Verdeckter Ermittler - nur für "ganze" Kerle!

Bisher hat keiner bewertet.

von Obergefreite Tricia McMillan (RUM)
Online seit 05. 06. 2001
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Die Ausbildung und Prüfung zum verdeckten Ermittler stellt hohe Anforderungen - da kann man schon mal den Kopf, pardon, den Arm, verlieren.

Dafür vergebene Note: 13

Wieder einmal hetzte Trillian keuchend in den zweiten Stock des Wachhauses und hoffte inständig, pünktlich zum vereinbarten Termin mit Hauptmann Lewton zu kommen.
Nach ihrem Lehrgang in Pseudopolis zum Thema "Tarnen und Täuschen" war sie in ihre Wohnung zurückgekommen und hatte auf dem Fensterbrett eine halbverhungerte Taube gefunden, mit dem Abzeichen der Wache. Seufzend hatte sie ihr etwas zu Fressen gegeben und sich den Brief, der am Bein der Taube festgemacht war, durchgelesen.
"Gefreite McMillan! Hiermit ergeht an dich die dringende und absolut nicht ablehnbare Einladung zu einem Dienstgespräch am Tag nach dem Tag deiner Rückkunft in Ankh-Morpork um 10 Uhr in meinem Büro. Gezeichnet, Hauptmann Lewton"
"Ach, du meine Güte, was soll denn das wieder?", hatte sich Trillian unwillig gedacht.
Natürlich war sie aber der "freundlichen Bitte" sofort nachgekommen und stand nun leicht außer Atem vor Lewtons Büro. Zögernd schaute sie nochmal auf ihren Uhrendämon und kontrollierte die Zeit. "Naja, wenigstens bin ich einmal pünktlich", stöhnte sie angesichts der beinahe nachtschlafenden Zeit. Nach einem forschen Klopfen betrat sie den Raum und salutierte.

"Ah, Tricia, gut dass du da bist, ich hatte gar nicht so früh mit dir gerechnet", murmelte Hauptmann Lewton mit vollem Mund durch seine Frühstückssemmel.
Mit aufeinandergebissenen Zähnen antwortete Trillian: "Falls euer Hauptmannigkeit die Güte hätte, sich zu erinnern, dass eine Taube bei mir wartete und einen sehr dringenden Eindruck erweckte. Es tut mir auch fürchtlich leid, das Frühstück zu stören, aber wenn wir dann zur Sache kommen könnten?"
"Na, immer langsam mit den jungen Pferden", beschwichtigte Lewton. "Es ist ja gar nichts wirklich Weltbewegendes. Wie du sicher mitbekommen hast, ist es im Grunde nötig, als Wächter mit Spezialfähigkeiten, was auf verdeckte Ermittler ja mit Sicherheit zutrifft, eine gewisse ausbildung zu duchlaufen", fing er mit seiner Erklärung an. "Gerade in deinem Fall ist das ein wenig durcheinandergeraten, denn deinen ersten Fall hast du ja schon erfolgreich abgeschlossen, bevor du überhaupt in den Genuß einer Ausbildung gekommen bist", führte Lewton aus. "Und diesen Lehrgang in Pseudopolis, den du gerade absolviert hast, könnte man ja wohl unter Umständen als so etwas durchgehen lassen", deutete er vorsichtig an. "Trotzdem ist es aber nötig, dass ich dir noch einige Tips mit auf den Weg gebe und dich einer Art Prüfung unterziehe, hast du das verstanden?" Mit erhobener Stimme wandte er sich an eine verdächtig schlafend aussehende Trillian, die wie ein kleines Häufchen in dem Sessel vor seinem Schreibtisch hing.
Aufgeschreckt stotterte Tricia: "Wie, was, ja sicher, genau das wollte ich auch vorschlagen, um was ging es nochmal?".
"Berichte von dem Lehrgang, dann halten wir einen kurzen Unterricht und ich verkünde dir dann deine Prüfungsaufgabe", faßte Lewton zähneknirschend zusammen.

Nach zwanzig Minuten hatte Trillian die wichtigsten Aspekte der Fortbildung in Pseudopolis dem Hauptmann nähergebracht, wobei sie es komischerweise vermied, auf die abendlichen Aktivitäten und das "Mischen unters Volk" einzugehen. Zufrieden betrachtete Lewton die Urkunde, die seine verdeckte Ermittlerin als "von dero geheimschaftliche Gesellschaft der Täuscherei in der Stätte Pseudopolis als anerkannte Meisterin im Umgang mit Tarnung" auswies. "Gut, das ist also der erste Teil, kommen wir nun zu meinen Ausführungen", begann er mit dem Unterricht.
Heimlich gähnend setzte sich Tricia auf dem Stul bequemer zurecht; die letzten Tage waren doch recht anstregend gewesen - nur einmal kurz die Augen zumachen ...
"Hast du das alles mitbekommen?", die Stimme von Lewton schreckte sie aus dem Schlaf.
"Was, ja sicher, kein Problem, mach ich mit links", stammelte sie. "Wie war das mit der Aufgabe nochmal?", fragte sie vorsichtig.
"Meine Güte, jetzt hör halt einmal zu. Du mußt mir die ausgestopfte Taube bringen, die auf Frau Kuchens Hut sitzt", schärfte ihr Lewton ein. "Und zwar bis heute nachmittag, wir haben nicht so viel Zeit", fügte er hinzu.
"Na, das kann ja heiter werden", murmelte Tricia, salutierte und schlich aus dem Büro.

"Nachdenken ist die halbe Miete", dachte sich Trillian und schlenderte erstmal Richtung Flohmarkt in der Nähe der Unsichtbaren Universität. An einem kleinen heruntergekommen Stand entdeckte sie einen schwarzen Umhang, der zwar recht komisch roch, ihr aber irgendwie unheimlich nützlich erschien.
"Das sollte sich für meine Prüfung verwenden lassen", überlegte sie und kaufte geistesabwesend den Mantel, ohne ihn anzuprobieren. Einige Straßen weiter, wunderte sie sich über das Gewicht des neuerworbenen Kleidungsstücks. Vorsichtig nahm sie ihn aus der braunen Tüte, in die der Verkäufer ihn eingepackt hatte und hielt ihn offen vor sich. Sie schüttelte ihn leicht und da fiel auch ein eingewickeltes längliches Paket zu Boden.
"Was zum ...?", vorsichtig stupste sie das Paket mit einem Fuß an und wartete auf eine Regung. Nichts passierte. Engagiert nahm sie den überraschenden Kauf in die Hand und wickelte das Papier ab. Langsam entfaltete sich mit dem Papier auch ein eher süßlicher und brechreizerregender Geruch.
"Na warte, wenn das eine neue Masche von Schnapper ist, um seine Würstchen an den Mann zu bringen, dann Gnade ihm Gott", regte sie sich auf. Ganz ausgepackt, stellte sie dann aber fest, dass sie kein Würstchen vor sich hatte, sondern einen ganzen Arm. Einen Arm, der wohl mal jemand gehört hatte und der ihn inzwischen sicher schrecklich vermissen würde (oder auch nicht mehr).
"Den muß ich auf die Wache bringen", schoß ihr durch den Kopf. "Obwohl? Da soll mich doch der Teufel holen, wenn das nicht die Lösung für meine Aufgabe ist", grinste sie plötzlich in sich hinein.

Zaghaft klopfte es an der Tür von Frau Kuchen.
"Komme gleich", rief die Hausmutter der verschiedensten Untoten in Richtung Eingang. Mit den Zähnen biß sie einen Faden ab, der einen Fuß und seinen Besitzer verband.
"So, jetzt sollte dein Fuß aber wieder für ein Monat dranbleiben", sagte sie aufmunternd zu einem traurig dreinschauenden Zombie, der vor ihr auf dem Sofa saß. Leise summend ging sie zu Tür und öffnete.
"Bitte, Frau Kuchen, ich brauche ihre Hilfe. Mein Arm fällt mir in letzter Zeit so leicht ab und ich bräuchte einen Platz, um ihn mal wieder ordentlich zu befestigen. Ich hatte gehört, sie könnten mir da weiterhelfen", ächzte eine schlanke Gestalt in einem verblichenen und zerschlissenen schwarzen Umhang.
"Ach Gott, sie Ärmster, kommen sie doch erstmal rein, dann sehen wir weiter, Herr ....?", antwortete Frau Kuchen mitleidig.
"Mein Name ist Sewastopol Traumirnicht. Ich bin auf der Durchreise und suche eine Unterkunft, die Ex-Lebendigen gegenüber freundlich gestimmt ist", brummte Trillian in ihrer tiefsten Stimme.
Leicht mißtrauisch beäugte Frau Kuchen den unangekündigten Gast und überlegte, ob es in der heutigen Zeit sinnvoll wäre, einen völlig Fremden ins Haus zu lassen. Ihre Instinkte meldeten ihr, dass hier etwas faul sei. Vielleicht wäre es an der Zeit die Vorsehung einzuschalten?
"Nein, schauen wir erst mal, ob er sich irgendwie auffällig verhält, wo kämen wir denn da hin, wenn wir schon im eigenen Haus die Gabe der Vorsehung bemühen müßten", argumentierte sie leiser vor sich hin.
"Naja, dann kommen sie halt mal rein", entschied sie dann und schüttelte Tricia/Sewastopol energisch die Hand.
"Ach, du meine Güte, das tut mir aber leid", entschuldigte sie sich kurz darauf und wedelte verlegen mit einem Arm in der Hand. "Das werde ich natürlich sofort in Ordnung bringen, kommen sie mit"; damit zog sie die Wächterin in geheimer Mission in ihr Wohnzimmer.
"Na, also ein Untoter ist er schon mal auf jeden Fall, dann ist momentan wohl meine Intuition etwas durcheinander", dachte sich Frau Kuchen.
Trillian konnte ihr Glück kaum fassen. "Hat sich dieser Fortbildungskurs doch tatsächlich gelohnt. Wer hätte das gedacht", schmunzelte sie in sich hinein. ", Frau Kuchen, das ist zu nett, aber ich habe aus Klatsch einen neuen Kleber gekauft, das mit dem Arm erledige ich selbst, wenn sie mir ein kleines Zimmerchen zeigen, vielleicht könnten sie mir etwas Wasser dazugeben, dann kann ich ihn mir anrühren?", fragte sie ihre Helferin.
"Oh, das tut mir jetzt aber leid, meine Zimmer sind gerade alle belegt", entschuldigte sich Frau Kuchen.
"Es muß ja auch nur ein kleiner privater Raum sein, ich lasse mir so ungern beim Anbringen meiner Körpoerteile zusehen, da bin ich immer ein wenig schüchtern", bat Sewastopol.
"Lassen sie mich nachdenken, mein Guter, vielleicht fällt mir ... ja, aber sicher, wenn es sie nicht stört, können sie in mein Ankleidezimmer gehen, das ist der einzige Platz, wo momentan niemand ist", schlug Frau Kuchen vor.
"Oh das wäre wundervoll", seufzte Tricia zufrieden.

Einige Minuten später kam sie wieder aus dem Ankleidezimmer heraus und schüttelte Frau Kuchen überschwenglich die Hand.
"Danke, meine Liebe, vielen Dank, ich werde sie allen Bekannten weiterempfehlen, wenn sie nicht gewesen wären, hätte ich meinen Arm auf der Straße wieder befestigen müssen, nochmals Danke, dass sie mich vor dieser Schande bewahrt haben", verabschiedete sich Sewastopol Traumirnicht von Frau Kuchen.
Verwirrt registrierte diese den, für einen Untoten, überraschend festen Händedruck und stammelte: "Aber sicher, war mir doch eine Freude, kommen sie mal wieder vorbei", und schwupp, war er auch schon wieder draußen.
Irgendwie konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass irgendwas an der ganzen Sache faul war.

In Lewtons Büro staunte der Hauptmann nicht schlecht, als ihm Trillian das geforderte Objekt mit einem süffisanten Grinsen auf den Tisch legte.
"Wie ist dir das nur gelungen? staunte er.
"Tja, wer kann, der kann", grinste Trillian nur.
"Aber Frau Kuchen läßt doch nur Untote in ihr Haus, wie hast du hinkommen können? Sobald sie außer Haus geht schaltet sie ihre Vorsehung ein, dann hast du im Prinzip keine Chance ungesehen ranzukommen, Ich versteh das nicht", der Hauptmann schüttelte ungläubig seine Kopf.

"Tja, das sind eben die Tricks der verdeckten Ermittler, ist ja schließlich mein Job. Wie sieht das also jetzt aus, können wir die Prüfung und meine Ausbildung damit auch als abgeschlossen betrachten?", fragte Tricia.
"Ja, klar, das war erstklassige Arbeit, aber gib bitte Frau Kuchen ihre Taube zurück, sonst denkt sie noch, sie wäre wirklich bestohlen worden" bat Lewton.
Zufrieden verließ Tricia McMillan das Büro und, nach einem Abstecher über den Anzeigeneingang, machte sich auf den Weg, um bei Frau Kuchen die Taube wieder auf den Hut im Ankleideraum zu bringen.

Ende



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