Mexican Stand-Up

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von Leutnant Daemon Llanddcairfyn
Online seit 17. 01. 2001
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Als Du auf Streife bist, wird plötzlich vor Deinen Augen ein Kind in eine Kutsche gezogen, die im Eiltempo davonrast.
Mach Deinen Job, Wächter!

Dafür vergebene Note: 13

Einleitung


Ankh-Morpork war eine gefährliche Stadt.
Sicher, ohne die Wache wäre sie noch ein gutes Stück gefährlicher gewesen, aber nichts desto trotz war es ein Ort, an dem kleine Mädchen nachts ohne Schutz, etwa einer 12-Kilo-Armbrust, unterwegs sein sollten.
Auf keine großen Mädchen.
Oder Jungen.
Jeglicher Größe.
Es soll hiermit festgestellt sein, dass es auch an anderen Orten ohne Schutz gefährlich sein kann.

Man wird sich darauf einigen können, dass es in Ankh-Morpork für Menschen jeglicher Größe und beiderlei Geschlechts ohne Schutz gefährlicher sein konnte, als an vielen anderen, wenn auch nicht allen, Orten.


Kapitel I - Die Wohnung


Durch eine der Straßen dieser mit Sicherheit sehr gefährlichen Stadt waren zwei Wächter der Ankh-Morporkianischen Stadtwache unterwegs. Die Beiden bildeten einen merkwürdigen Anblick.

SIE war... klein. Im Anbetracht ihrer sonstigen körperlichen Maße hätte man sie schon beinahe als rund bezeichnen können. Dass sie Wächterin war, konnte man eigentlich nur an der Marke erkennen, die nicht unbedingt auf Hochglanz poliert an ihrem spitzen Hexenhut prangte. Sie trug einen Hexenbesen bei sich, der angesichts ihrer Fülle etwas unterdimensioniert wirkte. Natürlich war sie ganz in Schwarz gekleidet. Es war Cassandra Hatkeinschuh.
ER war wesentlich länger, zeichnete sich durch ein Strich - in - der - Landschaft - Auftreten aus. Eigentlich wirkte er wie ein völlig normaler Wächter (Soweit man als Wächter in Ankh-Morpork Prädikate wie normal für sich beanspruchen konnte), wäre da nicht diese Regenwolke gewesen, die ihm in einiger Höhe zu folgen schien. Es war Daemon, seit dem Abschluss seines letzten Falls Leutnant und damit in nicht nur gehobener sondern, was bei ihm vielleicht wesentlich wichtiger war, unkündbarer Stellung.

Die Beiden waren also durch eine der gefährlichen Straßen Ankh-Morporks unterwegs. Sie waren nicht etwa in den Schatten unterwegs. Ständig waren Wächter in den Schatten unterwegs, so viele und so oft, dass es schon fast langweilig war. Sie waren unterwegs in einem der nicht ganz so herunter gekommenen, nicht ganz so vermoderten, nicht ganz so tödlichen kurz: Nicht ganz so alten Viertel der Stadt.
"Du ist sicher?", fragte Daemon zum wiederholten Mal.
"Ja.", bestätigte die Hexe, wie sie es zuvor jedes Mal getan hatte.
Der Leutnant blinzelte unsicher.
"Ich habe Dir erzählt, dass...", begann er.
"Ja, ja.", winkte Cassy ab, "Du hattest keine Zeit aufzuräumen, der Müll ist nicht rausgetragen worden, das Fenster klemmt und du kannst deswegen nicht lüften und deine Nachbarn haben furchtbar laute Kinder."
"Genau.", bestätigte Daemon, "Und außerdem..."
"...Außerdem ist die Wäsche nicht gewaschen und liegt überall herum. Daemon, ich weiß. Du hast es mir mindestens schon tausend Mal erzählt."
Der Wächter fuchtelte nervös mit den Händen umher.
"Nun, hm, ja... wir sind da.", umständlich schloss er eine Tür auf und stolperte hinein.

Die Wohnung war... nun, man konnte sicher auch gute Dinge über diese Wohnung sagen. Sie hatte Wände. Leider gab es auch ein ZWISCHEN den Wänden. Daemon schien keine Zeit zum Aufräumen gehabt zu haben. Der Müll war nicht nur nicht herausgetragen worden, er befand sich überall in den Zimmern. Das Fenster mußte schon seit einiger Zeit klemmen, man hätte die Luft mit einem stumpfen Messer schneiden können. Laute Kinderstimmen drangen durch die dünnen Wände und ungewaschene Wäsche flog überall herum, wo der Platz nicht von Müll eingenommen war.
Cassandra strahlte.
Dann begann sie vorsichtig, einen Bereich eines sofaähnlichen Möbelstückes frei zu räumen und setzte sich.

"Sehr...", sie balancierte ein undefinierbares Etwas auf einem Haufen anderer Etwase aus, "... gemütlich hast Du's hier.", beendete sie den Satz.
Der Leutnant stand unruhig in der Mitte des Raumes, einer Mischung aus Wohnraum, Schlafzimmer, Küche und Müllkippe.
"Ääh...", sagte er.
"Weißt Du eigentlich, wie schwer es ist, hier in der Stadt eine Wohnung zu finden?", fuhr sie fort.
"Ööh...", sagte er.
"Oh! Ist das da hinten NOCH ein Zimmer?", fragte sie ein wenig zu überrascht.
"Erm...", sagte er.
Und damit war alles klar.


Kapitel II - Der Umzug


Daemon stöhnte. Cassandra hatte eine kleine Ecke im Schlafsaal des Wachhauses für sich gehabt. Sie war ganz allein, irgendwie, niemand wusste genau, auf welche Weise, in die Stadt gekommen. Sie hatte kein anderes Transportmittel dafür besessen, als ihren Hexenbesen. Der Leutnant fragte sich, woher bloß das ganze Zeug kam, das er nun in die Richtung seiner Wohnung schleppte.
Unbeholfen, eines großen Teils seines Sichtfeldes beraubt, wankte er hinter der Stimme der Hexe her.
"Wirklich ZU nett, dass ich bei Dir bleiben kann.", plauderte sie munter, "Solange, bis ich etwas Anderes gefunden habe.", fügte sie nach einer Pause hinzu, die eine klitzekleine Winzigkeit zu lang war.
"Was für ein Zufall, dass Venni mich überredet hat, Dir meine Wohnung zu zeigen, als hätte sie gewusst, dass bei mir noch ein Zimmer frei ist.", murmelte Daemon.
"Nicht wahr?", strahlte Cassy ihn an und lief ohne auch nur mit der Wimper zu zucken weiter vor ihm her.

***


"War das jetzt alles?", brummte der Leutnant. Die Hexe nickte, reckte sich nach oben und drückte Daemon einen Kuss auf die Wange.
"Danke schön.", lächelte sie.


Kapitel III - Die Kutsche


Als die Beiden einige Zeit später das Haus verließen, setzte gerade die Dämmerung ein. Einige Händler bauten ihre Stände ab und gingen heim, Läden wurden geschlossen, dunkle Gestalten kamen aus dunkleren Ecken um den dunkelsten aller Geschäften nachzugehen. Grauer Dunst breitete sich in der kalten Winterluft der Stadt aus.

Das Donnern war ganz unterschwellig wahrzunehmen gewesen. Leise irgendwo jenseits des Horizonts, inmitten der allgemeinen Geräusche der Stadt, war es erschienen und hatte einen Kampf um die Vorherrschaft im Bewusstsein der Wächter angetreten. Immer schneller war es brausend in ihre Köpfe gekrochen. Und dann war es da und krachte, knallte, explodierte in ihren Gehirnen, nahm erst gar nicht erst den Umweg über die Ohren, durchschüttelte ihre Schädel und war wieder verschwunden. Einige Bruchteile von Augenblicken war Stille das Universum, dann kam das Kreischen der bremsenden Räder auf den Steinen des Straßenpflasters. Der Luftsog zog an ihren Haaren, wirbelte sie durcheinander. Die Tür der Kutsche öffnete sich, das Kind schrie kurz auf, die Tür knallte zu.
Die Wächter blinzelten durch den Staub im kalten Licht des Wintersonnenuntergangs. Die Kutsche war bereits ein ganzes Stück die Straße hinunter gefahren, als sie reagierten. Wenn Bösewichter mitten auf dem Weg irgendwelche Gefährte aufhielten, den Fahrer hinunter- beziehungsweise heraus zogen, wenn sie dann das Gefährt kaperten und damit werweißwohin fuhren, dann war das verwerflich und illegal. Ganz anders sah die Sache aus, als Daemon vor die nächste Kutsche trat, den Mann vom Kutschbock stieß und selbst hinauf stieg. Schnell zog er Cassandra hinauf und knallte mit den Zügeln. Als der Fahrtwind ihre Kleider und Haare flattern ließ und sie begannen, die Kutsche zu verfolgen, krallte sich die Hexe an den Leutnant. Regen peitschte in ihre Gesichter, Tropfen flogen von ihnen fort, konnten sich bei ihrer Geschwindigkeit nicht an ihnen halten. Cassys Lippen bewegten sich, doch ihre Worte wurden ihr von den Lippen gerissen. Sie fiel zur Seite, krallte sich in das Holz des Kutschbocks, als Daemon an den Zügeln riss und die Kutsche auf die andere Straßenseite raste, um einer Sänfte auszuweichen. Sie näherten sich der anderen Kutsche. Näher. Und näher. Dann bog sie ab.
"Mistundverflucht.", knurrte Daemon laut und riss sein Gespann auf die Seite, die Kutsche taumelte, schwankte, das Pferdegeschirr brach und die Tiere rannten davon, die Kutsche stürzte auf die Seite, prallte auf das Pflaster, rutschte knirschend und berstend in die Seitenstrasse.


Kapitel IV - Die Verfolgung


Ein Brett wurde zur Seite gestoßen. Ein Arm erschien. Langsam zog sich Daemon aus den Trümmern.
"Aaauuuuuuu.", jammerte er. Dann wurde er stutzig. Vorsichtig entfernte er weitere Bretter.
"Cassandra?", er wühlte weiter, "Cassy?"
"Hier bin ich, ich wurde in der Kurve von der Kutsche geschleudert.", die Hexe kletterte aus einem Heuhaufen am Straßenrand (Ein Wunder, dass er sich genau dort befand. Man denke nur: Ein Heuhaufen. Mitten in der Stadt.). Daemon atmete erleichtert auf. Das Gefährt schien abgesehen von ihnen leer gewesen zu sein. Er sah in die Seitenstraße.
"Und hier haben wir unseren Hauptgewinner.", triumphierte er und deutete auf die verfolgte Kutsche, die ebenfalls angehalten hatte.
Noch im Laufen zog Daemon die kleine Armbrust, die er sich schon bald nach seinem Eintritt in die Wache zugelegt hatte (bisher hatte sie ihm noch nicht einmal genützt) und ging auf die Kutsche zu. Er richtete die Bolzenspitze auf die Einstiegstür.
"So, und jetzt gaaanz langsam, meine Herrschaften."
Unendlich langsam öffnete sich die Tür.

"Ihr seid alle verha...", mit großen Augen starrte er in das Innere.
"Uh oh.", kommentierte Cassandra hinter ihm die Situation.


Kapitel V - Der Mann


"Vielleicht wäre es eine gute Idee, die Armbrust herunter zu nehmen?", flüsterte die Hexe hinter Daemon. Der Leutnant schluckte schwer und senkte ruckartig die umklammerte Waffe.
"...", sagte er.
Der Mann in der Kutsche sah ihn ruhig an, langsam legte er die Fingerspitzen seiner Hände aneinander.
"Die Stadtwache.", stellte er fest, "Was beschert uns diese Ehre?"
"...", langsam blubberte in Daemons Gedankenbrei die Erkenntnis an die Oberfläche, WEM er da grade seine Armbrust unter die Nase gehalten hatte.
Der Mann sah sie gelassen an.
"Daemon und Cassandra, nicht wahr?", fragte er, doch an seinem Tonfall war zu erkennen, dass eine Antwort nicht nötig war.
Kleine Lichtpunkte erschienen im dunklen Strom der dahinschwirrenden Schlieren in Daemons Kopf. Man hätte sie für Hoffnungsfunken halten können, doch schnell entpuppten sie sich als grelle Scheinwerfer ungebändigter Panik.
"Ihr wohnt jetzt zusammen, oder?"
'Woher weiß er das??', rief die Logik im Sturmgekreische des Kollapses. Mühsam nickte er. Dann hörte er die Stimme hinter sich.
"Ähm... du bist der Patrizier, richtig?"
'Oh Gott!', stöhnten Logik und Chaos zusammen, 'Die Hexe.'.
Der Mann in der Kutsche nickte lächelnd.
"So ist es."
"Warum hast Du diesen Jungen in Deine Kutsche ziehen lassen?", sie deutete auf das Kind, dass Lord Vetinari gegenüber saß.
"Oh. Das ist also der Grund für das hier.", der Patrizier hob eine Augenbraue, "Das ist schnell erklärt: Dies ist Eduard, der jüngste Sohn der Lady Selachii. Seine Mutter bat mich, ihn auf meiner Rückfahrt von einem... Geschäftstermin... dort abzuholen und mitzunehmen. Leider war ich etwas in Eile, so dass ich wohl etwas... ungestüm war. Wenn dies eure Aufmerksamkeit erregt hat.", er zögerte kurz, "Entschuldigt dies bitte."
'Der Patrizier hat sich gerade bei dir entschuldigt!', die Logik beging einen Suizidversuch, als sie sich freiwillig in die Tiefen der Panik stürzte. Daemon kam erst wieder zu sich, als die Kutsche mit ihren Insassen weitergefahren war.


Kapitel VI - Das Ende


Der Leutnant stapfte voraus, wütend trat er nach allem, was ihm unter die Füße kam (Steine, Papierfetzen, Kutschentrümmer). Die Hexe lief hinter ihm her.
"Das war ja jetzt wohl mehr als peinlich.", kommentierte sie das Geschehen.
Ein undeutliches Knurren war die Antwort.
"Ob er uns das verzeihen wird? Ich meine... Du hast mit einer Armbrust auf ihn gezielt.", fragte Cassandra. Das Knurren wurde lauter.
"Wie teuer mag so eine Kutsche sein, wie die, die du zu Schrott gefahren hast?", das Knurren bekam einen wirklich beunruhigenden Unterton.
"Wird Rince nicht sauer sein, wegen dieser ganzen Sache?", das Knirschen aufeinander mahlender Zähne übertönte das knurrende Geräusch beinahe.
"Immerhin hast Du es gut gemeint."
Die beiden gingen schweigend weiter. Bis in den Sonnenuntergang. Oder so.

ENDE


"Sag mal, wenn Du auf's Abort gehst... setzt Du Dich eigentlich dabei hin? Du wirst doch nicht im Stehen...??"
"ARGH! Nicht auch noch DAS!"



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