straßen der Stadt, als Daemon losstapfte. Da er nur ein paar Fragen an die Familie des vermutlich Entführten stellen wollte und nicht mit irgendwelchen Angriffen oder Verfolgungen rechnete, hatte er für den Weg durch die halbe Stadt auf Rüstung, Helm und Schwert verzichtet und trug unter dem dunklen, weitgehend wasserabweisenden Mantel nur die graue, schmucklose DOG-Uniform. Vielleicht hatte er sich auch wegen dem teuren Viertel, in das ihn seine zwischen den Häusern wiederpochenden Schritte lenkten, für den formellen Aufzug entschieden. Vielleicht hatte es auch mit der, zugegeben unwahrscheinlichen, Möglichkeit zu tun, eine junge und schöne Frau im roten Kleid anzutreffen.
Der Nebel schien alle Farbe aus der Umgebung zu ziehen und von dort, wo er ging, konnte der Oberleutnant vielleicht zehn Schritte milchiger Grautöne erkennen, bevor sie ganz verschwommen. Die Straßen waren annähernd leer, das Wetter legte sich auf die Gemüter der Bürger, kaum Jemand war gewillt, durch die neblige Suppe zu gehen, wenn er nicht unbedingt musste. Nachdem er durch Schwämme feuchter Luft, die über dem Ankh und seinen Brücken hingen, gestapft war, erreichte er schließlich die Kronstraße und stieg eine leichte Anhöhe hinauf. Schritt für Schritt wurde die Sicht ein wenig besser. Wenn auch die Farben nicht wirklich zurückkehrten und alles grau und verschwommen blieb, konnte er doch bald die Stangen eines Gitters erkennen, das auf der Anhöhe einen Garten von der Straße abgrenzte. Falsch, korrigierte sich Daemon in Gedanken, als sich der Nebel auf dem Hügel weiter lichtete, bei der Größe heißt es nicht mehr Garten, sondern Anwesen. Die grau-grüne Rasenfläche war riesig, hier und da unterbrochen von gepflegten Hecken und Bäumchen, doch das Gebäude dahinter war gewaltig. Es war nicht mehr als drei Stockwerke hoch, aber mit seinen Säulen, Erkern und Vorsprüngen sandte es vermittelte es dem Betrachter ein gewaltiges, in die Kniekehlen tretendes Gefühl von KLASSE. Der Wächter straffte sich und stieß das eiserne Tor auf, das ihn auf den Gartenweg zur Villa führte.
Er saß aufrecht in einem riesigen Ledersessel, dessen Wert er nicht einmal erahnen wollte, und sah sich in dem Raum um, in den ihn ein Diener geführt hatte. Die Wände waren mit Holz vertäfelt, ein niedriger Tisch mit Steinplatte stand in der Mitte der Ledermöbel auf einem dicken Teppich, der den größten Teil des Parketts verdeckte. Von den Wänden starrten ihn die Köpfe exotischer Tiere entgegen und über dem prasselnden Kamin, der den Raum mit trockener Hitze füllte, hing ein Gemälde eines stattlichen Mannes, der in einer Robe auf den Sitzenden hinab sah. Das Schild darunter nannte den Namen des Mannes: Wolfgang O'Ferris.
Daemon erhob sich, als die Tür geöffnet wurde. Der Diener erschien.
"Ä - hem.", räusperte er sich mit einem missbilligendem Blick auf den feuchten Mantel des Oberstleutnants, der ihn über die Sessellehne gelegt hatte, "Lady O'Ferris.", kündigte der Bedienstete dann an. Daemon holte tief Luft und spähte neugierig aufgeregt in die Öffnung der Tür. Als die Lady den Raum betrat, konnte er nur mit Mühe ein enttäuschtes Knurren unterdrücken. Lady O'Ferris war klein, in ein dunkles, weites Gewand gehüllt und hatte ihre besten Tage hinter sich. Ihre harten Augen musterten den Wächter und die Falten um ihren Mund schienen danach noch strenger als zuvor zu sein. Mit einer angedeuteten Verbeugung stellte sich Daemon vor, die Lady fixierte mit ihren Blicken seine Schultern.
"Ich danke ihnen für ihr Kommen, Oberleutnant. Wir sind sehr froh, dass die Gilde das verschwinden meines Mannes so schnell gemeldet hat.", erwiderte sie.
"Wir, Milady?", fragte der Wächter. Sie verzog das Gesicht.
"Der Bruder meines Mannes und ich.", antwortete sie.
"Er wohnt ebenfalls hier?", er sah noch einmal zu dem Gemälde über dem Kamin.
"Es handelt sich um Lord Wolfgang O'Ferris, dreiundzwanzigster dieses Namens, dem Besitzer dieses Hauses und weiter Ländereien um diese Stadt.", belehrte sie ihn pikiert. Daemon sah sie unbeeindruckt an. Das Haus und die Einrichtung hatten ihm Respekt eingeflösst, doch Namen und Titel waren in einer Stadt, in der Gilden ansässig waren und moderne Technik, wie Druckpressen und Semaphoren, Einzug hielt, nur noch zweitrangig.
"Ich würde gerne mit Ihnen und dem Lord sprechen."
Lord O'Ferris hatte bereits erste graue Strähnen im Haar, war aber ansonsten genauso staatlich und respekteinflössend, wie das Bild im Salon ihn darstellte. Sie befanden sich nun in einem Arbeitszimmer mit einigen Bücherschränken und einem gewaltigen Schreibtisch, an dem der Lord saß und Daemon und Lady O'Ferris empfing. Außerdem befand sich ein junger Mann im Raum, den Wolfgang ihm als seinen Sohn Eduart vorstellte. Der Wächter untersuchte mit den Augen schnell das Zimmer, als er eintrat. In den Schränken standen einige großformatige Bücher, aber auch reichverzierte Zeitdämon-Kästen, Figuren und etwas, dass er als klatschianische Kunst erkannte. Vor dem Schreibtisch standen zwei bequeme Sessel, von denen ihm einer beim Eintreten angeboten wurde. Auf dem Schreibtisch lagen Rechnungsbücher, Papiere und Schreibutensilien. Auch im Arbeitszimmer gab es einen Kamin, wenn er auch wesentlich kleiner war, als der im Salon. Über diesem hing ein Bild, das wohl die Familie darstellte. Er erkannte Wolfgang, Eduart und die Lady, die er mittlerweile als Emilia O'Ferris kannte. Außerdem war ein weiterer Mann zu sehen, bei dem es sich um August handeln musste, den Entführten. Das Ehepaar auf dem Gemälde saß, Wolfgang stand hinter ihnen, Eduart war zu seiner Rechten zu sehen, die andere Seite des Bildes jedoch war mit schwarzem Tuch verhangen.
"Es freut mich, dass die Wache so schnell reagiert und einen ihrer Offiziere mit der Untersuchung des Verschwindens meines Bruders beauftragt hat.", begann der Lord und beugte sich vor, "Sie wollen natürlich hören, was wir wissen, nicht wahr?" Daemon schob sich auf seinem Sessel ebenfalls nach vorne.
"Ich muss wissen, was gestern Abend vorgefallen ist. Wie das Verschwinden bemerkt wurde, wo dies passiert sein kann, wer einen Nutzen davon hätte.", sagte er ruhig und ungeachtet der finsteren Blicke, die ihm Emilia aus dem anderen Sessel zuwarf. Wolfgang nickte nachdenklich und fasste den Wächter prüfend ins Auge.
"Mein Bruder arbeitet den Tag über in seinem Geschäftshaus nahe dem Hafen. Normalerweise ist er um sechs Uhr zum Abendessen zurück, gestern jedoch kam er nicht."
"Wir haben dann einen Bediensteten zum Kontor geschickt, um nachzufragen, wo er bliebe.", fuhr Eduart fort, der hinter seinem Vater gestanden hatte, "Sein Geschäftspartner sagte ihm jedoch, dass mein Onkel das Haus schon vor Stunden verlassen habe."
"Sein Partner?", fragte Daemon.
"Hubert Greif.", zischte Lady O'Ferris von der Seite, "Ein bürgerlicher Geschäftmann, den mein Mann mit zu sich genommen hat."
"Sie sagen also,", fuhr der Wächter fort, "Dass ihr Mann nicht hierher zurückgekehrt ist und er zum letzten Mal im Kontor am Hafen gesehen wurde?"
"So ist es.", bestätigte Lord Wolfgang. Daemon erhob sich.
"Dann will ich meine Ermittlungen dort weiterführen.", erklärte er und sah sich um, "Mein Mantel...?", fragte er.
"Der Diener wird ihn ihnen so schnell wie möglich bringen.", sagte Wolfgang, "Ich werde ihnen von ihm den Weg zum Geschäftshaus beschreiben lassen.", auch er erhob sich, Emilia blieb sitzen, "Viel Glück, Herr Oberleutnant.", wünschte er, als der Diener erschien.
"Danke, Milord.", antwortete Daemon und verließ den Raum.
Der Kontor O'Ferris & Greif stand in direkter Nähe der Docks der Stadt am Fluss. Fünf Stockwerke hoch ragte er über die Straße hinauf und bildete ein dunkles Viereck im mittlerweile verregneten Grau des trüben Himmels. Daemon blinzelte sich Regentropfen aus den Augen, als er an dem Gebäude hochsah. Auf der anderen Straßenseite stand ein ähnliches Gebäude, jedoch mit einem anderen Firmenschild, der Rest der Gegend war mit Lastkränen, Anlegestellen und Lagerhäusern belegt, bis auf ein Gebäude direkt neben dem des Kontors. Es war fast so hoch wie dieser, wirkte jedoch verlassen und leer, bis auf die unterste Etage, in der sich eine kleine Bar zu befinden schien. Der Wächter ging auf den Kontor zu und betrat ihn.
Nach kurzer Zeit hatte er Hubert Greif im obersten Stockwerk ausfindig gemacht, wo er in einem kleinen Büro saß. Der kleine, nervöse Mann wirkte unruhig, als er erkannte, dass ihn ein Wächter besuchte, fand aber schnell seine Fassung wieder.
"Und sie sagen, August O'Ferris hat das Gebäude gestern gegen fünf verlassen?", fragte Daemon noch einmal nach.
"Ja, so war es.", bestätigte Hubert, "Das tat er in letzter Zeit des Öfteren, wie ich mich erinnere." Der Oberleutnant nickte.
"Ihnen ist klar, dass ich von einer Entführung ausgehen muss.", sagte er, sein Gegenüber spannte sich sichtlich an, seine Unterlippe zitterte, "Wer hätte Interesse daran, dass er verschwindet? Hatte er Feinde, finanzielle Schwierigkeiten? Irgendetwas?", Daemon sah Hubert fragend an. Der schluckte und antwortete:
"Wenn sie wissen wollen, ob er Feinde hatte, dürfen sie mich nicht fragen, wir waren lediglich Geschäftspartner, da müssen sie sich an seinen Bruder wenden, der wird es am besten wissen. Wahrscheinlich kennt er die noch am besten, so, wie er und August sich gestritten haben.", brachte er hervor.
"Lord Wolfgang und August hatten Streit?"
"Ja.", stockte Hubert, "Direkt hier im Erdgeschoss trafen die beiden aufeinander und haben sich gegenseitig angeschrieen."
"Wann war das?", wollte Daemon wissen.
"Das ist vielleicht eine Woche her.", Hubert schluckte wieder, "Vielleicht auch weniger." Daemon nickte.
"Und weiter? Wer käme noch in Frage?"
"Nach Geld dürfen sie mich nicht fragen. Ich mache hier nur die Wareneinlagerung und ein paar Kontakte zu weiteren Händlern. Die Bücher führt der Neffe von August, Eduart heißt er. Hat alle Unterlagen in der Villa der Familie.", Hubert verzog säuerlich das Gesicht. Daemon sah ihn nachdenklich an.
"Aber wenn sie wirklich Jemanden wissen wollen, der davon profitieren würde, dass August gerade jetzt verschwindet.", fuhr Hubert fort und schien zornig zu werden, "Dann gehen sie über die Straße zu Harold Winscester."
"Wer ist das?", der Wächter sah aufmerksam auf, als Hubert weiter sprach.
"Winscester ist genauso wie wir hinter der Besitzurkunde des Gebäudes neben uns her.", spie der hervor, "Monatelang haben wir darauf gewartet, dass es zum Verkauf steht, und jetzt endlich ist es soweit. Dieses Gebäude wäre für uns beide eine gute Gelegenheit, unsere Lager in Hafennähe zu vergrößern, und genau jetzt verschwindet August und ich kann den Vertrag nicht ohne ihn unterzeichnen.", er verschränkte die Arme, "Wenn sie mich fragen, wird August morgen Abend wieder auftauchen, wenn die Unterzeichnungsfrist für den Vertrag abgelaufen ist und Winscester die Besitzurkunde in der Tasche hat." Daemon dachte kurz nach, dann klappte er sein Notizbuch zusammen und stand auf.
"Herr Greif, ich danke ihnen.", er wandte sich um, ging zwei Schritte auf die Tür und blieb dann noch einmal stehen, "Ach.", sagte er, und drehte sich halb um, "Ich hätte da noch eine Frage: Wohin denken sie, ist ihr Partner in letzter Zeit gegangen, wenn er hier früher fort ging?", er sah ihn nachdenklich an, "Was denken sie, Herr Greif?" Hubert sah ihn verständnislos an.
"Wenn ich das wüsste, würde ich genau dort nach ihm suchen, Oberleutnant.", sagte er schließlich. Daemon nickte.
"Danke, Herr Greif. Ich werde sie über den Fortgang der Untersuchung auf dem Laufenden halten."
Der Wächter verließ das Geschäftshaus, warf sich schnell den Mantel über, um nicht zu nass zu werden, und sah die Fassade des gegenüberliegenden Gebäudes hoch. August O'Ferris konnte überall auf dem Weg von hier bis zur Kronstraße überfallen worden sein. Völlig unmöglich, auf diesem Wege etwas herauszufinden. Es regnete mittlerweile heftig und in dicken Tropfen. Man musste sich an das halten, was man hatte. Daemon brummte einmal kurz und ging dann entschlossen über die Straße.
Harold Winscester war ein gepflegter Mann in den Vierzigern, der vom Bubenalter an gelernt hatte, dass eine gewisse Summe Geld einem Adelstitel durchaus gleich kommen konnte. Herablassend sah er den durchweichten Wächter an.
"Sie sind wohl von diesem Proleten Greif hierher geschickt worden, nehme ich an?", fragte er mit näselnder Stimme und schnaubte abfällig die Luft aus seinen schmalen Nasenlöchern, "Durchsuchen sie hier nur alles, sie werden nichts finden, außer erlesenen Importwaren von der gesamten Scheibenwelt." Daemon trat auf ihn zu.
"Erzählen sie mir etwas über das zum Verkauf stehende Gebäude auf der anderen Straßenseite.", forderte er.
"Ich gedenke, es zu erwerben.", antwortete der Händler.
"Und gibt es noch weitere Interessenten?"
"Außer O'Ferris meinen sie?", er winkte mit seiner weißen, dünnen Hand ab, "Nein, Niemand wollte sich noch mit in diese Sache einmischen. Die Verhandlungen mit dem Besitzer sind längst abgeschlossen."
"Was geschieht, wenn morgen Mittag niemand den Kaufvertrag unterschreibt?", Daemon's Augen blitzten gemein auf. Harold Winscester sah ihn erschrocken an.
"Dann...", begann er, "Dann wird die Unterzeichnungsfrist verlängert, bis sich ein Käufer einfindet. Was haben sie vor?", er sah den Wächter entsetzt an, als der ihm an Handgelenk packte.
"Ich werde sie jetzt zu ihrer eigenen Sicherheit mit zum Wachhaus nehmen.", grinste der Wächter, "Es könnte doch sein, dass sie auch entführt werden sollen.", er zog ihn mit sich zur Tür, "Ich hoffe, sie sind wetterfest gekleidet, es regnet draußen ein wenig."
Nachdem er den Händler unter lautem Protest in eine der Zellen im Wachhaus am Pseudopolis-Platz gesperrt hatte, ging er hinunter ins Archiv der Wache. Er wollte bei diesem Fall keine Kleinigkeit außer Acht lassen und ihm ging das schwarze Tuch vor dem Familiengemälde der O'Ferris nicht aus dem Kopf. Schließlich fand er einen Akteneintrag, der ihm interessant erschien. Er behandelte Susann O'Ferris, die junge Tochter von Emilia und August O'Ferris, die vor etwa einem Vierteljahr gestorben war. Sie hatte sich auf niemals geklärten Gründen mitten in der Nacht einen Dolch in den Leib gestoßen und war verblutet. Daemon steckte die Akte ein und kehrte durch das nasse, nächtliche Ankh-Morpork ins
Boucherie zurück.
Tag 2 – Träume
Ich stand am Fenster. Dunkel hing die Nacht vor mir, unterbrochen vom ewigen Geflirre roten Lichtes im Regen. Mein mattes Spiegelbild verschwand vollständig, als ich an der Zigarette zog und den Qualm gegen das Fenster treiben ließ. Ich dachte nach. Was hatte all das nur zu bedeuten? Die schnellen Schritte auf dem Flur rissen mich aus den Gedanken. Misstrauisch sah ich zur Tür und öffnete die Schreibtischschublade. Quietschend knarrte sie durch die Stille der Regentropfen draußen. Mit vorsichtigem Blick auf die Tür griff ich hinein und ertastete den Griff der Armbrust. Die Tür öffnete sich.
"Mister Daemon.", ihre Augen waren gerötet, ihr Haar zerzaust. Ich entspannte mich. Schnell kam sie um den Tisch und lag zitternd und weinend in meinen Armen. Was sollte ich da tun, sie etwa fort stoßen? Mal ehrlich, das hätten sie auch nicht getan. Ihr schlanker Körper drückte sich an mich und ich klopfte ihr hilflos auf den Rücken, in der Hoffnung, dass ihr das helfen würde. Nach einiger Zeit hatte sie sich schließlich beruhigt und konnte reden. Durch einen feinen Vorhang aus gesponnenem, rotem Gold sahen mich diese beiden Seen an, als wenn ich in ihnen ertrinken könnte, und ihre Lippen zitterten noch immer, doch sie konnte reden.
"Etwas Furchtbares ist geschehen.", brachte sie hervor, "Ich wollte das alles nicht, Mister Daemon. Bitte, lassen sie nicht zu, dass noch mehr passiert." Es war klar, was sie jetzt hören wollte. Ich sah ihr in die Augen, strich ihr langsam die Haare aus dem Gesicht und ließ einen Finger ihre Wange herunterfahren. Als sie ihre Hand zu meiner hob, sah ich das Blut.
Das Knallen der Tür weckte ihn auf. Daemon schlug erschrocken die Augen auf und streckte sich. Gähnend stand er aus dem Bett auf und sah sich um. Das Bett war noch am vorherigen Tag neu bezogen worden, seine Papiere waren ordentlich auf einem kleinen Schrank neben dem Bett aufgestapelt, sein Mantel hing an einem Garderobenständer in der Ecke, kein Krümelchen Staub war zu sehen. Der Wächter suchte seinen Notizen vom letzten Tag zusammen, ordnete seine Kleidung und sah verdutzt auf das Himmelbett, aus dem er gerade aufgestanden war. Zwischen den Kissen, Decken und Plüschtieren lag ein ungeöffneter Umschlag. Daemon trat darauf zu und nahm ihn nachdenklich in die Hand. Sorgfältig untersuchte er ihn, fand aber keinerlei Hinweis auf Absender oder Inhalt. Den Umschlag betrachtend ging er aus dem Zimmer, ging über die Dachterrasse, schwankte unsicher die Treppe hinunter, folgte dem Verlauf des Flures, bog um die Ecke, ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss und betrat ohne auch nur einmal vom Brief in seinen Händen aufgeblickt zu haben, ins Zimmer von
[3]. Die Näherin war gerade dabei, ihre Arbeitsnacht zu beenden und packte einige Sachen zusammen. Viele davon waren schwarz. Einige davon klirrten.
"Sag, Mya.", begann Daemon, "Du kannst mir doch sicher etwas über diesen Umschlag sagen, der plötzlich in meinem Büro aufgetaucht ist.", er hielt ihr den Brief entgegen.
"Oh, Daemon.", erwiderte sie, und rollte ein langes Tau auf, "Wie kommst Du nur darauf, dass ich etwas davon weiß?"
"Nur, weil du immer ganz zufällig über Alles Bescheid weißt."
"Sieh mal.", sie trat näher an ihn heran und lächelte ihn süffisant an, das hauchdünne Kostüm, dass sie trug, streifte den Stoff der Uniform an seiner Brust, "Wenn ich etwas über dich wüsste, würdest du doch auch nicht wollen, dass ich es Jemandem erzähle, nur, weil er fragt.", sie zog eine Augenbraue hoch und legte die Arme um seinen Nacken.
"Ähm.", stieß der Wächter hervor, "Und kannst du mir...", er sah, wie sie sich langsam auf die Zehenspitzen stellte, um ihre Gesicht näher an seines zu bekommen, eng presste sie dabei ihren schlanken Körper an ihn, "... einen Tipp geben, was ich jetzt... tun soll?", presste er hervor.
"Aber ja doch.", säuselte sie, legte den Kopf nach hinten, so dass ihr dunkles Haar über ihren Rücken fiel und sie ihm ihren Hals und ihr Dekolleté darbot, zu dem sie ihn langsam hinunterzog, "Wie wäre es,", hauchte sie, "Wenn du den Umschlag aufmachst?", sie hüpfte von ihm fort und grinste schelmisch. Daemon taumelte und ließ sich auf eines der Sitzkissen sinken, die im Raum verteilt waren. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Mit zittrigen Händen fummelte er an dem Brief herum, wobei Mya ihn grinsend beobachtete. Schließlich hatte er den Umschlag geöffnet und zog einen Zettel daraus hervor. Er sah hoch zu der Dame und hob eine Augenbraue, sie lächelte und zuckte unschuldig die Schultern. Das Blatt war gerade und ordentlich gefaltet, besaß sogar so etwas wie eine Prägung, die wohl Blätter darstellen sollten. Mit sauberer Handschrift waren nur einige wenige Worte darauf geschrieben. Er las sie ein zweites Mal.
"Mya.", der Oberleutnant sprach langsam und ruhig, "Du wirst mir jetzt sagen, wer diesen Brief hier abgegeben hat.", er sah sie ernst an.
"Daemon.", ihr Blick war ebenso ernst wie seiner, "Du wirst jetzt gehen und das tun, was dort steht.", sie wandte sich ab und bewegte sich nicht eher, als sie die Tür hinter ihm zufallen gehört hatte.
Der Wächter stand nachdenklich im Flur vor ihrem Zimmer und las ein weiteres Mal die beiden Zeilen auf dem Blatt.
[ Geld fließt in viele Richtungen / Besuchen sie die Bar ]Tag 2 :: 8.00 Uhr – Tristesse und weitere Geheimnisse
Daemon verließ das
Boucherie Rouge kurze Zeit später und ging durch den wieder aufgezogenen Frühnebel zum Hafen. Sämtliche Geräusche schienen von den weißen Schwaden geschluckt zu werden, der Wächter sah Niemanden auf dem Weg und stapfte mit trübem Sinn über das feuchte Pflaster auf den Kontor O'Ferris & Greif zu. Zu der frühen Stunde waren die Tore des Lagers noch geschlossen und die Fenster im oberen Stock dunkel. Im Gebäude neben der Niederlassung waren sie nur gähnende Löcher in der Mauer, es wirkte gänzlich trostlos und verlassen. Daemon ließ den Blick über die bröckelnde Fassade gleiten und ging einige Schritte näher heran. Über der Tür im Erdgeschoss war ein Schild angebracht. Es mochte vor langer Zeit weiß gewesen sein, doch jetzt liefen schwarz - dreckige Linien von Regentropfen, die jahrelang die dunkle Hauswand herunter und über das lackierte Holz des Schildes gelaufen waren, über das schmutzige Grau und über die verblasste, violette Schrift, die in breiten, geschwungenen Buchstaben 'Pauls Bar' mitteilten. Das Ganze wirkte so verlassen, wie der Rest des Gebäudes, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Mann mit trübem Gesicht und eingefallenen Augen trat langsam in den Nebel. Müde sah er sich um, schien leise zu seufzen und ging dann mit hängenden Schultern in eine unbestimmte Richtung fort. Daemon sah ihm kurz nach, dann gab er sich innerlich einen Ruck und betrat die Bar.
Im Inneren erwartete ihn ein stilvolles, doch schlichtes Ambiente. Einzelne, runde Tische standen im Raum, mit weißen Tischdecken und einfachen Stühlen. Auf jedem Tisch stand in der Mitte ein kleiner Kerzenleuchter mit Schirm, der so angebracht war, dass das Licht der Flammen nur den Tisch beleuchtete. Als der Wächter die Bar betrat, waren alle Kerzen gelöscht. Das Licht war gedämpft, die Augen des Wächters mussten sich kurz daran gewöhnen, dann erkannte er mehr. Eine Bar mit einfachen, runden Schnitzereien zog sich an der seitlichen Wand entlang, dahinter war ein großes Regal im selben Stil mit etlichen Flaschen bestückt. Am anderen Ende des Raumes befand sich eine kleine Bühne, auf dem ein Piano still vor einem roten Vorhang stand. An den Wänden hingen Ikonographien, die Bäume im Herbst, leere Räume, die große Stadt von einem der Nachrichtentürme aus und ähnlich erheiternde Dinge zu sehen waren. Jemand hatte es als passend empfunden, sie in schwarzweiß zu zeigen. Zigarettenrauch hing über allem. Daemon sah sich noch einmal in der Bar um und kam zu dem Schluss, dass dies der trübsinnigste und 'graueste' Ort war, den er bisher gesehen hatte. Ein großer, breitschultriger Mann mit schwarzen Haaren und tiefliegenden Augen sah ihm vom Tresen aus an.
"Na, was soll's denn werden?", brummte er und wischte über das Holz, "Wir machen gerade Schluss, komm heute Abend wieder.", er sah auf und verzog das Gesicht, als er Daemon noch immer dort stehen sah, "Na schön. Aber nur Einen.", der Mann ging um die Bar und zog ein Glas und eine Flasche aus dem Regal, "Whisky.", brummte er, goss etwas in das Glas und stellte es auf den Tresen. Der Wächter trat langsam darauf zu und betrachtete dabei die Bühne. Sein Gesicht bekam einen müden Ausdruck, als sich ihm die volle Schwere von 'Pauls Bar' auf die Schultern legte.
"Keine Musik?", fragte er, als er sich auf einen der Barhocker setzte. Er nahm das Glas in die Hand und betrachtete die Flüssigkeit darin nachdenklich.
"Ich sagte, wir schließen gleich.", antwortete der Barkeeper und begann, ein paar der Gläser in dem Regal zu putzen. Daemon zuckte lustlos mit den Schultern und gab einen nichts sagenden Ton von sich.
"Außerdem,", fuhr der Mann nach kurzer Zeit fort, "War Stan die ganze Nacht nicht da. Wird sich wohl verdrückt haben, jetzt, wo der Laden geschlossen wird. Genauso, wie seine feine Kollegin."
"Die Bar wird geschlossen?", Daemon sah interessiert auf, der Mann sah ihn aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen an, doch die Uniform des Wächters war unter seinem geschlossenen Mantel verborgen.
"Ja.", antwortete er schließlich, "Das Haus wird bis heute Mittag verkauft. Danach wird hieraus irgendein Lagerhaus, oder so."
"Lohnt sich nicht, sonne Bar, wie?", brummte Daemon dem Tresen zu und hob den Whisky an seinen Mund.
"Dürfen sie mich nicht fragen. Der Laden und das Haus gehören Paul. Ich gebe den Leuten nur was zu Trinken und höre ihnen zu." Der Oberleutnant sah ihn nickend an, dann wandte er sich wieder dem Glas in seiner Hand zu, hob es erneut bis kurz vor seine Lippen und schaute dann noch einmal zu dem Barkeeper.
"Ist dieser Paul zu sprechen?", fragte er. Der Mann vor ihm sah ihn argwöhnisch an, dann ging er zu ihm, nahm ihm das Glas aus der Hand und schüttete den unangerührten Inhalt in einen Eimer hinter der Bar.
"Wir haben geschlossen.", sagte er, "Und sie gehen jetzt besser. Sie stellen zu viele Fragen.", er griff unter die Bar.
"Nun...", sagte Daemon gedehnt und griff in seinen Mantel, als der Barkeeper einen kurzen Knüppel hervorholte, "Das ist mein Job.", beendete er den Satz und zeigte ihm seine Wächtermarke.
"Oh.", brummte der Mann, "So ist das."
Daemon war durch einen engen, schmutzigen Korridor an ein, zwei Türen vorbei in ein schmuddliges Büro geführt worden. Am kleinen Schreibtisch saß in einer Unordnung aus fleckigen Zetteln und vergammelnden Speiseresten auf Tellern und in Tassen ein kleiner, dürrer Mann in knitteriger Kleidung. Sein schütteres, blondes Haar hing fettig an seinem großen Kopf, seine Lippen zitterten unablässig, als er mit dem Wächter sprach.
"Was will die Wache von mir? Ich habe nichts getan.", sagte er schnell und fuhr sich nervös mit den Händen um den Mund.
"Ja, ja.", murmelte Daemon und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um, "Das sagen sie alle.", er fand einen Stuhl, dessen Sitzfläche mit schimmelndem Unrat bedeckt war. Er beschloss, stehen zu bleiben.
"Was wollen sie?", fragte der Mann noch mal.
"Sie sind Paul Stuhlbein? Der Besitzer dieses Hauses und der... Bar?", fragte der Oberstleutnant. Der Mann rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
"Ja.", sagte er, und sah sich um, "Noch."
"Dieses Haus wird heute Mittag einem neuen Besitzer überschrieben, ist das richtig?"
"Ja.", murrte der Mann.
"Warum verkaufen sie das Haus?" Stuhlbein sah mürrisch auf seine Hände.
"Ich konnte einige Rechnungen in letzter Zeit nicht bezahlen.", die Lippe zitterte nun heftiger, "Und da ich früher schon einmal Probleme mit Geld hatte...", er sah auf, "Ich kann es mir einfach nicht mehr leisten, gut?", er funkelte den Wächter an.
"Was sagen ihnen die Namen O'Ferris und Greif?", ignorierte Daemon den Blick.
"Das...", der Barbesitzer fuchtelte mit den Händen herum, "Das sind die Händler nebenan. Ich weiß nichts über sie.", er stand auf, "Sie müssen jetzt gehen. Wir haben längst geschlossen. Ich habe zu tun.", er ging schnell am Oberleutnant vorbei zur Tür, "Sie finden den Weg ja, Phil wird hinter ihnen abschließen.", er rannte beinahe den Korridor hinunter und verschwand. Daemon sah sich noch einmal kurz im Büro um und ging dann in den Flur. Im Korridor befanden sich zwei weitere Türen. Schnell überprüfte er noch einmal, dass er allein war, dann öffnete er die erste. Dahinter lag eine winzige Garderobe. Ein fleckiger Spiegel hing über einem unordentlichen Schminktisch, an einer Stange hingen zwei Kleider. Der Wächter betrat den Raum, sah hinter die Kleider, fand aber nichts weiter, als ein Plakat eines alten Klickers an der Wand hängen. Er trat an den Schminktisch und betrachtete sich flüchtig im Spiegel, wie er vor der geöffneten Garderobentür hinter sich stand. Er bückte sich und öffnete vorsichtig die verzogenen Schubladen des Tisches. Nichts weiter als angebrochene Fläschchen und Tuben von Kosmetik in der ersten, dazu Staub und Krümel. Er schloss sie und griff zur zweiten. Als er sie öffnete, öffnete er vor Erstaunen weit die Augen.
'Das ist eine ganze Menge Geld, für einen Mann, der sein Haus verkaufen muss.', dachte er, und griff nach den sauber gebündelten Scheinen in der Schublade. Er hielt etwa fünftausend Dollar in den Händen. Der Wächter sah sich schnell zur Tür hinter ihm um. 'Muss sie später untersuchen.' Er steckte die Noten ein und schloss die Lade. Dann verließ er die Garderobe und schloss die Tür vorsichtig. Gerade griff er zum Griff der Zweiten, als Phil, der Barkeeper, um die Ecke des Korridors von der Bar her erschien.
"Da sind sie ja noch.", rief er überrascht, "Jetzt aber raus hier, ich will auch mal Feierabend machen."
Tag 2 :: 12.00 Uhr – Folgerungen und Entschlüsse
Nach seinem Besuch der Bar war Daemon ins
Boucherie Rouge zurückgekehrt und lag nun auf dem Rücken im Himmelbett und betrachtete das rosafarbene, ausgebleichte Blümchenmuster des Stoffs über ihm. Den ganzen Vormittag und einen guten Teil des Nachmittags lag er da, und versuchte, ein Bild aus den Puzzleteilchen des Falls herzustellen.
Was hatte er? Er runzelte die Stirn. August O'Ferris war entführt worden, nachdem er mit seinem Bruder Wolfgang gestritten hatte. Der Händler stand kurz vor dem Kauf eines Hauses, von dem auch sein Konkurrent Harold Winscester einigen Nutzen hätte. Daemon hatte also Harold festgenommen, da ein Motiv bestand, bisher hatten aber Verhöre mit ihm nichts ergeben. Dann erreicht ihn ein Hinweis auf die Bar in dem zu kaufenden Gebäude, wo er einen nervösen Mann trifft, der fast vor ihm flieht, und eine Menge Geld findet. Der Oberleutnant richtete sich auf. Was hatte Stuhlbein zu verbergen? Woher kam das Geld? Wieso war er gegangen, als er nach O'Ferris & Greif fragte? Und was war hinter dieser anderen Tür, von deren Öffnen Phil ihm abhalten konnte? Er hatte sich von dem Geld ablenken lassen, es war Zeit, hinter das Geheimnis der Bar zu kommen. Und das ging am Besten, indem man hin ging und nachsah, was es war. Eine halbe Minute später war Daemon eine Etage weiter unten in Pigeon's Büro und ließ eine Taube zum Pseudopolis – Platz schicken.
Die FROGs trafen den Oberleutnant an der Ankh - Brücke. Langsam schälten sich die Konturen von Malachit aus der Regenwand, als Daemon dort ankam. Bei dem Troll standen Gold Moon, Zaddam und Sidney.
"Wunderbar.", freute sich der Ankommende beim Anblick der Wächter, "Dann können wir ja loslegen."
"Du wirst Dich schön heraushalten.", sagte Rascaal, der hinter einem Pfeiler der Brücke hervorkam, "Ermittler haben nichts mehr an Orten zu suchen, an denen FROGs arbeiten.", erläuterte er und sah zu seiner Truppe, die im strömenden Regen stand, "Ein schönes Wetter suchst du dir aus, uns raus zu rufen."
"Aber ich werde euch wenigstens noch zeigen dürfen, worum es geht, nicht?", fragte Daemon rethorisch.
"Na los.", forderte ihn der Hauptmann auf. Malachit schulterte seine gewaltige Armbrust. Gold Moon wartete auf ein Nicken ihres Abteilungsleiters, dann lief sie vorsichtig über die Brücke voraus und gab von Zeit zu Zeit durch leise Pfiffe zwischen dem Platschen der Regentropfen auf den Ankh zu verstehen, dass die Anderen folgen könnten.
"Ist das wirklich nötig?", fragte der DOG, doch Rascaal winkte ab und gab seinen Wächtern ein Zeichen, den Signalen zu folgen.
"Wie schon geschrieben,", begann Daemon noch einmal, "weiß ich nicht, was sich in dem Gebäude befindet. Ihr müsst sehr vorsichtig...", ein Blick des Vampirs brachte ihn zum Verstummen, "Schon gut, schon gut.", murmelte er, "Bin ja schon ruhig."
Die Wächter durchquerten das Hafenviertel auf direktem Wege auf 'Pauls Bar' zu.
"Malachit.", zischte Rascaal schließlich über das Rauschen und Trommeln, "Bereite dich vor.", der Troll brummte zustimmend und begann im Vorwärtstrotten, seine gewaltige Waffe zu laden. Weder Armbrust, noch Troll schienen von dem dichten Regen irgendwie gestört zu werden. Daemon wollte etwas sagen, entschied sich dann aber dagegen.
"Zaddam.", kam die nächste Anweisung, "Du gehst auf das Haus gegenüber. Wenn jemand aus der Bar kommt... halte ihn auf." Schnelle Schritte wurden vor ihnen hinter der Wand aus fallendem Wasser auf der Straße hörbar. Die Wächter hielten an und sahen sich wachsam um. Schließlich kam Myra Schwertschleifer taumelnd vor ihnen zu stehen. Schwer atmend zeigte sie auf Daemon, dann auf sich, dann stolperte sie erschöpft und wurde von Sidney aufgefangen.
"Wir haben keine Zeit für Scharadespielchen.", sagte Rascaal streng, "Was ist los, Gefreite?"
"Eine Nachricht für Oberleutnant Daemon aus dem Wachhaus.", ächzte sie, "Lord O'Ferris hat eine Nachricht geschickt: August ist heute Nachmittag freigelassen worden."
Tag 2 :: 15.00 Uhr – Änderungen und Schweigen
Die FROGs waren ziemlich sauer gewesen, als sie mit Myra durch den Regen zurück zum Wachhaus gestapft waren. Die Gefreite hatte zuvor von Daemon den Auftrag erhalten, Harold Winscester zu entlassen, sobald sie am Pseudopolis – Platz ankäme. Daemon war sich nicht mehr sicher, ob es tatsächlich klug war, den Geschäftsmann einfach auf einen vagen Verdacht hin fest zu nehmen. Das Ganze konnte noch Ärger geben. Vielleicht war es auch genau richtig gewesen. Aber das würde sich bald entscheiden. Über das glitschig-nasse Pflaster beinahe rennend, erreichte er schließlich das Anwesen der O'Ferris. Schnell stieß er das Tor im Zaun auf und lief durch den strömenden Regen zur Eingangstür, wo er kurz nach seinem Klopfen in das Haus eingelassen wurde. Daemon nickte dem Diener zu und hastete in das Gebäude. Tropfend und in der Wärme des Hauses dampfend kam er in der Eingangshalle zu stehen. Bald hatte sich eine Wasserlache unter ihm gebildet, die sich auf dem polierten Holzboden ausbreitete. Suchend schnellten Daemon's Blicke durch die Halle zu den Türen und der breiten Treppe in den ersten Stock.
"Wo ist O'Ferris?", fragte er den Diener ungeduldig.
"Mein Onkel, den sie sicher meinen, befindet sich nicht im Haus.", kam die Antwort vom Treppenabsatz. Eduart O'Ferris stand am Geländer und sah auf ihn herab.
"Nicht hier?", fragte Daemon hinauf, "Man sagte mir, dass er freigelassen worden wäre.", er sah den jungen Mann an. Eduart war ein mittelgroßer, gut gebauter Mann mit dunklem, kurzem Haar. Er trug einen schwarzen Anzug mit hohem Kragen am Hemd. Der Sohn Wolfgangs sah ihn düster an.
"Er war hier, doch er war sehr erregt, als er ankam und sprach nicht über seinen Aufenthaltsort in den letzten Tagen. Er ließ nur ein paar Sachen zusammenpacken und verließ kurz darauf die Residenz mit der Kutsche. Ich hörte, wie er sagte, dass er sich zum Geschäftshaus begeben werde.", Eduart warf einen Blick auf den durchnässten, tropfenden Wächter, "Sie werden sich dorthin begeben müssen, wenn sie mit ihm über die Ereignisse reden wollen." Daemon ging an den Fuß der Treppe und sah den jungen Mann fest an.
"Ich wünsche mit ihrem Vater zu reden.", sagte er, "Wo befindet sich Lord O'Ferris?"
"Mein Vater", begann Eduart und sein Blick auf den Oberleutnant wurde noch kälter, "Ist ebenfalls nicht im Haus."
"Wo ist er?", Daemon legte seine vor Kälte zitternde Hand auf den Sockel am unteren Ende des Treppengeländers und ballte eine Faust.
"Er verließ kurz nach der Abfahrt meines Onkels die Residenz. Er besaß nicht die Güte, uns mitzuteilen, wohin er ging und weshalb er es tat.", er sah abgestoßen herab.
"Hat das etwas mit dem Streit ihres Vaters und ihrem Onkel zu tun, vor dessen Verschwinden?", fragte der Oberstleutnant.
"Sir. Sie werden dieses Haus jetzt...", begann Eduart.
"Und Lady O'Ferris? Wo befindet sie sich?", Daemon trat auf die erste Stufe der Treppe.
"Meine Tante zog sich aufgrund der Aufregung über die Rückkehr ihres Mannes früh zurück, sie ließ sich ein beruhigend wirkendes Medikament bringen und schläft bereits, Oberleutnant.", er sah erschrocken, wie Daemon auf die zweite Stufe trat und langsam höher kam, "Henry wird sie zur Tür begleiten, Sir.", sagte er kalt, "Kommen sie morgen zurück, wenn sie es für nötig halten.", er drehte sich um und trat durch die hohe Tür hinter ihm, hinter der sich das Arbeitszimmer Wolfgangs befand. Entschieden schloss er die Tür hinter sich. Der Wächter kam zitternd noch drei weitere Stufen hinauf, als er hörte, dass ein Schlüssel im Schloss der Tür gedreht wurde. Daemon blieb stehen und atmete schwer. Dann wandte er sich ungelenk um und klammerte sich ans Geländer. Schwankend kam er am Fuß der Treppe an.
"Wenn der Sir es wünscht, werde ich seine Kleidung vor seinem Aufbruch trocknen.", näselte der Diener, der während der Szene am Eingang des Hauses gestanden hatte. Daemon sah ihn zitternd an und nickte dann dankbar.
Es war schon beinahe Nacht, die letzten Sonnenlichtreste waren verblasst und Dunkelheit lag zwischen den Lichtern, die die Straßen säumten. Der Regen hatte nachgelassen und Daemon befand sich auf dem Rückweg zum Hafenviertel, von dem er erst wenige Stunden zuvor in die entgegen gesetzte Richtung aufgebrochen war. Leise fluchte er, als er durch den Nieselregen stapfte, mit der einen Hand den notdürftig getrockneten Mantel zuhaltend, mit der anderen die schwankende, stinkende Laterne, die ihm Henry ausgehändigt hatte, in die Höhe haltend. An Stellen, an denen die Häuser weit auseinander standen oder wo die Straße breiter war, fauchte ihm mit dem Regen ein eiskalter Wind entgegen, der durch den feuchten Stoff des Mantels stieß und ihm Schauer um Schauer durch den Leib jagte. 'Verdammter Schnösel.', fluchte er. Auch der Diener war nicht sehr hilfreich gewesen. Henry hatte in der Küche seinen Mantel und die Jacke der Uniform über den Ofen gelegt und hatte ihm heißen Tee angeboten, doch konnte auch er ihm keine weiteren Informationen zu Augusts plötzlichem Auftauchen und wieder Verschwinden geben oder ihm sagen, wo Wolfgang hingegangen war. Schließlich erreichte er bibbernd das Hafenviertel und das Geschäftsgebäude. Er stieß die Eingangstür auf und stolperte im flackernden, schwenkenden Licht der Laterne den finsteren Treppen in die oberen Stockwerke. Schwer atmend kam er halb fallend durch die Tür in die eigentlichen Geschäfträume, wo sich Augusts und Huberts Büros befanden. Die Tür zu O'Ferris' Raum an der rechten Wand des Flurs war ganz aus Holz, so dass man nicht hinein sehen konnte. Auf der linken Seite lag Greifs Büro, in dessen Tür sich ein Fenster befand, durch das Licht auf den kurzen Flur vor den Büros fiel. Daemon blieb einige Augenblicke stehen und schöpfte Atem, dann betrat er ohne Anzuklopfen den Raum zur Linken. Der Mann schreckte auf, ob diesem plötzlichen Erscheinen und fuhr zusammen, wobei einige Papiere vom Tisch fielen. Daemon schluckte ein paar Mal, löschte dann vorsichtig die Laterne und stellte sie ab.
"Greif.", sagte er schließlich, "Eine ungewöhnliche Zeit, um noch zu arbeiten, nicht wahr?", er ging auf den Händler zu und hob einige der Zettel auf, die heruntergefallen waren. Es waren nur Bestellungen und Quittungen. Unbeachtet legte er sie auf den Tisch.
"Man muss Opfer bringen, wenn man im Geschäft überleben will.", antwortete Hubert, "Oberleutnant, sie haben mich beinahe zu Tode erschreckt.", er fasste sich langsam wieder, nachdem er erkannt hatte, wer der Eindringling war.
"Ich hörte, ihr Compagnion ist zurück gekehrt.", sagte der Wächter, "Ich will mit ihm sprechen."
"Da werden sie kein Glück haben.", erwiderte der Händler, "Er kam und schloss sich ohne ein Wort zu sagen, in seinem Büro ein. Bisher kam kein Laut daraus, bis auf harsche Antworten auf mein Klopfen."
"Warum? Was ist vorgefallen?", wollte Daemon wissen.
"Ich weiß es nicht.", antwortete Greif bedauernd, "Vielleicht hat es mit den Umständen seiner Entführung zu tun. Oder es liegt an dem Verkauf des Nebengebäudes."
"Winscester hat das Haus gekauft?", fragte Daemon.
"Nein.", sagte Hubert langsam, "Eine merkwürdige Sache. Ein dritter Käufer erschien und bot dem Besitzer eine wesentlich höhere Summe. Winscester hat noch versucht, zu kaufen, nachdem er wieder auf freiem Fuß war, aber auch er kam zu spät, der Vertrag war schon unterzeichnet." Daemon dachte nach. Es war spät. Der Entführte befand sich in seinem Geschäftshaus und war noch verwirrt von den Ereignissen. Der Fall war praktisch gelöst, als August auftauchte. Ihm war kalt und er war durchnässt bis auf die Knochen. Er schloss kurz die Augen, ihm schwindelte, er hielt sich an der Tischkante fest.
"Ich...", krächzte er, "Ich werde morgen mit unserer Püschologin zurück kommen.", er wandte sich um und bückte sich leise aufstöhnend nach der Laterne.
"Oberleutnant.", Hubert Greif kam um den Schreibtisch herum, "Sie werden sich den Tod holen, wenn sie mitten in der Nacht in diesen Sachen zum Wachhaus zurück gehen.", er half Daemon wieder auf, "Augusts Kutsche steht noch in der Halle. Ich werde sie nach Hause bringen.", der Wächter war nicht fähig, zu widersprechen. Einerseits zitterte er und konnte kaum sprechen, andererseits war es tatsächlich ein weiter Weg durch den Regen bis zum
Boucherie. Er nickte.
"Danke."
Eine halbe Stunde später half Hubert ihm aus der Kutsche. Der Händler war erstaunt gewesen, als er die Adresse erfuhr, zu der sich Daemon bringen ließ, hatte die Anweisung aber dennoch dem wartenden Kutscher weitergegeben.
"Nochmals Danke, Herr Greif.", sagte Daemon, doch die Pferde waren schon wieder losgelaufen und die Kutsche verschwand schnell aus den Schatten. Der Wächter ließ sich durch die Tür ins Gebäude fallen.
Tag 3 - Träume
Ich zündete mir eine weitere Zigarette an. Das war gut gelaufen. Der Entführte war zurück und der Auftrag erledigt. Der Rauch stieg auf und blieb unter der niedrigen Zimmerdecke hängen. Draußen fiel der leichte Regen in rot - flackernde Pfützen. Das war ein einfacher Job gewesen. Hell glühte das Ende der Zigarette auf. Es war vorbei.
Und doch...
Ich blies weiteren Rauch gegen die Fensterscheibe. Diese Lady wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Ich schüttelte den Kopf. Das war auch vorbei. Langsam setzte ich mich auf den Stuhl und dreht mich mit ihm zur Tür. Und da war sie.
In ihrem roten Kleid stand sie in meiner Tür. Ihre kleinen Hände zu Fäusten geballt, sah sie mich böse an, ihre Brust hob und senkte sich in diesem roten Kleid und ließ mich schnell einen tiefen Zug von der Zigarette nehmen. Ich kniff die Augen zusammen, als sie auf mich zutrat.
... and the Living it easy..."Was tun sie?", rief sie, sie hatte eine Menge ihres Charmes verloren. Sie hatte ihn durch Rasse ersetzt. Ich lächelte und antwortete:
"Was meinen sie? Der Auftrag ist erledigt."
"Er ist nicht erledigt.", sagte sie und beugte sich über den Tisch. Oh, mir war in diesem Moment vollkommen egal, wie sauer sie war.
"Der Fall ist nicht erledigt, obwohl August zurück ist?", ein Piano schien zu dem Saxophon zu spielen, als sie sich aufrichtete und sich mit dem Handrücken über ihre Augenwinkel fuhr.
"Nein.", sagte sie gefasst, "Er ist nicht erledigt, weil er fort ist."
"Ob das korrekt ist?", Daemon blinzelte, als er das hörte. Über sich konnte er Valeriaa erkennen, "Wächter sollten, wenn sie schon über Nacht bleiben, in ihren eigenen Büros schlafen.", fuhr sie fort und zog ihn in die Höhe. Benommen sah er sich um.
"Und du bist ganz feucht.", stellte sie bemängelnd fest. Daemon musste ihr Recht geben. Seine Uniform war zerknittert und noch immer klamm. Er betrachtete noch einmal das Zimmer, in dem er geweckt worden war. Müde erkannte er, dass sie sich in Myas Raum befand. Die Näherin lag in ihrem Bett und schien von den Vorgängen nichts mit zu bekommen, sie schlief friedlich weiter. Daemon selbst musste auf dem weichen, dicken Teppich vor dem Bett geschlafen haben.
"Darüber reden wir dann mal nachher mit Mückensturm.", sagte Valeriaa und zog den Oberleutnant aus dem Zimmer.
[4].
Die beiden gingen in den ersten Stock, wo Valeriaa ihr Büro aufschloss.
"Du solltest etwas Trockenes anziehen.", murmelte sie und betrat ihren Raum. Daemon ging hinauf in sein Büro und folgte diesem Rat. Nachdem er einigermaßen abgetrocknet und in neuer Uniform neben dem Himmelbett stand, stellte er fest, dass ihm jetzt noch eines fehlte, um den Tag beginnen zu lassen. Er verließ den Raum, ging über die Dachterrasse und ging über die Außentreppe hinunter. Er betrat das Lager, in dem stand, was er suchte. Kurze Zeit später hing der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee in der Luft. Daemon goss sich eine Tasse ein, als Offizier stand ihm eine Porzellan - Tasse mit Untertasse, sowie ein kleiner, silberner Löffel zu, in der D.O.G. gab es nur große, stabile Getränkbehälter, die im Notfall auch zur Selbstverteidigung genutzt werden konnten. Er nahm aus einer Dose auf dem Regal einige Zuckerwürfel, als er die Tür von Mückensturm's Büro – sie quietschte ein wenig – und kurz darauf Schritte auf dem Holzboden hörte. Der Abteilungsleiter kam in das Lager.
"Guten Morgen, Daemon.", grüßte Mückensturm.
"Tolle Sache, was?", erwiderte Daemon abwesend. Der Abteilungsleiter sah ihn verständnislos an.
"Diese Zuckerwürfel hier.", erklärte der Wächter und hielt ihm einen entgegen, "Sie sind immer gleich groß, so dass man immer genau weiß, wie viel Zucker man in seine Tasse rührt.", er warf einen der Würfel in die Höhe und ließ ihn in seine Tasse fallen, "Und man nimmt nie mal mehr und mal weniger.", Daemon rührte mit einem Löffel schnell in der Tasse, "Immer gleich viel.", endete er. Mückensturm sah ihn stirnrunzelnd an.
"Ja.", stimmte er schließlich langsam zu, "Das ist sicher... ähm... richtig. Und... schön.", er zögerte noch einmal. Daemon nahm einen Schluck aus der Tasse und lächelte.
"O'Ferris ist wieder da.", erklärte er, "Ich werde nachher zu ihm gehen und das Protokoll aufnehmen. Heute Mittag liegt der Bericht auf deinem Schreibtisch."
"Das denke ich nicht.", antwortete der Fähnrich.
"Ach komm.", Daemon stellte die Tasse ab, "Es geht doch wohl nicht darum, wo ich geschlafen habe, heute Nacht?"
"August O'Ferris ist heute Nacht in seinem Büro ermordet worden.", erklärte Mückensturm, "SUSI ist bereits bei der Arbeit." Daemon sah ungläubig auf.
"Lord O'Ferris möchte dich sprechen.", fuhr sein Abteilungsleiter fort, "Bis dahin dürften Ptracys Leute fertig sein und Ergebnisse haben."
Tag 3 :: 8.00 Uhr – Besuche und Enthüllungen
Es war noch Morgen, als der Oberleutnant wieder an der Residenz der Familie ankam. Henry ließ ihn ein und nahm freundlich lächelnd die ausgeliehene Laterne zurück. Daemon dankte ihm, dann ließ er sich von dem Diener die große Treppe hinauf zum Arbeitszimmer des Hausherren führen. Der Lord saß hinter dem großen Schreibtisch. Er war komplett angekleidet und schien kein Zeichen von Müdigkeit aufzuweisen. Sein Bart war sauber gestutzt, sein Blick klar und wachsam, als Daemon eintrat.
"Setzen sie sich, Oberleutnant.", forderte er ihn auf, "Ich habe ihnen etwas mitzuteilen.", fuhr er fort, als der Wächter Platz genommen hatte.
"Hat es etwas mit den Ereignissen der letzten Nacht zu tun?", fragte er.
"Vielleicht.", antwortete sein Gegenüber, "Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Hören sie zu, dann werden sie verstehen, weshalb ich bisher geschwiegen habe.", der Lord dachte kurz nach und setzte dann wieder an:
"Vor kurzer Zeit erfuhr ich, dass mein Sohn, Eduart, erpresst wird. Immer wieder wird er gezwungen, die Bücher der Firma meines Bruders zu fälschen und das vertuschte Geld Jemandem zu übergeben. Das Ganze ist natürlich sehr unangenehm für ihn und er kam erst vor einigen Wochen mit dieser Angelegenheit zu mir. Ich habe daraufhin selbst Nachforschungen angetrieben, wofür der Erpresser das Geld benötigte, da er mir zuvor nicht als kriminell aufgefallen war, doch sie können sich vorstellen, wie erbost ich auf meinen Sohn und ihn war. Anscheinend scheinen keine Transaktionen von ihm vorgenommen worden zu sein, jedenfalls keine, die ich aufspüren lassen konnte.", er fasste den Wächter ins Auge.
"Wieso kommen sie erst jetzt damit zu mir?", fragte Daemon.
"Diese ganze Angelegenheit ist äußerst delikat. Und solange ich an eine Entführung meines Bruders aus geschäftlichem Interesse glaubte, hoffte ich auf dessen sichere Rückkehr, so dass ich danach diese Angelegenheit auf andere Weise lösen könnte.", er seufzte mit seiner tiefen Stimme, "Nun, nach dem Tod Augusts, fürchte ich, dass ich es zu lange zurück hielt.", er ballte die Faust und hieb auf die Schreibtischplatte, "Sei, wie es sei. Ich mag einen Fehler gemacht haben, doch wenigstens soll dieser Verbrecher seiner Strafe nicht entgehen."
"Wer ist dieser Erpresser, Lord O'Ferris?", fragte der Oberleutnant geduldig. Der Angesprochene sah zum Fenster und zur Tür des Raumes, dann nahm er einen leeren Zettel und schrieb zwei Worte darauf. Wortlos reichte er das Blatt dem Wächter. Daemon las den Namen. Eine seiner Augenbrauen hob sich in die Höhe.
"Könnte er es gewesen sein, der das Nachbarhaus gekauft hat?", fragte er schließlich nach kurzem Nachdenken.
"Mit dem erpressten Geld?", der Lord schüttelte den Kopf, "Unwahrscheinlich. Die Buchfälschungen treten zwar oft auf, aber es handelt sich um eher kleine Summen. Außerdem,", er dachte kurz nach, "Warum sollte er es kaufen?" Daemon nickte und musste Lord O'Ferris zustimmen. Er sah auf das Blatt in seiner Hand, als ihm noch etwas auffiel. Er schluckte und las den Namen noch einmal.
[ Hubert Greif ]"War diese Sache der Grund für den Streit zwischen ihnen und ihrem Bruder?"
"Dieser Streit hatte nichts mit irgendeinem der Vorfälle zu tun.", sagte Wolfgang fest, "Oberleutnant. Sie glauben doch nicht wirklich, ich hätte etwas mit der Entführung und dem Tod meines Bruders zu tun, nachdem ich ihnen gerade solche Informationen gegeben habe.", er fragte nicht, er stellte fest.
"Womit hat... die Person ihren Sohn erpresst?", wollte Daemon wissen. O'Ferris seufzte erneut.
"Er wollte es mir nicht verraten.", antwortete er schließlich, "Er versicherte mir, dass dies seine persönliche Angelegenheit sei. Und dass er nichts verbrochen habe.", er sah dem Wächter fest in die Augen, "Ich glaube Eduart, wenn er mir sagt, dass er sich nichts zu Schulden kommen lassen hat. Er ist ein guter Junge." Der Oberleutnant nickte stumm und erhob sich. Nachdenklich ließ er den Blick durch den großen Raum schweifen und blieb damit an dem Familienportrait hängen. Er trat darauf zu und betrachtete es.
"In dieser Familie gibt es viele Geheimnisse.", sagte er nach einer Weile. Der Lord erhob sich hinter ihm.
"Was wollen sie damit sagen, Oberleutnant?", fragte er.
"Ihre Nichte, Susann.", antwortete Daemon noch immer zu dem teilweise verhüllten Gemälde gewandt, "Es wurde nicht geklärt, wieso sie es tat." Lord O'Ferris läutete plötzlich eine kleine Glocke, die zuvor auf seinem Schreibtisch gestanden hatte. Kurze Zeit später klopfte Henry an die Tür und trat ein. Der Hausherr gab ihm ein Zeichen auf das Bild über dem Kamin. Der Diener verbeugte sich und verließ den Raum. Bald darauf erschien er mit einer kleinen Standleiter, stellte sie vor die Feuerstelle, stieg hinauf und machte sich an dem schwarzen Stoff zu schaffen.
"Susann.", begann Wolfgang, "War ein hübsches Mädchen. Nachdenklich, aber auch fröhlich. Ich hielt sie auf dem Arm, kurz nach ihrer Geburt, sie war zum Verlieben.", er ging langsam um den Tisch herum und stellte sich hinter den Wächter, der beobachtete, wie Henry das Tuch abnahm. Der Wächter murmelte etwas.
"Was für ein Saxophon?", fragte der Lord.
"Oh.", machte Daemon, "Entschuldigung.", er starrte weiter auf das schwarze Laken.
"Als sie starb, traf es die Emilia hart. Sie wurde nicht mehr glücklich und weißt jede Freundlichkeit ihr gegenüber ab.", Wolfgang trat zu Henry, der das Tuch gelöst hatte, und half ihm bei den letzten Handgriffen. Henry stieg vorsichtig die kleine Leiter hinunter und gab den Blick auf das Bild frei.
Daemon stieß überrascht den Atem aus. Das Bild von Susann zeigte eine junge, hübsche Frau dar. Sie war ebenso klein, wie ihre Mutter, trug ein schlichtes, blaues Kleid und trug ihre brünetten Haare in unzähligen, kleinen Locken. Wolfgang wandte sich um.
"Haben sie weitere Fragen, Oberleutnant?", fragte er.
"Ihr Sohn und Lady O'Ferris. Wo befinden sie sich?", Daemon's Blick war noch immer auf das Gemälde gerichtet. Er konnte nicht einmal eine kleine Ähnlichkeit mit der Frau in dem roten Kleid feststellen, die er in seinen Träumen sah. 'Wie hatte er nur so etwas glauben können?', fragte er sich, 'Auf Träume hin ermitteln. So weit war es also gekommen.'
"Eduart befindet sich an den Docks. Heute sollte ein Schiff mit Importwaren eintreffen. Er ist früh aufgebrochen, um die Ware abzunehmen. Lady O'Ferris ist schwer getroffen. Sie bereitet derzeit die Beerdigung ihres Mannes vor. Ich möchte sie bitten, sie jetzt nicht aufzusuchen."
Daemon nickte und wandte seinen Blick von dem Bild über dem Kamin ab.
"Ich danke ihnen, Milord.", er nickte kurz und verließ das Zimmer.
Tag 3 :: 10.00 Uhr – Blut und Gedanken
Der Kontor war gesperrt. Einige Angestellte und Lagerarbeiter waren eingelassen worden, um mehr oder weniger wie gewohnt ihrer Arbeit nachzugehen, Besucher und Schaulustige wurden vom Betreten zurück gehalten. Daemon ging nach oben und erreichte schließlich den kurzen Flur, in dem er bereits am letzten Abend gestanden hatte. Die schwere Tür zu Augusts Büro stand offen, einige SUSI - Mitarbeiter waren darin beschäftigt. Daemon trat ein und schaute sich schnell um. Der Raum war geschmackvoll und teuer eingerichtet, Holz und Leder glänzten dem Eintretenden poliert entgegen, der weiche Teppich dämpfte seine Schritte. Der Schreibtisch war mit durcheinander geworfenen Schreibutensilien bedeckt, in der Ecke hinter der Tür lagen einige Taschen und Koffer, wild durcheinander. Daemon musste daran denken, was Eduart über den Aufbruch seines Onkels gesagt hatte. 'Er habe einige Sachen zusammenpacken lassen' Der Oberleutnant ging an Korporal Zupfgut vorbei, der neben der Tür stand und dem er zunickte, und sah hinter den Schreibtisch. Pismire stand neben einer auf dem Boden liegenden Leiche. Ein großer Blutfleck besudelte den Teppich unter ihr. Ein Stuhl lag umgekippt dahinter, einige Zettel waren auf dem Boden verteilt.
"Hallo Daemon.", begrüßte Pismire ihn freundlich.
"Hallo Hauptfeldwebel.", erwiderte er den Gruß und kniete neben der Leiche hin, "Und? Was haben wir hier?" Der Gerichtmediziner sah prüfend auf den Körper vor ihm.
"Mensch, männlich. Wohl durch einige Messerstiche in die Brust getötet worden.", er ging näher heran und hob mit beiden Armen die Hand des Opfers, "Wie du an diesen Spuren unter den Fingernägeln siehst, scheint ein Kampf stattgefunden zu haben, darauf weist auch das Durcheinander hier hin.", er deutete auf den Schreibtisch, den Stuhl und die herumliegenden Zettel, "Andererseits sagen die Spurensicherer, dass an der Tür keine Spuren von gewaltsamen Eindringen zu erkennen sind."
"Ein unlizensierter Mord?", fragte Daemon. Der Hauptfeldwebel schüttelte den Kopf.
"Nein, das ist ebenfalls recht merkwürdig. Wir fanden dies hier.", er deutete auf einen Zettel in der Nähe des Kopfes der Leiche, der Oberleutnant beugte sich vor und nahm ihn in die Hand, was ihm ein tadelndes Räuspern des Tatortsicherers hinter ihm einbrachte. Er las, was darauf stand.
"Eine Assassinen - Quittung?"
"Etwas, das so aussieht.", bestätigte Pismire, "Aber sehr schlampig gemacht und undeutlich ausgefüllt. Wenn die Assassinen davon erfahren, und das tun sie normalerweise, werden sie sich sehr dafür interessieren." Daemon legte die Quittung wieder ungefähr an die Stelle, von der er sie aufgehoben hatte.
"Sonst noch etwas, Pismire?", fragte er.
"Nur, dass wir ihn von Mitarbeitern des Hauses als einen gewissen August O'Ferris identifizieren lassen konnten." Der Oberleutnant nickte und stand auf.
"Danke, Hauptfeldwebel." Der Gerichtsmediziner nickte und fuhr mir der Untersuchung der Leiche fort. Daemon trat aus dem Büro und überlegte kurz.
Dieser Fall schien doch noch ein wenig weiter zu gehen, doch sein nächster Schritt war ihm ziemlich klar. Alle neueren Hinweise und Indizien deuteten auf einen Mann hin. Er griff nach dem Griff der gegenüberliegenden Tür, öffnete sie schnell und betrat das Büro dahinter.
"Hubert Greif!", rief er, "Sie sind... wer sind sie?" Der junge Mann in Greifs Büro sah erschrocken auf.
"Oh... Richard Fennigheim, Sir.", er hielt ihm einige Papiere entgegen, "Ich arbeite hier.", brachte er hervor.
"Wo ist Greif?", fragte Daemon scharf.
"Er... er wurde zu Lady O'Ferris bestellt.", der junge Mann biss sich auf die Unterlippe und blickte nervös hin und her, als suche er einen Ausweg aus dem Zimmer, in dem ein Offizier der Wache ihm laute Fragen stellte. Daemon nickte.
"Gut.", sagte er knapp, wandte sich um und verließ den Raum.
August konnte wegen seiner Entführung das Haus nicht kaufen. Harold war wegen des dringenden Verdachts festgenommen worden. Jemand Drittes hatte in dieser Situation den Kauf getätigt und war so an das Haus gekommen. Das Ganze schien sauber eingefädelt worden zu sein. Daemon hasste es, zugeben zu müssen, dass er in diesem Plan eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Doch wer hatte das Haus gekauft? Solche Verträge wurden mittlerweile von der Anwaltsgilde besiegelt und die Grundbücher lagen in den Archiven des Patrizier – Palastes. In beiden Fällen war nur sehr schwer und langwierig, wenn überhaupt, an die Information zu kommen. Hubert hatte schon eine ganze Weile Geld von Eduart erpresst, aber Wolfgang sagte, er es wäre nicht genug gewesen, um das Haus zu kaufen. Vielleicht hatte Greif noch andere Quellen? Doch dann tauchte August wieder auf und starb kurze Zeit später in seinen Büros, wo Daemon kurz zuvor (Oder war es kurz danach gewesen?) Hubert angetroffen hatte, der ihn nach Hause fuhr. Daemon schaffte es noch nicht, den Hinweis auf die Bar und das Geld in der Garderobe mit dem Ganzen in Verbindung zu bringen, aber in dieser Richtung hatte er einen Verdacht. Doch eins war ihm klar. Er musste Hubert finden. Er ging noch einmal zu den Spurensicherern und bat sie, eine Taube zum
Boucherie Rouge zu schicken. Mückensturm sollte bitte ein oder zwei Abteilungsmitglieder zur Villa der O'Ferris schicken, die Greif dort festnehmen sollten. Sollten sie ihn dort nicht finden, sollten sie die ganze Stadt auf den Kopf stellen, bis sie ihn hätten. Und er bat die SUSI um noch einen Gefallen, bevor er schließlich das Gebäude verließ.
Er sah sich auf der Straße vor dem Kontor um. Der leichte Nieselregen schwebte über leeres Kopfsteinpflaster. Niemand war zu sehen. Grau überhingen Wolken den Vormittag und ließen ihn bereits jetzt dunkel und trüb wirken. Daemon hatte noch immer keinerlei Waffen oder Rüstung bei sich, er sah nachdenklich zu dem Schild über dem Eingang von 'Pauls Bar.' Schließlich ging er um den Kontor herum, stapfte über das tückische Ankh-Ufer hinter dem Gebäude entlang und erreichte so die Rückseite der Bar. Er fand ein kleines Fenster im Erdgeschoß und spähte hindurch. Dahinter konnte er die Einrichtung von 'Pauls Bar' erkennen, die runden Tische mit den abgeschirmten Kerzen, die schwarzweißen Ikonographien und einen Teil des Tresens; Das Fenster musste sich neben der kleinen Bühne am Ende des Raumes befinden. Vorsichtig versuchte er, es zu öffnen und stellte überrascht fest, dass es bereits offen war und nur nach oben geschoben werden musste. Die Öffnung war zwar klein, aber Daemon konnte ohne Schwierigkeiten hindurch kommen und es war in einer einfach zu erreichenden Höhe. Kurze Zeit später stand er in der geschlossenen Bar. Im trüben Halbdunkel tastete er sich zur Bühne und stieg auf sie. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das schlechte Licht und er erkannte eine kleine Lampe in derselben Form wie die, die auf den Tischen verteilt waren, auf dem Piano stehen. Er entzündete sie schnell und ein Lichtkreis fiel auf das schwarz lackierte Holz. Daemon brummte und strich mit dem Finger über die Oberfläche, sie war sauber und glänzte matt. Er sah sich noch einmal kurz um. Als Llamedonier konnte er diese Gelegenheit wohl kaum einfach so vorbeiziehen lassen. Er setzte sich auf den Hocker vor die Klaviatur und fuhr mit den Händen zärtlich über deren Abdeckung. Er stellte seine Füße auf die Pedale an dem Instrument und öffnete behutsam die Tastenabdeckung. Die Scharniere waren geölt und gerade, die Klappe ließ sich lautlos auftun. Ein kleines, buntes Stück Papier, das auf den Tasten gelegen hatte, schwebte an Daemon vorbei zu Boden. Er sah ihm stirnrunzelnd hinterher und bückte sich unter das Piano. Blind in die Dunkelheit greifend, fand er es schließlich wieder, die Ränder des Papiers waren wie kleine, abgerundete Zacken geschnitten, es war gut eine Handfläche groß. 'Eine Ikonographie.', erkannte Daemon tastend, als er sich wieder in den kleinen, scharfen Lichtkreis der Kerze aufrichtete. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete das Bild in seiner Hand.
"Ihr Götter!", entfuhr es ihm. Die Ikonographie zeigte eine junge Frau in einem roten Kleid. Sie lag auf eben dem Piano, an dem er gerade saß, und lächelte mit vollen, roten Lippen ein bezauberndes Lächeln. Ihr lang - gewelltes, rotes Haar fiel sanft auf das schwarz - lackierte Holz und ihre weiche Brust. Fröhlich schaute sie mit strahlenden, blauen Augen in den Ikonographen. Daemon fuhr auf, als er meinte, ein Saxophon begänne zu spielen. Er hielt das Bild näher an den Schein der Kerze und konnte die Schrift auf der unteren Hälfte erkennen. In runden Buchstaben las er:
[ Für all die Freundschaft. Danke Stan. Jessica. ]Der Wächter steckte das Bild in den Mantel und schloss die Tastenabdeckung wieder. Er musste jetzt wissen, was sich hinter der zweiten Tür im Korridor befand. Er musste wissen, was hinter dieser ganzen Sache steckte. Daemon drehte sich um. Er sah den großen Schatten noch kurz auf sich zukommen, dann wurde es schwarz.
Er wachte einige Zeit später auf, das Licht durch die kleinen Fenster war noch trüber geworden und sein Kopf dröhnte. Er stand wacklig auf und versuchte, sich zu orientieren. Er stand noch immer auf der kleinen Bühne von 'Pauls Bar'. Schwankend ging er zwischen den Tischen her und trat hinter die Bar. Von dort erreichte er die Tür zu dem schmalen Korridor, der am Ende zu Paul Stuhlbeins Büro führte. Er bog um die Ecke des Flures, in der Absicht, nun die letzte Tür und den Raum dahinter zu untersuchen. Doch als er im Korridor stand, sah er schimmernd Licht aus der geöffneten Tür des Zimmers des Besitzers. Er fluchte, weil er keine Waffe dabei hatte, schlich sich aber dennoch näher heran. Am Türrahmen blieb er stehen und lauschte. Mit Mühe unterdrückte er sein heftiges Atmen und er dachte, vor Anstrengung und Aufregung würde sein Herz aufhören zu schlagen, doch im Gegenteil, es klopfte rasend, dass er meinte, eine Person in dem Büro müsse es auf jeden Fall hören.
Einige Zeit stand er still, doch nichts rührte sich oder war zu hören. Schließlich hatte der Wächter sich soweit unter Kontrolle, dass er ohne zu Zittern an der Wand lehnen konnte. Er schmiss die angelehnte Tür auf und stürmte hindurch.
"Stadtwache. Keine Bewegung!", schrie er, während sein Mantelsaum hinter ihm her flog und er das Einzige mit der Hand vor sich hielt, dass er Nützliches bei sich trug: Seine Wächtermarke. Nichts passierte. Daemon sah sich um. Der Müll und Unrat war immer noch vorhanden, auch die Unordnung auf dem Tisch war dieselbe. Doch auf dem Boden des Büros lag im Schein einer kleinen Kerze, die auf dem Tisch stand, mit einer tiefen und tödlichen Wunde in der Brust Paul Stuhlbein.
Tag 3 :: 13.00 Uhr – Wahrheiten und Drohungen
Daemon kehrte auf die Straße zurück und stieg noch einmal hoch zu den Büros von O'Ferris & Greif. Noch immer war SUSI mit dem Untersuchen des Zimmers beschäftigt.
"Daemon!", rief Johann, "Woher hast Du denn das?", er deutete auf die Schläfe des Oberstleutnants, als der mit der Hand darüber fuhr, konnte er eine Schwellung fühlen.
"Ich wurde niedergeschlagen.", erklärte er knapp, die Wächter im Raum sahen auf, "Wenn ihr hier fertig seid, wartet noch ein Auftrag auf euch im Nebengebäude. In einem Büro im hinteren Teil liegt der Besitzer. Passt auf, vielleicht hat der Mörder Spuren hinterlassen, als er mich niederschlug und floh.", die Wächter nickten. Daemon wandte sich zum Gehen, als Pismire ihn aufhielt.
"Einen Moment, Oberleutnant.", rief er, "Vorhin kam eine Taube zurück, wohl als Antwort auf deine Anforderung." Daemon blieb stehen.
"Haben sie Greif gefunden?", fragte er.
"Das allerdings.", Pismire grinste mit dem typischen Humor eines Gerichtsmediziners, "Er baumelte auf dem Dachboden der Villa. Hat sich anscheinend aufgehängt.", er zuckte mit den Schultern, "Wenn wir drüben fertig sind, kommen wir vorbei."
Die Händen tief in den Taschen seines Mantels vergraben, ging er zum Anwesen zurück. Dunstig hingen die winzigen Regentropfen zwischen den Häusern der Stadt, es würde wieder Nebel geben. Hubert war sein Hauptverdächtiger gewesen. Alles wies daraufhin, dass er etwas mit der Entführung zu tun hatte, er hatte Eduart erpresst und war im Haus gewesen, als August getötet wurde. Nun hatte er sich allem Anschein nach selbst gerichtet. Daemon brummte. Hatte ihn also letztendlich die Reue gepackt. Erpressung und Betrug schienen leichter zu ertragen sein, als ein Mord. Der Wächter musste daran denken, dass die Tür des Büros nicht aufgebrochen worden war, sondern von innen geöffnet worden war. Alles war ziemlich offensichtlich. Hätte Daemon nicht das Geschäftgebäude noch in der Nacht aufgesucht, wäre Hubert ungesehen davon gekommen. Doch jetzt war sein Hauptverdächtiger tot und er musste zwei Morde aufklären, wenn er Paul Stuhlbein mitzählte. Er musste etwas über das Geld erfahren, dass Hubert erpresst hatte. Nun, da Erpresser und Geschädigter tot waren, war nur der Erpresste übrig.
Als Daemon das Arbeitszimmer Wolfgangs betrat, sahen der und Eduart überrascht auf.
"Oberleutnant.", begrüßte ihn Lord O'Ferris.
"Milord.", entgegnete der, "Ich muss mit ihrem Sohn reden.", Eduart sah ihn argwöhnisch an.
"Was wollen sie von ihm?", fragte Wolfgang.
"Das wissen sie, Milord. Er ist jetzt der einzige, der mir etwas über die Erpressung und das verschwundene Geld der Firma sagen kann.", Daemon fuhr bei dem Aufschrei Eduarts zusammen.
"Wie konntest du es verraten?", schrie der seinen Vater an, "Einem... einem Wächter!" Der Hausherr blieb ruhig sitzen.
"Ich hielt es für nötig.", entgegnete er, "Ich habe dir versprochen, mich um diese Angelegenheit zu kümmern."
"Du hast mich verkauft!", rief Eduart, rannte aus dem Raum und schlug die Tür hinter sich zu. Daemon fuhr herum und wollte hinter ihm her, doch Wolfgang hielt ihn zurück.
"Lassen sie ihn, Oberleutnant.", der Lord seufzte, "Er wird sich beruhigen und später mit ihnen sprechen." der Wächter wandte sich um.
"Was meinten sie damit, sie wollten sich um diese Angelegenheit kümmern?"
"Wir sind angesehene Leute.", sagte Wolfgang, "Wir können nicht zulassen, dass man uns oder unsere Familie erpresst oder kompromittiert, womit auch immer.", er faltete die Hände, "Wer dies versucht, muss dessen belehrt werden. Ich hatte natürlich zunächst den Gedanken gefasst, ihn den Assassinen zu übergeben, eine einfache und saubere Lösung, die uns diese Stadt bietet.", sein Mundwinkel zuckte noch oben, "Doch die Assassinen hätten Fragen stellen können. Außerdem muss ich zugeben, dass Hubert ein tüchtiger Partner meines Bruders war. Und ich war interessiert daran, was ihn zu seiner Tat gebracht haben konnte.", er sah Daemon wieder ernst an, "Ich habe ihnen gesagt, dass er mir vorher nicht aufgefallen war. Ich hätte niemals an eine kriminelle Ader in diesem Menschen gedacht. Also gab ich ihnen die Informationen, damit sie ihn in ihren Ermittlungen bedenken." Daemon trat einen Schritt auf den Schreibtisch zu.
"Es gab einen weiteren Mord. Der Besitzer der Bar wurde erstochen." Wolfgang schluckte kaum sichtbar und sah den Wächter fest an.
"Auch er hatte Geldschwierigkeiten.", Daemon legte seine Hände auf die Platte des Tisches und stützte sich darauf, "Obwohl eine ganze Menge Geld in seiner Garderobe lag.", fuhr er fort. Der Lord hob die Augenbrauen und seine Augen öffneten sich vor Überraschung. Schnell fing er sich und sah dem Wächter ruhig an.
"Oberleutnant.", sagte er nach kurzem Überlegen, "Geld fließt in viele Richtungen."
"Sie halten zuviel zurück, Milord.", sagte Daemon und beugte sich mit dem Oberkörper weiter über den Tisch, so dass sein Gesicht dichter vor dem Wolfgangs war, "Eine Menge Unglück hätte vielleicht verhindert werden können, wenn sie von ihrem aristokratischen Stolz abließen." Der Sitzende fuhr auf, dass Daemon vom Schreibtisch zurück fuhr.
"Ich lasse mich von ihnen in meinem Haus nicht beleidigen.", rief Wolfgang.
"Lord O'Ferris.", rief der Oberleutnant zurück, "Wer hat das Nebengebäude des Kontors gekauft? Wer wollte es haben? Reden sie!" Die Beiden standen sich wütend gegenüber, getrennt durch den großen, schweren Schreibtisch, über den sie sich in die Augen starrten. Sekunden verstrichen, ohne dass etwas geschah. Schließlich atmeten beide wieder ruhiger. Wolfgang stützte sich auf den Tisch und ließ sich auf seinen Sessel sinken. Auch Daemon setzte sich wieder.
"Ich weiß es nicht, Oberleutnant.", sagte Wolfgang leise, "Sie hätten es erfahren, wäre es anders."
"Sie vermuten etwas.", antwortete Daemon ruhig. Der Lord nickte, sah aber nicht auf. Der Wächter stand auf.
"Ich werde jetzt mit ihrem Sohn reden, Milord.", er ging zur Tür.
"Es muss nicht um das Gebäude gegangen sein.", sagte Wolfgang, "Vielleicht ging es um die Bar." Daemon wandte sich um.
"Jemand, der das Ambiente liebte?", fragte er. Der Hausherr schnaubte leise, gab aber keine Antwort.
"Oder den Gesang dort?", bohrte der Wächter. Wolfgang sah auf und dem Wächter fest in die Augen.
"Sie sollen eine gute Sängerin gehabt haben, dort."
"Aber in den letzten Tagen trat sie nicht mehr auf.", nickte Daemon. Wolfgang schluckte und nickte ebenfalls.
"Konnte sicher kaum leben, von dem Hungerlohn dort.", er klang brüchig.
"Vielleicht musste sie etwas hinzuverdienen, um nicht umzukommen.", vermutete der Wächter, der Lord zuckte ein wenig zusammen, "Ich gehe zu ihrem Sohn.", Daemon wandte sich wieder um.
"Ich habe sie unterschätzt, Oberleutnant.", sagte Wolfgang nun wieder mit fester Stimme, "Fragen sie Harold nach der Erpressung. Und passen sie auf sich auf."
"Danke, Milord.", sagte Daemon, ohne sich umzudrehen, und verließ den Raum.
Leise schloss er die Tür hinter sich und sah sich um. Er stand am Absatz der großen Treppe, die hinunter in die Eingangshalle führte, nach rechts und links führte eine Galerie zu weiteren Zimmern. Langsam trat Daemon über den weichen Teppich zum Geländer, legte die Hände auf das polierte Holz und sah hinunter in die Halle. Niemand befand sich in ihr. Der Wächter beugte sich über die Brüstung und um in die Tiefe direkt unter sich zu schauen. Auch dort war nichts zu sehen, außer einem großen, runden Teppich auf dem Boden, der mit seinen rotbraunen Farben und dem Muster anscheinend aus Klatsch stammte. Er streckte sich noch ein wenig nach vorne, um den uneinsehbaren Rest der Halle unter der Galerie untersuchen zu können. Vorsichtig balancierte er auf den Zehenspitzen und betrachtete interessiert den kompliziert gemusterten Teppich mehrere Meter tiefer. Er schien zu pulsieren, ihn zu locken, er schien... Zwei Hände packten ihn am Rücken. Daemon gab einen leisen Aufschrei von sich, als sie an ihm rissen.
"Oberleutnant.", sagte Eduart ruhig. Der Wächter klammerte sich an dem Geländer fest, über das er beinahe gefallen wäre.
"Danke.", keuchte er. Der junge Mann trat zu ihm und sah seitlich in die Halle hinunter.
"Faszinierend, nicht wahr?", fragte er, "Die Tiefe scheint an Einem zu ziehen. Als Kindern war es uns beiden verboten, hier hinauf zu kommen." Daemon betrachtete Eduart. Der junge Mann schien auf unnatürliche Weise vollkommen ruhig zu sein, doch seine Augen waren gerötet.
"Lord Eduart.", begann der Wächter langsam, "Sie sind der Letzte, der etwas über Greifs Motive wissen könnte.", er sah ihm in die Augen, "Weder er noch ihr Onkel kann sie wegen irgendetwas belangen. Ich muss wissen, wofür der Partner ihres Onkels das Geld benötigte."
Eduart schien einige Zeit nachzudenken. In seinem Gesicht arbeitete es und er runzelte die Stirn. Schließlich nickte er.
"Folgen sie mir.", forderte er den Wächter auf und ging die Treppe hinunter. Wenig später befanden sie sich in einem großen, hell eingerichteten Raum. Das Zimmer war aufgeräumt und viel zu sauber – unbewohnt, schoss es Daemon durch den Kopf -, das große Bett mit einfachem Leinen bezogen und gemacht, der Holzboden war kahl und gebohnert. Der Oberleutnant fröstelte in der Kühle des ungeheizten Raumes, der kleine Kamin an einer der Wände war ausgefegt und unbefeuert. Langsam strich Eduart mit den Fingerspitzen über die Bettdecke und blieb dann an einem der hohen Bettpfosten stehen.
"Mein Vater befürchtet, dass seine Linie endet.", begann er. Daemon stand ratlos im Zimmer und hörte ihm zu.
"Ich bin sein Erbe. Meine Mutter starb früh, ich kannte sie kaum.", er strich wieder mit der Hand über die Decke, "Er hat nie eine Andere gefunden. Damit ich nicht alleine aufwachse, holte er Hubert und... seine Familie hierher.", Eduart wandte sich von dem Wächter ab und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Der Oberleutnant machte einen schritt auf ihn zu, hallend pochten seine Stiefel auf dem nackten Holzboden -
Klack! Klack!
- doch der Weinende hob abwehrend eine Hand, so dass Daemon verharrte. Einige Sekunden vergingen, dann straffte Eduart sich und drehte sich um. Seine Wangen waren rot, seine Hand zitterte auf dem Bettlaken.
"Vater versuchte, ", schluchzte er, "Eine Frau für mich zu finden, damit ich den Namen erhielte.", er krallte mit den Fingern in das Laken, "Und obwohl er doch das Selbe erlitten hatte, verstand er nicht, dass er niemals eine finden konnte, die meinen Schmerz linderte.", er sank auf die Knie, "Ich liebte doch sie.", rief er und warf sich mit dem Oberkörper auf das Bett.
Daemon ging langsam in dem kühlen Zimmer auf und ab.
"Sie und ihre Cousine wuchsen in diesem Haus gemeinsam auf.", sagte er, "Dies war ihr Zimmer, nehme ich an?", er blieb stehen und wandte sich zum Bett. Noch immer lag der junge Mann zitternd dort, "Sie kamen einander näher, als es sich für ein so nahes Verhältnis gehört, eine unmögliche Verbindung in ihrem stand.", Eduart schluchzte auf, "Und Hubert fand es heraus.", endete Daemon.
"Er fand uns, als wir uns im Kontor trafen.", erzählte der junge Mann leise, "Er drohte, meinem Vater von uns zu erzählen. Wer weiß, wie er darauf reagiert hätte."
Der Wächter nickte.
"Aber warum, Lord Eduart?", er ging zu ihn und sah fragend zu ihm hinunter, "Wofür benötigte Greif das Geld?", doch der Angesprochene schüttelte den Kopf.
"Ich weiß es nicht.", sagte er leise, "Jedoch, eines kann ich nicht glauben. Dass Hubert meinen Onkel umgebracht hat.", er sah zu Daemon hoch, seine rot - geäderten Augen waren zusammengekniffen, harte, verbitterte Züge lagen um seinen Mund, "Er war ein Erpresser, doch es sah immer so aus, als wollte er es nicht. Er trieb Susann in den Selbstmord und dafür hasse ich ihn, doch er hat August nicht umgebracht."
Der Oberleutnant sah ihn überrascht an und hockte sich neben ihn.
"Wieso denken sie das?", fragte er, "Haben sie etwas beobachtet?"
Eduart schüttelte den Kopf.
"Hubert war ein schwacher Mensch. Er konnte nicht einmal die lauten Geräusche der Lagerhalle ertragen. Er hätte niemanden töten können. Als... als Susann ging, gab ich ihm kein weiteres Geld. Er verriet uns nicht. Er schien eher zu verzweifeln."
Daemon stand auf.
"Ich werde ihrem Vater nichts erzählen, von ihnen und ihrer Cousine.", sagte er und verließ ohne weitere Worte das kühle, unbewohnte Zimmer.
Als er das Zimmer verließ, traf er auf Henry. Von ihm ließ sich Daemon auf den Dachboden des Hauses führen, einen großen Raum, in dessen Mitte er bequem stehen konnte. Die dort gelagerten Truhen waren staubig, doch sie standen geordnet in den Winkeln der schrägen Wände. Unter einem der Querbalken etwa einen halben Meter über seinem Kopf lag Huberts Leiche, Henry hatte sie los geschnitten. SUSI war noch nicht hier. Daemon zuckte mit den Schultern und hockte sich neben den Körper. Eine tiefe, blau – rote Strieme lief um seinen Hals, die Augen waren hervorgequollen, der abgeschnittene Strick lag neben der Leiche. Die Todesart war eindeutig und eventuelle Spuren wären bestimmt schon beim Abschneiden des Körpers zerstört worden. Der Wächter klopfte auf die Jacken- und Hosentaschen des Toten und hielt inne, als er ein leises Knistern vernahm. Vorsichtig schob er seine Hand unter den Jackenkragen des Anzugs, den Hubert getragen hatte. Langsam zog er einen Zettel aus der Innentasche hervor und las, was darauf stand.
[ Wo bleibt das Geld? Versuche nicht, mich wieder zu vertrösten, du wirst weiter liefern. Denk daran, was sonst geschieht. ]Die Schrift war ungelenk auf das schmutzige Blatt gekritzelt. Daemon steckte es ein und kehrte in Susanns Zimmer zurück, wo er Eduart auf dem Bett sitzend vorfand. Er zeigte ihm den Brief. Der junge Lord schüttelte den Kopf.
"Der ist nicht von Hubert.", sagt er, "Er schrieb niemals, warum sollte er? Außerdem hatte er eine bessere Handschrift.", Eduart sah auf, "Heißt dass, Hubert wurde selbst erpresst? Dass er das Geld nicht behalten hat?"
Daemon nickte zögernd.
"Das vermute ich."
Eduart stand auf und wischte sich mit dem Handrücken über Augen und Wangen.
"Ich muss nun zu meinem Vater.", erklärte er, "Der Tod meines Onkels und seines Partners bringt uns in eine schwierige Situation. Ich werde die Bücher wiederherstellen müssen, mein Vater versprach mir, den fehlenden Betrag zu leisten.", er nickte und verließ den Raum. Daemon ließ sich von Henry hinaus führen.
Es regnete leicht, der Himmel war hellgrau, die Stadt wirkte ausgewaschen. Daemon betrat den nächsten Nachrichtenturm. Der Mann, der seine Nachricht annahm, runzelte die Stirn, als er sah, wohin die Nachricht gesendet werden sollte, und entschied, dass eine Taube ihren Zweck erfüllen würde.
Der Abend war bereits angebrochen, düster wirkten die Gebäude vor ihm, die Straße war aufgeweicht, die Luft feucht. Der Wächter betrat den Kontor Harold Winscesters.
"Was wollen sie schon wieder hier?", fuhr der Händler auf, als er sah, wer ihn aufsuchte, "Sie bekommen schon jetzt eine Menge Ärger.", rief er schrill, "Sie haben mir ein Geschäft vereitelt und meinen Ruf geschädigt."
"Seien sie ruhig, Winscester.", polterte Daemon und schloss schnell die Tür des Büros, "Sie waren gestern Abend hier, leugnen sie es nicht." Der so Überrumpelte setzte sich überrascht hin und klappt den Mund auf und zu.
"Äh.", machte er, "Ja, natürlich. Ich hatte Arbeit aufzuholen und"
"Sie waren hier, als im Gebäude gegenüber ihr Konkurrent ermordet wurde?", unterbrach ihn Daemon.
"Aber das...", Harold sah ihn verwirrt an.
"Reden sie man.", schrie der Wächter. Daemon dachte an Wolfgangs Worte und den Brief in Huberts Jacke, "Erzählen sie mir von der Erpressung." Harold schnappte nach Luft.
"Woher... aber...", der Händler fuhr mit der Hand zum Mund, "Es war doch nur eine... eine Sängerin."
Der Oberleutnant sah ihn überrascht an.
"Eine Sängerin?", fragte er.
"Die Kleine aus der Bar.", Harold sah auf seine Hände, "Ich erfuhr, dass ihre Eltern in meinem Lagerhaus arbeiten. Ich musste an dieses Gebäude kommen und O'Ferris davon abhalten, es zu kaufen. Ich drohte ihr damit, ihre Eltern zu entlassen, falls sie sich nicht an meine Anweisungen hielte."
Daemon beugte sich über den Schreibtisch, mit finsterem Gesicht sah er Winscester an.
"Welche Anweisungen?", knurrte er. Der Händler zitterte leicht.
"Ich traf mich mit O'Ferris in der Bar, um über alles zu reden. Ich... ich sorgte dafür, dass er sie bemerkte und ließ sie ein Treffen arrangieren.", er schluckte, "Ich zwang sie, eine Affäre zu beginnen, mit der ich ihn später erpressen könnte."
Mit einem schnellen Griff in seine Manteltasche holte Daemon das Photo aus 'Pauls Bar' hervor und warf es Harold hin.
"Sie haben sie gezwungen, das zu tun?", fragte er böse.
"Ich brauchte dieses Gebäude.", rechtfertigte sich der Händler.
"Was geschah dann?", wollte der Wächter wissen.
"Ich weiß es nicht.", antwortete Winscester, "Sie und er schienen sich außerordentlich gut zu verstehen, doch O'Ferris' Bruder erfuhr davon. Die Beiden stritten sich heftig.", er sah auf, "Hören sie, es ist doch lächerlich, dass sie denken, ich hätte O'Ferris umgebracht, weil er das Haus gekauft hatte.", er schluckte wieder. Der Oberleutnant runzelte die Stirn und brummte.
"O'Ferris hat das Haus nicht gekauft. Es war ihm wegen seiner Entführung nicht möglich.", sagte er.
"Ach kommen sie.", Harold erhob sich, "Diese Finte war doch lächerlich. Als ich nach meiner Entlassung zur Anwaltsgilde ging, sah ich mit meinen eigenen Augen, wie seine Frau das Haus verließ. Mittlerweile glaube ich, dass alles nur inszeniert wurde, um mich aus dem Verkehr zu ziehen. Ich verstehe nicht, wie die Gilde so etwas mitmachen kann."
Daemon dachte einige Zeit nach, dann nahm er das Photo wieder an sich und schloss seinen Mantel.
"Sie werden in Kürze Besuch von meinen Kollegen bekommen, Winscester. Entführung ist auch hier ein Verbrechen. Halten sie sich zur Verfügung."
Als Daemon spät in der Nacht ins Boucherie zurückkehrte, erwartete Harry ihn, der ihm einen kurzen Bericht gab. Als der Gnom gegangen war, legte sich Daemon auf das große Bett in seinem Büro und dachte einige Zeit über alles nach.
Tag 4 - Träume
Ich saß in meinem Sessel. Das milchige Licht durch die Scheibe der Tür und das ewige Flackern hinter uns bildete eine Insel in der Dunkelheit meines Büros. Schließlich war sie wieder zu mir gekommen. Ich war durch Regen gelaufen, war von diesen Hochgeborenen verjagt worden und hatte mehr Tote gesehen, als eine Katze Flöhe hat. Der Qualm stieg nur langsam hoch und waberte breit auseinander um uns herum.
"Nun erzählen sie schon, Lady.", forderte ich sie auf. In ihrem roten Kleid saß sie auf meinem Schreibtisch. Ihr Haar fiel direkt vor mein Gesicht. Langsam wandte sie sich um, als das Saxophon mit seinen klagenden Lauten ertönte.
"Er und ich waren verliebt.", erzählte sie mit einer Stimme wie Samt, "Zuerst tat ich es für meine Eltern, doch dann... er war ein wunderbarer Mann, wissen sie? Doch diese Frau machte ihn kaputt. Ich allein habe erkannt, was wirklich in ihm steckte. Und er liebte mich."
Ich schnaubte leise. Diese Geschichte war es also.
"Das hat seiner Frau bestimmt nicht gefallen.", sagte ich lakonisch.
"Sie wusste es nicht.", sagte sie und beugte sich zu mir herunter weiter in das wenige Licht hinein, "Doch es wurde versucht, uns auseinander zu bekommen. Doch ich konnte August nicht verlassen, egal, was man mir bot."
Sie sah mich aus diesen verdammten, blauen Augen an. Oh ja, ich konnte verstehen, dass der Händler alles für sie riskiert hatte. Doch was er eingesetzt hatte, hatte er auch verloren. Ich wollte nicht genauso enden.
"Ihr alter Boss ist tot, Lady. Wie passt das da rein?"
"Paul?", fragte sie, "Er hatte immer Geldprobleme und in letzter Zeit sogar noch mehr... vielleicht musste es so enden mit ihm."
Die Finsternis um und herum ließ mich näher an sie rücken.
"Der Club ging ganz schön den Bach herunter, wie? Nicht mal Musik gab es dort noch.", kaum ich hatte es gesagt, als das Piano spielte. Ich griff zur Schublade und wandte mich in die dunkle Ecke, aus der die Töne kamen. Mir war klar, dass irgendwas nicht stimmte, als ich den dürren Kerl an seinem Piano sah. Er spielte zu dem Saxophon und sah mich schließlich an. Ich traute meinen Augen kaum, hätten sie das, wenn auf einmal an der Stelle, wo sie eine Wand erwarten, ein verdammter, dürrer Kerl in ihrem verdammten, kleinen Büro Piano spielt? Seine Augen waren dunkel, er nickte mir zu und lächelte mir zu. Dann zwinkerte er mir wissend zu und versank im Boden. Er war fort. Sie war fort. Dann verschwand auch ich und die Lady lachte ihr grünes Lachen.
Tag 4 :: 9.00 Uhr – Asche und Staub
Die großen Mamorblöcke glänzten nass. Verwittert ragten sie aus dem aufgeweichten Boden hervor in die graue Luft. In dem Regen standen einige schwarze Gestalten auf dem Hügel.
"...Viele von uns kannten ihn als guten Vater und Ehemann, als korrekten Geschäftspartner, als überlegten Händler. Wir alle bedauern, ihn heute neben seine schon früh verstorbene Tochter betten zu müssen..."
Der Priester sprach langsam und sonor. Der Sarg wurde in die Gruft getragen, die Familie beobachtete die Träger. Lady O'Ferris hatte ihr Gesicht hinter einem Schleier verborgen, Eduart stand neben ihr und starrte finster in die schwarze Kluft der Gruft, Wolfgang stand den Tropfen ungeschützt ausgesetzt und sah dem Sarg hinterher.
"... können wir Zurückgebliebenen nur hoffen, dass sein Mörder schnell gefasst wird und für diese grausame Tat büsst..."
Die Tore der Gruft wurden geschlossen, quietschend drehten sie sich in den Angeln und fielen laut klappernd zu. Ein Mitglied der Anwaltsgilde schloss sie mit einem großen Schloss und brachte Wolfgang den Schlüssel. Schweigend nahm der ihn entgegen.
"... so wollen wir nun der armen Witwe unsere Anteilnahme ausdrücken.", schloss der Priester.
Nur Wenige kamen, um Emilia die Hand zu geben.
Tag 4 :: 16:00 – Lug und Betrug
Feucht und missmutig kehrte die Familie still in die Residenz zurück. Henry nahm ihnen die Mäntel ab.
"Sie werden erwartet.", flüsterte er dabei, Wolfgang sah überrascht auf.
"Erwartet?", fragte er, "Hier? Von wem?"
"Die Herrschaften möchten sich nach ihrer Ankunft unverzüglich in den Salon begeben.", der Diener verbeugte sich und zog sich schnell zurück.
Stutzig sah der Lord die beiden Anderen an.
"Was hat das zu bedeuten?“, wollte Emilia wissen.
"Gehen wir in den Salon.", sagte Eduart. Wolfgang nickte. Die Familie durchschritt die Eingangshalle und der Lord öffnete die Tür des teuer eingerichteten Raumes mit den Tierkopftrophäen an den Wänden.
"Oberleutnant!", rief er aus, "Was machen sie denn hier?", sein Blick glitt durch das mit Edelholz und Leder ausgestattete Zimmer., "Und was tut diese Person hier?", Eduart und Emilia betraten hinter ihm den Salon.
"Geschmacklos.", zischte die Frau, als sie Harold Winscester sah, der unsicher und ohne sein aristokratisches Gehabe beim prasselnden Kamin stand und die Eintretenden vorsichtig musterte. Daemon wandte sich vom Feuer ab. Ernst sah er die drei an.
"Kommen sie herein.", forderte er sie auf, "Malachit!", der große Troll erschien in der Tür hinter der Familie und nickte, "Schließe die Tür und halte Jeden auf, der ohne meine Erlaubnis diesen Raum zu verlassen versucht.", Der Angesprochene nickte ein weiteres Mal und schloss die Tür.
"Oberleutnant!", rief Wolfgang abermals und sah wütend durch den Raum. Tote Glasaugen starrten im Schein des Feuers rot flackernd auf ihn herab. Dann fiel ihm ein weiterer Mann auf, der auf der tiefen Couch saß, "Was hat das hier alles zu bedeuten?", er ging einen Schritt auf den Wächter zu, "Sie dringen hier ein, in Begleitung dieser Person, lassen uns hier herzitieren und sperren uns in meinem Haus in dieses Zimmer. Ich hoffe, sie haben eine Erklärung für dieses Verhalten."
"Die werden sie bekommen, Lord O'Ferris.", antwortete Daemon, "Setzen sie sich.", forderte er, "Alle."
Nachdem sich die Familie und Harold gesetzt hatte – Emilia neben Wolfgang, der beruhigend ihre Hand hielt, auf die große, lederbezogene Couch, Eduart in einen niedrigen Sessel mit breiten Lehnen, Harold nervös umherschauend auf einen Stuhl in der Nähe des Kamins – deutete Daemon auf den unauffälligen, kleinen Mann, der ruhig auf einem Ende der Couch saß.
"Zunächst möchte ihnen allen Herrn Kriegsraus vorstellen. Er ist in der Gilde der Händler und Kaufleute Ankh-Morporks als Beschaffe von schwer zu beschaffenden Mitgliederinformationen tätig.", der Mann nickte kurz, ohne Jemanden im Raum genauer anzusehen, "Herr Kriegsraus hat mir heute bei der Lösung einer wichtigen Frage geholfen.", Daemon musterte die Anwesenden und begann, langsam durch den Raum zu gehen.
"Vor drei Tagen erhielt ich den Auftrag, das Verschwinden des jüngst verstorbenen August O'Ferris zu untersuchen. Er befand sich kurz vor dem Abschluss eines wichtigen Geschäftes, dass seine Firma in eine bessere Position gegenüber der des anwesenden Harold Winscester gebracht hätte. Die Gilde zeigte sich über das Verschwinden des Händlers beunruhigt und brachte dieses noch vor seiner Familie zur Anzeige.", der Wächter machte eine kurze Pause.
"Ich hatte im Verlauf dieses Falles einige Rätsel zu lösen: Das Auftauchen geheimnisvoller Botschaften, Geld in der Garderobe eines mittellosen Barbesitzers, die Entführung, das Wiederauftauchen und den Tod eines Händlers.", der Oberleutnant sah einen Augenblick in die Flammen.
"Ich kann ihnen mitteilen, dass ich den Verantwortlichen für die Verbrechen ermitteln konnte.", Daemon machte eine Drehung und fasste die Anwesenden ins Auge, "Dieser befindet sich jetzt in diesem Raum.", ein Windstoß fuhr in den Kamin und das das Feuer warf flackernde Schatten auf die Gesichter. Eduart schluckte, Harold Winscester zuckte zusammen, Wolfgang drückte Emilias Hand, dass seine Knöchel deutlich hervortraten.
"Sie! Sie waren es, die August O'Ferris entführen und ermorden ließ.", Daemon machte zwei schnelle Schritte und sah Emilia kalt an. Eduart fuhr auf, die Anwesenden gerieten in Aufruhr.
"Wie können Sie es wagen?", brüllte der junge Mann.
"Ruhig.", forderte sein Vater ihn auf und sah seine Schwägerin an, die ruhig da saß und den Wächter ansah.
"Sie kleiner ... Stadtwächter.", zischte sie, "Was erlauben sie sich?"
"Sie haben ihre Tochter verloren, wegen dem Verbrechen eines kleinen Mannes, und sie konnten nicht ertragen, dass ihr Mann sie nun auch noch verließ.", fuhr Daemon sie an, "Sie beauftragten einen Assassinen, Jessica, die Frau, mit der August ein Verhältnis hatte, umzubringen und ließen ihren Mann entführen. Sie schoben die Schuld auf seinen Konkurrenten, um die Bar kaufen zu können, in der sie ihren Mann gefangen hielten und die Leiche versteckt hielten. Dann ließen sie ihn frei und konfrontierten ihn mit der Wahrheit. Sie wollten ihn verletzen und bestrafen, ist es so, Emilia?", sie setzte zu einer Antwort an, doch Daemon sprach weiter, "Doch August brach nicht, wie sie sich das vorgestellt hatten, Emilia, das tat er ganz und gar nicht. Er verließ dieses Haus, schloss sich in seinem Büro ein und drohte, sie zu verlassen. Also musste der Assassine ein weiteres Mal handeln und brachte auch August um. Doch etwas ging schief. Es kam zu einem Kampf in dem Büro und der Partner ihres Mannes kam hinzu. Hubert Greif heuerte seinerseits den Assassinen an und ließ Denjenigen inhumieren, der ihn erpresste, denn das war der Grund, weshalb Geld aus der Firma verschwand. Ich weiß nicht, womit Hubert erpresst wurde, aber ich weiß, von wem. Doch er beging einen Fehler. Er erzählte dem Assassinen zuviel über seine Gründe und der wiederum erzählte sie ihnen, Emilia.", er machte eine Pause und schritt zum Kamin.
"Oberleutnant, wie kommen sie dazu, das alles zu behaupten?", fragte Eduart schwach.
"Emilia bestellte Hubert hierher und konfrontierte ihn mit ihrem Wissen. Als er sich ertappt sah, brachen all seine neuen Hoffnungen zusammen, die er aufgebaut hatte, nachdem sein Erpresser tot war, und er erhängte sich auf dem Dachboden dieses Hauses.", sagte Daemon und wandte sich den Anwesenden zu.
"Heute Morgen führte ich einige Untersuchungen in den Räumen der Bar durch, die Emilia gekauft hatte, um ihren Mann zu kränken und ihre Spuren zu verwischen. Wir fanden die Leiche einer jungen Frau in einem der Kellerräume."
"Sie können keine ihrer Aussagen beweisen.", Emilia stand auf und ging zur Tür, "Verlassen sie dieses Haus.", forderte sie und riss die Tür auf. Schüchtern sah ihr ein junger Mann entgegen, dessen Schultern fest von Malachits Trollhänden umfasst waren. Die Frau stieß einen erschrockenen Schrei aus. Daemon kam langsam näher.
"Den Anwesenden, denen dieser junge Mann nicht bekannt ist, möchte ich ihn kurz vorstellen. Sein Name ist Richard Fennigheim, ein Neffe Emilias.", er sah über Emilias bebende Schultern hinweg in Richards Gesicht, "Er ist der Fehler, den
sie begingen.", sagte er ruhig, "Um die Familie nicht zu enttäuschen, erzählte er Lügen von einer Ausbildung in der Assassinen - Gilde, die in Wirklichkeit nie stattfand. Er saß auf der Straße, konnte sich kaum über Wasser halten und nahm deswegen den Auftrag seiner Tante und später den Hubert Greifs nur zu gerne an. Wir fanden ihn bei der Durchsuchung der Bar, wo er sich vor der Gilde versteckte, die ihn mittlerweile wegen Fälschung einer Quittung sucht.", Daemon schob sein Gesicht nah an das Emilias, "Er hat alles nur zu gerne gestanden, um den Schutz der Wache zu erhalten, den wir ihm natürlich gewähren werden. Jeder Kerker des Patriziers ist besser, als Lord Witwenmacher in die Hände zu fallen."
Es klatschte laut, als die Frau dem jungen Mann eine Ohrfeige gab, dass er getaumelt wäre, hätte der Troll hinter ihm ihn nicht festgehalten. Leise begann Richard zu wimmern.
"Na na, Emilia.", sagte der Wächter, "Auch das wird nichts mehr helfen. Sie haben Morde veranlasst, unlizensierte Morde. Und sie wurden dabei erwischt."
"Oberleutnant.", Eduart klang müde, "Wollen sie sagen, sie ist für den Tod von zwei Menschen verantwortlich?"
"Von dreien.", wandte sich der Angesprochene an ihn, "Wir fanden noch eine weitere Leiche. Stan, der Pianospieler der Bar. Er fand die Tote und wurde ebenso beseitigt."
"Berichten sie der Reihe nach, wie alles passiert ist.", forderte Wolfgang ihn ruhig auf.
"Alles hätte nicht soweit kommen müssen, hätten sie sofort mit offenen Karten gespielt, Lord O'Ferris. Oder sie, Winscester.", Daemon sah von Einem zum Anderen, "Denn es war keineswegs Zufall, dass August mit Jessica zusammentraf. Sein Konkurrent arrangierte ein scheinbar zufälliges Treffen und zwang die Sängerin, ein Verhältnis mit dem Händler einzugehen, mit dem er später korrumpiert werden könnte. Harold sagte ihr, ihre Eltern würden ihre Arbeit bei ihm verlieren, sollte sie nicht mitmachen. Doch Jessica und August verliebten sich ineinander, eine Wendung, die man nicht vorhersehen konnte, und als Lord O'Ferris von dieser Affäre seines Bruders erfuhr, geriet er mit ihm in Streit und versuchte, ihn davon abzubringen und später, Jessica mit einer größeren Menge Geld dazu zu bringen, die Stadt zu verlassen.", er legte das Geldbündel aus der Garderobe der Bar auf den Tisch. Wolfgang nickte mit gesenktem Blick.
"Doch auch Emilia erfuhr von der Beziehung. Sie ließ Jessica in ihrer Garderobe umbringen und Richard versteckte die Leiche in einem der hinteren Kellerräume, wo wir sie heute Morgen fanden. Dann ließ sie ihren Mann entführen, er wurde von Richard und dem Barkeeper, einem gewissen Phil, überwältigt, als er zu Jessica wollte. Ich konnte nicht herausfinden, ob Phil von der Leiche wusste."
"Wusste er nicht.", sagte Richard leise, aus roten Augen sah er den Wächter an, "Wir schafften August in einen anderen Teil des Kellers, der Barkeeper wusste nichts davon, ich erzählte ihm nur, dass für ihn einiges drin sei, wenn er mir bei August helfe und ein paar Tage im Keller verstecke."
Daemon nickte.
"Zu diesem Zeitpunkt begannen meine Ermittlungen, denn das Verschwinden des Händlers blieb natürlich nicht unbemerkt. Ich nahm Harold Winscester fest, wie es Emilia geplant hatte, und so hatte sie freie Bahn, das Gebäude selbst zu kaufen, wie mir Herr Kriegraus hier heute Morgen bestätigen konnte, womit sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlug, nämlich ihren Mann zu kränken und gleichzeitig die Spuren ihres Neffen verwischen. Irgendwann in der Zwischenzeit musste Stan Jessicas Leiche entdeckt haben und war von Richard ebenfalls inhumiert worden. Am nächsten Morgen erhielt ich eine Nachricht, die mich auf die Bar aufmerksam machte. Hätte ich früher gewusst, von wem sie kam, hätte ich eine sofortige Durchsuchung aller Räume dort angeordnet, doch so beschränkte ich mich zunächst auf Gespräche dort und eine flüchtige Untersuchung. Zu diesem Zeitpunkt saß August dort im Keller. Sie hätten mir sagen müssen, was es mit der Bar auf sich hat, Lord O'Ferris."
"Wie kommen sie darauf, dass diese Nachricht von mir kam?"
Daemon griff in seine Jackentasche und warf zwei Zettel auf den Tisch neben das Geld. Wolfgang nahm sie vorsichtig in die Hände.
[ Geld fließt in viele Richtungen / Besuchen sie die Bar ]
[ Hubert Greif ]"Ich ließ unsere Spurensicherer diese Zettel untersuchen.", erklärte der Wächter, "Sie wurden von derselben Person geschrieben. Warum, Lord O'Ferris?"
"Ich wusste nichts Genaues.", sagte der leise, "Ich hatte keine Ahnung, dass Emilia von Augusts Liaison erfahren hatte. Ich dachte, vielleicht hätte er den Verstand verloren und sei zu dieser Sängerin gegangen."
"Ich wollte nach einigem Überlegen schließlich doch die Bar stürmen.", fuhr Daemon fort, "Doch auf dem Weg dorthin erfuhr ich, dass ihr Bruder freigelassen worden war und begab mich hierher. Jedoch war Niemand außer ihrem Sohn Eduart anwesend, der mich rüde abwies und mir nur mitteilte, dass August zum Kontor gefahren war. Dort jedoch stand ich vor einer verschlossenen Tür und Hubert Greif teilte mir mit, dass August nicht zu sprechen sei. Wie sich herausstellte, entsprach das voll und ganz der Wahrheit.", er wandte sich wieder um zu Emilia, die noch immer vor dem Troll und Richard an der Tür stand, "Hubert engagierte Richard, der Paul Stuhlbein, den Barbesitzer umbrachte, der ihn schon lange erpresste, wie mir eine Schriftprobe aus dessen Büro und dem Erpresserbrief, den wir bei Greifs Leiche fanden, bestätigte. Sie konfrontierten ihn mit seiner Schuld, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich in ihrer Hand befand, doch er erhängte sich. Sie sind für die Tode dreier Menschen verantwortlich, Emilia. Richard Fennigheim. Sie haben sich mehrerer Verstöße gegen die Gildengesetze Ankh-Morporks schuldig gemacht. Harold Winscester.", der Wächter drehte sich um und sah den in sich zusammengesunkenen Händler an, "Sie sind der Kupplung und Erpressung schuldig und haben diese Ereignisse ausgelöst.", er machte eine kurze Pause.
"Doch damit ist die Geschichte noch nicht ganz zu Ende.", er holte tief Luft.
"Lord Wolfgang O'Ferris.", er brummte leise, "Sie haben wichtige Informationen vor der Wache zurückgehalten.", er brummte ein weiteres Mal, "Sie werden deswegen keine Schwierigkeiten zu befürchten haben. Doch sie werden sich den Rest ihres Lebens mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie den Tod ihres Bruders hätten verhindern können. Jedoch...", er sah ihn fest an, "... werden sie sich eines Verfahrens wegen Angriff eines Wächters nicht entziehen können."
Wolfgang jappste und wollte sich erheben.
"Oberleutnant...", begann er.
"Sie suchten in der Bar nach dem Geld, dass sie Jessica gegeben hatten, vielleicht auch nach Hinweisen auf sie oder die Vorgänge der letzten Tage, und entdeckten dabei die Leiche Pauls, der kurz zuvor von Richard umgebracht worden war. Dann hörten sie mich, bekamen Angst, bei dem Toten entdeckt zu werden und schlugen mich nieder."
"Sie können nicht..."
"Ihr Verhalten bei unserem Gespräch am nächsten Tag hat sie verraten. Ebenso waren sie nirgends auffindbar zu diesem Zeitpunkt und sie hatten einen Grund, in der Bar zu sein. Sie werden sich verantworten müssen, für ihren Stolz und ihre Geheimnistuerei."
Daemon sah zur Tür und winkte Malachit zu. Mehrere Wächter betraten den Raum. Der Troll führte Richard fort, zwei weitere nahmen Emilia in ihre Mitte und führten sie ab. Herr Kriegsrats erhob sich, nickte dem Wächter kurz zu, nahm seine Aktentasche und verließ den Raum.
"Wir werden auf sie zukommen, Winscester. Verlassen sie sich drauf. Gehen sie jetzt nach Hause.", sagte Daemon knapp. Der Händler erhob sich zitternd und sah bleich zu den Tierköpfen an der Wand. Er wankte aus dem Raum.
"Für sie gilt dasselbe, Lord O'Ferris.", der Oberleutnant nahm seinen feuchten Mantel von der Sessellehne und ging langsam mit auf dem Holzboden pochenden Schritten zur Tür.
"Oberleutnant."
Daemon blieb stehen.
"Lord Eduart?", fragte er.
"Sie sagten nichts von meinem Diebstahl und der Bücherfälschung."
Der Wächter sah den jungen Mann ruhig an.
"Der Schaden wurde beseitigt. Sie haben ihre Geliebte verloren. Lernen sie aus dieser ganzen Sache, Lord Eduart. Lernen sie, ihren Stolz im richtigen Moment zurück zu stellen.", Daemon verließ den Salon und ließ Eduart mit seinem ruhig gewordenen Vater zurück.
Tag 4 :: Verlorene Träume
Es war später Nachmittag, als Daemon zum
Boucherie Rouge zurückkehrte. Die letzten, roten Sonnenstrahlen fielen zwischen den Häusern auf das Gebäude. Daemon blieb in dem leichten Regen stehen. Nachdenklich betrachtete er das Haus. Rot flackerte die magische Leuchtreklame über ihm und reflektierte sich in den Pfützen. Irgendwo, ganz leise, glaubte er eine Melodie zu hören. Lang gezogen schwebten gedämpfte Töne zu ihm herüber. Der Wächter stand einige Zeit vor dem
Boucherie im fallenden Regen. Er hatte den Fall gelöst. Er hatte die Verbrechen nicht verhindern können, dafür waren sie zu schnell hintereinander verübt worden. Aber er hatte die Verantwortlichen gefunden. Der Regen fiel.
... and the Living is easy ... Daemon schüttelte den Kopf. Weitere Wassertropfen fielen. Dann wandte er sich um. Das Gebäude gegenüber war eine Ruine. Mehrere Etagen hoch, ragte es schwarz und verfallen empor. Und doch – Irgendwo in einem der oberen Stockwerke schien in einem der Fenster ein kleines Licht zu brennen. Daemon betrat das Haus und stieg durch das lichtlose Treppenhaus nach oben. Schließlich stand er in einem langen Flur. Weiter vorne fiel ein wenig Licht in den Gang. Er ging auf den Schimmer zu. Er konnte erkennen, dass er von einer Milchglasscheibe in einer der Türen ausging. Er öffnete die Tür auf quietschenden Angeln. Das Büro dahinter war verlassen und kaum möbliert. Ein Garderobenständer neben der Tür, ein Aktenschrank in der Ecke, ein Schreibtisch mit Sessel dahinter. Der Wächter ging zu dem Tisch. Langsam streckte er seine Hand nach dem Objekt aus, das darauf lag. Auf dem Blatt war ein Lippenabdruck zu sehen. Rot leuchtete er auf dem Papier. Eine runde, feine Handschrift war darüber zu lesen.
[ Sie haben getan, was Sie konnten. Ich werde sie weiterempfehlen. Vielen Dank, Mister Daemon. Jessica. ]
[1] Ein Indikator, mir welcher Wahrscheinlichkeit an einer bis dahin vollkommen unerreichbaren Stelle des Zimmers plötzlich Kekskrümmel liegen. Junge Studenten der Unsichtbaren Universität sind immer wieder überrascht, wenn sie in praktischen Versuchen feststellen, wie hoch die Anzahl dieser Partikel tatsächlich ist.
[2] Wer einmal richtig über das Wort 'Dachterrasse' nachdenkt, dem wird auffallen, wie paradox es ist.
[3] Mehr über Mya steht unter http://www.stadtwache.net/dog/damen/mya.html
[4] Später kam heraus, dass Mya Daemon am Abend in der Tür des
Boucherie Rouge liegend gefunden hatte. Da sie ihn nicht dort liegen lassen wollte (Die Tür schloss nicht richtig wegen seinem Fuß und es zog), hatte sie ihn in ihr Zimmer gezerrt, wo er sich schlafend auf dem Teppich zusammengerollt hatte.
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