Bisher hat keiner bewertet.
Als Dir zum dritten Mal auf der Straße ein "Echt-Aus-Quirm"-Zeitdämon angeboten wird, kommt Dir der Gedanke, dass die Schmugglergilde ihre Quoten überzieht. Überprüfe das.
Dafür vergebene Note: 12
[Fehler beim Parsen der Fußnoten!]
"Mann, ist das ein Sauwetter!"
Die Gnomenklappe der DOG-Zentrale schlägt hinter mir zu, und der Nieselregen, der ganz Ankh-Morpork seit Tagen in seinen Klauen hielt, ist erst einmal ausgesperrt.
"Wem sagst du das", murmelt Wiewunderland Jim, der stellvertretende Abteilungsleiter (Daemon hat sich angesichts des schlechten Wetters zwei Wochen Urlaub genommen - zum Glück ist mein Urlaub auch bald fällig), und gießt mir einen Fingerhut voll Kaffee ein.
"Danke." Die Wärme der Kaffeekanne, gegen die ich mich lehne, verdrängt langsam die klirrende Kälte, die mich draußen angefallen hat. "Ach, Chef, übrigens..."
"Ja, Harry?"
"Auf dem Weg hierher ist mir aufgefallen, dass anscheinend jeder Händler hier in der Stadt einen Haufen quirmscher Zeitdämonen hat, die er zu Schleuderpreisen an den Mann bringen will. Schnapper macht sogar schon ein Sonderangebot: 'Beim Kauf von fünf Würstchens ein Zeitdämon gratis'. Da ist doch was faul dran, oder?"
"*Quirmsche* Zeitdämonen? Die Viecher kosten mehr, als ich in einem Monat verdiene! Ist die Händlergilde übergeschnappt? Wenn der Markt so überflutet wird, verdienen sie doch auch nichts mehr."
"Oder die Schmugglergilde steckt dahinter. Schau doch mal im Quotenbuch nach, ja?"
"Alles klar." Jim langt unter seinen Schreibtisch und holt ein großes, abgegriffenes Buch hervor.
"Hm, warte... November, November... ah ja. Assassinen... vier Inhumierungen, Bäcker... 15.000 Brötchen, Diebe... fünf Dollar pro Bürger... Ah, hier. Händler. Moment... Importe... Quirm: 75 Zeitdämonen. Nicht mehr als letzten Monat."
"Und die Schmuggler?"
"Schmuggler... Schmuggler... Quirm: 5 Zeitdämonen. Auch nicht genug."
"Das heißt, welche Gilde auch dafür zuständig ist - sie überzieht ihre Quoten, ja?"
"Ja." Jim wirft einen Blick auf die verregneten Straßen. "Also dann - kümmer dich mal darum, ja?"
"Ich?"
"Na klar. Dir ist es schließlich auch aufgefallen."
Also dann... die Arbeit ruft. Noch einen letzten Schluck aus meinem Fingerhut und raus in die Kälte...
So, ich bin klatschnass[*], aber ich bin am Ziel: Am Hiergibt'salles-Platz. Schnapper muss ja wohl wissen, wo er die Dämonen her hat.
Vom Regen vollkommen unbeeindruckt steht er an seinem Stammplatz und bietet seine Ware an.
"Würstchen-im-Brötchen! Heiße Würstchen-im-Brötchen! Heute im Sonderangebot! Kauft fünf Würstchen-im-Brötchen und ihr bekommt einen quirmschen Zeitdämon dazu!"
Die Tatsache, dass wegen des Regens weit und breit kein Mensch zu sehen ist, stört Schnapper nicht weiter - man erzählt sich, dass er auch dann hier stehen und Würstchen verkauften würde, wenn hundert Meter weiter ein tentakelbewehrtes Monster Leute fressen oder eine Rieseneidechse Häuser zerstampfen würde.
Hinter Schnappers Stand steht ein großer Stapel Kisten mit Luftlöchern. Ist ja wohl klar, was da drin sein wird... also, schnell unter Schnappers Tischchen durch (der Regen sorgt dafür, dass er mich nicht sieht).
So, da wären wir. Also, mal eine Kiste aufmachen... Eine kleine Gestalt, etwa halb so groß wie ich, sitzt darin. Sie trägt einen gepflegten Anzug mit einer kleinen Fliege. Als ich die Kiste öffne, sieht sie zu mir hoch.
"Hallo!" flüstere ich.
"Grüezi!" erwidert die Gestalt mit dünner Stimme.
"Äh... du bist aus Quirm, ja?"
"So, mechkt man das?" fragt der Dämon in einem seltsamen Singsang.
"Ja, irgendwie schon. Kannst du mir sagen, wie spät es ist?"
"Es ist Viechzehn Ührli, neun Minuetli und viech Komma fuenf zwei Sekuendli", antwortet der Dämon prompt.
Nur quirmsche Zeitdämonen sind so genau.
"Danke."
"Niechts zu danken."
"Hm... du kannst mir nicht zufällig sagen, wie du hierher gekommen bist, oder?"
Der Dämon schweigt, und eigentlich habe ich auch nichts anderes erwartet: Kreaturen dieser Art werden für eine bestimmte Aufgabe beschworen und haben ansonsten kaum Interesse an der Welt.
Insgesamt befinden sich hier etwa zwanzig von diesen Kisten. In allen sitzen vollkommen identisch aussehende Dämonen. Und alle haben den Aufdruck
M. Frosch
Dämonengroßhandel
Breite Gasse 30
So, da wären wir. Der Dämonengroßhandel. Wenn man die Adresse nicht wüsste, wäre auch die Aufschrift "Dämonengroßhandel", die in großen weißen Buchstaben am Gebäude prangt, ein Hinweis.
Es ist ein kleines Lagerhaus unweit des Hafens. Der Haupteingang ist zu, also hinten nachsehen... Na bitte: Ein Lieferanteneingang. Und die Tür steht einen Spalt offen.
Drinnen läuft eine hagere Gestalt zwischen Kistenstapeln auf und ab, und macht sich Notizen.
Schnell durch die Tür und hinter einen Kistenstapel. Na bitte - er hat mich nicht gesehen.
"Hundertsiebenundvierzig... hundertachtundvierzig..." murmelt der Mann, der offensichtlich die Kisten zählt. "Das heißt, wir müssen die Preise nochmal senken, und zwar auf..." Er krakelt ein bisschen auf seinem Notizblock herum und seufzt.
Also - soll ich ihn ansprechen, oder soll ich weiter observieren? Ich denke...
Ein Geräusch: Eine Lieferkutsche fährt draußen vor.
"Hallo, Herr Frosch!" Die Stimme muss die vom Kutscher sein. "Ich bringe die nächste Lieferung."
Der Hagere geht zum Eingang und schaut heraus - das ist also M. Frosch. "Schon? Wir haben die alte noch gar nicht ganz verkauft."
"Das ist nicht mein Problem. Also zu den anderen, ja?"
Frosch seufzt. "Ja."
Unglücklich sieht er zu, wie der Lieferant mit einem Rollbrett voller Kisten durch den Eingang kommt und die Kisten zu den anderen stellt.
So, beide schauen in eine andere Richtung - also schnell raus und zum Lieferwagen. Ein Stapel von Kartons steht noch drin - mit denen, die der Lieferant schon hineingebracht hat, dürften es etwa 50 sein.
Schnell rauf auf den Wagen. Gibt es hier eine Versteckmöglichkeit? Ja, hinten liegt eine alte Decke. Sie richt etwas nach Pferd, aber sie ist warm. Sehr gut. Etwas Wärme tut mir jetzt ganz...
Huch! Was ist los?
Ah, eine Fliege hatte sich auf meinen Kopf gesetzt.
Was? Habe ich geschlafen? Mist...
Wie war das noch: "Lektion IV für Observierer: Such dir nie ein zu bequemes Versteck aus". Jetzt weiß ich, wieso...
Dies scheint ein Stall zu sein. Die Pferde, die die Kutsche gezogen haben, stehen in Verschlägen neben dem Wagen.
Wie lange habe ich geschlafen? Meinem Gefühl nach nicht sehr lange, das ist schonmal ein Trost.
Also, erstmal vom Wagen runter.
Gibt es einen Ausgang? Ja - die Tür ist zum Glück eine von der primitiven Sorte. Durch den Spalt kann ich ziemlich problemlos durchkriechen.
Ächz... na gut, *fast* problemlos.
Na bitte, hat doch geklappt. Aber wo bin ich?
Ein großes, aber trotzdem schlichtes Gebäude. Es kommt mir bekannt vor...
Natürlich! Das Hauptquartier der Fälschergilde. Als es um das Falschgeld ging, waren wir schonmal hier. Damals war die Gilde zwar unschuldig gewesen, aber wir hatten dem Gildenoberhaupt aus der Klemme geholfen, indem wir die verschwundene _Mona Ogg_ wiederbeschafft hatten.
Also, wenn die Fälschergilde hinter dem ganzen steckt... dann hat sie es geschafft, täuschend echte quirmsche Zeitdämonen herzustellen?
Wie war das noch mit dem Gildengesetz... das hat Daemon uns doch zur Genüge eingebläut. Die Fälschergilde... sie darf im Prinzip alles fälschen, aber sie ist verpflichtet, sämtliche Gegenstände, die sie fälscht, vorher beim Patrizier genehmigen zu lassen und sich eine entsprechende Quote dafür einzuholen.
Im Quotenbuch stand auf jeden Fall bei der Fälschergilde nichts über Zeitdämonen - und damit ist dies unlizensierte Fälschung.
Okay, also mal sehen, ob ich Beweise finden kann. Verdammt, wo sind die Mauselöcher und halboffenen Fenster, wenn man sie braucht? Hier muss doch irgendwo... Na bitte, ein offenes Kellerfenster. Wusste ich's doch.
Hm, ein Korridor - mit ziemlich vielen Räumen. Der hier ist zu... der auch... ah, diese Tür steht offen.
Was machen die denn da? Auf jeden Fall nichts mit Dämonen - so kleine Puppen... Ach ja, das sind diese neumodischen Wackel-Imp-y-Cellyns. Die hat Herbert Hördochmal für seine Eselskarren erfunden. Egal, ich suche Dämonen...
Nächste Tür. Na, das sieht doch schon besser aus!
Die ganze Wand des Raumes ist mit Käfigen zugestellt. Darin sitzen Uhrdämonen - keine quirmschen, sondern die ganz normale Ankh-Morpork-Version.
Eine Frau geht gerade auf die Käfige zu und nimmt einen Dämon raus. Dann geht sie mit ihm zu einem Waschbecken, zieht ihm den Lendenschurz aus und schrubbt ihn ab...
Einen Tisch weiter wird gerade ein Dämon in einen Anzug gesteckt und frisiert.
Bingo! Das sieht nach einem Volltreffer aus. An noch einem anderen Tisch diskutieren zwei Fälscher mit einem der Dämonen...
"Also, wie spät ist es?"
"Halb sieben, Boss."
Der Fälscher holt mit einem Rohstock aus und schlägt den Dämon.
"Wie war das?"
"Äh... achtzehn Uhr dreißig?"
Wieder ein Schlag.
"Nicht gut genug! Genauer!"
"Aber... ich weiß es nicht genauer!"
"Das haben wir doch schon x-mal durchgekaut, oder nicht? Wenn du es nicht genauer weißt, denkst du dir etwas aus!"
Noch ein Schlag mit dem Rohrstock. "Wie spät ist es?"
"Achtzehn Uhr... n... n... neunundzwanzig?"
Ein Schlag. "Und die Sekunden? Auf Hundertstel genau will ich es hören!"
"Aber... wäre das nicht gelogen?"
"AUF" (Schlag) "HUNDERTSTEL" (Schlag) "GENAU!"
Der Dämon schaut ziemlich betreten und verletzt drein. "Achtzehn Uhr neunundzwanzig und... und..."
"Na?"
"vierzehn Komma neun acht Sekunden?"
"Na bitte, geht doch! Hier, der ist für dich." Der Fälscher gibt dem Dämon ein Bonbon und steckt ihn wieder in seinen Käfig.
Wenn Dämonen Rechte hätten, würden diese Leute die bestimmt verletzen. Aber auf jeden Fall ist es unlizensierte Fälschung. Nanu, was ist das?
Ein anderer der Fälscher nimmt einen der Dämonen und geht mit ihm in einen abgetrennten Teil des Raumes.
Hm, alle sind beschäftigt. Also hinterher...
In diesem Bereich ist eine Leinwand aufgebaut, und mehrere Dämonen sitzen, an kleine Stühlchen gefesselt, davor.
Auf der Leinwand läuft ein Klicker ab, der in Ankh-Morpork vor einiger Zeit kurz populär war: Er handelt von einem kleinen Mädchen, das in Quirm lebt, und dem alten, einsiedlerischen Alm-Yeti.
Ein Mann mit weißem Bart steht neben der Leinwand und erzählt in melodischem Singsang die Geschichte:
"Und das Cheidi ging chinauf auf das Almli, wo dech Alm-Yeti lebte. Es brachte ein Körbli voll..."
Dem Gesichtsausdruck der Dämonen nach müssen sie diese Tortur schon seit Tagen über sich ergehen lassen.
"'Grüezi', sagte das Cheidi..."
So, ich habe genug gesehen. Was die hier machen, ist ja unmenschlich! Das reicht an Beweisen, um eine Hausdurchsuchung zu veranlassen.
"Offensichtlich haben die Fälscher Herrn Frosch übers Ohr gehauen. Er hatte das Kleingedruckte nicht gelesen, so dass sie ihm statt einmal fünfzig Zeitdämonen täglich fünfzig Stück liefern konnten. Also war er gezwungen, sie zu Schleuderpreisen zu verkaufen um nicht auf ihnen sitzen zu bleiben. Die Fälschergilde hat als Strafe einen saftigen Quotenabzug für den nächsten Monat bekommen und die Dämonen sind alle wieder abbeschworen worden. Ende gut, alles gut."
Von wegen! Während Jim sich zufrieden zurücklehnt, schüttelt mich ein weiterer Niesanfall. Ich bin froh, dass ich jetzt bald Urlaub habe und am Strand liegen und mich auskurieren kann...
[*] Kaum ein Ankh-Morporkianer weiß, dass der Ausdruck "klatschnass" seinen Ursprung tatsächlich in der Regenzeit hat, die einmal im Jahr über Klatsch hereinbricht.
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.