Euch erreichen Berichte über einen riesigen Auftrag der Assassinen.
Woher kommt das Geld? Und wer ist der Klient?
Dafür vergebene Note: 15
Das Ziffernblatt einer großen Uhr wird sichtbar, langsam fährt die Kamera davon fort, zeigt einen Turm vor stockschwarzer Nacht. Die Zeiger springen mit einem Ruck auf 0:27 Uhr. Regentropfen flirren vor dem Auge des Betrachters, am unteren Bildschirmrand wird eine Zeitangabe mit Tag und Uhrzeit eingeblendet. Die Kamera schwenkt schnell nach unten, rast den Turm hinunter und eine dunkle Straße entlang.***Regen durchweichte den Schlamm der dunklen Strasse, Niesel durchdrang jeden Stoff, machte Finger und Zehen klamm. Tropfen fielen von Fensterbalken, Türrahmen, Bäumen, bildeten Pfützen, welche die Straßen der Stadt bedeckten.
Dreck spritzte auf, als Oberstleutnant Daemon durch die Filigranstraße rannte und ehemals blankpolierte Lederstiefel in den matschigen Belag trieb. Seine Paradeuniform war zerrissen, lose Fetzen verschiedener Bänder und Schlaufen klebten traurig durchnässt an ihr. Irgendwo zwischen seinem jetzigen Aufenthaltsort und dem Patrizierpalast lagen zwei abgerissene Schulterklappen. Eine äußerst fingerfertige Näherin hatte sie in gewissenhafter, stundenlanger Handarbeit mit feinem Goldfaden aus Sto Lat bestickt. In ein paar Tagen würden sie - die Klappen - von den Fuhrwerken der Stadt tief in den Schlamm getrampelt worden sein.
Daemon taumelte und blieb schwer atmend stehen. Japsend schaute er sich durch den Regenschleier in der Nacht um. Keuchend wischte er sich die tropfenschweren Haare aus dem regenüberströmten Gesicht und kniff die Augen zusammen. Zwei minimale Bewegungen waren ein gutes Stück die Straße hinunter zu sehen. Der Wächter verzog das Gesicht und spurtete mühsam los. Er schlidderte und trampelte vorwärts, die stete Gefahr eines Sturzes in kalte Pfützen missachtend. Einige kleine Stoffflicken in Gold, Silber und Bronze fielen unbemerkt hinter ihm zu Boden.
Wollen die bis zu den Schatten durchrennen?, dachte Daemon, als er sah, dass die beiden von ihm Verfolgten noch immer weiter hetzten. Er hätte diesen Entschluss der beiden verstanden.
Ihr habt Euch ja auch ganz schön was geleistet. Der Oberstleutnant stürmte weiter durch die nasse und rutschige Nacht, Regentropfen nahmen ihm die Sicht, dann sah er die Beiden vor sich nach links abbiegen.
Das habt ihr euch wohl so gedacht, wie?, der Wächter schlidderte nach links auf die Kurze Straße, strauchelte im glitschigen Schlamm, fing sich mit der Hand im Matsch ab, rappelte sich stöhnend auf und stolperte weiter. Zurück blieben ein paar bunte Wimpel von der Brust der durchweichten Uniform Daemon's.
Jetzt habe ich euch., er humpelte die Straße hoch und konnte die beiden Flüchtenden direkt vor sich sehen.
Es gibt immer noch einen kürzeren Weg., lächelte der Wächter finster in sich hinein, wobei ihm nicht auffiel, dass die goldene Spange sich von seinem Anzug löste und zu Boden fiel.
"Halt!", brüllte er durch die Nacht. Echos hallten von den Häusern wieder, verloren sich im Trommeln der Myriaden Regentropfen. Die beiden dunklen Gestalten blieben stehen und wandten sich zu ihm um. Eine vollkommen verdreckte Person stand vor ihnen, Wasser floss an ihr herab, Schlamm klebte an ihrer gesamten linken Körperseite, Blut an der rechten, der Kopf war in jener unheilverheißenden Weise gesenkt, die geisteskranken Mördern zu eigen ist, die zerfetzte Uniform hatte allen Schmuck und Auszeichnungen verloren. Gerade als die Gestalt keuchend und schwankend vor ihnen stand, fiel eine graue Kordel von ihrer Schulter.
"Stadtwache von Ankh-Morpork.", krächzte sie ihnen entgegen und hielt ihnen eine verkrustete, rostbedeckte Marke entgegen...
Oh Mist!Als Daemon mit dem Gesicht im Schlamm der Kurzen Straße landete - Als Dreck und Wasser neben seinem Körper aufspritzten - Als Regentropfen beim Aufprall auf seine Haut wegsprengten - als er das Bewusstsein verlor und es schwarz wurde um den Schmerz des Armbrustbolzens - Als er reglos allein in der kalten Regennacht Ankh-Morpork's lag, fragte er sich kurz, wie er nur in diese Situation geraten war.
***Das Bild wird ausgeblendet, ein einzelner, lichtreflektierender Tropfen erscheint, wächst langsam an einem Holzbalken, darunter wird ein Datum eingeblendet [1]. Der Tropfen fällt, platscht in eine kleine, dunkle Pfütze in einer abenddunklen Straße und erzeugt winzige, konzentrische Kreise auf deren Oberfläche. Harry erscheint und hüpft schnell über die Pfütze hinweg.***"Na, Kleiner? Können wir dir was Gutes tun?", die drei Damen standen an der Hausecke, an der Harry vorbeihastete. Eine von ihnen - Harry wusste, dass sie Ilona-Verona hieß - stellte einen glänzenden Stiefel vor, der einen Absatz aufwies, der höher war, als der Gnom selbst.
"Ähm... Ich denke, heute Abend nicht, Ladies.", rief der Hauptfeldwebel, passierte schnell die Eingangstür des
Boucherie Rouge, jenes Etablissements, dessen Obergeschoss Frau Palm - Oberhaupt der Näherinnengilde - freundlicherweise für die
Dienststelle zur
Observierung von
Gildenangelegenheiten zur Verfügung gestellt hatte
[2]. Oberstleutnant Daemon, seines Zeichens Abteilungsleiter der DOG, wies immer wieder stolz darauf hin, dass dieses Privileg nur auf seine überaus guten Beziehungen - dienstlich wie privat - zu einigen Näherinnen zurückzuführen sei.
"Manchmal frage ich mich, was ihr Jungs da oben treibt.", brummte eine der Drei kopfschüttelnd. Sie hatte roten Lippenstift benutzt, der perfekt mit dem Farbton ihrer Dienstkleidung übereinstimmte. Sicher hätte sie Harry gefallen, wäre sie nur 1,40 m kleiner gewesen.
Der Oberstfeldwebel winkte den Frauen im 'Vorzimmer' des
Boucherie und eilte zur Treppe, um weitere ,Angebote' zu vermeiden. Schnell erklomm er die Stufen und machte oben eine scharfe Rechtswende um den Geländerpfosten herum. Mehr flüchtig klopfend und erst gar nicht auf eine Antwort wartend stieß er die angelehnte Tür auf und betrat Daemon's Büro.
[3]"Vorsiiiicht!", gellte ihm ein Schrei entgegen und es wurde schwarz um ihn.
***An dieser Stelle wollen wir kurz den Aufbau der Diensträume der DOG erklären, damit keine ungewollten Missverständnisse entstehen:
Sowie man die Treppe in den ersten Stock des Boucherie Rouge hochgestiegen ist, befindet man sich in der drehwärts-mittwärtigen Ecke des Hauptgebäudes. Schaut man nach rechts, sieht man die Türen zu den beiden Büros der Abteilungsleiter. Die Linke führt zum Arbeitszimmer von Daemon und diente in früheren Zeiten als eine Art 'Versammlungsraum' (Diese Versammlungen fanden meist im Liegen auf den 12 Matratzen statt, die jetzt auf einem Stapel in einer Ecke des Zimmers liegen), die rechte Tür ist der Zugang zu Wiewunderland Jim's Büro und hat zuvor als Abstellkammer gedient (Auch hier lagern Matratzen, allerdings sind es diejenigen, die aufgrund einer vielfachen Benutzung aus dem Verkehr gezogen wurden). Besonders erstaunlich ist der riesige Kamin, der sich im Zimmer des Abteilungsleiters befindet.
Gegenüber der Treppe befindet sich das Lager der Abteilung, das Revier von Feldwebel Steingesicht, der hier über Verkleidungen für verdeckte Ermittler, Spezialwaffen wie Rauchbömbchen für schnelle Abgänge und allerlei unnützem, sperrigen und ungeordneten Kram wacht. Außerdem muss sich irgendwo in dem ganzen Durcheinander eine Kiste mit Webeln befinden. Sobald der Geist sie gefunden hat, wird er sie austeilen.
Nach links geht es in den Flur des Nebentraktes. Aufgrund der... früheren Nutzung des Gebäudes befinden sich hier viele kleine Zimmerchen, welche die Wächter der Abteilung als Büros nutzen. Jedes dieser Kämmerchen ist in einer bestimmten Farbe gehalten. Ganz am Ende des Flures befindet sich beispielsweise das "karmesinrote Ritherzimmer", in der sich Mückensturm mit der TK-Anlage der DOG eingerichtet hat. [4]
Die anderen Räume tragen teilweise ebenso erstaunliche Namen, wie 'Das unterseeische Wasserfergnügen' oder 'Die Puppenstuhbe'. Die Raumaufteilung nahm eine erhebliche Weile in Anspruch, besonders für das 'Zimmer der gelben Froide' war niemand so recht zu begeistern.***
"Harry?", Daemon's Gesicht schwebte über dem Gnom, als er benommen die Augen aufschlug, "Alles in Ordnung bei dir?"
"Ws st pssrt?"
"Ähm..." , der Oberstleutnant hob einige Aktenordner in sein Blickfeld, "Die hier sind auf Dich gefallen."
Harry richtete sich auf und blickte sich in dem geräumigen Büro um. Nun, sicher wäre es geräumig gewesen, wenn es nicht vollkommen mit Akten, Berichten und Zeugenaussagen, Heften und Büchern, Schränken und Regalen, Ikonographenbildern und Personalbeschreibungen vollgestopft gewesen wäre. Und mit Matratzen, wie der Hauptfeldwebel verwirrt feststellte. Daemon half ihm auf die Beine (er benötigte dafür nur drei Finger seiner linken Hand) und kletterte über einen Haufen Magieberichte zu seinem Schreibtisch, sich der irgendwo in dem Durcheinander unter der Last von den Katalogen der offiziellen Gildenmitglieder von Ankh-Morpork bog.
"Was war denn so eilig?", wollte Daemon wissen und sah Harry an.
"Eilig?", er stutzte kurz, "Ach so, ja, jetzt fällt's mir wieder ein."
Er kramte einen Zettel zu Tage, der auf gnom-gerechte Größe gefaltet war und sich beim in Daemon's Händen als zerknittertes Memo von Kommandeur Rince entpuppte. Schnell wandte der Oberstleutnant sich zu dem riesigen Kamin, der in eine Ecke des Büros gemauert war.
"Ähm.", räusperte sich Harry, "Vielleicht solltest Du ihn lesen, bevor es den Weg aller Memos geht, die hier landen.", riet er seinem Abteilungsleiter. Der sah nachdenklich auf das Stück Papier in seiner Hand.
"Welch ungewöhnlicher Gedanke.", sinnierte Daemon, "Na gut... wir können es versuchen.", ungeschickt glättete er die Nachricht und las.
"Verdammter Mist.", fluchte er, "Das sieht nach Arbeit aus. Hätte ich bloß nicht auf Dich gehört.", Harry hüpfte auf den Schreibtisch und las.
"Von: Rince, Kmdr
An: Daemon, OLT
Guten Abend Dae,
ich hoffe, Harry konnte Dich davon abhalten, diese Nachricht zu verbrennen.
Die Lage ist - mal wieder - ernst. Der Patrizier gibt eine Party für so ziemlich alle Gildenoberhäupter der Stadt, such Dir irgendein Oberhaupt der Stadt aus: Es wird da sein. Sie werden alle da sein. In zwei Tagen werden sie sich im Patrizierpalast einfinden und wie immer bei solchen Anlässen wird es zu Streitereien kommen.
Leider hat Vetinari durch eine seiner... Quellen herausgefunden, dass in den letzten Tagen eine Menge Geld an die Assassinen geflossen ist. Wir glauben deshalb, dass einer der Gäste dieses Festes Opfer eines Mordanschlages wird. Tragischerweise konnte der Patrizier nicht sagen, von welcher Gilde das Geld kam oder für wessen Inhumierung bezahlt wurde, sein Spion habe nur noch einige wenige Worte überbringen können, bevor das Gift der Assassinen gewirkt hat.
Schick Deine Leute rum und finde etwas heraus! Wir können nicht zulassen, dass solche Methoden benutzt werden, wenn sich die Gilden untereinander nicht verstehen. Finde heraus, wer bezahlt hat und für wen bezahlt wurde. Danach bewache die Person während der Party.
- Rince
P.S.
Bewahre diese Nachricht auf und verbrenn sie nicht wieder!"Harry blinzelte in die Flammen des Kamins.
"Was stand unter der Unterschrift?", wollte er wissen.
"Nichts weiter Wichtiges.", brummte Daemon.
"Soll ich den Anderen Bescheid geben?", fragte der Hauptfeldwebel.
"Nein.", antwortete der Andere, "Nicht mehr heute Abend. Es ist sowieso zu spät, jetzt noch etwas bei den Gilden herauszufinden."
"Allerdings.", stimmte der Gnom zu, "Mancher hat einen geregelten Arbeitstag."
"Was denkst du über die Sache?", Daemon ging nicht auf diese Anspielung des Hauptfeldwebels ein.
"Hmm.", machte der, "Mit dieser Stadt geht es bergab, wenn die Gilden anfangen, offen auf einander loszugehen."
"Diese Stadt ist bereits ganz unten, wir werden graben müssen, bevor wir noch weiter runter können."
Harry nickte.
"Bei all den schmutzigen Sachen, die so passieren, würde es mich nicht wundern, wenn der Patrizier selbst den Auftrag gegeben hat. Wer kennt schon
seine Gründe."
"Gute Nacht, Harry."
"Gute Nacht, Daemon."
***
9. April, 0:30. Noch 48 Stunden. Träume.Regen durchweichte den Schlamm der dunklen Strasse, Niesel durchdrang jeden Stoff, machte Finger und Zehen klamm. Tropfen fielen von Fensterbalken, Türrahmen, Bäumen, bildeten Pfützen, welche die Straßen der Stadt bedeckten.
Dreck spritzte auf, als Oberstleutnant Daemon durch die Filigranstraße rannte und ehemals blankpolierte Lederstiefel in den matschigen Belag trieb. Seine Paradeuniform war zerrissen, lose Fetzen verschiedener Bänder und Schlaufen klebten traurig durchnässt an ihr. Irgendwo zwischen seinem jetzigen Aufenthaltsort und dem Patrizierpalast lagen zwei abgerissene Schulterklappen. Eine äußerst fingerfertige Näherin hatte sie in gewissenhafter, stundenlanger Handarbeit mit feinem Goldfaden aus Sto Lat bestickt. In ein paar Tagen würden sie - die Klappen - von den Fuhrwerken der Stadt tief in den Schlamm getrampelt worden sein. ... Grelles Licht ... Ein Riss ... Ein Stoß!Daemon fuhr erschrocken auf. Schwer atmend saß er in seinem Bett. Die Augen weit aufgerissen starrte er in die Dunkelheit seiner kleinen Wohnung. Von draußen drangen die Geräusche beinahe lautloser Nachtarbeiter in das Zimmer. Er sah sich um, beruhigte sich langsam. Neben ihm lag Cassandra im Bett. Irgendwann war sie zur Wache gekommen und kurze Zeit später bei ihm eingezogen. Bald darauf war sie mit ihrem Bett aus dem kleinen Nebenzimmer in sein Schlafzimmer umgezogen und schließlich war ihr Bett ganz unnötig geworden. Sie schlief ruhig neben ihm, er wischte sich über die Stirn und legte sich wieder neben sie, schmiegte sich an sie, wobei sie leise im Schlaf zu brummeln begann.
'Jetzt bekomm ich schon Albträume von dem Job.', dachte Daemon und schlief wieder ein.
***
9. April, 8:30. Noch 40 Stunden.Daemon verschlief an diesem Morgen und kam zu spät zum Dienst. Er war verschlafen und gähnte, als er das
Boucherie betrat. Seine dunklen Haare wirkten stumpf, sein Gang schlurfend. Insgesamt kann man sagen: Er war verdammt müde. Er ging den Flur zu den Büros hinunter und klopfte an die dritte Tür. Nach einem 'Herein' öffnete er sie und trat in das Zimmer 'der gelben Froide'. Der Raum hatte eine merkwürdige, an den Ankh erinnernde Duftnote und Gelb war eigentlich nur der Boden, Daemon dachte nicht gern über die Nutzung dieses Zimmers vor Ikari's Einzug nach. Der Wächter sprang auf, als er sah, wer den Raum betrat. Dabei verlor er einen Arm, den er später wieder befestigen würde.
"Herr Oberstleutnant.", rief er überrascht und versuchte, zu salutieren. In Ermangelung des dazu benötigten Gliedmaßes gab er den Versuch schließlich auf.
Nachdem Daemon ihn beruhigt hatte (Der Zombie war immer sehr aufgeregt, sobald ein Offizier zugegen war, oft verlor er drei oder vier Körperteile, weil er innerlich so zitterte), erklärte er ihm die Situation.
"Du weißt also, was Du zu tun hast.", endete der Oberstleutnant, "Du musst Dich in die Assassinen-Gilde einschleusen, dafür bist Du als verdeckter Ermittler schließlich da.", Ikari nickt eifrig, seine Nase wackelte bedrohlich dabei, "Lass Dich von Steingesicht im Lager ausrüsten und frag Valeriaa, wie Du Dich in der Gilde verhalten musst, sie ist Expertin dafür."
Eine halbe Stunde später war Ikari in schwarze Seide gekleidet, war von Steingesicht bis zur täuschend echten Lebendigkeit geschminkt worden und hatte ein ganzes Arsenal an 'nützlichen Dingen, die man sicher brauchen kann', wie sie der Geist nannte, in den Taschen seines Mantels. Dann ging er zu Valeriaa.
"Findest Du es nicht ein wenig... merkwürdig, dass Valeriaa ausgerechnet für die Assassinen Expertin ist?", fragte Ikari leise auf dem Weg durch den Flur.
"Wieso?", entgegnete Steingesicht.
"Na, Du weißt schon... sie soll drei ehrliche Bürger der Stadt ermordet haben... Hab ich gehört.", stammelte der Zombie.
"Was?", spielte der Geist entsetzt, "
Alle drei?", er klopfte Ikari vorsichtig auf die Schulter, "Du solltest diesen Gerüchten keine Beachtung schenken. Valeriaa ist eine genauso gute Wächterin, wie alle hier. Und bestimmt würde sie niemanden umbringen. Nicht ohne einen guten Grund.", fügte er hinzu.
Die Beiden erreichten das Büro der Feldwebelin, Steingesicht zwinkerte dem Zombie noch einmal zu und... verschwand dann. Zögernd trat Ikari ein.
"Oh, hallo Ikari.", begrüßte Valeria ihn.
"Ähm... woher...", er kontrollierte hastig seine Verkleidung und Maske, "Woher wusstest Du, dass ich es bin?"
"Ich kenne niemand sonst, dessen Finger an der Klinke kleben bleiben, wenn sie rein kommen. Du solltest an deinen Nähten arbeiten.", antwortete sie achselzuckend. Der Enttarnte trat vorsichtig über Hundekuchen und Trinknäpfe steigend näher an den Schreibtisch.
"Dae meint, ich soll Dir erzählen, wie Du Dich der Assassinen-Gilde verhalten musst, um zu überleben... Was riecht hier so?"
"Oh, das bin ich.", gab er kleinlaut zu.
"Das wird vielleicht weitaus schwieriger, als ich gedacht habe.", seufzte die Werwölfin und sah ihn prüfend an, "Also gut, wenn Du in das Gildenhaus gehst und man Dich fragt, wer Du bist, sagst Du, Du seist ein Schüler aus... hmmm... sagen wir Llamedos, das ist weit genug weg, um es nicht überprüfen zu können. Und sag, Du bist auf den Weg in etwas Unappetitliches gefallen, um den Geruch zu erklären. Soweit alles klar?", erklärte die Expertin. Der Zombie nickte eifrig.
"Alles, was Du in der Gilde tun musst,", fuhr sie fort, "Ist, zum sogenannten Auftragsbrett zu gehen und die neusten Nachrichten zu lesen. An diesem Brett werden alle Aufträge bekannt gegeben, so dass die Assassinen sich die Passenden für sich raussuchen können. Du musst herausfinden, wer in den letzten Tagen eine Menge Geld für wessen Tod bezahlt hat, kapiert?"
***Ikari stand vor dem Tor des Assassinen - Geländes. Entgegen aller anatomischen Voraussetzungen schwitzte er. Er trat auf das Tor zu und klopfte zögernd.
"Nun, wer sind sie denn, junger Mann? Mein Gott, tragen sie ein verwesendes Tier bei sich?", Herr Stippler, der Pförtner der Gilde, schaute ihn mit ekelverzogenem Gesicht durch ein Guckloch im Holz des Tores an.
"Ääääähm.", machte Ikari und holte mit dem folgenden diese Pause im Gespräch wider auf, indem er sehr schnell sprach, "Ich komme aus Llamedos, das ist weit weg, sehr weit, und ich bin Assassine, jawohl, aus Llamedos und und und ich will rein und die Aufträge, äh, ich meine, äh, also, ich will rein."
Herr Stippler sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
"Assassine bist du?", fragte er, "Herrje, das müssen schwere Zeiten da oben in Llamedos sein.", das Tor öffnete sich und Ikari betrat schlotternd das Gildengelände.
Alles, was Du in der Gilde tun musst ist, zum sogenannten Auftragsbrett zu gehen und die neusten Nachrichten zu lesenDer Zombie wankte unsicher über den Campus und die Blicke von zwei Dutzend Schülern folgten ihm.
"Was willst Du hier?", fragte ihn ein junger Bursche, der auf einer Bank saß und zu Ikari's Entsetzen eine Kiste voller Giftpfeilspitzen ordnete.
"Das Brett... die Aufträge... das Auftragsbrett such ich, äh, ja.", stotterte der Verkleidete. Sein Gegenüber rümpfte die Nase.
"Wäh, was stinkt denn hier so?", er deutete auf eines der Gebäude in der Nähe, "Da rein, an der rechten Wand.", sagte er und widmete sich wieder den Pfeilspitzen.
Ikari stakste auf die Tür zu, auf die der Schüler gezeigt hatte, und fand im Inneren das Auftragsbrett.
"Dann wollen wir doch mal sehen.", er suchte die Zettel auf der Pinwand nach den Informationen ab, die er brauchte. Zwischen dem Auftrag, den einen Adligen vom Umland betraf, und der Bekanntmachung, dass der Kantinenbetrieb bis auf Weiteres eingestellt werden müsse, fand er schließlich auf einem rosafarbenen, kleinen Zettel folgende Notiz:
Maximales Honorar geboten.
Voraussetzungen: Klettern Stufe 3, Armbrustschießen mind. Stufe 2
Betrifft: Persönlichkeit von hoher Bedeutung in der Stadt
Nähere Informationen bei Lord WitwenmacherAha., dachte Ikari,
Damit ist ja alles klar. Ich muss nur noch zu Lord Witwenmacher und ihn fragen, wer ihn wofür bezahlt hat und ich kann raus hier.Fest entschlossen, das Büro des Oberhauptes der Assassinen-Gilde zu suchen, wandte er sich um und ... stieß gegen einen Schüler. Schwarze Seide schimmerte.
"Oh, Verzeihung.", murmelte Ikari und ging einen Schritt weiter, als ihm auffiel, dass ein Dolch bis zum Heft in seiner Hüfte steckte. Der junge Assassine starrte ihn groß an, andere Schüler sammelten sich um die beiden. Gemurmel war zu hören.
"Was ist passiert?
"Wer ist tot?"
"Was riecht hier so?"
Der Bursche, der versucht hatte, Ikari wegen einer versehentlichen Rempelei zu erstechen, stand mit offenem Mund vor ihm, während sich immer mehr Schüler der Gilde um sie herum scharrten, bis sie von einer seidig-schimmernden, schwarzen Wand umgeben zu sein schienen.
"Uh oh.", machte der Zombie.
Dann öffnete sich eine Lücke zwischen den Schülern und ein hagerer Mann mit weißen Haaren erschien. Er war vom Feinsten gekleidet und bewegte sich äußerst überlegt und kontrolliert. Es schien, als wenn er durch seine Körperbeherrschung sogar seine Augenlider vom Blinzeln abhalten konnte. Ikari schluckte schwer.
"Ah, wir haben Besuch aus dem schönen Llamedos, wie ich höre.", sagte Lord Witwenmacher und musterte den Zombie, "Er scheint in etwas Unappetitliches gefallen zu sein.", fügte er mit einem Lächeln hinzu und trat näher an Ikari heran.
"Oh Nein. Und er scheint einen Unfall gehabt zu haben.", er zog den Dolch aus Ikari's Hüfte und ließ ihn schnell zu Boden fallen, "Wessen Waffe ist dies?", fragte Lord Witwenmacher freundlich.
"Meine, Herr.", antwortete der junge Attentäter, der den Wächter angegriffen hatte, sofort.
"Jack Rundkessel, nicht wahr?", erwiderte das Gildenoberhaupt, "Du wirst Dich nachher in meinem Büro melden.", er machte eine kurze Handbewegung und die Schüler gingen fort, verstreuten sich und sahen von nun an völlig zufällig nicht einmal mit dem Augenwinkel zu der Stelle, an der Lord Witwenmacher und der Zombie standen.
"Ein Wächter also.", sagte der Assassine nicht sachlich, "Ihr wisst doch, dass ihr euch von dem Gelände der Gilde fern zu halten habt.", er ging langsam um Ikari herum, "Was suchst Du hier?"
"Ähm..."
"Spare Dir Deine Antwort. Ich kenne sie bereits. Doch ich habe nicht absichtlich den Auftrag geheim gehalten, um ihn dir zu verraten. Nur ich kenne den Auftraggeber und den Klienten, deren Namen Du wissen willst. Und das wird so bleiben, bis ein
echter Assassine zu mir kommt und die Aufgabe übernehmen will.", er sah dem Zombie in die Augen, trat nah an ihn heran, "Und jetzt verschwinde hier.", er nickte einigen Jungen zu, die zur Seite gingen und so den direkten Weg über den Campus zum Tor freimachten.
Ikari wankte hinaus und spürte den Luftzug des Tores, das dicht hinter ihm zugeschlagen wurde. Dann rannte er los.
***
9. April, 18:30. Noch 30 Stunden. Ikari Gernetod's Bericht.Ikari stand bebend vor Daemon's Schreibtisch. Mehrere hohe Stapel Berichte waren umgekippt und zu einem ordnungslosen Chaos zusammengefallen. Der Oberstleutnant betrachtete den Zombie nachdenklich.
"Du konntest also nichts Neues herausfinden.", resümierte er den Bericht des Ermittlers.
"Ich kann nichts dafür. Nur Lord Witwenmacher allein weiß, um wen es bei dem Auftrag geht.", bestätigte Ikari unglücklich.
Daemon sah plötzlich aufmerksam auf.
"Was hast Du gerade gesagt?", hakte er nach.
"Ich sagte, dass mich keine Schuld trifft."
"Jaja.", Daemon machte eine ungeduldige Handbewegung, "Was hast du danach gesagt?"
"Dass nur Lord Witwenmacher weiß, worum es bei dem Auftrag geht?", wiederholte Ikari langsam.
"Ich danke dir. Das hast du gut gemacht. Danke, du kannst jetzt gehen.", Daemon stand auf und schob den verdutzten Wächter hinaus. Er schloss die Tür und wandte sich an Harry, der hinter einer kleinen Vase auf dem Kaminsims gesessen hatte.
"Deinem Observationsfähigkeiten steigern sich.", lobte er den Gnom, "Wo ist Jim?"
"Er hat sich den Tag heute frei genommen.", antwortete Harry, ein wenig errötend ob des unerwarteten Lobes.
"Ich habe einen Auftrag für dich, Harry.", der Oberstleutnant setzte sich wieder, "Nimm dir eine der Nachrichten-Ratten und observiere Lord Witwenmacher. Wenn nur er weiß, wer inhumiert werden soll, können wir es auch nur von ihm erfahren."
Harry nickte, "Natürlich."
"Ich werde Mückensturm sagen, dass er hier bleiben soll, bis eine Nachricht von Dir kommt. Wer sich auf den Job des Kommunikations- Experte bewirbt, muss mit Überstunden rechnen. Viel Glück."
***
9. April, 21:30. Noch 27 Stunden.Harry war sauer. Er hatte eine Stunde vor dem Gebäude der Assassinen gewartet, im kalten Wind und diesem ständigen Nieselregen, bis Witwenmacher endlich nach Hause ging. Von wegen 'ging', er fuhr in einem schicken Zweigespann, glänzend schwarze Pferde vor einer Kutsche wie ein Leichenwagen-Coupé. Harry war durch den Abfluss hinterher. Dann war er dem Wagen durch die halbe Stadt hinterhergerannt. jetzt waren sie bei Lord Witwenmacher zu Hause angekommen und er war noch immer draußen. Und das alles in Begleitung einer Ratte. Den Abend hätte er sich auch angenehmer gestalten können.
Er schlich näher an das Haus und kletterte an einer Efeupflanze (er fragte sich kurzzeitig, ob es auch giftige Efeuarten gab) auf einen Fenstersims. Die Ratte wartete schon oben auf ihn, sie ging ihm wirklich auf die Nerven. Er starrte durch die Fensterscheibe in das Zimmer dahinter. Es schien eine Art Gästezimmer zu sein, der Gnom wollte gar nicht daran denken, wie viele Menschen sich abends in das Bett darin gelegt hatten und nie wieder aufgestanden waren. Er holte winziges Gnomenwerkzeug hervor und öffnete die Verriegelung des Fensters. Dann schlüpften er und die Ratte (für sich nannte er sie mittlerweile Ratti, die nagende Nervensäge) ins Innere des Gebäudes.
Am Vorhang ließ er sich vorsichtig auf den - wahrscheinlich mit Tausenden tödlichen Fallen ausgestatteten - Fußboden hinunter. Unten wartete bereits Ratti auf ihn.
Mistvieh, dachte er.
Harry schlich durch das Zimmer zur Tür und schob sich langsam durch den Spalt zwischen ihr und dem Rahmen. Mit äußerster Vorsicht tastete er sich Schritt für Schritt durch den Flur dahinter zu einer offen stehenden Tür. Er lugt um deren Ecke und sah in das Esszimmer der Witwenmachers.
"Noch etwas Fleisch, Liebster?", fragte Lady Witwenmacher ihren Mann.
"Aber natürlich, meine Teuerste, ich nehme von der Hälfte, von der ihr auch gegessen habt.", erwiderte der Lord.
Die Lady nickt freundlich und legte ihm etwa sauf den Teller, dann setzte sie sich ebenfalls.
"Kein Dienstpersonal im Haus.", dachte Harry fröstelnd.
"Und nun erzählt mir von diesem fulminanten Auftrag, den ihr bekommen habt.", forderte Lady Witwenmacher ihren Mann auf.
"Oho.", schmunzelte der, "Woher kommt euer Interesse daran?"
"Vielleicht denke ich daran, diesen Auftrag selber zu übernehmen.", entgegnete sie freundlich.
"Ich denke nicht, dass wir das nötig haben."
"Nun erzählt es mir schon. Ich bitte euch.", Lady Witwenmacher schlug mit der Serviette auf den Tisch.
"Gemach, gemach.", lachte der Lord schelmisch, Harry erstarrte bei diesem Geräusch, "Ich sage es Euch ja.", er beugte sich über den Tisch, dabei stets ihre Hände im Auge behaltend, "Die Unsichtbare Universität hat...", ein lautes Getöse brach hinter Harry im Flur aus, Gepolter und Scheppern folgte. Als Harry sich mit aufgerissenen Augen umwandte, kam die Ratte unschuldig aus den Trümmern einer umgefallenen Ritterrüstung auf ihn zugelaufen.
"Falle Nummer 37.", sagte Lord Witwenmacher ruhig hinter ihm im Esszimmer.
Harry sprang auf und rannte los, nach wenigen Schritten war die Ratte neben ihm.
"Du denkst, du schaffst es, die Fallen alle zu umgehen?", fragte der Gnom die Ratte. Der Wächter trat auf eine Fliese und Armbrustbolzen flogen über ihm durch die Luft.
"Nummer 29.", rief Lady Witwenmacher mit heller Stimme.
"Okay, okay.", Harry sprang und schwang sich auf den Rücken der Ratte, die im gleichen Moment noch schneller wurde und im Zickzack über den Boden lief, während hinter ihnen die Schritte des Gildenoberhaupts donnerten und um sie herum immer neue Fallen ausgelöst wurden. Gewichte polterten dicht neben den Beiden zu Boden, die Ratte wich Bolzen und Kugeln aus, sprang über fast unsichtbare Schnüre und sauste über den Boden der dunklen Zimmer.
"Verdammt, was hast Du vor?", brüllte Harry, "Bring uns hier raus.", eine Guillotine fuhr auf sie hernieder und die Ratte sprang, flog durch die Luft und landete, die Schneide donnerte hinter ihnen in das Holz des Fußbodens.
"Alles in Ordnung, Liebster?", fragte die Lady belustigt über das tödliche Durcheinander.
Dann war die Ratte in ein Loch in der Wand verschwunden und aus dem Haus geflohen.
***
9. April, 23:00. Noch 25 Stunden, 30 Minuten. Harry's Bericht.Harry kam zerzaust und abgewetzt im
Boucherie an. Die Ratte hatte ihn kurz nach ihrer Flucht aus der Villa Witwenmacher abgeworfen und war in die Dunkelheit getrippelt. Jetzt stand der Gnom auf dem Schreibtisch des Abteilungsleiters.
"Was ist denn mit Dir passiert?", fragte Daemon, "Deine Ratte ist schon vor einer Stunde ohne Nachricht zurück gekehrt, wir haben uns Sorgen gemacht.", erklärte er und hörte sich dann den Bericht des Hauptfeldwebels an.
"Die Zauberer?", fragte er schließlich verblüfft, "Das hätte ich nie gedacht. Bist du sicher, dass du ihn richtig verstanden hast?"
"Witwenmacher wurde wegen der Ratte unterbrochen, aber er
hat von der Unsichtbaren Universität gesprochen.", Harry sah Daemon groß an, "Denkst du, die Zauberer wollen jemanden von den Assassinen umbringen lassen?", fragte er ungläubig. Der Oberstleutnant wiegte nachdenklich den Kopf.
"Ich weiß es nicht, Harry, ich weiß es nicht. Wir dürfen es auf jeden Fall nicht außer Acht lassen.", er schrieb ein paar Sätze auf ein Papier vor sich auf dem Schreibtisch, "Das ist eine Nachricht für Steingesicht. Er soll
sofort zur UU aufbrechen und herausfinden, ob in den letzten Tagen Geld aus den Kassen der Zauberer verschwunden ist. Tue mir bitte den Gefallen und bring sie Mückensturm. Und danach, ", er faltete den Zettel und gab ihn Harry, "gehst du nach Hause und legst dich hin. Morgen Vormittag hast du frei.", der Gnom nickte, brachte schnell das Papier zum Kommunikation- Experten der DOG und verschwand nach Hause.
Mückensturm rieb sich die Hände. Eine Nachricht. Zum Verschicken. So schnell, wie möglich.
Endlich konnte er die Tauben - Kommunikations - Anlage in der Praxis erproben. Er hatte viel Zeit mit der Ausrichtung der Rampe zugebracht. Gut die Hälfte seines Büros (Das 'karmesinrohte Ritherzimmer') nahm die komplexe Anlage aus Zahnrädern, Röhren, Laufbändern, Federn und Gummibändern für sich in Anspruch. Mückensturm musste nichts weiter tun, als mit einem Stellrad die Rampe in die gewünschte Position zu drehen und einen Hebel zu ziehen. Daraufhin wurde eine Taube aus ihrem Käfig geholt und vor die Spannvorrichtung gesetzt, kurze Zeit später wurde der Vogel mit hoher Geschwindigkeit nach draußen befördert und drehte nach oben, direkt und schnell in die vorgesehene Richtung.
Hoffentlich dreht sie nach oben., dachte der Oberstfeldwebel. Schaudernd sah er durch das Fenster auf die Wand des gegenüberliegenden Gebäudes. Zum Glück hatten die Taubenmodelle keinen allzu großen Schaden angerichtet.
Der Wächter band der Taube im ersten Käfig die Nachricht ans Bein und drehte unter lautem Knirschen und Rattern tief im Inneren der Maschine das Stellrad. Langsam wankte die Rampe um einige Millimeter nach rechts.
Perfekt., er rieb seine feuchten Hände an der Hose trocken, fuhr mit der Zunge über seine Lippen.
Jetzt wird's spannend!Er zog den Hebel - das Gurren der Tauben verstummte, ein dumpfer Schlag ertönte, dann Geräusche wie sich entspannende Gummibändern, einige Klopfgeräusche und das Boing einer Stahlfeder, dann sauste ein Knäuel aus Federn und Schnabel durch die Röhren, wurde mehrere Male umgelenkt und schoss aus dem Fenster. Im wilden, unkontrollierten Zickzack brauste der völlig desorientierte Vogel quer über die Straße, schlingerte nach unten und zog dann steil nach oben über die Dächer der Stadt.
"Hurra!", stieß Mückensturm aus und hüpfte ausgelassen durch den Raum, "Es funktioniert!"
Dies rief er in grob fahrlässiger Missachtung der einzelnen Schwanzfedern, die in diesem Augenblick von der Regenrinne des Hauses gegenüber schwebten.
***
9. April, 23:30. Noch 25 Stunden.Ein lautes Klirren entsetzte den Rekruten, der in dieser Nacht Tresendienst hatte. Glassplitter flogen durch den Vorraum des Wachhauses am Pseudopolis - Platz, eine Kanonenkugel raste durch das dunkle Zimmer, schlug über dem Rekruten in die Wand ein, der sich hastig unter der Tischplatte in Sicherheit gebracht hatte.
Verdammter Mist, fluchte er für sich,
Davon hat Feldwebel Gonzo nie was erzählt, er kroch vorsichtig hervor und betrachtete das Projektil, das ihn um ein Haar enthauptet hatte. Vor ihm saß eine ziemlich lädierte Taube und schaute ihn böse funkelnd an. Der Rekrut atmete erleichtert aus.
Nur eine Nachrichtentaube, freute er sich und streckte die Hand nach dem Tier aus,
Komisch, können Tauben fauchen?Es klopfte an der Tür des Kellers des Wachhauses und Steingesicht erschien, was den Rekruten in dieser Nacht auch nicht mehr schrecken konnte, durch das Holz der Tür. Geister wie der Feldwebel brauchten keinen Schlaf und deswegen trug er die volle Wächtermontur.
"Bei den Göttern.", stieß Steingesicht aus, "Was ist denn mit Dir passiert?", der Rekrut vor ihm blutete aus vielen, kleinen Wunden an Händen und Gesicht.
"Es ist... ist... diediedie... Taube.", stotterte der Verletzte und deutete zitternd in die Richtung des Wachtresens. Der Geist sah durch den Raum zu den Glasscheiben.
"Ist ziemlich schnell reingekommen, wie?", brummte der Feldwebel und klopfte dem nickenden Wächter vor sich auf die Schulter, "Dann ist alles gut, sie ist für mich. Geh und mach dich ein wenig sauber.", er ging zum Tresen und fand die Taube. Mit funkelnden Augen blitzte der Vogel ihn an, Steingesicht schien es, als versuche das verwirrte Tier (Vier Kilometer in 30 Sekunden konnten ein voluminös benachteiligtes Taubengehirn schon verwirren), nicht vorhandene Zähne zu fletschen, "Ist ja gut.", brummte der Feldwebel, nahm das verdutzte Tier, das mit Krallen und Schnabel ins Leere schlug, und nahm die Nachricht der Dienststelle von ihrem Bein.
"Oha.", er dematerialisierte, was den Vogel mit einer halben Kräheneinheit in der Sekunde auf den Fußboden des Wachhauses fallen ließ. Als der Rekrut etwas später zurückkehrte, war sie deswegen noch immer sehr böse.
Steingesicht stand vor der Unsichtbaren Universität. Er war der Meinung, als Wächter wenigstens ab und zu mal die 'normalen' Wege gehen zu müssen. Er klopfte an das Tor.
"WER IST DA?", brüllte der Brüller.
[5]"Feldwebel Steingesicht. Stadtwache.", antwortete der Geist ruhig. Man wurde nicht Experte für die UU, wenn man nicht mit den Brüllern klar kam.
"WAS WILLST DU HIER, FELDWEBEL STEINGESICHT VON DER STADTWACHE?"
"Ich wünsche, den Erzkanzler des Institutes zu sprechen."
"WESHALB WILLST DU DEN ERZKANZLER SPRECHEN, FELDWEBEL STEINGESICHT VON DER STADTWACHE?"
"Ich wünsche, den Erzkanzler über die Kontakte der Universität mit den Gilden der Stadt zu befragen.", Steingesicht war völlig klar, dass die Brüller nicht ein Wort seiner Antworten weitergeben würden Vielleicht waren sie einfach nur neugierig.
"ÜBER WELCHE KONTAKTE MIT GILDEN WILLST DU DEN ERZKANZLER DER STADT BEFRAGEN, FELDWEBEL STEINGESICHT VON DER STADTWACHE?"
"Darüber kann ich nur mit dem Kanzler persönlich sprechen.", der Geist grinste in sich hinein. Eine kurze Pause wurde auf der anderen Seite des Tores von
lautem Tuscheln gefolgt.
Steingesicht wandte sich ab. Hier würde er nicht weiter kommen. Es war sowieso sinnlos gewesen, jetzt noch aufzubrechen. Um kurz vor 1 Uhr waren die Zauberer längst in ihren Betten, sah man von den Nacht-Mahlzeiten ab. Er zuckte mit den Schultern. Er würde morgen zurückkehren und es nochmals versuchen. Um sich die Zeit zu vertreiben, ging er durch die Außenmauer des Gartens der Universität und streifte über den Rasen. Im wahrsten Sinne darüber.
"Hallo, Quästor.", grüßte er den Zauberer, der durch die Anlage wankte.
"Hillaho, Kaffeetasse. Willst du meine Muschel hören?", antwortete der Angesprochene im Schlafanzug.
"Ja, danke, mir geht es gut. Du weißt schon, seid dieser Geist-Sache habe ich nur selten gesundheitliche Beschwerden.", gab der Geist zurück.
"Das ist äußerst entzückend. Maximale Reinigungskraft gibt hochglänzenden Erfolg."
"Ich wollte den Erzkanzler ein paar Fragen stellen, aber ich denke, ich komme morgen früh noch mal wieder."
"Okidoki.", sagte der Quästor.
Steingesicht sah den Zauberer forschend an.
"Was hast Du gesagt?", fragte er vorsichtig nach.
"Der Stern zieht Bahnen wie Erdbeergelee und wackelt dabei wie Buttersteine.", gab der Zauberer Antwort.
Steingesicht kehrte zur Wache zurück und beschloss, ein paar Stunden zu warten, um dann den Erzkanzler über die Kassenbestände der Unsichtbaren Universität zu befragen.
***
10. April, 0:30. Noch 24 Stunden. Träume.Dreck spritzte auf, als Oberstleutnant Daemon durch die Filigranstraße rannte und ehemals blankpolierte Lederstiefel in den matschigen Belag trieb. Seine Paradeuniform war zerrissen, lose Fetzen verschiedener Bänder und Schlaufen klebten traurig durchnässt an ihr. Irgendwo zwischen seinem jetzigen Aufenthaltsort und dem Patrizierpalast lagen zwei abgerissene Schulterklappen. Eine äußerst fingerfertige Näherin hatte sie in gewissenhafter, stundenlanger Handarbeit mit feinem Goldfaden aus Sto Lat bestickt. In ein paar Tagen würden sie - die Klappen - von den Fuhrwerken der Stadt tief in den Schlamm getrampelt worden sein.
Daemon taumelte und blieb schwer atmend stehen. Japsend schaute er sich durch den Regenschleier in der Nacht um. Keuchend wischte er sich die tropfenschweren Haare aus dem regenüberströmten Gesicht und kniff die Augen zusammen. Zwei minimale Bewegungen waren ein gutes Stück die Straße hinunter zu sehen. Der Wächter verzog das Gesicht und spurtete mühsam los. Er schlidderte und trampelte vorwärts, die stete Gefahr eines Sturzes in kalte Pfützen missachtend. Einige kleine Stoffflicken in Gold, Silber und Bronze fielen unbemerkt hinter ihm zu Boden.
Wollen die bis zu den Schatten durchrennen?, dachte Daemon, als er sah, dass die beiden von ihm Verfolgten noch immer weiter hetzten. Er hätte diesen Entschluss der beiden verstanden. Ihr habt Euch ja auch ganz schön was geleistet. Der Oberstleutnant stürmte weiter durch die nasse und rutschige Nacht, Regentropfen nahmen ihm die Sicht, dann sah er die Beiden vor sich nach links abbiegen ... Ein Ruck ... vornüber ... Fallen ... SchwarzDaemon erwachte leise aufschreiend, als er auf dem Holzboden neben seinem Bett knallt. Stöhnend rieb er sich den Kopf und zog sich mühsam an der Bettkante hoch.
Das ist ganz und gar nicht gut, dachte er vor sich hinbrummend,
Ich werde mit Venezia darüber reden müssen. Die kennt sich mit so was aus***
10. April, 10:30. Noch 14 Stunden.Feldwebel Steingesicht kehrte zu vorgerückter Vormittagsstunde zur Universität zurück, da er sicher sein konnte, dass Ridcully nun wach und mit zumindest einem Frühstück gesättigt war. Deren Lamentieren ungeachtet stapfte er an den Brüllern vorbei und betrat das arkane Institut. Nachdem er sich in der sich ständig verändernden Raumaufteilung der UU orientiert hatte, ging er in Ridcully's Büro.
"Vorsicht!", der Bolzen sauste dich an dem Geist vorbei und traf eine kupferne Vase, von der er abprallte, an der gegenüberliegenden Wand ein Bild zerschmetterte und in einem wahnwitzigem Winkel zurück flog. Nach einer Weile und einigen zerstörten Möbelstücken entwich er rasendschnell aus dem Fenster. Eigentlich
durch das Fenster. Und die Scheibe darin.
"Oh.", sagte Ridcully, sich unter seinem Schreibtisch hervorwagend, "Hallo Steingesicht. Weißt Du, ich habe diesen Bolzen mit
Petermanns lustigem Wackler behandelt, um mehrere Enten auf einmal schießen zu können und befinde mich gerade in der Testphase."
"Nun. Das macht ja nichts. Es ist ja nichts passiert. Jedenfalls mir nicht.", sagte der Feldwebel.
"Weshalb bist Du denn hier?", wollte der Erzkanzler wissen.
"Oooch.", machte der Geist, "Ich wollte mit Dir nur mal ein wenig plaudern. Du weißt schon: Das Wetter, der Ankh, die Finanzen der Universität. Worüber man halt so redet." Der Erzkanzler schaute ihn misstrauisch an.
"Du willst über den Ankh sprechen?"
"Auch.", antwortete der Geist zögernd.
"Für so etwas habe ich keine Zeit, ich muss mich und meinen Magen auf das Fest des Patriziers heute Abend vorbereiten. Wie das Wetter ist, siehst du selbst und für die Finanzen ist der Quästor verantwortlich. Schön, dass du da warst, komm bald wieder, geh jetzt.", er winkte ungeduldig mit der Hand. Steingesicht dematerialisierte. Etwa drei halbe Stunden später kehrte er zum
Boucherie zurück.
***
10. April, 12:30. Noch 12 Stunden. Steingesicht's Bericht."Wo kommst Du jetzt erst her?", regte sich Daemon auf, als der Geist vor seinem Schreibtisch materialisierte.
"Ich führte gerade ein sehr anstrengendes Gespräch mit dem Quästor der Unsichtbaren Universität.", antwortete der Feldwebel, von der schlechten Laune seines Abteilungsleiters überrascht.
"Und? Was hast du herausgefunden?", der Oberstleutnant trommelte nervös und ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte, "Haben die Zauberer die Assassinen bezahlt oder nicht?"
"Nun, du weißt ja, wie Gespräche mit dem Quästor vonstatten gehen.", antwortete der Geist vorsichtig.
"Was willst du damit sagen, Feldwebel?", das Trommeln schlug eine höhere Taktzahl an.
"Also, die Zauberer geben eine Menge Geld aus, vorwiegend für Nahrung, aber eigentlich weiß niemand so genau, wie viel für was bezahlt wird.", sagte Steingesicht unglücklich, "Fakt ist, dass selbst die Summe, die den Assassinen zugesandt wurde, ohne aufzufallen verschwinden könnte." Der Wächter vor ihm fluchte leise.
"Entschuldige bitte.", sagte Daemon dann ruhiger, "Es ist nur - Es sind gerade mal noch sechs Stunden bis zum Fest und alles, was wir haben ist, dass die Zauberer irgendwie mit drinstecken.", er kratzte sich am Kopf und schien schließlich zu einer Entscheidung zu gelangen, "Bitte ruf Wondie her. Er sollte sich wieder im Dienst befinden." Steingesicht nickte und verschwand. Kurze Zeit später betrat er mit dem stellvertretenden Leiter der Abteilung das Büro.
"Bah, weißt Du eigentlich, wie es in meinem Zimmer stinkt?", rief Wiewunderland Jim, kaum hatte er den Raum betreten.
"Das hat Zeit, im Gegensatz zu anderen Dingen.", versetzt ihn Daemon und erklärte schnell die Situation, "Du wirst jetzt alle Gilden abklappern und herausfinden, ob die Zauberer einen Grund haben, eines ihrer Oberhäupter umbringen zu lassen.", schloss er. Wondie nickte und ging mit hängenden Schultern hinaus.
"Steini.", begann er, als die Tür sich hinter dem Hauptgefreiten geschlossen hatte, "Sag mal... wie war das Sterben?", der Oberstleutnant starrte in die Flammen des Kamins. Der Geist räusperte sich.
"Es tut mit leid, Dae, aber Tod hat meine Seele von meinem Körper getrennt, deswegen bin ich ein Geist. Die Erinnerung ist ziemlich verschwommen.", sagte er schließlich.
"Wenn Du die Wahl hättest... würdest Du es beim nächsten Mal bleiben lassen?", die Flammen färbten das Gesicht des Wächters in flackerndes Rot.
"Ich denke, das würde von der Situation abhängen.", wich der Feldwebel der Frage aus, "Du solltest Dir keine solchen Gedanken machen, du hast noch eine Menge Zeit, bis es soweit ist. Denk ich."
***
10. April, 17:30. Noch 7 Stunden. Wiewunderland Jim's Bericht.Fünf Stunden später kehrte Wiewunderland Jim zurück ins
Boucherie. Daemon kam ihm bereits entgegen, zog ihn ungeduldig in sein Büro, wo die anderen Mitglieder der Abteilung bereits versammelt waren. Valeriaa trug ein äußerst offenherziges Kleid, Wondie ging davon aus, dass sie es sich von einer der 'Angestellten' des Hauses für den festlichen Anlass geborgt hatte. Der knallrote Stoff glänzte und der Eindruck des freizügigen Schnittes wurde kaum durch das Schwert an ihrer Seite beeinträchtigt. Die anderen Wächter kämpften sich in diverse Paradeuniformen, kleine Schmerzenschreie waren zu hören, wenn sie sich an den Nadeln ihrer Spangen und Ribbons stachen.
"Also.", forderte Daemon, während er die graue Abteilungskordel von seiner linken Schulter abnahm und sie umständlich an seiner rechten befestigte, "Was hast Du herausgefunden?"
"Ähm.", machte der völlig überrumpelte Hauptgefreite, während ihm Mückensturm aus seiner Rüstung half, "Ich war im ganzen Gildenviertel unterwegs und...", er musste sich unterbrechen, als ihm sein Brustpanzer schnell über den Kopf gezogen wurde, Steingesicht kam in diesem Moment mit einem Stapel Webel herein, "... und ich denke, keine der Gilden hat den Unwollen der Zauberer erregt. Jedenfalls nicht in solchem Maße, dass sie zu Mord greifen würden."
"Wo warst Du überall?", fragte Harry, der winzige Ribbons putzte.
"Zuerst bin ich zu den Narren, doch die sehen die Zauberer eher als eine Art Konkurrenz, die auf eine öffentliche Zuschaustellung ihres Programms verzichtet, jedenfalls weitesgehend.", ein weißes Hemd wurde ihm von Ikari übergestreift, in der Eile des Vorgehens riss eine Naht.
"Kein Problem.", sagte der Zombie, "Das kriegen wir flott wieder hin.", er holte Nadel und Faden hervor und machte sich über das Kleidungsstück her, während Mückensturm Wondie eine Hose über das linke Bein streifte.
"Was ist hier eigentlich los?", fragte der Hauptgefreite verzweifelt, als Mückensturm bemerkte, dass es das falsche Hosenbein war und Wondie's Fuß wieder aus dem Stoff wurschtelte.
"In einer Stunde beginnt das Fest des Patriziers, bis dahin müssen wir fertig sein.", erklärte Valeriaa, die in millimetergenauer Arbeit ihre Haare zurecht machte (Spiegel waren in den Räumen der Dienststelle zu Genüge vorhanden).
"Los, berichte weiter.", Daemon wischte imaginäre Staubkörner von seinen Stiefeln.
"Die Narren haben mit der Universität nichts zu tun, die können wir also wohl ausschließen.", Wondie musste einen weiteren Hosenversuch über sich ergehen lassen, während er weitersprach, "Dann war ich bei der Diebesgilde. Ich habe meinen Geldbeutel verloren.", fügte er hinzu, "Die Diebe interessieren sich kaum für die Zauberer, da sich ihr Gold kurz nach dem Diebstahl in dummschwätzende, weiße Mäuse verwandelt."
"Wenn die Diebe der UU nichts geklaut haben,", schloss Mückensturm, "Dann haben die Zauberer auch keinen Grund, auf die Diebe sauer zu sein."
"Richtig.", bestätigte Harry, "WENN sie nichts geklaut haben." Die Wächter verharrten und starrten ihn an, "Was?", fragte der Gnom, "Kann doch sein, oder?"
"Weiter.", sagte Daemon zu Wiewunderland Jim und richtete hektisch seinen Kragen.
"Die Klempner und Abwasserreiniger sind etwas verärgert, weil sich die Zauberer weigern, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, sie lassen das Modo machen. Die Gilde leitet deswegen von Zeit zu Zeit mit Absicht etwas mehr ... Material in die Nähe der UU."
"Das ist wohl kaum ein Grund, einen Mord anzuordnen, oder?", sagte Ikari und startete einen neuen versuch, Wondie das Hemd überzustreifen, diesmal klappte es.
"Weißt Du, was in einem Magiergehirn vor sich geht?", fragte Steingesicht, und begann, an alle Feldwebel ihre Insignien auszuteilen.
"Buhu, Harry's ist größer als meiner.", beklagte sich Mückensturm.
"Tja, es gibt solche und solche.", grinste Valeriaa.
"Was war weiter?"
"Die Bäcker verstehen sich mit der UU großartig, sie sind die besten Kunden, du weißt schon.", der Hauptgefreite stürzte fast, als Mückensturm ihn den linken Stiefel anzog und Ikari im selben Augenblick das Selbe mit dem Rechten versuchte.
"Vielleicht hat dem Erzkanzler einer der Kuchen nicht geschmeckt.", gluckste die Werwölfin, doch Daemon nickte nur ernst.
"Am Schluss hab ich's dann bei Frau Palm versucht.", der Gildenexperte fummelte seine Dienstgradabzeichen an die Schultern seine Jacke.
"Und?", fragten alle Anwesenden neugierig wie aus einem Mund.
"Nun, ihre Antwort lautete wörtlich: Keine Auskunft, gar keine, niemals, komm später wieder. Sie meinte,
ich würde doch wohl auch nicht wollen, dass sie Jemandem von mir und diesem großen... ähm... also, sie sagte mir nichts zu den Zauberern.", er errötete.
"Wir wollen das nicht vergessen, wer weiß, wodurch die Zauberer sauer auf die Näherinnen sein können, irgendwer muss heute Abend auf Frau Palm aufpassen.", die Wächter nickten eifrig, Valeriaa zupfte unterdessen demonstrativ am Stoff ihres Ausschnitts.
***
10. April, 18:30. Noch 6 Stunden. Der Tanz beginnt.Im Palast des Patriziers waren sie versammelt. Oberhäupter und Bosse, Chefs und Ladies der Gilden der größten Stadt der Scheibenwelt. Ein buntes Treiben, aus Prunk, Schmuck, Diplomatie und eisiger Kälte. Einige lange Begrüßungsreden wurden gehalten. Diese Zeit nutzte Daemon, um seine Leute auf ihre Positionen zu bringen.
Harry hockte hinter einen großen Leuchter in den Falten eines Vorhanges und hatte die Aufgabe, verdächtige Gespräche zu belauschen. Der Gnom rechnete nicht wirklich mit einem Aufdecken globaler Verschwörungen durch diesen Job, aber es war ruhig und der Vorhang war weich, es war also nicht die schlechteste Aufgabe.
Als Expertin für die Assassinen war Valeriaa abgestellt worden, sich in der Nähe der Delegation der Meuchelmörder aufzuhalten, ein wenig Smohl-Tolk zu machen und darauf zu achten, dass sich niemand von ihnen unbemerkt davon machte.
Mitten in der Wand in der Nähe des Büfetts stand Steingesicht fast unsichtbar und beobachtete die Zauberer. Sollte sich etwas tun, würde der Geist sofort hervorkommen können und sich die Geldgeber der Assassinen schnappen.
Da sein Geruch ihm nur wenige Möglichkeiten offen ließ, war Ikari als Mitglied der Abwasser und Grubenreiniger - Gilde getarnt und hielt sich, auf eigenen Wunsch, in der Nähe von Frau Palm auf. Niemand zweifelte an der Bereitschaft des Zombies, sich vor jede Klinge und jeden Bolzen zu werfen, der dem Gildenoberhaupt der Näherinnen zu nahe kommen würde.
Da es sehr gut möglich war, dass der Patrizier selbst das Opfer eines Anschlages werden könnte, war Wondie in voller Prunkuniform in seiner Nähe positioniert und beobachtete aufmerksam und nicht im Geringsten unauffällig die Umgebung.
Daemon stand auf einem kleinen Podest und betrachtete zufrieden sein Werk. Valeriaa schob sich unauffällig zu ihm.
"Wo ist Mückensturm?", flüsterte sie leise.
"Er sitzt oben im Gebälk des Daches und beobachtet die Lage von oben.", antwortete der Oberstleutnant, die Werwölfin sah nach oben und konnte den Wächter hoch über ihnen auf einem Balken hockend erkennen.
Das Fest begann.
***
10. April, 20:30. Noch 4 Stunden. Der Takt erhöht sich.Das Eis war gebrochen. Viele Gäste hatten jetzt genügend Alkohol zu sich genommen, um ihre geheimen Seiten hervorzukehren. Lustige Lieder waren zu hören, die Polonaise war im Gange, die ersten Streitereien begannen.
Daemon ging unauffällig zu dem Leuchter, hinter dem Harry Stellung bezogen hatte.
"Irgendwas Neues?", flüsterte er aus dem Mundwinkel.
"Keine Weltherrschaftspläne zu belauschen in den letzten fünf Minuten.", meldete der Leuchter, "Überraschend, nicht wahr?"
"Gut. Weitermachen.", der Oberstleutnant sah zu Valeriaa rüber, die kurz den Daumen in die Höhe hielt, bei den Assassinen war also alles in Ordnung. Steingesicht flüsterte recht geisterhaft in sein Ohr, dass sich die Zauberer ganz normal und schwankend am Büfett aufhielten, wo sie sich seit der Eröffnung des Festes nicht fortbewegt hatten.
Unruhig beobachtete Daemon weiter, während die Stimmung sich weiter ihrem Höhepunkt näherte.
***
10. April, 23:59. Noch 31 Minuten. Die Tänzer taumeln.Mückensturm begann sich zu langweilen. Unter ihm tobte die Party. Gelächter und Geplapper, Gläserklirren und vereinzelte Rufe, Kichern und Geräusche von Körperreaktionen auf hohe Mengen Alkohol drangen hinauf zu seinem Beobachtungsposten. Selbst die Sterne, die er durch das große Fenster im Dach des Saals sehen konnte, schienen mehr Spaß zu haben, als er. Wenigstens war ihm diese dämliche Prunkuniform erspart geblieben, mit der er Wiewunderland Jim und Daemon unten durch die Gesellschaft streifen sah. er starrte weiter auf die Menge unter sich hinab, achtete gar nicht darauf, was sonst noch im Gebälk um ihn herum geschah.
Wenn hier mal endlich mal was passieren würde, dachte er und legte seine Hand auf die Armbrust, die neben ihm lag.
"Pass auf, was jetzt passiert, Hauptgefreiter.", sagte eine ruhige Stimme dicht an Wiewunderland Jim's Ohr. Der Wächter wirbelte herum und sah Lord Vetinari vor sich stehen, der ihn geheimnisvoll anlächelte. Dann gingen die Lichter aus.
Lautes Gemurre und überraschtes Raunen wurde hörbar, stieg die erste Rakete auf und durch das große Dachfenster war eine Chrissamtene hellen Lichtes sichtbar, das Feuerwerk begann und laute 'Ohs' und 'Ah' waren immer wieder zu vernehmen, wenn neue, atemberaubende Figuren aus bunten Funken am Himmel entstanden.
"Was soll denn der Mist?", rief Mückensturm von den Partygästen unbemerkt hoch über deren Köpfen. Prophylaktisch ballerte er das erste Magazin Bolzen blind in die Dunkelheit.
Kurze Zeit später wurden die Kerzen und Leuchter wieder angezündet, die Wächter sahen suchend durch die Menge. Daemon's Blicke zuckten schnell von Dog zu Dog.
Harry? Hinterm Leuchter, alles klar.
Steini? Bei den Zauberern, soweit in Ordnung.
Mückensturm?? Ja, da war sein Schatten im Gebälk, da oben schien nichts passiert zu sein.
Wondie? Beim Patrizier. Nichts passiert, ein Glück.
Ikari? Auf der Anderen Seite...
auf Frau Palm. Ob das nicht ein wenig übertrieben war mit dem Personenschutz?
Valeriaa?
Der Oberstleutnant sah noch einmal durch den Raum. Und noch einmal. Weder die Werwölfin, noch die Assassinen waren zu entdecken.
Verdammt!"Ikari! Steingesicht!", brüllte er über die Köpfe der angeheiterten und noch vom Feuerwerk beeindruckten Menge. Der Zombie erhob sich und half Frau Palm auf die Beine, sich vielmals für sein überstürzte Vorgehen entschuldigend. Dann erkannte er den grund für Daemon's Rufe und begann, schnell durch die Menge eilend nach den Verschwundenen zu suchen. Steingesicht eilte ebenfalls
durch die Menge zu einem der Ausgänge, verließ den Saal und durchsuchte die angrenzenden Flure.
Das kann doch nicht wahr sein, Daemon stürzte sich in das Gewühl der weiterfeiernden Gäste, die von der Aufregung der Wächter kaum etwas bemerkt hatten.
***
11. April, 0:15. Noch 15 Minuten. Der Tanz endet.Es waren gut fünf Minuten erfolgloser Suche vergangen, als der Bolzen kam. Von oben aus Richtung des Dachfensters schoss er durch die Luft, zerschnitt mehrere Milliarden Luftmoleküle, rauschte durch Rauchschwaden von Zigarren, Pfeifen und Zigaretten der Festgäste, krachte unhörbar durch den minimalsten Widerstand vom riesigen Kamin aufgewirbelten Rußpartikel und prallte an einem magischen Schutzschild ab, sauste fort und trieb seine Spitze in die Schulter von Ikari, der gerade in diesem Moment in der Nähe der Zauberer stand.
"Autsch.", sagte der Zombie, "Hey, der Arm war ganz neu."
"Hm.", sagte Ridcully und stieß mit einer Gabel auf seine Hand zu. Arm, Hand und Gabel prallten ab, ohne dass die Zinken die Haut des Erzkanzlers auch nur berührten, "Etwas von
Petermanns lustigem Wackler muss wohl während der Experimente auf mich übergegangen sein. Sehr praktisch, wenn man mit Armbrüsten beschossen wird.", er berührte die Stelle seines Gewandes über dem Herzen, an der der Bolzen ihn getroffen hätte, wäre er nicht so glücklich abgelenkt worden.
"Verdammt.", rief Daemon und kam durch die erschrockene Menge auf sie zu, "Wir haben bei den Falschen gesucht. Ridcully war nicht der Auftraggeber der Assassinen, sondern das Opfer."
"Ich muss doch sehr bitten.", empörte sich der Erzkanzler.
"Ich habe ihn erst gestern richtig angenäht.", klagte Ikari und hielt seinem Abteilungsleiter die Wunde entgegen, Blut spritzte daraus hervor und große Flecken entstanden auf Daemon's Uniform.
"Wo ist dieser Bolzen hergekommen?", verlangte der zu wissen.
"Sie müssen oben bei Mückensturm im Gebälk gesessen haben.", sagte Harry und sprang hinter dem Leuchter hervor. Dabei geriet er ins Wanken, stürzte und riss den Kerzenhalter mit um. In wenigen Sekunden stand der Tisch in Flammen und das Feuer griff schnell auf die Vorhänge über.
"Ups.", sagte der Gnom.
"Ikari! Du löscht das Feuer!", der Zombie nickte eifrig und begann zu pusten, "Harry, kletter da hoch und schau nach, ob mit Mückensturm alles in Ordnung ist! Steingesicht sucht weiter nach Valeriaa und den Assassinen. Ich schaue mich draußen um!", Daemon stürmte aus dem Saal, in dem es rasch wärmer wurde. Viele Gäste flohen aus dem Gebäude und der Oberstleutnant folgte diesem Strom. In einem der Flure begegnete der Steingesicht und Valeriaa.
"Wo ward ihr?", wollte er wissen.
"Die Assassinen haben mich im Dunkeln mit fortgeschleppt und in die Speisekammer gesperrt.", klagte die Werwölfin.
"Okay, geht und helft Ikari.", rief Daemon, "Ich will doch mal sehen, ob ich diesen Assassinen nicht stellen kann. "
"Aber er wird eine Lizenz haben.", wandte Steingesicht ein.
"Wenn du wüsstest, wie egal mir das ist. Wenn ich ihn finde, wird er einige Fragen zu beantworten haben. Geht, und helft Ikari."
"Helfen? Wobei? Was ist hier eigentlich los?", fragte Steingesicht, doch Daemon war schon wieder verschwunden.
Als er draußen ankam, sah er die Flammen aus den Fenstern des Saals lecken.
"Das wird wieder Ärger geben.", dachte der Wächter seufzend, dann sah er die beiden Schatten auf dem Dach des Palastes. Sie verschwanden in diesem Moment, als würden sie zur hinteren Seite des Gebäudes laufen und dort herunterkommen, "Na, dann passt mal auf, wer da auf euch warten wird.", dachte Daemon grinsend und lief um den Palast durch den Garten. Das Durchqueren der Anlage nahm einige Zeit in Anspruch, was an der Dunkelheit und der außergewöhnlichen 'Architektur' des Garten lag, der von einem der berühmtesten Schöpfer Ankh-Morpork gestaltet worden war. Als Daemon die andere Seite des Gebäudes erreichte, sah er zwei Schatten über die Mauer des Gartens springen.
Oh nein, so leicht entkommt ihr mir nicht., knurrte der Wächter und nahm die Verfolgung auf.
***
11. April, 0:30.Wie bin ich eigentlich in diese Situation geraten?to be continued...
[1] In vielen audio-visuellen Veröffentlichen werden an verschiedenen Stellen Daten und Uhrzeiten eingeblendet, die man nur in späteren Reflektionen des Gesehenen und Gehörten in Zusammenhang bringen kann, keinesfalls aber in der Zeit, in der sie eingeblendet werden, diese reicht oft nur zur flüchtigen Wahrnehmung von Schriftzeichen im peripher-visuellen Bereich. Begnügen wir uns mit der Information, dass wir uns am prä-temporalen Ende einer metaphorischen Zeitreise von etwas mehr als zwei Tagen befinden und gerade der Abend des Tages vor dem Tag von Daemon's kleinem "Unfall" gerade beginnt. Und wen es absolut interessiert: Die Einblendung lautet
7+1. April 9:10 pm - Viertel käuflicher Zuneigung, Ankh-Morpork - 35 km westlich von Roswell Airforce Base[2] Aus ,Die Geschichte der Stadtwache Ankh-Morpork':
Mit der Umstellung der Wache und der Unterteilung in Abteilungen wurde ein Teil der Wächter in anderen Gebäuden untergebracht.
Die Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten wurde auf Betreiben des damaligen Abteilungsleiters Daemon in einem Etablissement der Näherinnengilde fernab des Hauptwachhauses am Pseudopolis-Platz untergebracht. Diese Maßnahme wurde mit der Notwendigkeit der Tarnung der verdeckten Ermittler begründet. Als Gegenleistung wurde der Näherinnengilde eine gewisse ,Toleranz' der Ermittlungen der DOG zugesichert. Welche weiteren Vergütungen zwischen den Wächtern und der Gilde vereinbart wurden, ist im Einzelnen nicht mehr nachweisbar, fest steht nur, dass sich niemals ein Dog ernsthaft über die Räumlichkeiten beschwert hat. Nun... Fast Niemand.
[3] Der Oberstleutnant vertrat die Meinung, dass die Tür des Vorgesetzten immer für seine Mitarbeiter offen stehen müsse, aber man muss ja nicht gleich übertreiben.
[4] Dies war eine weitere Neuerung der Wache. Durch die modernen TK-Anlagen (Tauben Kommunikations Anlagen) konnte man einen Nachrichtenvogel mittels einer komplexen Gerätschaft aus Gummibändern und Federn mit erstaunlicher Geschwindigkeit versenden (bis zu 17mal schneller, als mit normalen Methoden). Während eines Tests erreichte eine der Tauben eine Geschwindigkeit von 12 k/s (Kräheneinheiten pro Sekunde. Morporkianisches Standardmaß für Vogelfluggeschwindigkeiten. Gemessen wird die Zeit, die eine ausgewachsene Krähe mit einem Goldbarren mit mindestens 3% Goldanteil ans Bein gebunden benötigt, um von der Spitze des Kunstturms bis zum Boden zu fallen.)
[5] Brüller waren die Pförtner der UU. Sehr traditionsbewusste Menschen. Sehr laut.
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