Hat sich jemand die Nummer des Eselkarrens notiert?

Bisher hat keiner bewertet.

von Oberfeldwebel Atera (SEALS)
Online seit 03. 07. 2001
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Der "kühne Weg" ist ein beliebter Platz für illegale Eselskarrenrennen.
Jemand sollte was tun

Dafür vergebene Note: 14

Atera fütterte gerade ihre Lieblinge in ihrem neuen Dachgarten mit frischen Fliegen. Sie war recht froh über ihre Dachwohnung in der Quietschbauchgasse, so hatte sie noch mehr Platz für ihre Frösche.
„Frau Oberföldweböl? Sind Sie da oben?“
Atera verdrehte genervt die Augen, nur ihre neue Vermieterin machte ihr Probleme.
„Ja, was gibt es denn?“
Eine kleine, hutzlige Alte drückte die schwere Tür zum Dach auf und zwängte sich durch den Spalt. Ihre Augen verengten sich, als sie die herumhüpfenden Frösche sah.
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Frösche hier nicht erlaubt sind, Frau Oberföldweböl.“, ermahnte sie die Wächterin. Atera nahm ihren Lieblingsfrosch Sir Henry aus dem Gehege, tätschelte ihm das Köpfchen und stopfte ihn in ihre Tasche. Er wuchs immer mehr in die Breite, vielleicht sollte sie sich um einen kleinen Handkarren bemühen. Ob Kommandeur Rince das erlauben würde?
„Frau Oberföldweböl!“ Die Greisin brachte sich mit ihrem penetranten Akzent wieder lautstark in Erinnerung.
„Ich befolge doch nur König Ludwigs Anweisungen.“
„König Ludwig der Baum?“
„Ja, ich komme der Aufforderung Frösche zu züchten ordnungsgemäß nach.“, erwiderte Atera. Die alte Frau schien verwirrt, sie starrte abwechselnd auf die Frösche und auf Atera.
„Öhm, achso. Nun gut.“
„Sie sehen also, es hat alles seine Ordnung.“ Und mit diesen Worten drängte sich Atera an der Frau vorbei und hastete schnell die knarzende Treppe hinab, bevor die Vermieterin sie noch zurückhalten konnte.
Atera war gerade auf die Gasse hinausgetreten, als ein Eselskarren mit beträchtlichem Tempo an ihr vorbeiraste, so schnell, dass Atera sich nur in den Hauseingang pressen konnte, um nicht überfahren zu werden.
„So ein Rüpel!“, schimpfte sie und drehte mit geballter Faust (nicht um vorher zu schauen, ob sie gut genug befestigt war), doch der Eselkarrenlenker war schon in der nächsten Straße verschwunden. Atera hetzte Richtung Pseudopolisplatz, aber der rücksichtslose Fahrer war nicht mehr zu sehen. Wütend stapfte sie in das Wachhaus und ließ sich noch außer Atem auf einen Stuhl nieder.
„Diese nichtsnutzigen, gemeinen, frechen, taktlosen, unmenschlichen, niederträchtigen-.“
„Äh, Atera, alles in Ordnung?“ Kommandeur Rince kam aus seinen Büro und erblickte eine wütende Wächterin.
„Ach, diese Eselskarrenlenker. Unverantwortlich. Die Zustände in Ankh-Morpork werden immer schlimmer.“, jammerte sie. Der Kommandeur sah plötzlich sehr nachdenklich aus, dann endlich befahl er Atera aufzustehen, kramte ein Abzeichen aus seiner Tasche und heftete es kurzerhand Atera an die Uniform.
„Ähm, was ist das?“, fragte sie noch zögernd.
„Oberfeldwebel Atera, ich ernenne dich hiermit zur Verkehrsexpertin in der Abteilung S.E.A.L.S.. In Zukunft wirst du solche Karrenlenker aufspüren, stoppen, kontrollieren, Strafen verpassen, Ermahnungen erteilen, kurz alles, was in den Aufgabenbereich einer Verkehrsexpertin fällt.“, erklärte Rince und klopfte ihr aufmunternd, aber nicht zu fest, auf die Schulter.
„Ich fühle mich geehrt, aber brauche ich nicht eine bestimmte Ausrüstung dafür?“
„Oh ja, zunächst, einen Moment.“ Der Kommandeur kramte in einer Kiste, die Atera bisher einwandfrei als Kiste für die Müllhalde gehalten hatte, aber daraus förderte Rince einen Notizblock, einen Stift und merkwürdige Klemmen zutage.
„So hier, und ach ja, das hätte ich fast vergessen. Das inoffizielle Lehrbuch für Verkehrsexperten und solche, die es werden wollen. Mit der Beilage: Ankh-Morpork und seine Lizenzen.“ Er drückte ihr alles in die Hand und Atera betrachtete verwundernd die Ausrüstung.
„Wofür sind denn die Klemmen?“
„Wegfahrklemmen.“, erklärte der Kommandeur knapp. „Wenn du einen Falschparker entdeckst, hinderst du ihn so damit wegzufahren.“
„Aber sollte er nicht wegfahren, wenn er irgendwo falsch steht?“
„Ähm ja, aber dann bezahlt er ja nicht unsere Strafe.“
Atera nickte und hoffte Rince würde glauben, sie hätte vollkommen verstanden, was sie nun machen sollte.
„Und ich hab auch gleich einen Auftrag für dich. Es wird gemunkelt, dass die berüchtigten Eselkarrenrennen im Kühnen Weg wieder stattfinden. Das muss natürlich sofort unterbunden werden."
„Verstehe, ich werde mich darum kümmern.“ Atera versuchte zackig zu salutieren und machte sich gleich auf den Weg zur genannten Strasse. Sie war noch etwas entfernt davon, als ein junger Mann auf sie zukam, er schwenkte einige Flugblätter und wollte ihr eines anbieten, als er plötzlich innehielt und versuchte davonzulaufen. Wie gesagt versuchte, denn der Mann kam nicht weit. Das Vorankommen ist sehr schwer, wenn man in der Flugbahn eines massiven Fußes mit beträchtlichem Tempo steht.
„Stehen bleiben im Namen der Wache!“, brüllte Atera und übersah mal, dass der Mann bewusstlos am Boden lag. „Öhm, aufwachen im Namen der Wache.“, versuchte sie es etwas leiser. Sie rüttelte an dem Mann, als dies aber nichts brachte, klaubte sie eines der Flugblätter auf.
Kohmet uhnd sehet das groose Eselkarrrenrännen! Sätzt auv den Sigär!
Atera betrachtete das Blatt eingehend, trotz vieler Rechtschreibfehler war es doch ein eindeutiges Indiz. Die Wächterin steuerte zielstrebig auf den Kühnen Weg zu. Von weitem hörte sie schon ein Poltern und Krachen. Wenn da kein Rennen stattfindet, dachte Atera und stürmte in den Kühnen Weg. Ihr Lippen formten schon das typische „Aha!“, das jedes verdächtige Subjekt zusammenzucken ließ. Doch als sie schon den Zeigefinger drohend auf die niederträchtigen Eselkarrenlenken wollte, sahen ihre Augen... nichts. Die Straße war leer, irgendwo am Ende wurden schnell die Fensterläden geschlossen, ein kleines Kind flüchtete sich in eines der Häuser.
„Ich weiß, was hier eben stattgefunden hat.“, rief sie in die leere Strasse hinein. Sir Henry quakte zustimmend und machte es sich in ihrer Tasche bequem. Atera schritt langsam die Strasse entlang, ihre Augen durchsuchten jeden Winkel, nichts rührte sich und es lag beinahe eine beängstigende Stille im Kühnen Weg. Dann hörte man plötzlich ein leises unterschwelliges Donnern, das immer lauter wurde. Ateras Zähne begannen zu klappern. In solchen Momenten versagt das Gebiss natürlich, dachte sie noch, als sie plötzlich am Ende der Strasse eine Staubwolke ausmachte. Aus dem Staub schälte sich der wage Umriss eines Eselkarrens. Eines Eselkarrens, der mit beträchtlichem Tempo auf sie zuhielt. Der Fahrer brüllte etwas, es ging in dem Poltern der Wagenräder unter. Atera versuchte zu überlegen, was nicht sehr leicht war, wenn man einen Eselkarren auf sich zurasen sieht.
„Halt im Namen der Wache!“, probierte sie es verzweifelt, dieser Satz kam ihr immer mehr wie ein Zauberspruch vor. Er funktionierte nie.
Der Karren kam beträchtlich näher, als Atera plötzlich etwas einfiel. Sie holte aus ihrem Nähpaket die letzte Ration Unheimliches Nähgarn. Dieses Nähgarn war das stärkste was sie kannte und es war mit Oktarin versetzt, so dass es die Körperteile mit purer Willenskraft zusammen hielt. Es war etwas magisches daran und Atera widerstrebte es Magie in Verbindung mit ihrem Körper zu bringen. Aber für solche Notsituationen war es bestens geeignet. Blitzschnell klemmte sie das Nähgarn zwischen die Spalte zugeschlagener Fensterladen und stellte sich dann auf die andere Straßenseite. Das Nähgarn straffte sich und der Eselkarren kam eingehüllt in aufgewirbelten Dreck und Staub angewälzt. Atera drückte sich an die Mauer eines Hauses, als der Karren herankam.
ZACK! Mit einem Ruck verfing sich der Eselkarren im Nähgarn, der Fahrer kippte vornüber und der Esel blökte entsetzt auf. Ein dicker kleiner Mann mit einem riesigen Bart im Gesicht, der aussah, als ob sich eine fette Ratte dort festgekrallt hatte, plumpste vor ihr zu Füßen.
„Du bist verhaftet, du hast das Recht: Aargh, Aaargh, ich gebe auf, zu rufen oder Ich bin unschuldig, zu schreien. Öhm, hab ich was vergessen?“
Der dicke Mann krabbelte aus dem Dreck und klopfte seine Kleidung ab, nicht das es etwas gebracht hätte.
„Gibst du zu, dass du mich mutmaßlich überfahren wolltest?“, fragte Atera. Der Mann brummelte etwas und verschränkte seine kurzen Arme.
„Ja?“
„Grmmbl, ja, na schön. Du hast alles verdorben.“, murmelte er in seinen Bart hinein.
„Spricht man so mit einem Oberfeldwebel?“ Atera schüttelte tadelnd den Kopf.
„Ich hätte gewonnen, aber die anderen hatten ja nicht genug Mumm, als wir vom Kommen eines Wächters hörten.“
„Tja, das wars dann wohl, wir reden in der Wache weiter.“
„Das ganze Geld hätte mir gehört.“, jammerte der Eselkarrenlenker und trat missmutig gegen einen kleinen Stein.
„Illegales Eselkarrenrennen, Glücksspiel, versuchte Körperverletzung, wahrscheinlich noch nicht einmal eine Lizenz für den Karren. Da kommt einiges zusammen, Freundchen.“
„Ich bin nicht dein Freundchen.“, gab der Mann ärgerlich zurück.
„Na schön, wie heißen wir denn, hm?“
„Sag ich nicht.“
„Oh, das gibt eine saftige Strafe, auch noch die Aussage verweigern, wie?“ Atera zückte ihren Notizblock und notierte sich dies gewissenhaft. „Als Verkehrsexpertin der S.E.A.L.S. muss ich sagen, so ein unverschämtes Benehmen habe ich lange nicht mehr...“
„Aber ich hab doch meinen Namen gesagt.“, widersprach der dicke Mann und hüpfte erregt vor ihr her.
„So? Dann hab ich das wohl überhört. Dein Name, bitte.“
„Sagichnicht.“
„Ja, das hatten wir schon mal. Noch seine Witze auf meine Kosten machen! Du kannst dich auf etwas gefasst machen!“ Atera schleifte den Mann kurzerhand Richtung Wache.
„Aber-.“

Kommandeur Rince sah gerade aus dem Fenster auf den Pseudopolisplatz und genoss seine wohlverdiente Pause, als sich ihm ein merkwürdiges Bild bot. Ein bekannter Oberfeldwebel schleifte hinter sich einen kleinen dicken Mann her, der dauernd mit vollem Halse „Sagichnicht“ brüllte. Immer wieder riss dem Oberfeldwebel der Arm ab, an dem sie den Mann gepackt hatte, so dass schließlich ein Schieben und Zerren daraus wurde. Der Mann stemmte seine Füße dagegen, jammerte, beteuerte seine Unschuld und es hatte sich schon eine kleine Traube aus Menschen versammelt, die dem Spektakel belustigt zusahen. Endlich hatten sie das Wachhaus erreicht und eine vor Anstrengung schnaufende, aber glücklich dreinschauende Atera salutierte vor dem Kommandeur.
„Ihre neue Verkehrsexpertin meldet sich von ihrem, wohlgemerkt äußerst gefahrvollem, Einsatz zurück. Ich hab einen gemeinen Eselkarrenlenker festgenommen und es werden noch weitere folgen, das verspreche ich, denn wo immer ein Unrecht in Hinblick auf Eselkarren stattfindet werde ich blablabla und scheue weder Kosten noch Mühe blablablabla, und wenn einmal ein hilfloser, armer Bürger jammert „Hat sich jemand die Nummer des Eselkarrens notiert?“ so bin ich zur Stelle und kann sagen „Ja, hier ist sie.“ Eselkarrenlenker, ihr habt einen neuen Gegner in den Straßen von Ankh-Morpork!“
Atera reckte die Faust gen Himmel, Beifall erklang, die Menschenmassen jubelten, sogar Herr Sagichnicht war mitgerissen von dieser Ansprache. Nur Kommandeur Rince stand noch immer etwas verdutzt vor dem Wachhaus.
Er hatte Eselkarrenlenker nie so als Feinde der Menschheit empfunden. Wahrscheinlich kam es auch auf den Blickwinkel an.
Vielleicht hatte er aber einfach nur zu viel getrunken.




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