Es war ein relativ ruhiger Abend im Wachhaus am Pseudopolisplatz gewesen.
Die Hauptgefreite Swires hatte mehrere nicht lizenzierte Diebstähle und eine Körperverletzung aufgenommen, nun saß sie mit baumelnden Beinen auf ihrem Schreibtisch und wartete auf irgend etwas interessantes, daß ihrem langweiligen Wachdienst ein Ende bereiten würde. Sie wurde nicht enttäuscht.
Die Wichtelin hörte eilige Schritte die Treppe zur Wachhaustür hochstolpern. Die Schritte verharrten kurz vor der geschlossenen Tür und sie hörte ein angestrengtes Röcheln. Dann wurde die Tür aufgerissen. Ein Mann in ziemlich verschmutzten Kleidern trat ein und schaute sich suchend um.
"Hallo, ist hier niemand?" brüllte er nachdem er niemanden entdecken konnte. "Ich bin Steuerzahler und verlange, daß mir sofort geholfen wird!"
"Nun mal ganz sachte mein lieber Mann," tönte es vom Schreibtisch. "Was gibt's, daß du hier so rumbrüllen mußt?"
Der Mann schaute sich verdutzt nocheinmal genauer im Wachzimmer um.
"Hallo.... Hier auf dem Tisch!"
"Oh, ach da. Ich dachte du wärst Dekoration."
Swires sprang von ihrem Sitz auf und pflanzte sich hochmütig vor dem Mann auf.
"Ich habe das jetzt mal freundlicherweise überhört. Aber noch so'n Spruch und ich zieh dir meine Zipfelmütze durch die Ohren."
Der Mann wich, ob dieser Drohung ein paar Schritte zurück. Dennoch fing er an ganz aufgeregt zu erzählen:
"Du mußt mir unbedingt helfen! Ein unfaßbares Verbrechen ist gerade eben in der Quirmgasse geschehen und ich verlange sofortige Aufklärung!"
Swires zog ein interessiertes Gesich und bat den Mann fortzufahren.
"Ich ging nichts Böses ahnend die eben erwähnte Gasse hinunter, als ich hinter mir ein lautes Geknatter vernahm. Ich drehte mich um, und sah zwei große gelbe Augen mit extremer Geschwindigkeit auf mich zukommen."
Der Mann rieb sich das vor Aufregung rote Gesicht. "Ich bin entsetzt stehengeblieben und dann gab dieses etwas ein ohrenbetäubendes Gejaule von sich."
Der Mann sah die Wichtelin mit vor Schreck geweiteten Augen an und konnte nicht weitersprechen.
"Ja, und? Was ist dann passiert?" ermunterte Swires ihn weiterzusprechen.
Der Mann schluckte und sprach weiter:
"Das Ungetüm kam immer näher und hat mich gerammt!"
"Wie gerammt!"
"Na, gerammt eben!"
"Das hört sich für mich aber kaum nach einem Verbrechen an."
"Ist es eben doch, denn ich bin in eine Pfütze gefallen und habe mir meinen teuren Irrmahni Anzug ruiniert, wie du unschwer erkennen kannst." Der Mann deutete auf seine verschmutzte Kleidung. Sein Entsetzen verwandelte sich nun in Wut.
Swires zog die Stirn kraus und dachte eine Weile nach. Sie konnte zwar in der Geschichte des Mannes kein wirkliches Verbrechen entdecken, aber sie wollte unbedingt dem langweiligen Wacheschieben entkommen und sagte deshalb:
"Nun gut, Leute zu rammen ist zwar eigentlich nicht strafbar, aber es kann nicht sein, dass ein merkwürdiges Ungetüm durch Ankh Morpork läuft und wir nichts davon wissen."
Sie sprang auf den Boden und sauste an dem Mann vorbei in ein Nebenzimmer.
"Ist die Quirmgasse nicht in den Schatten?" hörte er sie rufen.
"Ja, dass ist sie!"
Er hörte kurzes Gemurmel und leises Kichern, dann tauchte die Wichtelin auf dem Rücken eines riesigen Wolfshundes wieder auf. Grinsend sagte sie:
"Ich frage mich, was ein respektabler Steuerzahler wie du dort um diese Tageszeit zu suchen hatte."
"Nun,... äh,..... ich weiß nicht..." Der Mann bekam rote Ohren. "Ich hatte dort Geschäfte zu erledigen," fügte er schnell hinzu
"Ja, ja, schon gut. Kann mir schon denken, was das für Geschäfte waren. Das hier ist übrigens Rekrut Bogalesch. Ich denke er kann sich ein wenig nützlich machen. Gehen wir!"
Auf dem Weg zum Tatort fragte Swires den Mann noch ein wenig aus und sie erfuhr, dass es sich bei dem Mann um Ferdinand Pietäht, einen Händler aus der Korngasse handelte und das Ungetüm nicht nur geknattert und gejault sondern auch fürchterlich gestunken hatte. Pietäht beschrieb es als etwa mannshoch und rechteckig mit einer Ausbuchtung am hinteren Ende. Die Gasse sei zu dem Zeitpunkt dunkel und menschenleer gewesen, weshalb es auch keine anderen Zeugen für das scheußliche Verbrechen gab. In der Gasse angekommen nahmen alle drei sofort einen seltsamen organischen Geruch wahr, ausserdem waren an der Stelle, wo Pietäht in die Pfütze gefallen war, zwei seltsame parallele schwarze Streifen auf dem Kopfsteinpflaster zuerkennen.
Der Mann deutet nach Süden und sagte:
"In diese Richtung ist es verschwunden."
"Dann mal los Bogalesch. Such!"
Der Werwolf jaulte auf und setzte sich in Bewegung.
"He, nicht so schnell," beschwerte sich der Händler. "Ich muß selber laufen."
Die drei liefen durch weitere menschenleere Strassen und Gassen bis Bogalesch vor einem großen Tor stehenblieb und leise winselte.
"Hier muß es sein. Bogaleschs Nase irrt sich nie." Swires sprang vom Rücken des Wolfes und hämmerte gegen das Tor. Nach einigen Minuten stummen Wartens sah sie Pietäht verschämt an und bat: "Kannst du mal klopfen?"
Auf die Fausthiebe des Händlers hin ging kurze Zeit später eine Tür in dem Tor auf und ein Mann in blauem Overall schaute die drei mürrisch an.
"Was wollt ihr," raunzte er.
"Wir wollen uns mal bei dir umgucken," sagte Swires, zeigte kurz ihre Diensmarke und war schon zwischen den Beinen des Mannes durchgesaust. Bogalesch folgte ihr, ohne dass der Mann Zeit hatte, Einspruch zu erheben.
"Wir sind hier um ein Verbrechen aufzuklären," erklärte Pietäht wichtigtuerisch und drängte sich an dem Mann vorbei.
"He, was ist mit Durchsuchungsbefehl und so?" beschwerte sich der Mann im Overall.
"Den zeig ich dir, wenn ich ihn beantragt habe," sagte Swires und starrte interessiert einen rechteckigen Kasten an, der halb unter der Decke auf einer Art sehr hohem Tisch ruhte, unter dem mehrere Männer standen und in eine Diskussion vertieft waren. Swires bekam nur Fetzen der Unterhaltung mit:
"Ich frage mich, ob das Gemisch nicht gestimmt hat."
".....Motor......Getriebe.......Verkühler nicht gekühlt ?"
".....zuwenig Tankervolumen.......Abgaser geplatzt...."
Die Wichtelin sah den Mann, der ihnen geöffnet hatte fragend an. Dessen Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, wurde beinahe zärtlich.
"Ist es nicht toll? Ist es nicht wunderschön? Das ist mein Baby," sagte er liebevoll und deutete auf das Ding auf dem Tisch. "Es ist das erste seiner Art."
"Das ist ja ganz schön und gut, aber was genau ist es?" fragte Swires.
"Es ist ein Bürgerkarren!"
"Ein was?!" fragten Swires und Pietäht wie aus einem Munde.
"Ein Bürgerkarren. Kurz BK genannt. Es ist der Prototyp." Der Mann sah die erstaunten Gesichter der beiden und fand sich genötigt eine weitere Erklärung abzugeben.
"Ich habe es erfunden. Es fährt mit Wasser aus dem Ankh und wird mit einem Motor betrieben. Ich habe ihn nach mir - Emil-Motor - benannt." Fügte er nicht ohne Stolz hinzu.
"Es fährt? Mit Wasser aus dem Ankh!?" fragte Swires ungläubig.
"Ja. Wir haben es mit Brunnenwasser probiert, aber das funktionierte nicht."
"Und was macht das Wasser genau?" hakte Swires nach.
"Nun, es verdampft und dann kommt es hinten als gasförmiges Abwasser wieder raus."
"Es verdampft? Das Ankhwasser? Das kann doch nicht gesund sein!" Swires schüttelte sich, als sie an die Zusammensetzung des Flußwassers dachte.
"Nun ja, das kann schon sein", der Mann im Overall war bei diesem Einwand nachdenklich geworden. "Aber seht es doch mal so: Mit diesem Gefährt braucht man keine Pferde mehr und die verschmutzen die Straßen nicht weiter mit ihren Äpfeln." Dieser Gedanke erfreute den Mann sichtlich. "Habt ihr Lust auf eine Probefahrt?"
"Ich denke erstmal müssen wir die Sache mit deinem Anzug klären," erinnerte Swires Pietäht, der den Schaden zwischenzeitlich vergessen zu haben schien. Der Händler sah abwesend auf die Wichtelin hinunter. Swires sah so etwas wie Gier in seinen Augen aufblitzen.
"Danke für deine Mühe. Aber ich denke das hat sich erledigt. Ich will eine Probefahrt mit diesem Ding machen und zwar jetzt sofort." Damit wandte er sich von Wolf und Wichtel ab, legte dem Mann im Overall einen Arm um die Schulter, zog ihn in Richtung Bürgerkarren und sagte:
"Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was für ein gewaltiges Wirtschaftspotential in einem solchen Gefährt steckt?"
Swires sah den beiden nach.
"Ich hoffe der arme Emil lässt sich nicht über den Tisch ziehen."
Damit schwang sie sich auf den Rücken des Wolfes und die beiden trotteten zurück in Richtung Wachhaus.
ENDE
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