Bisher hat keiner bewertet.
Dem Kommandeur ist langweilig. Jeder weiss, dass das meistens nichts Gutes bedeutet!
Dafür vergebene Note: 12
Es war schrecklich! Kommandeur Rince saß, wie so oft, hinter seinem Schreibtisch in seinem Büro. Er trommelte nervös einen Rhythmus auf das teure Holz. Er trommelte. Und trommelte lauter. Und schneller. Und immer schneller, schneller, schneller. Plötzlich riss er die Hand nach oben und schnappte sie sich mit der anderen, um sie danach ganz fest umklammert zu halten.
"Verdammt!", fuhr es aus ihm heraus.
Man konnte die Anspannung in seiner Stimme hören. Zumindest hätte man sie hören können, aber außer Rince war niemand im Zimmer. Dass niemand im Zimmer war, war soweit nichts Ungewöhnliches, jedoch gab es da etwas, was an dem Büro heute ganz und gar nicht gewöhnlich war. Einem aufmerksamen Beobachter wiederum wäre es vielleicht aufgefallen was nicht stimmte. Es war etwas Gravierendes, und doch war es zu offensichtlich, um bemerkt zu werden. Es war so, wie wenn jemand, jahrelang einen Vollbart getragen hatte und diesen dann plötzlich abrasierte. Man begegnete dem Mann, redete normal mit ihm, ging dann weiter, hielt dann kurz überlegend inne, nur um dann kopfschüttelnd weiterzugehen, ohne zu wissen was nicht stimmte.
Genauso würde es jemandem in Rince' Büro gehen, doch es war, wie gesagt, niemand da, und das war gut so. Zumindest dachte Rince immer, dass es gut so war. Jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Seitdem er der Chef der Wache war, hatte Rince immer mit dem vielen Papierkram, den die Wächter produziert hatten, gekämpft. Alles, jedes einzelne Blatt, war auf seinem Schreibtisch gelandet. Wegen der vielen Arbeit war er ständig gereizt gewesen und hatte seine Wächter angebrüllt, was er nun bedauerte. Er sollte weniger brüllen, ja, das sollte er. Rince nickte.
"Ja, das sollte ich.", sagte er gedankenversunken.
Wo war er stehen geblieben? Achja. Jedes einzelne Blatt! Schließlich war durch einen glücklichen Umstand die Wache in verschiedene Abteilungen unterteilt worden, wodurch nur noch die Vorgänge der S.E.A.L.S. auf seinem Tisch landeten. Leider fiel auf der Straße die meiste Arbeit an, so dass er immer noch einen beladenen Schreibtisch hatte. Rince hatte weiterhin darauf hingearbeitet, auch noch diese Arbeit an einen jungen fähigen aufstrebenden Wächter abgeben zu können, was er schließlich auch erreicht hatte. Rince lächelte.
"Oh ja, das habe ich geschafft."
Und nun liefen hier in Rince Büro nur noch Vorgänge ein, die ihn als Chef der gesamten Wache Ankh-Morporks betrafen. Dies waren Dinge von höchster Wichtigkeit, die seiner Leitung bedurften, oder manchmal auch nur Dinge, die ihn über irgendwelche wichtigen Vorgänge in Kenntnis setzten. An manchen Tagen war das allerdings sehr wenig und war schnell abgearbeitet. So wie heute. Der Zeitdämon zeigte 9 Uhr an.
Der Kommandeur blickte auf den leeren Schreibtisch vor sich, auf dem er gerade rumgetrommelt hatte. Er konnte es nicht fassen. Der Schreibtisch war leer. Ganz leer. Das hatte es seit Eröffnung der Wache nicht gegeben. Genau dieser leere Schreibtisch hätte jeden im Raum unbewusst gestört. Rince schaute sich um. Es war niemand da.
"Warum sollte auch jemand hier sein?", fragte sich der Kommandeur laut.
"Das würde ich auch gerne wissen, Dicker. Drehst gerade durch, hm?", eine wohlbekannte Stimme kam aus Richtung des Röhrensystems.
Aaps, der kahlköpfige und nur mit einem Schlips bekleidete Meldedämon saß in der Öffnung der Röhre und ließ seine Füße locker nach unten baumeln. Er sah sich fragend im Raum um.
"Sag mal, hast du die Wände gestrichen?"
"Nein, aber hattest du nicht mal nen Bart?"
Die beiden schauten sich verwirrt an und schüttelten schließlich den Kopf. Vielleicht war es besser, wenn man in solchen Situationen einfach schwieg. Schließlich wurde Rince das Schweigen unangenehm. Er hatte schon genug Ruhe gehabt heute. Also zumindest in den letzten 10 Minuten, seitdem der Schreibtisch leer war.
"Weißt du was, Aaps, schick mir doch mal einen der Gefreiten mit einem Kaffee für mich hoch."
"Geht nicht Kaffee ist aus.", entgegnete Aaps kurz.
"Was? Wie kann das sein?", der Kommandeur setzte sich aufrecht hin.
"Ich weiss nicht. Ich hab vorhin Tunnelblick darüber sprechen gehört. Scheinbar hat jemand das Geld aus der Kaffeekasse gestohlen. Schon wieder. Und jetzt ist der Kaffee alle. Kein Geld, kein Kaffee!", Der Dämon nickte zur Bestätigung "Kein Geld, kein Kaffee! Klingt irgendwie gut, findest du nicht? Vielleicht sollte ich mir das aufschreiben."
Bevor Rince noch ein Wort sagen konnte, war Aaps in der Röhre verschwunden. Tja, dann wurde wohl nichts aus dem Kaffee. Rince begann wieder auf dem Schreibtisch zu trommeln. Als er es bemerkte, hielt er seine Hand wieder fest. Vielleicht sollte er sich die Hand an den Stuhl binden. Nein, was, wenn die andere Hand anfing zu trommeln? Dann wäre er hilflos. Was sollte er tun? Für ein Mittagschläfchen war es eindeutig zu früh. Rince war verzweifelt. Doch es gab eine Lösung für alle Probleme und die umfasste ungefähr 0,7 Liter. Schnell öffnete er die rechte Schublade seines Schreibtisches. Gerade wollte er hineingreifen, als er einen kleinen Gegenstand darin erblickte. Rince hielt inne.
Die Treppe knarrte, wie immer, wenn Rince die Treppe hinunterkam. Das war nicht immer so gewesen. Es war sogar tatsächlich so, dass man das Knarren nachträglich "eingebaut" hatte, denn so konnte man Rince schon hören, bevor man ihn sah. So wusste jeder, wann es besser war, nicht auch noch die Treppe zu betreten. Dadurch konnte man sich einen peinlichen Moment ersparen, denn die Treppe war nicht sehr breit. Damit hatte die Treppe dem Kommandeur etwas voraus.
Feldwebel Steingesicht, Hauptgefreiter Tunnelblick und die Gefreite Lady Rattenklein waren gerade dabei im Empfangsraum die Zeit totzuschlagen.
Wie gesagt, die Treppe knarrte und die anwesenden Wächter brauchten gar nicht aufzuschauen um zu wissen, dass Rince gleich den Raum betreten würde. Da Lady Rattenklein aufgrund ihrer Größe jedoch generell "aufschaute" fiel ihr sofort etwas an dem Kommandeur auf. Es war eine Kleinigkeit, die jedoch einen riesigen Unterschied ausmachte. Die Augen der Gnomin weiteten sich und sie begann zu stottern.
"Heeeey, L...L...Leute! Pssst!"
Sie versuchte panisch, ohne ihren Blick von Rince abzuwenden, Steingesicht an der Hose zu ziehen, glitt jedoch mit ihren Händen immer wieder durch den Geist hindurch, so dass sie die anderen nicht rechtzeitig warnen konnte. So stand der gewichtige Wächter schneller vor ihnen als ihr lieb war.
"Guten Tag, die Herren Wächter!", strahle Rince.
Lady Rattenklein versuchte in Panik stillzustehen und zu salutieren.
"Guten Tag, Sir...äh... Agent....Rince...äh...Sir!"
Tunnelblick und Steingesicht drehten sich schlagartig um und bemerkten sofort die Intörnal Affärs-Marke, die an Rince' Uniform geheftet war.
"Iiiiehhhhk!", machte Steingesicht.
Es ploppte kurz und dann war der schlüpfrige Feldwebel verschwunden.
"So ein Feigling!", meinte die Gnomin leise und beobachtete den übriggebliebenen Tunnelblick, der einen verwirrten Eindruck machte.
Scheinbar war er durch die Situation, dass sein Kommandeur mit einer IA-Marke trug, ziemlich überfordert. Andererseits war der psychisch verdrehte Hauptgefreite auch überfordert, wenn man ihm einen Sitzplatz anbot oder wenn er die Aufgabe bekam, einen Bericht zu verfassen. Kommandeur Rince ließ sich nicht durch das Verhalten der Wächter beirren.
"Ruhig bleiben, Gefreite Rattenklein. Wenn du willst kannst du mich Kommandeur nennen." meinte er gönnerhaft, wie wenn er ihr gerade die Blutsbrüderschaft angeboten hätte.
"Sir?"
"Vielleicht lassen sie uns besser alleine. Ich muss ein paar Worte mit Tunnelblick reden."
"Sicher, Sir!", ohne ein weiteres Wort machte sich die Gnomin davon, froh entkommen zu sein und froh, im Besitz einer brandheißen Neuigkeit zu sein.
Rince schnappte sich die Kaffeekasse und öffnete sie. Sie war tatsächlich leer. Er streckte sie Tunnelblick entgegen, so dass dieser die gähnende Leere bestaunen konnte.
"Hauptgefreiter Tunnelblick. Ich ermittle als Intörnal Affärs Agent wegen des Diebstahls des Geldes aus der Kaffeekasse. Was kannst du dazu sagen?"
"Nichts. Wir haben nichts gesehen.", antwortete Tunnelblick schnell.
Rince wollte schon fragen, wer wir war, erinnerte sich jedoch daran, dass der Hauptgefreite immer von wir sprach, was an den Stimmen in seinem Kopf lag.
"Ach wirklich?", fragte Rince und griff langsam zu seinem Stift und seinem Notizblock. Es war kein gewöhnliches Schreibwerkzeug, sondern es war im Intörnal-Affärs-Schwarz gehalten, um den Wächtern Unbehagen zu bereiten. Manchmal war die Wirkung überraschend gut.
Tunnelblicks Augen weiteten sich, als er den Stift sah. Seine Stimme überschlug sich fast.
"Alles! Wir haben alles gesehen. Der Troll war's! Malachit! Aaaaaah!", Tunnelblick hielt sich die Ohren zu und rannte schreiend davon und ließ einen verwirrten Kommandeur zurück.
Der Fall war erschreckend einfach gelagert, dachte sich Rince. Voraussetzung war jedoch, dass Tunnelblick, als einziger Zeuge, die Wahrheit gesagt hatte. Bei ihm konnte man nie wissen, was er selber gerade für die Wahrheit hielt. Zumindest war die Kaffeekasse leer gewesen. Das war schonmal ein Indiz das für Tunnelblick sprach.
Wenig später betrat Rince die Einsatzzentrale von F.R.O.G. und entdeckte Malachit sofort, was auch nicht weiter schwer war, denn der Troll füllte einen nicht zu verachtenden Teil des Raumes aus. Er war gerade in Bereitschaft. Malachit nahm den Auftrag wörtlich und saß einfach nur da, ohne irgendwas zu tun. Der Troll salutierte als er Rince sah. Inzwischen schaffte er es sogar sich dabei nicht mehr selber zu verletzen.
"Guten Tag, Rince!"
"Hallo Malachit. Ich bin aushilfsweise für Intörnal Affärs tätig und leite ein Ermittlungsverfahren gegen dich. Du stehst unter Verdacht, den Inhalt der Kaffeekasse gestohlen zu haben. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?"
"Ich es nicht gewesen bin!", entgegnete Malachit, wie automatisch.
"Was hast du zu der Zeit gemacht, als das Geld aus der Kaffeekasse gestohlen wurde?", hakte Rince nach.
Die Frage war zwar absurd, da er die genaue Zeit des Diebstahls nicht wusste und man ohne Tatzeit kein Alibi überprüfen konnte. Aber da Malachit sowieso keine Ahnung hatte, wie das so genau mit der Zeit funktionierte, gewann die Frage wieder an Bedeutung. Malachit überlegte.
"Ich nicht weiss. Das er mir nicht gesagt!", meinte er schließlich.
"Wer ist er?", Rince wurde hellhörig.
"Niemand! Ich nichts von ihm weiss.", jetzt wurde der Troll wieder sicherer. Scheinbar befand er sich wieder auf bekanntem Terrain.
"Komm schon, Mala. Gib den Diebstahl zu. Es gibt mehrere Zeugen die dich gesehen haben", versuchte es der Kommandeur.
Mit Tunnelblick als Zeuge hatte er da nicht einmal richtig gelogen. Doch Malachit blieb stur.
"Keine Zeugen. Ich war wo anders.", sagte er selbstsicher.
"Und wo?"
"Wo anders. Ich bereits gesagt.", meinte der Troll immer noch selbstsicher.
"Ja, ich verstehe schon. Aber wo genau warst du?".
"Er mir gesagt, ich sollen sagen, dass ich wo anders war. Ich nun habe gesagt. Das muss genügen.", Mala verschränkte die Arme und war der Meinung, dass damit alles geklärt war.
Rince überlegte. Es musste doch möglich sein, dem Troll die nötige Information über diesen mysteriösen Auftraggeber zu entlocken, ohne dass er etwas fragte, was Malachit nicht sagen durfte.
"Hmmm. Wer hat die gesagt, dass du sagen sollst, dass du wo anders warst?"
"Niemand! Ich nichts von ihm weiss.", wiederholte der Troll.
"Achja, stimmt.", Rince schlug sich auf die Stirn. An der Stelle war er schon einmal gewesen.
So kam er nicht weiter. Er musste es anders versuchen.
"Und wann hat er dir es gesagt?"
"Wann?", der Troll runzelte sie Stirn.
"Achso. Mit der Zeit hast du's ja nicht so. Okay. Wo hat er es dir gesagt?"
"Vor Kaffeemaschine."
Rince strahlte. Jetzt kam er weiter.
"Und wo war er?"
"In Kaffeemaschine", antwortete der Troll.
"Dankeschön. Du ist ein knallharter Brocken, Malchit.", sagte der Kommandeur aufmunternd als er bereits unterwegs in Richtung Kaffeemaschine war.
Malachit schaute an sich herunter. Wo der Kommandeur Recht hatte, hatte er Recht. Langsam wurde ihm klar, wieso Rince es zum Offizier gebracht hatte.
Eine behandschuhte Hand öffnete die Klappe zur Kaffeemaschine. Nachdem mehrere Münzen herausfielen griff die Hand in die Maschine. Der Biß des Kaffeedämons ging nicht durch das Leder des Handschuhs, was den kleinen Kerl ziemlich ärgerte. Wütend blickte er Rince an.
"Der dämliche Troll hat's dir verraten! Ich wusste, es!"
"Wie hast du ihn dazu gebracht, das Geld zu nehmen?", fragte Rince.
"Ich hab ihm gesagt, dass ich das Geld für die Operation meiner kranken Tochter brauche. Er hat mir die Geschichte glatt abgenommen, dabei habe ich nicht einmal ne Tochter. Ich hab's nur satt Kaffee zu kochen. Kein Geld kein Kaffee! Verstehst du?"
"Ja, das hab ich schonmal wo gehört."
Ohne wein weiteres Wort steckte der Komandeur den protestierenden Dämon wieder in die Maschine.
Nachdem Rince das Geld zurück in die Kaffeekasse getan hatte, ging er wieder in sein Büro um nachzudenken. Der Kaffeedämon konnte nicht nach den gleichen Maßstäben bestraft werden, wie es Wächter wurden. Einen Ermittlungsbericht zu schreiben war also sinnlos. Er musste sich für den Dämonen etwas anderes einfallen lassen. Bei Malachit lag der Fall allerdings etwas anders. Er hatte als Wächter vorsätzlich einen Diebstahl begangen. Aber ein offizielles Verfahren gegen ihn zu eröffnen... Rince schüttelte den Kopf. Bei ihm konnte man eindeutig von verminderter Schuldfähigkeit ausgehen. Das zu beurteilen war eigentlich nicht die Sache eines IA-Agenten, aber hey... wer kontrolliert schon den Kontrolleur? Außerdem war er ja schließlich der Kommandeur. Nun war die Arbeit damit eigentlich schon wieder erledigt, ohne, dass es Schreibkram für ihn zu erledigen gab. Rince seufzte, entfernte die IA-Marke von seiner Uniform und öffnete die rechte Schublade seines Schreibtisches. Gerade wollte er die Marke wieder in der Schublade verschwinden lassen, als sein Blick auf die Uhr fiel. Es war nicht einmal 10 Uhr. Rince blickte auf die glänzende Marke in seiner Hand. Was wohl die anderen Wächter um diese Uhrzeit alles so trieben? Vielleicht sollte jemand einen kleinen Kontrollgang machen. Ja, das konnte sicher nicht schaden. Rince heftete sich die Marke wieder an die Uniform. Eine kleines Kontrollgängchen konnte nicht schaden. Nur ein kleines.
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