Frau Palm, Oberhaupt der Näherinnengilde, kommt verstört ins Wachhaus. Jemand oder Etwas hat sich an den Kleiderschränken der Mädchen vergriffen. Kannst/Willst du den Täter finden?
Dafür vergebene Note: 12
*** Wachhaus am Pseudopolisplatz, Ankh Morpork***
Es regnete in Ankh-Morpork. Nicht ein leichtes sanftes Sommerregnen, sondern schon ein kalter, stürmischer Herbstregen. In den Gängen des Wachhauses roch es nach nassem Leder und fluchende Wächter schüttelten sich unwillig in der Eingangshalle. Die einzigen, denen das widerliche Wetter nichts ausmachte, waren die Trolle. Konnten sie doch nach diesem ergiebigen Schauern mit einem dichten grünen Moosbewuchs rechnen, der diesen Herbst groß in Mode war.
Tricia saß nachdenklich in ihrem Büro, den Stuhl in Richtung Fenster gedreht und sah versonnen zum Fenster hinaus. Heute war wieder so ein Tag, an dem man am liebsten überhaupt nicht aufstehen hätte wollen. Dann kam noch hinzu, dass sie entdeckt hatte, dass das Fenster in ihrem Büro irgendwie undicht zu sein schien, und sich rechts und links neben dem Fenster zwei kleine Pfützen bildeten, die aber wohl bald größer werden würden, wenn der Regen nicht in Kürze aufhören würde. Außerdem hatte sie das blöde Gefühl, dass in Kürze etwas Unangenehmes passieren würde.
***Stadttor, Ankh Morpork, Richtung stadtauswärts***
"Führen sie etwas aus der Stadt aus?", brummte eine müde Stimme aus dem Häuschen neben dem Stadttor. "Nicht, dass es mich wirklich interessieren würde", fügte die Stimme leiser hinzu.
"Äh, nein, nichts dabei, nur äh ... was man halt so braucht", nervös antwortete eine helle Stimme von einem Pferdekarren herunter.
"Ja, sicher und meine Oma war ein Krokodil", flüsterte die Stimme des Torwächters. "Sie können passieren", seufzte er laut und gab dem Karren das Zeichen, das Tor zu durchfahren.
***Wachhaus am Pseudopolisplatz, Ankh-Morpork***
Die Tür zum Wachhaus öffnete sich. Eine ... nun ja ... Bürgerin kam herein. Von ihr ging ein betörender Duft aus. Wie ein langer Fanfarenstoß schien er ihre Ankunft schon mehrere Meter im Voraus anzukündigen. Männliche Wächter, die den Fehler machten zu tief einzuatmen, stellten plötzlich fest, dass sie noch nie im Leben etwas so spannend gefunden hatten, wie dieser Frau nachzuschauen. Gehirnzellen lösten sich für Minuten in schwammigen Brei auf und es bedurftge massiver Überredung sie wieder dazu zu bringen, ans Atmen und derlei alltägliche Dinge zu denken. Der Duft bewegte sich Richtung erstem Stockwerk.
Sanft klopfte es an der Tür von Lewtons Büro. Nach einem barschen "Herein" traten Duft und Besitzerin geschmeidig ein. Die Tür schloß sich leise. Danach hätte ein aufmerksamer Lauscher an der Tür vielleicht noch ein zartes Säuseln einer Frauenstimme hören können und ab und zu das tiefere wohlige Knurren ... pardon ... Brummen eines Hauptmannes mit der feinen Nase eines Werwolfs, die durch die Duftorgie schier betäubt schien. Nach geraumer Zeit öffnete sich die Tür, eine Frau trat heraus und verließ das Wachhaus.
"Trinia ... äh ... Fricia ... nee ... Himmel, du weißt schon, komm doch mal schnell her", Lewton war noch eifrig beschäftigt seine Gedanken zu sortieren.
"Mein Name ist Tricia und schön langsam solltest du das wissen", säuerlich warf Tricia hinter sich die Tür ins Schloß und beobachtete verdutzt den Hauptmann. Er wirkte so ganz anders als sonst. Irgendwie in der Ferne schweifend, als ob er gerade eines der schönsten Erlebnisse seines Lebens gehabt hätte.
"Hallo", ungeduldig schnippte sie vor seiner Nase mit den Fingern, "was denn nun?"
"Ah, da bist du ja, ist das nicht ein wunderschöner Tag heute?", noch immer lächelte er verzückt.
"Ja Himmel, jetzt komm doch mal wieder auf den Boden!", ärgerlich brüllte Tricia ihren Vorgesetzten an. Das war ja nicht zu glauben. Und wie es hier stank, kaum auszuhalten. Energisch ging sie zum Fenster und machte es auf. Mit einem Schwall kalter Luft, vielleicht auch durch den heftigen Regenguß der durch das geöffnete Fenster hereinkam, schienen Lewtons Sinne zurückzukehren.
"Was ... wie ...naja, du mußt zu Frau Palm, dort wird geklaut, und jetzt los", er schüttelte nachdenklich seinen Kopf und versuchte den rosaroten Nebel in seinem Kopf zu durchdringen.
Wutschnaubend verließ Tricia sein Büro. Das wurde ja immer schöner. Was waren denn das für neue Töne. Immer noch ärgerlich ging sie in ihr Büro, schnallte sich ihr Schwert um und stapfte die Treppe hinunter. Überrascht sah sie die Männer mitten auf den Gängen stehen und verzückt in die Luft starren. "Was war denn hier los? Und wieso riecht es hier überall so streng?", verwundert machte sie sich auf den Weg zur Näherinnengilde.
***Haus der Näherinnengilde, Schatten***
"Und so sind also in letzter Zeit von fast allen der ... äh ... Mädchen ... nun ja ... Kleidungsstücke verschwunden", Frau Palm faßte noch einmal zusammen, was sie schon Lewton erzählt hatte.
"Und sie glauben also nicht, dass nur eines der Mädchen sich eine neue Garderobe verschaffen will?", fragte Tricia nach.
"Nein, ich habe ... nun ja ... persönlich nachgesehen", verlegen wand sich Frau Palm in ihrem Stuhl.
"Ok, dann mal sehen. Ich vermute es ist besser, wenn ich für den Zeitraum der Ermittlungen hier einziehe und dann das Ganze quasi aus erster Hand überwache. Ich werde heute abend wieder kommen", energisch schob Tricia ihren Stuhl zurück und machte sich auf den Weg in ihre Wohnung. Draußen holte sie erstmal tief Luft. Das war vielleicht ein Luft da drin, man meinte ja fast in einem Parfumfass zu schwimmen. Naja, wie auch immer, jetzt erstmal heim in die Wohnung, eine Taube an Lewton schicken und ihn über ihren neuen Aufenthaltsort informieren und dann wieder auf den Weg zur Näherinnengilde machen.
"So, das sieht doch schon ganz vernünftig aus", zufrieden bedeutete sie Tricia, sich vor dem Spiegel zu drehen.
"Ach du ... um Gottes ... nein, das", nach Luft schnappend starrte Tricia entsetzt in den Spiegel. "Ich hab ja quasi gar nichts an!", schrie sie Frau Palm entrüstet an.
"Aber, aber meine Liebe", nach unserem Maßstäben sind sie quasi in Meter von Stoff gehüllt", beleidigt steckte Frau Palm noch einige Blüten in Tricias Haar fest.
"Aber ... aber, das ist ja alles durchsichtig", die hartgesottene Ermittlerin erinnerte sich daran, dass in ihrer Tätigkeitsbezeichnung das Wort verdeckt vorkam und ihr immer vermittelt hatte, dass die Kleidung da einen wesentlichen Teil dazu beitrug, etwas zu verdecken.
"Nun, hier müssen sich daran gewöhnen, sie werden ja nicht lange bleiben, wenn sie ihren Job gut machen", antwortete Frau Palm schnippisch und verließ Tricias vorübergehende Unterkunft. Seufzend sah Tricia sich in dem Zimmer um. "Alles rosa, da tränen einem ja die Augen", murmelte sie vor sich hin. Stöhnend beschloß sie, mit den anderen "Damen" zu reden, um noch etwas mehr über den Fall herauszubekommen.
"Ist dir denn etwas aufgefallen in der Zeit kurz bevor die Kleider verschwunden sind?", fragte sie Lydia Liebeslust, eine der Bestohlenen.
"Ich weiß nicht? Ich glaube es war ungewöhnlich heiß in der Zeit davor", kichernd grinste Lydia.
Achselzuckend ging Tricia ein Zimmer weiter. Das war doch nicht zu glauben, diese "Näherinnen" waren ja dümmer als die Polizei erlaubte. Keine hatte auch nur auf die geringsten Veränderungen geachtet, was sie im Kopf hatten waren nur Mode und Frisuren. Leise klopfte sie an der nächsten Tür.
"Ja?", antwortete es vorsichtig.
"Ich bin eine Wächterin und ermittle im Fall der verschwundenen Kleider. Kann ich kurz mit dir reden?", betete Tricia zum wer-weiß-wievielten Mal ihr Sprüchlein herunter.
"Oh, ich weiß nicht ... warte doch kurz ... äh ... ja, komm jetzt rein", kam die zögernde Anwort.
Tricia betrat das Zimmer und blieb erstmal erstaunt stehen. Das Zimmer unterschied sich deutlich von den anderen. Weder rosa noch Plüsch waren hier zu finden, stattdessen Steine an der Wand und Schaufeln. Die Zimmerbewohnerin ähnelte auch nicht den üblichen Maßstäben der Damen, die sonst in Frau Palms Etablissement arbeiteten. Während bei den anderen im Normalfall die Länge der Beine kaum weniger als 1,20 m betrug, war hier bei 1,20 m schon die gesamte Person zu Ende. Messerscharf schloß Tricia, dass sie
es hier mit einer Zwergin* zu tun hatte.
"Ah, hallo, ich bräuchte nur einige Antworten", eröffnete Tricia nach einem verdutzten Moment das Gespräch. "Es geht um die verschwundenen Kleider"
"Ich weiß nichts darüber und außerdem hab ich keine Zeit"; mißmutig versuchte die Zwergin Tricia aus dem Zimmer zu drängen.
"Hey, mal langsam", energisch stemmte sich die Wächterin dagegen. "Ich will doch nur wissen, ob dir was aufgefallen ist in letzter Zeit?"
"Ich weiß von nichts!", mit einem wütenden Schnauben bugsierte die Zwergin Tricia vor die Tür und schlug sie ihr vor der Nase zu.
"Na das ist doch ..." wütend hämmerte Tricia gegen die Tür. "Laß mich jetzt sofort rein, sonst kannst du was erleben"
"Was ist denn ... Tricia? Was machst du hier? Und wie siehst du denn aus?", entsetzt stand Mückensturm vor Tricia und betrachtete mit aufgerissenem Mund die kaum vorhandene Bekleidung seiner Wächterkollegin. "Ist das jetzt die neue Dienstkleidung bei R.U.M.?", grinste er anzüglich.
"Wenn du darüber ein Wort verlierst, dann bist du ein toter D.O.G.", schnaubte Tricia ihn an. "Und jetzt laß mich hier in Ruhe, ich bin beschäftigt."
Nachdem er gegangen war, überlegte Tricia was sie als nächstes tun sollte. Die Sache hier stank; wieso war Lucinda Smalljoy so abweisend, das roch doch förmlich nach Ärger. Nachdenklich betrachtete Tricia die mit Samt bezogenen Wand. "Ob dahinter wohl ein versteckter Wächter auffiele?", grübelte sie. "Was solls, probieren geht überstudieren", energisch schnitt sie mit ihrem kleinen, am Bein befestigten Messer einen Schlitz in einen Vorhang und schlüpfte hinein. Dann wartete sie.
Langsam und leise öffnete sich Lucindas Tür und die Zwergin kam vorsichtig heraus. Aufmerksam schaute sie sich nach beiden Seiten um und schlüpfte dann aus der Tür heraus. Vorsichtig schlich Tricia ihr nach. Der Weg führte sie in mehrere Zimmer und Tricia sah mit Erstaunen, dass sich anscheinend ihr erster Eindruck sie nicht getrogen hatte. Lucinda war fleißig damit beschäftigt, Kleider und Schleier aus den Zimmern der gerade nicht anwesenden Damen zu entwenden. Dabei sah sie sich immer ängstlich um und manchmal meinte Tricia sie etwas flüstern zu hören, das entfernt nach einem traurigen Aufschluchzen klang. Nachdenklich beobachtete Tricia die Diebin, irgendwie kam ihr immer noch etwas faul vor. Leise verfolgte sie Lucinda wieder zurück in ihr Zimmer und gerade als diese die Diebesbeute in Sicherheit bringen wollte, trat sie vor und legte der Zwergin nachdrücklich die Hand auf die Schulter.
"Na, meine Liebe, was haben wir denn da?", fragte sie mit harter Stimme.
Aufschluchzend brach Lucinda zusammen und warf sich weinend in die Arme der überraschten Tricia.
"Ich wußte ja, dass es eines Tages schiefgehen würde. Aber was hätte ich denn machen sollen", heulend klammerte sich die Zwergin an Tricia fest.
Überrascht versuchte sie Lucinda zu trösten. "Naja, jetzt erklär mir doch mal das alles, vielleicht kann ich dir ja helfen?", verwirrt setzte sie Lucinda in ihrem Zimmer auf einen Stuhl.
"Es ist ja nur, wenn meine Eltern wüßten, dass ich hier arbeite", heftige Schluchzer unterbrachen das Gespräch von Zeit zu Zeit, "dann müßte ich mich zu Tode schämen. Nur deswegen mach ich das, ich schäm mich ja so".
Nachdem Tricia noch einige Male beruhigend auf Lucinda eingeredet hatte, wußte sie endlich wie die ganze Geschichte zustandengekommen war. Die junge Lucinda war nach AM gekommen, weil sie es satt hatte in den dunklen und dreckigen Bergwerken ihrer Heimat zu arbeiten. Eigentlich hatte sie vorgehabt in der Stadt als Zwergenbrotbäcker zu arbeiten, aber sie mußte schnell feststellen, dass der Zwergenbrotmarkt in Ankh-Morpork schon so gut wie überfüllt war. Viele Zwerge sahen darin eine gute Gelegenheit schnell Geld zu verdienen**. Kurz darauf machte ihre Bäckerei pleite und Lucinda brauchte eine neue Möglichkeit genügend Geld aufzutreiben, um weiterhin genügend nach Hause zu schicken. Es wäre undenkbar für sie gewesen, zuzugeben, dass sie nicht erfolgreich wäre. So fand sie den Job bei Frau Palm. Es war keine schwere Arbeit und sie richtete ihr Zimmer spezielle für Zwerge ein, erzählte ihnen von Steinen und Bergwerken, bis die Gesellen mit feuchten Augen und deutlich leichterer Brieftasche das Haus verließen,
ein glückliches Lächeln um die Mundwinkel. Dann kam eine neue Näherin und entdeckte einen von Lucindas Briefen in denen sie vom großen Erfolg ihrer Bäckerei schrieb. Dann begann sie Lucinda zu erpressen. Entweder Geld oder ihre Eltern würden davon "in Kenntnis gesetzt" womit ihre Tochter ihr Geld verdiente. Nach einiger Zeit konnte sich Lucinda die Zahlungen nicht mehr leisten und begann die Kleider in ein abgelegenes Kloster nach Sto Helit zu schmuggeln, wo die Kosterfrauen aus den zarten Stoffen Tasch
entücher für verwöhnte adlige Nasen nähten.
***Wachhaus am Pseudopolisplatz***
"Tja, und dann haben wir noch die Erpresserin besucht und hier sind wir also wieder", schloß Tricia wieder mal den Abschlußbericht in Lewtons Büro. "Natürlich muß der Bericht noch geschrieben werden, aber ich bin sicher, das übernimmst du für mich, oder?", strahlend lächelte sie den Hauptmann an.
"Bericht? Wie? Ja mach ich gern", verzückt starrte er in die Luft.
Grinsend machte Tricia die Tür hinter sich leise zu. Was war doch die Flasche mit Frau Palms bestem Parfum "Oh dö L´amuhr" wert, die sie ihr als Dank für die Aufklärung der Diebstähle geschenkt hatte. Damit ließen sich bestimmt so manche Fälle leichter lösen.
***Nachtrag***
Lucinda Smalljoy arbeitete inzwischen an der Rezeption der Näherinnegilde, hatte dies mit Tricias Hilfe in einem wohlformulierten Brief ihren Eltern erklärt und war äußerst glücklich.
Die Erpresserin war zu 10 Jahren Haft in einer Kleiderfabrik verdonnert worden und lernte nun, was der Begriff Näherin noch bedeuten konnte.
Frau Palm war entzückt, dass die Kleiderkosten für ihre Arbeitskräfte wieder auf ein Normalmaß gesunken waren.
Tricia war glücklich, weil sie den langweiligen Bericht zu diesem Fall nicht selbst schreiben mußte und endlich keine rosa Wände mehr sah.
Lewton war auch glücklich, obwohl er verzweifelt versuchte, zu ergründen, warum er so fröhlich war und wieso eigentlich er den Bericht schrieb.
* Hinweise auf das Geschlecht gaben ihr vor allem die eisenbeschlagenen Stöckelschuhe und der eiserne Brustpanzer mit eindeutig weiblichen Rundungen.
** in etwa so wie die Hersteller von Nachbildungen des Cori Celesti, die im Abstand von fünf Metern am Fuß des Berges ihre Dienste feilbieten.
*** ENDE ***
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