Wir, Du, ich

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von Hauptmann Daemon Llanddcairfyn (DOG)
Online seit 19. 02. 2017
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 19. 02. 2015 datiert
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 Außerdem kommt vor: Cim Bürstenkinn

Ankh-Morpork steht in Flammen, eine Menge Geld ist im Spiel und in der Mitte steht ein Wächter und fragt sich am Ende noch, wo er da hinein geraten ist.

Dafür vergebene Note: 11

Dunkel war der Raum. Er stand in der Mitte. Er wusste, dass der Andere ihm gegenüber saß. Keine Aussicht, zu entkommen. Er hatte versucht, das Spiel irgendwie mit zu spielen und hatte verloren. Er konnte nicht vermeiden, hart zu schlucken. Sein Gegenüber schien nur darauf gewartet zu haben, dass ein Zeichen der Schwäche erkennbar wurde.
"Dann erzähl mal, wie es dazu gekommen ist", forderte der Schatten ihn auf.
Statt es einfach zu Ende zu bringen, spielte man ein Spiel mit ihm. Er hatte keine Wahl. Langsam begann er zu erzählen.

***

Drei Tage zuvor war Herold Gerd Bernier früh morgens im Wachhaus aufgetaucht. Der kleine, unauffällige Mann erklärte, er besäße einen der vielen Handelskontore im Hafen der Zwillingsstadt und müsse etwas Wichtiges melden. Nachdem er seine Geschichte das erste Mal dem vollkommen überforderten Rekruten am Tresen und das zweite Mal dem ziemlich uninteressierten Offizier vom Dienst erzählt hatte, hatte man ihn, da das Ganze irgendwie nach einer Gildenangelegenheit aussah, in ein anderes Wachhaus geschickt. Bernier war sehr überrascht, als ihn der Rekrut vom Karren absteigen hieß. Er stand auf dem ungepflasterten, mit Pfützen übersäten Hof eines ähnlich heruntergekommenen Hauses, an dessen Front die letzten Fitzel Magie die Worte Boucherie Rouge rot in den nassen Dunst des Morgennebels flackern ließen. Mit hängenden Schultern betrat er das alte Bordell und folgte den Schildern im Treppenhaus nicht in die "gute Stube" sondern die Stufen hinauf in die Dienststelle zur Observation von Gildenangelegenheiten. Wenig später saß er auf einem Sessel, dessen Bezug zwar ausgeblichen und an manchen Stellen schon sehr dünn gescheuert war, der aber trotz der offensichtlichen vielen Jahre der Nutzung weich und bequem war. Auf der Bettkante vor ihm saß ein Offizier der Wache und balancierte eine Tasse Tee zurück auf den kleinen Beistelltisch.
"Auch etwas zu trinken?", fragte er.
Bernier lehnte höflich ab.
"Ich bin hier, weil-", begann er.
"-weil Du eine Drohung erhalten hast, dass man eines Deiner Lagerhäuser in Brand steckt, wenn Du nicht eine beträchtliche Summe Geld zahlst", beendete der Wächter den Satz.
Der Händler stutzte.
"Die Taube mit der Kurzversion Deiner Aussage ist bereits vor einer halben Stunde hier angekommen", der Wächter reckte sich zum Beistelltisch und zog an einem kleinen Blatt Papier, dass unter der Teetasse stand. Er riss den Zettel an sich, wobei die Tasse bedrohlich schwappte und Richtung Tischkante hüpfte.
"Du hast heute Morgen einen Brief erhalten, dass Du-", der Offizier unterbrach sich und führte das Papier näher an sein Gesicht. "- dass Du 100.000 Dollar übergeben sollst, sonst geht eines Deiner Lagerhäuser in Flammen auf." Er schaute den Mann vor sich prüfend an. Der Händler trug einen ordentlichen Anzug und wirkte gepflegt, strahlte jedoch nicht die Überlegenheit und Selbstsicherheit eines Handel-Tycoons aus.
"Womit handelst Du, Herr Bernier?"
"Mit dem, was die Häfen am Ankh bieten. Wir fahren bis nach Lancre hoch, wenn es sich lohnt. Ich besitze drei Flussschiffe, mit denen wir Waren aus der Stadt in die Provinz bringen und Gemüse und andere Erzeugnisse der agraren Gemeinschaften zurück nach Ankh-Morpork."
"Das heißt, jemand droht damit Kohl zu verbrennen?", schauderte der Wächter sichtlich.
Bernier ließ die Schultern noch weiter hängen.
"Wenn es nur das wäre. Aber gerade jetzt haben wir alles Mögliche in den Lagerhäusern. Wir wollen zu den Frühlingsfeiern mit allen Schiffen los und den Dörfern alles bieten, was sie für ihre Feste brauchen. Wir haben Stoffe, Wein, fremde Kohlsorten. Sogar ein paar Säcke Gewürze konnten wir auf den Märkten auftreiben. Diese Drohung hätte zu gar keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können."
"Klingt ganz so, als wüsste jemand sehr genau über Deine Lagerbestände Bescheid."
Der Wächter langte nach seiner Tasse, stieß sie dabei aber mit den ausgestreckten Fingerspitzen noch etwas weiter zur Tischkante und brach den Versuch ab. "Wir sollten Deine Belegschaft unter die Lupe nehmen."
"Dafür ist keine Zeit. Der Erpresser will das Geld schon heute Abend." Der Händler kramte in seiner Innentasche und reichte dem Offizier einen weiteren Zettel. "Der Brief", kommentierte er.
Der Wächter las.
"Nicht schlecht", bewertete er den Inhalt nach dem ersten Überfliegen des Geschriebenen. "Das hat sich einer schlau ausgedacht. Aber nicht schlau genug." Schnell streckte er sich, griff nach der Teetasse, zog sie an sich und nahm einen Schluck.
"Mach Dir keine Sorgen. Die Bürschchen kriegen wir."
"Es gibt da noch ein weiteres Problem." Bernier sah den Wächter traurig an.

Der Wächter las das kurze Dossier, das man ihm schnell zusammengestellt hatte. Der Händler war in der Seelein-Straße 14 wohnhaft. Sein "Handelskontor H.G.B." warb mit dem Slogan Vom Feld bald auf den Tisch und war auf mehrere Lagerhäuser in den Häfen der Stadt verteilt. In einem davon waren die Büros untergebracht. Der Offizier verglich die Angaben mit der hübschen, aufwändig geprägten Visitenkarte, die der Händler ihm gegeben hatte. Soweit passte alles. Von Frau und Familie war nichts bekannt, ebenso wenig von Straftaten oder Gildenstreitigkeiten. Dann konnte es ja losgehen.

Am Abend desselben Tags

Der Wächter reichte Herrn Bernier die kleine Kiste. Der Brief hatte genau vorgeschrieben, wie der Behälter auszusehen hatte, in dem das Geld übergeben werden musste. Die Holzkiste war gerade so groß wie notwendig, mit Eisenbändern fest verschlossen und zur Tarnung mit Papier eingepackt. So würde sie keine Aufmerksamkeit erregen und gleichzeitig einen ordentlichen Sturz aushalten.
"Unser Kommandeur war nicht glücklich, als ich heute Morgen nach 100.000 Dollar gefragt habe", sagte der Offizier bei der Übergabe an den Händler. "Aber wenn alles gut geht, geben wir das Geld ja noch heute Nacht an den Palast zurück."
"Vielen Dank." Der Händler umklammerte die Kiste nervös. "Mein gesamtes Vermögen liegt in meinen Lagerhäusern. Ich hätte die Summe einfach nicht aufbringen können. Schon gar nicht innerhalb eines Tages."
Der Wächter winkte ab.
"Schon gut. Wir wollen die Kerle ja auch kriegen." Er fasste den Händler an den Schultern und drehte ihn um. Einige Dutzend Meter vor ihnen floss der Ankh träge Richtung Rundmeer. Auf der Straße fuhren zu dieser Zeit nur noch wenige Karren entlang zu der Brücke vor ihnen. Arbeiter liefen von der Arbeit nach Hause oder von zu Hause zur Kneipe oder von der Kneipe zur nächsten Kneipe. Bettler, Matrosen und ähnliches nächtliches Gesindel waren unterwegs. Auf der anderen Seite der Brücke lagen die Schatten und die beiden Männer waren froh, die Übergabe am anderen Ende zu starten. Ein Pferdekarren zockelte an ihnen vorbei, rappelte laut über das Pflaster von Laternenschein zu Laternenschein, schien noch einmal hell auf, als er die beiden großen Lampen am Brückenkopf passierte und verschwand dann im Dunkeln.
"Also pass auf", begann der Wächter. "Du stellst Dich auf die Brücke und wartest, bis die Burschen mit ihrem Boot den Fluss herunter kommen. Wenn sie ihr Leuchtsignal geben, wirfst Du die Kiste über das Geländer auf das Boot und kommst zu mir zurück, verstanden? Wir haben in beide Richtungen versteckte Boote am Ufer, die sofort die Verfolgung aufnehmen. In einer Stunde ist alles vorbei, deine Lager sind in Sicherheit und Lord Vetinari kann sich etwas Hübsches für die Halunken ausdenken."
Herr Bernier schluckte bei der Erwähnung des Patriziers. Der Offizier klopfte ihm auf die Schulter.
"Keine Sorge. Los jetzt." Er gab dem Händler einen Stoß und der setze sich langsam in Bewegung.
Die Kiste vor sich her tragend passierte er die Lichtkegel der Laternen, kreuzte die Querstraße vor der Brücke, blieb zwischen den beiden großen Lampen noch einmal stehen und sah sich unsicher um.
Der wird doch nicht versuchen abzuhauen?, dachte der Wächter. In diesem Moment fuhr eine Kutsche die Querstraße entlang. Der Offizier verlor den Händler für ein oder zwei Sekunden aus den Augen. Oh verdammt. Doch Herold Gerd Bernier stand noch genauso wie zuvor unsicher zwischen den Laternen, die verpackte Kiste mit dem Geld eng an sich gedrückt und schien selbst aus dieser Entfernung sichtbar zu zittern. Schließlich wandte er sich langsam um ging langsam los. Schritt für Schritt verschwand er in der Dunkelheit der unbeleuchteten Brücke.
"Jetzt heißt es warten."
Natürlich hatte er dem Händler nicht von allen Maßnahmen erzählt. Selbstverständlich wartete auch am anderen Ende der Brücke ein Wächter, damit der Händler nicht auf die Idee kam, 100.000 Dollar in bar wären ein passender Anlass, die Stadt zu verlassen. Der Offizier hatte noch nie etwas vom Handelskontor H.G.B. - Vom Feld bald auf den Tisch gehört, aber er interessierte sich erstens generell wenig für Kohl und zweitens noch weniger dafür, wie er von der Feldern der Sto-Ebene an die Marktstände der Stadt kam. Und letzten Endes war das Risiko dieser Aktion sehr gering. Zwei Nachtschwärmer kamen schwankend über die Brücke auf ihn zu und passierten ihn. Die Zeit verging.

Der Wächter zitterte in der feuchter werdenden Nacht. Das stundenlange Warten war schon hier zwischen den Häusern sehr unangenehm, er wollte sich gar nicht vorstellen, wie es auf der Brücke, ungeschützt und direkt über dem Fluss sein musste. Der Zeitpunkt der Übergabe war längst vergangen. Eine Stunde drüber. Der Offizier stapfte los. Er durchschritt das Licht mehrerer Laternen, trat auf die Brücke und wich einem Karren aus, der von zwei Jungen gezogen wurde und mit gefüllten Eimern beladen war. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Vor sich, in der Mitte des Brückenbogens, konnte er ein Schemen erkennen. Er ging durch den leichten Nebel auf die Gestalt zu.
"Herr Bernier?", fragte er in die Nacht hinein.
Der Schemen zuckte zusammen und drehte sich hastig um.
"Ach Sie sind es!", rief der Händler aus. "Was machen Sie denn hier? Was ist, wenn wir vom Fluss aus zusammen gesehen werden?" Bernier hielt noch immer die Kiste in den Armen.
"Die Zeit für die Übergabe ist lange rum. Da passiert nichts mehr", stellte der Wächter fest. "Die Übergabe hat nicht stattgefunden?" Er nickte in Richtung der Kiste.
Der Andere schüttelte den Kopf.
"Ich habe kein Signal gesehen. Es kamen ein paar Boote vorbei, aber keines davon hat irgendwie versucht, zu mir hoch zu leuchten oder sonst wie auf sich aufmerksam gemacht." Herold G. Bernier zog die Augenbrauen zusammen. "Was hat das zu bedeuten?"
Der Wächter zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht haben sie es sich anders überlegt. Haben kalte Füße bekommen. Oder es ist was dazwischen gekommen."
"Vielleicht wurden Ihre versteckten Boote entdeckt und Ihre Aktion ist aufgeflogen", ergänzte der Händler eine weitere Möglichkeit.
Der Offizier dachte kurz nach.
"Möglich", gab er zu. "Aber unwahrscheinlich. Wir müssen warten, bis sich die Erpresser wieder melden."
"Die Kiste mit dem Geld nehme ich aber mit!", verkündete Bernier. "Ich will nicht, dass die Verbrecher sich melden und ich nach dieser missglückten Übergabe nicht sofort liefern kann. Es geht schließlich um meine Lagerhäuser! Wenn es Ihre Leute waren, die unvorsichtig genug waren, sich entdecken zu lassen, dann sind Sie Schuld, wenn etwas-"
"Schon gut", beschwichtigte der Wächter. "Nimm die Kiste ruhig mit. Es sind eh nur alte Akten aus der Dienststelle darin."
Bernier machte einen Schritt zurück. Er erbleichte.
"Was sagen Sie da?", er starrte ungläubig auf die Kiste in seinen Armen. "Es war kein Geld in der Kiste?"
"Reine Vorsichtsmaßnahme", erklärte der Offizier. "Du hättest die Kiste ja auch- versehentlich neben das Boot werfen können."
Der Händler zitterte jetzt wesentlich heftiger als zuvor.
"Das ist eine Katastrophe", flüsterte er und suchte Halt am Brückengeländer.
Der Wächter runzelte die Stirn.
"Eine Katastrophe? Was meinst Du?"
"Ich meine", sagte Bernier und ließ die Kiste in seinen Armen fallen. Krachend schlug sie auf das Pflaster und polterte in die Richtung des Offiziers. "Dass das hier nicht die Kiste ist, die Sie mir gegeben haben. Der Erpresser hat sie mir abgenommen und ist damit verschwunden."

In der Wärme des Wachhauses tranken sie Kakao und versuchten, die Ereignisse zu ordnen. Der Offizier der Dienststelle sah den anderen Wächter an, der auf der anderen Seite der Brücke in den Schatten gewartet hatte. Herold Gerd Bernier saß bleich und in sich zusammen gesunken zwischen ihnen.
"Und Du hast nichts bemerkt, Rekrut?"
Der andere Wächter verzog kurz das Gesicht.
"Es sind mehrere Personen, Karren und Kutschen über die Brücke gekommen. Ich habe darauf geachtet, dass Dein Freund hier nicht mit der Kiste unter dem Arm auf meiner Seite herunterspaziert", er trank einen Schluck vermutlich nicht ganz reinen Schokoladengetränks. "Hättest Du mir gesagt, ich solle jeden, der vorbei kommt, kontrollieren, hätte ich das getan."
Der Offizier beugte sich vor und versuchte, dem Händler in die Augen zu schauen.
"Herr Bernier?", er schüttelte den vor Angst, Übermüdung und Kälte angegriffenen Mann leicht an der Schulter. "Jetzt erzähl uns nochmal langsam alles, was Dir noch einfällt, ja? Angefangen beim Zeitpunkt, an dem Du auf die Brücke gegangen bist."
Der Händler nickte abwesend und fing monoton an zu erzählen.
"Ich bin mit der Kiste auf die Brücke gegangen. In der Mitte bin ich stehen geblieben und habe auf den Fluss geschaut. Ab und zu habe ich die Seite gewechselt. Es kamen Leute vorbei und Karren und eine Kutsche. Einmal dachte ich, eine Gruppe Betrunkener würde mich überfallen wollen, aber sie sind weitergetorkelt. Dann stand plötzlich dieser Mann neben mir. Er hielt mir einen Dolch an die Seite und flüsterte mir zu, dass er die Kiste mitnehmen würde", der Mann schauderte.
Schnell schob der Offizier ihm den heißen Kakao in die Hände.
"Trink."
Der andere Wächter verdrehte die Augen und schob Bernier seine Tasse zu.
"Nimm das. Und dann erzähl weiter."
Der Händler nahm einen Schluck, hustete überrascht und fuhr dann fort.
"Der Mann gab mir eine Kiste, die genauso verpackt war, wie meine. Er sagte, ich soll ihnen erzählen, dass keine Übergabe stattgefunden hätte. Ich sollte die leere Kiste mitnehmen und verhindern, dass sie hinein schauen. Wenn ich ihm nicht einen ordentlichen Vorsprung verschaffen würde, würde etwas Schreckliches passieren."
"Wie sah er aus?"
"Es war stockdunkel. Er stand hinter mir. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen."
"Du weißt doch, ob er groß oder klein war. Ob er einen Akzent hatte", der Wächter mit dem Rum im Kakao konnte sich nur mühsam beherrschen. "Und in welche Richtung ist er verschwunden?"
"Er muss größer als ich gewesen sein. Und er sprach ohne Akzent", Bernier sah den Wächter ängstlich an. "Und er ist Richtung Ankh verschwunden."
Der Wächter lehnte sich grinsend zurück.
"Na, wenigstens etwas", sagte er in Richtung des Offiziers.

***

"Du hast Dich also nur teilweise an den Plan gehalten", stellte der Mann im Dunkeln fest. Seiner Worte waren bedrohlicher als jede Waffe, die er hätte zeigen können.
"Es war notwendig", er bemühte sich, nicht zusammen zu zucken. Er vernahm etwas wie ein tiefes Einatmen in den Schatten vor sich.
"Fahre fort."

***

Der Rauch lag dicht und tief über dem Fluss und den gegendrehwärtigen Stadtvierteln. Aufgeregte Bürger liefen durch die Straßen, vereinzelt sah man vollgepackte Wagen zu den Stadttoren fliehen, als wenn ganz Ankh-Morpork von feindlichen Armeen gestürmt werden würde. Der Wächter wusste, dass die Golems das Feuer längst unter Kontrolle hatten. Der Offizier musste erst gar nicht lange nachfragen: Er hatte sich bei der Nachricht, dass es ein Feuer am Hafen gegeben hatte, sofort auf den Weg zu Herold Gerd Bernier gemacht.
Der Händler war sehr aufgebracht gewesen, hatte der Wache und dem Offizier die Schuld an seinem Verlust gegeben und war zu keiner Mitarbeit mehr bereit. Nach wenigen Sätzen hatte er den Wächter vor die Tür gesetzt und selbige vor seiner Nase zu geschlagen. Ratlos stand der Offizier vor dem großen Stadthaus und schaute die eindrucksvolle Fassade hinauf. Hier konnte er wohl nichts mehr tun. Der Wächter war jetzt auf dem Weg zum Hauptwachhaus. Er würde nur einen kleinen Umweg auf dem Weg dorthin machen.

Drei Alchemisten saßen ihm gegenüber. Sie waren zur Hälfte aufgeregt, dass die Wache sie befragen wollte, zur anderen Hälfte fühlten sie sich deswegen unnötigerweise wichtig und unentbehrlich. Der Rest von Ihnen war angesengte Kleidung, Schwefelgeruch und keine Augenbrauen. Die drei debattierten schon eine Weile, hatten den Offizier auf das Dach der Gilde gebeten, dort geschnüffelt, gespäht und weiter gestritten. Schließlich drehte sich der längste und dünnste von ihnen mit wichtiger Pose zum Wächter und räusperte sich.
"Ähem", er warf noch einen Blick auf seine beiden Kollegen. "Wir sind uns einig-", begann er.
"Pah!", machte einer der anderen, die Dritte stieß ihn in die Rippen.
"Wir -sind- uns einig", wiederholte der Erste. "Dass es sich nach Begutachtung der Rauchentwicklung, der Restflammen und des -Geruchs - nun -", er zögerte und sah die anderen beiden wieder an. "Um ehrlich zu sein denken wir, es ist einfach nur eine brennende Lagerhalle voller Kohl." Er machte eine entschuldigende Geste, nichts Abenteuerlicheres berichten zu können.
"Kein Brandbeschleuniger, keine Magie, keine- ihr wisst schon", der Wächter betrat vorsichtig das verminte Gelände. "Keine Alchemie?"
Seine drei Gegenüber fuhren zusammen.
"Du denkst doch wohl nicht-?"
"Wir dachten, Du suchst unsere Hilfe!"
"Das ist ja wohl das Letzte!"
"Ungeheuerlich!"
"Keine gute Tat bleibt ungestraft."
"Jetzt sollen am Ende wohl wir es gewesen sein-"
"Das ich das noch erleben muss-"
Der Wächter verabschiedete sich murmelnd und verließ das Gildengebäude.

Im Wachhaus angekommen erwartete ihn der Kollege von letzter Nacht.
"Dein Freund Bernier war hier", verkündete er. "Er hat verlangt, dass man ihm das Geld für die Übergabe aushändigt. Sagte was von Schadensersatz und Haftpflicht und solchen Dingen. Er würde das Geld sofort brauchen, sonst könne er für nichts garantieren."
"Was ist dann passiert?", fragte der Offizier müde und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
"Der Kommandeur und ich haben uns gefragt, warum dieser Lappen so dringend das Geld braucht."
"Für die Antwort habt ihr bestimmt nicht lange gebraucht:
Sein Erpresser hat sich gemeldet, dass er das nächste Lager anzündet, wenn er dieses Mal nicht liefert."
Der andere nickte.
"Wahrscheinlich findet noch heute die nächste Übergabe statt", vermutete er. "Und offenbar hat der Erpresser ihm dieses Mal richtig Angst gemacht. Jedenfalls hat er sich getraut, dem Kommandeur entgegen zu treten und das Doppelte zu verlangen. Schließlich wäre ein ganzes Lagerhaus voller Stoffe und Gewürze hochgegangen."
"Merkwürdig", sagte der Offizier. "Laut den Alchemisten war nichts weiter als Kohl in dem Lager. Aber der Haufen war noch nie sehr zuverlässig. Was ist dann passiert?"
Der andere Wächter schnalzte mit der Zunge.
"Der Kommandeur hat ihm klar gemacht, dass er weder 200.000 Dollar herumliegen hätte, noch dass er Geld einfach so heraus rückt, nur weil jemand laut danach fragt."
"Und dann?"
"Dann? Dann hat er Bernier angelächelt, bis der anfing zu weinen und gegangen ist."
Der Offizier pfiff leise.
"Das war nicht nett."
"Vetinari dürfte nicht erfreut sein, wenn er von der ganzen Sache erfährt. Irgendwie -sind- wir Schuld an der Sache."
"Außer, dass wir weder einen Händler der Gilde erpresst, noch sein Lagerhaus angezündet haben", gab der Offizier zu bedenken.
"Dein Freund ist jedenfalls unter Beobachtung. Immerhin kann er noch als Köder dienen. Der Kommandeur hat zwei Leute hinterhergeschickt, die auf ihn aufpassen, bis Du sie ablöst."
"Ich?"
"Natürlich. Warum sollen sich andere für Dich die Nacht um die Ohren schlagen?", der Wächter grinste seinen Vorgesetzen an. "Jetzt guck nicht so. Ich bin mit dabei."
Erleichtert ließ sich der Offizier zurücksinken.
"Danke."
"Du warst bei den Alchemisten?", nahm der andere den Gesprächsfaden wieder auf. "Und hast nichts herausgefunden. Überraschend. Beinahe wäre Deine Dienststelle mal zu etwas gut gewesen."
"Ha ha", machte der Offizier. "Sehr witzig."

Sie waren Herold Gerd Bernier von seinem Haus aus gefolgt. In den Abendstunden hatte er es verlassen und war durch die schnell dunkler werdenden Straßen in Richtung Hafen gestapft. Hier lag der Brandgeruch noch deutlich in der Luft und als der Händler sein Ziel erreichte, sahen die Wächter zum ersten Mal die Ruine, die von dem Lagerhaus übrig geblieben war. Das Gebäude hatte direkt am Wasser gestanden. Jetzt ragten hohe Balken schwarz gegen die dunkle Nacht und trugen die Reste des Dachs. Das gesamte Umfeld war von Löschwasser durchtränkt und matschig. Verkohlte Holzkisten und Regale waren umgestürzt und hatten ihren Inhalt in die Schlacke verteilt. Bedrohlich knarrte das Gebälk. Die Schemen großer Behälter, die aus den Flammen gezogen worden waren, waren am Ufer zu erkennen, Karrenspuren hatten sich tief in den Matsch gegraben und zeugten von den geschäftigen Einwohnern der Stadt, die solcherlei gerettete Ware sofort vor Diebstahl in Sicherheit brachten.
"Ein idyllischer Treffpunkt", murmelte der Wächter dem Offizier zu.
"Abgelegen. Unübersichtlich. Perfekt", antwortete der.
Sie hockten sich am Rand des Trümmerfelds in den Schatten. Irgendwo weiter vorne war Bernier verschwunden. Doch ein weiteres lautloses Weiterkommen war hier so gut wie ausgeschlossen. Die beiden spähten über den Rand einer Kiste, hinter der sie sich versteckt hielten. Vom Ufer her waren Stimmen zu hören.
"Bin gespannt, wie er ihnen erklären will, dass er das Geld nicht hat."
"Wir müssen näher ran und die Kerle schnappen. Jetzt."
In diesem Moment war ein Schrei zu hören, offensichtlich der kleine, schreckhafte Händler. Die Wächter sprangen auf und rannten los. Schlamm spritzte, der Matsch sog an ihren Stiefeln. Nach wenigen Schritten wurden die beiden langsamer und zogen die mit jedem Schritt schwerer werdenden Stiefel aus dem Schlick. Als sie die Uferstelle erreichten, von der der Schrei gekommen war, konnten sie auf dem Fluss das Schlagen von Rudern hören, das sich schnell entfernte.
"Die paddeln aber schnell", keuchte der Wächter und hielt sich an einem zerstörten Regal fest. "Du hast nicht zufällig auch auf diesem Flussstück versteckte Boote postiert?"
"Zufällig nicht", entgegnete der Offizier und stütze sich mit seinen Händen auf den Knien ab. "Könntest Du bitte das Beweisstück sichern?"
Der Wächter folgte dem Blick und sah jetzt auch das Papier, das standesgemäß mit einem Dolch in den Holzbalken gepinnt war, an dem er sich festhielt.
"Netter Versuch, Wächter", las er vor. "Einer von Euch kommt morgen Abend mit dem Geld ins Saiteneck, sonst ist HGB dran und Morpork wird brennen!"
Die beiden Wächter sahen sich an.
"Ich denke, es wird Zeit, sich vom Patrizier ein paar Dollar zu besorgen."

***

Die Atmosphäre in dem Raum wurde immer klaustrophobischer. Immer bedrohlicher. Er räusperte sich, sah zu der Tür am anderen Ende. So nah und doch unerreichbar. Er spürte, dass er den Mann im Schatten mit der Geschichte eher belustigt hatte. Schließlich war ihm kein Teil davon wirklich neu gewesen. Er hatte sie nur von ihm hören wollen, aus seinem Mund. Er schluckte wieder.
"An dieser Stelle", sagte die Stimme ruhig. "Verspricht es erst wirklich interessant zu werden."
Ein kurzes, metallisches Blitzen war zu sehen.

+++

Daemon Llanddcairfyn stand in der kleinen Gasse und sah sich misstrauisch um. Er hasste diese Situation. Jedes Mal dasselbe. Er steckte die Hände in die Manteltasche und-
"Das sollst Du doch nicht tun", sagte eine Stimme hinter ihm. "Die Hände immer da, wo ich sie sehen kann."
Der Hauptmann grinste, zog langsam die leeren Hände aus den Taschen und drehte sich um. Der Mann mit dem großen Hut und dem abgewetzten Mantel ging ihm, trotz Kopfbedeckung, gerade bis zur Brust.
"Schön, Dich zu sehen", erklärte der Wächter.
"Man hört, Du hast der Stadt ein schönes Gesprächsthema organisiert", überging Freund Beuteltasche diese Behauptung. "Und im Anschluss ist es für Dich nicht wesentlich besser gelaufen. Auf dem Fluss ist wohl jemand - abhandengekommen."
"Ich hoffe, er ging nicht über Bord?", fragte der Hauptmann.
Der Schmuggler wiegte den Kopf.
"Davon hat man nichts gehört. War es das, was Du von mir wissen wolltest?"
"Natürlich nicht." Der Wächter sah den Unterboss der Gilde an, bis beide grinsten. "Ich will wissen, ob Ihr dahinter steckt."
Freund Beuteltasche wurde ernst.
"Die Gilde hat viele Betätigungsfelder. Ein paar Fässer Golderbsen zwischen einer Ladung Gewürzgurken hier, eine Kiste Floriander in einem doppelten Karrenboden da. Vielleicht auch mal ein paar Mädchen, die plötzlich an Bord eines unserer Schiffe aufwachen. Und wenn vor Brindisi überraschend der Leuchtturm ausfällt: Wer wären wir, den auf Grund gelaufenen Seeleuten nicht zu helfen und Ihnen die Last Ihrer Ladung abzunehmen?" Der kleine Schmuggler lächelte bescheiden. "Aber ein Lagerhaus mitten in der eigenen Stadt anzuzünden gehört nicht in unseren Portfolio."
Daemon hob entschuldigend die Hände.
"Ich dachte ja nur. Die ganze Geschichte ist eben sehr - boot-lastig."
"Es fließt ein Fluss durch diese Stadt", stellte Freund Beuteltasche fest.
"Du kannst mir also keinen Hinweis geben, der mir nachher im Saiteneck helfen würde?"
"Nach der Sache auf der Brücke würde ich mit einer Überraschung rechnen", erklärte der Schmuggler sachlich.
"Na prima."

Dunkel lag der kleine Platz vor ihm. Die dritte Nacht in Folge stand der Hauptmann irgendwo in Ankh-Morpork. Seine Stiefel waren seit gestern nicht getrocknet, so dass er eine zusätzliche Portion Missmut dabei hatte. Außerdem trug er eine ähnliche Kiste wie die vor zwei Tagen bei sich. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass dieses Mal tatsächlich 200.000 Dollar darin waren, die der Palast nach einigen Hin und Her und Hinweis auf den Brand am Hafen schließlich leihweise herausgerückt hatte.
Das Saiteneck war ein kleiner Platz, nicht viel mehr als ein Hof, mitten in den Schatten. Mehrere verwinkelte Gassen führten zu ihm, von denen wieder Gassen ausgingen, von denen wieder Gassen ausgingen. Und in jeder Gasse gab es zwielichtige Tavernen, geheime Unterkünfte, Gaunerverstecke, Kellerräume, Geheimgänge, Leitern auf die Dächer und ein Dutzend anderer Fluchtmöglichkeiten. Daemon seufzte bei der Erkenntnis, dass eine vollständige Überwachung durch die Wache aussichtslos war. Er musste bei der Übergabe etwas aus dem Kerl heraus bekommen. Einen Hinweis auf seine Identität. Irgendeinen Anhaltspunkt, an dem man festmachen konnte, woher er kam und wo er sich verstecken konnte. Sobald der Erpresser ihm gegenüber stünde, würde er mit seiner ganzen Erfahrung ein unauffälliges Verhör führen und jede noch so kleine Information über den Verbrecher speichern, verarbeiten und zu einem Strick verarbeiten, über den der Täter stolpern würde. Er trat auf den Platz.
Vor ihm, im Schatten einer Hauswand, bewegte sich etwas. Der Wächter spannte jeden Muskel seines Körpers an und erwartete den, der da auf ihn zukam.
Zögernd, langsam, trat die Gestalt einen vorsichtigen Schritt von der Wand weg. Dann noch einen. Sie trug einen weiten, merkwürdig ausgestellten Mantel und einen traurigen Blick.
"Bernier?", fragte der Hauptmann entgeistert. "Was ist das für ein Spiel?"
"Es tut mir leid", sagte der Händler mit weinerlicher Stimme. "Man zwingt mich dazu. Bitte-", er schluchzte. "Tun Sie nichts Unüberlegtes. Man kann uns sehen." Er machte große Augen und flüsterte. "Und hören."
Der Wächter machte unwillkürlich einen Schritt zurück und sah zu den umgebenden Häusern hoch.
"Wie geht es jetzt weiter?", fragte er.
"Sie-", Herold stockte. "Sie geben mir das Geld. Und niemanden passiert etwas."
"Was hast Du unter diesem Mantel?" Daemon machte einen Schritt vor, doch der andere wich schnell zurück.
"Nicht!", flehte er. "Er hat gesagt- er sagte- wenn man nur einen Knopf öffnet, dann-" Seine Stimme versagte.
Der Hauptmann hob beschwichtigend die Hände.
"Schon gut. Schon gut. Ich mache nichts." Er hob die Kiste auf. "Was wirst Du damit machen?"
Der Händler ließ die Schultern sinken.
"Ich bringe es zu ihm. Und vielleicht- hoffentlich- lässt er mich dann gehen."
Der Wächter überlegte kurz. Er sah sein Gegenüber an. Zitternd, verloren in was immer unter diesem Mantel an seinen kleinen Körper geschnallt war. Er blickte nochmal zu den Dächern über sich und nickte dann.
"Also gut. Pass auf Dich auf."

***

"Und eine Verfolgung war nicht möglich?", fragte die Stimme aus dem Dunkel.
"Nein, Herr", antwortete er. "Die Gegend ist verwinkelt und konnte nicht vollständig überwacht werden."
"Mhm", machte der Mann, öffnete den silbernen Streichholzkasten jetzt ganz und entzündete eines der Hölzer. Hell stach die Flamme in das dunkle Büro und steckte nach und nach mehrere Kerzen an.
"Bitte sei so gut und entzünde auch die Kerzen in den Leuchtern", forderte er den Wächter auf. Daemon beeilte sich, einen Docht aus seiner Tasche zu fummeln und die übrigen Kerzen im Raum anzustecken. Schnell verbreiteten die Leuchter so viel Licht, dass der Wächter das ganze Rechteckige Büro erkennen konnte. Ebenso den ruhig hinter seinem Schreibtisch sitzenden Patrizier. Als dessen Blick auf ihn fiel, wünschte sich der Wächter die Dunkelheit zurück.
"Herr Bernier ist im Laufe dieses Tages nicht mit Euch in Kontakt getreten."
"Leider nein, Herr. Wir befürchten das Schlimmste."
Der Patrizier zog eine Augenbraue hoch.
"Das Schlimmste? So, so." Er führte langsam die Fingerspitzen aneinander. "Ihr, besser: Du hattest drei Tage mit Herrn Bernier zu tun", stellte er fest. "Hast Du in dieser Zeit bei der Gilde geprüft, welchen Geschäften er nachgeht?"
Der Hauptmann nickte.
"Ja, Herr. Bevor wir versuchten, die Täter mit einer Finte auf der Brücke zu fassen, habe ich Erkundigungen über das Geschäft eingeholt. Nach dem Feuer schienen weitere Nachforschungen- Zeitverschwendung zu sein, Herr."
"Zeitverschwendung", wiederholte der Patrizier ruhig. "Und das Lagerhaus, das ein Raub der Flammen wurde: Wem gehörte es?"
Daemon sah Vetinari irritiert an.
"Dem Handelskontor H.G.B., Herr. Der Gesellschaft von Herrn Bernier."
"Und da eine weitere Recherche in der Gilde Zeitverschwendung gewesen wäre, konntest Du natürlich nicht wissen, dass Herr Bernier derzeit mit seiner gesamten Handelsflotte auf dem Weg in die Sto-Ebene ist. Wenn er in der Stadt weilt, ist er wohnhaft in der Seelein-Straße Nummer 14."
"Das ist die Adresse, die -Herold Bernier angegeben hatte. Dort habe ich ihn Vorgestern Morgen angetroffen und am Abend desselben Tags observiert."
"Herr Bernier konnte mir per Klacker versichern, dass er zu diesem Zeitpunkt keinesfalls in seinem Haus war, da er in einem malerischen Ort namens Kleinvieh auf dem Markt verschiedene Kohlproben verkostete. Er teilte mir jedoch mit, dass er einen Dienstboten namens Harald Kohlenkasten hat, auf den die gegebene Beschreibung passt."
Daemon sah sich nach einem Stuhl um, fand aber keinen.
"Es macht den Eindruck", fuhr der Patrizier fort. "Als habe der Dienstbote seine Stellung und die Abwesenheit seine Dienstherrn genutzt, um eine falsche Identität anzunehmen und so Kontakt zur Wache, besser: zu Dir aufzunehmen. Er und seine Helfer, die ich in den Reihen der Lagerarbeiter vermute, mussten davon ausgehen, dass Ihr ihm nicht beim ersten Mal sofort die unvorstellbare Summe von 100.000 Dollar aushändigen würdet. Er gab daher vor, die Übergabe habe auf der Brücke unbeobachtet stattgefunden und zeigte sich entsetzt, als Du ihm offenbartest, dass kein Geld den Besitzer gewechselt hatte. In der Nacht legte er das Feuer an der Halle seines Dienstherrn und hatte Gelegenheit, alle Korrespondenz dazu abzufangen, so dass er Dir gegenüber die Rolle des Kontorbesitzers weiter spielen konnte."
Alles um den Hauptmann herum drehte sich. Was ging hier vor sich?
"Natürlich war die Wache keinesfalls in der Lage, noch Willens, wegen des Brands die noch wesentlich unvorstellbarere Summe von 200.000 Dollar auszuzahlen. Da er sich aber einer Observation gewiss sein konnte, täuschte Kohlenkasten mit Hilfe seiner Helfer die eigene Entführung vor. Nicht ohne eine vorbereitete Erpressernote zurück zu lassen. Mit der jetzt anstehenden und bereits wirkungsvoll unterstrichenen Bedrohung einer gewaltigen Feuersbrunst im Herzen unserer Stadt musste Dir der Kämmerer natürlich die enorme Summe auszahlen, die die Erpresser verlangten."
"Herr-", sagte Daemon schwach.
"Und bedauerlicherweise warst Du nicht in der Lage, das perfide Spiel der Bande zu durchschauen, als Kohlenkasten Dir mit einem ausgestopften Mantel vollkommen allein gegenüber stand. Und mindestens ebenso bedauerlich warst Du nicht in der Lage, der Spur des übergebenen Geldes zu folgen, da die Gassen des Übergabeorts überraschenderweise ausgerechnet in der letzten Nacht sehr verwinkelt waren. Hauptmann-" Der Patrizier legte die rechte Hand flach auf die Schreibtischplatte.
"Du schuldest mir eine Menge Geld."
Daemon Llanddcairfyn schluckte.
"Herr."
"Ich werde mich zu gegebener Zeit daran erinnern." Der Patrizier lehnte sich zurück. Wie auf ein Signal hin öffnete sich die Tür zum Büro einen Spalt. Der Hauptmann salutierte und verließ eilig den Raum.

"Das war nicht sehr nett", sagte Freund Beuteltasche und trat hinter einem Vorhang hervor.
"Es war auch nicht sehr klug von ihm, nicht gründlich nachzuforschen", versetzte Vetinari. "Wurde alles erledigt?"
Der Schmuggler verbeugte sich unbeholfen.
"Die Bande hat tatsächlich versucht, die Stadt auf dem Fluss zu verlassen. Wir konnten sie aufgreifen, bevor eine andere Gilde Wind davon bekommen hat."
"Und? Wie ist mit den Subjekten verfahren worden?"
"Mit den Subjek-", grübelte Freund Beuteltasche kurz. Dann erhellte sich seine Miene. "Ach! Was mit den Idioten passiert ist, die Euch Geld stehen wollten. Sie werden so schnell nicht wieder auftauchen, Herr."
Vetinari gestatte sich ein kleines Lächeln.
"Und die Kiste?"
Der Schmuggler wirkte kurz hin und her gerissen.
"Hier, Herr. Ich habe sie mitgebracht."
"Danke, Herr Beuteltasche. Das wäre dann alles."
Der Unterboss der Gilde leckte sich über die schmalen Lippen.
"Dann- also- Ihr versteht schon, Herr. Da wäre noch die Sache mit der Provision. die Gilde-"
"Ich sagte: Das wäre dann alles, Herr Beuteltasche."

***

Die Fensterläden waren geschlossen und ein Balken davor gelegt. Die Tür doppelt verschlossen. In dem mit Möbeln zugestellten Raum brannte nur eine einzige Kerze. Daemon Llanddairfyn saß auf dem großen, alten Himmelbett und sah in die Flamme. Er war von einem kleinen Gauner geschickt reingelegt worden. Unglaublich, dass so ein kleiner Wicht diesen Mut hatte. Kohlenkasten war wieder und wieder mit neuen Lügen ins Wachhaus gekommen. Hatte für das große Geld mehrmals das Risiko der Entlarvung auf sich genommen. Und am Ende war er mit fast einer Viertelmillion Dollar des Patriziers verschwunden. Unfassbar. Die Kontakter und verdeckten Ermittler hatten durchsucht, bestochen, gedroht, doch es war keine Spur von den Betrügern zu finden. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Normalerweise machten diese Leute Fehler, sobald sie zu viel Geld auf einmal besaßen, warfen damit um sich, fielen auf. Doch nicht in diesem Fall. Die Bande war in den Schatten untergetaucht und unauffindbar.
Und so blieb dem Patrizier nur einer, dem er an dem Verlust die Schuld geben konnte. Der Hauptmann sah zur Tür des Zimmers. Dann zog er sich die Decke über den Kopf.
Z�hlt als Patch-Mission f�r den Dobermann/div-Patch.



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Feedback:

Von Cim Bürstenkinn

19.2.2017

Eine erfrischend natürliche Geschichte, bei der man das alte Wachefeeling wieder spürt :)
Die Ermittlungsfehler sind nachvollziehbar, der Coup geschickt eingefädelt und natürlich wird der Patrizier seinem Ruf gerecht.
Der "Rekrut", also der supportive Actor, wird nur für alte Hasen erkennbar sein.

Für mich unbedingt eine Ribbon-Single!!!

Von Ophelia Ziegenberger

20.2.2017

Hehehe... das passte gut zusammen. Spannend und unterhaltsam, endlich mal wieder ein Lebenszeichen von dir/Daemon und obendrein ein feiner Patrizier im Dunkeln.

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