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Was Neugier und eine Kanne Tee bei einem alten Mann anrichten können
Dafür vergebene Note: 12
Gerichtsmedizin, Stadtwache
Die würgenden Laute, ließen ihn kurz von seiner Teekanne wegsehen und kochendes Wasser über einen überfälligen Obduktionsbericht schütten.
„Galdor, übergib dich gefälligst leise. Wie soll ich mich da aufs Tee machen konzentrieren?“
Der großgewachsene Mann tupfte den Bericht mit dem Saum des bodenlangen Gewandes trocken, was zwar klappte aber gleichzeitig eine Unzahl dort haftender Dinge auf das Papier zauberte.
„Du darfst dann einen Bericht schreiben, wenn du fertig bist!“, rief er über seinen Rücken und zerknüllte das Ergebnis einer zweistündigen Obduktion.
Seufzend setzte er sich und schenkte sich selbst Tee in eine Tasse. Hinter ihm blubberte es friedlich und der Gerichtsmediziner konnte selbst nach all den Jahren nicht sagen, ob das Geräusch von Saugis Kehle oder Hinterteil stammte.
„Hauptmann Pismire… oh ihr Götter. Ich mag ja Tiere, aber die Blähungen dieses Geiers..“, wie zur Verdeutlichung übergab er sich erneut – mit dem Gefühl jetzt endlich einen leeren Magen zu haben, „sind noch schlimmer als seine Füße!“.
Der Dumii strich sich über die langen Haare und nahm einen tiefen Schluck von dem viel zu heißen Kräutertee – ein passionierter Tee-Aficionado wie er hatte die Empfindlichkeit gegenüber Temperatur im Mund schon lange hinter sich gelassen – und sah lächelnd zu dem zufrieden blubbernden Saugi und seinem aktuellen Opfer/Rekrut der nach der Beseitigung von Geierkot nun sein Erbrochenes wegwischte.
Die Szene hatte etwas Beruhigendes, Verlässliches; vermittelte Bestand und das Gefühl, dass es doch gut war der Hauptmann und nicht der Rekrut zu sein.
Auch wenn sich alles änderte in der guten alten Stadtwache, die zu Grunde liegende Ordnung würde wohl die…
Die Tür wurde aufgestoßen und Pismire bot sich ein eigenartiges Bild:
Ein ganz in schwarz gekleideter Zwerg hielt das vordere Ende einer Tragbahre die in einem Winkel von grob 70 Grad hinter ihm nach oben ragte. Darauf lag eine Leiche deren Beine zwischen Körper und Armen des Wächters Barlor Kurzbart hindurchragten, wie ein weiteres Paar Gliedmaßen.
Hinter ihm sah man die nur die Schultern des bereits gebückt gehenden Trolls, Thymian Erz, dessen Kopf ungebremst in den Türrahmen krachte und ein kopfbreites Stück herausbrach.
Pismire hatte bereits den Finger gehoben um etwas zu sagen, war aber von dem Bild zu sehr aufgesaugt um es zu stören.
„Das hat Rogi ja super hingebracht!“, schimpfte nun eine Stimme hinter dem Troll. „Nimm die Beiden! Hat sie gesagt. Müfen auch mal zufammenarbeiten.“
Argwöhnisch zum zerfetzten Türrahmen hochschielend folgte Cim Bürstenkinn seinen beiden Schützlingen und salutierte ansatzweise vor dem Hauptmann.
„Hallo Pismire! Wir hätten hier einen Selbstmörder – wenn du so freundlich wärst seinen Tod zu bestätigen, sind wir auch schon wieder weg. Ähm, sorry wegen der Tür!“
„Sorry wegen Tür!“, wiederholte Thymian kleinlaut und ging noch tiefer in die Hocke um der Decke ein ähnliches Schicksal zu ersparen.
Etwas störte den Gerichtsmediziner. Zum einen waren es die unwürdigen Bedingungen mit denen der Leichnam zu ihm gebracht wurden. Zum Anderen die eigenartige Hast.
„Seid ihr mit euren Ermittlungen den schon fertig?“, fragte er leise mit gerunzeltem Nasenrücken zu dem Omnier.
Lachend stieß der die Luft durch die Nasenflügel. „Ja, er ist von seinem Dach auf die Straße gesprungen. Dabei hat er Der Phoenix fliegt wieder gerufen und hätte beinahe eine Nachbarin erschlagen. Die Verrückten in dieser Stadt werden nicht weniger.“
Cim hielt dem Hauptmann einen kurzen Bericht, der in etwa die Tiefe seiner Untersuchung beschrieb, ergänzt um den Satz: Tod wurde bestätigt von ………………….. am ………………….
„Könntest du? Dann bekommt er endlich sein verdientes Ankh-Begräbnis. Hat keine Verwandten.“
Pismire hatte seine Teetasse abgesetzt und nahm den Bericht ohne ihn anzusehen aus Cims Hand.
„Ich seh mir das an – ihr könnt ihn morgen abholen. Aber zuerst befrei diesen Zwerg und legt…“, er schielte auf das Stück Papier, „….Herrn Ormund auf den Obduktionstisch!“
„Aber ich hab dir doch …“, begann Cim, sah aber am Gesichtsausdruck des alten Mannes, dass es eventuell mehr Diskussionen geben würde, als er heute verdauen konnte. Heute Abend war Dunkelwacht-Treffen und er wollte nicht zu spät kommen. „Ja, Sir!“.
Damit zogen Thymian und der SEALS die Leiche zwischen den Armen des Zwergs hervor und legten ihn plötzlich sehr vorsichtig auf den Tisch – verfolgt von zusammen gekniffenen grauen Augen, deren Augenbrauen wie Regenwolken darüber hingen.
„Bis morgen dann! Wegtreten!“, versuchte Cim bestimmt zu sagen, begleitet von einem doppelten „Sir“ und einem wischenden Geräusch als Thymian den Kopf durch das neu entstandene Loch über der Tür schob.
Pismire drehte sich um und musterte den Körper. Die Vorderseite war blutgetränkt. Eine Rippe stand durch das Hemd und der Oberschenkel schien ein Gelenk bekommen zu haben. Zumindest hatte er in der Mitte einen seitlichen Knick. Das Gesicht war eine blutige Masse und es sickerte Blut aus seinen Ohren.
„Brauchst du sonst noch was, Sir?“, fragte Galdor erschöpft, erhielt als Antwort aber nur ein Winken mit der rechten Hand des Dumii. Leise verließ der Rekrut den Raum um weiteren Aufgaben zu entgehen.
„Sieht aus wie ein normaler Selbstmord. Aber irgend etwas stört mich!“, sagte er zu sich selbst und begann mit der äußeren Sektion.
Zwei Stunden später, Herr Ormund hatte nun einen sauber vernähten Y-Schnitt auf der Brust, seine Brüche waren gerichtet und sogar sein Gesicht sah wieder fast menschlich aus, war Pismire um nichts klüger. Der Mann war organisch gesund gewesen, war ein Opfer der Schwerkraft geworden und zahlreiche Knochen hatten sich in Organe gebohrt – neben dem tödlichen Schädelbruch den er erlitten hatte.
Er schenkte sich nun bereits kalten Kräutertee ein und leerte die Tasse auf einen Zug.
„Der Phoenix fliegt wieder?“
Was für ein bescheuerter letzter Satz war das denn?
Er zuckte mit den Schultern und setzte den Stift auf den Bericht von Cim – hielt aber inne.
Schätzchengasse 12. Einfach ein weiterer Selbstmörder in den Schatten.
Mit einem Seufzer warf er den Umhang über die Schultern und stopfte den Bericht neben einem Skalpell in die Tasche und steckte eine Taube in eine Transportröhre die ebenfalls in einer der unzähligen Taschen verschwand.
„Die Neugier wird noch mal mein Untergang sein.“, murmelte er und machte sich auf zur Schätzchengasse.
Schätzchengasse 12
Arwin Leichtgriff stand im Schutz des Eingangs und sah nervös die Straße hinauf und hinunter.
„Beeil dich jetzt mal endlich!“, flüsterte er nervös und sein Partner Emanual Sackhase grunzte als Antwort, während er weiter versuchte mit dem Dietrich das Schloss der Tür zu knacken.
Sie erreichten ihrer Quote schon das dritte Monat nur zur Hälfte. Als sie hörten, dass Ormund sich selbst umgebracht hatte, sahen sie eine Chance einiges aufzuholen. War der Mann erst mal tot, erlosch auch das Schutzgeld das er bezahlt hatte, um vor Besuchen der Diebesgilde sicher zu sein.
Arwin hielt es nicht mehr aus, zog Emanual von der Tür weg und brach sie mit einem beherzten Tritt gegen das Schloss auf.
„Dach hättecht du aber chon früher machen können!“, sagte Sackhase mit einem gebogenen Stück Metall im Mund.
Arwin grinste. „Na dann ans Werk!“
Sie machten sich gerade daran das Haus zu betreten, als sich plötzlich zwei altersfleckenübersäte aber erstaunlich kräftige Hände um ihr Genick schloss und sie hochhob.
„Hee, lass das“ – „Wir machen hier nur unsere Arbeit“
Pismire ließ sie eine Weile baumeln und Luft treten bevor er sich umdrehte und sie die Treppe runter warf.
„Verschwindet ihr Penner. Das ist ein Tatort!“
Kurz sahen sich die beiden Diebe an, überlegten ihre Chancen. Immerhin stand da nur ein alter Mann – der sie gerade wie zwei Kissen hoch gehoben und durch die Gegend geworfen hatte. Schließlich zog Arwin seinen Freund beim Arm und sie verschwanden ohne ein weiteres Wort in der nächsten Seitengasse. Das würde wieder ziemlichen Ärger bei der Abrechnung geben, aber immerhin würde er den Ärger erleben.
Der Schamane sah ihnen noch eine Weile nach, bevor er sich wieder der Tür zuwandte.
„Das haben sie wunderbar gemacht, Herr General!“ Das Fenster des Nachbarhauses war aufgegangen und eine Dame um die 50 sah mit gewickelten Locken heraus und winkte aufgeregt mit zwei grauen Stricknadeln.
„Ormunds Geschäfte haben das Gesindel wie magisch angezogen. Die warteten nur darauf, dass er irgendwann sein Schutzgeld nicht bezahlt. Von den unlizenzierten Versuchen ganz abzusehen.
Bei mir wurde zweimal eingebrochen, nur weil die Kerle nicht mehr auf der Straße warten wollten. „
„Hauptmann Pismire, guten Abend Frau..“
„Rosalie Serpens, Fräulein. Ich habe so oft mit Richard Tee getrunken. Er war ein wirklich netter und höflicher Mann. Ein Jammer…“
„Frau Serpens, ich ermittle in seinem Fall. Haben Sie in den Stunden vor seinem Tod etwas Auffälliges bemerkt. Ungewöhnlich sozusagen?“
Bedächtig nickte sie und riss die Augen weit auf, als sie antwortete: „Das sag ich ihnen! Irgend so eine Adelige Schnepfe war gegen Mittag da und sie haben beinahe eine Stunde gestritten. Dann ist sie mit ihren Muskelmännern wieder in die Kutsche gesprungen und weggefahren.
Ich habe Richard gleich besucht, um nach dem Rechten zu sehen, aber er war so außer sich, dass er kaum reden konnte. Das sag ich ihnen. Er murmelte nur dauernd was von einem „Pendel-oger“ . Keine Ahnung was er meinte. Ein paar Stunden später lag er dann am Pflaster.“
„Welchen Geschäften ist Herr Ormund den nachgegangen, die ihn so attraktiv für Diebe gemacht haben?“
„Na er war ein Edelsteinschleifer. Der Beste in der Stadt, wenn man seinen Worten Glauben schenken darf. Leider hat er sein Geld zu einem Großteil bei den Näherinnen verschwendet. Dabei hätte er doch alle Möglichkeiten..“
„Haben Sie vielen Dank. Eventuell meldet sich noch jemand bei Ihnen wegen einer schriftlichen Aussage.“
Pismire wartete die nächste wortreiche Antwort nicht mehr ab und trat endlich in das Haus; zog die zerstörte Tür hinter sich zu.
Die Kohlen im Kamin glühten noch immer. Daneben auf dem Tisch stand eine Kanne mit Tee. Er roch das Aroma von Heidelbeeren und Zitronengras und stellt die Kanne zu den Kohlen um sie wieder aufzuwärmen.
Die Wände waren mit Bücherregalen gefüllt. Ein paar wenig anspruchsvolle Bände mit Liebesromanen, einige allgemeine Sachbücher. Das Gros der Bücher bestand allerdings aus sehr speziellen Werken wie „Eine Einführung in die spezielle Mineralogie“, „Petrologie und Edelsteine bestimmen leicht gemacht“, „Petrologie und Edelsteine bestimmen leicht gemacht“.
Eine Durchsuchung des Hauses brachte wenig Aufschluss. Im oberen Geschoß waren mehrere Schlafzimmer, ein weiteres Badezimmer und ein Schrankraum. Das Erdgeschoß bestand im Wesentlichen aus Küche, Bad, Wohnzimmer und Werkstatt in der peinlich sauber aufgeräumt war. Seltsame Apparate standen herum, darunter auch ein kleiner Schraubstock mit lederbesetzten Klemmen und einem kleinen Kasten den man wohl auf den zu schleifenden Stein senken konnte.
Leise klopfte Pismire darauf und ein Deckel ging auf. Ein kleiner roter Kopf sah aus dem Kasten, definitiv ein Dämon der den Schleifapparat antrieb.
„Was bist du denn für einer?“, fragte die kleine Kreatur. „Sag Ormund, dass er den Termin nicht halten wird, wenn er den Pendeloque-Rohling nicht wieder einlegt. Es fehlt doch nur noch die Politur.“
„Was ist ein Pendeloque-Rohling?“, fragte der Hauptmann und erntete einen misstrauischen Blick von den glühenden Augen des Dämons.
„Ich glaube ich halte und schließe lieber meine Klappe!“, damit verschloss er den Kasten wieder und der Gerichtsmediziner war um nichts klüger.
Eine umfangreiche Durchsuchung des Hauses war unumgänglich, aber er hatte Durst und keine Lust darauf jeden Mauerstein abzuklopfen.
Er riss einen Streifen Papier aus einem Buch mit dem vielversprechenden Titel. „Diamanten sind die besten Freunde!“ und schrieb Rogi eine kurze Nachricht.
Als die Taube Richtung GRUND flog, nahm er sich ein Gemmologie-Buch, setzte sich zur restlichen Glut des Kamins und trank genüsslich Tee während er auf die Infanterie wartete.
zwei Stunden später
„…darüber hinaus haben wir 12 Opale, 14 Smaragde, und einen Haufen anderer Steine gefunden, deren Namen wir nicht gekannt haben“.
Der Wächter Diez, einer von Pismires eigenen Schützlingen, war in dezentem Braun gekleidet und hielt dem Hauptmann eine Salatschüssel voller Edelsteine vor die Nase. Er war von Rogi gemeinsam mit zehn weiteren Rekruten zu dem Haus geschickt worden um es einer genauen Untersuchung zuzuführen. Das war wesentlich einfacher, als mit irgendjemand der Fachabteilungen zu diskutieren, ob eine Ermittlung überhaupt angebracht war. Sollte nichts dabei rauskommen, war es einfach eine GRUND-Übung.
Anerkennend nickte er und sah den Rekruten erwartungsvoll an.
„Darüber hinaus, haben wir eine Reihe von Papieren, Rechnungen und Aufträge gefunden. Ambrosia hat die Auftrage und die Rechnungen sortiert. Bei einem gibt es nur den Beleg einer Anzahlung aber noch keine Abrechnung.“
Er reichte seinem Ausbildner die beiden Zettel und der Dumii zog überrascht seine buschigen Augenbrauen nach oben.
„Auftrag über Schliff und Politur in Pendeloque-Form. Art des Steins: Diamant, Gewicht 2 Kg.
Kosten: 200.000 AM$, vereinbarter Vorschuss bei Auftragserteilung: 50.000 AM$. Fertigstellung in längstens 3 Wochen ab Auftragserteilung!“
Pismire sah auf das Datum der Unterschrift. Der Stein hätte morgen fertig sein sollen. Die Auftraggeberin war Gräfin Margarete von Anhalt. Er hatte von ihren prunkvollen Feiern gelesen bei denen sich alle trafen die wichtig in der Stadt waren, oder es werden wollten.
„Zwei Kilogramm ist so ziemlich der größte Diamant von dem ich je gehört habe. Nachdem er nicht in der Schüssel liegt, nehme ich nicht an, dass Ihr ihn gefunden habt?“
Diez schüttelte den Kopf.
Der Hauptmann wollte sich nachschenken und stellte enttäuscht fest, dass die Kanne leer war.
Mit einem Ächzen richtete er sich auf und sah zu dem etwas größeren Rekruten hoch.
„Du hast hier das Kommando. Sucht weiter, und in drei Stunden treffen wir uns am Pseudopolisplatz beim Tresen. Ich besuche erstmal die Gräfin.“
Diez salutierte und gesellte sich wieder zu seinen Kollegen. Mit dem unbestimmten Gefühl, dass etwas gar nicht in Ordnung war, machte sich Pismire auf zur Gräfin.
Schussfadenweg 5, Anwesen der Gräfin von Anhalt
„Die Gräfin erwartet Sie im roten Salon“, hatte der Butler mit dem Körperbau einer auf den Kopf gestellten Pyramide verkündet und hatte ihn durch die Gänge des riesigen Hauses in einen prunkvollen Raum geführt dessen Türen sogar für Thymian hoch genug gewesen wären.
Der Raum war an Boden, Wänden und Decken in roten Flausch gehüllt und Pismire konnte ein embryonales Gebärmutter-Gefühl nicht unterdrücken.
Die Herrin des Hauses war eine umfangreiche Erscheinung, üppig ohne dick, geschminkt ohne übertrieben zu wirken. Ihre blonden Haare waren in komplizierten Locken hochgesteckt und es blieb kein Zweifel, dass jede Strähne die den Klammern entkommen konnte, absichtliches Teil des Gesamtkunstwerk waren.
„Herr Hauptmann“, sie musterte den Schamanen ohne mit der Wimper zu zucken und ignorierte großzügig das fleckige Gewand unter dem ebenfalls nicht besonders sauberen Umhang. „Setzen sie sich doch. Darf ich ihnen auch einen Weinbrand anbieten? Was führt sie zu mir?“
„Mylady“, begann Pismire der irritiert feststellte, dass seine Beine kaum den Boden berührten als er saß. „Ich ermittle im Todesfall von Richard Ormund, zu dem sie eine Geschäftsbeziehung haben, wenn ich richtig informiert bin.“
Der mächtige Schwenker fiel ihr aus der Hand und der bernsteinfarbene Alkohol darin gab dem Teppich eine bräunliche Farbe. Aus dem Augenwinkel sah Pismire, wie ein Silberfisch – „chen“ war definitiv unangebracht – von der Größe eines Bernhardiners auf unzähligen Füßen herantrappelte und zu lecken begann.
„….ist tot? Ihr Götter was ist mit meinem Diamant? Er hat einen unbezahlbaren Roh-Edelstein bei sich, und sollte ihn schleifen!“
Pismire löste den Blick von dem seltsamen Haustier und konzentrierte sich wieder auf die Frau.
„Ja, von dem Stein gibt es leider keine Spur. Wir müssen annehmen, dass er Grund für den Tod von Ormund war. Sie hatten gestern eine Auseinandersetzung, wie ich gehört habe?“
Die Gräfin schnippte mit den Fingern und der Butler brachte ein neues Glas mit Weinbrand.
„Der Kerl wollte mehr Zeit!“, sagte sie nach einem tiefen Schluck. „dabei veranstalte ich in zwei Tagen einen Ball bei dem der Pendeloque präsentiert werden soll. Es ist eine Katastrophe wenn er verschwunden ist. Auch die Fairsicherung wird nicht den vollen Wert zahlen, weil sie ihn ja noch nicht geschliffen gesehen haben.“
Die Bestürzung über den Tod des Mannes hält sich ja in Grenzen bei ihr, dachte Pismire, nahm den Schwenker in beide Hände und trank von dem riesigen Glas.
Erst jetzt merkte er, dass der Tisch beinahe auf Brusthöhe war. Zur Gräfin musste er aufsehen, der Butler ragte wie ein Berg neben ihm auf. Erschrocken sprang er von dem Sessel herab. Der riesige Silberfisch saß nun an der Wand und wartete auf das nächste Malheur.
„Ent…Entschuldigen Sie, ich fürchte ich muss…“, stammelte der Hauptmann, stellte das Glas auf den Tisch und wankte zur Tür.
Mit Mühe konnte er zur Schnalle hochgreifen und sie herunterdrücken.
„Aber… Herr Hauptmann?“, rief ihm die Gräfin verwirrt nach, doch er war längst den Flur entlang gelaufen und hatte das Haus verlassen.
Heftig atmend stand er auf der Straße, merkte nun auch, dass seine Ärmel viel zu lang waren, er sein Gewand hinter sich her schleifte und der Umhang schwer auf seinen Schultern lag.
„Haben sie kurz Zeit?“ Ein Mann war vom Zaun hervorgetreten und verbeugte sich ansatzweise zu ihm herunter.
Fahrig sah Pismire zu ihm hoch. Was wollte der Kerl von ihm?
„Ernst Probus, Die echte Fairsicherung.“, er hielt dem Wächter eine Visitenkarte hin, die Pismire mit beiden Händen wie eine Zeitung nahm ohne darauf zu schauen.
„Wir sind besorgt wegen dem Tod von Herrn Ormund.“ Seine Augen. Was war mit seinen Augen.
Die Versicherungssumme beläuft sich auf immerhin 20 Millionen AM$! Seine Stimme klang hohl, wie durch eine Röhre gesprochen und halte nach. Und jetzt sah Pismire auch was mit den Augen nicht in Ordnung war.
Ein grüner Funke leuchtete darin, der größer zu werden schien.
Erschrocken wich der Hauptmann zurück. Die Visitenkarte fiel zu Boden. Er kannte diese Augen. Wusste was sie bedeuteten.
Können Sie uns schon etwas sagen?“
Pismire raffte sein Gewand und den Umhang hoch und rannte. Er musste so schnell wie möglich dem Kommandeur berichten, was hier passierte.
Dabei wurde ihm schmerzhaft bewusst wie kurz seine Beine geworden waren und hatte das Gefühl nicht vom Fleck zu kommen.
Endlich erreichte er den Pseudopolisplatz stürmte am Tresen vorbei, erklomm die unglaublich hohen Stufen in den zweiten Stock und stürzte in Araghasts Büro.
„Bregs“, der Kommandeur ragte vor ihm auf, wie der Kunstturm der Unsichtbaren Universität. Seine Worte klangen zäh und dumpf, kaum verständlich.
„P I S M I R E, W A S Z U M ...“
Er hörte den restlichen Satz nicht mehr, denn es ging alles sehr schnell. Der Teppich zu Bregs Füßen schien an ihm zu saugen, gleichzeitig schrumpfte er nun blitzartig. Schon konnte er die Formen der Möbel im Büro nicht mehr erkennen, sah er die Strukturen überdeutlich. Die Maserung von Holz bestand aus Bergen und Tälern und er fiel hinab in den Wald aus Haaren in Bregs Teppich.
Als er die Augen wieder öffnete vergaß er eine Minute lang zu atmen. Vor sich sah er zerstörte Hütten, umgefallene Haare die ehemalige Behausungen unter sich begraben hatten.
Doch viel schlimmer war, auf der Lichtung die einmal der Dorfplatz gewesen war, saß Glurk, aus zahlreichen Wunden blutend an seinen Speer geklammert und umgeben von einer Horde aus schwarzen Snargs, deren Augen sich in stechend-grünem Leuchten von dem schattenhaften Fell abhoben.
Wie war es möglich? Er war zu Hause.
Ankh-Morpork, Stadtwache, Bregs Büro
„Was hat der alte Narr jetzt wieder angestellt.“
Araghast war aufgesprungen als der Gerichtsmediziner am Boden zusammenbrach. Er wälzte sich am Boden hin und her, drückte das Kreuz durch, bis nur noch sein Kopf und die Beine den Boden berührten. Schaum stand in seinem Mund.
Schnell legte Bregs seinen Gürtel ab, faltete das Leder und schob es Pismire zwischen die Zähne. Seien Augen waren verdreht und der Dumii stöhnte und ächzte vor Anstrengung während der Anfall durch seinen Körper raste.
Der Kommandeur riss seine Tür auf, und schrie. „Bringt sofort Rea zu mir! Ich brauche eine Hexe!“
Er hörte wie Ettark laut „Kopiere das!“ schrie und wandte sich wieder Pismire zu.
„Was hat der alte Narr jetzt wieder angestellt.“
Teppich in Bregs Büro, Zerstörtes Dorf der Munrugs
Pismire konnte es noch immer nicht glauben. Wie kam seine Heimatwelt in Bregs Teppich? Er war doch damals aus dem von Rince gekommen. Hatte der neue Kommandeur die Einrichtung seines Vorvorgängers weiter verwendet und das Teppichvolk so mitübersiedelt?
Doch zunächst hatte er zwei andere Sorgen.
Zum einen, brauchte er Kleidung – seine lag irgendwo in der Größe eines Himmelskörpers herum und er stand ziemlich im Freien.
Zum anderen musste er Glurk helfen. Der Häuptling sah aus, als würde er jeden Moment das Bewusstsein verlieren und die Raubtiere warteten scheinbar nur auf diesen Moment. Auf jeden Fall hatte sein alter Freund massiven Schaden bei den Mouls angerichtet – am Boden lagen 8 Reiter und sonst kein weiterer Munrug. Kein Wunder, dass die Snargs etwas Respekt hatten.
Schnell riss er einen Umhang von einer er Leichen und knüpfte sich einen Rock daraus. Ein schartiges Knochenschwert und ein Schild sollten ihm beim zweiten Teil seiner Probleme helfen.
„Es ist beinahe lustig, das sag ich Dir!“, sagte eine kichernde Moul-Stimme. Erst jetzt sah er, dass im Schatten eines gespaltenen Haares, eine Moul-Frau mit langen Eckzähnen saß und strickte.
Glurk, aber auch die Snargs drehten sich zu ihm um und sahen ihn erstaunt an.
„Pismire! Du…“, ächzte Glurk während sich die Raubtiere neu formierten.
„Schicker Rock!“, grinste die Moul-Frau, „Dein Freund hier ist selbst schuld. Dachte wir hätten nicht mitbekommen, dass sich im Dorf noch wertvolle Sachen befinden. Wir haben eine Wache aufgestellt und der Junge hat uns selbst zum Versteck geführt.“
Pismire war im Moment egal, von welchem Schatz die Frau da redete. Er musterte die Aufstellung der Snargs, sah eine Chance und rannte los, tötete eines der überraschten Tiere und zog Glurk hoch.
„Kannst du klettern?“, fragte er seinen Freund leise. Doch der lachte. „Viel besser!“
Damit schnappte er den Schamanen um die Hüfte und flog hoch hinauf in die Spitzen des Haarwaldes.
Die Moul-Frauen und ihre Bestien wurden klein unter ihnen und schließlich landete Glurk auf einem breiten, zur Seite gebogenen Haar.
„Wo warst du so lange?“, fragte Glurk, als er erschöpft auf die Knie sank.
Aber Pismire sah noch immer ungläubig nach unten. „Wieso kannst Du fliegen?“
Glurk lachte und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Er kramte in seiner Jackentasche und hielt ihm ein Fläschchen hin.
„Saft des Phönix!“, keuchte er und der Schamane konnte das kleine Lederfläschchen gerade noch aus seiner Hand nehmen, bevor der Häuptling endgültig das Bewusstsein verlor.
Erstaunt zog er den Korken heraus und trank. Ein Kribbeln zog durch seinen Körper und er fühlte sich entspannt und leicht zugleich. In welcher Richtung wohl die Hauptstadt lag. Vielleicht musste er nur ein wenig höher fliegen um sie zu sehen.
Reas Büro
Der Kessel im Büro der SEALS-Abteilungsleitern wurde nur selten kalt, aber heute qualmte er dermaßen durch das offene Fenster, dass die Feuerwehr mit freudiger Erregung vor den Wachetoren gestanden hatte und dann enttäuscht wieder fahren musste.
Der Gerichtsmediziner hatte sich beruhigt, nachdem er einen speziellen krampflösenden Trank eingeflößt bekommen hatte.
„Hast Du eine Idee, was die Ursache seines Zustandes ist?“, fragte Bregs nicht zum ersten Mal.
Rea brummte etwas Unverständliches und untersuchte weiter die Lippen und Augen des Dumii.
„Beladonna, Zaunrübe, Tollkirsche und noch ein paar nette Zutaten. Die Frage ist, warum er das zu sich genommen hat.“
„Ja, das ist auch sehr interessant, aber kannst Du ihn davon befreien?“.
Bedächtig nickte die Hexe. „Ich bin schon dabei.“
Mit einem Schöpflöffel tauchte sie in den qualmenden Kessel und trat zu dem bewusstlosen Hauptmann.
„Halt seinen Mund auf. Er muss das vollständig trinken.“
Gemeinsam flößten sie Pismire die grau-braune Brühe ein – ohne das sich etwas verändert hätte.
„Das dauert jetzt eine Weile! Der Trank muss in seine Organe und in sein Blut, vor allem seinen Kopf transportiert werden. Dann sollte er wieder der Alte sein!“
Plötzlich öffnete Pismire die Augen und sprang auf, während Bregs und Rea nach hinten gestoßen wurden.
„Kannst Du klettern?“, flüsterte Pismire und ging zum Fenster.
Sein Kopf sah verwirrt nach oben und nach unten.
„Alles ok mit dir?“, fragte Rea, die nun hinter ihm stand und die Hand auf seine Schulter legte.
„Wieso kannst Du fliegen?“, fragte er und sah ungläubig nach unten.
„Was ist los mit ihm, Rea?“, Bregs trat einen Schritt näher, blieb aber vorsichtig – er wusste wozu Pismire fähig war, wenn er erstmal seine Stärke einsetzte. „Was tut er?“
Der alte Mann setzte die eine Hand an den Mund, als würde er etwas trinken, streckte schließlich die Hände aus und sprang aus dem Fenster.
Bregs Teppich
Pismire wusste, dass er nun ebenfalls fliegen konnte. Auch wenn die Welt um ihn zu verblassen schien – er musste Hilfe für seinen Freund holen. Mit einem beherzten Sprung hob er ab spürte wie er höher getragen wurde, aber etwas schien ihn festzuhalten. Plötzlich fiel er, stürzte die ganze Strecke hinab, sah die zerstörten Hütten, die Snargs, die toten Mouls und die strickende Frau näher kommen.
Schließlich baumelte er etwa 6 Meter über dem Innenhof des Wachehauses am Pseudopolisplatz aus dem Fenster. Bregs und Rea hielten ihn am Saum seines Gewandes fest und der Kommandeur hatte endlich Zeit um „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“ zu schreien.
Pismire fühlte sich als hätte jemand die Zeit angehalten. Plötzlich wusste er was passiert war, dass er künftig keinen fremden Tee trinken sollte und dass er nicht wirklich in seiner Heimat gewesen war.
Gleichzeitig wurde ihm klar, warum Ormund gestorben war.
„Zieht mich rauf“, sagte er zu seinen Kollegen, „Ich muss einen Mordfall lösen!“
Schätzchengasse 14, Haus von Frau Serpens
„Wollen sie wirklich keinen Tee, Herr General?“
Pismire musterte die Frau sorgfältig und sah den Schweiß der ihr von der Aufregung am Hals herunterlief und in dem geblümten Stoff des Kleides versickerte.
„Nein danke, ich hatte heute schon reichlich.“ Hinter ihm durchsuchten SUSI und SEALS-Wächter das ganze Haus. Nicht ohne sich gegenseitig zu beschuldigen, Spuren zu verwischen oder den Tatort zu verunreinigen.
Ein sehr stiller Cim Bürstenkinn, versuchte seinen Fehler wieder gut zu machen und hielt ausnahmsweise den Mund.
„Sagen sie mir doch, wo sie den Diamanten versteckt haben Frau Serpens. Solange wir ihn noch nicht gefunden haben, können wir ihnen noch Straferleichterung anbieten, wenn sie kooperieren.“
„Ich habe keine Ahnung wovon sie sprechen, Herr General. Ich bin unschuldig, das sage ich ihnen!“
„Dann erzähle ich ihnen was passiert ist!“, begann Pismire und setzte sich zufrieden in einen der Bast-Stühle. „Sie haben den Streit der Gräfin mit Ormund mitbekommen und sind zu ihm rüber als die Dame weg gefahren war. Wahrscheinlich hatte sie sogar die Tür offen stehen lassen und sie konnten einfach ins Haus.
Ormund wollte unbedingt fertig werden mit seiner Arbeit – es fehlte nur noch die Abschluss-Politur. Auf jeden Fall hatte er sich sofort wieder ans Werk gemacht, um seinen Termin irgendwie einzuhalten. Sie werden ihn in der Werkstatt überrascht haben, den Stein gesehen und von der Gier gepackt worden sein.“
„Ich hab ihn!“, rief Tussnelda und sah breit grinsend aus dem Kamin. In ihren Händen hielt sie einen perfekt geschliffenen Diamant mit milchiger Oberfläche. Unpoliert.
Grinsend fuhr Pismire fort. „Keine Hafterleichterung. Sie haben nur darauf gewartet, dass die Wirkung des Trankes einsetzte, den sie in den Tee gemischt hatten. Dann konnten sie in aller Seelenruhe den Diamanten stehlen und warten dass Ormund sich irgendwie selbst tötete.
Die einzige Frage die ich habe: wie haben sie diesen Hexentrank so schnell zubereitet?“
Wie als Antwort griff sie in ihr Dekolleté und zog eine kleine Lederflasche heraus.
„Habe ich seit Wochen bei mir. Ich habe schon lange gewusst, woran er arbeitet und habe nur auf eine Gelegenheit gewartet. Konzentriert ist er übrigens tödlich“, flüsterte sie und bevor Pismire aufspringen konnte hatte sie den Inhalt bereits geschluckt.
Sie sah ihn mit breitem Grinsen an, lachte, lachte immer lauter und rief endlich „Der Phoenix fliegt wieder!“.
Damit sank sie zusammen und verlor das Bewusstsein.
Pismire drehte sich um zu Cim und sagte: „Bringt sie mir dann in die Gerichtsmedizin. Der Fall ist geklärt!“ Der SEALS nickte stumm, das schlechte Gewissen stand ihm immer noch ins braune Gesicht geschrieben.
Damit überließ der Hauptmann den anderen Wächtern den Tatort. Das war definitiv ein Tag für einen guten Tropfen Wein aus einer verschlossenen Flasche. Seine Neugier war für heute befriedigt.
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