Träge blinzelte die Sonne mit einem (metaphorischen) Auge auf die Scheibenwelt hinab. Es war früh am Morgen und wäre die Sonne ein normaler Arbeiter gewesen, hätte sie jetzt sicher auf die Uhr gesehen und sich gedacht, dass diese Woche mal wieder kein Ende nahm. Es war Montag früh, 8 Uhr.
Müde saß Tricia McMillan in ihrem Büro im Wachhaus und nippte an einer Tasse Kaffee. Nachdem der Fall um den verschwundenen Kaffeedämon geklärt war, herrschten zumindest in der Morgenpause (die Zeit zwischen Dienstbeginn und erster Brotzeit) wieder Ruhe und Ordnung in der Wache. Zufrieden blickte sie sich in ihrem eigenen kleinen Reich um und überlegte, was sie wohl heute in Hargas Rippenstube zu Mittag essen sollte. Gerade, als sie sich sicher war, dass ihr Appetit reichen könnte, um das "Was-du-verdrücken-kannst-für-nur-einen-Dollar-Menü" so richtig auszukosten, hörte sie aus dem Büro gegenüber einen lauten Knall und dann einen ausgiebigen Fluch. Erschrocken rannte sie in Hauptmann Lewtons Büro und sah nach der Ursache des Lärms.
"Ich werd noch zum Tier*, wenn das hier so weitergeht. Wieso stapelt sich denn immer dieser ganze Papierkram bei mir? Kann sich denn da niemand anders drum kümmern? Klären wir hier überhaupt Fälle auf, oder hocken hier alle nur faul auf ihrem Hintern? Mir reichts! Wenn hier nicht bald was passiert, dann ... dann ...", halb begraben unter einem umgefallenen Papierstapel machte Lewton seinem Ärger Luft.
"Meine Güte, jetzt beruhige dich doch wieder! Komm, ich helf dir beim Aufräumen, dann geht´s schneller", bot Tricia dem ausgesprochen schlecht gelaunten Hauptmann an.
Leicht versöhnt antwortete Lewton: "Bei der Gelegenheit sollten wir mal etwas Ordnung hier rein bringen. Diese ganzen vermaledeiten einzelnen Papierfetzen, das macht mich noch wahnsinnig!"
Nach einigen Stunden Sortier- und Stapelarbeit, sah es im Büro wieder einigermaßen manierlich aus und der Boden war geschmückt mit verschieden großen Stapeln bunter Zettel. "So, mal sehen ... dieser Fall ist seit zwei Jahren abgeschlossen ... hier wurde die Anzeige zurückgenommen ... diese Anzeige war ein Aprilscherz von Schmiede, der soll mir heute unter die Finger kommen ... ah, ja diese Meldungen gehören eigentlich zu F.R.O.G., kein Wunder, dass die bei uns keinen interessieren...", leise vor sich hinmurmelnd ordnete Lewton die übrigen Papiere. "Ah aber hier, das ist neu und das sieht verdammt wichtig aus", mit diesen Worten zog er einen Packen ähnlich aussehender Quittungen vom Boden hoch und drückte sie der verdutzten Trillian in die Hand. "Die Anzeigen liegen auch dabei, sie doch so gut und kümmer dich drum, dann kann ich hier in Ruhe weitermachen", sagte er in ihre Richtung und vertiefte sich schon in die nächsten Stapel.
Leise grummelnd ging Tricia über den Gang in ihr Büro zurück. "Einmal bietest du jemand deine Hilfe an und schon hast du wieder einen Fall am Hals, als ob ich sonst nix zu tun hätte", dachte sie mißmutig. An ihrem Schreibtisch vertiefte sie sich erstmal in die Anzeigen und versuchte zu überblicken, wo das Problem lag. "... Diebstahl ... ohne offizielle Quittungen ... Quittung auf der B.L.U.R.R. steht ... dringend ... hochrangige Geschädigte verlangen Aufklärung" las sie einzelne Satzfetzen laut vor. "Na toll, da ist er ja wieder einen Super-Fall an mich losgeworden", dachte sie ironisch. Ein Blick auf ihren Uhrendämon zeigte ihr, dass sie das Mittagsmenü in Hargas Rippenstube inzwischen vergessen konnte und ihr Magen erinnerte sie lautstark daran, dass sie seit der Kaffeepause nichts mehr gegessen hatte. Leicht gereizt machte sie sich auf den Weg in die Stadt und hoffte, unterwegs noch etwas Essbares aufzutreiben.
In einem kleinen Haus in den Schatten klopfte es an der Tür. Knarrend öffnete sich ein Klappe in Kniehöhe und eine dünne Fistelstimme krächzte: "Das Kamel des Adepten reitet auf einem grünen Hund mit Schafskopf."
"Die Leber des bleigrauen Troll veträgt kaum Migräne", flüsterte ein beleibter Mann in schwarzer Kutte zu dem Guckloch hinunter.
"Wie? Ich hab dich nicht verstanden, du mußt lauter reden" beschwerte sich die Fistelstimme.
"Die Leber des bleigrauen Troll verträgt kaum Migräne", sagte der Mann in normaler Lautstärke und sah sich ängstlich nach eventuellen Zuhörern um.
"Was hast du gesagt? Du sprichst zu leise", mahnte die Fistelstimme ungeduldig. "Die Leber des bleigrauen Troll verträgt kaum Migräne", schrie der entnervte Mann. Als das Echo endlich verhallt war, öffnete sich knarrend die Tür zum Haus und ein rund zwei Meter großer, unglaublich dünner Mann richtete sich auf und sagte: "Schrei doch nicht so. Als ob ich dich nicht verstehen würde". Der Dicke folgte dem Dünnen den Gang entlang bis zu einem Raum, in dem schon mehrere andere in Kutten standen und leise miteinander flüsterten. Als die beiden Männer eintraten, löste sich einer aus der Gruppe und schlug eine kleinen Gong am anderen Ende des Raums. "Meine Freunde, wir haben uns heute hier versammelt, um die weitere Vorgehensweise von B.L.U.R.R. zu besprechen. Auf dem Plan steht für heute die Festlegung der nächsten Aktionen, sowie ein gemütliches Essen. Noch fehlt unser Gerhard Rosengelb und Björn Knochenbrecher, also schlage ich vor, wir beginnen erstmal mit dem Essen". Unter zustimmendem Gemurmel verteilten sich die vermummten gestalten an zwei Tischen und begannen ein fröhliches Gelage.
Trillian war unterdessen noch schlechterer Laune. Zuerst hatte sie die Diebesgilde aufgesucht und in aller Höflichkeit nachgefragt, was diese ihr zu den unlizensierten Diebstählen sagen konnten. Mürrisch hatte sie nur die Antwort erhalten, sie solle sich selber um den Kram kümmern, dafür sei sie als Wächterin ja wohl zuständig. Nur mit größter Anstrengung konnte sie den Drang unterdrücken Herrn Boggis Nase ihrer rechten Faust vorzustellen, doch sie wußte ja, was das wieder für einen Aufstand geben würde und auf ein Dieszihplinahr ... eine Strafe hatte sie im Moment nun überhaupt keine Lust. Als sie gerade das Gildenhaus verlassen wollte, sah sie, wie der stellvertretende Leiter der Diebesbilde einen dunkel gekleideten Mann recht unsanft aus dem Gebäude verscheuchte.
"Und nun lass es dir zum letzten Mal gesagt sein, dass du bei uns nicht aufgenommen wirst! Und wenn du dich auf den Kopf stellt, Björn Knochenbrecher, so einen wie dich können wir hier nicht brauchen", schrie er ihm höhnisch nach. "Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt! Ich habe einflußreiche Freunde, die werden dafür sorgen, dass die Diebesgilde ihren Einfluß verliert, wir werden euch vernichten, so wahr ich zu B.L.U ....", der aufgebrachte Zwerg schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und suchte schnell das Weite.
"Hm, das hört sich aber interessant an", dachte sich Trillian. "Ob der wohl wirklich das aussprechen wollte, was ich vermute?" fragte sie sich und beschloß zur Sicherheit die Verfolgung aufzunehmen.
Nach einer Verfolgungsjagd quer durch Ankh-Morpork erreichten Björn Knochenbrecher und sein verdeckter Schatten Tricia ein Haus in den Schatten. Vorsichtig klopfte er an die Tür und eine kleine Klappe in Bauchhöhe (für eine Zwerg) öffnete sich.
"Das Kamel des Adepten reitet auf einem grünen Hund mit Schafskopf.", krächzte eine hohe Stimme.
"Die Leber des bleigrauen Troll verträgt kaum Migräne", flüsterte Björn zu dem Guckloch.
"Wie? Ich hab dich nicht verstanden, du mußt lauter reden" beschwerte sich die Fistelstimme.
"Die Leber des bleigrauen Troll verträgt kaum Migräne", sagte Björn so laut, dass man es in der ganzen Straße hören konnte.
"Ah, Björn komm rein. Wo hast du denn Gerhard Rosengelb gelassen?", fragte die Fistelstimme.
"Der müßte gleich kommen", antwortete Björn nervös. "Jetzt lass mich endlich rein."
Die Tür öffnete sich und Björn trat ein.
Hinter einer Regentonne rieb sich Tricia verschmitzt lächelnd die Hände. Na, wenn das kein wunderbarer Zufall war, dann wußte sie auch nicht mehr weiter. Jetzt nur noch eine schicke schwarze Kutte finden und dafür sorgen, dass dieser Gerhard Rosengelb nicht hineinplatzte und die Party konnte beginnen. Während sie noch überlegte, wie sie ihn am besten finden sollte, hörte sie leise Schritte die Straße entlang kommen. Vorsichtig spähte sie über den Rand der Regentonne. "Ein Mann in einem schwarzen Umhang, der genau auf dieses Haus zusteuert: kombiniere, ich habe Gerhard gefunden", überlegte sie. Ohne zu Zögern sprang sie auf und stellte sich dem überraschten Wanderer in den Weg. Noch bevor er reagieren konnte, hatte sie ihm ein altes Taschentuch in den Mund gesteckt und stülpte ihn kopfüber in die (leere) Regentonne. "Paßt ja wie angegossen", dachte sie grinsend und rollte Faß mitsamt Inhalt einige Querstraßen weiter. Dort zog sie sich den Umhang des in der Tonne steckenden Gerhard an und machte sich auf den Weg zu dem Haus.
"Ah, Bruder Rosengelb, endlich! Wir haben nur noch auf dich gewartet", begrüßte einer der Anwesenden den Neuankömmling. "Dann wollen wir doch mal anfangen und anhören, was uns Björn von seinem Besuch bei der Diebesgilde zu erzählen hat" "Es ist nach wie vor so, dass sie mich nicht aufnehmen werden. Also bestehen auch für euch anderen kaum Chancen. Wer einmal bei einer Prüfung durchgefallen ist, wird keine zweite Chance erhalten", erzählte Björn.
"Also, das ist doch ... na, die können was erleben ... sowas Überhebliches" aufgebrachte Stimmen redeten wild durcheinander.
"Ich bin also der Überzeugung, dass B.L.U.R.R. weiterhin die Arbeit der Diebesgilde sabotieren muß und ihnen auf jede erdenkliche Weise Schaden zufügen sollte", schloß er seine Rede.
Tricia hatte damit genug gehört und entschloß sich zu einem spektakulären Auftritt. Mit einer Geste warf sie ihren Umhang von sich und sprang mit gezücktem Schwert auf einen Tisch.
In die schlagartig entstandene Stille schmetterte sie laut und deutlich die Worte: "Im Name der Wache, ich erkläre euch hiermit alle für verhaftet!"
Nach einem ersten erstaunten Moment des Schweigens räusperte sich einer der Männer und fragte: "Dir ist sicher schon aufgefallen, dass du etwas in der Minderzahl bist 'Wächterin'? Wie stellst du dir das denn vor?"
"Ihr glaubt ja wohl nicht, dass ich hierherkomme und niemand Bescheid weiß, wo ich bin", gab Trillian zurück. "Verstärkung wird jeden Moment eintreffen, also werft eure Waffen weg und ergebt euch!"
"Meine Güte, im ersten Moment, dachte ich schon, dass ihr es nicht mehr rechtzeitig schaffen würdet", ächzte Tricia in Lewtons Büro. "Nachdem der erste dieser Wahnsinnigen mich angegriffen hat, dachte ich wirklich, dass mein letztes Stündchen geschlagen hätte", erinnerte sie sich schaudernd.
"Dann aber große Überraschungseffekt, wenn ich treten ein Hauswand, Tunnelblick und Panther kommen durch Hintertür", grinste Granit. "Naja, und die Nummer mit der Axt im Bein hat auch den wenigsten gefallen", meldete sich Schmiedehammer zu Wort.
"Leute, wenn ihr nicht rechtzeitig gekommen wärt, dann säße ich jetzt nicht mehr hier", verdaute Tricia die turbulente Verhaftung.
"Jetzt erklär mir doch bitte nochmal kurz die Zusammenhänge, irgendwie ist mir das alles noch nicht so ganz klar", mischte sich Lewton ein, der inzwischen wieder seine Wächteruniform angezogen hatte.
"Eigentlich ist das gar nicht so schwer", begann Tricia. "Alle Mitglieder von B.L.U.R.R. sind ehemalige Schüler der Diebesgilde, die eines gemeinsam haben: sie sind bei einer Prüfung durchgefallen und deshalb nicht in die Gilde aufgenommen worden. Das hat sie so geärgert, dass sie sich gedacht haben, sie könnten sich vielleicht gemeinsam an der Gilde rächen. Dann wurde B.L.U.R.R. gegründet, als ein Art Gegenstück zur offiziellen Diebesgilde. Sie wollten zeigen, dass es möglich ist, unbehelligt von der Gilde unrechtmäßige Diebstähle durchzuführen. Dann wäre die nächste Stufe gewesen, beim Patrizier vorzusprechen und auf die Unfähigkeit der Diebesgilde der Verhinderung dieser Verbrechen hinzuweisen und anzubieten, es selbst in die Hand zu nehmen. Wäre ihnen das erlaubt worden, hätten die Diebstähle natürlich sofort ein Ende gehabt. Die Diebesgilde wäre blöd dagestanden und sie hätten gehofft, statt der Diebesgilde die offizielle Institution für diese Art der Verbrechen zu werden. Natürlich wäre kein ehemaliges Diebesgildenmitglied bei ihnen aufgenommen worden. Damit wäre die Rache perfekt gewesen und nie hätte jemand die neue Diebesgilde und die unlizensierten Diebstähle miteinander in Verbindung gebracht", Tricia atmete tief durch.
"Und was bedeutet diese blödsinnige B.L.U.R.R.?", fragte Schmiede.
"Das soll heißen: Bruderschaft zur Legalisierung Unlizensierten Raubs und Rosenkohls", erklärte Tricia. "Falls sie vor Erreichen des Ziels aufgeflogen wären, hätten sie so ihre wahren Absichten immer noch verschleiern können" "Na, da haben die aber die Rechnung ohne R.U.M. gemacht", grinste Lewton zufrieden.
"Ich denke für unsere phantastische Zusammenarbeit haben wir uns heute abend einen ordentlichen Drink in der Trommel verdient. Und die Rechnung werden wir wohl oder übel an die Diebesgilde schicken müssen, weil die uns ja im Endeffekt den Ärger eingebrockt haben", lachte der Hauptmann.
Langsam ging die Sonne unter und warf ihre letzten Strahlen auf Ankh-Morpork. Wenn sie auch bis in die Schatten geschienen hätte, hätte sie einen Mann in einer Regentonne gesehen, der verzweifelt versuchte, sich zu befreien. Tja, auch der beste Ermittler kann ja mal was vergessen!
* Und wenn Lewton das sagt, dann meint er das meist auch genau so!
ENDE
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