langwierige Ermittlungen

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von Wächterin Pigeon (GRUND)
Online seit 12. 08. 2001
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Auch an einem wundervollen Tag kann man einen schrecklichen Fund machen. Was hat es damit auf sich?

Dafür vergebene Note: 11

Rekrutin Pigeon trat aus dem Wachhaus, streckte sich ausgiebig und blinzelte in die grelle Sonne [1] . Sie freute sich auf die Streife, besonders an so einem schönen Tag, da konnte man die Gedanken treiben lassen. Sie schlenderte gemütlich die Straße entlang und ließ ihren Blick über das morgendliche Treiben schweifen. Viele Marktfrauen, Handwerker und andere Passanten waren auf dem Weg zur Arbeit. Außerdem sah sie Narren, die die Leute mit Scherzen [2] unterhalten wollten, Hunde auf der Suche nach Futter bzw. halbwegs essbarem Müll, eine Katze mit einem Ohr im Maul, kleine Kinder die auf der Straße spielten [3]....
Pigeon stutzte. War da gerade eine Katze mit einem Ohr im Maul? Sie drehte sich um und schaute noch einmal genauer hin. Und wirklich: da stolzierte ein gescheckter Kater mit einem eindeutig menschlichen Ohr zwischen den Zähnen.
"Wie kommt das Tier denn zu einem Ohr?", fragte sich Pigeon etwas verwirrt, ging zu dem Kater und nahm ihm das Ohr behutsam [4] ab. Der fauchte und kratzte zwar, aber als er einsah, dass er damit nicht wesentlich weiter kam gab er sich geschlagen und schlich mit wütend gesträubtem Fell weg, um sich eine andere Mahlzeit zu suchen. Pigeon betrachtete ihre Beute und stellte fest, dass es sich um ein für einen Menschen ziemlich großes Ohr handelte, aber es war definitiv menschlich. Schließlich beschloss sie, erst einmal zum Wachhaus zurückzukehren um Gonzo ihren seltsamen Fund zu zeigen.

Vor Gonzos Bürotür angekommen klopfte sie an und trat nach dem etwas genervt klingenden "Herein!" ihres Ausbilders ein.
"Was ist? Ich bin etwas im Stress, fasse dich kurz Rekrutin."
"Ich hab was gefunden."
"Bin ich das Fundbüro? Wenn es nicht wichtig ist, dann lass mich bitte in Ruhe!"
"Naja... es ist ein Ohr. Ein menschliches Ohr. Ich hab's einer Katze abgenommen, weil ich mich gewundert hab wie die zu dem Ohr gekommen ist. Die liegen ja hier normalerweise nicht einfach so auf der Straße rum [5]."
"Zeige mal her!" forderte Gonzo sie auf und betrachtete das Ohr eine Weile. Dann beauftragte er sie: "Gut, bring es zum Wachhaus auf dem Pseudopolisplatz, das soll sich mal ein Pathologe ansehen. Und dann kümmere dich um den Fall. Noch irgendwelche Fragen? Nein? Dann lass mich jetzt bitte weiterarbeiten. Hoffentlich kommt Lav bald wieder, die Arbeit wächst mir langsam über den Kopf."
Pigeon salutierte, verließ so leise wie möglich das Büro, und machte sich auf den Weg zum Pseudopolisplatz.

Währenddessen dachte sie über den Fall nach. Wo sollte sie mit den Ermittlungen beginnen? Am besten suchte sie zuerst die Gegend ab, in der sie die Katze gesehen hatte. Wenn sie das Ohr abgegeben hatte, wollte sie gleich damit anfangen.

Im Wachhaus wusste man schon Bescheid, Gonzo hatte die Wächter mittels Brieftaube informiert. Pigeon konnte also gleich mit den Ermittlungen anfangen, was sich als langwierige Arbeit erwies. Mindestens 5 Stunden kämmte sie das in Frage kommende Gebiet der Schatten durch inklusive sämtlichen Mülltonnen [6].
Endlich, als sie schon langsam etwas ungeduldig wurde, wurde ihre intensive Suche belohnt. Sie fand unter einem Haufen Lumpen eine Hand und ein paar undefinierbare blutige Brocken. Sie wickelte alles in den saubersten [7] der Stofffetzen und brachte es wieder zum Pseudopolisplatz.
Nachdem sie zurückgekehrt war gab sie Gonzo Bescheid, nahm auf einem stabilen (darauf musste sie in den Schatten immer besonders achten) Dach Platz und beobachtete den Lumpenhaufen, denn sie hatte mal gehört, dass Verbrecher immer zum Tatort zurückkehrten.

Mehrere Tage saß sie so da und wartete.
Sie schlief nicht, und sie aß nicht, denn sie hatte bemerkt, dass sie das als Wasserspeier eigentlich gar nicht brauchte (sie aß auch keine Tauben, auch wenn das ein weit verbreitetes Hobby unter Wasserspeiern ist, schließlich war sie selbst mal eine). Sie nahm sich vor, eine Woche zu warten, und dann etwas zu unternehmen, aber sie hatte noch keinen blassen Schimmer, was das sein sollte. Also saß sie nur rum und überlegte. Warum zerstückelte jemand eine Leiche und versteckte dann Teile von ihr in einem Lumpenhaufen? Waren vielleicht an anderen Orten die restlichen Teile? Kam es dem Täter darauf an, dass niemand erfuhr, wer der Tote war? Das konnte eigentlich nicht sein, denn dann hätte er ihn bestimmt in den Ankh geschmissen, das hielt Pigeon jedenfalls für wahrscheinlich. Also musste der Mörder ein anderes Motiv gehabt haben, oder er war einfach nur geistesgestört, was sie nicht hoffte, denn erstens gab es davon in Ankh-Morpork so viele und außerdem findet man so jemanden schwer, weil man nie wissen kann was er als nächstes vor hat. Wenn sie mal von einem vernünftigen Motiv ausging, wer käme dann in Frage? Wer läuft mit Leichenteilen durch Ankh-Morpork? Langsam aber sicher bekam sie einen Verdacht. Sie beschloss, dass es keinen Sinn machte hier weiter zu warten, und machte sich auf die Socken [8].

Sie ging schnellstens zu Schnappers Büro, und traf ihn glücklicherweise dort an.
"Hallo Schnapper!", begrüßte sie ihn überschwänglich.
"Was willst du?", fragte er in ziemlich misstrauischem Ton, denn er war solche freundlichen Anreden nicht gewohnt und rechnete mit Schwierigkeiten.
"Nur eine Information."
"Wenn du auch was kaufst, gerne.", langsam entspannte er sich wieder.
"Was hast du denn im Angebot? In letzter Zeit irgendwas neues?"
"Hab ich zwar, aber das dürfte dich nicht interessieren, außer du kennst irgendwelche Igors oder Zombies für die du ein Geburtstagsgeschenk suchst."
"Doch, zufällig tu ich das. Was hast du denn vorrätig? Ich hätte gerne ein Paar große Ohren!"
"Tut mir Leid, ich hab nur eins. Aber ich könnte dir ein erstklassiges Bein anbie..."
"Nein Danke," fiel Pigeon ihm ins Wort, "aber wenn du mir sagst, wo du es herhast, könnte ich mich dort erkundigen."
"Den Namen von dem Typen weiß ich leider nicht, aber ich hab sehr viel Geld dafür bezahlt. Heute Abend will er mir wieder was liefern, am besten kommst du morgen noch mal vorbei."
"Ich nehme mal an, du sagst mir nicht wo ihr euch trefft?"
"Natürlich nicht, ich verrate hier doch nicht meine Geschäftsgeheimnisse!"
"Naja, okay, ich komm dann morgen wieder her.", erwiderte Pigeon und schlenderte Richtung Wachhaus. Nach der ersten Ecke hielt sie an, und nachdem sie eine gute Aufstiegsmöglichkeit gefunden hatte kletterte sie auf das Dach des Hauses [9]. Sie würde den geheimnisvollen Fremden schon finden, egal wie lange es dauerte.

Nach gar nicht langer Zeit (ca. 7 Stunden) machte sich Schnapper auf den Weg zum Treffpunkt, und Pigeon verfolgte ihn unbemerkt über die Dächer. Nach ewigem Warten und anstrengender Ermittlungsarbeit ( bei einem Gehirn aus Stein schon eine Leistung) würde es nun endlich soweit sein! Sie würde den Mörder überführen! Inzwischen war sie sich 100% sicher auf der richtigen Fährte zu sein.

Nach einer Weile war Schnapper an einem kleinen Schuppen angelangt, und wartete, als er plötzlich hinter sich eine Stimme hörte: "Schön, dass sie so pünktlich sind!", ein schwarz gekleideter Mann, kein Assasine, dazu war er zu dreckig, trat aus der Dunkelheit hervor.
"Ich habe erstklassige Ware für sie, zu einem Spitzenpreis!"
Pigeon hielt den Zeitpunkt für gekommen und rief, während sie vom Dach sprang:
"Halt, sofort stehen bleiben, hier spricht die Wache!"
Der Verdächtige machte natürlich dass er so schnell wie möglich wegkam, und während die Rekrutin die Verfolgung aufnahm ärgerte sie sich schon über ihr unüberlegtes Handeln.
"Ich hätte mich wohl besser leise anschleichen sollen, so was Dummes aber auch. Wenn er mir jetzt entkommt, hab ich ein ganz schönes Problem.", dachte sie, während sie den schwarzen Mann [10] so schnell sie konnte verfolgte. Er war zwar ziemlich schnell, aber sie hatte den Vorteil, dass sie nicht auf solche Nebensächlichkeiten wie Atmung achten musste, weswegen sie eindeutig die bessere Ausdauer hatte. Nach kurzer Zeit (= weniger als 5 Stunden) rannte er in eine Sackgasse, und so hatte Pigeon keine Probleme ihn festzunehmen, und trug ihn zum Wachhaus.

Inzwischen war es ungefähr 7 Uhr morgens, also schleifte sie ihn gleich hinein und klopfte an Gonzos Bürotür.
"Herein!"
Pigeon trat ein, schloss die Tür hinter sich und dem Gefangenen und salutierte.
"Oh, Rekrutin Pigeon, du hast dich ja auch schon länger nicht mehr blicken lassen, ich fände es mal angemessen sich öfter bei mir zu melden."
"Tut mir Leid, aber..."
"Schon gut, jetzt erzähl mal wer das hier ist, den du da mitgebracht hast, und dann sag mir wo du so ewig gesteckt hast."
Nachdem Pigeon alles berichtet hatte, richtete Gonzo das Wort an den Festgenommenen.
"Wie heißt du, und woher hast du die Leichenteile?"
"Ich heiße Hubertus Minz und habe mir nichts vorzuwerfen."
"Ich habe dich gefragt woher du die Leichenteile hast! Also?"
"Ähm, also, das kann ich nicht sagen, aber ich bin kein Mörder!", der Befragte wurde langsam ziemlich nervös, und begann an seinem Umhang rumzufummeln.
"Du wirst aber des Mordes angeklagt, wenn du nicht gleich die Wahrheit sagst!", sagte Gonzo nun etwas lauter.
"Ich will meinen Anwalt sprechen!"
"Die Anwaltsgilde ist auf Betriebsausflug!" behauptete Gonzo und der eingeschüchterte Gefangene glaubte ihm, denn seine Mutter hatte ihm immer gesagt, dass Wächter nie logen (es war ja eigentlich auch gar keine richtige Lüge, eher eine Notlüge).
"Legst du jetzt endlich ein Geständnis ab, oder soll ich dich erst mal für ein paar Tage in eine Zelle sperren?"
"Mir bleibt nichts anderes übrig, oder?"
"Nein!"
"Na gut, ich bin Totengräber, und weil ich dringend Geld brauchte, wollte ich halt mal ein paar Leichen verscherbeln, anstatt sie zu vergraben. Es hätte keiner was gemerkt, und den Zombies und Igors hier in der Stadt hätte ich eine Freude gemacht. Es hätte wahrscheinlich auch niemand was gemerkt, aber als ich vor ca. 2 Wochen auf dem Weg zu Schnapper war um ihm ein paar Teile zu bringen, sah ich mir einen Wächter entgegenkommen und tat das denkbar Dümmste, ich rannte weg. Er verfolgte mich natürlich [11] und so musste ich meine Ware schnell verstecken, aber schließlich konnte ich im letzten Moment doch noch entkommen. Nach diesem Zwischenfall machte ich mit meinen Geschäften seelenruhig weiter bis mir diese nichtsnutzige Wächterin hier dazwischenkam."
"Tja, das war's dann wohl.", war das einzige was Gonzo dazu sagte, und beauftragte dann Pigeon den Typen erst mal einzusperren, bis klar wäre ob er überhaupt ein Verbrechen begangen hatte, denn Gonzo hatte noch nie gehört, dass es verboten sei Leichen zu verkaufen.

Nachdem sie das erledigt hatte, nahm sich die Rekrutin er's mal einen Tag Urlaub um sich richtig auszuschlafen, denn auch wenn man es nicht dringend nötig hat, tut es manchmal schon ganz gut.



[1] Die Dunstglocke die normalerweise über Ankh-Morpork hängt wird hier vernachlässigt, sie würde die Stimmung zerstören.
[2] Sie waren nicht lustig
[3] Sie machten eine Dreckschlacht
[4] So behutsam wie man nun mal mit Händen aus Stein ist
[5] In Ankh-Morpork kann man auf der Straße alles finden, wenn man nur richtig sucht, aber das wusste sie nicht
[6] bzw. Müllhalden, in den Schatten gibt es so gut wie keine Mülltonnen
[7] naja, man kann sauber auf verschiedene Arten definieren
[8] Sie hatte natürlich keine Socken an
[9] Die meisten Wasserspeier können zwar fliegen, aber dank der stümperhaften Arbeit der Zauberer der UU blieb ihr diese Möglichkeit verwehrt und sie musste sich an die physikalischen Gesetze halten (die besagen, dass kein Lebewesen mit dem Gewicht und der Flügelspannweite fliegen kann)
[10] es war natürlich nicht wirklich ein schwarzer Mann, er war nur schwarz angezogen
[11] Wächter verfolgen alles was wegrennt



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