Kommandeur gesucht

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von Korporal Rettich
Online seit 28. 09. 1999
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Seit Tagen ist Kommandeur Rince nicht mehr aufgetaucht! Was ist passiert? Ist er noch am Leben?
Finde ihn so schnell wie möglich!

Dafür vergebene Note: 11

Es regnete in Strömen. Tod blickte aus dem Schlamm verschmierten Fenster und versuchte die Gruppe Wächter auszumachen, die den Hochwasser bzw. Hochschlammstand des Ankhs kontrollieren sollten. Dies war eine neue Idee von Lord Vetinari und der Kommandeur der Kröselstraße war nicht sonderlich über die neuen Aufgabenfelder der Wächter begeistert. Es hinderte sie daran, wahren Verbrechen nachzugehen.
Doch im Moment gab es keine mitreißenden Fälle, wie Tod traurig eingestehen musste. Es war Frühling und die schlammigen "Wasser" des Ankhs fluteten mehr als die Hälfte der Stadt.
Es klopfte.
Tod drehte sich um.
"WER DA?"
"Ich bin's, Rettich." sagte eine Stimme, der man anhören konnte, dass eine Menge Schlamm auf den Straßen war. Tod öffnete die Tür.
Korporal Rettich, Koporal Ptracy und Chief Korporal Atera traten ein, ehrlich gesagt "schwammen" sie eher rein.
Augenblicklich bildeten sich Pfützen wo die Wächter standen.
"UND?"
"Nun..."fing Atera an. Ihre Kröte war aus ihrer Manteltasche gesprungen und amüsierte sich köstlich in den frischen Pfützen."...sagen wir so, noch drei Liter mehr und wir waren jämmerlich ersoffen bzw. erstickt."
Tod verstand. Er kreuzte im Hochschlammreport "Wahnsinn" an.
"Irgendeine Nachricht von Rince?" fragte Ptracy, während sie ihr Haar auswrang.
Der Kommandeur schüttelte den Kopf.
"NEIN. IMMER NOCH NICHTS."
"Das sind nun schon 5 Tage. Langsam sollten wir etwas unternehmen."
"MANCHMAL MUSS EIN MANN EBEN ALLEINE SEIN."
Die Wächter starrten Tod ungläubig an.
"ODER?"
Tod war ein wenig verunsichert. Ihm gefiel es selbst nicht, dass Rince nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt war. Noch dazu ohne irgendeinen zu informieren.
"Nicht dass er noch in die Fluten des Ankhs geraten ist.", sagte Rettich und schluckte.
Tod überlegte kurz.
"OK, RETTICH. FINDE RINCE. BITTE GEHE JEDEM NARREN AUS DEM WEG."
"Warum?"
"WEIL ICH MICH ERINNERE......"
Stille entstand im Raum. Ein unsichtbarer Zuschauer hätte sogar gehört, wie der Regen ein wenig leiserer prasselte.
"Du meinst ... er stirbt?" fragte Atera. Sie hatte ihre Kröte hochgehoben und stopfte sie in ihre Manteltasche.
Tod antwortete nicht. Es war schwierig mit Menschen umzugehen, von denen man im voraus schon alles weis. Geburt und Tod. Besonders letzteres. Er hatte versucht die Erinnerung an die Zukunft zu vergessen. Mit Schlendern. Und Trinken. Aber er hatte es nur verdrängt und an diesen regnerischen Tag konnte er in der Leere (nicht nur metaphorisch gesprochen) seines Schädels die Erinnerung an die Zukunft nicht verdrängen. Sie war nicht klar, aber der Name Rince kam darin vor, wie mit roter Tinte geschrieben.
"Hast du dich jemals geirrt?" fragte Ptracy und kraulte Dios, der zu ihr gekommen war, um irgendeinen Leckerbissen zu erbetteln.
Ptracy hatte ihn etwas Schlamm von ihrer Rüstung angeboten, doch Dios Gesichtsausdruck machte klar, dass das nicht für ihn in Frage kam.
Tod schüttelte abermals den Kopf, doch während der Bewegung seines blanken Schädels von rechts nach links, ging das Schwenken in ein langsames, unsicheres Nicken über.

"Rrrrince."
"Halt den Schnabel."
"Rrrrince."
"Schehh." zischte Rince.
"Rrri..."
Rince umschloss den Schnabel des Papageis und schaute dem Tier tief in die Augen. Der Vogel verstummte.
Der Kommandeur kehrte zum Sehschlitz zurück. Seit fünf Tagen nun hockte er schon in dieser Baracke, nur um diesen verdammten Vandalen, der die Narrengilde regelmäßig mit, wirklich schlechten, Witzen besudelte, auf frische Tat zu ertappen.
Er hatte keinen Papageien in seinen Versteck erwartet und er konnte das Tier einfach nicht verjagen. Es war ein hartnäckiges Vieh.
Irgendwie, obwohl Rince, niemals gesprochen hatte (außer ein paar Flüchen), hatte das Mistvieh auch noch seinen Namen aufgeschnappt und rollte nun das R zur Vergasung. Der Papagei hatte sich anscheinend das Ziel gesetzt, Rince in den Wahnsinn zu treiben. Mit Erfolg, wie Rince zugestehen musste. Lange hielt er die Observation der Narrengilde nicht mehr aus. Er bedauerte es nun, nicht die anderen Wächter informiert zu haben, aber zum jeweiligen Zeitpunkt hielt er es für besser, alleine den Vandalen zu stellen.
"Rrrin..."
Rince schaute den Vogel bitter an . In den Augen des Kommandeurs spiegelten sich Drohungen wie "Hühnerfrikasse" wieder. Der Vogel verstummte abermals.
Rince klopfte ungeduldig mit den Fingern auf einen morschen Brett. Langsam sollte der Kerl kommen, lange halte ich das nicht mehr aus, dachte er.
Genau in diesem Augenblick löste sich ein Schatten und schlich Richtung Narrengilde.

Als Rettich das Wachhaus verließ, regnete es noch immer. Rettich hatte eine lederne Kapuze (sie erzählte Knut nicht, wessen Leder es war) über ihren Helm gezogen und hoffte inständig, dass das Wasser nicht in ihre Rüstung lief. Sie haßte es, zu entrosten.
Tod hatte ihr geraten, Richtung Filigranstraße zu gehen, aber das war der Zwergin zu gefährlich, die gesamte Straße war sicherlich "überschwemmt". So trottete sie über die Gottesstraße, die parallel zur Filigranstraße lag, Richtung Patrizierpalast. Sie hielt Ausschau nach Rince, doch bei diesen Wassermassen, die, im wahrsten Sinne des Wortes, vom Himmel stürzten, konnte sie froh sein, die Straße zu sehen. Warum hatte ihr Tod nicht auch den Rest der Wächter mit auf die Suche gegeben? Es gab schließlich nichts zu tun und Sir Kröterich, da war sich die Zwergin sicher, würde bei diesem Wetter, das geeignetste aller Wesen sein.

"Warum sollten wir Rettich nicht begleiten?" fragte Atera wütend.
Tod blickte zu ihr. Seine Augen glühten blau auf.
"GLAUB MIR, NUR RETTICH KANN RINCE RETTEN."
Ptracy schnaubte.
"Das ist jawohl nicht wahr! Wir sind genauso gut und außerdem riskierst du mit dieser Einstellung beide Leben!"
"VERTRAUT MIR. ICH WEISS WAS ICH TUE." antwortete Tod und fügte im Gedanken ein hoffentlich hinzu.

Rince kniff die Augen zusammen. Eindeutig, das war der Übeltäter. Der Kommandeur stand auf und öffnete die Tür.
"Halt, im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork, du bist verhaftet. Widerstand ist zwecklos." schrie er.
Der Vandale, der sich bei näherem Hinsehen als Narr herausstellte, ließ die Kreide augenblicklich fallen und starrte wie paralysiert auf den heraneilenden Rince.
"Ist gut." sagte eine piepsige und völlig verängstigte Stimme.
Rince blickte auf die Mauer. Die Kreide war wasserfest wie es aussah.
Auf der Mauer stand:
2 Gilden sitzen im Keller und stricken Senf. Wer von beiden hat Recht? - Keiner. Fischgräten schwimmen nicht im Salat! Hahaha.
Das Hahaha war in Rot geschrieben, der Rest in Grün.
"Häh?"
Rince runzelte die Stirn. Dieser Witz entbehrte jeder Komik.

Rettich hörte Rince's Stimme. Sie eilte zur Narrengilde, wo sie Rince und einen völlig hysterischen Narr fand, der zitternd an der Mauer stand.
"Was ... was ist geschehen?" fragte sie, während sie den "Witz" las.
"Ah, Rettich. Darf ich vorstellen: der Vandale seit dem ich die ganze Woche fahnde."
"Oh.." war Rettichs einzige Antwort. Sie war zutiefst verwirrt. Die Zwergin hatte einen Kampf erwartet und vorsichtshalber ihre Axt gezogen.
"Wie lautet dein Name, Bürschchen?" fragte Rince das zitternde Bündel Narr.
"Fudelbert Funny, ...oh, bitte, bitte, Sir, nicht schlagen.....nein, nicht die Palme, .....aaargh, aaargh......das erzähle ich alles meiner Mutter....nein danke, heute keinen Kartoffelpüree."
Rince's und Rettich's Mund stand simultan offen.
Der Kommandeur schüttelte den Kopf.
"Ich verhafte dich wegen Beschädigung von Gildeneigentum und unlizensierten Verbreiten von wirklich schlechten Witzen." sagte er schließlich.
"Nein, den Regenschirm habe ich nicht gegessen. Aber Danke der Nachfrage."
Anscheinend war der Geisteszustand des Narren ein wenig "labil".
"Ok," sagte Rince langsam," begleite den lieben Onkel Rince bitte, ja?"
Rince packte den überraschend schweren Narr an der Schulter und wollte losgehen. Genau in diesem Moment ertönte ein wohlbekanntes Geräusch.
"Rrrrrince."
Der Papagei.
Er kam direkt auf Rince zugeflattert, sein grünes Gefieder wurde augenblicklich vom schlammigen Regen aufgeweicht und es war ein physikalisches Wunder, dass sich der Vogel überhaupt in der Luft hielt.
Plötzlich verzerrte sich das Gesicht des Narren in eine Fratze.
"Aaahr...!" schrie er und warf die bunte Kreide gegen den heranflatternden Vogel. Der Papagei taumelte, drehte sich ein paarmal um die eigene Achse und fiel durch ein Gitter in einen Abflußschacht.
"...ich hasse ihn ... ich hasse ihn ... ich.." stammelte der Narr, während Rince und Rettich völlig perplex abwechselnd auf den Narren und dem Abflußschacht starrten. Der Narr setzte seinen Monolog fort:
"Er hat mir alles verdorben, alles! ... ich wollte zeigen, dass meine Witze Zukunft haben, wollte Weißgesicht mein Können beweisen, und dieser verdammte Vogel hat mir alles zerstört! Ich bin nicht verrückt, neinneinnein, ich bin nicht verrückt. Hierher Vögelchen, zwitschezwitscher, hierher. Willst du mir nicht noch mal die Pointe zerstören?!" schrie der Narr Haß verzerrt.
"Ich war so gut, bei Offler, alles ... alles ...vorbereitet ... aber nein, der Papagei muss mit .... warum? ... nur so ... der Papagei muss mit ... ich war so gut ... nimm das, du Sohn eines Geiers!"
Rince holte ein Fläschchen Bärdrücker Whisky (garantiert 7 Minuten gelagert!) aus seinem Mantel und setzte den völlig hysterischen Narr, die Flasche an den Mund. Der schluckte krampfhaft.
"Eine Schlange an meiner Brust....immer Kekse gegeben....hierher Vöglein, sag deinen Namen....oh, bitte, kriegst auch einen Keks....Rrrrince!"
Der Narr rollte das R theatralisch. Und auf einmal fiel es Rettich wie Schuppen von den Augen.
"Rince...der Name des Papageis." stammelte sie und lief zum Abfluß. Sie hörte verzweifeltes Flügelschlagen im Wasser. Der Vogel kämpfte ums Überleben.
Der Kommandeur kam hinzu. Er hatte den Narr die ganze Flasche Whiskey rein geschüttet, nun lallte er an der Mauer gelehnt weiter. Aber mit einigen Prozenten mehr.
Der menschliche Rince griff in den Schacht, aber der Abstand zwischen den Gitterstäben war zu eng, er konnte den verzweifelt im schlammigen Wasser schlagenden Vogel nicht greifen.
"Mist." rief er, während er sich seinen Mantel auszog. Aber auch mit nackten Arm blieb es beim Versuch.
Rettich hatte eine Idee.
Sie nahm ihre Axt und strich mit einem ihrer geflechteten Bartzöpfe über die Schneide. Den losen Zopf hielt sie in den Schacht und hoffte inständig, dass der Vogel sich daran festkrallen würde oder sich darin zumindest darin verhedderte. Er tat es. Rettich zog ein völlig erschöpftes Bündel Federn aus dem Schacht.
"Gratuliere," sagte der Kommandeur Rince, "du hast Rince gerettet. Kein anderes Mitglied hätte einen Bartzopf als Angel benutzen können."
Rettich lächelte zufrieden. Sie wahr froh, dass alles so glimpflich abgelaufen war.
"Hilf mir den Narr in die Wache zu ziehen. Ich habe ihm zuviel zur Beruhigung verpasst. Nimm den Vogel mit."

Tod grinste (wie immer).
"UND SO WAR DER VOGEL IN LEBENSGEFAHR?", fragte er nochmals.
Rince lachte. Den Papagei hatten sie einer einsamen alten Lady gegeben.
"Ja. Anscheinend bist du ein wenig aus der Übung gekommen. Nicht ich, sondern der Vogel Rince war es, der beinahe gestorben war. Das war deine Erinnerung."
"JA." sagte Tod und trank einen Schluck aus seinen Bier. "HICKS?"
Die Wache lachte.




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