Bisher hat keiner bewertet.
Für Rekruten:
Tod übergibt dir ein Päckchen das du Frau Palm, dem Oberhaupt der Näherinnengilde, bringen sollst.
Was mag das nur bedeuten. Und warum ist das Päckchen so hübsch mit einer Schleife verpackt?
Dafür vergebene Note: 12
Es war ein früher Morgen wie jeder andere frühe Morgen in Ankh Morpork. Die typischen Geräusche von letzen Lebensseufzern, von knarrenden Dielen die auf Diebe zurückzuführen sind, von Assassinen die sich nicht mehr ganz so lautlos über die Dächer schleichen und der Schrei eines Verehrers, dessen nagelneuer Anzug gerade Bekanntschaft mit der weniger harten als schmutzigen Strasse Ankh Morporks gemacht hatte drangen langsam durch die Wände von Angie LeFays Wohnung. Weiter mischten sich noch die Geräusche jener Personen in die Wahrnehmung, die gerade aus dem angenehmen Nachtschlaf erwachten um ihr Tagewerk zu beginnen. Und obwohl diese Tageszeit die stillste von allen war, zählt man sie doch zu den lärmintensivsten. Etwas stimmte nicht, es war doch ein wenig zu ruhig. Doch nur jene ausgewählten Personen, die sich mit Insektologie beschäftigen wissen auf Anhieb wo die Ursache dafür liegt: Die Gattung der "Ich-kitzle-dich-so-lange-bis-du-verzweifelt-aus-dem-Bett-springst-Fliege" feierte den "Tag der kollektiven Meditation".* Genau dieses fehlende Maß an Dezibel war es, was Angie aus ihrem nicht mehr sehr tiefen Schlaf, eine Stunde früher als vorgesehen, erwachen lies. Als sie sich endlich bewusst war dass sie nicht mehr träumte sondern sich in der Realität ihres Zimmers befand und gerade im Begriff war aufzuwachen entdeckte sie jene höllischen Kopfschmerzen, die der Beweis dafür waren, dass sie den Rekrutentest tatsächlich bestanden hatte und nun offizielles Mitglied der Wache war. Jene Stiche, die ihren Kopf Sekunde für Sekunde heimsuchten, waren nicht auf sadistische Aufnahmeprüfungen (wie so mancher eventuell denken könnte) zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass ein wenig zu sehr gefeiert wurde. Schön langsam sickerten die einen oder anderen Gedankenfetzen des vorherigen Abends in das Bewusstsein von Angie und sie schämte sich - wie meistens nach Abenden dieser Art - in Grund und Boden. Danach begann sie sorgfältig damit ihre Blutergüsse, die keine Nachwirkungen von heftigen Kämpfen sondern vielmehr ihrer chronischen Tollpatschigkeit zuzuschreiben sind, welche sich vor allem in betrunkenem Zustand sehr bemerkbar macht - zu zählen und in einem kleinen Heftchen Bemerkungen darüber zu notieren. Welchen Sinn dies haben sollte, wusste nicht mal sie selbst, aber sie archivierte ihrer Verletzungen seit sie schreiben konnte und aus Macht der Gewohnheit setzte sie diese Tradition fort.
Nachdem Angie nicht gefrühstückt hatte, sondern vielmehr damit beschäftigt war jenes Chaos, das sie bei dem Versuch ein Frühstück zu kreieren erzeugt hatte, zu entfernen, beschloss sie, sich auf den Weg zur Wache zu machen. Mit etwas Pech würde sie Schnapper begegnen, der ihr wieder mal eines seiner seltsamen Würstchen anbieten würde, die den Vorteil hatten, dass man nach dem Genuss eines Bissens tagelang nicht mehr an Nahrungsaufnahme oder etwas ähnliches dachte.
Als Angie LeFay das Wachhaus erreichte war sie fast eine Stunde zu früh dran. Aus Nervosität zögerte sie das Wachhaus zu betreten, stand also völlig planlos davor und betrachtete das Eingangstor, welches allerdings außer einigen Holzwürmern nicht allzu viel sehenswertes vorwies und entschloss sich nach einigen Minuten, dieses doch zu durchschreiten. Sie ging schnurstracks zu dem Büro ihres Ausbilders, Feldwebel Gonzo, und klopfte an.
"Wer ist da", ertönte eine offensichtlich genervte Stimme aus dem Inneren des Zimmers. "Angie" antwortete sie.
"Okay, du darfst reinkommen" erklang die selbe Stimme nun schon einen deut freundlicher. Als Angie die Tür öffnete, sah sie Gonzo, mit feuerrotem Gesicht auf seinem Schreibtisch sitzend, der offensichtlich den Versuch wagte ein Chaos aus Akten zu ordnen.
"Was willst du denn schon hier, das Training beginnt doch erst in einer Stunde und ich hasse Überpünktlichkeit", hörte sie Gonzo in einem nicht sehr freundlichen Ton sprechen. Etwas verunsichert antwortete Angie:
"Äääähm, tja, also, na ja ..."
"Also was".
"Na ja, ich konnte nicht mehr schlafen und ich dachte mir, ich schau mal vorbei, vielleicht kann ich mich ja irgendwie nützlich machen ... ich meine, wenn es nichts für mich zu tun gibt ... ich könnt ja schon mal Vorbereitungen für das Training machen oder die Waffenkammer aufräumen oder so..."
"Wenn Hilfe gebraucht hätte, hätte ich schon jemand zum helfen verdonnert", antwortete Gonzo.
"Na gut, dann stör ich nicht länger und werde im Warteraum Stellung beziehen bis zum Beginn des Trainings" antwortete Angie sichtlich eingeschüchtert. Als sie das Zimmer verließ und gerade die Tür schließen wollte ertönte Gonzos Stimme noch mal:
"Rekrut!!!!"
"Ja?", antwortete Angie.
"Frag doch mal bei Kommandeur Tod nach ob du was für ihn tun kannst, er hat heut morgen sehr gestresst gewirkt!"
"Zu Befehl, Sir", Angie LeFay salutierte und verlies den Raum.
Also zu Kommandeur Tod sollte sie gehen. Hmm, sie überlegte, was sie dort erwartete, sie hatte schon sehr viel über Tod gehört, doch direkt gegenübergestanden hatte sie ihm noch nie. "Also auf ins Abenteuer", flüsterte sie sich selbst zu und klopfte so selbstbewusst wie sie es zusammenbrachte - wobei man unter selbstbewusst sicherlich etwas anderes verstand als ein Klopfen, dass nur ein Hund, der diesen Klopfer sichtlich erwartet, hört. Als Angie keine Antwort erhielt klopfte sie etwas lauter. Nun erklang
eine tiefe Stimme tief in Angies Kopf: "HEREIN!" Angie Le Fay betrat den Raum und ihr Blick hielt an jener Figur, die Tod sein musste fest. Sichtlich überrascht (Überrascht deswegen, da sie sich den Anblick des Vorgesetzten tief in ihrem Inneren viel schlimmer vorgestellt hatte und nun ein offensichtlich nettes undefinierbares Wesen auf sie herabblickte) stammelte Angie etwas von wegen Gonzo hätte sie geschickt, weil sie zu früh dran sei und ob Tod nicht irgendetwas für sie zu tun hätte. Nach kurzem über legen drückte der Kommandeur ihr ein Päckchen, welches säuberliches in schwarzes Papier gepackt war und mit einer noch schwärzeren Masche, die ein grau-schwarzes Blümchen festhielt, niedlich verziert war, in die Hand und meinte: "BRING DAS BITTE ZU FRAU PALM, DEM OBERHAUPT DER NÄHERINNENGILDE, SIE IST DARÜBER INFORMIERT. ACH JA, ICH BITTE UM DISKRETION, ALSO KEIN STERBENSWÖRTCHEN ZU NIEMANDEN." Etwas verwirrt nahm Angie das Päckchen entgegen und versprach ihr Bestmöglichstes zu geben.
"ACH JA, PASS AUF DICH. ICH MAG DIR NICHT GLEICH BEI DER AUSÜBUNG MEINES ZWEITEN JOBS GEGENÜBERSTEHEN, OKAY?"
Der Auftrag kam Angie sehr zuvor, denn bei dieser Gelegenheit konnte sie gleich ihre Uniform mitnehmen, um diese Flügelpräsent umnähen zu lassen.**
Nachdem sich Angie trotzt Straßenkarte - welche allerdings noch vor dem letzen Grossbrand entstand und daher nicht mehr ganz aktuell sein dürfte - drei mal verirrt hatte und von dem Haus der Näherinnengilde weit und breit noch immer nichts zu sehen war, beschloss sie jenen jungen Mann, der bereits seit dem Wachhaus versuchte, ihr unentdeckt zu folgen und sich gerade hinter der letzten Ecke verbarg, nach dem Weg zu fragen. Wie es aussah hatten sie ja das selbe Ziel vor Augen. Also schlich sich Angie langsam die paar Meter Hausmauer zurück, griff um die Ecke, hielt jene Person fest, trat um die Ecke und meine in ihrer zuckersüßesten Stimme:
"Hallo, ich bin Angie LeFay, neuestes Mitglied der Stadtwache und freue mich deine Bekanntschaft zu machen."
"Ähhm, Autsch, hallo, ja, könntest du bitte deinen Griff etwas lockern, ahh, gut, danke, äähmm ich bin Harry Spalter, wieso weißt du das hier jemand ist?"
"Wie es aussieht haben wir den selben Weg und ich muss unbedingt zu Frau Palm in die Näherinnengilde und leider habe ich mich verlaufen und außerdem wäre es sowieso viel lustiger wenn wir den Weg gemeinsam und nicht hintereinander fortsetzen würden und wenn du schon auf Entenmarsch stehst könntest du doch voraus gehen, denn ich find allein sicher nicht hin", antwortete Angie.
Harry Spalter der hier seine Chance sah, sagte zu und versprach Angie, sie schnurstracks zum Haus der Näherinnengilde zu geleiten.
Während des gemeinsamen Fußmarsches erzählte Angie dem offensichtlich sehr interessiertem und netten Harry euphorisch von ihrem Leben und dem neuen Job bei der Stadtwache:
"... tja und heut hab ich meinen ersten Auftrag. Dieses Päckchen hat mir Kommandeur Tod vorhin in die Hand gedrückt, ich soll es zu Frau Palm bringen. Ich frage mich nur was das zu bedeuten hat ... vielleicht hat ja Tod was mit Frau Palm und er schickt ihr einen Verlobungsring, ich mein ja nur, wegen dieser Schleife, also es muss auf jeden Fall ein Geschenk sein. Wobei ich mir ja nicht wirklich vorstellen kann, also Tod und eine Näherin? ... Ich mein ja nur was die Leute dazu sagen würden. Vor allem welche normale Frau würde sich mit Tod einlassen. Aber romantisch wäre es schon irgendwie ..."
Angie LeFay freute sich so sehr dass sie endlich einen Freund gefunden hatte der ihr zuhörte und sprach sich alles von der Seele, was ihr grad so einfiel. Als ihr bewusst wurde, was sie gerade erzählt hatte brach ihr Redeschwall abrupt ab, sie blieb stehen, hielt Harry abermals fest und meinte:
"Du, was ich vorhin erzählt hab bleibt doch unter uns, ich sollte das nämlich niemanden sagen." Geistesabwesend antwortete Harry, der offensichtlich gerade dabei war, die Fülle an Information die er gerade erhalten hatte gedanklich zu sortieren:
"Aber sicher doch."
Für den Rest der Strecke war Angie dann sehr schweigsam. Bei der Näherinnengilde angekommen und dem Abschied nicht mehr fern fragte Harry, der offensichtlich Gefallen an diesem redseligen Mädel gefunden hatte, ob sie sich denn wieder mal sehen würden. Angie meinte sie würde sich bei ihm melden sobald sie Zeit hatte und fragte ihn nach seinem Aufenthaltsort.
Harry antwortete: "Du kannst mir eine Nachricht im Büro der Ankh-Morpork-Times hinterlassen, ich bin dort Reporter" und verschwand.
"Ups", dachte Angie bei sich, als sich ihr Gehirnapparat einschaltete "jetzt sitz ich ganz schön in der Patsche, Tod hatte mich doch extra gebeten niemanden etwas zu erzählen und ich kann mein Mundwerk nicht halten und erzähl das ganze dann auch noch einem Reporter, das sieht mir wieder mal ähnlich." Schnell machte sie sich auf in die Kammer von Frau Palm, übergab ihr das Päckchen (einen kleinen Grinser auf ihren Gesicht konnte sie sich dabei nicht verkneifen) und ihre Uniform und machte sich eiligst auf den Weg, denn sie hatte noch etwas klar zu stellen bevor sie in die Wache zurückkehrte.
Ob die Tatsache, dass Herr Harry Spalter für drei Tage als vermisst gemeldet wurde und dann völlig verstört wieder auftauchte und niemals wieder Bleistift und Papier zu Hand nahm und sein weiteres Leben als Einsiedler verbrachte, auf Angie LeFay zurückzuführen ist, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Auch was dieses ominöse Päckchen zu bedeuten hat wird außer Kommandeur Tod und Frau Palm niemand erfahren.
* Wie es zu diesem Feiertag der speziellen Gattung gekommen war, weiß niemand so genau. Tatsache ist dass einmal im Jahr dieser Feiertag stattfindet und sich sämtliche Mitglieder dieser Familie treffen um sich unter der Erde einzufinden um einige Stunden gemeinsam zu Meditieren. Und da die Insekten ca. 85 % der in Ankh Morpork beheimateten Spezies ausmachen und davon ca. die Hälfte zur Gattung der Fliegen zählt und von allen Fliegen gesehen 7/8 der Familie "Ich-kitzle-dich-so-lange-bis-du-verzweifelt-aus-dem-Bett-springst-Fliege" angehören, kann ein Fernbleiben dieser Familie die Lautstärke der Umgebung schon wesentlich mindern, auch wenn diese Spezies mehr zur nervigen als zur lautstarken Art zählt.
** Angie LeFay verdankt ihren Beinamen jener Tatsache, dass ihr jedes Mal zu Neumond kleine Flügel wachsen, die zwar völlig ungeeignet sind um sich in die Lüfte zu begeben dafür aber die Kleiderauswahl enorm erschweren können.
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