Blut ist dicker als Wasser

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von Feldwebel Valeriaa (DOG)
Online seit 14. 09. 2001
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Ein Mörder bringt jemanden um. Eigentlich nichts Ungewöhnliches in Ankh-Morpork, hat aber was mit Dir zu tun, wenn der Täter Mitglied deiner Familie ist.

Dafür vergebene Note: 11

Prolog

Die Fliege saß auf der Scheibe, streckte zwei Beine nach vorn und rieb sie aneinander. Nach einer Weile richtete sie ihre Flügel auf. Mit Surren flog sie in die obere Ecke, setzte auf und lief vorwärts. Sie bog nach links, lief im Kreis, nach rechts, schob sich in Bögen und Kreisen den Ecken entgegen, in denen das Holz des Fensterrahmens aneinander stieß. Sie verharrte bewegungslos, die Füße fest auf dem Glas. Licht brach durch das Fenster. Die Flügel mit den feinen Adern schillerten regenbogenfarben. Dann flog sie los, ließ sich auf einem warmen Grund nieder und marschierte vorwärts. Sie stoppte, spürte einen festen Belag unter ihren Füßen. Ein gefundenes Fressen. Sie saugte mit ihrem Rüssel eine süßlich warme Flüssigkeit, die aus der großen Wunde des Toten floß.

In Valeriaas Büro

Mein Name ist van Owen, Valeriaa van Owen.
Ich schieße, trete Türen ein und lasse mich nicht anmachen. Von Nichts und Niemandem. Aber was Gefühle angeht, bin ich ein jämmerlicher Feigling.

Er sah mich an aus seinen dunklen Augen.
Ich räusperte mich und suchte nach Worten.
"Es liegt nicht an dir. Du bist schon in Ordnung."
Ich atmete tief durch und sprach weiter.
"Ich bin kein Typ für so was. Ich hasse es, für jemanden verantwortlich zu sein. Ich halte das nicht aus. Jemand, der in meinem Büro auf mich wartet, auf mich angewiesen ist. Das ist, als würde ich ersticken."
Er ließ mich nicht aus dem Augen.
"Ich habe es doch versucht.", verteidigte ich mich, " Es ist nicht so, als würde ich es mir leicht machen. Sechs Wochen lang habe ich es versucht. Ich schaffe es einfach nicht.", meine Stimme bekam einen trotzigen Klang, "Ich habe für mich selbst ja schon alle Hände voll zu tun."
Er musterte mich stumm mit seinen vorwurfsvollen Augen.
"Eins verspreche ich dir. Du kommst in gute Hände."
Ich steckte den Zeigefinger durch die Gitterstäbe und kraulte dem Sumpfdrachen die schuppige Haut.
"Es ist nicht so, daß ich dich nicht mag."
Der Drache preßte die Backe gegen meinen Finger und zischelte.
"Ich bin verkorkst. Bindungsscheu. Zu große Nähe macht mich einfach nervös."
Mit drei Fingern kraulte ich ihm die grüngelbliche Schuppen hinter die Ohren.
"Allein schon mein Job. Ich kann nicht arbeiten, wenn ich daran denke, daß im Büro jemand sitzt und wartet."
Das Sumpfwesen schloß die Augen und überließ sich meinem Streicheln.
"Wir bleiben Freunde. Das verspreche ich dir."

Es klopfte an der Tür.
Ich sah über ihn hinweg in Richtung Tür. "Ja?"
Mückensturm betrat mit einem Schwung mein bescheidenes Büro
[1], sein Helm hatte er unter seinem Ellenbogen geklemmt. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
"Es gibt was zu tun. Man hat eine Leiche in der Wachholderweg-Straße entdeckt. Daemon ist schon mal vorgelaufen und wir sollen in fünf Minuten dort sein."
Sein Blick fiel sofort auf das schuppige Wesen, der auf seinen Hinterbeinen saß und interessiert die Ohren spitzte.
"Val. Du weißt doch das Drachen hier nicht erlaubt sind. Wenn Dae Wind davon bekommt, gibt es großen Ärger."
Ein schweres Seufzen preßte sich zwischen meine Lippen hervor.
"Ich weiß Mücke. Ich hatte auch vorgehabt ihn abzugeben."
"Das ist gut, denn für uns alle ist es nicht gerade angenehm, das Revier immer wieder fluchtartig verlassen zu müssen, nur weil er an chronischen Schluckauf leidet." sein Gesicht erhärtete sich. Sachte stellte ich den Käfig neben mein Schreibtisch und gab dem Kleinen noch einige Kohlen zu fressen.


Das Zimmer wo der Mord geschah

Angsthase zeichnete mit der Kreide ein Umriß des Toten. Daraufhin wurde er, der Tote, sofort auf die Bahre gelegt und Fliegen schwirrten aufgebracht über unsere Köpfe hinweg.
Ich hielt Ausschau nach Ptracy, die Chefin der Spurensicherung
[2]. Mir war, als hätte ich sie vorhin gesehen. Fehlanzeige. In der Ecke beschäftigte sich ein Kollege mit der Kleidung des Toten. Das interessierte mich und ging zu ihm. Als ich an der Bahre mit dem Toten vorbei kam, schaute ich weg um mir dem schlimmen Anblick zu ersparen.
"Das ist er." Lupus reichte mir das Plasticktütchen mit dem Ausweis.
"Harpe Händel.", las ich. "Geboren am 16.7.73, wohnhaft Syrupminenstraße."
Ein sympathisches Männergesicht mit Grübchen[3].
"Habt ihr noch was gefunden?" fragte ich.
"Tierhaare. Könnte von einem Hund stammen."
Einige Haare schimmerten schwarzsilber. Ich schnupperte kurz an das Tütchen und wie ein Schlag ins Gesicht traf der Geruch auf meinen Geruchsinn. Sogar das typische Ankh - Aroma konnte das Geruch der Haare nur teilweise überdecken.
Ich überließ den Kollegen von der Spurensicherung das Terrain und wandte mich an Daemon und Mückensturm.
"Der Mörder war kein Assassine! Das steht schon mal fest.", sagte Dae mit Überzeugung.
"Ja. Ein anständiger Assassine wäre seriöser rann gegangen. Dieser hatte noch nicht mal eine Visitenkarte dar gelassen."
"Stimmt.", sagte ich gelassen.
Mir ging der Geruch nicht mehr aus dem Kopf und bekam dadurch eine leichte Gänsehaut, denn ich wußte wer der Besitzer dieses Geruchs war - und ich war alles andere als erfreut darüber. Meine Kollegen bemerkten meine momentane geistige Abwesenheit und gaben mir ein leichten Stoß in die Rippen.
"Hey, stimmt was nicht?"
"Oh, doch..doch.." stammelte ich und versuchte meine Gedanken wieder ein zu ordnen.
"... Es ist nur das viele Blut, daß macht mich etwas nervös." Und das war noch nicht mal gelogen. "Ich werde mal auf alle Vieren der Sache nach gehen, vielleicht finde ich was heraus."
Die Wächter nickten. "In Ordnung, aber wenn was sein sollte, du weißt ja, wo wir zu finden sind."
Ich nickte kurz und verließ fluchtartig den Raum
[4]. Auch die Wächter verließen nach und nach den Tatort. Jetzt gehörte das Zimmer wieder den Fliegen. Oder auch nicht. Was sollten sie dort ohne ihre Beute?


Irgendwo im Ankh-Morpork

Mein Körper brannte wie Feuer, als ich ein geeigneten Platz zum Verwandeln suchte. Da kam mir eine zerfallene Mauer gerade recht. Schnell rannte ich dahinter. Es schepperte. Danach verließ ich denn Ort auf allen Vieren.
Ab und zu streckte ich die Nase hoch in die Luft während ich lief, dabei zitterten meine Barthaare vor Nervosität. Die Spur brachte mich in die Schatten. Ein Ort, den man auch tagsüber lieber meiden sollte. Der Geruch wurde immer intensiver. Wenn mich meine Nase nicht täuschte, müßte er direkt hinter dem Eichenbaum sein. Plötzlich schoß unerwartet ein großer schwarzer Schatten hinter dem Baum hervor und sah mich bedrohlich an. Es trug ein schwarzes struppiges Fell mit einige weißen Haaren dazwischen. Ein Zeichen dafür das er nicht mehr jung und frisch war. Er fletsche bösartig die Zähne. Speichel tropfte aus seinem Maul. Seine Aggressivität ließ mich unbeeindruckt. Seelenruhig roch ich die Luft. Es gab kein Zweifel. Er hat Hape getötet. Ich konnte noch das Blut in seinem Maul riechen. Ich roch noch einmal an ihm. Seine gelbe Augen ließen nicht von mir ab.
Jetzt wußte ich, wer diese Person war, aber im selben Moment wünschte ich, daß ich es nie heraus gefunden hätte. Mir blieb jetzt nichts anderes übrig ihn die eine Frage zu stellen. "Bruder Wolfgang?"
Seine aggressives Verhalten wurde schnell durch Faszination ersetzt. Er schnupperte an meinem Gesicht und allmählich fing er an zu lächeln.
"AH, Schwesterchen. Schön dich wiederzusehen. Lang ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben." Er streckte mir die Pfote entgegen.
Es gab so viele Leute hier im Ankh-Morpork und ausgerechnet Wolfgang mußte sich dazu gesellen. Er war ein eingefleischter Killer aus dem Überwald.
"Bist du immer noch ein Bulle?"
"Stadtwächter Wolfgang!", korrigierte ich ihn kühl.
"Schade, das du doch noch auf der Seite des Gesetzes stehst."
"Fang jetzt nicht mit dem Thema an!", ich knurrte, "Das hatten wir alles bereits."
Der alte Wolf setzte sich auf seine Hinterbeine und kratzte sich an seinem Ohr.
"OK, reg dich wieder ab. Ich verstehe dich." Er schnaufte kurz und kratze nun das andere Ohr.
"Ja klar... ", meine Ohren knickten bedrohlich nach hinten. Er war zwar mein Bruder, aber er war so falsch und hinterlistig wie eine Schlange. Ich würde es mir zweimal überlegen, ihm den Rücken zuzukehren. Ich hänge nun mal an mein Leben.
"Der Tote in der Wachholderweg-Straße, daß warst doch du."
"Bravo, der Kandidat hat 100 Punkte. Für ein Wächter gar nicht mal so schlecht." Zwei Eckzähne blitzten kurz auf. Jetzt kam Wolfgang erst richtig im Wallung.
"Da hat mir irgend ein Kerl 150.000 A-M Dollar gegeben, dass ich diesen Hape Händel töte. Nun, schließlich brauchte ich das Geld, Val.", rechtfertigte er sich und grinste schmierig.
"Du hast ohne Lizenz getötet. Normalerweise müßte ich dich jetzt festnehmen. Wegen Verstoßes von Paragraph fünfunddreißig Absatz..."
Ein dumpfes Knurren unterbrach meine Rede. Seine gelbe Augen funkelten.
"Ach, hör schon auf mit diesem Paragraphen-Mist, Val! Denk dran: Ich bin dein Bruder und wir van Owen's müssen zusammenhalten. Ganz egal wie schlimm es um Einen steht."
Mein weißes Fell richtete sich auf. Einerseits hatte er ja Recht. Die Familie Van Owen hielt seit Jahrhunderte fest zusammen. Früher als ich noch bei meine Eltern lebte, gingen wir gemeinsam auf der Jagdt und solche Dinge. Solche feste Gemeinschaft erleichterte das Leben eines Werwolfes erheblich. Doch ich wollte mein Gesicht als Wächter nicht verlieren
[5].
"Nun, das ändert die Situation auch nicht. Ich nehme dich jetzt fest.", sagte ich schroff.
"Das wagst du ja doch nicht. Aber wenn du scharf drauf bist mit einer durchgebissenen Kehle rumzulaufen, kannst du es gern versuchen."
Wir umkreisten uns. Unsere Blicken waren fest auf den des anderen gerichtet. Ich schnappte nach seinem Ohr, worauf er automatisch zurückwich. Schnell nahm ich die Gelegenheit war und sprintete davon. Ich wirkte jetzt zwar wie ein Feigling aber den Kampf mit ihm würde ich mit Sicherheit verlieren. Zum Glück war ich sehr wendig und flog fast über dem Asphalt hinweg. Mir blieb nichts anderes übrig als über eine Mauer zu klettern und auf einem naheliegendem Dach zu springen. Wolfgang war dicht hinter mir.
Leider konnte ich nach fünf Minuten meinen Fluchtweg nicht mehr fortsetzten. Die Dächer lagen weit auseinander und es war zu hoch um herunter zu springen. Der einzige Weg, der nach unten führte, wurde von Wolfgang blockiert.
"Weil du meine Schwester bist, kannst du wählen. Entweder springst du oder du mußt an mir vorbei. Ein anderen Weg gibt es nicht." Er fletschte die Zähne. Seine Krallen gruben sich tief in die Schindeln.
"Dann komm her und hol mich doch.", forderte ich ihm auf. Mit einem Satz sprang er mich an. Wie hungrige Flöhe bissen wir uns gegenseitig ins Fell. Mit einem Biß packte er mich am Nacken und warf mich zum Rand des Daches. Gerade konnte ich mich noch am Abwasserrohr abstützen als Wolfgang ein zweites Mal auf mich zusprang. Ich stieß ihn mit dem Hinterbein weg und fiel mit einem jämmerlichen Jaulen vom Dach. Ein dumpfes Geräusch erklang aus der dunklen Gasse. Mein Blick wanderte nach unten und sah ein schwarzes Geschöpf, der bewegungslos auf der Straße lag.
Unter Schmerzen humpelte ich ins Wachhaus zurück und berichtete Daemon, was vorgefallen war. Kurze Zeit später fand man Wolfgang's Leiche und brachten es zu die Kollegen von der Spurensicherung.


Valeriaas Büro

Ich sah aus wie eine Mumie. Mein ganzer Körper war übersät von Mullbinden und Heftpflastern. Aber das Leben geht ja schließlich weiter und außerdem habe ich einem Freund ein Versprechen gegeben, daß ich jetzt auch endlich einlösen würde.
Ich schnappte mir dem Käfig mit dem Drachen. Er riß die Augen auf und preßte sich platt auf den Boden. Diesmal ließ ich mich nicht erweichen. Diesmal stellte ich ihn nicht zurück auf dem Schreibtisch. Gefühle hin, Gefühle her. Er war ein Männchen. Und noch war ich nicht soweit, mit einem Vertreter des männlichen Geschlechts mein Leben zu teilen.
Ich öffnete die Tür und betrat den Flur. Angsthase kam mir in dem gleichen Augenblick mit einen Zettel entgegen.
"Die Werte sind Negativ."
"Wie?", hakte ich nach.
"Oh, stimmt, ja. In den Wissenschaftlichen Bereich bedeutet positiv schlecht und negativ gut. Also die Haare von den Werwolf stimmen mit dem gefundenen Haaren vom Tatort überein."
"Das hätte ich dir auch sagen können." Ich ging leise seufzend an Angsthase vorbei. Der Fall war nun erledigt.
[1] Ihr Büro war nicht so sonderbar groß. Nur ein Schreibtisch - Aktenschrank - Spinde und ein extra angelegten Hundekörbchen füllten den Raum .

[2]  Oder einfach und schlicht *S.U.S.I*.

[3] Was von ihn noch übrig war.

[4] Valeriaa war in der Sache *Metamorphose* schon immer sehr eigen gewesen. Ein Spanner würde dabei eine durchgebissene Kehle riskieren.

[5] Außerdem hasste sie den Kerl.




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