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Eine Geschichte über einen alten Mann, den Regengott, Purpurkleider und Herrn Seebut. Oh, und Atera kommt natürlich auch drin vor.
Dafür vergebene Note: 14
Dunkel umwölkt war heute Ankh-Morpork, diese gigantische Stadt in der alles und jeder geschehen konnte. Heute jedoch war es erstaunlich ruhig. Atera führte ihre niedliche Kröte Sir Henry im Hide Park spazieren, nun genauer gesagt schleppte sie einfach ihren unerträglich schwer gewordenen Freund in ihrer Jackentasche herum. Es war kalt geworden und nur noch einige der gelben Blätter hingen an den ansonsten kahlen Bäumen. Spieß Atera schlang die Jacke enger um sich und versuchte sich zu wärmen, manchmal vergaß sie, dass sie kein normales Temperaturempfinden hatte. Und sie besaß auch nicht mehr diese netten Dampfwölkchen, die jeder andere Besucher im Park ausstieß, wenn er atmete. Eigentlich war sie alleine im Park, abgesehen von einem Obdachlosen, der auf einer kaputten, dreckigen Holzbank lag und schlief, eine Ankh-Morpork Times fein säuberlich über sich ausgebreitet. Es war zwar noch früh morgens, Atera hatte gerade ihre Nachtschicht beendet, dennoch verdeckten dichte dunkle Wolken den Himmel. Die Wächterin hatte die ganze Zeit schon diese Wolken mit einem misstrauischen Blick im Auge behalten, sie war der Meinung, wie viele andere aus Ankh-Morpork, dass man Omen ernst nehmen sollte. Und diese Wolken hier hatten das Potenzial für ein wirklich schlechtes ungünstiges Omen.
Vielleicht war aber auch einfach nur Regen im Verzug.
Die Wächterin schlenderte aus dem Hide Park und bog in die Mumpitzstraße ein, als sie ein lautes Geschrei hörte. So rasch sie konnte, lief Atera Richtung Ankh und blieb auf einem kleinen Platz stehen, wo der alte Galgen stand. Damals, in den guten alten Zeiten, an die sich Atera beizeiten zu erinnern pflegte, war dies noch ein beliebter Ort der Unterhaltung gewesen, wo sich die Leute einfanden, um die Vollstreckung der Todesstrafe zu beobachten. Es war schon sehr lange her seit dort der letzte Verbrecher
an einem Galgen hing, doch an diesem Tag blickte Atera erstaunt zum Galgen. Zu ihrem Bestürzen baumelte dort eine Frau in einem purpurfarbenen langen Kleid, die schwarzen Haare verdeckten das Gesicht und der Strick knarzte, als die Frau sich langsam drehte.
Erst jetzt bemerkte Atera die Ursache des Geschreis. Direkt vor dem Galgen hüpfte ein alter spindeldürrer Mann auf und ab. Als einzige Kleidung hatte er einen verfilzten dreckigen Bart, der bis zum Boden reichte. Der Mann stank erbärmlich und Atera näherte sich vorsichtig. Immer wieder stieß der Mann lautes Gekreische aus und ab und zu einen zusammenhängenden Satz.
"Sehet, das Böse nahet! Rettet euch und büßet. Büßet!!" Der Alte, offensichtlich ein Prophet oder etwas in der Art, erblickte Atera und entblößte ein paar verfaulte Zahnstümpfe in seinem Mund. Sie war sich nicht sicher, ob er lächelte oder einfach nur begeistert war endlich einen Zuhörer gefunden zu haben.
"Ganz ruhig.", sprach sie dem Alten zu und sah wieder hoch zu der toten Frau, die wie ein Damoklesschwert über dem Mann thronte. Wer mochte sie daran aufgehängt haben? Es war gewiss keine offizielle Hinrichtung, denn davon hätte Atera erfahren. Nein, es existierte irgendwo ein Mörder und dieser alte Irre hier.
"He, du?", unterbrach sie der Alte und Atera hatte sich jetzt soweit genähert, dass sie den zunehmenden Zerfall des Mannes beinahe hautnah miterleben konnte. Es sah so aus, als ob er seit Tagen nichts mehr gegessen hatte so dünn war er, obwohl die Masse der Essensreste in seinem Bart auf ganze Festmahle hinwiesen.
"Ja? Hast du etwas gesehen? Was ist hier passiert? Wie kommt die Frau dort oben an den Galgen?", bestürmte Atera den Mann mit Fragen. Eine zeitlang blinzelte er die Wächterin nur verständnislos an, dann besann er sich und schien sich eine Antwort zurechtzulegen:
"DAS BÖSE NAHT!!!"
Etwas später. Atera hatte die Wache verständigt und sofort war ein Spurensicherer von S.U.S.I. erschienen. In diesem Fall Hauptgefreiter Lupus, ein Werwolf, der gerne die Spur des Mörders aufgenommen hätte, doch der unerträgliche Geruch des alten Mannes hatte alles andere überlagert.
"Vielleicht, wenn ich in einer der Nebenstraße suche oder mal an der Leiche riechen könnte.", bot er sich an und rückte von dem Mann weg, der ihn mit irrsinnigen Augen anstarrte. Atera hätte diesen Irren am liebsten auch weggeschickt, aber er hatte eventuell etwas beobachtet.
"Lass gut sein, Lupus. Wir müssen zunächst einmal die arme Frau von da oben herunterholen. Einen Vorschlag, wie wir das anstellen?" Atera stemmte die Hände in die Hüften und starrte nach oben zum Galgen hin, über ihr der dunkle Himmel. Da der Galgen auf einem erhöhten Podest befestigt war, konnte man auch nicht einfach oberhalb der Frau das Seil durchschneiden, dafür hing sie einfach zu hoch.
"Wir könnten an ihr ziehen bis der Strick reißt?"
"Ich glaube, das wäre nicht so gut.", erwiderte Atera vorsichtig.
"Hmm, und wenn einer auf den Querbalken des Galgen klettert und von dort den Strick abschneidet?", schlug Lupus vor. Atera nickte.
"Das hört sich außerordentlich gut an. Also hast du einen Ikonographen dabei?"
"Ja, aber-."
"Dann mach schnell noch ein paar Bilder, wie sie da so hängt und am besten auch von diesem alten Mann, wir könnten ihn noch als Zeugen gebrauchen. Und danach."
"Ja?"
". kletterst du auf den Galgen.", beendete Atera den Satz und lächelte ein wenig, während der Alte im Hintergrund unverständliches Zeug brabbelte.
"Aber warum soll ich denn?", fragte Lupus.
"Nun, der Ruhm dieses tapferen Einsatzes ist dir sicher, Hauptgefreiter.", erklärte sie, während Sir Henry aus der Tiefe ihrer Tasche zustimmend quakte.
"Schön, na gut. Noch eine Frage, sollte nicht noch ein Tatortsicherer hier sein, ein Püschologe, einen Szenekenner, Kommunikationsexperte, ein Informantenkontakter, ein.-."
"Papperlapapp.", widersprach Atera und winkte ab.
"Was?"
"Ich sagte papperlapapp, ich bin Verkehrsexpertin der S.E.A.L.S., das reicht völlig.", erklärte sie und hob ihre Hand auf, die abgefallen war. Lupus machte ein Gesicht, als ob er von Ateras Argumentation nicht vollends überzeugt wäre, trotzdem ging er auf dem Platz herum und machte einige Bilder. Atera holte währenddessen einen kleinen Notizblock hervor und wandte sich an den alten Mann.
"Name?"
"Hurglm?" Der Mann sabberte. Atera zögerte, dann notierte sie gewissenhaft unter der Kategorie Name Hurglm.
"Gut, was ist denn hier geschehen? Hast du beobachtet wie jemand diese Frau dort oben erhängt hat?"
"Hab..hmmm. hab kleine Schmetterlinge gesehen, kleine, kleine Schmetterling. Hmpf, das BÖSE naht!!", gab der Mann zu verstehen.
"Aha, könntest du das Böse beschreiben?", fragte Atera. Es klickte kurz hinter ihr, als Lupus das Ikonographenbild von Hurglm machte, dann begann Lupus gebückt um den Galgen herum zu gehen, was den Alten zu einem spontanen Lachanfall animierte.
"Bitte, Hauptgefreiter Lupus untersucht den Boden nach verdächtigen Spuren. Also, was ist denn nun mit dem Bösen?"
"Hach, das Böse nahet.", sagte der Mann zwischen einem Kichern.
"Jaja, und wie sieht es aus?", hakte die Wächterin ungeduldig nach, normalerweise hatte sie schon Dienstschluss, aber da sie die Tote entdeckt hatte fühlte sie sich dazu verpflichtet den Tod von ihr aufzuklären. Auch wenn gewisse Zeugen noch so anstrengend waren.
"Groß!", rief der Alte plötzlich.
"Ein großer Mann?"
"Hmmm.groß..und ähm.. hmm."
"Und was?", fragte Atera nach, doch der Mann schwieg und so sehr Atera noch auf ihn einredete, er blieb stumm. "Zwecklos.", stellte sie fest und sah zu Lupus herüber. Er kniete gerade über dem Boden unter dem Galgen.
"Etwas gefunden?" Er schüttelte darauf den Kopf. "Ich glaube, sie hat lange genug dort gehangen. Erbarmen wir uns ihrer."
"Du meinst, ich soll mich ihrer Erbarmen.", gab Lupus zurück.
"Ja, daran hatte ich gedacht." Atera trat ein paar Schritte zurück, als der Hauptgefreite schließlich auf das Podest sprang und nach einigen Versuchen gelang es ihm auch sich an dem Querbalken hochzuziehen. Vorsichtig robbte er bis zum Ende und holte einen Dolch aus dem Gürtel.
"Warte, ich fange sie-.", begann noch Atera, doch da hatte Lupus den Strick schon durchtrennt und die Tote fiel wie ein nasser Sack zu Boden. Die Wächterin ging langsam auf die Leiche zu, als hätte sie Angst sie könne wieder von den Toten auferstehen. Was durchaus im Bereich des Möglichen lag. Sie drehte die Leiche behutsam auf den Rücken. Dann sah Atera endlich das Gesicht.
"Das ist doch Minna von Denkwürdig.", entfuhr es ihr.
"Und wer soll das sein? Der Name sagt mir nichts.", wand Lupus ein, der vorsichtig den Galgen herunterkletterte.
"Das ist die Tochter einer reichen Adelsfamilie, sie haben ein, zwei Häuser in der guten Gegend.", erklärte Atera und betrachtete die Leiche genauer.
"In der guten Gegend, verstehe. Sieh mal, dort fehlt ein Stück ihres Kleides." Lupus deutete auf den Saum und in der Tat fehlte dort ein beträchtliches Stück des purpurnen Kleides. "Sieht aus, als ob es säuberlich herausgetrennt wurde, genau quadratgroß." Lupus nickte zufrieden, dass er dieses Detail als Spurensicherer entdeckt hatte. Inzwischen musste er mit seinem Fuß immer wieder den alten, sabbernden Mann abwehren, der versuchte näher zu kommen.
"Wir müssen die Leiche ins Wachhaus schaffen.", beschloss Atera. "Warte hier, Hauptgefreiter und pass auf, dass äh. nichts Ungewöhnliches geschieht. Ich besorge uns einen Karren." Bevor Lupus etwas sagen konnte, verschwand sie in einer der Nebenstraßen. Noch war hier nicht viel los und sie musste zwei Block weit gehen bevor sie das fand, was sie suchte: Einen Eselkarren. Mit mächtigen Schritten trat sie auf den Karren zu und erst, als sie nur noch einige Schritte entfernt war entdeckte der Lenker die Wächterin. Entsetzen trat in seine Augen.
"Hüah, hüah mein Mädchen!", sprach er hastig dem Esel zu und versuchte seinen Karren in Bewegung zu bringen. Mittlerweile genoss Atera als Verkehrsexpertin unter den Eselkarrenlenker einen berüchtigten Ruf. Der Lenker zog hilflos an den Zügeln, aber da hatte sich Atera schon direkt vor den Karren gestellt. Behutsam tätschelte sie dem Esel den Kopf.
"Wen haben wir denn da?", fragte sie rhetorisch und lächelte leicht mit ihren blassen Lippen.
"Äh, ich habe nichts getan, ich habe nichts getan.", winselte der Mann und wollte am liebsten fliehen.
"Dann zeig doch mal deine Lizenz.", befahl Atera.
"Jawohl, Haupt- oh, ich sehe, man hat dich befördert. Hier ist sie, Spieß." Der Mann reichte einen zusammengefalteten Zettel. Atera nahm ihn und studierte ihn auffällig lange.
"Da gibt es nichts zu meckern dran, ich habe alle Stempel und jeden Vermerk richtig." Der Eselkarrenlenker wischte sich Schweiß von der Stirn und entspannte sich.
"Herr Guckmal..", begann Atera.
"Äh, ja, so heiße ich."
"Wo steht denn bitte auf dieser Lizenz der Name ihrer Tante dritten Grades?"
"Was?! Tante? Ich dachte, nur die Eltern sollten drauf stehen?" Herr Guckmal schluckte und wollte der Wächterin am liebsten sagen, was sie mit diesem verdammten Wisch machen könne, aber natürlich traute er sich das nicht. "Na schön, du hast gewonnen, Spieß. Wieviel muss ich bezahlen?"
"Oh, kein Bußgeld. Nur eine kleine Gefälligkeit."
Lupus zeichnete gerade die Umrisse der Leiche nach, obwohl er zwischendurch dachte, es wäre völlig sinnlos was er da machen würde. Doch Atera hatte gemeint er solle unbedingt Umrisse zeichnen, das wäre sehr wichtig, das müsse man immer tun. Ein Mord ohne Umrisse wäre einfach kein guter Mord. Lupus dachte daran, dass diese Minna sich vielleicht eventuell ja selbst erhängt hatte.
In diesem Moment rollte ein kleiner Eselkarren an, auf dessen Ladefläche Atera saß, neben ihr der alte Mann, der ihr offensichtlich hinterher geschlurft war. Der Lenker hatte einen so roten Kopf, dass Lupus den Eindruck hatte er würde gleich platzen.
"So, schaffen wir sie da drauf.", meinte Atera, als sie vom Karren sprang. Als der Lenker die tote Frau sah erblasste er.
"Eine Tote! Die kommt mir nicht auf den Karren!", protestierte er.
"Papperlapapp, ich saß ja auch schon dort." Atera grinste und zog die Nähte an ihrem Arm fester. Gemeinsam mit Atera hob Lupus die Leiche behutsam hoch und mit einiger Mühe auf den Karren. Zum Glück war gerade noch genug Platz, dass sie alle mitfahren konnten. Trotzdem war es reichlich eng, da Lupus und Atera versuchten so viel Abstand zur Toten zu nehmen wie es nur ging (was natürlich überhaupt nicht ging). So rumpelte der Wagen über das Kopfsteinpflaster und sie wurden so durchgeschüttelt, dass der alte
Mann sich auf der Straße übergeben musste. Lupus hatte nur während der Fahrt die ganze Zeit die Sorge, Hurglm würde es sich doch noch überlegen und sich ins Karreninnere übergeben.
An der Wache angekommen, brauste der Eselkarren davon, wütende Rufe begleiteten ihn und verhallten unkommentiert auf der Straße. Vorsichtig bugsierten sie die tote Minna in das Wachhaus, genauer gesagt sofort in Pismires Büro.
Dieser nippte gerade genüsslich an seinem Kräutertee, als ein schnaufender Spieß hereinkam und eine Leiche vor seine Füße warf.
"Wo sollen wir damit hin?"
Pismire war nun doch überrascht, denn es geschah selten, dass Atera sein Büro aufsuchte, trotzdem sah er nur kurz über den Tassenrand und musterte die tote Frau. Dann kamen auch noch Lupus sowie ein sabbernde, nackter Mann in sein Büro.
"Einen Moment.", versuchte der Gerichtsmediziner es und hoffte, es würden nicht noch lauter andere merkwürdige Gestalten sein Büro bevölkern. "Die Leiche muss in das Labor von S.U.S.I., helft mir bitte."
Während Minna von Denkwürdig nun wieder den Ort wechselte, eilte ein Mann durch die Straßen von Ankh-Mopork, er hatte einige feine Stoffballen in den Händen. Es wäre nicht erwähnenswert, aber das Schicksal wollte es so. Vielmehr hatte er eine fünf gewürfelt und seine Figur auf dem ewigen Spielbrett des Lebens weiterziehen lassen. Die Lady lächelte.
"So, wo habt ihr sie denn gefunden?", fragte Pismire.
"An dem Galgen. Ich frage mich nur, ob sie wirklich erhängt wurde, wie lange sie schon tot ist, was sie sonst noch für Probleme hatte. Na, eben das übliche." Atera starrte auf die Leiche, die nun säuberlich aufgebahrt auf einem Tisch lag.
"Das Übliche? Na gut." Pismire holte seine Schere, um die Frau erstmal zu entkleiden, doch die Wächterin hielt ihn zurück.
"Warte, wir brauchen das Kleid unversehrt. Falls du irgendwelche anderen Fasern am Stoff ausmachen kannst... Gibt es da nicht diesen Trick mit Fetzen unter den Fingernägeln?", fragte Atera interessiert.
"Ja, den gibt es. Aber. ich kann besser arbeiten, wenn ich alleine bin." Insbesondere ohne verrückte, alte Männer, die mich anstarren, dachte der Gerichtsmediziner. Atera sah schließlich ein, dass sie bei dem spannenden Prozess der Obdu..äh.. der Obuhgtion nur stören würde.
"Bin ich denn jetzt noch mit beim Aufklären dabei?", fragte Lupus, als sie draußen standen.
"Tja, ich weiß nicht. Ich habe noch gar nicht mit-."
In diesem Moment kam Johann Zupfgut vorbei.
"Spieß, du sollst sofort in Kommandeur Rinces Büro kommen. Er betonte das sofort in seinem Satz." Atera nickte darauf, der alte Mann trottete hinter ihr her, als sie den Gang zu Rinces Büro antrat. Zögernd klopfte sie an die Türe. Es erklang ein lautes "Herein!", dass Atera schon innerlich zusammenzucken ließ.
"Hab gehört, du hättest eine Leiche aufgetrieben.", waren die begrüßenden Worte, es klang, als ob die Wächterin die tote Frau in einer Kneipe getroffen hätte. Rince sah von einem Papierstapel auf und bedeutete ihr sich zu setzen.
"Äh ja, die Leiche entdeckte ich heute am frühen Morgen am Galgen. Daraufhin habe ich einen Spurensicherer hinzugezogen, einen Zeugen sichergestellt und die Leiche Pismire zwecks näherer Untersuchung übergeben." Atera grinste, stolz darauf alles ordnungsgemäß gemacht zu haben. Rince nickte auch.
"Gut. gut. Dann kannst du den Fall ja jetzt an R.U.M. weiterleiten. Ich glaube, Irina ist im Moment mit keinem Fall betreut, erkläre ihr bitte die Einzelheiten, dann kannst du auch endlich deinen Feierabend antreten. Wir wollen ja heute Abend ausgeruht sein für die Nachtschicht." Er lachte.
"Ähm, ich hatte eher daran gedacht, den Fall selbst aufzuklären. Immerhin ist er sozusagen in meinem Einzugsgebiet passiert. Wer weiß, vielleicht hing sie dort gerade erst ein paar Minuten als ich eintraf. Oder was noch schlimmer wäre, seit ein paar Stunden, dann wäre dieser Mord nämlich während meiner Nachtschicht passiert. Das kann ich nicht auf mich sitzen lassen.", versuchte Spieß Atera ihren Vorgesetzten zu überzeugen.
"Hmm, also eigentlich ist der Sinn der Abteilungen, dass jeder seinen Aufgabenbereich hat und dadurch entlastet wird. Du bist für den Verkehr auf den Straßen zuständig.", widersprach er.
"Ich weiß, es ist nur schwer sich daran zu gewöhnen. Was waren das früher für Zeiten, als wir die Diebe und Bösewichter über schneeverwehte Dächer jagten, alles auf eigene Faust taten, volles Risiko, Nächte mit Mord und prügelnden Leuten in den Tavernen, das Herum schwingen an Kronleuchtern."
"Ich habe mich nie an Kronleuchtern herum geschwungen."
"Naja, metaforisch ausgedrückt. Dieser Nervenkitzel, ein wenig fehlt er mir. Es ist mehr Papierkram geworden."
"Wem sagst du das."
Atera seufzte, Rince seufzte. Es war ein einziges großes Seufzen bei dem verklärten Gedanken an eine glückliche alte Zeit. Obwohl es die nie gegeben hatte.
"Heut ist aber auch schön, mehr Leute in der Wache, eine bunt gemischte Truppe.", sagte Rince nach einer Weile. "Na gut, du bekommst den Fall, mal sehen, ob du etwas heraus bekommst."
Atera lächelte froh, stand auf und salutierte.
"Das werde ich.", erwiderte sie und hastete aus dem Büro. Einige Sekunden verstrichen. Dann ertönte ein Schrei aus Rinces Büro.
"WAS MACHT DIESER VERLAUSTE MANN IN MEINEM BÜRO!!!???"
Pismire hatte das Kleid eingehend untersucht, es war feinste Arbeit und mit kunstvollen Stichen genäht. Schwerer, weicher Samt, der im satten Purpur glänzte. Die Farbe der Reichen und Mächtigen. Ungewöhnlicherweise war das Kleid kaum verziert, nur ein Goldrand an den langen ausladenden Ärmeln schmückte es. Pismire befühlte den Stoff, weich, unglaublich weich, kam es ihm in den Sinn.
Das Purpur stach ihm fast in die Augen, so leuchtend und schön war es. Und diese Nahtarbeit. Der Gerichtsmediziner näherte sich der fehlenden Ecke am unteren Teil des Gewandes. Die Pinzette glitt suchend wie der richtende Zeigefinger eines Königs hin und her. Eine fremde Faser wäre nicht schlecht, wo war der Fehler des Täters? Pismire kniff die Augen angestrengt zusammen.
Atera hatte einen schweren Gang zu machen. Leute werden jeden Tag ermordet und der Gedanke drängt sich in dieser gigantischen Stadt auf, dass sich niemand darum schert. Dies war aber nicht der Fall.
Niemand schrieb über den langen Weg bis zum Elternhaus der Toten. Noch dazu, wenn es reiche Eltern waren.
Die Von Denkwürdigs hatten eine prachtvolle Villa mit üppigen Gärten, leuchtenden Blumen und ausschwappenden Prunk. Minna von Denkwürdig war das einzige Kind der Von Denkwürdigs. Atera wünschte, sie könnte friedlich in der Bahre an den Tresen sitzen und genüsslich ein Bier oder etwas ähnliches trinken. Mit einer alten zerbeulten Uniform trottete die Wächterin über den säuberlich angelegten Weg, zwei Diener sahen ihr neugierig nach und flüsterten miteinander. Atera gelangte zur Türe, eher zu einem meterhohen Tor mit einem riesigen goldenen Klopfer. Wenn ich den anschlage, fällt mir mein Arm ab, dachte sie noch, als ein Diener das Tor öffnete.
"Du wünschst?"
"Äh.." Tja, wie fing sie es jetzt am besten an. So viele Jahre Dienst, aber in diesen Dingen war sie immer noch eine Anfängerin. Vielleicht lag es daran, dass sie eine Untote war und mit dem Tod deswegen vollkommen anders umging. Nie hatte sie gelernt, den Familien die Nachricht schonend beizubringen. "Ich müsste mal mit Herr und Frau von Denkwürdig sprechen.", begann Atera höflich. Der Diener nickte kurz und führte sie durch die riesige Villa. In einem riesigen Saal saßen Herr und Frau von Denkwürdig auf
zwei kunstvoll geschnitzten Stühlen und ließen sich ein Bild anfertigen. Der Maler, ein hagerer Mann in einer weißen Kutte, führte schwungvolle Striche über das riesige Gemälde.
Atera hüstelte höflich, der Diener eilte zu dem Ehepaar und flüsterte ihnen etwas ins Ohr. Der Mann runzelte die Stirn und besah Atera unter seinen schwarzen Augenbrauen. Spieß Atera unterdrückte es dümmlich zu winken, allein schon deswegen, weil ihre Hand womöglich abfallen würde.
"Ähm, guten Tag. Ich bin von der Wache.", rief sie über den Saal, während die Denkwürdigs auf ihren Stühlen saßen wie festgenagelt, sie durften sich ja nicht bewegen.
"Was gibt es denn?", fragte Herr von Denkwürdig.
"Nun.es geht um ihre. Tochter." Atera schluckte, die Familie starrte.
"Was ist mit ihr? So sprich doch!", forderte die Frau und ihre Stimme gewann einen schrillen Unterton. Jetzt, na los, bring es hinter dich, wisperte eine Stimme in Ateras Kopf.
"Sie ist tot.", wanden sich die Worte aus ihrem Mund. Frau von Denkwürdig kreischte lauthals auf, Herr von Denkwürdig wurde ohnmächtig und der Maler schmierte vor lauter Schreck einen ekelhaften grellroten Strich über das gesamte Gemälde.
"Und wie ist es bei der Familie gelaufen?", fragte Lupus und stand von dem Stuhl auf.
"Gut, gut, keine nennenswerten Probleme. glaube ich.", erwiderte die untote Wächterin.
"Glaubst du?"
"Ich verließ den Raum bevor Probleme für mich entstehen konnten."
Lupus nickte, er erzählte ihr, dass Pismire etwas herausgefunden hatte. Vor der Türe zum Labor lag der vermeintliche Zeuge des Mordes und schlief. Ein widerlicher Gestank ging von ihm aus. Atera stieg über ihn hinweg und trat auf Pismire zu, der sich noch über die Leiche gebeugt hatte.
"Wie hat es die Familie aufgenommen?", fragte auch er.
"Nicht sehr gut, fürchte ich." Atera rückte ihre Hand etwas zurecht, die Nähte waren mal wieder locker.
"Ich frage deshalb, weil du wahrscheinlich noch einmal zu ihnen musst. Hier, dieses Kleid-." Er wanderte zum anderen Labortisch, wo akkurat das Purpurkleid ausgebreitet lag. "-dieses Kleid hat eine ganz besondere Näh- und Schneidtechnik."
"Und?", fragte Atera verständnislos.
"Es fehlt doch ein Stück des Kleides, nicht wahr? Mir scheint es aber so, als wäre dieses fehlende Stück bewusst ausgespart worden." Pismire deutete auf die Enden des Kleides, die sauber umgeschlagen und vernäht waren, auch dort wo ein vermeintliches Stück herausgeschnitten worden war.
"Dann mochte der Schneider vielleicht unvollständige Kleider. Hast du sonst noch etwas herausgefunden?" Atera beugte sich interessiert über das Kleid und betrachtete es.
"Es kann nicht schaden den Schneider des Kleides aufzusuchen.", wand Pismire ein und fuhr fort. "Fasern konnte ich weder auf dem Kleid noch an der Leiche entdecken. Die Todesursache der Toten ist allerdings nicht Genickbruch, wie es bei dem Erhängen der Fall gewesen wäre, sondern Vergiftung."
"Vergiftung?! Aber wie kann das sein? War sie also schon vorher tot?" Der Gerichtsmediziner nickte darauf.
"Oh ja und zwar schon eine Stunde lang. Ich vermute, dass sie jemand vergiftet und dann an dem Galgen aufgehängt hat. Das genaue Gift habe ich noch nicht bestimmen können."
"Also eine klassische Vergiftung, hmm, lange nicht mehr gehabt.", murmelte Atera. Murmelnd stapfte sie auch wieder aus dem Labor, ganz in Gedanken versunken. Der alte bärtige Mann schlurfte hier hinter her. Auch er grummelte etwas.
"Ok, ich bin dran.", sagte Offler und warf die drei Würfel über das Spielbrett. Zwei Augen von dem Blinden Io folgten ihnen gewissenhaft, um schließlich eine eins und zwei sechsen zu erkennen. Das erste Auge starrte Offler wütend an, der seine Spielfigur weiterrückte. Verhängnis(auch Schicksal genannt) holte indessen eine neue Figur aus seinem schwarzen Kästchen. Die Figur hatte eine Nadel in der Hand, womöglich war es aber auch ein Schwert.
"Wer hat eigentlich den sabbernden Mann in das Spiel gebracht?", fragte Io und seine Augen blickten in die Runde. Ein kleinerer Gott hüstelte verlegen. Schweigen. "Offler, steck das grüne Monster mit den hundert Armen weg. Heute ist Mittwoch, da spielen wir immer ohne Monster."
"Aber ich wollte doch nur-."
"Steck es weg oder willst du noch einmal die Sache mit der Münze erleben.", drohte Io. Alle erschauderten, niemand dachte gerne an die Sache mit der Münze. Nur die Lady lächelte.
Atera ging zu dem Schneider der von Denkwürdigs. Glücklicherweise hatte ihr die Familie die Adresse des Mannes gegeben. Nicht ohne ihrer Trauer angemessen Ausdruck zu verleihen, denn als Atera die Villa der Familie betrat waren gerade Handwerker dabei das Haus schwarz anzustreichen. Man konnte auch übertreiben, fand Atera. Sie dachte über Minna von Denkwürdig nach, was war der Grund gewesen sie umzubringen? Es gab keinen greifbaren Anhaltspunkt, nicht mal eine winzig kleine Quittung der Assassinengilde.
So stand Spieß Atera nun vor einem hübschen Haus mit roten Blumen in den Pflanzenkästen aus Holz. An der Türe prangte ein moderner Bewacherdämon.
"Oh, ein kleines Wächterchen.", begann die piepsige Stimme. "Was will es denn? Reingelassen werden in das Häuschen?"
"Äh, ja. Bitte sehr." Atera rollte mit den Augen, diese Dämonen wurden auch immer schlimmer. Drinnen war es angenehm warm und eine Frau begrüßte Atera.
"Guten Tag, Madam. Möchtest du ein Kleidungsstück anfertigen lassen?" Die junge Frau musterte Atera, wie ihr schien auf eine herablassende Art. "Wir hatten noch nie einen Zombie hier, bitte, Herr Tarlin wird sich dafür interessieren. Bitte, folg mir, bitte.", wiederholte die Frau und trippelte in Holzschuhen über den Flur. Verwundernd ging ihr die Wächterin nach, sie war es gewohnt, als Nicht Lebende geringschätzige Beachtung zu finden, aber wer sollte sich schon für sie interessieren? Herablassung und manchmal sogar Ekel für ihren toten Körper waren gewöhnlich. Die Frau öffnete eine Türe aus schwarzem Ebenholz und wies sie an durchzugehen. In dem Raum stapelten sich Stoffballen, Nähgarn, Nähkästchen und verschiedene Utensilien eines Schneiders. Vom Nebenraum hörte man das Klappern von Webstühlen. In der Mitte stand ein großer Tisch, wo ein Mann- die Hälfte seiner Lebenszeit knapp überschritten- stand und ein Stück Leder zuschnitt. Er blickte auf, als Atera sich räusperte und seine Augen blitzten für eine
n kurzen Moment in einem schwachen Licht.
"Wie interessant.", sagte er und in weit ausholenden Schritten ging er auf sie zu. Umrundete sie einmal bis er vor ihr stehen blieb. "Ein menschliches Kunstwerk."
"Was?", fragte Atera und sah sich um.
"Na du.", erwiderte der Mann selbstverständlich. "Alles alleine zusammengenäht?"
"Ja." Die Wächterin war sich nicht sicher worauf er hinauswollte.
"Und das sind noch deine Original-Körperteile?"
"Ich bemühe mich, sie beisammen zu halten."
"Fantastisch!", rief der Mann plötzlich begeistert aus. "Ein lebendes Kunstwerk, genäht und angefertigt."
"Ich könnte dich wegen Beleidigung eines Unteroffiziers mit zur Wache nehmen.", begann Atera mit kalter Stimme, der Mann winkte ab.
"Beleidigung stand mir keineswegs im Sinn. Es muss höchst faszinierend sein den eigenen Körper zu nähen." Er nahm ihre Hand in die seine und musterte sie eingehend. "Hmm, die Stiche scheinen mir aber nicht perfekt. Was für eine Nadel benutzt du?"
"Stärke 4.", sagte Atera ganz perplex und vergaß ihre Hand wegzuziehen.
"Und etwas herausbekommen?" Kommandeur Rince stempelte gerade einige neue Anträge ab, in letzter Zeit hatten einige Rekruten ihren Dienst angetreten.
"Äh."
"Ja?"
"Ich weiß nicht genau."
Rince schaute auf, für einen Moment vergaß er seine Akten und den Papierkram. Atera sah verändert aus. Irgendwie hatte sie es geschafft, dass ihre Nähte verschwunden waren.
"Unsichtbares Nähgarn.", sagte sie plötzlich.
"Was?"
"Unsichtbares Nähgarn, Herr Tarlin hat es mir gegeben und mich ganz neu zusammen genäht. Endlich hält alles.", erklärte Atera.
"Herr Tarlin?"
"Der Schneider von Minna, aber er hat nichts mit der Sache zu tun.", fügte sie sofort hinzu. Dann drehte sie sich um und ging aus Rinces Büro aus, hinter ihr schlurfte der verlauste Mann.
Als Atera draußen war, rüttelte sie probeweise an ihrem rechten Arm, er fiel nicht ab, einfach fantastisch. Nie mehr Nähen, Herr Tarlin meinte, es würde monatelang halten!
"Hurglm?", brachte sich der alte Mann in Erinnerung. Er hatte den Täter vermutlich gesehen, nur wer war der Täter? Wahrscheinlich war es ein Verrückter, der nichts besseres zu tun hatte, als unschuldige Mädchen zu vergiften, dachte die Wächterin. Nicht der Rede wert, in dieser Stadt wimmelte es von dieser Sorte Menschen. Ein leichtes sich jemanden davon zu greifen und zu verhaften.
"Ich meine, natürlich sollte sie mit mir verheiratet werden, aber ich kannte sie ja kaum. Hab sie nur einmal gesehen.", sagte der Beinaheschwiegersohn der von Denkwürdigs, wäre Minna nicht ermordet worden. Die Ermittlungen traten auf der Stelle. Es war der Tiefpunkt jeden Mordfalles, wenn man diesen Satz hörte. Nichts Neues war zu Tage getreten und den Held hatte kein noch so winzig kleiner Kreativitätspartikel getroffen. In diesem Fall gab es mangels Helden nur eine Wächterin, die zudem auch noch tot war
Gerade eben hatte sie das Umfeld von Minna befragt, aber niemand schien etwas zu wissen und alle Freunde Minnas waren so langweilig, dass Atera noch nicht einmal die Möglichkeit in Betracht zog sie hätten etwas mit der Vergiftung zu tun.
Die Lady übergab ihre Chips den verbleibenden Spielern, sie schien über ihre Niederlage nicht so erbost wie Offler, der einige Seelen verloren hatte. Bei der heutigen Partie (nun genau genommen zog sie sich schon einige Tage, aber das spielte bei Göttern ja keine Rolle) waren nur noch wenige im Spiel.
"Es wird langsam langweilig.", brummelte Io.
"Du willst es aufregend? Bitte schön." Verhängnis warf die Würfel, ein Sechserpasch und eine Drei. Er zog die Mundwinkel zu einem Lächeln hoch, während in der Stadt der Galgen ein weiteres Mal für einen grausamen Mord herhalten musste.
"Ich hoffe für dich, du mogelst nicht.", sagte Io scharf.
Atera hatte Nachtschicht und döste meist hinter der Theke, es war vollkommen ruhig im Wachhaus. Der Wind klapperte und zerrte an den Läden vor den Fenstern. Sir Henry, Ateras Lieblingskröte hatte in einem kleinen Blechbadezuber Platz genommen und planschte. Daneben stand ein großer Zuber, Atera nutzte die Gelegenheit den alten Mann wenigstens irgendwie von Dreck zu befreien. Vielleicht hoffte sie, dass er so auch etwas gesprächiger werden würde. Hurglm planschte auch, sein verwirrter Kopf ließ ihn zusammenhangslose Worte sagen. Zu guter Letzt aber hatte Atera es geschafft ihn in eine grüne abgewetzte Hose zu stecken und den Bart zu stutzen. Henry quakte interessiert.
Gäbe es nicht diesen Mord, sie hätten in Frieden wie eine große Familie zusammenleben können. Atera richtete sich auf und betrachtete ihr Werk. So sauber sah der Mann direkt vernünftig aus. Der alte Hurglm saß nun am Tisch und hatte einen heißen Kakao zu trinken bekommen. Nun zumindest sollte es Kakao sein.
"So.", begann Atera gutmütig. "Erzähle mir mal, was du gesehen hast?"
"Häh?"
"Warum kannst du mir nicht einfach sagen, dass du einen Mann gesehen hast, der die Leiche dort oben hingehängt hat und du bist ihm gefolgt, hast gesehen wo er wohnt, bist dann zurück, um mich mit deinem Gebrüll anzulocken. Wie wäre es damit?"
Der Mann blieb stumm und Atera seufzte. Sie hätte den Fall doch abgeben sollen. Aber nein, es wäre doch gelacht, wenn sie ihn nicht aufklären könnte.
Auf einmal sprang die Türe auf und Lupus polterte herein.
"Na, kannst du nicht schlafen oder hattest du etwa Nachtschicht?", begrüße Spieß Atera ihn.
Er schüttelte den Kopf.
"Kann ich dir was anbieten? Heißer Kakao und ein Schälchen mit Milchreis?" Henry quakte beim Gedanken an seine Lieblingsspeise begeistert.
Wieder ein Kopfschütteln.
"Ja, was dann? Rede doch!"
"Ein. Mord. gerade eben passiert!", rief er endlich. Atera sprang sofort hellwach auf.
"Wo? Hast du den Schuldigen?"
"Nein, ich. ich habe ihn verfolgt, habe gesehen wie er jemanden am Galgen aufhängen wollte. Der Vollmond kommt bald und ich war unruhig, da bin ich spazieren gegangen. Am Galgen vorbei und da habe ich ihn bemerkt.", berichtete Lupus, noch außer Atem.
"Was? Wie? Wen?"
"Äh, als ich auf den Mann zutrat, da hat er die Leiche fallen gelassen und ist weg gerannt. Ich bin natürlich sofort hinterher, aber in einer Gasse habe ich ihn dann unglücklicherweise verloren."
"Verdammt!", fluchte Atera. "Na gut, wir müssen schnell zum Galgen. Warum hast du nicht eine Taube losgeschickt, dann hättest du den Tatort absichern können?"
"Ich hatte leider keine dabei, eigentlich war ich ja in Zivil unterwegs."
Nur ungern verließ Atera die warme Wächterstube, aber es musste sein. So kam es, dass drei merkwürdige Gestalten durch das nächtliche Ankh-Morpork liefen. Scherenschnittartig waren nur die schwarzen Umrisse von ihnen zu sehen, ein junger Mann, der beim Anblick des Mondes ein leises Heulen nicht verhindern konnte, ein alter dünner Mann, der gebeugt hinten drein lief und eine nicht lebende Frau. Sie kamen an einem malerischen Bild an, vor dem fast vollen Mond prangte der Galgen, drohend und Unheils verkünde
nd. Neben dem Galgen lag eine tote Frau.
"Da, wieder ein Stück von dem Kleid ausgespart. Wir haben es mit einem Serientäter zu tun.", rief Lupus aus. Atera wollte wissen wo er den Mörder verloren hatte. Ein wenig schämte sich Lupus dafür, hätte er doch in seine Werwolfsgestalt gewechselt, aber in der Gasse war ein widerwärtiges Fischrestaurant und so musste er selber fliehen, da der Geruch in ohne maßen in der Nase brannte. Der Spieß schickte schnell eine Taube zum Wachhaus in der Kröselstrasse los, dass sich einer der dortigen Rekruten zum Galgen begeben und die Leiche bewachen sollte. Dann folgte Atera dem Hauptgefreiten Lupus, der sie durch die Straßen und Gassen führte. Immer auf der Spur des Mörders.
"So, hier ist das. urgs Fischrestaurant. Der Gestank ist so grauenhaft, dass ich ihn verloren habe.", erklärte Lupus und hielt sich ein Tuch vor die Nase. Atera las den Text auf der Speisetafel des Lokals.
"Frischer Fisch aus dem. Ankh!" Wäre sie kein Zombie, sie hätte sich übergeben müssen. "Wer hier isst, muss wirklich all seinen Verstand verloren haben."
Atera sah sich überall um, konnte aber nichts entdecken. "Zwecklos.", brummte sie. "Der ist weg, gehen wir zurück." In diesem Moment bemerkte sie, dass Hurglm verschwunden war. Erstaunt sah sie sich um, bis auf ein paar Leute war die Gasse leer und endete in einer Sackgasse, als sie weitergingen.
"Vielleicht ist er ins Restaurant?", vermutete Lupus. Atera nickte und trat gewappnet mit Mut und Unerschrockenheit in das Lokal. Drinnen war es verraucht, Fischgeruch überlagerte aber alles. Über den Tischen hingen unechte Plastikfische. Sogar über dem Kamin hing einer dieser Fischer, er sang ein schlechtes Lied und bewegte dabei den Mund täuschend echt. Netze, Krabben sowie weitere Dekorationsgegenstände schmückten den Raum. An den Tischen saßen bärtige Seeleute. Es war so typisch eingerichtet, dass Atera halb erwartete einen Mann mit Holzbein hinter den Tresen zu sehen.
Sie wurde nicht enttäuscht.
"Moin, Moin ihr Landratten!", brüllte er ihnen mit einem komischen Akzent entgegen. Vielleicht lag es daran, dass diese Häuserzeile nah am Ankh lag, praktisch direkt am Ufer und so der Gestank des Flusses den Geist der Menschen hier vernebelte.
"Moin?", ahmte Atera nach und fragte sich, was dies bedeutete. "Ein. äh wunderschönes Restorang hast du hier und wir sind keine Ratten." Sie deutete auf ihre Uniformen.
"Oine zünftige Makrele auf Kosten des Hauses? Frisch ausem Fluss.", bot der Barmann an. Lupus würgte und schaute schnell woanders hin.
"Wir bräuchten deine Hilfe, Herr. äh?", begann Atera.
"Herr Seebutt und dies hier ist die Bucht der Stürme, so heißt mein Lokal. Jeden Fisch und jede Krabbe, frisch auf den Tisch ohne eine Gräte.", sagte er auf.
"Das reimt sich ja gar nicht.", meinte Atera enttäuscht. Der Mann schien ebenfalls enttäuscht, sagte aber nichts.
"Hast du einen alten Mann gesehen, der hier hereingekommen ist?", fragte Lupus.
"Oh, ja, dat will ich menen. Er bestellte ordentliche Krabben und verschwand denn aufem Klo.", berichtete Herr Seebutt und klopfte mit seinem Holzbein rhythmisch zum Gesang des Plastikfisches über dem Kamin. Auf der Theke stand ein Schädel mit einer Piratenflagge drin.
"Wir. äh sehen uns dann mal um.", sagte Atera und drängte sich durch die Leute an der Bar bis zur Toilette vor. Sie war doch ein wenig verwundert, dass "Die Bucht der Stürme" überhaupt eine Toilette besaß.
Zu dieser Zeit kämpfte ein engagierter Rekrut gegen die beißende Kälte der Nacht, er trat von einem Bein aufs andere, schritt mehrmals um den Galgen, aber es half nichts. Die Kälte kroch in seine ganzen Knochen, doch er war für diese wichtige Aufgabe auserwählt worden und nun musste er da durch. Cim Bürstenkinn rieb sich die Hände und sah nach, ob die Leiche noch immer auf ihrem Platz lag. Das tat sie. Es war eine Frau mit langen blonden Haaren, sie steckte in einem Purpurkleid. Merkwürdigerweise fehlte ein Stück in dem Kleid. Cim fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte.
Atera schlug die Türe zum Männerklo auf, genau genommen gab es nur die Toilette für Männer und sah sich zusammen mit Lupus um. Sie beeilten sich dies sehr, sehr rasch zu tun. In der letzten Kabine fanden sie schließlich Hurglm, er kniete auf dem Boden und rüttelte an dem Klo.
"Äh.", begann Atera zögernd. Ertappt fuhr der Mann herum.
"Das Böse ist dort unten!!", schrie der Mann.
"Das kann schon sein, dann wollen wir es mal lieber da lassen.", sagte Lupus und versuchte den Mann von dem Klo wegzuziehen. Plötzlich krachte das Klo beiseite. Atera wollte schon entsetzt aus der Kabine stürmen, dann aber sah sie, dass unter dem Klobecken ein Geheimgang war.
"Eine Attrappe, wie raffiniert. Woher weißt du davon?", fragte sie den alten Mann, der tat ahnungslos.
"Ich bringe euch zum Bösen, mir folgen.", forderte er stur. Lupus schüttelte entsetzt den Kopf, der Gestank ist unerträglich für meine Nase. Ich meine, so nahe am Ankh und hier dieses Klo. Buäh, widerwärtig!" Er hielt sich ein Taschentuch vors Gesicht.
"Na komm schon, Hauptgefreiter, wir müssen jeder Spur folgen. Denk an Ruhm und Ehre!" Atera hob den Zeigefinger belehrend, sie wedelte damit, glücklich, dass er nicht abfiel.
"Gut, gut. Mir bleibt ja nichts anderes übrig. Aber dieser enge Gang, wer weiß wo der hinführt-."
"Zum Bösen!!"
"Jaja, zum Bösen, darum hätte ich lieber Verstärkung.", bemerkte Lupus. Atera nickte darauf.
"Schick eine Taube los zu dem Rekrut, der am Galgen hä. steht, er soll mitkommen. Ich möchte nicht solange auf irgendeine ferne Verstärkung warten."
"Nur ein Rekrut? Naja, mitten in der Nacht bekommt man wohl nichts Besseres. Ähm.. eine Frage noch, welche Taube?"
"Na, die, die du klugerweise mitgenommen hast."
"Äh, hab ich das?" Lupus kramte in seinen Taschen, aber da war keine Taube. "Ich befürchte, wir haben keine." Atera seufzte, dann fiel ihr etwas ein und ihr Gesicht erhellte sich merklich. Nun kramte sie in ihren ausgebeulten Taschen und förderte eine fette, hässliche Kröte zutage.
"Sir Henry!", stellte sie triumphierend vor. Lupus stöhnte auf.
Cim scharrte gelangweilt in dem Sand und fütterte seine ordnungsgemäß mitgebrachte Taube mit ein paar Körnern. Irgendwie dämmerte ihm, dass dieser Auftrag als Leichenaufpasser wohl doch nicht das Spannendste war, was es ihm Leben gab. Im Grunde war es so ziemlich das Langweiligste was er je-
Er hörte ein Quaken.
-gemacht hatte. Nun, vielleicht würde es im Laufe seiner Karriere noch so das eine oder andere langweilige zu erledigen-
Wieder ein Quaken.
-geben, aber da musste jeder Rekrut durch. In Gedanken malte er sich aus wie es wohl wäre Kommandeur zu sein, eine blitzende Rüstung, eigenes Wachhaus, die Schwachen beschützen, Stärke zeigen-
Jemand biss ihm in den Fuß. Cim heulte laut auf und vollführte einen Tanz der Schmerzen, er prustete und japste, ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Schließlich ließ er sich neben den Galgen nieder und betrachtete seinen angeschwollenen Fuß.
"Verflucht, wie-." Sein Blick fiel auf die Kröte. Sie schaute ganz unschuldig drein, am Hals(oder da wo man den Hals oder etwas in der Art vermutete) hatte sie ein Stück Papier umgebunden. Ganz vorsichtig zog er das Papier ab und wie er schon richtig vermutet hatte war die Nachricht von Atera.
AN DEN REKRUT
KOMME BITTÄ SOFORT ZUM RESTORANG BUCHT DER STÜRME AM ANKH. GEHE DANN ZUR TOILETTE.
SP ATERA
P.S.: BITTÄ BRING AUCH HENRY MIT UND SCHICKE EINE TAUBE ZUM NÄCHSTEN WÄCHTER
Cim erschloss sich irgendwie nicht der Sinn des Textes, aber er wollte den Befehl so befolgen wie er da stand. Zunächst schickte er seine Taube zur Kröselstrasse, in der Hoffnung, dass sich dort einer der Taube annehmen und dann zum Galgen kommen würde. Er schüttelte noch einmal verwirrt den Kopf und dann, ganz vorsichtig, hob er das schleimige Etwas auf.
Was nun folgte, wurde im nachhinein als taubsche Unschlüssigkeit bezeichnet. Cims Taube flog ordnungsgemäß zum Wachhaus in der Kröselstrasse und traf dort auf Feldwebel Zaddam. Dieser war aber so in seine Papiere vertieft, dass er die Taube an Lavaelous weitergab. Der Ausbilder betraute Rekrut Zaphod mit der Nachricht. Zaphod hatte aber just in dieser Nacht noch eine wichtige Verabredung mit einer Dame, deswegen beschloss er in eigener Sache die Taube zum Wachhaus am Pseudopolisplatz zu schicken. Dort war
inzwischen Hauptgefreite Oma Morkie zu ihrem Wachedienst angetreten. Sie erkannte die arme erschöpfte Taube und pflegte sie erst einmal. Die Nachricht landete auf ihrem Papierstapel. Von hier nahm sie Johann Zupfgut am nächsten Morgen an sich und beschloss sie zunächst an acht weitere Wächter zu schicken, um die neue Übermittlungsgeschwindigkeit der Tauben herauszufinden. Drei Tauben fielen Wasserspeier zum Opfer, die vierte wurde von einer Windböe erfasst, auf den Ankh geschleudert, wo sie in der zähen
Masse stecken blieb. So erhielten Feldwebel Ecatherina, Lance-Koporal Angsthase, Hauptgefreiter Aragorn und Rekrut Norman eine Taube mit der dringenden Nachricht von Cim Bürstenkinn. Was danach geschah, lässt sich nicht mehr genau konstruieren. Sicher ist aber, dass Kommandeur Rince eine Woche später folgende Nachricht erhielt:
>>weitergeleitet, Taube 34
AN DIENSTHABENDEN WÄCHTER
BITTE ZUM GALGEN GEHEN UND AUF LEICHE AUFPASSEN
DRINGEND
REKRUT CIM
Aber das sind natürlich Ausnahmen, wie das Schicksal halt so spielt.
Und im Moment spielte es verdammt gut.
Cim ahnte von diesem Verlauf der taubschen Unschlüssigkeit noch nichts und folgte den Gassen zur "Bucht der Stürme", vorsichtig trat er ein und wurde sofort von bärtigen Seeburschen und jungen Matrosen misstrauisch beäugt. Zaghaft hob er die Hand und probierte einen Seemannsgruß:
"Äh.. Moin?"
Zwanzig Moin-Rufe schallten ihm entgegen, die Männer drehten sich wieder desinteressiert um. Noch immer wusste er nicht, was er auf der Toilette sollte, ging aber dort hin und traf auf Atera, Lupus und einen alten Mann, der auf dem Boden schlief.
"Na endlich!", rief Atera aus. "Warum hat das solange gedauert?"
"Gedauert? Ich bin sofort los, als deine Kröte mich erreichte. Vielleicht zehn Minuten oder so." Er holte Sir Henry hervor und überreichte ihn Atera.
"Ich habe es dir gesagt, ich habe es dir gesagt.", fiel Lupus genervt ein, Atera winkte ab.
"Er ist angekommen, oder? Oder nicht? Der Rekrut, äh.. wie heißt du?"
"Cim Bürstenkinn, Madam." Er salutierte zackig.
"Siehst du, Cim, hat mir Henry gegeben, das bedeutet er hat ihn auch bekommen. Oder etwa nicht?", fragte Atera den Hauptgefreiten Lupus.
"Ja, okay. Hast ja Recht. Aber ich hätte auch eben schnell zurück zum Galgen laufen können, um Cim zu holen.", erwiderte Lupus.
"Es geht ums Prinzip. Ich meine, es hat geklappt.", gab Atera zurück. Cim folgte der Unterhaltung mit wachsender Verwirrung.
Erst später erfuhr er, dass die beiden Wächter glatte zwei Stunden auf die Rückkehr der Kröte gewartet hatten.
Nun weckten sie den alten Mann und quetschten sich in den engen Gang.
"Mann, das ist total bescheuert, jetzt krieche ich in einem engen dreckigen Gang herum, der vielleicht nirgendwohin führt. Ich hätte zu Hause bleiben sollen.", murmelte Lupus. Cim fragte versuchsweise worum es eigentlich ging, aber er erhielt nur die Antwort des alten Mannes.
"Zum Bösen gehen wir!!"
Der Gang war wirklich sehr eng, sie konnten nur kriechen und die Wände bestanden aus mal staubiger Hustenanfälle auslösender Erde oder aus matschigem Schlamm, in dem man fast versank. Zunächst krochen sie ein ganzes Stück weit nach unten, um dann ziemlich lange geradeaus voranzukommen. Der alte Mann immer voraus. Irgendwann begann es von oben herab zu tröpfeln.
"Wo sind wir eigentlich?", fragte Cim in die Dunkelheit.
"Nach dem Gestank zu urteilen in den Vorkammern der Hölle.", hörte er die Antwort von Lupus. Für seine feine Werwolfsnase musste der Geruch sehr überwältigend sein.
"Nach meinen Stadt- und Orientierungskenntnissen müssten wir genau unterhalb des Ankhs sein.", sagte Atera plötzlich. "Irgendwo zwischen Schlechter- und Ankh-Brücke.", fügte sie fröhlich hinzu. Lupus wollte umkehren.
"Hab ich euch eigentlich schon mal erzählt, dass ich mal im Ankh nach einem Quietschentchen gesucht habe?"
"Nein und ich will es auch gar nicht hören.", begann Lupus entsetzt. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sie unter dem Ankh herkrochen. Es war fast schon so was wie ein Sakrileg.
"Warum denn nach einem Quietschentchen?", fragte Cim interessiert.
"Nun, das ist eine lange, lange Geschichte."
"Bitte, nein, mir ist gar nicht übel. Erzähl ruhig, wie du im. Ankh geschwommen bist, Spieß."
"Ruhm und Ehre, Lupus. Immer schön an Ruhm und Ehre denken."
"Also wirklich, Verhängnis, Schicksal, wie immer, du dich auch nennen magst. Es ist lächerlich, über kurz über lang wirst du verlieren.", sagte Io. Verhängnis lächelte.
"Im Moment scheine ich eher zu gewinnen. Warte es ab, es entwickelt sich prächtig. Außerdem möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ein Tunnel unter dem Ankh physikalisch wie auch technisch unmöglich ist."
"Ich hatte einen Dreierpasch und bin auf dem Sonderfeld gelandet.", verteidigte sich ein kleiner Gott. Er saß auf einer Regenwolke. Allen anderen Göttern war es unerklärlich wie er es überhaupt nach Würdentracht geschafft hatte, geschweige denn, wie er noch im Spiel sein konnte. Eigentlich dürfte er nicht einmal daran teilnehmen. Mit einer einzigen Seele.
"Und die dritte Tote.", flötete Verhängnis. "Alles nimmt seinen Lauf."
Wütend schob Io seine Chips herüber. Er hatte verloren. Nur dieses Mal, das schwor er sich.
Schließlich kam die Truppe an die Oberfläche. Hurglm schwang eine Klappe am Ende des Ganges auf und sie fanden sich alle in einer Vorratskammer wieder.
"Hierher muss der Mörder geflüchtet sein.", sagte Atera und versuchte den Dreck von ihrer Uniform abzuklopfen. Vergeblich. Die ziemlich dreckige und geschaffte Truppe sah sich in der Kammer um. Lupus hatte eine Öllampe gefunden und entzündete sie. Als er sie hochhielt glitzerte ihm Purpur entgegen, strahlendes leuchtendes Purpur.
"He, von der gleichen Farbe war auch das Kleid der armen toten Frau.", bemerkte Cim.
"Und von Minnas Kleid auch. Ich frage mich was an dieser Farbe so besonderes ist.", sagte Atera.
"Nun, zufälligerweise weiß ich, dass Purpur früher nur den Königen vorbehalten war.", bemerkte Lupus.
"Soll uns das weiterbringen? Es geht um vergiftete adlige Frauen, nicht um irgendwelche Purpurkleider.", erwiderte Atera und begutachtete die Kammer. Sie suchte nach einem Ausgang. Hinter den ganzen Stoffballen entdeckte sie plötzlich etwas. Mit einem entsetzten Ausdruck nahm sie es hoch und zeigte es ihren Kollegen.
"Sollen wir jetzt, Ihhh, unsichtbares Nähgarn, sagen?", fragte Lupus und guckte das Nähgarn verwundert an. Atera rollte mit den Augen und zeigte ihre Nähte am Arm.
"Dieses Nähgarn benutzt auch Herr Tarlin. Ich habe es von ihm.", erklärte sie.
"Bingo, wir haben den Schuldigen! Der Schneider war's.", rief Lupus sofort aus.
"Herr Tarlin ist aber so nett, er kann unmöglich etwas damit zu schaffen haben. Außerdem welchen Grund könnte er haben?" Atera schüttelte den Kopf.
"Das Böse!!", schrie der alte Mann plötzlich markerschütternd. In diesem Moment öffnete sich in der Decke der Kammer eine Luke, gleißendes Licht, gleich dem Fingerzeig der Götter, fiel auf die vier Gestalten. Ein gewaltiger massiger Körper schob sich über die Luke und starrte die Vier an. Sie starrten zurück. Atera beschloss zu handeln.
"Äh... Kammerdienst?"
"Na toll.", sagte Lupus und rüttelte an den eisernen Ketten, selbst für einen Werwolf waren sie zu stark und fest.
"Willst du dich offiziell bei einem Unteroffizier beschweren? Dann hast du jetzt die Gelegenheit dazu.", erwiderte Spieß Atera scharf. Lupus hielt es darauf für besser zu schweigen. "Ich könnte Henry losschicken, damit er Hilfe holt.", sagte die Wächterin nach einer Weile und versuchte in dem Verließ eine bessere Sitzposition zu bekommen.
"Nein, bloß nicht. Wir wären verhungert, bis er ankäme!"
"So langsam ist er gar nicht. Nicht wahr, Henry? Wo ist eigentlich dieser Rekrut Cim?"
Während Atera, Lupus und Hurglm von sechs massigen Gestalten, darunter zwei Trolle, in ein Verließ geschleppt worden waren, hatte sich Cim unbemerkt hinter einem Stapel Purpurstoff versteckt. Einige Zeit hatte er abgewartet und nun kroch er vorsichtig hervor. Über ihm war alles ruhig. Durch einen glücklichen Zufall hatten ihn die Männer vergessen und er hoffte das Glück würde ihm auch weiterhin treu bleiben. Leise kletterte er zur Luke und öffnete sie. Gewand zog er sich nach oben und fand sich in einer Küche wieder. Der Geruch von alten, schimmligen Essen stieg ihm in die Nase. Ich muss die anderen finden, dachte er sich. Draußen lief eine Schar Männer vorbei, sie lachten und grölten. Unbedingt, dachte sich Cim, ich muss sie unbedingt wieder finden. Ich bin doch nur ein kleiner Rekrut.
Er stahl sich vorsichtig aus der Küche und huschte einen Gang entlang, links zweigte plötzlich eine Türe ab, aber als er daran zehrte ließ sie sich nicht öffnen. Cim presste das Ohr an die dicke Holztüre, Stimmen waren gedämpft zu hören. Auf einmal mischte sich ein Quaken darunter. Es musste Ateras Kröte sein.
"Ich hole euch daraus.", flüsterte er. Nur wo bekam er den Schlüssel her? Sicher hatte ihn der Oberbösewicht an seinem Schüsselbund und wie es der Zufall so traf, schlief dieser sicher und Cim musste mit Hilfe eines Stockes den Schlüsselbund klauen ohne, dass der Bösewicht aufwachte. In seinen Geist drängte sich die Frage, wer wohl der Bösewicht war. Konnte es nicht einfacher sein? Wenn jetzt hier an diesem Haken neben der Türe ein Schlüssel hängen würde.
Was redete er da? Dort hing in der Tat ein Schlüssel! Er musste träumen, das war viel zu einfach. Zögernd griff Cim nach dem Schlüssel.
"Er mogelt! Ich weiß nicht wie, aber er mogelt! Da kann unmöglich ein Schlüssel hängen!" Verhängnis zeigte drohend auf den kleinen Gott, der kicherte auf seiner Wolke. Die Lady lächelte. Wütend warf Verhängnis die Würfel. Nun lächelte er.
"Und den Schlüssel gibt es nicht.", sagte er bestimmt.
Cim griff ins Leere. Verwundernd schaute er auf den Haken. Wo eben noch ein Schlüssel so verführerisch gehangen hatte, war nun nichts mehr zu sehen.
"In was für einem Tollhaus bin ich nur?", stammelte er. Cim ging den Gang weiter. Ich habe verdammtes Glück, es kommt keiner vorbei, dachte er noch, als sich genau vor seiner Nase eine Türe öffnete. Nun stand er hinter der Türe, davor hörte er zwei Männer reden.
"Also wir haben noch eine Lieferung für drei Schneider. Dieses Purpur ist beliebt. Bring sie ihnen schnell.", schnarrte eine Stimme laut.
"Ja, Chef. Was ist denn mit den Gefangenen? Ich glaube, es sind Wächter."
"Na und? Sie sind wie jeder der Menschen, sterben können wir alle."
"Ja, Chef. Sonst noch etwas, Chef?"
"Nein, nein. Hier ist der Schlüssel, erledige das." Dann schloss der eine Mann die Türe von innen. Für Cim ergab sich ein Problem. Der Mann draußen. Dieser drehte sich gerade um, verblüfft starrte er auf den Rekrut. Dieser nutzte die Gelegenheit und hieb den Mann mit der Breitseite seines stumpfen Schwertes auf den Kopf. Mit einem bemerkenswerten Urrgh ging der Mann zu Boden. Stolz über seinen Sieg, nahm er den Schlüssel und schlich zurück zu der verschlossenen Türe.
Atera sah auf, als jemand knarrend die Türe öffnete. Dann zeigte sich Cim, der sie mit dem Schlüssel rasch von den Ketten befreite.
"War zwar nicht ganz so schnell, wie ich erwartet hätte, aber immerhin.", sagte sie.
"Aber ich-.", begann Cim und wedelte aufgeregt mit dem Schlüssel.
"Hast den Schlüssel von dem Haken genommen?! Intelligenter Junge, wirsts mal weit bringen.", lobte Atera und sie gingen aus dem Verließ.
"Aber ich habe einen richtigen Bösewicht erschlagen.", rief ihnen Cim hinterher, doch die anderen schenkten seinen Worten keine Beachtung. Gemeinsam suchten sie einen Ausgang und mit reichlich Glück standen sie schließlich auf der Straße.
"Wo waren wir jetzt eigentlich?", fragte Lupus.
"Sag bloß, das habt ihr nicht erkannt?! Schmugglergilde nennt sich diese Bande an Räubern.", antwortete Atera. "Außer Spesen nix gewesen oder wie heißt das? Gehen wir zum Wachhaus, meine Nachtschicht ist bald um."
"Ich könnte das eine oder andere Bad vertragen.", merkte Lupus an. Cim sah dieser Entwicklung fassungslos zu.
"Ihr könnt doch jetzt nicht so einfach gehen! Ich habe gehört, dass diese Schmuggler den Purpur verkaufen. Sie wollten euch töten! Also wir müssen jeden Schneider befragen, noch einmal in das Haus gehen mit Verstärkung, einen vernünftigen Bericht schreiben und überhaupt, es gibt so viel zu tun!", rief er. Darauf ging Atera auf ihn zu und rüttelte ihn an der Schulter, damit er zur Besinnung kam.
"Du musst mal ein wenig entspannter an die Sache herangehen. Ich dachte, ich bräuchte mehr Aufregung, aber weißt du, das Gegenteil ist der Fall. Du wirst das noch verstehen. Irgendwann bekommt man die Gelegenheit an einem Kronleuchter herum zu schwingen und dann bemerkt man: Verdammt, sind diese Dinger schlecht an der Decke befestigt.", teilte sie ihm eine Lebensweisheit mit.
"Aber ich dachte, es geht darum den Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Dem Verbrecher das Handwerk zu legen.", erwiderte Cim Bürstenkinn.
"Oh, hauptsächlich geht es um ein gutes Ende."
"Hurglm?"
"Mit viel Gelage.", fügte Lupus hinzu.
Zu diesem Zeitpunkt bot sich möglichen Spaziergängern am Galgenplatz folgender Anblick: Zwei tote Frauen, aufgeknüpft wie erlegte Vögel, baumelten an dem Galgen. Dies bemerkte Frau Willichnicht und so kam es, dass um punkt sieben Uhr fünf in der Frühe eine völlig aufgelöste Frau in das Wachhaus am Pseudopolisplatz stürmte.
"Es ist etwas Schreckliches geschehen!", rief sie aus und ruderte wild mit den Armen, um die erschreckten Wächter zusammen zutreiben.
"Was ist denn passiert?", fragte ein gutgläubiger Rekrut.
"Etwas Schreckliches!", kreischte Frau Willichnicht. "Zwei Leichen am Galgen, furchtbar!"
"Hört sich ganz nach Ateras Fall an.", bemerkte Pismire, während einige Wächter der aufgeregten Frau einen Tee brachten. Leider hatte Atera schon Feierabend und so ging stattdessen die Tatortsicherin Lady Steinschlag, pflückte die Leichen wie überreife Trauben vom Galgen und schleppte sie in Pismires Labor. Dort untersuchte der Gerichtsmediziner die Frauen, alle waren von dem gleichen Gift getötet worden. Das Sekret der Blauen Stechpalmpflanze, wie er in einem seiner Bücher entdeckte.
"Also ich verstehe das nicht."; sagte er, kratzte sich am Kopf und biss nachdenklich in ein Ziegenkäseplätzchen. Allen Kleidern fehlte ein Stück, doch warum? Was war der Grund dafür? Wo blieb nur das Motiv?
Am Mittag, Atera war gerade aufgewacht und fütterte die Frösche, besuchte Korporal Irina die adligen, reichen Familien der anderen beiden Toten und versuchte ihnen so schonend wie möglich das Unglück darzulegen. Von ihnen erfuhr sie, dass die zwei toten Frauen einmal mit dem Herren Nilrat liiert gewesen waren. Ein Zufall? Irina Lanfears Erfahrung ließ sie das Gegenteil vermuten.
"Ich muss diesen Herr Nilrat aufsuchen. Er weiß vielleicht mehr." Irina bekam die Adresse von einer der Familien und machte sich auf den Weg.
"Ein vorzüglicher Wein.", sagte Atera und nippte daran. Der Schneider lächelte sie an und sie prosteten sich zu.
"Und halten die Nähte noch?", fragte er interessiert.
"Oh ja, ich bin begeistert. Woher hast du dieses Nähgarn nur? Meine üblichen Läden, die mich mit Garn und Nadel versorgen führen dies nicht." Atera stocherte in dem Essen herum, sie saßen in der gemütlichen Stube des Schneiders, Kerzenschein erfüllte den Raum mit Licht.
"Unsichtbares Nähgarn ist eine klatschianische Erfindung, schwer zu beschaffen. Führt nicht jeder." Er führte seine Gabel elegant zum Mund, der rötliche Schein der Kerze verlieh ihm ein geheimnisvolles Aussehen, die wenigen Falten im Dunklen gelegen, seine Mundwinkel immer von einem leichten Lächeln umspielt.
"Und Purpur? Wie steht es damit? Ist das auch schwer zu kriegen? Ich ermittle da gerade in einem interessanten Fall, habe ich dir davon erzählt?", fragte Atera.
"Ich glaube, das war der Grund warum du überhaupt zu mir gekommen bist.", antwortete der Schneider freundlich, er trank etwas von dem Wein.
"Wirklich? Ich dachte, das Schicksal hätte uns zusammen geführt."
Der Schneider lachte.
Irina schaute noch einmal auf die Adresse dieses Nilrats, entschlossen klopfte sie an die Türe. Eine junge Frau machte ihr auf und sah sie überrascht an.
"Was willst du hier-." Sie sah auf die Abzeichen an Irinas Uniform. "-Korporal?"
"Ich möchte Herrn Nilrat wegen eines Falles befragen. Ist er da?"
Die junge Frau an der Türe ließ sich für einen Moment entschuldigen.
"Und wie ist das Leben so als Wächter?"
"Nun.. ein Mord hier, ein uneinsichtiger Eselkarrenlenker dort. Man hat immer etwas zu tun. Außerdem kommt man viel rum auf der Welt. Gennua, Lancre." Atera starrte auf ihr leeres Glas, das sich wundersamer Weise immer von neuem füllte. Sie prosteten einander zu.
"Schneider zu sein, ist auch aufregend."
"Wirklich? Inwiefern?", fragte die Wächterin neugierig. Die Frau mit den Holzschuhen trippelte herein und flüsterte dem Schneider etwas zu. Atera konnte nicht verstehen was. Das Gesicht des Mannes blieb ruhig.
Irina wurde das Warten langsam zu lang. Man ließ keine Wächter warten! Trotzdem ging sie etwas zögernd in das Haus, die Türe war nur angelehnt und sie fand sich in einem Empfangsraum wieder. Vom anderen Ende des Ganges hörte sie Stimmen. Plötzlich kam die junge Frau wieder heraus, erbost trat sie auf Irina zu.
"Was soll das? Auch Wächter dürfen hier nicht so einfach rein!"
"Ist hinter der Türe Herr Nilrat?", fragte Irina und beachtete die Worte der Frau nicht.
"Er ist in einer wichtigen Besprechung- He, was soll das?!" Der Korporal schob die verdutzte Frau einfach beiseite und trat auf die Türe zu.
"Oh!", sagte Irina, als sie Atera entdeckte. Der Spieß hob grüßend das Weinglas. "Da muss wohl was beim Rohrpostsystem durcheinander geraten sein. Ich dachte, ich wäre eingeteilt-."
"Alles in Ordnung, Korporal. Ich bin privat hier.", unterbrach sie Atera.
"Aber, dies ist ein Verdächtiger. Herr-."
"Herr Tarlin ist ein ehrbarer Mann.", unterbrach Atera sie schon wieder.
"Herr Tarlin? Aber ich dachte, er heißt Herr Nilrat. Die Frauen waren vor ihrem Tod mit ihm zusammen.", erklärte Irina. Bis gerade eben hatte der Schneider alles ruhig beobachtet, aber jetzt sprang er auf, ein Messer gezückt. Die zwei Wächterinnen sahen in verblüfft an.
"Schluss mit den Kindereien! Ihr gebt zwei gute Leichen ab."; schrie er wild und der Wahnsinn glitzerte in seinen Augen. Atera konnte nur "Aber, Herr Tarlin sagen.", sagen.
"Was soll das alles?", fragte Irina und griff ebenfalls nach ihrem Schwert.
"Sieben auf einen Streich, sieben auf einen Streich.", sagte der Mann nur und fuchtelte drohend mit dem Messer herum.
"Bitte was?"
"Na, sieben auf einen Streich. Drei hatte ich schon und ihr werdet die nächsten zwei sein. In Purpur verhüllt als königliche Anerkennung meiner Schneiderkunst.", erklärte der Schneider.
"Und warum die Löcher?", fragte Irina.
"Na, damit ich einen Beweis für meine Tat habe. Hier in diesem Zimmer habe ich sie mit Wein vergiftet und dann dort am Galgen aufgehängt. Ganz schön mühsam und beinahe hättet ihr mich erwischt, wenn nicht Bekannte mir geholfen hätten."
"Die Schmugglergilde.", sagte Atera tonlos, sie konnte das alles noch nicht fassen.
"Ich liebe es, wenn sich alles perfekt zusammenfügt. Ihr nicht auch? So und nun. sterbt!"
"Verzeihung, aber ich bin schon tot.", sagte Atera und zückte ihr Schwert, zögernd schritt sie auf Herrn Tarlin zu. Ich bin Wächterin, sagte sie sich. Plötzlich griff der Mann nach dem brennenden Kerzenständer.
"Wie Wachs warst du in meinen Händen und wie Wachs wirst du brennen.", sagte er. Atera knirschte mit den Zähnen, Feuer war gefährlich. Es war sogar höchst gefährlich.
"Irina?", fragte sie zögerlich. Diese lag regungslos auf dem Boden, die junge Frau mit den Holzschuhen ragte drohend über ihr auf. Atera trat einen Schritt zurück, der Schneider schwang den Kerzenständer und die Rauchfahnen bildeten in der Luft ein Muster. Als Häufchen Asche kann man schlecht leben. Lebte man überhaupt oder war es mehr ein Vegetieren?
"Warum?", brachte sie hervor. "Ich dachte, du wärst ein Freund."
"Nur solange du keinen Schaden verursachen konntest. Ich bin gespannt was passiert wenn eine Untote brennt. Du nicht auch?"
In Würdentracht kochten die Gemüter. Verhängnis und der kleine niedere Gott waren nur noch im Spiel. Das Schicksal fragte sich, wie es nur so weit kommen konnte. Aber das spielte gleich keine Rolle mehr, er würde gewinnen. Es sei denn.
"Ich muss also drei Sechsen würfeln und wenn nicht, bin ich draußen?", fragte der Mann auf der Wolke.
"Ja, nun mach endlich.", erwiderte Verhängnis genervt. Wie er diese wichtigtuerischen kleinen Götter hasste. Man müsste draußen ein Verbotsschild anbringen. Und neben dem Bild eines untersetzten kleinen Mannes den Satz: "Wir müssen leider draußen bleiben."
Verhängnis lächelte spöttisch. Sein Gegner(Ha, Gegner, der doch nicht!) würfelte mit zittriger Hand. Der erste Würfel blieb stehen.
Eine sechs.
Der nächste Würfel kullerte langsam bis zum Spielfeldrand.
Eine sechs.
Verhängnis sog die Luft scharf ein, als der letzte Würfel über den Rand rollte und klickend auf dem Boden verschwand. Ios Augen folgten ihm und irgendwie abseits verkündete er:
"Eine fünf!"
"Ha!", sagte Verhängnis laut.
"Ha!", sagte auch der Schneider, er ging auf Atera zu, den Kerzenständer hoch erhoben. Die Wächterin stolperte hastig zurück. Sie durfte auf keinen Fall ans Feuer kommen. Hinter ihr war Atera plötzlich ein Stuhl im Weg und sie stolperte drüber, der Länge nach fiel sie schmerzhaft auf den Holzboden, ihr Kopf knallte laut auf. Für einen langen Moment sah sie die Schwärze in ihr Sichtfeld kriechen. Dann drehte sie den Kopf, alles ging unendlich langsam.
"HALLO.", sagte jemand, aber die Schwärze war überall und sie konnte nicht sehen wer sprach. Die Stimme klang merkwürdig vertraut, wenn diese Schmerzen nicht wären. Unerklärlicherweise wurde ihr sehr warm.
"Tod, bist du das?", fragte sie in die Leere.
"ICH FÜRCHTE JA. ICH BIN DIENSTLICH HIER.", erklärte er.
"Dann rette mich.", bat sie leise. Warum war es bloß so heiß hier?
"ICH BIN DES ANDEREN DIENSTES WEGEN HIER."
"Oh."
Stille. Dann hörte Atera ein dumpfes -Plonk-.
"Tod, warst du das? Tarlin?"
"Hurglm?"
Die Schwärze verschwand und ihr Sichtfeld klärte sich. Vor ihr stand der alte Mann, der sie durch den Tunnel geführt hatte. Er hatte eine gusseiserne Bratpfanne in der Hand, vor seinen Füßen lag Herr Tarlin in einer kleinen Lache aus Blut. Die Kerzen waren erloschen. Mühsam rappelte sich Atera auf, sie kroch zu Irina und rüttelte an ihr. Ein Stöhnen entwand sich ihren Lippen, sie war also noch am Leben.
Herr Tarlin war tot, ebenso die Frau mit den hölzernen Schuhen. Erschlagen von einem vertrottelten alten Mann mit einer Pfanne.
"Es ist gegen die Regeln!!", rief Verhängnis und zeigte anklagend auf den kleinen Gott.
"Nun, du bist wohl auch ein schlechter Verlierer.", sagte Io genießerisch, er war ein wenig froh, dass nicht schon wieder das Schicksal gewonnen hatte. "Ich hatte mich eben geirrt, der Würfel ist doch noch auf die sechs gekippt."
Wütend, aber doch beherrscht schob Verhängnis seine Seelenchips herüber.
"Und jetzt verschwinde.", schnaubte er.
Der Mann auf der Wolke hatte nichts anderes vor und machte sich rasch aus dem Staub. Kurz hinter Würdentracht erschien eine Frau, sie hatte leuchtend grüne Augen. Der untersetzte Mann verbeugte sich tief vor der Lady.
"Vielen Dank, ohne dich hätte ich es nie geschafft.", dankte er ihr.
"Ich weiß, das Schicksal hatte schon zu oft gewonnen. Das ist nicht gut."
"Verstehe. Naja, ich muss los." Er schwebte rasch davon.
Die Lady lächelte.
EPILOG
(oder was noch erwähnt werden will)
Der Schneider sah auf seinen Körper herunter.
"Ich bin tot?"
"DER GEDANKE LIEGT NAHE."
"Aber was ist mit den sieben auf einen Streich? Ich muss das vollenden."
"NUR SIEBEN AUF EINEN STREICH? BEI EINER SEUCHE IN KLATSCH HATTE ICH. ABER ICH GLAUBE, DAS GEHÖRT NICHT HIERHER. SCHADE, DASS DU TOT BIST.", merkte Tod an.
"Danke für dein Mitgefühl."
"ICH HABE NÄMLICH DIE ZELLEN NEU GESTALTET. EINEN WUNDERSCHÖNEN MATTSCHWARZEN ANSTRICH."
"Was hältst du von Purpur?"
Atera saß hinter ihrem Schreibtisch und flickte ihren Körper. Faden für Faden, das gute alte Nähgarn. Neben ihr schlummerte ihre Kröte.
Lupus kam in das Büro.
"Hier ist der Abschlussbericht von Pismire-."
"Leg dahin.", sagte Atera ohne aufzusehen.
"Kein unsichtbares Garn mehr?"
"Ich glaube, es hat mir eher geschadet als genutzt. Vielleicht war es magisch.", antwortete Atera und tätschelte ihre Kröte sanft.
"Nun, vielleicht wäre das zu einfach. Er hatte Charme oder?", begann Lupus.
"Vielleicht, ach egal. Schwamm drüber. Danke für deine Hilfe."
Rekrut Cim hatte einen langen Bericht zu schreiben gehabt, er hatte versucht alles so genau wie möglich aufzuschreiben auch wenn er den vollkommenen Zusammenhang nicht verstand. War das überhaupt notwendig? Auf jeden Fall hatte er den gesamten Bericht seiner Nachtschicht bei Schmiedehammer abgeliefert. Vielleicht würde er ja sogar zum Gefreiten befördert wegen seines heldenhaften Einsatzes. Ach ja, Ende gut, alles-
"Rekrut Cim, das ist wohl nicht dein Ernst?!" Schmiede kam herein und drückte dem verdutzten Wächter seinen Bericht in die Hände. "Den schreibst du gefälligst noch mal."
"Aber warum, Sir?"
"Warum? Na, Märchenerzähler können wir in der Wache nicht gebrauchen. Unter dem Ankh hergeklettert. Schmugglergilde besucht. Ts, ts ts.", tadelte Fähnrich Schmiedehammer.
"Das ist wirklich passiert. Frag Spieß Atera, Sir."
"Die brauch ich nicht zu fragen, das sieht doch jeder, dass es unmöglich ist unter dem Ankh zu sein. Aber da du hier neu bist will ich dir diese Flunkerei mal durchgehen lassen. Schreib ihn einfach ein zweites Mal, okay?"
"Aber Sir!"
"Habe ich gerade ein Ja, Sir gehört?"
". Ja, Sir."
Draußen war es hell, ein klarer Himmel. Die Regenwolken von Gestern hatten sich verzogen und die Stadt schien friedlich. In dem Rahmen, in dem man sie überhaupt als friedlich bezeichnen konnte. Ein alter Mann ging die Kurze Straße entlang, bekleidet mit einer kurzen Hose und einem ellenlangen Bart. Er summte ein Lied. Nun konnte er gehen und wieder den Dinge nachgehen, die ein alter Mann so tat. Er hatte seine Zeit gehabt, in mancher Geschichte bedurfte es einfach vertrottelter alter Männer mit schweren Pfannen zur Hand, am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Vielleicht würde seine Zeit irgendwann noch einmal kommen, in einer anderen Geschichte.
"Eine neue Partie, Lady?"
"Sehr gerne, Lord."
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