Das Märchen von Charlie

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von Agentin Angie LeFay (IA)
Online seit 08. 11. 2001
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Der Mond schiebt sich vor die Sonne, die Scheibenwelt bebt und seltsame Dinge geschehen.

Dafür vergebene Note: 12

Der Mond schob sich langsam vor die Sonne und tausende Kobold-, Gnom-, Zwerg-, Menschen-, Untoten-, Troll-, Tier- und sonstige Augen beobachteten das Duell, welches sich die beiden lieferten. Kurz sah es aus, als würde sich die Sonne gegen den Angriff ihres kleinen Bruders wehren können, doch letztendlich siegte dieser und verdeckte mit letzter Kraft seine Schwester, die Erde begann zu beben, die Kobolde/Gnome/Zwerge/Menschen/Untoten/Tiere/Sonstige gerieten in Panik, Ziegel stürzten von den Dächern, Tassen und Teller zerbarsten am Boden, Babys begannen zu heulen, Dunkelheit breitete sich aus. Zwischendurch erhellte das kleine Flackern eines Zündholzes die nähere Umgebung, sorgte für noch mehr Panik und Chaos, um kurz darauf wieder zu erlöschen.

Auch weit draußen, inmitten des oktarinen Graslandes befanden sich Zuseher für dieses Schauspiel. Tausende Augen seltsamster Lebewesen, die den meisten Teil ihrer Zeit buddelnd unter der Erde verbrachten, wandten sich ihrem Freund Mond zu und feuerten ihn an. Nur der Mistkäfer Charlie, dem alles egal war, solange er nur seine Kugel vor sich herrollen konnte und genug Nahrung fand. Charlie war auch für einen Käfer nicht sonderlich intelligent, weswegen ihn die anderen Bewohner des Graslandes meistens hämisch auslachten, kurz gesagt, er war ein typischer Außenseiter. Nun wurde es zusehends finsterer und obwohl der Tag relativ kurz schien, interpretierte der kleine Mistkäfer in die abnehmende Helligkeit den Beginn der Nacht und begann sich nach einem geeigneten Quartier umzusehen. Auch er merkte, dass irgendetwas nicht ganz stimmte, die Nacht brach viel zu schnell herein, aber vielleicht war er ganz einfach nur viel zu müde und langsam und deshalb wirkte heut alles andere viel zu schnell. Gerade als er eine verlassene Behausung gefunden hatte, merkte er ein Beben unter seinen kleinen Füßchen. Er konnte sich nicht mehr halten, fiel auf den Rücken. Die Erde bebte weiter und ein Spalt tat sich im Erdreich auf. Charlie rechnete damit, jeden Moment das Zeitliche zu segnen und flüsterte noch ein letztes Stoßgebet in Käfersprache zu seinem Gott Zcxptvj (die Käfersprache ist sehr komplex). Plötzlich kehrte Ruhe ein, es wurde wieder heller, die Erdbeben verflüchtigten sich genauso schnell wie sie gekommen waren und seltsame Gase stiegen aus der Erdspalte. Das letzte Beben hatte Charlie wieder auf die Beine gebracht und erleichtert holte er tief Luft. Plötzlich spürte er wie sein Panzer zu spannen begann und zerbarste. Sein gesamter Körper begann sich zu verändern, zu wachsen und dort wo sich der alte Panzer befand, bildete sich ein neuer, viel größerer, geräumigerer und Charlie begann zu denken, das erste mal in seinem Leben dachte er, nicht dieses kleinkarierte kaum über Überlebensinstinkte hinausgehende Denken, nein, ein richtiges Denkmuster überflutete sein Bewusstsein.

Die Wächterin Angie LeFay war den ganzen Tag schon etwas nervös gewesen. Irgendetwas lag in der Luft und es war nicht der Geruch des Ankhs, nein, es war irgendetwas das man nicht riechen konnte und trotzdem war es vorhanden. Während des Bebens war sie gerade dabei, das Archiv nach alten Akten über ihren neuesten Informanten zu durchforsten. Abgesehen davon, dass sie eine ziemlich starke Erkältung mit sich herumschleppte (sie hasste Humph immer noch für dieses sommerliche Kleid mitten im tiefsten Herbst) wanderte jede Menge an Staub in ihre Lungen und erleichterte das Atmen nicht sonderlich. Der Berg an angeschneuzten Taschentüchern neben ihrer Rechten wurde immer größer, plötzlich begann sich genau dieser zu bewegen und ein fluchender Harry kam zum Vorschein.
"Korporal LeFay, kannst du nicht darauf achten wo du deinen Müll ablädst, immer diese Diskriminierung der kleinen Rassen" grumpfelnd griff Harry nach einem noch unbenutzten Taschentuch um sich gelbgrünliche klebrige Masse von seiner Uniform zu wischen. Angie verzog ihr Gesicht.
"Ähm tut mir leid, ich wusste nicht ..."
"Was heißt hier tut mir leid, du hast doch Augen im Kopf oder was ist das sonst? Es ist nicht sehr angenehm unter einem angerotzten Berg Taschentücher aufzuwachen."
"Sir, so etwas wir nie wieder vorkommen"
"Da bin ich mir sicher dass so etwas nie wieder vorkommt, ich glaube es wird Zeit dass ich Lewton mal wieder nen Besuch abstatte, damit er euch R.U.Ms Manieren beibringt. Das letzte mal, als ich mirs gerade nach meiner Kaffeepause hinter dem Kaffeedämonen gemütlich gemacht hatte wurde ich von einem Schwall heißen Wasser das von Rina kam, angeleert und Charlotta hat den Papierkorb ausgeleert, während ich darin nach einer Notiz suchte und Panther hatte einfach die Frechheit mit seinem Mantel nach Haus zu fliegen, während ich darin schlief und dabei leide ich eh unter Höhenangst und Schmiede habe ich belauscht, als er verschwörerisch über die kleinen der Wache sprach, dabei ist er selbst nicht mal sonderlich groß und Pigeon, die sieht mich immer so an als ob ich potentielles Futter wäre und ..."
Harry war gerade voll in Fahrt gekommen, als die Erde zu beben begann. Die Akten fielen aus den Regalen, der Gnom wurde in eine Staubwolke eingehüllt und verschwand unter einem Berg medizinischer Daten der Wächter. Angie versuchte so viel wie möglich zu retten, versuchte ihre Hände und Beine überall gleichzeitig zu haben, klammerte sich zwischen die Regale, fiel auf den Boden und das Inventar stürzte auf sie herab.

Die ersten Stunden in seiner neuen riesigen Gestalt verbrachte der Käfer Charlie damit, Ängste auszustehen, die er vorher nicht kannte. Vor diesem Beben war er klein und sein Leben drehte sich ums Fressen, sinnlos Mistkügelchen durch die Wiesen zu schieben, fressen und darauf zu achten nicht gefressen zu werden. Doch plötzlich machte er sich Gedanken darüber, ob es den Käferhimmel wirklich gab oder ob dies nur blöde Gerüchte waren, um zu beruhigen, er machte sich Gedanken darüber, dass ihn die anderen nicht leiden konnten, dass er von Feinden umgeben war ... Etwas später wurde ihm bewusst, dass er nun den anderen Bewohnern etwas voraus hatte und aus Angst sie könnten ihn auslachen oder etwas antun, begann er sie zu tyrannisieren, setzte sich auf seinen selbst gebauten Thron und die anderen Insekten der Gräser waren nur von ihm sicher, wenn sie ihn mit ausreichend Nahrung versorgten.

Angie hatte die letzten Wochen im Bett verbracht, während Harry das Erdbeben völlig unverletzt überstand hatte. Angie hatte Kopfschmerzen in Form einer Gehirnerschütterung und ein gebrochenes Schienbein davongetragen, besser gesagt hatten ihre Kollegen Angie mit Verletzung aus dem Archiv getragen. Auf das Angebot von Humph und seinen Kobold, sie zu heilen, war sie nicht eingegangen, da es noch niemand für notwendig erachtet hatte, zu erforschen ob diese irgendwelche Nebenwirkungen hervorrufen und da Angie schon mehrere Situationen in Verbindung mit Humph erlebt hatte, die sie lieber aus ihrem Leben streichen würde, zog sie den natürlichen Heilungsweg vor und genoß jene Wochen in denen sie ans Bett gefesselt wurde. Ihre Kollegen besuchten sie täglich zu einem Plauscherl, Frau Kuchen konsoldierte sie regelmäßig und sie machte enorme Fortschritte in Sachen Gedanken lesen, die schlaflosen Nächte verbrachte sie damit, in den Köpfen der Stadtbewohner herumzuspuken. So lernte sie eine gewisse Frau Klaglos kennen, deren Ehemann ihr jeden Wunsch fast von den Augen ablas, einen frechen Waisen namens Klido, der sich sein Geld durch das Erzählen von witzigen Geschichten verdiente, sie verwirrte Herrn Witwenmacher indem sie ihn gedanklich dazu zwang, nackt durch die Straßen zu laufen und "ich bin so frei, yeah, ich bin so frei" zu singen. Irgendwann hatte Angie es geschafft, in den Köpfen der Personen Illusionen zu erzeugen, tja und da Angie spektakuläre Auftritte liebte, hatte sie nun ein neues Hobby. So ließ sie zB einen jungen Mann glauben, dass sie der Gott der Heilung sei, gab ihm einige Ratschläge mit und jener junge Mann sammelte anschließend 12 Jünger um sich und versuchte allen weiszumachen, dass er Gelähmte und Blinde heilen konnte. Einer jungen Frau, sie hieß Johanna, machte sie weis, dass sie sofort in den Krieg ziehen musste und kurz darauf machte sie sich auf die Suche nach Krieg. Einem Arzt namens .... machte sie weis, dass Sex die Grundlage aller psychischen Probleme ist und einem jungen Zauberer namens Merlin schickte sie in ein unbekanntes Land auf die Suche nach einem König, der die Welt retten sollte. Doch nach einigen Tagen erhielt sie eine Mahnung aus der unsichtbaren Universität und eine Standpauke von Frau Kuchen, dass sie nicht ziellos an der eh schon angekratzten Realität herumpfuschen konnte und Dinge auf die Scheibenwelt bringen, die nicht hierhergehörten. Also musste sie dieses Hobby wieder aufgeben, doch langweilig wurde ihr noch lange nicht. Eca besuchte sie so oft sie konnte und hin und wieder blickte auch Humph vorbei und wenn dieser schlief diskutierte sie gelegentlich mit seinem Kobold. Auch Sidney besuchte sie jeden Tag und brachte ihr hin und wieder ein kleines Geschenk und dann war da noch Zaddam Boschnigg. Ihr Kollege hatte sich gleich nach ihrem Unfall freiwillig zu ihrem privaten Krankenpfleger ernannt. Anfangs war Angie skeptisch, sie war Zad nur hin und wieder mal kurz begegnet und wenn sie miteinander sprachen, hatte dies nur berufliche Gründe. Deshalb verstand sie nicht warum er sich so für sie einsetzte und sie war sehr sehr misstrauisch. Doch bald erlag sie dem Charme dieses überaus höflichen Vampires, der mehrmals am Tag nach dem Rechten sah und sie mit frischen Blumen und köstlicher Schokolade versorgte. Schnell hatte sie sich mit ihm angefreundet.

Die Insekten waren träge. Das Leben als Herrscher über Krabbelgetier stellte sich auch nicht als die wahre Erfüllung heraus. Das Grasland bot nicht genügend Nahrung für einen Mistkäfer dieser Größe und jeden Abend wehte der Wind einen Geruch an, einen Geruch, der ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Bald erkannte Charlie, dass es Zeit war, aufzubrechen, eine Wanderung in Richtung Nahrung zu beginnen. Also ernannte er einen Vertreter für die Zeit seines Fernbleibens (er plante bald wieder in seine geliebte Heimat zurückzukommen und er hatte auch schon einen Plan wie er hier für genügend Nahrung sorgen könnte, doch zuerst musste er zur Quelle vorstoßen) und machte sich auf. Nur noch eine dicke, totgetrampelte Spur im Gras erinnerte einen Tag nach seinem Abschied an Charlie. Riesige Kugeln im Gelände säumten seinen Weg.

Es war ein strahlend schöner Herbsttag. Die Nebelschwaden hatten sich verzogen, Bernadette hatte sich gemeinsam mit ihrem vierjährigen Sohn Jakob aufgemacht, um Pilze zu suchen. Der Wald von Skund war bestens bekannt für seinen ausreichenden Schwammerlwuchs und die beiden hatten noch einen weiten Weg vor sich. Bernadette nützte diese Wanderungen immer, um Jakob über die örtliche Fauna und Flora aufzuklären. Bernadette war gerade dabei zu erklären, woran man die Sprösslinge eines Gingsterbusches erkannte, als Jason zu ihr meinte:
"Mama, darf ich auf diesen Käfer hier mal reiten?"
"Ach Jakob, du weißt doch, dass Käfer viel zu klein zum Reiten sind"
"Aber dieser hier nicht, Mama, und er sieht auch ganz niedlich aus"
Bernadette drehte sich um und blickte in ein riesiges Kiefer, ein typischer Schrei wie aus einem schlechten Horrorfilm entkam ihr, sie packte Jakob, wie sie ihn gerade erwischte und lief und lief, ohne zurückzublicken.

Charlie hatte sich kurz erschreckt, als die Frau so zu schreien begann und sah ihr dann verwundert nach, dachte nicht mehr lang daran und setzte seinen Weg fort. Vor sich rollte er eine riesige Kugel aus Erde, Insekten, Gras und was sich sonst noch so in den Wiesen befand. Gegen Abend hörte der Käfer Stimmen näherkommen. Neugierig wanderte er ihnen entgegen. Schon von weiter Ferne sah er die Fackeln. Diese Art von Geräuschen war ihm neu und die Neugierde trieb ihn voran. Als er in Sichtweite der Menschen war, begannen diese zu jubeln und stürmten auf den Riesenkäfer zu. Charlie freute sich, doch diese sollte nicht allzu lange anhalten. Etwas pfiff an ihm vorbei, streifte sein Maul und ein riesiger Schmerz breitet sich aus. Charlie schrie auf, ein Quietschen, und dann lief er, panisch suchte er nach einem Versteck. Die bewaffneten Männer folgten ihm unaufhörlich. Charlie fand eine Höhle, lief hinein, in der Hoffnung dass ihm diese Wesen hierhin nicht nachlaufen würden. Er drang immer tiefer in die Höhle vor, bis er anstand. Hinter sich hörte er die Stimmen näherkommen. Er fasste einen Plan, er konnte nicht anders. Schreiend stürzte er durch die Meute, biss mit seinen kräftigen Kiefern zu und ließ einige verletzte Männer hinter sich. Die anderen hatten aufgehört, ihm zu folgen.

Angie verbrachte wieder mal eine öde Nacht in ihrem Bett, dem Bett, das sie mittlerweile hasste. Am Vortag war sie schon kurz versucht gewesen Humph um seine Hilfe bei der Heilung bitten, doch ihr Stolz machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Nein, sie konnte doch nicht zuerst ablehnen und dann doch darum bitten, dann konnte sie ja gleich zugeben, dass alle anderen recht hatten und sie unrecht. Zaddam hatte Nachtschicht und Sidney war gerade gegangen und nun würde sie die ganze Nacht alleine verbringen. Langsam lies sie die Gedanken durch die Stadt streifen, auf der Suche nach einer interessanten Person. Plötzlich bekam sie Angst, sie wusste nicht genau warum oder wovor, doch es waren die typischen Zeichen der Angst, irgendetwas stimmte nicht. Eigentlich hätte sie eine Eilbrieftaube an Sid schicken können, er wäre sofort gekommen, doch auch dazu war sie zu stolz. Was sollte sie sagen? Ich habe Angst vor nichts. Nein, niemals. So verbrachte sie Stunden der Panik in ihrem Bett, bis zum Morgengrauen, als sie sich wieder verflüchtigte.

Charlie hatte aus seinem Erlebnis gelernt. Er wollte niemanden etwas antun, doch sie liesen ihm keine Wahl. Er wurde vorsichtiger und wanderte nur mehr bei Nacht, geleitet von dem ihm immer näher kommenden und immer bekannter werdenden Geruch. Die Tage verbrachte er in Höhlen, wo er sie nur finden konnte und war gerade keine in Sichtweite, baute er sich ein Nest aus Blättern und Zweigen, unter dem er sich versteckte. Es fiel ihm schwer, unter Tags zu ruhen, sein Ziel schien immer näher zu kommen und er wurde ungeduldig, er lechzte nach Nahrung. Der Boden allein konnte ihn seit seiner Metamorphose nicht mehr ernähren. Er hungerte und so musste er sich des öfteren Nachts in menschliche Siedlungen schleichen und nach totem Vieh Ausschau zu halten, welches er dann gierig verschlang.

Gerüchte verbreiten sich schnell und so war sein Ruf Charlie längst vorausgeeilt. Die Rede war von einem riesigen Monster, das sicherlich aus den Kerkerdimensionen stammte. Ein Monster, das Nachts in die Siedlungen eindrang und jegliches Vieh verspeiste und seit in einem Dorf zwei Teenager abgehauen waren, war auch die Rede von einem Monster das mit Vorliebe Jungfrauen verspeiste. Das Verschwinden des Jungen wurde mittels einer tapferen Heldentat, bei dem Versuch sein Mädchen zu retten, wobei er allerdings auch dem Monster zu Opfer fiel, erklärt.

Angies Angstzustände hatten sich Nacht für Nacht verstärkt und sie hatte vor allem Angst davor paranoid zu werden, was sie in einen Teufelskreis geraten lies. Eines Tages vertraute sie sich Frau Kuchen an und mit Hilfe dieser kam sie drauf dass dies nicht ihre Angst war, sondern dass sie zu jemanden anderen gehörte. Bald merkte sie auch, dass dies keinesfalls die Angst eines Menschen war, sondern von jemanden, der im Grunde ganz stark war und der schreckliches erlebt hatte, jemand dessen Bewusstsein von einer sehr starken Aura umgeben sein musste. Angie konnte sich mittlerweile mittels Krücken fortbewegen. Wobei fortbewegen nicht unbedingt der treffendste Ausdruck ist. Es handelte sich vielmehr ein Stolpern des gesunden Fußes über die beiden künstlichen Beine. Auf jeden Fall machte sie sich auf durch die Stadt, um jenes Wesen, welches so sehr leiden musste, zu finden. Nach einigen Stunden kehrte sie allerdings erschöpft und enttäuscht in ihre Wohnung zurück. Sie war kaum einige Minuten zu Haus als sie jenes beklemmende Gefühl wieder sehr stark erlebte, näher und stärker als je zuvor und in Gedanken formte sie einen Namen. Einige Minuten klopfte es an der Tür und Angies Kollegin Charlotta trat ein.
"Hello Charlie" grüßte Angie, ein Blitzgedanke traf sie und interessiert musterte sie die Werwölfin.

Das Gerücht über ein menschenverschlingendes Wesen aus den Kerkerdimensionen, welches seine Opfer mittels einer riesigen Zauberkugel erledigte, drang schnell bis nach Ankh Morpork vor. Und obwohl der Patrizier nicht an solche Geschichten glaubte und auch keine unmittelbare Gefahr für seine Stadt erkennen konnte, verstärkte er die Truppen an den Stadttoren, vor allem zur Beruhigung der Bewohner. Dies bedeutete vor allem für die F.R.O.G.s zahlreiche Überstunden und die Wächter waren nicht sonderlich glücklich.

Charlies Drang, zu seinem Ziel zu gelangen, wurde größer und größer und ließ ihn gelegentlich unvorsichtig werden. Er vergaß hin und wieder zu essen, bis er fast wieder zu schwach wurde, um seinen schweren Panzer mitzuschleppen. Zuerst ließ er immer seine Kugel zurück, die dann ein schönes Monument in der Landschaft abgab, doch auch dies hielt nicht allzu lang an und dann blieb ihm nur noch die Variante, essen zu beschaffen. Durch die Knappheit an, für seine Ansprüche gerechten, Humus hatte er sich immer wieder an Tieren zu schaffen gemacht. Zuerst hatte er nur jene verspeist, die er bereits tot aufgefunden hatte, doch seine Reise kostete Kraft und bald lernte er die Dummheit von Schweinen und Kühen auszunutzen und sie zu überwältigen.

"Hallo Angie, wie geht’s dir, ich habe hier wieder einige Akten für dich zu bearbeiten?"
"Oh mir geht’s gut, aber was ist mit dir?" Angie warf einen mitleidigen Blick zu ihrer Kollegin. Sie mochte Charlie, sie war irgendwie eine Leidensgenossin, tappte von einem Fettnäpfchen ins andere, genauso wie Angie und es war immer schön wenn man wusste, dass man eine Leidensgenossin hatte. Die Wächterin freute sich über den Besuch von Charlie. Die letzten Beiden Tage war Tunnelblick dazu abkommandiert worden, nach der Wächterin zu sehen und Angie fand das relativ langweilig. Erstens kannte sie ihn kaum und bei dem gut gemeinten Versuch ihn kennenzulernen, hatte sich bald herausgestellt, dass sie mit diesem seltsamen Kerl kaum etwas gemeinsam hatte, außerdem hatte sie immer das Gefühl, dass er sich lieber mit sich selbst als mit anderen unterhalten würde und die Wächterin war jedes Mal erleichtert, wenn er wieder weg war. Ach ja und hin und wieder kam auch Rina vorbei, mit ihr konnte sie hervorragend über Mode sprechen, es interessierte sie zwar genauso wenig wie alle anderen, doch sie hatte gezwungenermaßen etwas Ahnung davon und Angie fand dass Rina im Grunde ihres Herzens doch etwas eitel war. Auch Panthers Besuche genoss Angie, ihm konnte sie alles erzählen was ihr gerade so einfiel und er hörte aufmerksam zu, wahrscheinlich um selbst nicht sprechen zu müssen, doch das war ja egal. Und Schmiede erzählte ihr immer den neuesten Tratsch, doch leider war er zu sehr mit seinen Rekruten beschäftigt, um öfter mal vorbeizusehen. Lewton hatte sich nach seinem ersten Besuch mit einer Ausrede von wegen zu viel Farben und Gerüche, das hält ein alter Werwolf nicht aus, entschuldigt und Pigeon war eindeutig zu groß für die Treppe. Ach ja, die Besuche von Charlie waren ihr am liebsten und nun hatte dieses Mädchen so ein schreckliches Problem"
"Angie alles okay?" wurde sie von der sanften Stimme der Wächterin aus ihren Gedanken gerissen.
"Ach ja, hab nur kurz etwas überlegt, aber nun mal zu dir, geht’s dir auch wirklich gut?"
"Sicher doch"
"Wenn dich irgendetwas bedrückt, du weißt dass du jederzeit zu mir kommen und sprechen kannst, ich weiß nicht ob ich dir helfen kann, aber reden allein hilft oft schon ein wenig."
"Bei mir ist alles okay" die Werwölfin blickte ihre Kollegin verwundert an.
Angie legte den Arm um ihre Kollegin und dachte: "Was die wohl alles durchmachen musste."
Charlotta zuckte ein wenig angesichts der Umarmung und beschloss mal mit den anderen Angies Geisteszustand zu analysieren und verabschiedete sich relativ rasch.

Der Winter hatte diesmal auch die Stadt überrannt, Schneeflocken (momentan in Form von Küken) bedeckten die Stadt. Angie war seit einigen Wochen wieder voll einsatzfähig und hatte auch schon fast die versäumte Arbeit nachgeholt. In ihrer freien Zeit suchte sie den Kontakt mit Charlotte, die es allerdings elegant schaffte der aufdringlichen Kollegin, die sie grundlos zum Psychiater schicken wollte aus dem Weg zu gehen.

Sidney, Humph und Zaddam hatten Wachdienst am mittwärtigen Tor. Die Gerüchte über das Monster hatten sich verstärkt und somit auch die Anzahl der Wächter die abkommandiert wurden. In Mäntel gehüllt warteten der Mann, der Werwolf und der Vampir nur drauf, nach Dienstende ihre Frostbeulen zu sehen.
"Ach wie sinnlos" seufzte Humph "bei diesem Schneetreiben würden wir es sowieso erst erkennen, wenn es gerade an uns vorbeiläuft"
"Wie recht du doch hast", antwortete Zaddam.
"Ich sollte mich in einen Wolf verwandeln" dachte Sidney, der nicht unbedingt heiß auf Humphs Gegenwart war "dann hätte ich wenigstens noch ein Fell zusätzlich, doch mit Pfoten lassen sich Armbrüste so schwer bedienen"
Eine zeitlang schwiegen die Männer.
"Ihr seid doch beide enger mit Angie befreundet" begann Zaddam schüchtern das Gespräch.
"Tja, mehr oder weniger eng" meinte Humph und warf einen wissenden Blick zu Sidney, der sich abwandte und an seiner Armbrust zu basteln begann.
"Was ist mit ihm?" fragte der Vampir zu Sid gewandt.
"Ach, der ist nur schlecht drauf, aber warum fragst du das eigentlich?"
"Na ja, also" druckste Zad herum.
"Was ist?"
"Also, ich wollt eigentlich nur fragen, ob ihr wisst ob Angie, na ja, schon in festen Händen ist."
"Nicht dass ich wüsste" antwortete Humph.
"Weißt du was Sidney?"
"Grmpf"
"Ach, lass ihn doch in Ruhe"
Verschwörerisch beugte sich der Vampir zu Humph: "Meinst du ich hätte eine Chance bei ihr? Ich mein, hat sie über mich gesprochen?"
Sidneys Gesichtszüge härteten sich, nur seine Augen begannen zu funkeln und dann folgte ein Hustenanfall.
"Was ist los Sidney?"
Noch bevor Sidney antworten konnte, donnerte es neben den Wächtern.

Als Charlie am Morgen erwachte, roch er sein Ziel näher als je zuvor und er wusste, es konnte sich nur mehr um Stunden handeln und obwohl die Kälte seine Glieder sehr lähmte, wurde er in seiner Wanderung von Stunde zu Stunde immer schneller. Vor sich rollte er, wie er es halt gewohnt war, eine Kugel, diesmal aus Schnee. Er wusste, Menschen, seine größten Feinde befanden sich an dem begehrten Punkt, doch er wollte nur eines, dort hin, egal zu welchen Preis. Während die Wächter in ihr Gespräch vertieft waren, donnerte der Käfer mitsamt Kugel, die den Weg räumte durch das Tor.
"Das ist es, das war das Monster" schrie Zad und die drei Wächter rüsteten sich zur Verfolgung.
Charlie lief die Strasse entlang, Kinder sprangen mit ihren Rodeln zur Seite, er passierte den Eingang zum Park des Patriziers, die Palastwachen starrten verdutzt hinterher, riss mit voller Wucht einige Bäume aus ihren Wurzeln, durchstieß die Mauern des Gartens und folgte weiterhin der Straße auf direktem Weg zur Messingbrücke.

Angie befand sich mitten in einer R.U.M. – Dienstbesprechung, als sie jene Panik wieder in sich hochkommen spürte. Zwei Meter neben ihr saß Charlotta und das erste mal zog Angie in Erwägung, dass diese Angst nicht von Charlie ausging, sie war zwar nahe, allerdings nicht so nahe. Angie stürmte aus Lewtons Büro und dachte nicht mal dran, ihre Jacke mitzunehmen.

Charlie war an der Messingbrücke zu stehen gekommen. Er atmete tief ein, er war glücklich, überaus glücklich, nun konnte geschehen was wollte, er hatte sein Ziel erreicht. Rings um ihn hatten sich unsere Wächter und die der Palastwache postiert, beobachteten den Riesenkäfer und ihre Waffen waren abschussbereit. Sidney war gerade am abdrücken, als etwas vom Himmel plumste.
"Nein, nicht, er will nichts böses" schrie Angie verzweifelt.
"Wie ein Engel, der vom Himmel kommt" fiel es Zad in den Sinn.
Ein Pfeil sauste knapp über Angie vorbei, genau Richtung Charlie.
"Nein" schrie Angie abermals.
Der überdimensionierte Käfer sah das Geschoss kommen, reagierte blitzschnell und warf sich über das Gelände in den Ankh. Angie lief hinterher und konnte noch den Kopf des Käfers sehen, bevor er im Schlamm versank. Sie glaubte auf seinem Gesicht ein zufriedenes Lächeln zu erkennen. Dann erinnerten nur mehr eine übergroße Schneekugel und einige Blubberbläschen an Charlie. Angie grinste, sie wusste nun, dass dieses Wesen, was auch immer es war, seine Erfüllung, seinen Platz gefunden hatte und die Tatsache dass es noch am Leben war behielt sie für sich, sie hütete dieses Geheimnis, als gäbe es nichts wichtigeres.

Die nächsten Tage bedeuteten für die Wächter Ankh Morporks verstärktes Streife gehen, um sofort zur Stelle zu sein sollte diese Kreatur doch noch auftauchen. Nach einigen Tagen war dieses allerdings nur mehr eines von vielen sonderbaren Erlebnissen auf jener Welt, die sich auf den Rücken von vier Elefanten befindet und Charlie wurde seither offiziell nie wieder gesehen.



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