Im Zeichen des Flattermanns

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von Hauptmann Rascaal Ohnedurst
Online seit 30. 01. 2001
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Der Schlagende-Flügel-Apparat Leonardo da Quirms ist verschwunden.
Der Patrizier ist außer sich, da eine Flugvorführung kurz bevor steht und droht mit dem üblichen Dienstmarkenentzug,
um die Ermittlungen der Wache zu beschleunigen!

Dafür vergebene Note: 15

"JUUUHUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU!!!" erscholl ein vergnügter Schrei durch den Nachthimmel "HIHOOOO, SILVER!!! (hechel) ICH KANN FLIEGEN! (japs)"
Den meisten Bewohnern der Stadt war diese Erkenntnis ziemlich egal und die Anderen, die sich die Mühe machten, von ihren jeweiligen Verbrechen (denn das sind 90 % der Handlungen hier) aufzuschauen und mißbilligend den Himmel abzusuchen, konnten nichts erkennen, denn die Lärmquelle flog viel zu hoch. Allerdings wären sie ziemlich erstaunt gewesen.
Alle Lebewesen, die wegen der Schwerkraft, mangels Flügel oder aufgrund eines dicken Steines, der mit einem Seil an ihren Fußgelenken (in dieser Konfiguration meistens UNTER Wasser) befestigt ist, nicht in den Genuß des Fliegens kommen (oder nur einmal, ganz kurz und dann von einer hohen Klippe), stellen sich die Geschöpfe der Luft als elegante, stromlinienförmige Wesen vor, die mit ihrem imposanten Flügeln die Lüfte durchstreifen... nun, davon konnte man sich hier getrost verabschieden.
Dieser Flieger hatte zwar auch zwei Flügel und wie es der Zufall so wollte, befand er sich auch in der Luft... aber damit hatte es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Die Flügel bestanden aus präzisen (was auch immer das in Ankh-Morpork heißen soll) aneinander genagelten Holzlatten, auf denen mit einer undefinierbaren, dafür um so abstoßender stinkenden Klebemasse starke Assassinenseide befestigt war. Außerdem waren die Flügel nicht mit dem Körper verwachsen, sondern mit starken Lederriemen an die dünnen Arme gebunden. Außerdem trug der Mann keine Federn sondern pechschwarz gefärbtes Sackleinen, welcher von seiner Frau Robina zu einer Art Hosenanzug vernäht worden war.
Während der Mann schweißtriefend die Arme immer wieder auf- und niederschlug, um noch weiter an Höhe zu gewinnen, dachte er an die ganzen Fragen, die seine Gattin ihm gestellt hatte, als er ihr erklärt hatte, was er plante.
Viele Fragen.
Unangenehme Fragen.
Fragen wie:
Warum brauchst du hochstehende Ohren an deiner Mütze?
Was soll die schwarze Fledermaus auf gelbem Grund auf deiner Brust?
Warum soll ich vor deinem Flugversuch mit einer albernen Lampe in Fledermausform in den Nachthimmel leuchten?
Das gehörte dazu, hatte er geantwortet. Wie hätte er ihr auch sagen können, daß er diesen Anzug in einem Klicker gesehen hatte? Schließlich wußte sie nichts von seinen heimlichen Besuchen im neu erbauten Odium.

Langsam bekam der Mann den Bogen raus und ging in den Gleitflug über. Stolz schaute er auf das matt leuchtende Zeichen auf seiner Brust.. er wußte nicht wieso, aber das Fledermauszeichen auf seiner Brust fühlte sich einfach richtig an.

***

Hermann Kellerassel hatte einen recht außergewöhnlichen Beruf. Er war Auge und Ohr des Patriziers... nun, vielleicht nicht gerade Auge, denn er war kurzsichtig, aber dafür hatte er ein extrem gutes Gehör. Nicht, daß der Patrizier selber keine Augen und Ohren hatte, ganz im Gegenteil, denn seine Augen konnten seinem Gegenüber bis auf den Grund des schlechten Gewissens sehen, während seine Ohren am Gang eines Besuchers hören konnten, ob er etwas im Schilde führte oder nicht. Doch all das nutzte dem Patrizier nichts außerhalb seines Büros und deswegen hatte er Hermann Kellerassel eingestellt, als Hausmeister des Palastes. Wo immer etwas beredet wurde oder Komplotte geschmiedet wurden... Kellerassel war in der Nähe und bekam es mit.
Hermann schaute flüchtig vom Fegen des Ganges auf, als 5 Personen mit dem typischen Ausdruck von Trauer, Unterwürfigkeit und verhaltener Wut aus Lord Vetinaris Büro kamen. Es war immer dasselbe und der Hausmeister hatte es schon hundertfach gesehen: Stolz und zuversichtlich gingen Besucher hinein und kamen meistens als verwirrte Wracks wieder heraus... oder als wütende Berserker... oder sie kamen überhaupt nicht mehr raus. Die einzige Ausnahme, die diese fünf machten, war, daß sie lamettabehangene Ausgehuniformen der Stadtwache trugen.
Behutsam fegte Herr Kellerassel den Schmutz an eine strategisch günstigen Stelle, die direkt am Weg der Wächter lag.
Er wußte, daß sie sich nachher nicht mehr an ihn erinnern würden. Niemand tat das. Wie sollten sie auch? Mit seinem grauen Kittel, seiner schmutzigen Nickelbrille mit dem verbogenen Rahmen und seiner Schlappmütze, auf der mit Kohle "Haus" auf der Vorderseite und "Meister" auf der Rückseite geschrieben war. Er ging immer leicht vorgebeugt, als wenn alle Verantwortung der Scheibe auf ihm Lasten würde und war damit die Unscheinbarkeit in Person. Die Stimmen kamen näher und Hermann schaltete seine Ohren auf Empfang...

***

"Bei allen Dünen meines Reiches, wie macht er das bloß?" schimpfte Oberleutnant Ptracy gerade, als sie den Hörbereich des Hausmeisters betraten. "Ich meine, bei mir Zuhause wagt es keiner, mir zu widersprechen und auch ihr würdet es doch nie ernsthaft versuchen, oder?"
Schnelles hektisches Kopfschütteln war die Antwort, schließlich waren Ptracys Wutausbrüchen legendär.
"Aber bei ihm..." fuhr sie fort und zeigte auf die Bürotür Vetinaris "vergeht mir jeder Widerspruch, sobald ich sein Büro betrete... ICH HASSE DAS!!!"
* Kategorie: Wütender Berserker * dachte Kellerassel.
"Wenn ich nicht schon tot wäre..." sagte Hauptmann Ohnedurst und saugte nervös an seiner Knolle herum "wäre ich vor Angst da drinnen eben gestorben."
"Ja, ich weiß, was du meinst Ras." merkte Oberleutnant Daemon an "Habt ihr bemerkt, daß sogar die kleine Regenwolke, die mich sonst immer verfolgt, VOR dem Büro gewartet hat?"
Kommandeur Rince schaute auf die kleine Wolke über dem Kopf des Oberleutnants. Er hatte recht, selbst sie machte einen erleichterten Eindruck. (Was bei einer Wolke meistens unmittelbare Folgen hat)
"Ja, soooo ruhig ist er noch nie gewesen... ziemlich beängstigend" murmelte Rince.
Der Patrizier hatte das gesamte Offizierschor der Stadtwache in seinem Büro antreten lassen. Er hätte sich nun endlich zur Präsentation eines von Leonardos Erfindungen durchgerungen und nun sei ihm doch das Mißgeschick passiert, daß es ihm abhanden gekommen wäre. Ob die Herren Wächter wohl die Freundlichkeit hätten, das Spielzeug bis übermorgen wiederzubeschaffen. Mehr hatte er nicht gesagt und das mußte er auch nicht. Wofür andere Stunden des Geschreis brauchen, hatte Lord Vetinari nur ein paar Sätze und einen forschenden Augenaufschlag nötig.
"Schlagender-Flügel-Apparat... so ein Blödsinn!" maulte Rascaal und dachte dabei an seine ersten Flugversuche in Fledermausgestalt "Entweder man hat Flügel und kann damit umgehen oder nicht und wenn nicht, dann wird man es sehr schnell bei den ersten Flugversuchen merken... schneller, als einem lieb ist."
Doch diese Worte hörte Kellerassel trotz seines guten Gehörs nicht mehr.

***

Allmählich ging dem Mann die Puste aus, schließlich hatte er nicht die Kraft und Ausdauer eines Trolles (bei den Steinwesen war der Begriff Ausdauer sowieso eine langwierige Sache) und im Gegensatz zu einem Untoten mußte er zwischendurch immer mal wieder Luft holen.
Er hatte sich vor seinem ersten Abflug vorbereitet und viele Bücher gelesen... nun, er hatte sie versucht zu lesen: Es kamen dort Begriffe wie TÄR-MICK, AUFWINDE (als wenn der Wind jemals von unten wehen würde, so ein Quatsch) und AUFTRIEB (er hatte bloß nicht gefunden, was er auftreiben sollte). Leider fiel ihm erst jetzt ein, daß ein ganzes Kapitel in den Büchern immer ausgelassen worden war... das Kapitel Landung. Allmählich begann er auch den Satz am Ende eines jeden Buches zu verstehen, der da lautete: RUNTER KOMMEN SIE ALLE!!!
Allerdings hatte er auch etwas über sich hier oben gelernt und das war auch der Grund, warum er so hoch flog... er war nachtblind.
Verzweiflung begann sich in seine Gedanken einzunisten und der hoffte inniglich, daß seine Frau Robina seine Anweisungen befolgen würde. Verzweifelt schaute er nach unten und suchte das Zeichen. Er versuchte sich an den Lichtern der Straßen zu orientieren und an dem großen dunklen Loch im Süden der Stadt, welches die Schatten darstellte. Vorsichtig, ganz vorsichtig ging der Mann tiefer und steuerte den Bereich an, in dem er sein Haus vermutete. Mit nachlassender Höhe stieg ihm auch das in die Nase, von dem er vermutete, daß damit diese TÄR-MIK Sache gemeint war: Der aufsteigende, üble Geruch der Stadt. Die Ausdünstungen Ankh-Morporks. Gut, daß er seine Mütze außer mit spitzen Ohren auch noch mit einem Gesichtsschutz ausgestattet hatte, denn so traf ihn nicht die volle Gewalt des Gestankes.
Da... Da war es. Seine Fledermauslampe, über die sich seine Frau so lustig gemacht hatte. Langsam kreisend ging er tiefer, doch der Boden war trotzdem schneller bei ihm, als er dachte.
- Verdammte TÄR-MIK dachte er noch.. und schlug mit dem Kopf voran... auf die aufgestapelten Matratzen...

***

Räschärschen in Ankh-Morpork sind eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Es gibt keine andere Stadt auf der Scheibenwelt in der Meinungen so käuflich sind wie hier. Es verlangt eine sensible und diffizile Verhörtechnik, um an Informationen zu gelangen... natürlich hilft es auch wenn man weiß, mit WEM man reden muß. Ab und zu kann es auch nützlich sein den Tatort zu untersuchen.
In diesem Fall befand sich der Tatort in den dunkeln Kellergehäusen des Patrizierpalastes und was noch erschwerend dazu kam, war die Tatsache, daß der Tatort nur ein vollkommen leerer Verschlag von 2 x 2 Meter war.
Schweigend standen die Offiziere vor dem Loch.
"Leer... einfach nur leer!" bemerkte Rascaal "Kein Staub, keine Spinnweben, keine Spuren... ob wir uns die Putzfrau wohl mal ausleihen könnten?"
"Als wenn irgend jemand freiwillig in der Wache putzen würde." schnaufte Oberleutnant Ptracy verächtlich.
"Na ja, eigentlich ist es ja sowieso Frauenarb..." setzte Daemon an, zuckte dann aber zusammen, als Ptracy herumfuhr und ihn mit ihrem sprich-weiter-und-du-trägst-deinen-Kopf-unterm-Arm-hier-raus-Blick ansah "...aaaaber dafür haben wir ja sowieso die unteren Dienstgrade!" rettet er sich über den Moment.
"OK, hier ist nichts zu holen." Stellte Rince fest "Also los, schwärmt aus, quetscht eure Informanten aus. Macht ordentlich Druck. Die Zeit drängt. Wegtreten!!!"
Kurze Zeit später stand Kommandant Rince allein vor dem leeren Verschlag und fragte sich, ob wirklich jemand so verrückt wäre, diese Höllenmaschine auszuprobieren. Dann erinnerte er sich, in welcher Stadt er war und ignorierte die Frage. Am Ende des Flurs fegte ein Mann mit einem abgenutzten Kittel lustlos Dreck zusammen. Rince nahm sich vor, ihm für seine Gründlichkeit ein Lob auszusprechen... und vergaß es wieder.

***

Kopfschüttelnd drehte seine Frau sich um und ging wieder zurück ins Haus. Manchmal fragte sie sich ernsthaft woher ihr Mann immer diese verrückten Ideen hatte.
Nach seiner (durch ihre Voraussicht) weiche Landung war ihr Mann hektisch aufgesprungen und hatte seinen Flugapparat kontrolliert.
"Robina, du mußt früher das Fledermaussignal geben... ich hätte es fast zu spät gesehen!" hatte er angemerkt.
"Kerl, wenn ich nicht sämtliche Matratzen der Nachbarschaft auf den Hof gelegt hätte, dann würdest du jetzt gar nichts mehr sehen" hatte sie geantwortet.
"Ach, Details...Detail! Weib, hol deine Nadeln vor, du mußt noch mehr nähen.. Ich brauche schwarze Handschuhe mit kleinen, schwarzen... äääh... Flossen an der Seite!"
"Flossen???" Robina hatte geglaubt, sich verhört zu haben.
"Genau... und, und, und..." verzweifelt versuchte der Mann, sich an Einzelheiten aus den Klickern zu erinnern. Schließlich hatte er nur noch morgen Nachte und da mußte alles perfekt sein." "Und einen großen Umhang, schön flattrig und hol meinen breiten Gürtel aus dem Schrank. Näh' ein paar Beutel mit Erfrischungen dran!"
An diesem Punkt hatte sich Robina vor ihrem Mann aufgebaut.
"Und mit welcher Hand gedenken der Herr seine Erfrischungen zu sich zu nehmen, wenn sie beide in diesem.. Ding stecken?"
"Mit welcher..." langsam hatte er sich den letzten Satz noch einmal auf der Zunge zergehen lassen "Ok, vergiß die Erfrischungen, näh ein paar Werkzeuge dran!"
"Und mit welcher Hand..." aber ihr Mann hatte hörte ihr schon gar nicht mehr zu.
Als sie nun im Haus stand und aus dem Fenster schaute, fragte sie sich, ob sie morgen Nacht vielleicht Witwe werden würde.

***

Jeder halbwegs erfahrene Wächter hat seine eigen Methode, um an Informationen zu kommen.
Obergefreiter Malachit zum Beispiel stapfte einfach durch die Straßen, packte jeden, der in Griffweite kam am Kragen, zog ihn vor sein Gesicht und fragte:
"DU ES SEIN GEWESEN, SCHURKE HINTERTÜRI...HINTERHÄLTIGER???"
Die Erfolge dieser Methode waren allerdings fragwürdig, da in einer solchen Situation jeder alles gestehen wurde.
Feldwebel Knurblich dagegen hatte eine wesentlich feinfühlerigere Methode der Befragung (nun, zumindest SIE fühlte sich fein dabei). Sie zog sich mit den Informanten (bzw. Verdächtigen, aber diese Begriffe waren meistens beliebig austauschbar) in eine ruhige Ecke zurück, lächelten freundlich an... und holte dann ihren legendären Gnomensäbel hervor.
In letzter Zeit ließ sie auch ab und zu die Wergnomin durchscheinen und spätestens dann flossen Informationen.. oder eben Blut.
Auch Rascaal war auf der Suche nach Informationen. Leider hatte sein Ruf als ruhiger und besonnener Wächter seit dem letzten fall ein wenig gelitten, als er einem etwas unkooperativen Zauberer beide Arme gebrochen hatte. Außerdem war da noch immer sein allzeit vorauseilender Rote-Bete-Geruch. Zum Glück gab es da noch diejenigen, die begierig darauf waren, Informationen weiterzugeben bzw. ihren Geruchssinn fast vollständig verloren hatten.
Doch leider war alles umsonst gewesen. Was hatte er an diesem Tag nicht alles auf sich genommen...
Als erstes hatte er Frau Wahrlich in der Flinken-Finger-Straße aufgesucht, da sie, neben Frau Willichnicht wahrscheinlich die am besten informierte Person der Stadt war, wenn es um Gerüchte oder Ärgernisse ging. Frau Wahrlich lebte allein und lief aus diesem Grund zur Hochform auf, sobald sie jemand besuchte.
Heute hatte sich die Hochform in selbstgebackenen Aalplätzchen mit feinen Stücken manifestiert. Dem Vampir war es nicht eher gestattet worden zu gehen, bevor er nicht ein halbes Dutzend davon gegessen hatte. Anschließend bestand sie darauf, ihm als Ausgleich für den Mangel an Informationen noch einen Beutel davon mitzugeben.
Seine nächste Station war der achate Imbiß nahe des Pseudopolisplatzes. Hauptmann Ohnedurst hielt den Beutel vorsichtig am gestreckten Arm... nur für den Fall, daß eines der feinen Stückchen auf die Idee kommen sollte, sich noch mal zu bewegen... als er das Etablissement betrat.
Steln am Himmel war Angestellt in den Lokal und hatte sich dadurch einen Ruf gemacht, daß sie aus den Bestellungen der Gäste die Zukunft las.
"Ah, Hauptmann Ohnedulst, was kann ich fül dich tun?" kam die ewig lächelnde Frau auf ihn zu. "Etwas malinielte Lote-Bete vielleicht?"
"Oh... ääh... Essen.... hmmm.. ich hab eigentlich keinen..." begann der Vampir, besann sich dann aber auf die Tüte an seinem ausgestreckten Arm "Hiel..ähem... ich meine hier. Schau mal, ob du darin etwas siehst."
Skeptisch öffnete Steln am Himmel den Beutel, strahlte dann aber über das ganze Gesicht, als sie den Inhalt sah.
"Aalplätzchen... mit feinen Stückchen... die sich kaum noch bewegen!
Rascaal fühlte einen leichten Brechreiz in sich aufsteigen.
"Oh.. das tut mil sehl leid, Hell!" sagte sie nach einem weiteren Blick in den Beutel "Du jetzt bald kommen in die klitischen Jahle!"
"Die kritischen Jahre? Sagte der Vampir erstaunt, war das doch ganz und gar nicht die erwartete Auskunft.
"Ja, die gewissen Jahle, du weißt schon... wellende Hitze, Stimmungschwankungen, keine Kindel mehl.... oh" Steln am Himmel unterbrach ihre Deutung für einen kurzen Denkpause "Du... äääh... Du hast diese Plätzchen nicht gebacken, nicht wahl?"
Rascaal schüttelte stumm den Kopf.
"Und die feinen Stückchen...?"
Erneutes Kopfschütteln.
"Oh, ich mich auch schon gewundelt, wie ein Vampil allende Hitze kann haben."
Seufzend stand Hauptmann Ohnedurst auf, vergaß absichtlich den Beutel mit den Aalplätzchen und verließ frustriert das Lokal.
Der Tag näherte sich dem Ende und durch verschiedene Taubenbotschaften (der Ärmel seines Anzugs war schon ganz weiß) hatte er erfahren, daß bei den andere auch nichts brauchbares herausgekommen war.
Rascaal brauchte Ruhe zum Nachdenken... zum Glück hatten Vampire da so ihre Möglichkeiten. Zwar haßte der Hauptmann seine Fledermausgestalt, doch bot die ihm die Möglichkeit, dem Trubel und dem betäubenden Gestank der Stadt zu entgehen.
Als auch die letzten Sonnenstrahlen die Flucht vor der heraufziehenden Nacht angetreten hatten, verwandelte sich Rascaal und flatterte der Dunkelheit entgegen.

***

Ein kleines Kind, das dem Schneevater persönlich begegnet hätte nicht nervöser und freudig erregter sein können, als der Mann an diesem Abend. Seine Frau trug an sieben ihrer 10 Finger Pflaster und ihre Hände zitterten leicht, als sie ihrem Mann die gewünschten Utensilien übergab.
Mit einem wohligen Seufzer stülpte der Mann die Handschuhe mit den kleinen schwarzen Flossen über (es waren tatsächlich Flossen vom örtlichen Fischmarkt, aber der Geruch verlor sich im Wind) und legte den Gürtel mit den Werkzeugen an. Plötzlich stutzte er, griff an den Gürtel und hielt einen länglichen Stab mit Noppen am oberen Ende in der Hand.
"Was, bei Offler soll man denn damit reparieren können? Und seit wann habe ich so etwas?" fragte er skeptisch.
Hastig riß Robina im den Gegenstand aus der Hand und steckte ihn in ihre Schürze.
"Ach, das ist so ein Frauendings..ääh.. Rührteil für die Küche. Muß ich in Gedanken angenäht haben!" stotterte sie und gnädigerweise vertuschte die schnell aufkommende Dunkelheit die Röte in ihrem Gesicht.
Doch wahrscheinlich hätte diese der Mann nicht einmal bemerkt, wenn seine Frau in diesem Moment in Flammen aufgegangen wäre, so konzentriert legt er seine "Ausrüstung" an.
Beflosste Handschuhe und Stiefel, Mütze mit ährotynahmischän, hochstehenden Ohren, Gesichtsschutz gegen den Gestank, flatternder Umhang, warmer Pullover mit dem Fledermausabzeichen.
"Hast du das Öl in der Fledermauslampe wieder aufgefüllt?" fragte er nebenbei.
"Ja, und dein Sarg wird auch morgen früh geliefert....!" der Sarkasmus triefte förmlich aus ihrer Stimme heraus.
"Vergiß die Lampe nicht, Weib!" sagte der Mann, klemmte sich ächzend den Flugapparat unter die Arme und hievte ihn auf den Speicher, wo er durch eine Dachluke auf das Dach gelangte.
Hier oben begannen sich die Ausdünstungen der Stadt schon leicht zu verdichten, weshalb der Mann die Gesichtsmaske anlegte. Von seinem Dach aus kletterte er mühsam auf das höher gelegene Nachbardach. Die Kraxelei kostete viel Kraft und der Mann bedauerte es sehr, nicht mehr Nächte zur Verfügung zu haben, um sich eine kraftsparendere Aufstiegsmethode auszudenken. Er hatte letzte Nacht von einer großen, von Trollen gespannten Maschine mit riesigen Gummibändern geträumt, die ihn in die Nacht geschossen hatte.
Seufzend legte er die Flügel an, machte sich startbereit und stieß sich ab...

Die Luft in Ankh-Morpork läßt sich mit keiner anderen Luft vergleichen, sowohl vom geringen Sauerstoffgehalt, der Farbe, des Geschmackes und der Konsistenz. Sie ist gehaltvoller, spürbarer, ja, manche behaupten sogar lebendiger als irgendwo sonst. Außerdem trägt sie viel besser und diesen Umstand machte sich der Mann nun zunutze. Kraftvoll schwangen die Arme auf und nieder und jedesmal stieß er sich von der unter ihm liegenden Luft ab und stieg ein wenig höher.
"HI-HOOOO SILVER!!" ließ er den Schlachtruf aus dem ihm in Fleisch und Blut übergegangenen Klicker ertönen "ICH BIN DER RÄCHER DER NACHT!!!"
Besorgt sah Robina ihrem Mann nach und bemerkte nicht, daß die Fledermauslampe, die sie in der Hand hielt, aus einem kleinen Loch im Boden Öl verlor...

***

Hauptmann Ohnedurst flatterte entspannt über die Dächer der Stadt. So leer und ruhig es hier oben auch war, so brachte seine Fledermausgestalt doch auch einen großen Nachteil mit sich: Er mußte atmen und hier oben war nicht viel Luft zum atmen vorhanden. Es war wesentlich einfacher, in Häuserhöhe durch die Stadt zu fliegen, da sich die unten entstandenen gelblichen Schwaden viel zu sehr vor sich selber ekelten und so schnell wie möglich versuchten an Höhe zu gewinnen. Auch große Höhe bot Schutz davor, doch hatte er heute keine Lust, die Luft "emporzuklettern".
Rascaal ließ seine Gedanken treiben und hoffte, hier oben eine zündende Idee zu haben.

***

Trotz seiner Augenprobleme sah der Mann die ungewöhnlich große Fledermaus fast sofort, da er in relativ großer Höhe über der Stadt dahinglitt und sie vor dem hellen Hintergrund einen scharfen Kontrast bildete.
Er wußte, daß er nicht mehr viel Zeit hatte da seine Arme begannen, schwer zu werden und er mit seiner Frau verabredet hatte, daß sie die Fledermauslampe nach einer Stunde wieder anzünden sollte... als Zeichen zum Abbruch. Er ließ einmal kurz seinen Blick schweifen.

***

Am Boden war Robina der Verzweiflung nahe: Sie wollte vor einer Viertelstunde diese alberne Lampe anzünden und hatte ein Streichholz an den versteckt liegenden Docht gehalten... nichts hatte sich getan.... rein gar nichts. Sie wußte noch was ihr Mann von Dauär-bälastung und von Matäriahl-ermütung gefaselt hatte. Zwar hatte sie keine blassen Schimmer, was diese Worte bedeuteten, doch hatte sie an der Dringlichkeit in seiner Stimme bemerkt, daß es immens wichtig war, die Lampe rechtzeitig anzumachen.
Hektisch schüttelte sie die nachgebaute Fledermaus. Nichts. Die Funzel war vollkommen trocken.
Ganz ruhig, befahl sie sich, denk nach.
Kurze Zeit später hörte man sie hektisch hin und her rennen und hätte jemand von ihrem Nachbarn sich die Mühe gemacht, aus dem Fenster zu schauen, hätten sie gesehen, wie Robina leuchtend gelbe und tiefschwarze Kissen aus dem Haus holte und sie im Garten zu einem seltsamen Muster auslegte.

***

Der Mann konnte nichts erkennen und er wußte, wenn er also noch ein bißchen Spaß haben wollte, dann jetzt. Nicht, daß er dem Flattermann etwa schaden wollte, nein, er wollte nur die in den letzten beiden Nächten erworbenen Flugkünste mit dem einer echten Fledermaus vergleichen.
Der Mann ging in den Sturzflug über...

***

Rascaal wußte plötzlich, daß er nicht mehr allein war. Seine feinen Nackenhaare richteten sich auf und seine Sinne schärften sich schlagartig. Sein Kopf ruckte hin und her, während er versuchtem, den vermeintlichen Gegner zu erkennen.
Dann verdunkelte sich seiner Meinung nach der Mond über ihm und Rascaal vernahm ein mächtiges Rauschen. Etwas Großes zischte mit mörderischem Tempo sehr nah über ihn hinweg. Der Luftstrom, der dem Wesen folgte war enorm und riß brutal an seinen Flügeln.
Der Vampir überschlug sich mehrmals in der Luft...

***

Als der Mann wieder eingedreht hatte, sah er die Fledermaus fallen wie einen Stein. War er vielleicht zu dicht vorbeigeflogen. Er schaute noch zwei Sekunden dem freien Fall des Flattermannes zu. Nichts... keine Veränderung. Die Fledermaus zeigte noch immer alle Anzeichen des Runter-kommen-sie-alle-Syndroms.
"Sch... ade eigentlich!" fluchte der Mann undeutlich unter seiner Gesichtsmaske, schwenkte herum und stürzte sich erneut in die Tiefe.

***

Vampire haben auch in Fledermausgestalt ein ausgezeichnetes Sehvermögen und während er vom Luftwirbel herumgeschleudert wurde, erhaschte Rascaal immer wieder einen Blick auf den vermeintlichen Luftgegner... und konnte kaum glauben, was er sah...
Denn was auf den ersten Blick wie ein zu groß geratener Artgenossen aussah, war nach der nächsten Umdrehung... der verschwundene Apparat des Patriziers... mit einem äußerst seltsam gekleideten Männchen dran gebunden.
ER sah ein helles Zeichen aus der Brust des Männchens und vermutete, daß es eine stolze Fledermaus darstellen sollte... aussehen tat es allerdings wie ein gerupftes Huhn nach dem dritten Schleudergang.
Rascaal sah wie... ES... herumschwenkte und auf ihn zu kam, traf eine Entscheidung und ließ sich überaus theatralisch weiterfallen.

***

Der Mann kam wie ein Komet angeschossen. Sein Plan war ziemlich einfach: Er wollte sich unter die Fledermaus setzen und ihren freien Fall auf seinem Rücken stoppen. Allerdings hatten einfach Pläne die dumme Angewohnheit, meistens einen Haken zu haben. In diesem Fall waren es die stetig schwindenden Kräfte des Mannes und er war sich dessen auch durchaus bewußt. Seine Arme fingen an, bleischwer zu werden und tief in sich drin hegte er auch gewissen Zweifel, ob er mit dem zusätzlichen Gewicht fertig werden würde.
Doch als er fast bei der Fledermaus angekommen war, nahmen die Dinge einen ganz anderen Verlauf.

***

Der Mann war nur noch ein paar Meter entfernt, als Rascaal plötzlich elegant herumschwang, sich in der Luft auf den Rücken legte und die mit Krallen an den Enden ausgestatteten Flügel nach oben streckte. Dieses kam für den Mann vollkommen unerwartet und er realisierte, daß diese Fledermaus alles andere tat, als hilflos zu Boden zu fallen. Statt dessen flog er über die Fledermaus hinweg und merkte dabei, wie sich zwei kleine Haken durch seinen Pullover in seine Haut bohrten und die Luft von einem seltsamen, unangenehmen Gemüseduft erfüllt war. Nur mit den letzten Kraftreserven gelang es ihm, das zusätzliche Gewicht auszugleichen. Außerdem fingen die Holzstreben des Flugapparats bedenklich an zu knacken.
Wo war Bloß Robina mit der verdammten Lampe???

***

Rascaal bemerkte die zunehmende Schwäche des Mannes und schaute zur Orientierung nach unten...perfektes Timing... jetzt würde er dieser Möchtegernfledermaus eine Lehre erteilen, die er so schnell nicht vergessen würde... und verwandelte sich, noch immer an dem Mann hängend, zurück in seine Menschengestalt.
"Guten Abend, Herr!" sagte Rascaal, schaute dem Mann in die Augen und fing breit an zu grinsen, wobei seine Vampirzähne deutlich zu sehen waren.

***

Ein kurzes -Plöpp- ertönte... und der Mann traute seine Augen nicht. Unter ihm hing ein Vampir... und er grinste... und er redete... UND ER WAR VIEL ZU SCHWER!!! Vor lauter Schreck hatte der Mann für einen Moment vergessen mit Flügeln zu schlagen und als er es nun wieder versuchte, war die Fallgeschwindigkeit schon viel zu groß. Ein kurzes, aber scharfes und sich ziemlich fatal anhörendes -Knack- war das einzige Ergebnis seiner Bemühungen.
"Probleme, Herr?" fragte der Vampir und der Mann konnte den Blick einfach nicht von den spitzen Zähnen nehmen.
"Wie heißt du, Herr?" wollte Rascaal wissen.
"Hermann Kellerassel..." antwortete der Mann automatisch.
"Nun, Herr Kellerassel... willst du leben?"
Stummes Nicken... sah der Mann doch ein dunkles Haus mit einem hellen Punkt auf dem Dach schnell auf sich zukommen.
"Dann mach dich klein, halt dich fest und rühr dich nicht!"
Eine Sekunde später durchschlugen die beiden, Rascaal voran, das Dachfenster zum Büro des Hauptmanns und weil sie gerade so gut in Fahrt waren auch gleich noch Rascaals Bürobalken dazu.
Mit einem dumpfen Schlag schlugen sie auf dem Boden auf und Kellerassel verlor das Bewußtsein. Stöhnend erhob sich Rascaal. Untot oder nicht... für solche Aktionen war er eindeutig zu alt. Dann hörte er Schritte auf dem Flur, packte geschwind den bewußtlosen Mann, befreite ihn von den Trümmern des Flugapparats und versteckte ihn in dem kleinen, sichtgeschützten Bereich seines Büros, in dem er seinen Knollenvorrat normalerweise aufbewahrte.
Die Tür flog auf und sowohl Oberleutnant Daemon, als auch Feldwebel Valeriaa stürzten ins Büro.
"Der... der... schlagende-Flügel-Apparat!" stammelte Dae "Aber wie...?"
"heruntergefallen... einfach so!" gab der Vampir zurück.
"Von oben?" fragte Valeriaa und schaute skeptisch auf die Überreste des Balkens.
"Von wo sonst?" sagte Rascaal und schmunzelte.
"Das ist doch Unsi...!"
"Feldwebel Valeriaa, geh und sag sämtlichen Offizieren und Rince, daß sie in einer halben Stunde in meinen Büro erscheinen sollen!... Das wäre dann alles, Feldwebel!"
Mit stummen Protest in den Augen verschwand Valeriaa.
"Einfach so...? Na komm schon, Ras...!" hakte der Oberleutnant erneut nach.
"In gewisser Weise..." sagte Rascaal geheimnisvoll "Du wirst schon sehen... später. Nun laß mich bitte allein. Ich muß... äääh... aufräumen."
Kaum war Daemon aus dem Zimmer, als aus dem Verschlag würgende Geräusche zu hören waren.
"Bei Offler... was für ein Gestank!" drang Kellerassels Stimme an Rascaals Ohren.
Der Vampir riß die Tür auf und zerrte den hustenden Mann in den Raum.
"Na, meine kleine Nachwuchsfledermaus, wie du siehst und ohne Zweifel auch riechst, lebst du noch!" sagte Rascaal und schaute den Mann genauer an. "Kennen wir uns?"
Kellerassel erzählte bereitwillig von seinem Beruf und wie jeder ihn ignorierte. Er verriet ihm seinem Lieblingsklicker und seiner Idee, als er im Keller den Flugapparat gefunden hatte.
"Der Patrizier wird mich langsam töten lassen!" wimmerte er am Ende.
"Dazu muß er erst einmal wissen, daß du es warst. Vielleicht glaubt er ja, die Wache hätte das teil in seinem jetzigen Zustand irgendwo gefunden?" grinste Rascaal "Paß mal auf, Hermann, hier ist der Deal...!"
Hauptmann Ohnedurst redete einige Minuten lang streng mit Kellerassel, ließ ihn dann an einem Seil in den leeren Innenhof und gab ihm zu verstehen, daß er möglichst schnell verschwinden sollte.

***

Als das gesamte Offizierschor der Wache sich 30 Minuten später in Rascaals Büro traf, fing der Vampir seinen Vortrag mit geheimnisvollen Worten an.
"Ab jetzt haben wie einen sehr diskreten und sehr zuverlässigen Informanten im Patrizierpalast mit Zugang zu fast allen Bereichen. Und das Beste ist... er kostet uns nichts!" Rascaal schaute zum zertrümmerten Dachfenster und dem Balken "Naja, fast nichts."

EPILOG:
Ohne jede Hoffnung saß Robina Kellerassel auf den Stufen, die zum Hinterhof führten und schaute auf das Kissengebilde, als die Haustür aufging und ihr Mann mit ziemlich ramponiertem Kostüm hereinkam.
"Wo bist du gewesen, Hermann?" fragte sie erleichtert "Ich habe mir solche Sorgen gemacht, weil die Lampe nicht funktioniert hat... Herrje... was ist das für ein Gestank??"
"Egal, mein Schatz, es ist vorbei." Sagte Hermann verbittert "Ich verbrenne nur eben dieses Kostüm. Mach mir bitte in der Zwischenzeit etwas zu Essen und einen Kaffee!"
Als sich Robina abwenden wollte, hielt er sie zurück.
"Noch etwas... Ich möchte in diesem Haus nie wieder, unter keinen Umständen, auf gar keinen Fall, niemals und das meine ich ernst, das Wort Fledermaus hören!"

ENDE





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