Regenzeit

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von Gefreiter Panther
Online seit 06. 04. 2001
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Während Du auf Streife bist, beginnt es plötzlich - trotz Wolkenlosigkeit - zu regnen.
Was ist jetzt wieder los?

Dafür vergebene Note: 14

Immer noch schien die Sonne auf Ankh-Morpork, daß dadurch gewisse Ähnlichkeit mit einem überfahrenen Kaninchen aufzeigte. Der Geruch war durchaus vergleichbar und im Auge des derzeitigen Betrachters waren auch die Menschen nicht viel mehr als Fliegen.
"Ich hätte schon lange etwas unternehmen sollen!" murmelte er, was in Ankh-Morpork wie ferner Donner klang.

* * *

Die Augen einer ganzen Reihe anderer Personen ruhten zum selben Zeitpunkt sehr unfreundlich auf zwei der metaphorischen Fliegen (Wegen der täglichen Auseinandersetzungen in Ankh-Morpork ruhten nicht alle dieser Augen auch in den Höhlen zu denen sie gehörten). Panther und Schmiedehammer schlenderten in einer Unterhaltung versunken durch das Tempelviertel, wobei sie sich nicht um die bösen Blicke kümmerten.
Pan ging gerne mit Schmiede auf Streife da Zwerge von Natur aus nicht religiös waren und seiner Einstellung damit entgegenkamen.
Insgeheim vermutete Pan daß Schmiede und er immer im Tempelviertel zur Streife eingeteilt wurden um die Priester zu ärgern. Aber auch daß kam seiner Einstellung entgegen.

Ein Auge flog an ihm vorbei und er fing es gedankenverloren auf. Schmiede stellte sich auf die Zehenspitzen um das Auge zu begutachten und nickte beifällig.
"Gut erhaltenes Eksemplar!" meinte er sachverständig. "Muß ein Profi gewesen sein.... vielleicht Michel der medizinische Kleptomane."

Ein ganzes Stück weiter oben machte der Blinde Io einen Satz von seinem mobilen Wolkenthron. "Loslassen! Laß Mein Auge Los!! Du Sollst mein Auge Loslassen, Du Ratte!!!" schrie er, wobei er im Kreis herumhüpfte.

Pan schaute irritiert auf den Augapfel zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. "Das verdammte Ding zuckt sogar.... und es schaut mich ziemlich böse an."
"Ach, du weißt doch, wie das ist." meinte Schmiede wegwerfend. "Ist wie mit toten Fischen. Die zucken auch so."
Pan schloß die zweite Hand um das Auge. "Es schwebt aber auch." Sagte er kritisch um es daraufhin zu schütteln.

"Argh!" gab Io von sich, wobei er mit den Armen ruderte und wie betrunken taumelte. Er ächzte. "Ich Glaub´ Ich Muß Mich Übergeben!"

"Sag mal, hast du schonmal was von den fliegenden Augen des Blinden Io gehört?" fragte Schmiede und machte ein paar Schritte rückwärts. "Ich bitte dich, du redest da von einem völlig überholten Glaubenssystem, das -..."

Ein Blitz aus heiterem Himmel traf das Gebäude neben ihm und verwandelte es in eine wirre Masse auseinanderzischender Splitter. Pan zog sich ein paar Splitter aus verschiedenen Teilen des Körpers und meinte ungerührt: "Ein völlig natürliches Fänomehn.... entsteht durch die Reibung thaumischer Partikel oder so." Er machte eine unbewußte Geste mit der Hand in der er das Auge hielt.

Io verlor das Gleichgewicht und schlug lang hin, wobei er ein Geräusch von sich gab daß niedergeschrieben wie "Urgh" klang.

Schmiede schluckte und presste sich an eine Hauswand. Er überlegte: "Wenn ich jetzt meinen Helm werfe, dann-...."
Er warf den Helm.
Der Helm segelte durch die Luft und landete – natürlich – auf einem Huhn, daß daraufhin einen Satz in die Luft machte. Ein weiterer Blitz zuckte herab und die Passanten warfen sich auf die Erde. Ein lauter Donner folgte, jedoch keine Explosion. Statt dessen roch es nach gebratenem Hühnchen.

Dann erklang eine Stimme aus den Wolken: "Laß Endlich Mein Auge Los, Du Bastard."

"Unser Herr spricht zu uns!" entfuhr es einem dicken Priester der hinter Pan stand verzückt. Pan ließ seine Hand aus dem Konzept gebracht fallen. "Argh, Ich Sagte Du Sollst Es Loslassen!"

".....sollst es loslassen" sprach ein Akolyth nach, wobei er Io´s Worte sorgfältig niederschrieb. "Macht Religion die Menschen nicht lächerlich?" fragte Pan dessen Blick mit Verachtung auf dem Akolythen lag.

"Wenn Du Mein Auge Nicht Sofort Losläßt, Wirst Du Bitter Bereuen, Daß Du Es Nicht Sofort Losgelassen Hast!" schrie Io.

".....nicht sofort losgelassen hast"

"Wieso?" fragte Pan gelassen.

"Weil.....Weil...." Io geriet ins schwimmen – solche Fragen war er nicht gewohnt. "......Es Dir Sonst Leid Tun Wird" endete er lahm.

"......leid tun wird"

Pan zuckte mit den Flügeln. "Wieso eigentlich der ganze Aufstand" meinte er und ließ das Auge fallen. Es schlug mit einem feuchten Klatschen in Ankh-Morporks Straßenbelag auf.

"Oh!" machte Pan. "Ähm....naja, man kanns sicherlich wieder abwischen." Er drehte sich um und machte sich eilig auf den Weg wobei er Io´s Wutgeheul ignorierte. "Komm, gehen wir Schmiede!"
"Augenblick, ich hol´ mir nur grad das Huhn, is nämlich gut durch." Schmiede grinste die Umstehenden breit an und eilte Pan hinterher.
Nach ein paar Minuten in Richtung Wachhaus begann es zu regnen. Synchron schauten beide zum wolkenlosen Himmel empor und seufzten.

"Ich finde du benimmst dich grade ziemlich kindisch, Io." vertraute Pan dem Firmament an.

"Ich Bin Das Nicht!" antwortete Io offensichtlich überrascht.

Schmiede schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. "Bestimmt haben die Zauberer wieder mit was rumgespielt wovon sie die Finger hätten lassen sollen." (Wenn Zauberer mit etwas herumgespielt haben, kann man sich gleichzeitig darauf verlassen dass sie auch die Finger davon hätten lassen sollen.)
"Gehen wir, gleich is Feierabend für uns, und außerdem wird das Hühnchen kalt."

* * *

48 Stunden später. Die Sterne funkelten an einem der klarsten Himmel die Ankh-Morpork je gesehen hatte. Und immer noch regnete es. Das Wasser verwandelte die Straßen in Bäche aus Schlamm und Sch... die sich im Ankh vereinigten. Die im Hafen liegenden Schiffe wurden durch das Wasser aus der Stadt am auslaufen gehindert; sie steckten fest.

Lord Vetinari und die wichtigsten Führungspersönlichkeiten der Stadt waren in der Rattenkammer zusammengekommen.
"Uns trifft keine Schuld!" hörte Rince den Oberpriester sagen als er hereinkam und seinen nassen Mantel einem Diener anvertraute.
"Unsere Schuld ist es aber auch nicht!" entgegnete der Dekan der UU angriffslustig. "Genausowenig wie wir!" schloß sich auch der Oberste Alchemist den Unschuldsbeteuerungen an obwohl er grade erst gekommen war und nicht genau wußte worum es eigentlich ging. (Alchimisten achten nicht so sehr auf ihre Umgebung, vermutlich war ihm der Regen noch gar nicht aufgefallen). Immerhin konnte Leugnen kein Fehler sein.
Alle Blicke wandten sich zum Chef der Narrengilde. "Wenn das einer von euren Scherzen sein soll..." knurrte der Dekan.
Der Clown zuckte nervös und sagte: "Hat leider keiner von meinen narren fabriziert."
"Was meinst du mit leider?"
Der Clown begann zu strahlen. "Ist ein verdammt guter Scherz." Er schaute sich lächelnd um und sah in eine ganze Reihe verschlossener Gesichter.
Sein Grinsen verschwand. "Naja," murmelte er und zog sich wieder in den Schatten zurück, "unter anderen Umständen zumindest."
"Also schön..." begann Vetinari und preßte die Fingerspitzen aneinander.
Die Tür flog auf und Herr Boggis stürmte mit rotem Gesicht herein. "Wir haben...." fing er an. Dann stockte er und sah zu Lord Vetinari.
"Verzeihung." Sagte er wobei sich sein Gesicht noch weiter rötete.
Vetinari forderte ihn mit einem leichten Schlenker der Hand auf fortzufahren.
Boggis versuchte sichtlich sich zu beruhigen und startete erneut. "Wir haben eine Mitteilung bekommen wegen dem Regen. Es geht um Langfinger-Mazda."
"Um Langfinger-Mazda??"
"Ja, er hat doch das Feuer gestohlen und der Regen hier," Boggis machte eine ausschweifende Geste mit der Hand, "ist anscheinend eine Art Gegenmaßnahme."
Die Zauberer drehten sich triumphierend, wie ein einziger Mann zu den Priestern um, während Lord Witwenmacher sagte: "Aber das liegt schon sehr lange zurück. Man könnte es gewissermaßen als verjährt betrachten. Ist es nicht etwas spät für eine Gegenmaßnahme?"
Boggis konnte nur hilflos mit den Schultern zucken und richtete seinen Blick anklagend auf die Priester.
"Die Mitteilung ist in die Wand eingebrannt worden! Habt ihr eine Ahnung was die Renovierung kosten wird?" sagte er verärgert.
Oberpriester Ridcully bedachte Boggis mit einem kühlen Blick und meinte dann ohne viel Elan: "Gottes Mühlen mahlen langsam (Vermutlich handelt es sich eher um eine Art himmlische Bürokratie), aber ich werde noch einmal mit meinem Herrn sprechen."
Abermals öffnete sich die Tür und Panther kam mit wehendem Umhang (so verlangte es die Tradition) herein.
"Der Ankh hat die Sandsackbarrikaden weggerammt, Sör:" wandte er sich an Rince.
Die Anwesenden zeigten sich angemessen schockiert – mit dem Wissen, daß sie auf den Vornehmeren Hügeln wohnten.
Rince seufzte. "Ohje,....irgendwelche Vorschläge?"
Pan salutierte. "Felsklötze, Sör! Wenn wir genügend zusammenkriegen, können sie den Ankh vielleicht aufhalten."
"In Ordnung....sag Rascaal er soll alles in die Wege leiten." meinte Rince und konzentrierte sich wieder auf den Oberpriester der grade sagte: "Io wird uns persönlich beehren, weil er seinen Haupttempel bedroht sieht."
Wieder einmal öffnete sich die Tür und etwas sehr seltsames schwebte herein. Es schien eines von Io´s Augen zu sein doch von dem Augapfel hing eine handgelenkdicke, rote Membran, die in einem mit langen Zähnen gespicktem Maul endete.
Das Auge warf Pan einen bösen Blick zu und schwebte zur Mitte des Tisches. "Nur Eine Kleine Vorsichtsmaßnahme." erklang Io´s Stimme, ohne daß er gefragt worden war, aus der Luft, wobei das Auge den sichtlich amüsierten Panther mit einem weiteren bösen Blick bedachte.
Dann drehte sich das Auge wieder zu Priester Ridcully. "Es Ist Der Alte Eldhrimnir." (Anmerkung: Der Name kommt aus der Edda und bedeutet "der im Feuer verrußte", ein Kochkessel in Walhall) meinte Io betrübt. "Er Hat Es Nie Verwunden, Daß Ihm Das Feuer Gestohlen Wurde. Offler Hat Versucht Mit Ihm Zu Reden, Aber Eldhrimnir Hat Ihm Nur Die Schnauze Blutig Geschlagen. Er War Früher Ein Sehr Fortschrittlicher Gott; Von Ihm Hab Ich Auch Die Idee Mit Den Augen."
Als ob es durch Io´s Aussage gerufen worden wäre, schwebte ein zweites Auge herein, offensichtlich zu Eldhrimnir gehörig.
"BALD WERDEN ALLE FEUER ERLOSCHEN SEIN!" kam ein irres Kichern aus der Luft.
"Feuer!!" fuhr Io dazwischen.
Pan zuckte mit den Flügeln und schaute zu den beiden Augen. "Na und? Dann zünden wir sie halt wider an."
"WAS?" fragte Eldhrimnir irritiert.
"Die Selbe Wirkung Hat Er Auch Auf Mich!" klagte Io, wobei Pan von Rince mit einen "Was-Hast-Du-Da-Wieder-Angestellt" Blick gemustert wurde.
"Anscheinend bist du nicht mehr ganz auf dem laufendem, mein Lieber." sagte Pan. "Wir können unsere Feuer schon seit langem selbst wieder anzünden. Und außerdem kannst du es solange regnen lassen wie du willst....wir haben nämlich schon längst eine "Second Edition" entwickelt, die sich nichteinmal mit Wasser löschen läßt, nicht wahr Herr Silberfisch?"
"Ohja," erwiderte Silberfisch erfreut darüber daß sich jemand für ihre alchimistischen Arbeiten interessierte, "man muß einfach nur Phosphor nehmen, und Kalk, und-..." er brach ab als er begriff daß ihm niemand zuhörte.
"UND WAS MACHT IHR DAMIT?" fragte Eldhrimnir mit beruflichem Interesse. "Nun," gestand Pan ein, "meistens schütten wir es auf andere Menschen. Im übrigen, meinst du nicht daß deine ganze Bestrafung ein bißchen spät kommt?"
Eldhrimnir antwortete verlegen: "Nuuun, es mußte schließlich alles geregelt werden, die Formulare ausgefüllt werden und so. Du hast ja gar keine Ahnung wie kompliziert Regen ohne Wolken ist. Und ich wollte mich nicht auf eine Stufe mit diesen ganzen Lumpigen Wettergöttern stellen, die Wolken aufziehen läßt und fertig." Fast die Hälfte der Priester erblaßte sichtlich bei diesen Worten, wie Pan befriedigt registrierte.
Etwas klickte und Pan begann langsam zu grinsen. "Sag mal Io, wenn ich dein Auge zerquetscht hätte, was wär´ dann passiert?"
"Ich Hätte Nichts Mehr Gesehen." Erwiderte Io trocken.
"Hättest du dann noch einen Blitz auf mich schleudern können?"
"Das Ist Ein Religiöses Geheimnis (Religiös und Militärisch sind manchmal schwierig auseinanderzuhalten).....Nagut, Hätte Ich Nicht, Man Muß Sein Ziel Wahrnehmen Können. Ohne Daß Man Ein Ziel Wahrnimmt Läßt Sich Gar Nichts Bewerkstelligen."
"Gut!" grinste Pan, zog eine Armbrust hinter seinem Rücken hervor und hielt sie an den nächsten Augapfel, welcher sich daraufhin weitete.
Ein Inspirationspartikel raste heran und traf Panther. Er zog die Armbrust wieder weg und hielt sie auf Schulterhöhe wobei der Bolzen an die Decke zeigte. (Natürlich paßte er auf, daß der Bolzen nicht herausfiel, daß würde schließlich alles ruinieren).
Er beförderte einen imaginären Zigarettenstummel in einen Mundwinkel und sagte mit rauher Stimme: "Fifty-Fifty!"
Dann schoß er.
Der Bolzen durchschlug den eines der Augen mit dem charakteristischem "Tschhh-pakkk" und blieb schließlich in der Wand stecken.
Alle hören wie Io schluckte und nach einem passenden Ausdruck für "Oh mein Gott!" suchte.
Der Regen ließ langsam nach, Pan lächelte, während das Inspirationspartikel mehrere Kommentare vorschlug. "Got ´im" oder vielleicht "Target eliminated" schoß ihm durch den Kopf, während er die Armbrust wieder nach oben richtete, "Nailed ´im!" sagte er schließlich, und es erschien richtig.
Pan schüttelte verwirrt den Kopf, dann grinste er breit. "Und Gewalt ist doch eine Lösung!"
Er salutierte und ging hinaus um Rascaal dabei zu helfen die Ankh-Barrikaden abzubauen – in einiger Zeit zumindest.

* * *

Weiter oben rollte sich Eldhrimnir auf dem Boden herum und stöhnte eine Zeitlang. Dann stand er wieder auf, mit einem Ausdruck blanken Hasses im Gesicht. Er drehte sich um – und sah (von außen natürlich) wie sich eine Melone mit hoher Geschwindigkeit näherte.
Fruchtfleisch spritzte, und Eldhrimnir sank wieder zu Boden.
Io rieb sich grinsend die Hände und dachte über Pan´s letzte Äußerung nach. "Da Hat Er Durchaus Recht!" murmelte er.



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