Hell wie der lichte Tag...

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von Hauptmann Rascaal Ohnedurst (FROG)
Online seit 01. 08. 2001
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Es werden seltsame, halbierte Haufen Vampirasche in der Stadt gefunden...

Dafür vergebene Note: 15

Obwohl der Vampir Empfindungen wie Kälte und Hitze schon vor vielen, vielen Jahren hinter sich gelassen hatte (er tat ganz gern mal so, als hätte er sie noch, aber seiner Haut war es ziemlich egal, ob die Sonne versuchte, sich mühsam durch die stinkende Dunstglocke über der Stadt zu brennen oder nicht), war ihm, als würde ein Schauer tiefster Kälte über seinen Rücken gleiten, als er den Schuppen betrat, in dem alle anwesenden Wächter unter der herrschenden Hitze stöhnten und den allgemeinen Gestank (von ihrem Schweiß UND dem der Stadt) verfluchten.
Offiziell gab es hier nichts für Hauptmann Rascaal Ohnedurst und seine Abteilung, den F.R.O.G.'s, zu tun und er hatte auch genug andere Sachen zu erledigen, als sich um die Tatorte anderer Abteilungen zu kümmern, doch dann war eine Eiltaube seiner Kollegin Hauptmann Ptracy in sein Büro geflattert gekommen und hatte sich auf die appetitlich filetierte und vor ihm ausgebreitete Rote-Bete-Knolle gesetzt. Bekanntermaßen haben die Reflexe von Vampiren die Schnelligkeit eines Schattens, doch der Darm einer Taube ist durch nichts zu schlagen und so hatte der Vogel selbigen mit unschuldigem Blick und erleichtertem Gurren auf das Mittagessen des Vampirs entleert, nur um dann seelenruhig zu warten, bis Rascaal die Nachricht von seinem Bein entfernt hatte. Kaum war dies geschehen, flog die Taube wieder durch das Dachfenster davon, nicht ohne noch einen letzten Abschiedsgruß herauszudrücken, dem der unter dem Balken herumstreunende No-Name erst in letzter Sekunde ausweichen konnte.
"Komm mal bitte in den Gartenschuppen des Hauses Stinkende Gasse 7a. Habe hier etwas, das ich nicht verstehe, dich aber mit Sicherheit interessieren wird. Ptracy." Hatte es auf der Nachricht geheißen und da Rascaals Mittagessen sowieso ruiniert und seine Knollenvorräte erschöpft waren, hatte der Vampir seiner Stellvertreterin, Oberfeldwebel Venezia Knurblich, das Kommando übergeben und war gen Stinkende Gasse geschlendert.
Der Schuppen lag in einer ziemlich üblen Gegend, selbst für Ankh-Morpork Verhältnisse. Die meisten Häuser waren zerfallen und der Gestank der Stadt schien hier noch an Penetranz zuzunehmen, denn die Tatsache, daß sich keiner seiner Kollegen über den, dem Vampir anhaftenden, Knollengeruch beschwerte, sagte schon genug aus.
Überall lag Unrat und aus den Löchern in den Wänden der Häuser, die man nun wirklich nicht mehr als Fenster bezeichnen konnte, schauten vereinzelt Gesichter, die einen Glanz in den Augen trugen, den man mit dem Genuß von zu vielen Würstchen aus Schnappers Bauchladen in Verbindung bringen konnte. (Zuviel = mehr als ein Würstchen pro Jahr)
"Wie ich sehe, hast Du meine Nachricht bekommen. Schön, daß du da bist, Ras!" hörte Rascaal Ptracies Stimme hinter sich, als er weiterhin ungläubig staunend in den geräumigen Verschlag starrte.
Das Objekt seiner Ungläubigkeit lag in der Mitte des Raumes in Gestalt eines halben Haufens Asche, allerdings nicht so, wie man es gemein hin vermutet hätte. Würde man von einem normalen Haufen Asche die Hälfte wegnehmen, so würde der Rest zu einem kleineren Häufchen zusammenfallen.
Nicht so hier.
DIESER Aschehaufen sah aus, als wäre er mit einem unangenehm scharfen Messer in der Mitte geteilt und dann eine Hälfte entfernt worden. Die gerade Schnittkante war erhalten geblieben und trotzte allen Gesetzen der Schwerkraft. Dieser Umstand allein ließ erkennen, um was es sich handelte: Die Hälfte der Überreste eines Vampirs.
"Ja, genau, darum geht es... die Vampirasche!" sagte die wie immer sehr... luftig... gekleidete Ptracy und trat neben Rascaal "In einer Situation wie dieser werden normalerweise ein paar Tropfen Blut von den Beweißsicherer auf die Asche getropft und wenn der Vampir dann wieder auferstanden ist, dann wird er zu dem Tathergang befragt... Information aus erster Hand nennt man das sozusagen!"
Hauptmann Ohnedurst schaute nachdenklich zu Lance-Korporal Angsthase rüber, die den halben Haufen wieder und wieder mit Blut aus einer Phiole beträufelte, welches allerdings wirkungslos abperlte.
"Wie du siehst, funktioniert das hier nicht und ich dachte, daß du so als Experte in eigener Sache uns vielleicht erklären könntest, warum dem so ist..." sagte Ptracy hoffnungsvoll.
Neben dem Eingang des Schuppens lehnte Obergefreiter Zupfgut, der in seiner Eigenschaft als Tatortsicherer in dieser Gegend absolut nichts zu tun hatte und den beiden aufmerksam zuhörte.
Rascaals Blick schweifte noch einmal durch den Raum, als wenn er nach Hinweisen suchte, während seine Gedanken rasten. Er kannte Ptracy schon ziemlich lange und sie hatten zusammen als einzige Haufen-Huberts "Kurs für offizierische Zusammenarbeit" durchlaufen. Ein gequältes Lächeln umspielte die Lippen des Vampirs, als er an den Kurs dachte, denn Hubert hatte alle fairen und (überwiegend) unfairen Register gezogen, um ihnen Teamwork im Offizierschor nahezubringen.
Hier allerdings kam eine Zusammenarbeit nicht in Frage.
"Was ist so witzig an der Asche einer deiner Artgenossen?" fragte Ptracy, die Rascaals Lächeln falsch interpretierte.
"Hmmm? Wie bitte? Entschuldige...ääähh, wie war deine Frage nochmal?" hakte, der Vampir nach, als seine Kollegin ihn aus den Gedanken riß, obwohl er sich ganz genau erinnerte.
Ptracy runzelte die Stirn. Normalerweise war Hauptmann Ohnedurst ausgesprochen aufmerksam und immer bei der Sache.
"Die Asche... du weißt schon... das Zeug, daß von euch übrig bleibt, wenn man, naja, diese Sache mit dem Pflock durch das Herz und so." druckste Ptracy herum "Wieso klappt das mit der Wiedererweckung hier nicht? Gestern bei den beiden Anderen ging es auch schon nicht."
"Äääh... keine Ahnung. Tut mit leid!" antwortete Rascaal und schaute durch die Tür nach draußen, wo man durch den dunstigen Schleier, der über der Stadt lag den Stand der Sonne erahnen konnte "Was, schon so spät? Ich muß los! Schade, daß ich dir nicht helfen konnte...!"
Mit diesen Worten drehte sich der Vampir um und verließ den Hof.
- Bei den beiden Anderen ging es auch schon nicht -
Diese Bemerkung hallte in seinem Kopf nach. Es war also nicht das erste Mal gewesen. Hauptmann Ohnedurst mußte dringend mit jemandem sprechen, der nicht so... lebendig war, wie Hauptmann Ptracy und er wußte auch schon genau wen er ins Vertrauen ziehen würde...


2

"ICH MACH EUCH FERTIG, WENN ICH EUCH IN DIE FINGER BEKOMME...!" schrie die Gnomin wütend in das Dunkel.
Oberfeldwebel Venezia Knurblich stand in dem Büro, welches sie sich mit Rascaal Ohnedurst teilte und beugte sich noch ein wenig weiter in das Loch in der Wand.
"KOMMT GEFÄLLIGST RAUS, WENN ICH EUCH ANBRÜLLE..." tobte sie doch als Antwort bekam sie nur ein hämisches Lachen irgendwo aus den Tiefen des Melderöhrensystems.
Die Gnomin betrachtete kurz die ersten Zentimeter der Röhre. Ranziges Würstchenfett glänzte auf dem Boden, da die drei Dämonen damit die Gleitfähigkeit des Systems erhöhten.
An sich hatte Venezia nichts gegen Würtstchenfett, ganz im Gegenteil, er gehörte zu ihren Hauptnahrungsmitteln. Allerdings nur mit dem Würstchen drum herum und sie mochte es auch nur in sich (Das sich bei dem Verzehr auf Rascaals Schulter ein dicker Fettfilm bildete, war dabei unwichtig) Nachdenklich schaute sie an ihrer brandneuen F.R.O.G.-Uniform runter.
"AAAAAAAAAAARGHH...!" verzweifelte sie "WIR SIND NOCH LANGE NICHT FERTIG...HÖRT IHR MICH...NOCH LANGE NICHT. DAFÜR WERDET IHR BEZAHLEN!"
Energisch wedelte sie mit dem Stein, oder wie in diesem Fall, mit dem Zettel des Anstoßes vor dem Loch herum.
Dieser Zettel war nur einer von vielen, die an diesem Morgen wie durch Zauberei überall in der Wache hingen.
Auf den Zetteln war ein Herz gemalt in dem die Buchstaben "V.K.+R." standen. Das "R" war seltsam muskulös, trug ein Stirnband und hatte einen qualmenden Zigarrettenstummel in einem gezeichneten Mund, um jeden Zweifel auszuschließen, daß Reggie gemeint war.
Die Gnomin knüllte den Zettel zusammen, warf ihn in die Röhre und stapfte genervt zu ihrer Tonne, als die Tür aufflog und Rascaal eintrat.
Sie setzte gerade zu einer scharfen Bemerkung an, die mit Zetteln und den ernsthaften Konsequenzen deren Erwähnung für das körperliche Wohlbefinden zu tun hatte, als sie den besorgten Ausdruck auf dem Gesicht des Vampirs sah.
"Was...?" setzte sie an, doch weiter kam sie nicht, da Rascaal sie einfach hochnahm und sich mit ihr auf seinen Balken schwang.
"Wir müssen reden, Veni!"

***

Mit offenen Augen lag er in seiner verhaßten Kiste in dem muffigen Keller in dieser ekligen, dreckigen Stadt, die er natürlich auch haßte.
Er fand einfach keine Ruhe. Nie fand er Ruhe.
Wenn er versuchte zu schlafen, dann öffneten sich automatisch seine Vampiraugen.
Er haßte sie dafür
Nicht einmal richtig schlafen konnten Vampire. Und dann dieser Durst, dieser unerbittliche, nagende Durst, der sein ganzes Handeln bestimmte und ihn überall hin verfolgte.
Stumm fluchend wälzte er sich auf die andere Seite und starrte die Holzwand 10 cm vor seinem Gesicht an.
Wäre sie aus Metall gewesen, hätte er sich drin spiegeln können (hätten Vampire ein Spiegelbild gehabt). Kam er nach seinen nächtlichen Aktivitäten nach Hause, schrubbte er seinen Sarg erstmal, bis selbst die morporkschen Bazillen und Staubpartikel, die in ihrem Mikrokosmos für ihre außergewöhnliche Widerstandskraft bekannt waren, die (natürlich nur metaphorische) weiße Flagge schwenkten. Sein Sarg roch nach Frühlingsduftputzmittel und in der Ecke hing ein winziger Duftdämon, der angeblich den Duft des frischen Morgens verströmte (jedenfalls hatte Schnapper ihm das gesagt, als er ihn gekauft hatte, allerdings hatte er die Morgenfrische immer mit sauberer Luft und nicht mit dem Geruch von sich kaum noch bewegenden Würstchen in Verbindung gebracht).
Von dem Keller, in dem sein Sarg stand, wußten die jetzigen Bewohner des Hauses nichts und wenn er kurz vor Sonnenaufgang durch ein Loch in der Kellerdecke hineinkroch, schliefen sie noch.
Seufzend drehte sich der Vampir wieder auf den Rücken.
Gleich würden sie kommen... Sie kamen immer um diese Zeit, um ihn in den Wahnsinn zu treiben.
Er nannte sie die Klopfer und war davon überzeugt, daß es Sonnengeister waren, die kamen, um ihn aus seinem Sarg zu locken und sich dem Licht zu stellen.
Die Sonne... wie sehr er sie vermißte. Er haßte sein Vampirdasein, haßte alle Vampire und vor allem diese Stadt und was sie aus ihm gemacht hatte. Er würde nicht eher ruhen, bis er sie alle vernichtet hatte... jeden einzelnen von ihnen... endgültig.
Etwas später kamen sie. Die Klopfer.
Tack-Tack, Tack-Tack, Tack-Tack-Tack...
Unerbittlich klopften sie direkt über seinem Kopf... stundenlang, wie er vermutete.
Was er nicht wußte, war, daß es nur Tauben waren, die, von den Brotkrumen einer alten Frau aus dem Haus über ihm angelockt, selbige von Sargdeckel pickten, bis die Frau ihre Fütterung beendete.
Fest drückte der Vampir sich die Hände an die Ohren und wimmerte leise. Er wollte nur seine Ruhe... und Rache.


3

"Was meinst du damit: 'Ein Vampir geht um'?" fragte Venezia erstaunt "Vampire 'gehen doch immer um'. Ihr seid eine Art Spuk. Na gut, du bist vielleicht eine Ausnahme... meistens... aber ansonsten."
Die Gnomin hatte aufgehört, auf ihrem Würstchen herumzukauen. Schwach leuchtendes Fett tropfte träge aber gleichmäßig auf Rascaals Balken und fing dort an, eine Pfütze zu bilden aus deren Mitte, wo die Konzentration am größten war, gelblich-grüner Rauch aufstieg, als sich das Fett in das Holz fraß.
Stirnrunzelnd betrachtete der Vampir die Pfütze auf seinem heißgeliebten Balken und schrieb eine große Flasche Holzpflegemittel auf seinen mentalen Notizzettel.
"Nun?" holte Venezia ihren Freund und Vorgesetzten aus seinen Gedanken, bevor sie wieder in ihr Würstchen biß, was ein seltsam klagendes Geräusch erzeugte.
Schaudernd wandte Rascaal seinen Blick von ihrer Mahlzeit.
"Nein, du verstehst nicht. Wenn ein Vampir über einen Artgenossen sagt, dass er 'umgeht', dann meint er, dass er rumläuft und andere Vampire vernichtet."
Venezia fiel das Würstchen aus der Hand.
"Vernichten? Endgültig? Das geht? Ich dachte immer, dass ein bißchen Blut auf die Asche genügt, um einen Vampir auch nach Jahren wiederzuerwecken!"
"Das denkt jeder Nicht-Vampir." gab Rascaal zu "Aber es gibt einen Weg, der allerdings nur Vampiren bekannt ist und selbst bei uns wissen es bei weitem nicht alle."
Rascaal schaute die Gnomin mit einer Härte an, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte.
"Veni," mahnte der Vampir "Eigentlich hätte ich es dir nicht erzählen dürfen, denn für uns Vampire ist dieses Geheimnis eine sehr ernste Sache, aber Du bist meine beste Freundin, meine Partnerin, ich vertraue dir bedingungslos und ich brauche deine Hilfe. Trotzdem muß ich dich warnen: Zeige niemals einem anderen Vampir, dass du von dieser Möglichkeit weißt, sonst wird er nichts unversucht lassen, dich zu töten."
"Wieso? Ich weiß doch gar nichts genaues!" sagte die Angesprochene und ihr wurde das Gewicht des ungefragt übertragenen Wissens bewußt.
"Das würde dir niemand glauben. Es tut mir leid, dass ich dich da mit reinziehen muß..."
"Wie kannst du so sicher sein, dass es ein Vampir ist?" hakte Veni nach.
"An der Art, wie die Haufen zurückgelassen wurden und an der Tatsache, dass die Wiedererweckung nicht klappt." antwortete der Hauptmann Ohnedurst "Nur ein Vampir bringt die nötigen... nennen wir sie mal Voraussetzungen... mit, um das zu vollbringen. Oh sicher, ein Mensch könnte das auch schaffen... wenn er vorher hundertmal geübt hat und ein ihn schützender Mob ihn umgibt. Aber selbst in Ankh-Morpork fallen 30 oder mehr Leute auf, die mit brennenden Fackeln, Sensen, Heugabeln und spitzen Holzpflöcken durch die Stadt ziehen und 'Tötet den Blutsauger' skandieren. Nein, so leise und effektiv tötet nur ein Vampir.
"Aber warum?"
Rascaal verdrehte die Augen.
"Wer weiß. Es kommt nur ganz, ganz selten vor. Dann aber ist es immer nur ein Haufen, ein Vampir, der vernichtet wird. Aus Rache, Verzweiflung, Langeweile, Intrigen... was weiß ich noch alles." erklärte er "Und vor allen Dingen geschieht es heimlich. Hier jedoch liegt der Fall anders. Er läßt die Haufen liegen, wo man sie findet... und er scheint nicht aufzuhören."
"Wie willst du ihn stoppen? Du weißt ja nicht einmal wer oder wo er ist..."
"Ich werde mich ihm als Opfer anbieten."

***

Heftig stieß der Vampir den Sargdeckel auf und nahm einen tiefen Atemzug. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass er die herrlich würzige Luft der Stadt nicht mehr in sich aufnehmen mußte, wenn er es nicht bewusst tat.
Wütend riß er den Duftdämonen aus dem Sargdeckel und schleuderte ihn aus dem Loch in der Kellerdecke in die sternenklare Nacht hinaus. Sobald er seine Aufgabe in Ankh-Morpork vollbracht hatte, würde er noch ein ernstes Wort mit diesem Schnapper zu reden haben, bevor er die Stadt verließ.
Mühelos durchdrangen seine Augen die Dunkelheit, als er den Kopf durch das Loch steckte und erblickten den Kasten, den er in eine geschützte Ecke des Hofes gestellt hatte.
Ein Erfinder aus den Spitzhornbergen hatte ihn hergestellt. Der Vampir hatte ihn einfach vor die Wahl gestellt, ihm entweder einfach sein 'Spielzeug' zu bauen oder ihn in einen Blutsauger wie ihn zu verwandeln.
Nach getaner Arbeit hatte er den Erfinder trotzdem in einen Vampir verwandelt und dann den Kasten an ihm getestet... sehr zum Leidwesen des frischgebackenen Vampirs, denn er hatte auch gleich seine schwarze Klinge an der Asche ausprobiert und sie halbiert.
Äußerst behutsam nahm er den Kasten an sich, denn sein Inhalt hätte auch ihn binnen Sekunden in Asche verwandelt und an diesem Ort hätte er sicherlich ziemlich lange darauf warten können, bis irgendein Trottel kam und Blut auf seine Überreste tropfte.
Die Wärme des Kastens lies seine Fingerspitzen prickeln und das war auch kein Wunder, denn schließlich war auch das Sonnenlicht eines ganzen Tages dort gespeichert.
Es wurde Zeit für die Jagd.
Er hatte sein Opfer schon ausgewählt. Bald würde es noch einen Blutsauger weniger geben... denn ein Vampir ging um.
Ein irres Kichern entrang sich seiner Kehle, als er sich auf den Weg machte.


4

Mir eiserner Disziplin krallte sich Venezia an der Mauer über dem Loch in der Wand und wartete.
Ihre Aufgabe war es, die Ermittlungen der anderen Abteilungen zu stören und die halbierten Aschehaufen entweder verschwinden zu lassen oder als Beweismittel unbrauchbar zu machen. Natürlich konnte ihr Rascaal in so einer Situation nichts befehlen und hundertprozentig wohl fühlte die Gnomin sich auch nicht dabei, schließlich waren es ihre Kollegen, deren Arbeit sie sabotieren würde, doch konnte sie Rascaals Beweggründe auch nachvollziehen.
Alles andere als begeistert war der Vampir allerdings gewesen, als sie ihm ihren spontan entwickelten Plan erklärte. Vor allem, weil sie noch jemanden dafür brauchte.
Aber das traf sich gut, dachte Veni, denn mit diesem Jemand hatte sie sowieso noch ein paar Worte zu wechseln.
Da... eine Bewegung unter ihr.
Schon roch sie den Rauch seines Glimmstengels. Scheinbar unter größter Vorsicht schob sich Reggie aus der Röhrenöffnung und spähte nach links und rechts. Im fahlen Licht des Mondes glänzten seine muskelbepackten Schultern von dem Fett, mit dem das Röhrensystem eingeschmiert war.
Die Gnomin bemerkte, wie ihre Hormone anfingen, heftig an den mentalen Zügeln zu zerren und laut wieherten, doch für so etwas hatte sie jetzt keine Zeit.
Obwohl... da war ja noch etwas, daß der Klärung bedurfte.
Mit diesem Gedanken ließ sie sich fallen...

Als Reggie das nächste Mal blinzelte, saß Venezia auf seinem, für seine Größe recht beeindruckendem, Brustkasten und er spürte die Spitze ihres unangenehm scharfen Gnomensäbels an seiner Kehle.
Er grinste.
"Also Liebste, ich mag es zwar manchmal etwas ruppig," seufzte er und schaute in Venezias Augen aber findest du diesen Zahnstocher nicht etwas übertrieben?"
Ruckartig beugte sich die Gnomin zu Reggie runter, bis ihre Nasenspitze sich fast berührten.
"Ich bin nicht deine Liebste!" fauchte sie. So nah war sie dem Dämonen noch nie gewesen. Mistundverdammt, was roch der Kerl lecker nach Würstchen. Fast alle Gefühle machten bei der Gnomin einen Umweg über den Magen. "Und was soll dieser Mist mit den Zetteln? Bist du lebensmüde?"
"Was für Zettel?" fragte Reggie unschuldig und mit honigsüßer Stimme "Baby, ich bin heute Mittag erst von einem Sonderauftrag vom Schäff zurückgekommen! Coole Sache, das! Davon werden wir unseren Enkeln noch erzählen können, mein Schnuckelchen!"
"Das mit dem Auftrag werde ich morgen nachprüfen und wie kommst du darauf, dass ich mich mit jemandem wie dir vermehren wollte? Habe ich 'Schwachsinn' auf meiner Stirn eintätowiert, oder was?" Venezia kochte innerlich.
"Nicht doch, Baby, ich kann mich noch gut an die Badenummer von neulich erinnern. War schon heftig, was da geboten wurde."
Reggie ließ ein Grinsen aufblitzen, das es an Schmierigkeit mit Schnappers Würstchen hätte aufnehmen können.
Die Gnomin schluckte hart. So kamen sie nicht weiter.
"Okay, Paß auf, die Zettelsache werde ich dann mit den anderen beiden Knallköpfen klären, aber ich brauche deine Hilfe bei einer anderen Sache." sagte sie, richtete sich auf und nahm etwas Druck von Reggies Brustkasten.
"Ach?" horchte Reggie auf "Soll ich etwa wieder deine, nebenbei bemerkt äußerst langweilige Wächterarbeit für dich machen oder suchst nach einem strahlenden Ritter, der deinen ziemlich heißen Allerwertesten rettet?"
Jetzt war es die Gnomin, die grinste und dann aufstand.
"Nein, oh mein Held." hauchte sie und Reggie dachte, dass diese Worte aus IHREM Munde seltsam bedrohlich klangen "Du sollst etwas kaputt machen, während ich hinter dir her renne. Ist doch ein echtes Angebot: Schaden anrichten und von einer äußerst attraktiven Gnomin gejagt werden..."
Reggies Gedanken überschlugen sich. Verzweifelt suchte er nach einem Haken an der Sache. Seine nikotingeschwärzte Zunge glitt nervös über seine Lippen, sorgsam darauf achtgebend, dass der Glimmstengel an seinem Platz blieb.
"Sag mal, Liebchen, schuldest DU nicht eigentlich MIR einen Gefallen?" versuchte er sich über die ungewohnte Situation zu retten.
Die Gnomin hatte befürchtet, dass diese Sache aufkommen würde.
"Lenk nicht vom Thema ab!" setzte sie behutsam die püschologische Brechstange an. "Reggie, bist du nun dabei oder nicht? Oder hast du vielleicht Angst, dass du zu langsam für mich bist?"
Spöttisch lächelnd stand die Gnomin auf und rückte verschiedene Kleidungsstücke, die beim Aufprall verrutscht waren, wieder zurecht.
Nun war es Reggie, der wütend aufsprang und sich der Gnomin näherte.
"Der Tag, an dem du schneller bist..."knurrte er "wird niemals anbrechen, Baby!"
Sie hatte ihn.
Männer waren ja so berechenbar... und, Himmel, sah er süß aus, wenn er wütend war.
"Wann und wo?" fragte Reggie.
"Komm mit in Rascaals Büro, da werden wir alles Nötige klären." sagte Venezia und lächelte versöhnlich... Püschologie war einfach klasse.
"Ich komme gleich nach..."
Obwohl es ihr seltsam vorkam, nickte die Gnomin und verschwand.
Ein Lächeln umspielte Reggies Lippen, als Venezia die Tür schloß. Er ging ein paar Schritte zurück zum Loch, griff hinein und holte einen Stapel Zettel hervor.
Wenn sie ihn schon jagen wollte, so dachte der Dämon, so sollte sie wenigstens auch einen Grund dazu haben.
Er nahm den ersten Zettel, wischte die Rückseite einmal über das Fett auf seinem Arm, klebte ihn damit an die Wand und trat einen Schritt zurück.
Zwei händchenhaltende Strichmännchen zierten das Blatt, wobei das eine vor Muskeln nur so strotzte und einen Glimmstengel im Mundwinkel hatte, während das andere einen feuerroten Haarschopf hatte und eine F.R.O.G.- Uniform trug. Auch die Buchstabenkürzel V.K.+R. fehlten nicht.
Zufrieden mit seinem Kunstwerk setzte Reggie seine Arbeit fort und begann eilig, das Zimmer mit den Zetteln zu tapezieren.

***

Wie jede Nacht um diese Zeit betrat sein Opfer die Gasse hinter Hägars Imbiß. Hier, so hatte der Vampir letzte Nacht herausgefunden, wartete sein Artgenosse auf diejenigen von Hägars Kunden, die den letzten Imbiß nicht mehr bei sich behalten konnten.
Ein nicht ganz so zentral gelegener Ort wäre ihm zwar lieber gewesen, aber er war flexibel.
Noch zwei Schritte, noch einer... JETZT.
Auf einem Fenstersims sitzend, richtete er den Kasten nach unten, schloß die Augen und löste den Mechanismus aus, der die Klappe am anderen Ende öffnete.
Ein erschrockenes Fiepsen im Hochfrequenzbereich war alles, was er von unten vernahm und wußte, dass der konzentrierte Sonnenstrahl sein Ziel gefunden hatte.
Er schloß die Klappe und öffnete die Augen.
Unter ihm befand sich nur noch ein dampfender Aschehaufen, in der typischen Pyramidenform, wie sie jeder Vampir hinterläßt.
Der Geruch des grauen Rauches vermischte sich mit den anderen sonderbaren Gerüchen, die vom Imbiß in die Gasse drangen und über die man besser nicht länger nachdachte.
Er hatte den Vampir nicht gekannt und es war ihm auch ziemlich egal, wer er gewesen war. Er war ein Vampir. Einer von denen, die ihn zu dem gemacht hatten, was er jetzt war und allein dieser Umstand reichte.

Sorgsam verstaute er den für ihn harmlosen Kasten in seinem Umhang und zog ein Kurzschwert mit einer extrem dünnen und pechschwarzen Klinge.
Dies war kein Schwert zum kämpfen. Es würde sofort zerbrechen.
Dies war ein Schwert, um Vampire zu vernichten.
Mit katzengleichen Bewegungen schwang er sich hinunter und landete unmittelbar neben dem Aschehaufen. Dem Vampir blieb nicht viel Zeit für das, was er vorhatte.
Mit größter Konzentration setzte er das Schwert an und in diesem Augenblick wurde er von einer seltsamen Kälte und Ruhe durchströmt. Vor seinem inneren Auge teilte sich der Haufen in zwei perfekte Hälften und nach diesem Vorbild vollzog er den Schnitt.
Gerade hatte er die eine Hälfte der Asche in einem Beutel verstaut, als hinter ihm ein Ruf erscholl.
"Halt, Stadtwache, was geht hier vor?"


5

Gefreiter Sven Goldbaum war noch nicht allzu lang in der Wache und auch die Grundausbildung lag noch nicht in weiter Ferne, weshalb ihm noch alle Vorschriften und Verhaltensmaßregeln genauestens im Gedächtnis saßen.
Neben diesem Gedächtnis saß die Hauptgefreite Oma Morkie auf der Krempe seines Helmes, den er vorschriftsmäßig aufgesetzt hatte. Sie war mit Sven auf Streife geschickt worden um ihm mit ihren Erfahrungen das Leben auf der Straße etwas näher zu bringen.
So hatte sie sich also zu Beginn ihrer Schicht auf den Helm gesetzt, ließ sich von einem Ende der Stadt zum Anderen tragen und redete in einer Tour. Sven kannte inzwischen gezwungenermaßen ihren ganzen Stammbaum bis hin zur Gründung der Stadt, jede angeblich von ihr vollbrachte Heldentat (wozu angeblich auch die Gründung dieser Stadt gehörte, da sie ja die Omilie von allem und jedem war, was Sven allerdings sehr seltsam vorkam) und jeden Laden, an dem sie umsonst Süßigkeiten bekam.
Sie waren gerade nach einer (zumindest für Sven) wohlverdienten Pause aus Hägars Imbiß gekommen, wo Sven schon übel geworden war, als er hörte, was Omi sich alles bestellt hatte und wollten ihren Rundgang fortsetzen, als ein greller, blendender Schein aus der Gasse hinter dem Imbiß kam und ihnen kurzzeitig die Sicht raubte.
Dankbar für die Unterbrechung in Omis Erklärungen versuchte Sven zur Gasse zu laufen... doch blieb es erstmal bei dem Versuch, denn zielsicher traf er die rechte Hausecke und verlor dabei seinen Helm mitsamt Oma Morkie.
Stöhnend setzte er sich auf und langsam kam auch seine Sehkraft wieder. Verschwommen sah er, wie Oma sich mühsam unter seinem Helm hervorkämpfte, drehte den Kopf zum Eingang der Gasse, wo er eine dunkle Gestalt sah, die sich über etwas beugte.
Schlagartig kam ihm seine gesamte Grundausbildung wieder ins Gedächtnis und reflexartig stieß er den hunderte von Malen eingeübten Ruf hervor.
"Halt Stadtwache, was geht hier vor?"
Noch im Aufstehen hörte er Omi etwas von 'verdammte Klappe halten' sagen, ignorierte es aber und versuchte mit jugendlichem Elan in die Gasse zu stürmen... übersah jedoch Hägars Mülltonnen und fand sich kurz darauf in recht undefinierbaren Abfällen wieder.
Als sich Oma Morkie endlich vollends von dem Helm befreit hatte, war schon alles vorbei und der Unbekannte geflohen.

***

Hastig floh der Vampir über die Dächer zu seinem Versteck. Natürlich hätte er sich auch in eine Fledermaus verwandeln können, wie jeder Vampir, doch litt er unter akuter Luftkrankheit und eine durch die Luft fliegende Fledermaus die nach jedem zehnten Flügelschlag anfingt, sich in der Luft zu übergeben wäre doch sehr auffällig gewesen.
Das war knapp gewesen, sehr knapp.
Alles was hinter der Lampe war, wurde zwar zum Glück nicht von den Sonnenstrahlen getroffen, doch nach vorne war die Helligkeit weithin sichtbar und wenn ein Mensch direkt in den Strahl sah, war er für einen Moment geblendet.
Das hatte ihn in diesem Falle zwar gerettet (er grinste bei dem Gedanken, wie der Wächter versucht hatte, sich aus den stinkenden Abfällen zu befreien), doch nahm er sich vor, bei seinem nächsten Opfer eine abgelegenere Stelle auszusuchen.
Sein nächstes Opfer... morgen Nacht würde er es aussuchen... seine Jagdgewohnheiten auskundschaften und in der darauffolgenden Nacht zuschlagen und nach den Erfahrungen von vorhin wußte er auch schon, was für eine Art Vampir, er aufs Korn nehmen würde... einen der Stadtwache.

***

"AAAAaaaaAAAAaaaaAAAAaaaarGH..."
Einer Sirene gleich schwoll Oberfeldwebel Venezia Knurblichs Wutschrei an und ab und klingelte in Reggies Ohren. Wie mochte er sich erst aus der Nähe anhören?
Nun, er würde es bald herausfinden.
Breitbeinig stand der Meldedämon im Gang, welcher zu den S.U.S.I.-Laboren führte und wartete. An sich hatten Venezia, Rascaal und er einen genauen Plan ausgearbeitet, um diese seltsamen Aschehaufen unauffällig zu zerstören, wobei Reggie keinen blassen Schimmer hatte, was an ein wenig aufgestapeltem staubigen Drecks sooo wichtig war. Ob sie sich allerdings an diesen Plan halten würden, war im Moment fraglich.
Vielleicht waren die Zettel doch etwas übertrieben gewesen.
Vielleicht hätte er sie erst morgen aufhängen sollen.
Vielleicht hätte er einfach in seiner Röhre bleiben sollen.
Reggie grinste breit.
... und vielleicht konnte er die Gnomin ja auch noch ein bißchen mehr reizen.

***

Die alte Frau war lange nicht mehr krank gewesen. Es war schon fast jenseits ihrer Erinnerung, so lange war es schon her.
Nun allerdings hatte es sie böse erwischt. Fieberkrämpfe schüttelten sie und ihr Gesicht war rot angelaufen.
Besorgt stand ihre Tochter neben ihrem Bett und schaute auf sie herab.
Was brauchen Kranke am meisten, dachte sie bei sich, Ruhe... und dafür wollte sie sorgen.
Anfangen würde sie damit, diese lästigen Tauben vom Fenstersims zu verscheuchen, die dort seit einer Weile saßen und gegen die Scheibe pickten.
Etwas später wunderten sich die Tauben, warum sie von ihrem Futterplatz verjagt worden waren.

***

Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen kam Venezia am Anfang des Ganges zum Stehen und schnaufte hingebungsvoll.
Sie hob den Arm und deutete anklagend mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf den vor der Eingangstür zu S.U.S.I. stehenden Meldedämon.
"Duuuuuu..." lautlos, aber deswegen nicht weniger bedrohlich formten ihre Lippen das Wort.
Unschuldig winkte Reggie ihr zu und grinste breit.
"Hallo Zuckerpuppe, alles cool?" rief er ihr zu.
Die Gnomin nahm den Arm runter.
"Natürlich." sagte sie "Ich liebe es, wenn mich jeder schmierig angrinst und fragt, wann ich denn zu dir in die Röhre ziehe."
"Oh prima," holte Reggie zu einem letzten, alles vernichtendem Bluff aus. " Dann macht es dir bestimmt nichts aus, wenn die Jungs deine Sachen aus der Tonne schonmal in meine Wohnröhre bringen, nicht wahr?"
Etwas in Venezias Selbstbeherrschung zerbrach.
"Das wagst du nicht!!!" hauchte sie und ihr Gesicht gefror zu einer Maske.
Reggie legte den Kopf auf die Seite und klimperte mit den Augen.
"Du bluffst!" knurrte die Gnomin.
Der Meldedämon zwinkerte ihr zu, wirbelte herum, daß seine zotteliges Haare, die auf dem Rücken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, wie eine Peitsche hin und her schlugen, stieß die Tür zum Labor auf und begann zu rennen.
Zu langsam für sie... pah... das würde sich ja feststellen lassen.
Aus dem gang hinter sich hörte Reggie nur noch das Geräusch eines Säbels, der aus einer Schneide gezogen wurde... dann knallte die Tür zu.


6
Sie kamen nicht...
Er konnte sein Glück kaum fassen, als er Stunde um Stunde in seinem dunklen Sarg lag und sich seinem Haß hingab.
Zum ersten Mal seit Monaten kamen sie nicht, die Klopfer, die Sonnengeister, um ihn aus seinem Versteck zu locken.
Das mußte ein Omen sein. Er war auf dem richtigen Weg... die Stadtwache war sein nächstes Ziel.
Beruhigt warf er sich auf die andere Seite und dachte an ein vampirfreies Ankh-Morpork.

***

Fasziniert betrachtete die Gefreite Lady Rattenklein das Schauspiel, das sich ihr bot.
Erst war die Tür zum Labor auf und wieder zugegangen und einer der Meldedämonen hatte eiligst den Raum betreten. Keine 2 Sekunden später war die Tür so hart aufgeflogen, daß sie mit einem lauten Knall gegen die Wand gestoßen war, wobei auf dem nahegelegenen Regal vom Luftdruck ein Reagenzglas zersprungen war.
Oberfeldwebel Venezia Knurblich stand im Türrahmen und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war sich Lady Rattenklein nicht sicher, ob sie salutieren, oder in Deckung gehen sollte...

***

Reggie war in echten Schwierigkeiten und er wußte es. Nie im Leben hätte er es für möglich gehalten, daß die Gnomin so schnell sein würde.
Fluchend hechtete er vom Tisch auf die nahegelegene Regalwand und kletterte an ihr empor. Seine einzige Hoffnung war, daß sich Venezia noch an ihren Auftrag erinnern und er sie damit ablenken konnte.
Auf dem Tisch unter ihm lagen mehrere Hälften der Aschehaufen und über ihm dampfte ein Kaffeedämon vor sich hin. Eine Idee formte sich in seinem Kopf. Reggie fing an, nervös auf seiner Kippe rumzukauen, als er sah, wie sich die Gnomin mit einer fließenden Bewegung auf das Regal schwang.
Beim heiligen Schmierfilm, sie war wirklich unglaublich schnell.
Mit seinen Augen und seiner vom Körper verdeckten Hand versuchte er, ihr Zeichen zu geben und sie auf den Kaffeedämonen aufmerksam zu machen.

***

Venezia war eine echte Vollblutwächterin und begriff sofort, worauf der Meldedämon hinaus wollte.
Gekonnte täuschte sie ein Straucheln vor, um ihm genug Zeit zu geben, das nächsthöhere Regalbrett zu erklimmen.
Als er das geschafft hatte, stieß sie einen matriachalischen Wutschrei aus und sprang ihm mit einem gewaltigen Satz hinterher.
Den Schrei hatte Reggie seinerseits genutzt, sich hinter die Kaffeemaschine zu klemmen und der vollen Kanne einen mächtigen Tritt zu verpassen.
Unter Lady Rattenkleins ungläubigen Blicken (und dem Protestgeschrei des Kaffeedämons) ergoß sich die heiße Brühe auf den Tisch und spülte die Beweisstücke A,B,C und D in einem gemeinsamen Brei auf den Fußboden.
Als die Gefreite Rattenklein wieder aufschaute, war von dem Dämonen und der Gnomin nichts mehr zu sehen.
Das Schlimmste an der Sache war, daß sie sich nicht einmal beschweren konnte, da ein Kaffeedämon im Labor laut Dienstanweisung strengstens verboten war.
Hauptmann Ptracy würde alles andere als begeistert sein...

Schnaufend lehnten Venezia und Reggie in dem geheimen Eingang zum Röhrensystem hinter der Regalwand.
Venezia warf dem Meldedämon finstere Blicke zu, was ihm keineswegs entging und entgegen seiner sonstigen Angewohnheiten, hielt er es für angebracht, momentan ein wenig kürzer zu treten und seine vorlaute Klappe zu halten.
"Das war saubere Arbeit Reggie!" brachte die Gnomin schließlich hervor.
"Okay, du bist schneller... Sind wir jetzt quitt?" fragte Reggie hoffnungsvoll, der nicht sicher war, ob Venezia die Kaffeeaktion oder seine Provokationen meinte "Die Sache mit den Zetteln war doch schließlich nur ein Mordsspaß!"
Die Gnomin betrachtete ihr Gegenüber für einen Moment. Wenn er doch bloß nicht so verdammt gut aussehen würde.
Sie trat an ihn heran.
"Noch lange nicht, mein Hübscher!" flüsterte sie, drehte sich um und glitt lautlos aus der Röhre.
Zurück blieb ein Meldedämon, der nun mit Sicherheit wußte, daß Wächterarbeit viel zu aufregend für ihn war.
Natürlich hätte er sich eher die Zunge abgebissen, bevor er das zugegeben hätte...

***

"Es hat geklappt, er hat angebissen!" berichtete Rascaal, als er am nächsten Morgen von seinem nächtlichen Ausflug zurückkam.
Zusammen mit seiner Partnerin und seinem Kater No-Name saß er auf dem Balken im Büro und erzählte von der vergangenen Nacht.
"Nachdem was gestern mit Oma Morkie und Sven Goldbaum passiert ist, habe ich mich einfach in meine F.R.O.G.-Ausgehuniform geschmissen und bin so auffällig wie nur möglich durch mein Knollenjagdrevier stolziert. Irgendwann hängte er sich dann an mich und fing an, meine Gewohnheiten auszuspionieren." sagte Rascaal "Er ist sehr geschickt, daß muß ich ihm lassen und verflucht schnell obendrein."
"Zu schnell für Dich?" fragte die Gnomin, der Böses schwante, besorgt.
Der Vampir ignorierte die Frage und streichelte den Bauch seines Katers, der sich hingebungsvoll vor ihm auf dem Boden wälzte.
"Er wird heute Nacht zuschlagen, da bin ich mir ziemlich sicher. Er hat alle Informationen und ich habe ihm den scheinbar perfekten Ort angeboten. Ich kann zwar nur grob vermuten, was er vorhat, aber..."
Rascaal zuckte mit den Schultern.
"Bitte sag mir, daß du einen Plan hast, Ras!"
Ein seltsam hartes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Vampirs.
"Natürlich habe ich einen Plan, Veni... und dafür brauche ich Dich und... Wachs."
Dann begann Rascaal zu erklären, doch als er fertig war, konnte die Gnomin nicht behaupten, daß sie beruhigt war.

***

Das Jagdfieber hatte den Vampir befallen, als er heute Nacht aus seiner verhaßten Kiste gestiegen war. Zum zweiten Mal waren die Klopfer nicht gekommen und so hatte er seinen Plan in Ruhe wieder und wieder durchgehen können, während er darauf wartete, daß der letzte Sonnenstrahl den Himmel verlassen hatte.
Gestern Nacht hatte er ein ideales Opfer gefunden. Wie stolz und überheblich dieser Vampirwächter dahergestelzt gekommen war.
Und was für ein seltsamer und widerlicher Geruch von ihm ausging.
Er hatte so etwas noch nie gerochen. Wahrscheinlich hing es mit diesen runden Dingern zusammen, an denen der Wächter andauernd herumgelutscht hatte.
Als der Vampir an einem dieser runden Dinger vorbeigekommen war, die der Wächter verloren hatte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen und hatte hineingebissen.
Danach wäre ihm der Wächter fast entwischt, weil er so sehr damit beschäftigt gewesen war, sich zu übergeben. Dieses Zeug war ein weiterer Grund, den Kerl zu vernichten. Wer so etwas freiwillig zu sich nahm, der hatte kein Recht zu existieren.
Allerdings schien sein Vorratslager davon in einem relativ großen Schuppen neben der Messingbrücke zu sein und das wiederum war hochinteressant.
Der perfekte Ort, um dem Wächter den Garaus zu machen.
Zum wiederholten Male überprüfte er das Kurzschwert mit der schwarzen Klinge und seinen prall gefüllten Kasten, während er auf sein Opfer wartete.

***

Venezia fühlte sich alles andere als wohl, als sie sich in dem an seiner Schulter befestigtem Gnomensitz dem Schuppen näherten und das Schlimmste dabei war, daß ihr die Würstchen ausgegangen waren. Verzweifelt lutschte sie an ihrem letzten Zipfel, um das Unvermeidliche vielleicht noch ein bißchen hinauszögern zu können.
Rascaal hatte ihr extra nochmal eingeschärft, sich auf keinen Fall umzudrehen, egal, was passieren sollte. Also schaute sie tapfer geradeaus und als sie an der Tür angekommen waren, warf sie mit einem kurzen Seufzer den Zipfel in den Mund und schluckte ihn ungekaut hinunter.
Die Luft im Schuppen roch so abgestanden, als wollte sie sich dagegen wehren, geatmet zu werden.
Die Staubschicht auf den meisten Regalen hätte Frauen wie Frau Willichnicht einen Schlaganfall kriegen lassen.
Zielstrebig gingen sie auf eine freistehende Kiste im hinteren Teil des Raumes zu. Links und rechts türmten sich mehrere anscheinend vergessene Stapel Truhen und Gerümpel bis zur Decke.
An sich war an der Kiste nichts besonderes, doch brauchten sie einen Vorwand, um beschäftigt auszusehen und so den Vampir aus seinem Versteck zu locken.
"Worauf wartet er so lange? Wir können nicht ewig hier herumkramen, ohne aufzufallen!" raunzte sie ihrem Begleiter zu, bekam jedoch keine Antwort.
Ein fast unhörbares Knacken drang an ihrer beider Ohren und dann mußte Venezia sich an ihrem Gnomensitz festklammern, um nicht rausgeschleudert zu werden, als ihr Begleiter herumwirbelte.
Als sie die Augen dann wieder öffnete wurde es plötzlich taghell und sie verlor ihr Sehvermögen für einen Moment.
- Mein Gott, diese Hitze..., dachte sie bei sich und fühlte, wie ihr spontan der Schweiß ausbrach.

***

DA... da kamen sie!
Wie erwartet sah der Vampir von seinem erhöhten Standort aus seinen Artgenossen mit diesem Winzling auf der Schulter, der anscheinend auch ein Wächter war, auf den Schuppen zugehen und in ihm verschwinden.
Wegen des Winzlings machte er sich keine Sorgen. Da verließ er sich ganz auf seine hypnotischen Fähigkeiten. Er würde ihm einfach befehlen, sich nicht zu rühren und ihm dann das Genick brechen.
Ein Wächter weniger... was soll's.
Irgendetwas hielt ihn jedoch davon ab, sofort hinunterzusteigen.
Ein Gefühl, ein Instinkt.
Er haßte diese Dinge. Dauernd wurde er von irgendwelchen Warnsignalen genervt, die sein übersensibler Vampir Organismus ihm übermittelte. Lag wahrscheinlich an den ganzen anderen Vampiren in der Stadt, die er als eine permanente Gefahr für sich ansah.
Einer Gefahr allerdings, gegen die er etwas tun konnte.
Was sollte schon sein? Es war Nacht, er hatte ganz deutlich das Gesicht des Vampirs wiedererkannt und der Ort war perfekt für sein Vorhaben.
Mit geschmeidigen Bewegungen glitt er aus der Nacht hinunter zum Schuppen und spähte durch das Schlüsselloch.
Da war er. Über die Kiste gebeugt war er mit dem Winzling anscheinend damit beschäftigt, seine widerlich stinkende Beute zu zählen. Der Gedanke, sich mit diesen roten Kugel in einem Raum zu befinden, verursachte einen gewissen Brechreiz in ihm, da er sich nur zu deutlich an deren Geschmack erinnerte.
Doch für die Vernichtung dieses Vampirs hätte er einiges in Kauf genommen.
In weiser Voraussicht hatte er sich in der Nacht davor noch ausgiebig mit der Tür des ansonsten fensterlosen Schuppens beschäftigt und den Scharnieren eine Portion Öl verpaßt, die sich sehen lassen konnte. So entstand kein Laut, als er eintrat und seinen Sonnenkasten hervorholte.
Was er allerdings nicht wissen konnte, war, daß sich eine vielköpfige Familie Holzwürmer im Laufe des Tages mit den Stützbalken unter den Bodendielen beschäftigt hatte. So kam es, daß mit dem Vampir der Zufall den Raum betrat, eine Gelegenheit witterte, sich in Szene zu setzen und der Vampir bei seinem nächsten Schritt ein leises Knacken auslöste.
Als er sah, wie sich der Wächter vor ihm rumdrehte, schloß er reflexartig die Augen und öffnete den Kasten.
Wo blieb das erschrockene Fiepsen, das ihn darauf hinwies, daß er den Blutsauger erwischt hatte?
Er öffnete die Augen... und konnte kaum glauben, was er sah.
Der Winzling, anscheinend ein Gnomenmädchen, war wie erwartet geblendet, rieb sich verzweifelt die Augen und wäre ein leichtes Opfer gewesen... säße sie nicht weiterhin auf der Schulter dieses vermaledeiten Wächters.
Warum lag da kein Haufen dampfender Asche?
Das Einzige, was sich aufzulösen schien, war das Gesicht seines Gegenübers... doch auf eine Art und Weise, wie er es noch nie gesehen hatte. Es tropfte. Lange Fäden einer trüben Masse streckten sich dem Boden entgegen, während der Wächter die Hände vor sein Gesicht schlug und sich... er konnte kaum glauben, was er sah... sein Gesicht abnahm.
Dann traf es ihn wie ein Schock wie der Duftspender von Schnapper:
Es war gar nicht der Wächter... es war ein Mensch. Hoch gewachsen, sehnig und mit entsetzlich freundlichen, blauen Augen.
Haß übermannte ihn. Man hatte ihn reingelegt.
"Wer bist du?" fragte er knurrend "Und wo ist dieser Vampirwächter?"
"Ich... äääh... bin Haufen-Hubert." stammelte der Leichensammler etwas mitgenommen. Außerdem hatte er trotz des Wachses einen ziemlichen Sonnenbrand im Gesicht.
"...Und der Vampirwächter wäre dann wohl ich!" sagte eine Stimme unmittelbar hinter dem Vampir.

***

Schon lange bevor die Anderen gekommen waren, hatte Rascaal sich zur Hütte begeben und sich im Dachgebälk oberhalb der Tür versteckt. Es war ihm nicht verborgen geblieben, daß, im Gegensatz zu letzter Nacht, heute die Türangeln gut geölt waren und keinen Ton von sich gaben. Das bestätigte ihn nur in seiner Meinung, daß es heute Nacht passieren würde.
Unter dem Dach hüllte er sich dann in eine mit Wurstpellen eingeschlagenen Decke, die ihn vor der Sonne schützen sollte. Rascaal war sich ziemlich, daß es etwas mit Sonne zu tun hatte, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, wo man um diese Uhrzeit Sonne herbekommen sollte. Auf der anderen Seite wäre der Täter niemals dreimal hintereinander mit einem Holzpflock nah genug an seine Opfer herangekommen und wäre gleichzeitig unbemerkt und ungeschoren davon gekommen. Außerdem war da noch die S.E.A.L.S. Streife, die von einem Lichtblitz gesprochen hatte.
Die Decke stank widerlich und er fragte sich, wie Venezia so etwas nur in den Mund nehmen konnte, doch wußte er auch, daß alles, was einmal in der Pelle war, nicht mehr wieder herauskam, es sei denn, es wurde gegessen.
Dann waren Hubert und Venezia gekommen und kurz drauf hörte Rascaal das Knacken einer einzelnen Holzdiele unter sich. Im nächsten Moment war er sehr dankbar für die robusten Pellen, denn sogar unter der Decke hatt er die Macht des Sonnenscheins, obwohl er ihn gar nicht erreichte.
Niemals hätte er das überlebt.
Vorsichtig unter der Decke hervorspähend, sah Hauptmann Ohnedurst die von ihm angefertigte Maske auf Huberts Gesicht weitgehend geschmolzen war und sich Venezia die Augen und anscheinend nichts mehr sehen konnte.
Es war an der Zeit einzugreifen.
Vorsichtig glitt er aus dem Gebälk.

***

Der Vampir wirbelte herum und bleckte die Zähne.
"Du hast mich reingelegt!" spuckte er die Worte seinem Artgenossen entgegen.
Rascaal wischte sich etwas angewidert durch sein Gesicht.
"Und du hast eine ziemlich feuchte Aussprache!"
Diese der Situation absolut unangemessene Bemerkung ließ bei dem Vampir die letzten noch intakten, mentalen Sicherungen durchbrennen.
Mit einem irren Kichern und dem Wahnsinn in den Augen, ließ er den noch offen stehenden Kasten fallen, zog sein schwarzes Kurzschwert und deutete damit hinter sich.
"Rühr mich nicht an oder ich töte den Menschen und diesen kleinen Fliegenschiß auf seiner Schulter!" drohte er und fuchtelte wild mit den Armen.
Rascaal ging langsam und mit gebührendem Abstand um seinen Artgenossen herum auf die andere Seite.
"Welche Menschen?" fragte er und deutet in den leeren Raum. Hubert und Venezia hatten sich, wie verabredet, bei seinem Erscheinen durch eine Geheimtür aus dem Staub gemacht und die Eingangstür von außen wirkungsvoll verriegelt.
Verblüfft schaute sich der Vampir um. Was ging hier vor?
Rascaal blieb stehen und schaute ihm direkt in die Augen.
"Warum? Warum tötest du deinesgleichen?"
Der Vampir schaute den Hauptmann in seiner schwarz-grünen Uniform mit dem Frosch auf dem Revers an. Seine Augen glühten vor Haß.
"Das fragst du noch?" ein weiterer Sprühregen ging auf Rascaal nieder, den dieser diesmal allerdings ignorierte. "schau mich doch an... ihr Vampire seid so ein arrogantes Pack. Ihr erschafft einen, verwandelt einen und raubt einem alles lebenswerte, stellt alles auf den Kopf ohne zu fragen, ob man es überhaupt will.
Der Vampir schloß die Augen vor Wut und ballte die freie Hand zur Faust
"...und dann laßt ihr einen mit dem neuen Schicksal allein zurück. Ihr zieht weiter, immer nur die nächste Mahlzeit im Kopf. Den nächsten Menschen, den ihr, wenn er Glück hat, vielleicht tötet oder macht ihn zu einem von Euch."
Rascaal blieb nicht unberührt. Er kannte die Probleme, die auf einen frisch erschaffenen Vampir hereinstürzten nur zu genau. Er hatte damals allerdings das Glück gehabt, dass es für ihn Leute gab, die er ins Vertrauen ziehen und um Rat fragen konnte. Er hatte seine 'Nische' in der Gesellschaft gefunden und vor allen hatte er einen stabilen Charakter besessen, als er sein Leben aushauchte. Der Vampir, der nun vor ihm stand, hatte das nicht gehabt. Zuviele neue Eindrücke und Erlebnisse waren auf ihn hereingebrochen und anscheinend war niemand da gewesen, um es ihm zu erklären, ihn zu leiten. Die Jahre hatten ihr übriges getan.
Vor ihm stand jemand, der nie ein Vampir hätte werden dürfen.
"Vielleicht kann ich dir helfen... es muß nicht so weiter gehen, weißt du?" bot Rascaal an.
Sein Gegenüber nahm die Hände runter und als er sprach, hörte der Hauptmann der Stadtwache an seinem Ton, dass alle Hoffnung verloren war.
"Ich soll mir von einem Vampir helfen lassen, einem Blutsauger, einem von denen, die mich zu diesem Schicksal verdammt haben?" hauchte er ungläubig und unheilvoll drohend "Nein, ich werde nicht eher ruhen, bis alle Vampire erledigt sind und dann werde ich mich selber richten, um diese Welt endgültig von dem Fluch der Vampire zu befreien."
Rascaal bemerkte, wie der Vampir seinen Körper anspannte.
"Und nachdem ich von diesen runden Dingern probiert habe, von denen du dich ernährst, ist es mir ein noch dringenderes Bedürfnis, dich zu vernichten, du Ausgeburt der tiefsten Kerkerdimension..."
Mit diesen Worten sprang er vor, mit dem Kurzschwert auf Rascaals Herz zielend. Selbst für einen Vampir war er schnell, sehr schnell sogar... doch Rascaal war um den Hauch eines Gedankens schneller.
Mit schemenhaften Bewegungen trat er einen Schritt zur Seite, drehte sich wie ein Balletttänzer um seine eigene Achse, holte gleichzeitig einen angespitzten Pflock aus seinem wehendem Umhang und rammte ihn aus der Bewegung heraus in den Rücken des Vampirs, durch sein schwarzes Herz.
Der Vampir erstarrte in seiner Bewegung und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Rückwand des Schuppens. Ein dünner Speichelfaden hing aus einem Mundwinkel herab, doch kein Ton entrang sich seiner Kehle.
Als das Kurzschwert mit der schwarzen Klinge leise scheppernd zu Boden viel war es auch mit dem Vampir vorbei und zurück blieb nur der typische Aschehaufen.
Nach kurzem Zögern griff Rascaal nach dem Schwert...

Eine Stunde später:
Schnaufend richtete sich Haufen-Hubert auf und stützte sich auf seine Schaufel.
"Ist das jetzt tief genug? Er wird langsam schon wieder flüssig." fragte er Rascaal, der sich, auch eine Schaufel haltend langsam aufrichtete.
"Ja, es reicht jetzt. Den Rest schaffe ich alleine." sagte Rascaal und schaute Huberts Sonnenbrand an "geh in die F.R.O.G.-Abteilung und frag dort nach Lilly. Sag ihr, dass ich dich geschickt habe und dass sie dir etwas gutes gegen deinen Sonnenbrand geben soll."
Hubert nickte, sichtlich froh, dass alles vorbei war.
"Und Hubert"? Danke für alles. Auch dir Veni, vielen Dank!" sagte er zu der Gnomin, deren Sehprobleme zum Glück schon wieder der Vergangenheit angehörten.
Sie war dabei, gerade auf Huberts Schulter zu klettern.
"Nimmst du mich mit, Hubi? Ich habe noch etwas wichtiges zu erledigen, bevor der Morgen anbricht." fragte sie hoffnungsvoll und der Leichensammler nickte ihr freundlich zu.

Als Rascaal allein war, versenkte er den nun harmlosen Kasten des Vampirs, in dem die Hälfte seiner Asche ruhte in dem Loch, das Hubert und er in den Ankh gegraben hatten. Anschließend, holte er das schwarze Schwert hervor, zerbrach es in mehrere Teile, warf es hinterher und füllte das Loch dann wieder mit Ankhschlamm.
Kurz darauf sah man Hauptmann Ohnedurst auf einem Hügel knapp außerhalb der Stadtmauern sitzen und auf den anbrechenden Tag warten, während er sich mit Sonnenschutzcreme einschmierte. Während des Sonnenaufgangs dachte Rascaal nach, dachte nach über Verantwortung, über die Verantwortung des Erschaffens und wie groß sie eigentlich war.
Jemand hatte vor vielen Jahren einmal zu ihm gesagt: Verantwortung ist ein äußerst scharfes Schwert!
Doch erst nach der heutigen Nacht war ihm klar geworden wie scharf.
Als die Sonne den Horizont verlassen hatte, stand er auf und warf die andere Hälfte der Asche in den aufkommenden Wind.


EPILOG:
Der Tag war gearde angebrochen, da schlurfte Reggie sichtlich mitgenommen von den Ereignissen der letzten Nacht aus der Röhre, um die erste Post des Tages an die zuständigen Wächter auszuteilen.
Hier unten im Wachsaal herrschte noch eine selige Ruhe, da es noch vor 07:10 Uhr und von Frau Willichnicht weit und breit noch nicht zu sehen war... und doch war etwas anders.
Reggie spürte es ganz deutlich, obwohl er nicht sagen konnte, was es war.
Die diensthabenden Wächter am Tresen waren übermäßig freundlich zu ihm und einer, obwohl männlich, machte sogar einen Knicks, als er ihn sah, was die anderem zu schallendem Gelächter veranlaßte.
Was sollte das?
Er warf die Post auf den Tresen und hatte sich gerade umgedreht, um seine Runde fortzusetzen, als ihm einer der Typen auch noch hinterherpfiff.
Das war zuviel.
So schnell, wie es sein Zustand eben zuließ, drehte er sich um, kroch in der Hose des einen Wächters hoch, kam aus seinem Hemd wieder zum Vorschein, sprang von da aus auf den Tresen, packte ihn am Vollbart und zog ihn zu sich runter.
"Hey, Mann, hast du ein Problem?" knurrte er.
"Hrmmpff... nein, nein... aber du..." nur mühsam konnte der Wächter trotz des verstärkten Zugs an seiner Bartpracht ein Kichern verkneifen und zeigte an die gegenüberliegende Wand, an der auffällig umrahmt ein Zettel hing.
Einer dunklen Vorahnung folgend hüpfte Reggie vom Tresen und ging langsam auf die Wand zu.

Ein Stockwerk höher trat Venezia einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk ausgiebig. Doch, man konnte sehen, daß sie das Zeichentalent ihrer Mutter geerbt hatte. Ein gutes Dutzend dieser Zettel hingen nun im Wachhaus und zeigten, genau wie bei denen von Reggie ein großes Herz. In das Herz war, genau wie bei Reggies Zetteln, der Dämon selber abgebildet, allerdings viel detaillierter und lebensechter.
Doch im Gegensatz zu seinen Zetteln hielt Reggie auf DIESEM Händchen mit seinen sehr lebensnah mit Tätowierung und weißen Stirnband gezeichneten Kollegen, dem Meldedämonen Stuff, der ihn mit seinen Muskelbergen noch um ein vielfaches übertraf.
"So, mein Süßer!" sagte sie liebevoll, wie zu einem Würstchen "dann wollen wir doch mal sehen, ob DU so einen Mordsspaß auch so toll findest... und dann können wir uns vielleicht anderen Dingen zuwenden."
Als die Gnomin den Entsetzensschrei unter ihren Füßen hörte und spürte, fing sie bis an die Ohren an zu grinsen.
JETZT waren sie quitt.

ENDE



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