Die S.E.A.L.S. sind hoffnungslos unterbesetzt. So kommt auch der Kommandeur nicht um die Arbeit herum.
Dafür vergebene Note: 14
"Zwei Ziele. Menschen" , flüsterte eine leicht angespannt wirkende Stimme; "Ich übernehme den linken, du den rechten!"
"Alles klar.", flüsterte eine zweite Stimme, "Es kommt auf's Timing an. Wir müssen sie absolut gleichzeitig treffen, damit keiner abhauen kann. Also auf drei. Eins.....zwei...."
"Warte! Auf drei oder auf drei und dann geht's los?"
"Was?!", fragte die zweite Stimme entrüstet.
"Na verstehst du nicht, das macht einen riesigen Unterschied!"
"Ich glaube du hast zu viele Klicker gesehen. Schieß einfach auf drei. Das machst du von alleine richtig. Mach dir keine Gedanken darüber."
"Das geht jetzt nicht mehr!"
Es folgte eine kurze Gesprächspause.
"Vielleicht sollten wir schießen, sobald wir das weiße in ihren Augen sehen."
"Ha! Wer hat denn nun zu viele Klicker gesehen!"
"Ach, verdammt! Auf drei also!"
"Nicht auf drei und?"
"Nein!"
"Fein!"
*
Kommandeur Rince öffnete den Spind in seinem Büro. Er hustete als ihm eine Staubwolke entgegenwehte.
"Ah! Wer hätte das gedacht, dass wir uns einmal wieder treffen!", sagte er lächelnd und griff in den Spind.
In seiner Hand hielt er ein Paar Stiefel, welches schon weit über das Stadium, als man es als ´gut eingelaufen` bezeichnen konnte, hinaus war. Rince zog sich die alten Stiefel an und griff nach seinen Brustharnisch, welchen er mindestens ebenso lange nicht mehr getragen hatte wie seine Stiefel. Er war gerade dabei ihn anzulegen, als er hinter sich ein anerkennendes Pfeifen hörte. "Hey, Kommandeurchen! Mach disch nackig! Hehe!"
Rince stöhnte genervt während er sich weiter anzog. Die Stimme des Meldedämonen Stuff war ihm nur allzu bekannt. Er war einer von drei Dämonen, die vor kurzem nach einem Streik zu Wächtern ehenhalber ernannt wurden. Stuff war im im Vergleich zu seinen zwei Kollegen viel kräftiger. Sein winziger ca. 8 cm großer Körper war über und über mit Muskeln bepackt, so dass er mindestens über die verblüffende Kraft eines Gnoms verfügte.
"Stuff, wie oft habe ich dir gesagt, dass du hier nicht einfach so reinplatzen sollst!", fuhr Rince den Meldedämonen an, welcher lässig in der Öffnung des Röhrensystems saß und die Beine baumeln ließ. "Das hier ist das Büro des Kommandeurs der Wache, und der bin zufälligerweise ich. Also erweise mir den Respekt und..."
"...zieh deinen Bauch ein, sonst kommst du da nie rein!", unterbrach ihn Stuff ungeniert, "Was willst du überhaupt mit deiner Streifenausrüstung, Dickerchen? Die brauchst du doch gar nicht mehr seitdem du den ganzen Tag nur noch im Büro rumhockst."
"Stimmt genau! Diese Zeiten sind nun vorbei. Seitdem sich die Wache spezialisiert hat und es nun viele Abteilungen gibt, hat sich die Anzahl der Wächter, welche auf Streife gehen, deutlich minimiert."
"Achja, wieviele Wächter hast du denn jetzt, die für dich Streife laufen?"
"Vier", kam Rince zögernde, leicht beschämte Antwort.
"Ha! Dich eingeschlossen?"
"Nungut, drei"
"Haha! Na dann leg mal deinen Brustharnisch an, Dickerchen! Vorher sind rund um die Uhr mindestens 10 Wächter auf der Straße gewesen, und wieviele seid ihr heute nacht? Du gehst bestimmt alleine, stimmts?"
Rince schwieg.
"Haha! Da kommen ja üble Zeiten auf uns zu!", lachte Stuff laut und packte eine Zigarette aus, die er sich genüsslich anzündete.
"Das schlimmste ist, dass sich die fehlende Präsenz der Wache auf der Straße sich schon bemerkbar gemacht hat. Das Gesindel glaubt, es könne sich erlauben was es will. Heute Nacht wurden zwei Leute in einem respektablen Viertel auf offener Strasse mit Armbrüsten erschossen und ausgeraubt. Lewton meinte, dass R.U.M. den Tätern auf der Spur ist, sie jedoch nicht verhindern können, dass das heute Nacht so weitergeht. Also müssen die S.E.A.L.S. mal wieder aushelfen. Darum gehe ich eben auch auf Streife, wir brauchen da draussen jeden Mann."
"Naja, dann viel Spaß. Ich mach's mir mal so lange in deinem Büro gemütlich. Du hast doch nichts dagegen, Schäffchen, oder?", fragte Stuff und hüpfte schonmal auf Rince' Sessel, woraufhin Rince drohend mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf dem Dämonen zeigte.
"Du! Treib's nicht zu bunt! Warum bist du überhaupt hier?"
"Achso, das hätte ich schon fast wieder vergessen." Stuff stand auf, machte eine stramme Figur und salutierte: "Herr Kommandeur, Meldung aus dem S.U.S.I.-Labor. Oberleutnant Ptracy will Sie sprechen. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen vor."
"Ah, sehr gut".
Stuff entspannte sich wieder "Hab ich gut gemacht Schäffchen, häh? Und du beschwerst dich immer über meine Manieren. Ts, ts!"
"Ja, war gar nicht schlecht. Aber nimm das nächste mal die Zigarette aus dem Mund wenn du salutierst. Ich gehe jetzt!", entgegnete der inzwischen fertig angezogene Rince und ignorierte das Gemaule hinter seinem Rücken, als er sein Büro verließ.
*
Der Kommandeur stieg die Treppe ein Stockwerk höher und passierte mehrere Räume des zur Nachtschicht leer gewordenen Wachhauses, bis er das Labor von S.U.S.I. erreichte. Das Labor lag wegen der Explosionsgefahr fernab von den wichtigen Teilen der Wache. Ohne zu klopfen betrat er das Labor.
"Rince, jetzt wird's aber Zeit!", wurde er gleich von Oberleutnant Ptracy empfangen. Die hübsche Wächterin war, wie zu erwarten war, in schlechter Laune.
"Guten Abend, Ptracy!"
"Es muss bereits nach 19 Uhr sein und ich bin immer noch hier, ich kann es nicht fassen. Und das nur wegen diesen zwei Leichen hier auf meinem Obduktionstisch. Nicht einmal Lewton ist deswegen länger geblieben."
"Ich weiss, ich weiss, du machst Überstunden. Aber ich brauche unbedingt eine Untersuchung der beiden Opfer von gestern Nacht."
"Aber ich bin doch keine Gerichtsmedizinerin. Ich bin die Abteilungsleiterin von S.U.S.I.. Das macht mich nicht automatisch zu einer Expertin in allen Bereichen!"
"Aber du hast trotzdem was herausgefunden, nicht wahr?", stichelte Rince, welcher genau wusste, dass Ptracy gerne ein Ass im Ärmel behielt.
"Nunja...", die Wächterin seufzte; "also pass auf. Auffällig ist, dass beide Opfer durch einen präzisen Schuss direkt ins Herz getötet wurden. Das war die Arbeit eines Profis."
"Direkt ins Herz?", Rince schluckte und berührte sich unbewusst am Harnisch über der linken Brust.
"Ja, genau. Zudem wurden sicher Präzisionsarmbrüste mit hoher Abschussenergie verwendet. Das erkennt man daran, dass die Bolzen sehr tief in der Wunde stecken. Nicht einmal dein Brustharnisch könnte so einem Treffer standhalten!"
"Verstehe! Was kannst du mir über die Herkunft der Bolzen sagen?", fragte Rince.
"Die Herkunft?! Seh ich aus wie eine Spezialistin? Ich geh jetzt nach Hause! Das ist eins was sicher ist!", rief Ptracy schon im gehen über die Schulter.
"Das kann wirklich ein heiterer Nachtdienst werden...", meinte Rince mehr zu sich selber und blickte auf seine tote Gesellschaft, die ihm geblieben war.
*
Die Treppe knarrte unter dem Gewicht des schweren Kommandeurs, als er die Stufen hinab in den Eingangsraum der Wache lief.
"Hallo Rince! Ich mach heute Tresendienst, wenn's dir recht ist.", rief ihm Oma Morkie, die Kommunikationsexpertin der S.E.A.L.S. entgegen, welche heute zusammen mit ihm den Nachtdienst machte; "So ganz alleine sollte eine kleine Wächterin wie ich nicht auf Streife gehen."
"Ist schon okay, so hab ich's mir auch gedacht. Zu blöd nur, dass wir nur vier Wächter sind und Swires mit Kamikhan die Tagschicht machen müssen."
Rince nahm sich aus dem Ausrüstungsschrank eine Mini-Armbrust und einen Ikonographen. Er öffnete die Luke und ein schmächtiger Dämon blickte ihn an.
"Ich hab Hunger!", bellte dieser ihm gleich entgegen.
"Dann geh doch was essen.", entgegnete Rince gelassen.
"Wirklich?", fragte der Dämon verblüfft, da er es nicht gewohnt war, einfach so frei zu bekommen.
"Klar!"
Der Kommandeur half dem Dämonen aus dem Ikonographen.
"Ich muss noch kurz was aus meinem Büro holen, bevor ich auf Streife gehe, Oma", rief Rince in Richtung Tresen.
"Ja, und geh auch gleich im Taubenschlag vorbei und nimm eine Brieftaube mit. Ich habe bereits eine Nachricht vorbereitet. Du musst sie nur noch an die Taube hängen und später losfliegen lassen, falls du meine Verstärkung brauchst."
Rince krazte sich skeptisch am Kopf, ließ sich aber ansonsten nicht anmerken, dass er die Verstärkung der wenige Zentimeter großen Wächterin in einem Notfall nicht unbedingt für die letzte Rettung hielt.
"Ja, klar, mach ich. Welche Taube soll ich nehmen?"
"Nimm Bergfrühling, die ist zuverlässig!"
*
Die Sonne ging langsam unter als Rince endlich zur Streife aufbrach. Es würde eine lange Nacht werden, so ganz alleine auf Streife. Er sollte dringend mehr Wächter für die S.E.A.L.S. verpflichten. Zu dumm nur, dass er die Einstellungen auf freiwilliger Basis gemacht hatte. Wer wollte schon bei seinem früheren Chef arbeiten? Naja, zumindest hatte er die Taube bei sich, welche auch immer es war. Nur OmaMorkie wusste, wie die Namen der Tauben waren. Vielleicht sollte man Namensschilder machen... ja das sollte man vielleicht.
Rince freute sich auf jeden Fall endlich mal wieder ordentlich schlendern zu können.
*
Etwas später war es bereits dunkel geworden in der Esoterischen Straße, nur eine Straße von Rince entfernt. Natürlich war es in der Straße in der Rince war auch dunkel. Die Betonung liegt darauf, dass Rince noch
nicht in der Esoterischen Straße war, denn dort befand sich eine ganz andere Gestalt, welche regungslos im Schatten eines Hauses stand, so dass nicht einmal der Mond und schon gar nicht das menschliche Auge die Gestalt zu sehen vermochte. Die Gestalt wartete regungslos. Die Zeit verging. Dann nahm sie eine Sanduhr aus dem Umhang und blickte darauf.
"ES WIRD ZEIT!"
Langsam hob die Gestalt, nennen wir sie einfach Tod, eine Sense, deren Klinge nun leicht im Mondlicht aufblitze. Eine sich gerade nähernde Person sah dies natürlich nicht. Als die Person auf Tods Höhe war, surrte ein Bolzen heran. Tod schlug zeitgleich zu.
*
´War das ein Schrei gewesen?` Rince verharrte und lauschte, konnte jedoch nichts hören. ´Lag dort vorne nicht jemand auf der Straße?` Langsam griff Rince in Richtung der Brieftaube.
*
"Ich hab ihn!", flüsterte eine bekannte Stimme auf dem Dach eines Hauses in der Esoterischen Straße.
"Sehr gut! Lass uns uns runtergehen und ihn ausrauben", erwiderte eine andere bekannte Stimme
"Warte! Ich habe was gehört!"
"Was denn?"
"Ich weiss nicht... ich glaube, es war..."
Die beiden schraken auf, als in diesem Moment plötzlich ein Vogel an ihren Köpfen vorbeiflatterte, geradewegs zu einem nahegelegenen Baum, wo er sich niederließ. Ein fröhliches Gurren kam aus dem Baum und ein Fluchen ertönte aus der anderen Richtung, es war jedoch zu dunkel, um etwas zu erkennen.
"Was war das?", flüsterte die eine Stimme wieder aufgeregt.
"Ich hab's auch gehört!"
"Da kommt was die Straße heruntergelaufen!"
"Was ist das, ein Mensch?"
"Nein, ist viel zu dick für einen Menschen! Das muss ein Troll sein"
"Dazu isses nicht groß genug."
"Laber nicht! Schiess drauf!"
"Gute Idee..."
Eine Armbrust wurde auf die sich nähernde Gestalt gerichtet und abgefeuert. Die Person fiel mit einem Ächzen um.
"Lass uns runtergehen"
*
Die verrauchte Stimme von Stuff dem Meldedämonen drang panikerfüllt aus dem Ikonographen.
"Hey, Kommandeurchen! Dicker! Sag was! Komm schon! Ist dir was passiert?"
Es kam keine Antwort.
"Warum sind wir umgefallen? Was war das für ein Surren? Lass mich hier raus!"
Wieder keine Antwort.
"Riiiince! Mach keinen Scheiss!", bettelte Stuff.
Ein Stöhnen ertönte und Rince bewegte sich zögerlich. Langsam zog er eine Metallplatte unter dem Brustharnisch hervor, welche den Bolzen abgehalten hatte und lies sie leise scheppernd auf die Straße fallen. Dann öffnete er die Luke des Ikonographen, woraufhin ein erleichterter Stuff herausgeklettert kam.
"Offler sei dank, dir geht es gut, Rince. Ich dachte schon sie hätten dich..."
"Pssst! Dort kommen sie! Kein Wort mehr. Ich tippe dich dreimal an und beim dritten mal greifen wir an!", flüsterte Rince.
"Auf drei oder auf drei und...", begann der Dämon leise.
"Schnauze jetzt!"
Rince blieb regungslos liegen und beobachtete, wie zwei dunkel gekleidete junge Männer auf ihn zukamen. Seine rechte Hand streckte sich ganz langsam in Richtung seiner Mini-Armbrust...
"Guter Schuss! Ein Volltreffer, wie immer!"
Rince tippte Stuff einmal an.
"Hey, das ist ein Wächter!", rief der eine Mann verwundert.
Rince tippte Stuff ein zweites mal an, diesmal energischer.
"Es ist ein Mensch", rief der andere noch viel verwunderter.
Gerade wollte Rince Stuff ein drittes mal antippen, als dieser schon mit einem Kampfschrei auf das Bein eines der Attentäter losrannte um ihm gegen das Schienbein zu treten.
"Was?? AUUUUU!", schrie dieser vor Schmerzen.
Etwas verspätet (auf "drei und") hob Rince die Armbrust und schoss dem anderen Attentäter in die Schulter, woraufhin dieser stöhnend zu Boden ging. Schnell warf sich Rince mit seinem ganzen Gewicht auf den noch stehenden Attentäter und riß ihn zu Boden. Man konnte hören, wie die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde, als er unter dem Gewicht des Kommandeurs aufschlug. Stuff kletterte auf das Gesicht des vom Pfeil getroffenen Attentäters, holte aus versetzte ihm einen Schlag auf die Nase, woraufhin dieser K.O. ging.
Rince packte den angeschlagenen Attentäter am Kragen und hob ihn hoch und sah ihn sich zum ersten mal genauer an.
"Ein Assassine? Aber warum?!", fragte er den Attentäter und schüttelte ihn.
"Wir brauchen doch ein wenig Übung am Objekt!", entgegnete dieser verzweifelt
"Und ohne Auftrag?!"
"Wen kümmert's. Von der Wache war seit Tagen kaum mehr jemand auf der Straße zu sehen. Wir dachten, uns würde nichts passieren. Und das Geld können wir auch gut gebrauchen."
Rince ließ den Assassinen vor sich auf den Boden fallen.
"Ha, das hätte euch so passen können. Morgen bring ich euch erst mal zur Assassinengilde. Ein Besuch in Herr Witwenmachers Büro dürfte deine Einstellung zum Leben grundlegend verändern."
Der am Boden liegende Assassine fuhr mit der Hand in eine Tasche in seinem Gewand und plötzlich blitzte ein Messer auf.
"Das glaube ich kaum.", murmelte er scharf.
"Ich schon, Flachbirne!", ertönte Stuffs Stimme hinter dem Assassinen.
Schnell packte der Dämon ihn bei den Haaren und schlug seinen Hinterkopf hart auf dem Pflaster auf, so dass auch dieser Assassine K.O. ging.
Die Anspannung fiel von Rince ab und er sah erlöst zum Dämonen hinab.
"Vielen Dank, Stuff!"
"Jederzeit wieder, Scheffchen!"
Rince blickte die Straße entlang. Nun galt es nur noch, die beiden eine Zelle zu verfrachten. Sie hatten es geschafft. Beide zusammen. Mensch und Dämon. Ein Team. Außerdem hatte ihm der Dämon gerade das Leben gerettet. Rince atmete durch und blickte zum Baum. Rince bückte sich ächzend zu Stuff hinunter und legte versöhnlich eine Hand auf seine Schulter.
"Holst du die Taube vom Baum?"
"Leck mich, Dicker!"
ENDE
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