Mundus vult decipi

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von Korporal Pismire
Online seit 19. 01. 2001
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Was macht ein Säbelzahntiger in Ankh-Morpork?
Findet es heraus!

Dafür vergebene Note: 12

An einem verregneten und trüben Frühlingsmorgen kehrte Korporal Pismire nach einem längeren und anstrengenden Aufenthalt in einem kleinen Kaff in der Nähe von Skrote auf der Sto-Ebene, wohin er sich nach dem letzten Multi-Fall zu botanischen und pharmakologischen Experimenten zurückgezogen hatte, nach Ankh-Morpork zurück. Zwar vermisste er den Teppich noch immer, aber angesichts der trostlosen Quadrate von Kohl- und Bohnenfeldern, die er in den letzten Wochen zu sehen bekommen hatte, ließ ihn das geduckte und schmutzige Weichbild – „Matschbild wäre da passender“, fuhr es ihm kurz durch den Kopf – der Stadt erleichtert aufseufzen. Es war kurz nach Sonnenaufgang und die ersten Vögel husteten am Himmel als er die Tore durchschritt, nachdem er die Nacht bereits in Riechweite der Stadt verbracht hatte. Auf dem Weg zur Wache fragte er sich, welch spannenden Fall ihm wohl die heutige Tagschicht bringen mochte.
Auf halbem Weg zur Wache an der Ecke zur Schimmelstrasse riss ihn ein schrecklicher Schrei aus seinen Gedanken. Ein Mann rannte keuchend auf ihn zu, das Gesicht vor Schreck verzerrt trachtete er, einem unsichtbaren Verfolger zu entkommen. Pismire stellte sich dem Flüchtenden in den Weg, dieser riss ihn fast zu Boden
„Hilfe, die Bestie, hilf mir!“, schrie der Mann.
„Nun, beruhige dich doch, weit und breit ist nichts zu sehen“, entgegnete Pismire.
Entsetzt schaute der Mann sich um, aber die Straßen waren – zumindest von Bestien – frei.
„Ich bin Korporal Pismire von der Wache, und du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben“, versuchte Pismire erneut beruhigend auf den in Panik geratenen einzureden.
„Was für eine Bestie war das denn?“, fragte er nach einer kurzen Pause.
Der Mann war immer noch nicht bei Sinnen. „Ein Säbelzahntiger“, kreischte er entsetzt, dann fiel er in Ohnmacht.
„Hmm,“ brummte Pismire, „sehr aufschlussreich. Am besten, ich bringe dich erst einmal zur Wache.“ Kurzentschlossen warf er sich die schmächtige Gestalt über die Schulter und setzte seinen unterbrochenen Weg fort.
Auf der Wache war erstaunlich wenig los, aber von einem der Rekruten erfuhr Pismire, dass nahezu die gesamte Wache mit zwei spektakulären Fällen beschäftigt war. Von den ranghöheren Offizieren war Feldwebel Lavaelous im Dienst. Pismire meldete sich bei ihm zurück und schilderte kurz, was er unterwegs erlebt hatte.
„Oh, noch einer,“ meinte Lavaelous nachdenklich. „Satan und Oma Morkie haben heute Nacht einen stockbetrunkenen Mann in den Schatten aufgegriffen, der was von einer entsetzlichen Bestie faselte, die er als einen Tiger mit riesigen Zähnen beschrieb. Sie haben ihn in die Ausnüchterungszelle gebracht. Dort ist er vermutlich immer noch.“
„Tja, meinen 'Kunden' habe ich daneben abgelegt. Ich schau ihn mir nachher mal an“, entgegnete Pismire.
„Na fein“, sprach es seitens des befehligenden Offiziers, „am besten nimmst du dich der ganzen Sache mal an, wir stecken hier bis über beide Ohren in Arbeit. Du kannst mir dann Bericht erstatten“, und fügte nach einer kurzen Pause hinzu, „und, wie war der Urlaub?“
„Oh, entgegnete Pismire mit undurchdringlichem Gesicht, „ruhig, sehr ruhig.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum
Im Wachraum stieß er auf Chief-Korporal Mückensturm, der offensichtlich zum Munitionswechsel ins Wachhaus gekommen war.
„Grüß dich, Mückensturm“, sprach Pismire ihn an. „Ich hätte da mal eine Frage: hast du jemals bei deinen ausgedehnten Streifzügen von einem 'Säbelzahntiger' gehört?“
Mückensturm fuhr herum. „Hmm, Säbelzahntiger,“ ein aufgeregtes Funkeln erschien in seinen Augen, „nein, bedauerlicherweise nicht, aber, ich meine, wenn's so was gibt...“ Er begann in seinem nicht unerheblichen Waffenarsenal zu kramen, dass er unter seinem Umhang mit sich führte und fügte hinzu: „Wenn du Hilfe brauchst, ich meine, so eine Trophäe wäre eine feine Sache. Mist, dass ich bis über beide Ohren im Fall stecke, aber wenn...“
„Wenn es zu einer Trophäe kommt, dann werde ich an dich denken“, versprach Pismire und nahm sich gleichzeitig vor, es NICHT zu so etwas kommen zu lassen, während Mückensturm bereits das Wachhaus verließ.
„Tja, wenn Mücke es nicht kennt, dann bin ich mal gespannt, wer überhaupt“, überlegte Pismire, während er sich auf den Weg in die Ausnüchterungszellen machte.
Der Mann, den die Nachtschicht aufgelesen hatte, saß mittlerweile mit verkleisterten Augen und einem Geruch, der selbst ein Stinktier auf Abstand gehalten hätte, missmutig auf seiner Pritsche. Auf der anderen lag Pismires 'Fundstück' und röchelte. Pismire öffnete einen der Beutel, den er an seinem Gürtel hängen hatte, verbrannte ein Bündel Kräuter unter der Nase des Bewusstlosen, dessen übler Gestank dem Raum eine zusätzliche aparte Note verlieh und der Mann begann augenblicklich, sich wach zu husten.
Kurze Zeit später saß Pismire mit den beiden mitgenommenen Figuren an seinem Schreibtisch und bemühte sich redlich, ihnen zu entlocken, was sie denn so erschreckt hätte.
„Es war ein Tiger“, sprudelte der eine Mann heraus, „aber kein normaler, er war riesig groß, sonst hätte ich mich ja nicht so erschreckt.“ Er versuchte einen verwegenen Eindruck auf zwei weibliche Mitglieder der Wache zu machen, die ihn darob anschauten, als habe er einen sprechenden Pfannkuchen auf dem Kopf.
„Genau,“ fiel jetzt der andere 'Held' ein, „ein riesiges Biest und die Zähne waren mindestens so lang wie, wie,“ er stockte und strich einen ebenso peinlichen wie erlogenen Vergleich, der ihm angesichts von Oberleutnant Ptracy in Zivil, die gerade aus der Wache rauschte, in das hohle Köpfchen gekommen war, aus seinem Sinn und fuhr fort „wie mein Arm.“
„Ja“, unterbrach ihn der andere, „armlange Zähne hatte das Biest und es hat mich so komisch angesehen. Da bin ich gerannt, was das Zeug hielt.“
„Nun“, unterbrach Pismire die beiden, „vielleicht sollten wir versuchen, ein Bild der Bestie zu zeichnen, damit könnte ich dann versuchen, Licht in die Angegenheit zu bringen.“
Mittlerweile war er zu der Überzeugung gekommen, dass die beiden sich das ganze nicht ausgedacht hatten – womit denn auch – und es sich auch nicht einbilden konnten.
Also holte er Stift und Papier und eine knappe Stunde später hatten sie etwas gezeichnet, was wirklich einem Tiger mit armlangen Zähnen glich und von dem seine beiden Zeugen schworen, das und genau das sei die Bestie, die ihnen ans Leben gewollte habe. Pismire steckte die Zeichnung ein, ermahnte sie Stillschweigen über die Sache zu bewahren und entließ sie.
„Genau, Kumpel, darauf trinken wir erst mal einen“, lallte der knapp Ausgenüchterte und Arm in Arm wankten die beiden Figuren einem neuen Tag entgegen. Pismire sah ihnen nach, schüttelte den Kopf und machte sich an die Arbeit.
Zuerst begab er sich zur Wappengilde, die sich immerhin mit sämtlichen ungewöhnlichen Tieren auskennen musste. Aber hier ging das Bild von Hand zu Hand, ohne das jemand auch nur einen Schimmer des Wiedererkennens zeigte. Bei Mustrum Ridcully hingegen führte die Zeichnung lediglich dazu, dass er mit einer Mischung aus Gier und Versonnenheit seine Waffensammlung musterte und seine sofortige Hilfe anbot, die der Korporal ebenso dankend wie entschieden ablehnte. Auch bei Hagar, Lieferant möglicher und unmöglicher Fleischgerichte, kam Pismire nicht weiter. Einige Stunden nachdem er die Wachstube hoffnungsfroh mit seiner Zeichnung verlassen hatte, steckte seine Nachforschung bereits in der Sackgasse. Bei der Gilde der Tierforscher hatte er es erst gar nicht versucht, vertrat diese doch die Ansicht, dass unbekannte Tiere auch ebensolche bleiben sollten, vor allem innerhalb von Ankh-Morpork.
Um sich ein wenig zu 'ermutigen' betrat Pismire eine Kneipe, um sich bei ein – oder auch zwei, drei – alkoholischen Getränken Rat zu holen. Gerade beim zweiten Wein angekommen, tippte ihm von hinten jemand auf die Schulter und eine ihm wohl bekannte Stimme begrüßte ihn mit:
„Na, alter Teppichpriester, vom Kohlzählen zurück?“
„Oh, grüß dich, Filedust, alter Akenstapler“, entgegnete Pismire abwesend.
Nachdem sich die beiden mit ihren Weingläsern in eine ruhige Ecke verzogen hatten, fragte Filedust Pismire nach dem Grund seines Aufenthaltes ausgerechnet hier im 'Ertrunkenen Seepferdchen', einer ebenso ruhigen wie langweiligen Kneipe.
„Naja, ich komm da bei einem Fall nicht weiter.“ Er schob Filedust die Zeichnung zu. „Hast du so was schon mal gesehen?“
„Hm“, der Archivar des Patriziers betrachtete die Zeichnung, „seit wir meine Schwiegermutter bei meiner Hochzeit vom kalten Büffet trennen mussten mit Sicherheit nicht mehr. Aber im Ernst, was soll das sein?“
„Nun, zwei Männer wollen das ganze unabhängig von einander heute gesehen haben, einer in der Nacht, einer am Morgen – und erspar' die die Frage, ob das einer meiner Vorgesetzten im Mietzekatzenkostüm ist. Einer sagte etwas von einem Säbelzahntiger.“ Pismire sah Filedust fragend an, als dieser beim Wort 'Säbelzahntiger' eine Augenbraue hob.
Nach einer kurzen Pause, die den beiden Gelegenheit zu einer weiteren Bestellung gab, nahm Filedust die Zeichnung noch einmal an sich. „Bei dem Wort 'Säbelzahntiger' fällt mir ein Buch ein. Hat einer meiner Unterunterarchivare letztens erzählt. Ein sogenannter Bestzähler, oder so.“ Er überlegte kurz.
„Hannibal de Quirmney, 'Die Bekenntnisse eines Opiumessers'. Gutes Buch, interessanter Essay, zumindest in der ersten Auflage. Hat dem Verleger eine Menge Ärger gebracht. Zuerst riesige Verkaufszahlen und dann haufenweise wütende Pubertierchen, die diesen Inhalt zum Titel denn dann doch so nicht erwartet hatten. Tja, dann hat der Verleger eine – und ich zitiere hier wörtlich – zweite und um erschröckliche deTeils, schoißliche Rezepturien und widernatürliche Orgien zur Erziehung der reiferen Jugend ergänzigte Auflage rausgebracht. Sogar Titel und Autor waren ein bisschen, hm, verbessert. War jetzt von Hannibal (deQuirmney) Leser und hieß: 'Bekenntnisse eines Opi-Auf-Essers'. Tja, der übliche Schund halt. Ging weg wie warme Semmeln.“
Filedust nippte nachdenklich an seinem Wein. „Der Patrizier hat's aber doch durchgehen lassen. Er meinte, es sei immer noch nicht so abstoßend wie Marc El Marzos 'Handbuch des Pantomimen. Ein Selbstlernkurs in 30 Schritten'. Aber die jungen Leutchen lesens weg. Hat sogar eine ganze Reihe von Nachfolgern gehabt. Von 'Bekenntnissen eines Pilzessers' zu denen eines 'Keksessers'; gefallen hat mir eigentlich nur 'Ein Mann im Aufwind. Bekenntnisse eines Kohlessers'.“
Filedust kicherte in sein Glas.Pismire musterte ihn mit Befremden.
„Ein bisschen viel um die Ohren gehabt in der letzten Zeit?“, fragte er. „Aber danke für den Hinweis. Und in der zweiten Auflage kommt dann so ein Säbelzahntiger vor?“
„Und nicht nur der. Nachdem der Icherzähler seinen Großvater verspeist hat, der an einer Überdosis von Schnappers Fleischpasteten verschieden ist, die beim Esser wiederum zu Rauschzuständen führen, hat er eine schreckliche Vision, in der er allerlei Untiere zu sehen kriegt. Bestien halt. Eine davon wird so beschreiben, wie das Ding auf der Zeichnung. Der Erzähler nennt es Säbelzahntiger“, fuhr der Archivar fort.
„Für jemanden, der das Buch für Schund hält, weißt du aber eine ganze Menge darüber“, hakte Pismire mit mildem Spott nach. Filedust sah ihn entsetzt an.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass ich den Mist gelesen habe? Aber meine jungen Mitarbeiter sabbeln mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit über das Machwerk die Ohren zu. Ich müsste taub sein, um nichts darüber zu wissen. Mittlerweile gibt's auch eine Kneipe, in der sie den Mist sich gegenseitig vorlesen, die Lieblingsgetränke des angebliche Autors trinken, sich wie er kleiden und dummes Zeug reden. Und Fleischpasteten essen“, Filedust schaubte verächtlich. „Die einzig wahre Bahre“ heißt der Laden. Wenn Igor das mitkriegt, dann gibt's vermutlich demnächst 'Die Bekenntnisse eines Schnabeltassentrinkers' zu lesen.“
Pismire kicherte ebenso wie Filedust. „Wer hat das Prachtwerk denn verlegt?“, fragte er sein Gegenüber.
„Moment, Sargfried Unhold. Wie der Verlag sich jetzt nennt, weiß ich nicht. Ist nur vier Ecken von hier, im Schwartenweg.“ Filedaust sah Pismire skeptisch an. „Meinst du, dass du da was findest?“
„Keine Ahnung, aber du hast mir vermutlich erheblich geholfen. Und bitte, kein Wort zu irgend jemandem. Wenn die hiesige Bevölkerung rauskriegt, dass sich ein seltenes Tier in Ankh-Morpork aushält, schießt sich die Hälfte aller wildgewordenen Trophäenjäger in den nächsten Tagen gegenseitig den Hintern aus der Hose. Und das wollen wir doch vermeiden.“
„Wirklich?“, Filedust zuckte bedauernd mit den Schultern. „Schade. Ich hätte es mir so nett vorgestellt. In meinem Beruf hat man selten was zu lachen.“
„Lies doch ein lustiges Buch“, und mit einem Zwinkern verabschiedete er sich von Filedust.
Das Verlagshaus im Schwartenweg war jedoch geschlossen und so blieb Pismire hier erfolglos. Aber ein Gespräch mit Schnapper half ihm weiter. Seit einiger Zeit steige die Nachfrage nach seinen Pasteten rasant an und es habe bereits Nachahmer seiner hohen Kochkunst gegeben. Pismire schauderte bei dem Gedanken, welch' Unheil daraus entstehen mochte. Aber Schnapper konnte ihm bei der Suche nach der 'einzig wahren Bahre' weiterhelfen. Und so begab sich Pismire zu der angegebenen Adresse. Die in einem muffigen Keller gelegenen Kneipe war noch geschlossen, der Eingang durch eine massive Metalltür mit einem Sehschlitz in der oberen Hälfte geschlossen, an der noch ein halb abgerissenen Plakat klebte.
„Das wunderbare Bestiarium des De Quirmney“, las Pismire halblaut. „Die Hexe Lady Orgiana Omphallos und Der bestechende Bestiario, einzick warer Magier der verschlüselten Bücher von Uurps zeigen euch die wahren Bästien, die gefährlichsten Kreaturien aus den entsetzlichesten Kerckerdimensionen...“, schwafelte das Plakat vom Ballast der Wahrheit und der Orthographie gleichermaßen befreit weiter. Da dem Plakat nicht zu entnehmen war, wo die beiden anzutreffen waren, beschloss Pismire ein Nickerchen zu machen und um Mitternacht hierher zurück zu kehren.
Es war fast Mitternacht als Pismire erneut die kleine Gasse betrat. Junge Menschen in eigenartiger Gewandung, strebten gewichtigen Blicks und mit Büchern unter dem Arm dem Keller entgegen. Pismire – nicht in Uniform, dafür aber deutlich sichtbar als Schamane gekleidet - erregte hier und da Aufsehen und Kichern, ließ sich aber nicht beirren und klopfte an die Tür. Ein misstrauisches und ungesund aussehendes Auge musterte ihn durch die Klappe. „Kein Zutritt, Alter!“ wurde er abgewiesen.
Pismire straffte sich und entgegnete von oben herab: „Öffne die Tür für Ba'azag, Großschamane von H'rmg und Hüter der heiligen Quellen der Weisheit.“ Hinter ihm erscholl ehrfürchtiges Murmeln. „Und“, fügte er hinzu, „Lehrer und Bewunderer der einzigartigen Lady Orgiana.“
Die Tür schwang auf. Hochmütig rauschte Pismire in den düsteren Keller. Die Einrichtung entsprach dem, was er hier erwartet hatte: pseudomagischer Klimbim, alles in Schwarz und eine überteuerte Getränkekarte. Im vorderen Teil befand sich eine schäbige Bühne, deren Vorhang noch heruntergelassen war. Der Laden war brechend voll. Pismire machte es sich in einer Ecke gemütlich und erwartete den 'unterhaltsamen' Teil des Abends.
Er wurde in seinen Erwartungen nicht enttäuscht. Der bestechende Bestiario war ein dürrer Bursche mit den für sein Gewerbe üblichen Zutaten und der Ausstrahlung einer vertrockneten Pastinake, während für die Lady Orgiana vertrocknet das denkbar fernliegendste Attribut war. Allein ihre Oberweite ließ bei den anwesenden Jünglingen die Pickel leuchten. Die Bestien entpuppten sich als der Restbestand einer heruntergekommenen Menagerie und unter ihnen war der Säbelzahntiger: ein altes, zahnloses und räudiges Exemplar seiner Gattung, der mit zwei riesigen und künstlichen Zähnen 'auf die Sprünge' geholfen worden war. Ans Fachmann musterte Pismire die Darbietung, konnte aber keinerlei Anzeichen irgendwelcher Magie feststellen – die Wirkung des ganzen schien einzig und allein der erhitzten Phantasie der Zuschauer zu entspringen.
„Meine Güte“, dachte Pismire, „hier ist ja gar nichts echt. Aber es scheint zu wirken.“
Als die Show vorbei war, begab er sich unauffällig hinter die Bühne. Der vermeintliche Zauberer war gerade dabei sich die buschige Augenbrauen aus dem Gesicht zu nehmen, während die Lady bereits einen umfangreichen Teil ihrer Oberweite aus dem Kleid gekramt hatte. Bei Licht betrachtet wirkten beide erheblich älter als auf der Bühne. Sie stritten sich, wobei es darum zu gehen schien, dass die Dame einen ebenso 'müstischen' Sermon auf den neuen Plakaten einforderte, wie ihr sauberer Teilhaber. Als ihre Stimme im schrillen Diskant gerade die Liste seiner Verfehlungen der letzten vierzig Jahre aufzählte, bemerkte sie Pismire und brach ab.
„Was willst du denn hier?“, keifte sie ihn an
„Ich bin Korporal Pismire von der Stadtwache.“ Der 'Magier' hielt die Luft an. „Ich möchte mich mit euch über den Säbelzahntiger unterhalten. Es ist da zu Vorfällen gekommen.“
„Och, Peterchen ist harmlos“, schmollte die Dame und bewies damit eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit. „Der tut doch keiner Fliege was zu leide. Und die beiden Deppen mussten ja nicht ausgerechnet an seinen Käfig pinkeln.“
„Darum geht es nicht, er hat, nun, nennen wir es, Aufsehen erregt. Und Aufsehen ist nie gut...“, Pismire musterte die beiden durchdringend.
Nach einem längeren Gespräch mit den beiden, deren Namen Emilia Rührschüssel und Peregrinus Stoppelhopser lauteten und Pismire genauso missglückt schienen wie ihre Bühnennamen, stellte sich heraus, dass ihr Wanderzirkus nahe der Pleite war, bis entweder Peregrinus oder Orgiana – dieser Punkt war nicht zu klären - auf die Idee verfallen war, sich an der neuesten Modewelle aktiv zu beteiligen.
„Wir verwenden echt keine Magie“, beteuerte er, „wirklich nicht. Ich will mir doch keinen Ärger mit den Zauberern einhandeln. Es passiert alles bei den Zuschauern. Die bringen ihre Vorstellungen mit und übertragen sie auf das was sie sehen. Es ist alles ganz harmlos.“
„Harmlos? Ist dir eigentlich klar, guter Mann, dass binnen zwei Stunden sämtliche Trophäensammler in Ankh-Morpork hinter euren Peterchen her sein werden, wenn sich die Sache herumspricht? Ganz zu schweigen von Polly der Harpyie, und dem Goldfisch, der hier munter als feuriger Meeresdrachen firmiert?“, entgegnete Pismire ernst.
„Dann werden wir nicht bestraft?“, gurrte Emilia und bewies damit einen erstaunlichen Mangel an Einschätzungsvermögen.
„Ich hoffe nicht“, meinte Pismire trocken, „es sei denn, der Patrizier ist der Ansicht, dass diese Art der Darbietung eigentlich unter Pantomime fällt – immerhin reden die Tiere nicht...“, er ließ den Satz unvollendet.
„Ich hab dir gleich gesagt, dass die Sache schief läuft“, begann Emilia ihren unterbrochenen, unendlichen Keifgesang: „So wie damals in Quirm, du Versager....“
Pismire zog sich dezent in der Gewissheit zurück, dass der Quirmneys Bestiarum gerade in Auflösung begriffen war.
In seiner Unterkunft angekommen merkte er, dass es bereits dämmerte und damit zu spät war, sich noch zum Schlaf hinzulegen. Morgen würde er Lavaelous Bericht erstatten. Er rollte sich zu einem Nickerchen in einem Sessel zusammen. „Mundus vult decipi – die Welt will betrogen sein“, murmelte er und schickte seine Gedanken auf Reisen.




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