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Lord Vetinari erhält eine Morddrohung. Ausnahmsweise ist er aber nicht selbst an dem Attentat auf sich beteiligt. Von wem stammt das Schreiben und ist der Patrizier wirklich in Gefahr?
Dafür vergebene Note: 10
Es war ein erstaunlich warmer Morgen im Winter, als Wächterin Hatscha al Nasa das Wachhaus in der Kröselstraße betrat. Der Raum war erstaunlich leer, nur ein paar andere Rekruten und der Fähnrich VidG Schmiedehammer waren anwesend.
"Guten Abend", begrüßte Hatscha ihre Kollegen. Diese erwiderten ihren Gruß.
"Ah, Hatscha, schön dich zu sehen. Tut mir leid, ich hab' im Moment keinen Auftrag", sagte Schmiede, als er ihren fragenden Blick bemerkte. Die Rekrutin wandte sich ab und der Ausbilder blickte wieder auf seine Akten hinab. Er setzte hier und da eine Unterschrift hin, dann korrigierte er wieder einen Bericht von einem Wächter.
Hatscha gesellte sich zu ihren Freunden und ratschte mit diesen.
Plötzlich wird die Tür aufgerissen und ein Eilbote des Patriziers platzt ins Wachhaus. Er war verschwitzt und hielt in der einen Hand einen etwas zerknitterten Brief. Seine Haare waren zerzaust und er sah aus, als hätte er gerade einen Straßenkampf hinter sich.
"Sir, ich brauche ihre Hilfe!" stöhnte er und brach vor Schmiedehammer zusammen. Er streckte ihm den Brief entgegen. Der Ausbilder griff danach und öffnete ihn. Seine Augen bewegten sich und man konnte erkennen, wie er erstarrte, während er die Worte las.
"Von wem stammt dieses Schreiben und an wen ist es gerichtet?" sagte er zu dem Boten und sah ihn erschrocken an. Man hörte, wie seine Stimme zitterte.
"Wir wissen nicht, wer das geschrieben hat, aber es ist an den Patrizier gerichtet", erklärte dieser atemlos. Er sah VidG flehend an. "Könnt ihr ihm helfen?"
"Hmm, wir werden mal sehen, was sich machen lässt", erwiderte Schmiede. "Aber du solltest dich jetzt ausruhen. Du keuchst ja immer noch. Geh in die nächste Kneipe und gönn' dir einen Drink", empfahl er noch. Alice half dem Boten beim Aufstehen und geleitete ihn noch zur Tür. Dann verschwand er.
"Hmm, schwierige Sache..." murmelte Schmiedehammer. Er sah sehr sorgenvoll aus.
"Kann ich den Brief mal sehen?" fragte Hatscha.
"Hier." Er reichte ihr abwesend das Schreiben. Es war ein schmutziger Zettel und die Schrift bestand aus lauter verschiedenen Buchstaben, als hätte jemand verschiedene Flugzettel eingesammelt und sie miteinander gekreuzt. Heraus kam folgende Botschaft, die hier leider nicht in allen Einzelheiten darstellen lässt. Man stelle sich einfach vor, jeder fünfte Buchstabe wäre in größerer Schrift, andere unterstrichen, die nächsten dicker und kleiner geschrieben. Das kann hier aber leider nicht so umgesetzt werden, denn wie bringt man einen Schwarz-Weiß-Druck dazu, rot und blau zu drucken? Also, ohne all diese Extras sah das Schreiben etwa wie folgt aus:
An den wichtigsten der Stadt:
Wichtig: Ich erwarte von Dier,
am 14. dieses Monats im Jare
des Flughunds, 100tausent
AM-Dolar. Übergib sie mier
persönlich in der Geflikten
Tromel, du erkenst mich durch
eine rote Zipfelmütze und
dadurch, das ich zimlich rund
bin Solltest du nicht komen,
dan ist es aus mit dier!
Entsetzt legte Hatscha den Zettel zurück auf den Schreibtisch, nachdem sie ihn vorgelesen hatte. Ihre Hände zitterten. "Wer könnte das geschrieben haben?" fragte ein Rekrut und schaute fragend den Ausbilder an. "Und das, wo doch bald der Schneevater kommt! Wer tut dem Oberhaupt einer großen Stadt und vor allem den Bürgern, die dem Oberhaupt ja das Geld durch Steuern zahlen müssen, so etwas an? Was sollen die Kinder denn jetzt zum Fest bekommen?" Sie schüttelte unverständig den Kopf. Die anderen Wächter taten es ihr nach.
"Sir, kann ich den Fall übernehmen... mit einer Hilfe selbstverständlich?" bat Hatscha al Nasa.
Schmiedehammer sah sie verwundert an. "Wieso willst du die Aufgabe lösen? Ach, wie ich dich kenne, willst du dich nur nicht langweilen", vermutete er.
"Das auch. Aber der Fall scheint mir interessant. Können Sie mir einen Partner geben? Ich will nicht allein verantwortlich sein." erklärte die Rekrutin und grinste. Mit sorgenvollen Augen sah der Fähnrich sie an.
"Ja, wenn du unbedingt willst, du bekommst den Fall. Alice wird dir helfen. Ich selbst werde euch bei Fragen und schwierigeren Sachen behilflich sein. Dann wünsche ich euch viel Glück. Aber ihr werdet es schaffen."
Die beiden ausgewählten Rekrutinnen verließen das Wachhaus.
"Was machen wir jetzt?" wollte Alice wissen. Sie sah Hatscha von der Seite an. Die braungebrannte, schwarzhaarige Frau neben ihr schien etwas zu wissen.
"Haaaatschieeee!" al Nasa schnäuzte sich.
"Gesundheit."
"Danke. Nun, ich habe da einen Verdacht. Aber ich sag ihn dir nicht gleich, denn er ist nicht hundertprozentig. Komm, so wie ich Vetinari bisher kennen gelernt habe, will er, dass die Wache gleich zu ihm kommt. Wir sind jetzt ihre Vertreter. Also, auf zum Palast", sagte sie und ging voraus.
Der Palast sah aus wie eine Stachelbeere, wegen den Palastwachen, die ihn bewachten, als die beiden Rekrutinnen dort ankamen.
"Meine Güte", meinte Alice, als sie das streng bewachte Tor erreichten.
"Wer seid ihr, was wollt ihr und wohin wollt ihr?" fragte einer der fünf Wächter am Tor. Fünf Lanzenspitzen zeigten auf die beiden Neuankömmlinge, die gleich einen Schritt zurückwichen.
"Wir sind die Rekrutinnen Alice und Hatscha al Nasa von der Stadtwache und wollen den Patrizier sprechen", erklärte Hatscha und zeigte ihre Dienstmarke. Die Wächter ließen sie aber dennoch nicht durch.
"Wer weiß, vielleicht sind die Marken gefälscht?" meinte derselbe Wächter wie vorhin.
"Oder sie haben zwei Wächter niedergeschlagen und ihnen Uniform und Dienstmarke abgenommen", spekulierte ein anderer Wächter. Er sah die beiden jungen Frauen an. Dann sagte er: "Nein, niedergeschlagen garantiert nicht." Die anderen Wächter lachten.
"Ok, ihr dürft passieren", erklärte Wächter Nummer eins. Die kleine Armee trat zur Seite, damit sie vorbei konnten.
Sie betraten den Palast. Alice kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn sie war noch nie in dem beeindruckenden Gebäude.
"Pass' auf das Hoho auf", warnte Hatscha und zeigte auf den Graben.
"Was ist das?" wollte die andere wissen und bekam es sogleich erklärt.
Dann erreichten sie das Vorzimmer. Al Nasa klopfte zaghaft an die Tür des Audienzzimmers, aber obwohl das Klopfen wirklich leise war, hörte man von der anderen Seite eine Stimme, die sie einzutreten hieß. Die Wächterinnen gehorchten und betraten den Raum mit einem Schreibtisch, an dessen anderem Ende man die Rückseite eines Sessels erkennen konnte. Aber bevor sich die beiden noch etwas umsehen konnten, drehte sich der Sessel wie ein Kreisel zweieinhalb mal um sich selbst, bis die Rekrutinnen einen völlig in schwarz gekleideten Mann erkennen konnten. Aber man konnte nicht genau feststellen, wo die Umrisse der Gestalt endeten und der schwarze Sessel anfing. Hatscha dachte sich in etwa eine Linie, die den wahren Umfang Vetinaris etwas übertraf. Der Patrizier war schmäler als man dachte. Einige erwägten sogar, er könne magersüchtig sein, aber das stimmte natürlich nicht.
Er ließ seine Finger knacken, während er die beiden Frauen musterte.
"Aha, die Stellvertreter der Wache. Hat sie zu wenig Mitglieder, zu viele Fälle zu lösen oder ist ihr das Leben des Herrschers nicht so wichtig?" fragte er. Sein stechender Blick hätte Diamanten zu Staub zerfallen lassen können.
"Sir, sie meinen?" erwiderte Hatscha. Sie versuchte, so aufrecht wie möglich zu stehen und nicht unter dem Blick zusammenzusinken.
"Ah, Hatscha al Nasa, nicht? Wir hatten schon mal das Vergnügen. Deine Begleiterin kenne ich noch nicht, aber ich gehe wohl richtig der Annahme, dass sie auch Rekrutin ist."
"Ja, Sir. Das ist Alice. Jetzt verstehe ich." Sie starrte gerade aus, um den Blick Vetinaris nicht zu kreuzen.
"Nun, mir wird nichts anderes übrig bleiben, als euch zu vertrauen. Was gedenkt ihr wegen dem Brief zu unternehmen?"
"Wir wissen es noch nicht, Herr."
"Na, da kann ich euch auch nicht helfen."
"Wir hatten uns erhofft, dass Ihr uns sagen könnt, wie der Brief hier angelangt ist. Mit der Post wohl nicht, sonst wäre eine Marke auf dem Umschlag gewesen", stellte Hatscha fest. Alice sah ihre Kameradin bewundernd an. Sie wäre niemals darauf gekommen.
"Nein, seltsamerweise lag der Brief vor dem Kamin am Fußboden. Ein Bediensteter hatte ihn gefunden, bevor er einheizte." Als Lord Vetinari dies sagte, hellte sich Hatschas Gesicht ein wenig auf.
"Danke, Herr. Ihr habt uns sehr geholfen." Sie drehte sich um und verließ den Raum. Alice bemühte sich sie einzuholen.
"Halt, warte mal. Was du denn? Wie hat uns der Lord helfen können?"
"Oh, ich erklär's dir später. Wir müssen jetzt zur Unsichtbaren Universität." entgegnete al Nasa und lief los, Alice hinterher.
Fähnrich Schmiedehammer saß an seinem Schreibtisch und dachte nach. Er wurde plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als Tod auf ihn zukam. Die Knochen klickten über den Boden.
"NA, SCHWEREN AUFTRAG BEKOMMEN?" wollte Tod wissen.
"Nun, ja." Er zeigte dem Skelett den Brief. Dieses las ihn und man könnte meinen, dass sein knöchernes Gesicht Entsetzen zeigte, was aber relativ unmöglich war.
"NUUUN,...", überlegte Tod. "WER HAT DEN FALL ÜBERNOMMEN?"
"Die Rekrutinnen Hatscha al Nasa und Alice. Aber was mich wundert, ist, dass Hatscha sich sofort freiwillig gemeldet hatte, als es darum ging, wer den Auftrag annimmt."
"HM, SIE WIRD SCHON IHRE GRÜNDE GEHABT HABEN; VIELLEICHT AUCH EINEN VERDACHT."
"Du wirst wohl Recht haben. Aber wer könnte den Brief geschrieben haben? Er wendet sich übrigens an den Patrizier."
"DAS HABE ICH MIR SCHON GEDACHT." Tod hatte mittlerweile begonnen, im Zimmer auf und ab zu gehen, wobei er mit drei Schritten am anderen Ende des Raumes angelangt war.
"Ich habe allerdings keinen blassen Schimmer. Hoffentlich finden sie bald heraus, wer es war, denn übermorgen ist schon der vierzehnte." Schmiede sah seinen Vorgesetzten an. Doch der zeigte (natürlich) keinerlei Gesichtsausdruck. Der Zwerg musste seinen Kopf ganz schön in den Nacken legen, um überhaupt das Gesicht mit seinen Augen zu erreichen.
NA, DANN NOCH VIEL SPASS MIT DEM FALL", meinte Tod und ging in sein Büro.
"Den werd' ich haben...", murmelte Schmiedehammer noch. Das Ganze war ihm immer noch ein Rätsel, und eine Rekrutin soll die Lösung gefunden haben? Er sah sich skeptisch im Raum um und las sich den Brief nochmals durch. Er fand keinerlei Anhaltspunkte.
Währenddessen kamen Hatscha und Alice bei der Unsichtbaren Universität an. Seltsamerweise wurden sie auch sogleich herein gelassen.
"Was wollen wir überhaupt von den Zauberern?" fragte Alice.
"Och, ich will, dass sie Tod beschwören. Ich weiß zwar, dass er Mitglied der Wache ist, aber wo er ist, weiß ich nicht", erklärte Hatscha.
"Was willst du denn von Tod?"
"Ich erhoffe mir eine Antwort auf eine Frage." Hatscha grinste ihre Kameradin an. "Ich erklär's dir schon noch, aber nicht jetzt."
Sie betraten den Großen Saal. Die Zauberer waren gerade beim Essen, was bedeutete, dass sich die Tische wie eine Banane, die mit einem Gummibaum gekreuzt wurde, bogen. Niemand bemerkte, dass zwei Neuankömmlinge da waren, außer einem.
Mustrum Ridcully, Erzkanzler der Universität, winkte ihnen zu und zeigte, dass sie sich doch dazu gesellen sollten. Die Wächterinnen gingen näher an das Gelage heran.
"Na, was führt euch zu uns?" fragte Ridcully und bot ihnen ein gebratenes Hühnchen in der Größe eines halben Ochsen an. Sie lehnten ab.
"Nein, danke, wir haben schon gegessen. Nun, könntet ihr Tod beschwören? Wir wissen im Moment nämlich nicht, wo er ist", erwiderte Hatscha.
Ridcully nickte. "Ja, das dürfte machbar sein. Quäääästor!!" rief er.
"Und dann tanzten wir um das Runde Meer", sagte der Quästor.
"Gebt ihm sofort getrocknete Froschpillen. Wer hat überhaupt zugelassen, dass er Fleisch in seinen Magen bekommt? Dekan?"
"Ja, Erzkanzler?"
"Hol dir genug Zauberer, um den Ritus von AshkEnte auszuführen. Und vergiss das Zubehör nicht!" wies Mustrum den Dekan an. Dieser nickte niedergeschlagen mit einem traurigen Blick auf das vor ihm liegende Schnitzel. Man hörte es fast noch grunzen, so zart sah es aus.
Nach kurzer Zeit schon war alles vorbereitet.
"Was wollt ihr überhaupt von Gevatter Tod?" fragte der Erzkanzler.
"Wir haben eine Frage an ihn, und ohne die Antwort können wir einen wichtigen Fall nicht lösen", erwiderte Alice. Sie hatte mittlerweile das Spiel ihrer Kameradin durchschaut. Nur wusste sie nicht, was sie genau im Schilde führte. Aber man kann ja mal mitspielen, auch wenn man die Regeln erst während des Spieles erfuhr.
Fähnrich Schmiedehammer klopfte an die Tür von Tods Büro.
"HEREIN!" wies ihn das Skelett auf. Schmiede betrat den Raum, der sehr farbenfroh aussah. Die Wände waren schwarz. Der Fußboden war schwarz, aber wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass er ein wenig schwärzer als die Wände war. Der Schreibtisch hingegen war weiß. Er kontrastierte so richtig zum Rest. Tod konnte man gut hinter dem Tisch erkennen.
"Ich habe eine Frage an dich", wollte der Fähnrich sagen, doch er kam nur bis zu "Ich habe ei...". Dann verwischten sich langsam die Konturen des Schnitters.
"SO EIN MIST! JETZT WERDE ICH MAL WIEDER GERUFEN. WEHE, WENN ES NICHTS WICHTIGES IST!" sagte er noch und verschwand.
Kurz darauf tauchte er in einem magischen Bannkreis in der Unsichtbaren Universität wieder auf.
"Oh, letzter Geleiter der Seelen..." sagte Ridcully ehrfurchtsvoll.
"ACH, LASS DOCH DIESES GEREDE UND SAG MIR, WAS DU WILLST!" sagte Tod ungeduldig. Der Erzkanzler schaute beleidigt.
"Diese beiden Wächterinnen hier haben eine Frage an dich."
Hatscha und Alice salutierten. "Ja, könntest du uns sagen, wo wir jemanden von den Gehilfen des Schneevaters finden können?" fragte Hatscha.
Tod versuchte, einen verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen. Es misslang ihm.
"WIESO WOLLT IHR DAS WISSEN?" erwiderte er.
"Nun, wir haben da einen Verdacht..." erklärte Alice.
"ICH KANN ES EUCH SAGEN. HERR LEBKUCHEN IST EIN GEHILFE UND ER WOHNT IN DER RAUHREIFGASSE", antwortete das Skelett. Die beiden Wächterinnen bedankten sich und machten sich auf den Weg zu ihrem nächsten Kunden. Tod schüttelte verwundert den Kopf. Die Zauberer zuckten nur mit den Schultern.
"NUN, WENN IHR ERLAUBT? ICH GEHE DANN WIEDER ZURÜCK AN DIE ARBEIT." Die Zauberer nickten nur.
"Ja, du kannst gehen", sagte der Dekan und erhoffte sich damit eine wichtige Ergänzung zum Gespräch zu liefern.
In der Rauhreifgasse angekommen, sahen sich Hatscha und Alice erst einmal um. Dann gingen sie zur erstbesten Tür und klopften an. Eine etwas ältere Frau öffnete. "Ja?"
"Ähm, wir suchen einen gewissen Herrn Lebkuchen", sagte Hatscha.
"Der wohnt hier nicht. Da müsst ihr drei Häuser weiter gehen, dort fragt noch mal nach." Die Frau verschloss ihnen die Tür.
Drei Häuser weiter klopften sie wieder an und ein junger Mann mit einer Bommelmütze auf dem Kopf stand in der Tür. Er sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen.
"Was wollt ihr?"
"Wohnt hier Herr Lebkuchen?" erwiderte Alice. Was Hatscha vorhatte, wusste sie immer noch nicht. Sie überließ alles ihr.
"Ja, im zweiten Stock. Ich bringe euch hoch." Sie stiegen einige sehr alte und sehr zerbrechlich aussehende Treppenstufen hinauf. Dann blieben sie vor einer roten Tür stehen.
"Herr Lebkuchen, Besuch für Sie!" rief der Mann. Die Tür wurde geöffnet und ein sehr warm bekleideter kleiner Mann stand im Rahmen. "Diese beiden jungen Damen wollten Sie sprechen."
"Kommt herein. Herr Porta, sie können wieder gehen", sagte Lebkuchen. Das Innere des Zimmers sah sehr festlich aus, überall waren rote und weiße Kerzen, die den Raum mehr oder weniger gut erhellten.
"So, also, was wollt ihr von mir?"
"Sie arbeiten doch für den Schneevater", stellte Hatscha al Nasa fest. Ihre Begleiterin hatte beschlossen, die Sache Hatscha erledigen zu lassen.
"Ja, das tu ich."
"Nun, können Sie mir sagen, wie wir ihn finden können?" fragte die Wächterin.
"Tja, im Moment dürfte er in seinem Schloss zu finden sein. Aber er ist zurzeit nicht sehr glücklich, weil ihm nämlich das Geld ausgegangen ist. Und wie soll er jetzt für die Kinder die Geschenke kaufen?" erklärte der Gehilfe. Die Rekrutinnen nickten. Ja, das war tatsächlich ein Problem.
"Aber wer bezahlt ihn denn eigentlich?"
"Das weiß ich nicht genau, soweit es mir bekannt ist, bekommt er Geld dafür, dass er sich von gewissen Malern abmalen lässt. Bisher ist er anscheinend damit durchgekommen."
"Aber jetzt haben alle ein Bild von ihm und niemand braucht ihn mehr zu malen, also bekommt er kein Geld mehr", ergänzte Hatscha. "Ja, das klingt logisch. Kannst du uns zu ihm führen? Vielleicht können wir ihm helfen."
Herr Lebkuchen war einverstanden. "Wenn ihr ihm helfen könnt..."
Sie machten sich auf den Weg.
Nach einer seltsamen Reise, Hatscha und Alice konnten sich am Ende nicht mehr daran erinnern, wie sie überhaupt verlaufen war, kamen sie endlich im Domizil des Schneevaters an. Es sah wie ein Schloss aus Schnee aus, das kurz vor dem Einsturz war. Der Schnee schmolz langsam dahin.
"Er hat nicht einmal mehr Geld für die Renovierung seines Zuhauses!" schluchzte Herr Lebkuchen. Hatscha begutachtete das baufällige Schneeschloss und betrat es. Innen sah es nicht besser aus als außen.
"Armer Schneevater", sagte Alice.
Sie erreichten eine große Halle. "Jetzt könnt ihr nicht weiter. Unbefugten ist der Zugang nicht erlaubt. Ich werde ihn holen", erklärte der Gehilfe.
Die Wächterinnen warteten, während der Mann durch eine weiße Tür verschwand. Kurz darauf erschien er wieder in Begleitung eines in Rot gekleideten dicken und recht kleinen Mannes, der eine lächerliche rote Zipfelmütze trug.
"Oh, Schneevater, schön dich zu sehen."
"So? Das ist das erste Mal seit langem, dass das jemand sagt. Die anderen erinnern mich nur immer an meine Schulden." Der Schneevater schnäuzte sich in ein Taschentuch, das mit Engeln bestickt war.
"Tja, wir haben eine Frage an dich. Wir, das heißt, eigentlich Lord Vetinari, hat einen Brief bekommen, der ihn um Geld bittet. Ich habe vermutet, dass er von einem deiner Gehilfen stammen könnte, da ich schon dachte, dass du die Geschenke für die Kinder nicht aus dem Nichts holen kannst. Nun, das war natürlich nur eine Vermutung, die zufällig auf die Beschreibung im Brief gepasst hat", erklärte Hatscha.
"Ok, ich geb's zu, der Brief stammt von mir persönlich, weil ich wirklich Geld brauchte. Aber ehrlich gesagt, hätte ich niemals den Patrizier umgebracht. Das war nur als Drohung gedacht, weil er doch hatte, was ich brauchte." Der Schneevater brach in Tränen aus.
"Na na, wer wird denn hier weinen. Wir werden sehen, was sich tun lässt. Alice, hast du eine Idee?" tröstete Hatscha den Dicken. "Die Maler werden garantiert noch viele weitere Bilder von dir brauchen, da auch solche Gemälde nicht unzerstörbar sind. Also, du wirst schon noch zu deinem Geld kommen." Sie lächelte ihm aufmunternd zu. Er rang sich ein Grinsen ab.
"Danke für eure Hilfe. Die Drohung lass ich natürlich fallen."
Sie verließen den Schneepalast. "Lass dein Heim am Besten gleich, wenn du die Geschenke bezahlt hast, renovieren!" riet Alice. Hatscha lachte. Sie blickte zurück auf die große Ansammlung von Schnee, die zufällig wie ein Schloss aussah.
Der Schneevater brachte sie in seinem Schlitten wieder zurück nach Ankh-Morpork, wo auch gleich ein Maler auf sie zu stürzte. "Herr Schneevater, lassen Sie mich Sie malen!"
Erfreut grinste dieser und willigte ein.
Alice und Hatscha al Nasa verabschiedeten sich vom Schneevater und von Herrn Lebkuchen, dann gingen sie ins Wachhaus zurück. Schmiede und Tod erwarteten sie schon.
"Na, Fall gelöst?" fragte Schmiede.
"Ja", erwiderte Hatscha und erklärte ihren Vorgesetzten und vor allem Alice den Fall.
"Aber wie bist du darauf gekommen, dass es der Schneevater war?" wollte Alice am Ende wissen.
"Also, zum Einen, im Brief stand etwas von roter Zipfelmütze. Dann wurde zum Zweiten der Brief vor dem Kamin des Patriziers gefunden. Als ich dann erfuhr, dass er an Geldmangel litt, war ich mir vollkommen sicher. Zu dieser Zeit darf dem Schneevater einfach kein Geld fehlen", erwiderte Hatscha. Sie blickte in die Runde, sah Tod an und fing an zu lachen. Die anderen stimmten mit ein. Schmiedehammer fragte sich noch: Warum bin ich nicht selbst dahinter gekommen?
Am nächsten Tag warteten Hatscha und Alice mal wieder im Vorraum des Patrizierpalastes. Lord Vetinari wollte dringend mit ihnen sprechen. Sie betraten das Audienzzimmer. Vetinari saß ihnen zugewandt in seinem Sessel und blickte sie an, während er seine Fingerspitzen aneinander drückte.
"So, also habt ihr den Fall tatsächlich gelöst", sagte er unbestimmt.
Ein Bote betrat den Raum. "Rekrutin Alice? Sie werden im Wachhaus gebraucht." Alice verließ das Zimmer.
"Hatscha, hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, warum sich die Leute eine Person wie den Schneevater ausgedacht haben? Und dann mache dir mal Gedanken über Tod. Er weißt einige interessante Ähnlichkeiten mit dem Schneevater auf, meinst du nicht? Sie sind beide antromorphe Personifizierungen."
Hatscha sah stur gerade aus. "Sir, wollen Sie etwa behaupten, dass so etwas auch mit Kommandeur Tod passieren könnte?"
Vetinari sagte nichts. Sein Blick genügte.
Hatscha verließ mit gemischten Gefühlen den Palast. Sie war davon überzeugt, dass der Patrizier ausnahmsweise einmal Unrecht hatte.
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